Hans Mommsen (Feldafing). Adolf Hitler und der Aufstieg der NSDAP 1919 bis 1933

Hans Mommsen (Feldafing). Adolf Hitler und der Aufstieg der NSDAP 1919 bis 1933 Im Rahmen der hier veranstalteten Konferenz steht weniger die Frage ...
Author: Catrin Krüger
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Hans Mommsen (Feldafing).

Adolf Hitler und der Aufstieg der NSDAP 1919 bis 1933

Im Rahmen der hier veranstalteten Konferenz steht weniger die Frage im Vordergrund, welches die gesamtgesellschaftlichen Ursachen der Anfälligkeit bzw. Disposition der deutschen Gesellschaft für den Aufstieg des Nationalsozialismus und die Errichtung der Diktatur Adolf Hitlers gewesen sind, als vielmehr die Analyse der spezifischen Bedingungen für die Entstehung der NS-Bewegung und der des Führerprinzips. Es gilt daher, den Prozess nachzuzeichnen, in dessen Verlauf unter den zahlreichen miteinander konkurrierenden völkischen Parteien und Verbänden gerade die DAP Anton Drexlers der Durchbruch zur Massenbewegung gelang, und welche Rolle Adolf Hitler dabei spielte.

Als Hitler im November 1918 das Lazarett in Pasewalk verließ und nach München zurückkehrte, war er ein sozialer Outsider und politisch bindungslos. Er verbrachte die Revolutionstage in der Kaserne des 2. Infanterieregiments und gehört Mai 1919 der Nachrichtenabteilung des Bayerischen Reichswehrgruppenkommandos 4 an, die unter dem Befehl von Hauptmann Karl Mayr stand. Die Vorgänge der Novemberrevolution erlebte Hitler teilnahmslos in der Kaserne, ohne in irgendeiner Weise hervorzutreten. Er war nur marginal an den Bestrebungen zur Niederschlagung der Räteherrschaft beteiligt. Im Unterschied zu der späteren Stilisierung in „Mein Kampf“ war er politisch in keiner Weise festgelegt. Karl Mayr, der sein Mentor wurde, berichtete später, Hitler sei, als er im Mai mit ihm zusammentraf, „vollständig ohne Prinzipien gewesen“ und hätte