Hauptseminar Virtuelle Präsenz Thema: Aktuelle Systeme: Virtuelle Welten Veranstalter: Dr. Michael Schöttner Abteilung Verteilte Systeme Fakultät für Informatik Universität Ulm

Christian Guggenmos [email protected] WS 2003/2004

Hauptseminar Virtuelle Präsenz

Gliederung

1. EINLEITUNG................................................................................................................... 3 2. ANFÄNGE DER VIRTUELLEN WELTEN................................................................. 4 2.1. HABITAT ........................................................................................................................ 4 2.2. NACHFOLGER VON HABITAT .......................................................................................... 5 3. AKTUELLE VIRTUELLE WELTEN........................................................................ 6 3.1. ACTIVE WORLDS ........................................................................................................... 6 3.1.1. Überblick................................................................................................................ 6 3.1.2. Steuerung................................................................................................................ 7 3.1.3. Angebot................................................................................................................... 8 3.1.4. Technik ................................................................................................................. 10 3.2. THERE .......................................................................................................................... 11 3.3. SECOND LIFE ............................................................................................................... 13 3.4. VERGLEICH DER WELTEN ............................................................................................ 16 3.5. ZUSAMMENFASSUNG ................................................................................................... 17 4. SCHLUßWORT ............................................................................................................. 18 5. QUELLENANGABEN................................................................................................... 20

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Aktuelle Systeme: Virtuelle Welten

Abstract. Im Folgenden werden, ausgehend von einer kurzen Einführung in die Anfänge der virtuellen Welten, die derzeit aktuellen Systeme an Hand konkreter Beispiele beleuchtet. Im Einzelnen sind das "Habitat" (und seine Nachfolger) von Lucasfilm Games als Repräsentant der ersten Online-Welten, sowie die drei aktuellen virtuellen Welten "Active Worlds", "There" und

"Second Life". Dabei wird insbesondere mehr auf Active Worlds eingegangen, weil dieses schon länger existiert und die anderen betrachteten Welten vom Grundaufbau sehr ähnlich sind. Als Abschluß wird noch ein Vergleich der drei untersuchten aktuellen Welten durchgeführt.

1. Einleitung Seit "Matrix" 1999 in die Kinos kam, wurde der Gedanke des "Cyberspaces" wieder in die Köpfe der Massen gebracht. Jeder fragte sich nach dem Film, ob er denn tatsächlich in der (vermeintlichen) Realität lebe. Allerdings wurde diese Frage schon viel früher von dem deutschen Regisseur Rainer Werner Fassbinder in seinem zweiteiligen Film "Welt am Draht" von 1972 aufgeworfen. Dieser revolutionäre Film dürfte den meisten (inklusive mir selbst) eher unbekannt sein, nicht aber seine amerikanische Neuverfilmung "The 13th Floor" aus dem Jahre 1999. Wem auch dieser Film nicht geläufig sein sollte, dem sei soviel verraten, dass es sich dabei im Wesentlichen um eine mit Hilfe von Computern erschaffene virtuelle Welt (in "The 13th Floor" die Stadt Chicago im Jahre 1937) dreht, in der verschiedene künstliche Intelligenzen als "Menschen" agieren und in die auch die Protagonisten des Filmes durch spezielle Apparate einsteigen können. Aber nicht nur in der Filmbranche, sondern natürlich auch in der Literatur wurden solcherlei Themen behandelt. Zu den bekanntesten Werken gehören "Snow Crash" (1992) von Neal Stephenson und die "Neuromancer"-Triologie (19871989) von William Gibson, welche die Gedankenwelt für Filme wie "Matrix" lieferten. Es stellt sich nun die Frage, wie es denn tatsächlich um solche virtuellen Welten steht. Wie weit es die Technik bis heute gebracht hat und ob sich die düsteren Zukunftsvisionen, in denen sich die meisten Menschen nur noch im "Cyberspace" aufhalten, in naher Zukunft schon Realität (bzw. virtuelle Realität) sein könnten. Um diese Frage wenigstens teilweise zu beantworten werde ich zuerst auf die Anfänge der bestehenden virtuellen Welten eingehen und anschließend drei verschiedene aktuelle Welten vorstellen.

Abb. 1: The Matrix

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2. Anfänge der Virtuellen Welten 2.1. Habitat Eine der ersten erfolgreichen Online-Welten war das von Lucasfilm Games betriebene "Habitat" (engl. habitat: Lebensraum). Es wurde seit 1985 entwickelt und lief damals auf dem allseits bekannten und beliebten Commodore 64. Um sich mit dem Spiel zu verbinden reichte zu dieser Zeit noch ein Modem mit einer Übertragungsrate von 300 baud. Eine interessante Zusatzinformation wäre noch, dass der Zugang über einen Internetprovider namens "Q-Link" abgewickelt wurde, der den meisten heute wohl unter dem Namen "AOL" bekannt sein dürfte1. Die Welt in Habitat bestand aus ca. 2000 verschiedenen zweidimensionalen Räumen2, die man nach links und rechts oder durch Türen u.ä. verlassen konnte. In Habitat wurde der Spieler durch einen (Comic-) Avatar dargestellt, der angepasst werden konnte, in dem man die Auswahl zwischen verschiedenen Köpfen hatte. In der Welt konnte man sich mit anderen Spielern über Echtzeit-Chat unterhalten, der als Sprechblasen am oberen Bildschirmrand erschien. Es gab in dieser Welt auch Geld, um sich z.B. ein Haus mieten zu können und dort seine Freunde zu treffen. Da es Geld gab, gab es auch Kriminalität, da die Möglichkeit bestand andere Benutzer zu töten und deren Gegenstände (inkl. Geld) zu stehlen. Was allerdings nicht möglich war, war die Erstellung neuer Objekte in den Welten. Genau das ist aber heutzutage eine der Hauptaktivitäten in virtuellen Welten, wie man später noch sehen wird.

Abb. 2: Habitat

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alleine schon wegen der Flut an kostenlosen AOL CDs ein Raum entsprach einem Bildschirm am Computer

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2.2. Nachfolger von Habitat Da die Originalversion von Habitat nicht den erhofften Erfolg brachte, wurde das Projekt von Lucasfilm Games bei Seite gelegt und nicht mehr weiterentwickelt. 1993 kaufte Fujitsu die Rechte für die Technologie von Habitat und startete die Welt neu unter dem Namen "Habitat II", allerdings in Japanisch. In Japan war diese Version von Habitat sehr erfolgreich und läuft heute immer noch. Die Gebühr um Habitat II benutzen zu können, liegt bei nur 4$ im Monat und ist damit im Vergleich zu anderen virtuellen Welten sehr preiswert.

Abb. 3: Habitat II Damit Habitat II nicht nur den Japanern vorbehalten war, wurde ein paar Jahre nach dem Start von Habitat II eine englische Version entwickelt, die sich "Worldsaway: The Dreamscape" nannte. Diese Version war und ist in Amerika sehr erfolgreich und lief zu Beginn über den großen Internet Provider CompuServe. Um heute daran teilnehmen zu können muss ein Entgelt von 9,95 $ / Monat bezahlt werden.

Abb. 4: Dreamscape Es folgten und folgen immer noch Ableger von Dreamscape, die sich aber im Wesentlichen nicht davon unterscheiden. Besonders wurde nie eine 3-D Version entwickelt. Informationen über alle diese Welten und mehr findet man unter www.vzonesnetwork.com, dem heutigen Betreiber der Welten.

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3. Aktuelle virtuelle Welten 3.1. Active Worlds 3.1.1. Überblick Active Worlds wurde erstmals 1995 einer beschränkten Anzahl von Benutzern im Beta-Test zugänglich gemacht. Zwei Jahre später wurde Active Worlds (damals unter dem Namen "Alpha World") vom Entwickler Worlds Inc. gestoppt. Die Technologie wurde aber von Circle of Fire Studios 3 (später Activeworlds Inc.) gekauft und somit wurde Alpha World der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und hat sich bis heute gehalten (als Active Worlds). Die Entwicklung (siehe Abb. 5) ging recht schnell von Statten und derzeit sind ungefähr 350 000 Leute bei Active Worlds angemeldet.

Abb. 5: Ausschnitt (Vogelperspektive) aus „Alpha World“ von links nach rechts: Dez. 1996, Feb. 1998, August 2001 Active Worlds ist deshalb so verbreitet, weil seine Technologie vermarktet4 und dadurch anderen Unternehmen verfügbar gemacht wird. Dabei können Firmen ganze virtuelle Universen mit mehreren, ebenfalls virtuellen Welten erwerben, deren Preis von 10000 – 60000 $ variiert, je nach Größe und Anzahl der gleichzeitig möglichen Besucher. Um als Einzelperson eine Welt zu bekommen wird eine Einrichtungsgebühr von 69,95 $ erhoben und zusätzlich 10 - 1000 $ für die jeweilige Welt (nach Größe und Anzahl Besucher). Wenn man aber nur als Besucher eine dieser zurzeit ca. 1000 Welten besuchen will, benötigt man eine Browsersoftware mit der man sich, durch einen Avatar repräsentiert, einklinken kann. Ist man nicht angemeldet (sog. "Tourist"), können nur bestimmte Welten betreten werden und man hat keine Möglichkeit selbst Objekte zu erstellen. Um alle Möglichkeiten zu nutzen, die Active Worlds bietet, muss man eine Gebühr von 6,95 $ pro Monat entrichten.

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gegründet von ehemaligen Mitarbeitern von Worlds Inc. In Deutschland über Nightshift (www.nightshift.de)

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3.1.2. Steuerung Die Steuerung des Avatars in Active Worlds (AW) erfolgt wie bei einem normalen Computerspiel über Tastatur und Maus (z.B. Pfeiltasten zum Manövrieren, Maus zum Umschauen). Die Active Worlds Software sieht wie in Abbildung 6 aus:

Abb. 6: Active Worlds Browsersoftware Die Graphik zeigt die aktuelle Welt, in der man sich gerade befindet (hier aus Erste-Person Sicht). Wie man sieht, werden die Chat-Eingaben der anderen Benutzer (genauer: der 12 nächsten) in Sprechblasen über deren Avataren dargestellt. So wird ein echtes Gespräch simuliert, das statt zwischen den realen Menschen zwischen ihren Repräsentanten in der Virtual Reality stattfindet. Direkt unter dem Fenster, dass die Avatare zeigt, ist ein extra ChatFenster angebracht, auf dem man dieselben Gespräche wie in den Sprechblasen, aber auch solche, die man nicht im Blickfeld hat, verfolgen kann. Auf der rechten Seite ist ein Internetbrowser integriert, der z.B. dazu dient Online Hilfe von AW bereit zu stellen, oder aber auch die Homepage des Gesprächspartners (mit Mausklick auf den Avatar kann, sofern eingestellt, die persönliche Homepage des Gegenübers angezeigt werden). Auf der Linken findet man verschiedene Übersichten in Karteien. Z.B. sieht man eine Auflistung der

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existierenden Welten und die Anzahl der jeweils eingeloggten Benutzer. Wie man auf dem Screenshot erkennen kann, sind die AW Welten dünn besiedelt. Es sind höchstens 30 Benutzer gleichzeitig in einer Welt und das nur in den Hauptwelten "AWGate" (Ausgangspunkt, an den jeder Tourist eingeloggt wird) und "Alpha World" (die größte Welt von AW). Um Freunde innerhalb von AW zu finden, gibt es wie bei gängigen Instant Messenger Systemen eine Kontaktliste, in der man Leute abspeichern kann, um zu sehen, ob und wo sie gerade online sind. Da AW aber nicht nur ein normales Chatprogramm ist, stehen zusätzlich zu den üblichen Emo-Icons (z.B. ":-)", ":-(") Gesten zur Verfügung, die man am oberen Rand der Software bedienen kann. Man kann seinen Avatar z.B. dazu veranlassen, dass er winkt, Handküsse verteilt, sich vom Gesprächspartner abwendet oder sogar den Macarena5 tanzt. Wie auf dem Screenshot zu erkennen ist, soll AW einer realen Umgebung nachempfunden sein (vielleicht ein bisschen futuristischer), denn fast alle Avatare sehen wie normale Menschen aus und bewegen sich auch so. Im Gegensatz zur Realität, kann man aber innerhalb von AW Fliegen und sich zu jeder beliebigen Koordinate teleportieren. 3.1.3. Angebot Da nun geklärt wäre, wie man sich bei AW einklinken und darin interagieren kann, stellt sich noch die Frage nach dem Grund für die Nutzung von AW. Auf seiner offiziellen Homepage (www.activeworlds.com) stellt sich AW als eine "Virtual Reality Experience" vor und nennt dabei Eigenschaften wie den schon erwähnten 3D-Chat oder die Möglichkeit selbst Welten zu kreieren. Außerdem gibt es verschiedene 3D-Spiele, die von AW angeboten werden, u.a. eine eigene "Chess World" zum Schachspielen, aber auch Spiele wie Paintball. Da die Welt aber vor allem auch auf die Kreativität der Benutzer Wert legt, haben auch diese verschiedene Spiele entworfen. Wenn man sich noch einmal Abbildung 6 betrachtet, erkennt man, dass auf der linken Seite, bei der Aufzählung der verschiedenen Welten, zu den meistbesuchtesten Welten auch "Mutation" gehört. Das ist ein Beispiel für ein von Benutzern entworfenes Spiel. Dabei handelt es sich um ein Adventure/Rollenspiel, bei dem man in eine piratenähnliche Umwelt versetzt wird und einen Kristall finden muss, um schließlich den Endgegner zu besiegen. Dabei befinden sich die einzelnen Spieler jeweils in der gleichen Welt und können sich natürlich auch miteinander unterhalten, oder aber auch bekämpfen. Auf diese Weise ist Mutation also nicht nur ein 3-D Adventure sondern zugleich auch noch ein Multiplayer-Spiel, das sich anscheinend großer Beliebtheit erfreut. Spätestens wenn man sich nach Mutation 5

sieht am lustigsten aus

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teleportiert, wird einem klar, wofür der Internetbrowser (siehe Abb. 6) gut ist. Darin werden in dieser Welt die Spielanleitung und die Geschichte zum Spiel angezeigt (Abb. 7).

Abb. 7: Mutation AW besteht aber nicht nur aus Spielen, es werden auch verschiedene Veranstaltungen abgehalten (von Benutzern oder von AW), die man im Veranstaltungskalender nachschlagen kann. Z.B. wird regelmäßig Bingo oder ein Paintballspiel veranstaltet. Es gibt aber auch verschiedene Spezialveranstaltungen, z.B. an Halloween, oder einfach nur private Partys von Benutzern, die in ihr selbst gebautes Haus einladen.

Abb. 8: Veranstaltungen 5.-11. Oktober 2003

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3.1.4. Technik Die graphische Darstellung der Gegenstände und Avatare in AW erfolgt über das Graphiktool RenderWare (von Criterion Software Inc.), das u.a. auch bei so bekannten Spieleherstellern wie EA Sports, Eidos Interactive oder Activision eingesetzt wird. RenderWare Objekte (Endung *.rwx) kann man entweder selbst schreiben, was ziemlich kompliziert ist, da man selbst Quellcode produzieren muss (geht aber dafür mit beliebigem Texteditor), oder aber man benutzt einen graphischen rwx-Editor. Nimmt man einen externen Editor zur Hand, stellt AW eine Importfunktion bereit, mit der die *.rwx Gegenstände in AW eingefügt werden können. In AW ist aber bereits ein Editor vorhanden, so dass eigentlich kein Grund besteht Objekte nicht dort zu erstellen, sofern man nicht ein Profi in Sachen RenderWare ist.

Abb. 9: Erstellen von Objekten

Da RenderWare so verbreitet ist, findet man im Internet auch die verschiedensten rwxObjekte, die man für seine eigenen Zwecke in AW einbinden kann. Außerdem stellt AW selbst auch eine nicht zu verachtende Datenbank an fertigen Gegenständen bereit. Dadurch sollte es auch einem Benutzer, der keine Ahnung von RenderWare hat, gelingen Gegenstände nach seinen Wünschen zu erstellen (bzw. zu kopieren) oder zu verändern. Außer dem Editor um rwx-Objekte zu erstellen gibt es von AW auch ein SDK auf Basis der Programmiersprache C. Mit dessen Hilfe wurden zum Beispiel die Bilder von AlphaWorld aus der Vogelperspektive (Abb. 5) erstellt. Allgemein stellt das SDK viele administrative Funktionen zur Verfügung, die es versierten Benutzern erlauben ihre Welten besser zu verwalten. Aber vor allem wird das SDK dazu benutzt Avatar-Bots zu erstellen, die in den Welten autonom agieren und zum Beispiel Spiele leiten oder Neuankömmlingen die Regeln der jeweiligen Welt erklären. Solche "Willkommens-Bots" gibt es meistens von AW selbst. Diese können einem sogar bei bestimmten Problemen Rede und Antwort stehen.

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3.2. There Nachdem nun die meist verbreitete virtuelle Welt "Active Worlds" beschrieben wurde, liegt jetzt das Augenmerk auf aktuellen Welten. Eine der sehr neuen Welten mit Zukunft ist There (www.there.com). Diese gibt es erst seit dem 13.10.2003. Trotzdem scheint There jetzt schon AW einige Benutzer abgeschlagen zu haben. Denn als ich mich in AW bewegte und einen registrierten Avatar in AW fragte, was er denn hier so tun würde, antwortete er, er sei gerade nur in AW, weil There noch nicht geöffnet habe (There besitzt Öffnungszeiten). Um zu erfahren, warum sich There einer so großen Beliebtheit erfreut, beleuchten wir diese virtuelle Welt einmal näher. Und da sind wir auch schon beim ersten Punkt angelangt. There bezeichnet sich nämlich nicht einfach als virtuelle Welt, sondern stellt ein "Getaway" dar, also so etwas wie eine Fluchtmöglichkeit aus der Realität, oder schöner gesagt, ein Tor in eine andere Welt. Um die Benutzer in seinen Bann zu ziehen, hat There im Gegensatz zu AW eine detailliertere Welt geschaffen. Die Avatare können hier sehr gut nach dem jeweiligen Geschmack verändert werden, z.B. kann man sogar die Augenfarbe seines zweiten Ichs auswählen (Abb. 10).

Abb. 10: Avatar einstellen 11

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Um die äußere Erscheinung zu vervollkommnen gibt es in There sogar Kleidungsstücke aus dem realen Leben, die von Werbepartnern von There angeboten werden, wie z.B. Jeans von Levi's oder Schuhe von Nike. Hier hat There wieder einen Schritt mehr gewagt als AW, denn es gibt Geld, die sogenannten Therebucks, um solche Gegenstände zu kaufen. Um Therebucks zu verdienen kann man sich bei There anstellen lassen, z.B. als Aufpasser in einem bestimmten Abschnitt der Welt, oder als Berater für Neuankömmlinge, die die Welt noch nicht so gut kennen. Wer keine Lust darauf hat auch noch in der virtuellen Realität zu arbeiten, kann sich stattdessen mit dem Entwurf und der Umsetzung von Gegenständen oder Bekleidung befassen. Diese kann man dann in Auktionen (ganz grob, so ähnlich wie eBay, Abb. 11) anderen Benutzern anbieten und wenn man gute Arbeit geleistet hat, kauft auch jemand die Kreationen. Als allerletzte Möglichkeit an Therebucks zu kommen gibt es noch den Weg über echtes Geld. Dazu bezahlt man per Kreditkarte einen bestimmten Betrag, der dann nach einem festen Umrechnungskurs Dollar:Therebucks auf das Konto des jeweiligen Benutzers addiert wird. Es besteht allerdings nicht die Möglichkeit verdiente Therebucks wieder zurück in Dollar umzuwandeln und so Geld zu verdienen. Dafür müssen nach wie vor eBay oder ähnliche Auktionsseiten genutzt werden.

Abb. 11: There Auktion Damit es einem in There nicht langweilig wird, wenn man seinen Avatar schon mit allem möglichen Schnick Schnack ausgestattet hat, gibt es zahlreiche Spiele die natürlich gegen andere Benutzer gespielt werden können. Wie schon in AW gibt es auch hier Paintball, aber man kann auch mit einem Geländewagen an einer Rally teilnehmen oder sich per Hoverboard (das man natürlich erst mal erwerben muss) über eine Insel fliegen (Abb. 12). Aber nicht nur

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mit dem Hoverboard kann man sich über den Boden erheben, es stehen auch Jetpacks zur Verfügung, mit denen man die Welt schneller erkunden kann.

Abb. 12: Rally und Hoverboard Während es in AW verschiedene Welten gibt, besteht There "nur" aus einigen wenigen Welten, die von There erstellt wurden. Diese haben gemeinsam, dass sie aus einer Werbung für ein Reiseunternehmen entsprungen zu sein scheinen, da alle exotische Schauplätze darstellen, wie eine tropische Insel o.ä.. Abgesehen von dieser überzogenen Darstellung und der Tatsache, dass man Fliegen kann, ist There alles in allem trotzdem noch sehr realitätsnah. Die Avatare schauen alle aus wie Menschen und auch die Gebäude sind aus der Realität entnommen. 3.3. Second Life Eine ähnlich neue virtuelle Welt wie There ist auch "Second Life", das seit 23.06.2003 von Avataren besucht wird. Da eine virtuelle Welt keine neue Idee mehr ist, versuchen sich die konkurrierenden Betreiber natürlich gegenseitig auszustechen. Second Life (SL) versucht das, indem zum Einen die Avatare noch genauer angepaßt werden können, als es in There schon der Fall ist. Man kann hier seiner Reinkarnation sogar Sommersprossen verpassen oder die Augenbrauen verändern. Für den dazu verwendeten Editor gibt es sogar eine ausführliche Anleitung, da es so viele Möglichkeiten der Gestaltung gibt. Ähnlich wie bei den Objekten in AW, die man nicht unbedingt dort erstellen, sondern auch importieren kann (*.rwx-Dateien), gibt es in SL sogenannte "Fashion Desing Templates" für Avatare. Mit Hilfe dieser Templates kann man die Bekleidung und das Aussehen seines Avatars direkt zeichnen und nicht nur im Editor auswählen. Voraussetzung ist allerdings, dass man im Besitz von Adobe Photoshop oder JASC Paintshop Pro oder eines anderen Programms ist, dass Photoshop Templates lesen und die Datei ins TGA Format exportieren kann. Kann man so ein Programm sein Eigen 13

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nennen, befindet man sich in der Lage die Templates nach seinen Wünschen im jeweiligen Graphikprogramm zu ändern und u.a. auch Effekte wie Transparenz mit einzubeziehen. Ist man mit den Templates fertig, werden diese 2D-Texturen dann um die 3D-Modelle der Avatare gelegt. Hier liegt auch das Problem im Design, da man an einer 2D-Textur herumbastelt, sich diese aber an einem dreidimensionalen Körper vorstellen muss. Entweder hat man eine gute räumliche Vorstellung, oder man muss eben probieren. So sieht zum Beispiel das Template für das Gesicht und die Augen aus (Abb. 13 und 14):

Abb. 13+14: Template für Auge und Gesicht

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Vor allem kann man in SL auch Avatare gestalten, die nicht mehr viel mit einem menschlichen Wesen zu tun haben. Das muss aber auch nicht sein (SL: "Your World, Your Imagination"), da der Hauptaspekt in SL auf der Erstellung neuer Objekte liegt, vor allem auch nicht alltägliche und surreale Dinge. Abb. 15: Avatare in Second Life

Ein weiterer Aspekt, der SL von AW und There unterscheidet ist die Tatsache, dass es in SL Waffen gibt. Nicht nur harmloses Paintball, sondern Laserkanonen und ähnliches (Abb. 16). Damit können die User von SL gegeneinander antreten und somit Ansehen in der Gemeinschaft gewinnen. Dies geschieht über ein internes Votiersystem, über das Benutzer ihre Mit-Avatare bewerten können. Dadurch gelangt man u.a. auch an Geld (Lindendollar in SL). Ansehen wird aber nicht nur alleine durch Waffengefechte erworben, sondern auch durch andere Aktivitäten wie z.B. ein Quizshows oder architektonische Meisterleistungen.

Abb. 16: Quizshow und Waffen Da, wie schon erwähnt, bei SL vor allem die Benutzer neue Objekte erstellen sollen, wird diesen eine Script Sprache (Linden Scripting Language) zur Verfügung gestellt, mit der sie Gegenstände oder Bots (wie bei AW) zum Leben erwecken können. Für dieses Script gibt es

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eine 129 Seiten starke Anleitung, in der einige einfache Beispiele enthalten sind. Die Syntax ist C bzw. Java nachempfunden und sollte deshalb keinem Schwierigkeiten bereiten, der eine der beiden Sprachen beherrscht. Es werden über 200 Funktionen bereitgestellt, mit denen man seine Bots sprechen lassen, seine Autos fahren oder seinen Waffen Feuerkraft bescheren kann. Dabei basiert die Interaktion der Gegenstände oder Bots mit der Umwelt wie in Java auf Events, die automatisch vom System ausgelöst werden. Hier zum Beispiel das typische "Hello World", als "Hello Avatar" default { state_entry() { llSay(0, "Hello, Avatar!"); } touch_start(integer total_number) { llSay(0, "Touched."); } }

Das

default

ist ein Zustand indem sich das Script befinden kann. Es können mehrere

Zustände definiert werden, gibt es nur einen, so ist dieser default. Sobald hier dieser Zustand betreten wird (Eventhandling ähnlich zu Java), gibt das System an den Chat "Hello, Avatar!" aus (0 bedeutet der öffentliche Chatchannel, so dass es alle lesen können). Sobald das Objekt berührt wird, auf das sich das Script bezieht, wird "Touched." ausgegeben. Man sieht also, dass diese Scriptsprache wirklich nicht schwer zu verstehen ist. 3.4. Vergleich der Welten Um einmal die drei vorgestellten virtuellen Welten direkt zu vergleichen fange ich mit dem nüchternsten Punkt an, die Kosten. Active Worlds ist mit seinen 6,95 $ pro Monat zusätzlich zur ältesten virtuellen Welt auch noch die billigste. Dagegen ist There schon etwas teurer mit 9,95 $ pro Monat. Allerdings muss man bei der ersten Anmeldung eine Einrichtungsgebühr von 29,95 $ berappen, was eine nicht zu verachtende Hürde für Leute darstellt, die die Welt nur einige Monate testen wollen. Und schließlich kommt der Spitzenreiter Second Life mit 14,95 $ jeden Monat. Hier ist aber ebenfalls wie bei AW keine Einrichtungsgebühr fällig. Um gleich bei Zahlen zu bleiben schreiten wir zu den Systemanforderungen der drei Welten. AW hat, wie zu erwarten war, da es das älteste der drei Systeme ist, die niedrigsten Anforderungen an die Hardware. Hier reicht laut Angaben von AW ein Pentium 200 MHz, 64 MB Arbeitsspeicher und eine 8 MB Graphikkarte. Als Internetzugang reicht angeblich auch

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ein Modem oder eine ISDN-Karte. Das ist aber nicht zu empfehlen, da ich persönlich AW über den Breitbandzugang der Uni betreten habe und der Bildschirmaufbau dort schon recht schleppend verlief. There und Second Life haben ihre Hardware Voraussetzungen vernünftigerweise gleich höher angesetzt und verlangen mindestens einen PIII 800 MHz mit 256 MB RAM und eine 32 MB Graphikkarte. There gewährt auch Zugang über Modem/ISDN, während Second Life von vornherein nur Besitzer eines Breitbandzugangs zulässt. Diese Entscheidung hört sich vielleicht für Leute ohne Breitbandzugang hart an, ist aber wohl eher sinnvoll, da man mit der langsamen Übertragungsrate von Modem/ISDN keine Freude an den komplexen Welten hätte. Schon bei AW hat man nach 10 Minuten ungefähr 50 MB in seinem Cache auf der Festplatte. Und um solche Datenmengen mit den 78 kB/s von Modem und ISDN zu übertragen braucht man wohl doch etwas länger, was einem den Spaß ziemlich vermiesen dürfte. Nun ein paar qualitative Vergleiche der Welten. AW setzt auf sehr viele unterschiedliche Welten, die von Benutzer gestaltet werden und vor allem echte Orte der realen Welt nachbilden sollen (so z.B. Chicago-World, o.ä.). Dagegen ist SL das ziemliche Gegenteil in Bezug auf Realität. Hier sind ausgeflippte Avatardesigns erwünscht und werden gefördert, z.B. durch den "Avatar of the week" Wettbewerb. Gemeinsam haben AW und SL dagegen dass die Hauptbetätigung der Benutzer vor allem auf dem Konstruieren neuer Objekte besteht. There setzt stattdessen auf das Anpassen des Avatars an die Vorstellung des Benutzers und zwar in einer realistischen Weise. Man kann seinem Avatar Markenkleidung verpassen, muss dafür aber auch bezahlen. Außerdem kann man sich selbst als Modedesigner versuchen und so Handel mit den anderen Usern betreiben, was einer der Hauptaspekte in There überhaupt ist. Natürlich haben aber alle Welten eines gemeinsam und das ist die Kommunikation. Schließlich sind die Welten nichts als eine Weiterentwicklung von Chatprogrammen, so dass nach wie vor das Austauschen mit Leuten unterschiedlichster Herkunft sehr wichtig ist. 3.5. Zusammenfassung Eines was ebenfalls alle drei Welten gemeinsam haben ist ihre Art sich zu bezeichnen. Keine der Welten bezeichnet sich einfach als Onlinespiel, 3D-Chat oder Simulation. Sie sind viel mehr eine "Online Community" oder "Society" oder wie There es beschreibt ein "Getaway" um in eine andere Welt einzutauchen. Sie wollen eine zweite Realität erschaffen (ist bei Second Life ja offensichtlich), die glaubwürdig erscheinen soll, indem die Umgebung ähnlich wie die tatsächliche Wirklichkeit ausschaut und man alltägliche Dinge tut. Man kann Freunde

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treffen, mit diesen eine Party in seinem Haus veranstalten oder mit dem Auto die Gegend erkunden. Im Falle von There und Second Life kann man Geld verdienen und mit diesem hart verdienten Geld wieder Sachen kaufen um damit Spaß zu haben (z.B. mit einem neuen Hoverboard). Allerdings soll man in dieser zweiten Welt nicht eingeschränkt sein durch Ortsgebundenheit, weswegen man in allen Welten Fliegen oder sich Teleportieren kann. Außerdem kann man die Welt mit gestalten, indem man sein eigenes Haus baut oder eine Skulptur entwirft. Seinen Avatar kann man sowieso gestalten wie man ihn gerne hätte, z.B. wie man gerne in Wirklichkeit wäre, oder vielleicht auch, wie man auf keinen Fall gerne wäre. Der Benutzer soll sich fühlen wie in der Realität, aber machen können was er will. Genau das macht den Erfolg solcher virtuellen Welten aus. Wenn man nur die Wirklichkeit nachspielen würde, bräuchte man solche simulierten Realitäten nicht. Natürlich kommt noch hinzu, dass man auch mit Leuten kommunizieren kann, die auf der anderen Seite des Erdballs leben. Und mit kommunizieren ist nicht nur der Chat gemeint, da man über die Avatare auch die verschiedensten Gesten und Gesichtsausdrücke vollführen kann, was ein Gespräch natürlicher wirken läßt und mehr Freude bringt.

4. Schlußwort Wenn man sich die Entwicklung von Habitat über Active Worlds zu There oder Second Life ansieht, kommt man nicht umhin einen Schritt weiterzugehen und sich zu fragen was wohl als nächstes kommen wird. Um aber zuerst wieder auf die in der Einleitung genannten literarischen Werke zurückzukommen, ein kleiner Vergleich der wirklichen Entwicklung zum Inhalt der Bücher (Neuromancer und Snow Crash). In beiden Werken haben reiche Leute einen besseren Zugang in die virtuellen Welten, dass heißt z.B. Leute die weniger Geld besitzen, können sich nur schwarz-weiß dort bewegen. Strebt man einen direkten Vergleich mit den tatsächlichen virtuellen Welten heute an, muss man feststellen, dass die Entwicklung schon in diese Richtung geht. Wer sich keinen Breitbandzugang leisten kann, kann sich schon gar nicht erst mit Second Life verbinden und in There und AW auch nur schlecht bewegen. Wer aber einen schnellen Zugang hat, kann Sonderdienste wie z.B. Voicechat nutzen. Ein großer Punkt der beiden Science-Fiction-Romane ist auch die Allgegenwärtigkeit großer Konzerne die überall in den virtuellen Welten Werbung machen. Auch das geschieht schon in There, wo riesige Konzerne wie Levi's und Nike Werbung machen und ihre Güter als Onlineprodukte verkaufen.

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Aber der wichtigste Aspekt der beiden Romane ist die Tatsache, dass jeder in einer virtuellen Welt eine neue Persönlichkeit in Form seines Avatars schaffen kann. So kann z.B. ein an den Rollstuhl Gefesselter in der virtuellen Welt herum rennen als wäre er ein olympiareifer Sprinter. Diese Entwicklung steckt aber immer noch in den Kinderschuhen, da man nach wie vor die virtuellen Welten nur auf dem Bildschirm wahrnimmt. Man muss sich vorstellen man wäre in dieser Welt, kann es aber nicht fühlen. An diesem Punkt wird sicher die Forschung weitergehen, um Besucher virtueller Welten ein realistischeres Gefühl zu geben. In naher Zukunft soll es zum Beispiel möglich sein, das Gesicht des Benutzers mit Hilfe einer Webcam zu filmen und dadurch seine Gesichtsregungen auf den Avatar zu übertragen (vermutlich über MPEG4 Technologie) Sollte es tatsächlich einmal so weit kommen, dass man nicht mehr zwischen virtueller und realer Welt unterscheiden kann, werden sich die Leute, wie schon am Anfang erwähnt, vielleicht fragen, ob sie denn vorher in der Realität gelebt haben. Aber so weit ist es (zum Glück) noch lange nicht.

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5. Quellenangaben

1. www.activeworlds.com 2. www.there.com 3. www.secondlife.com 4. www.vzonesnetwork.com 5. www.virtualworldsreview.com 6. www.gamespy.com/amdmmog/week8/

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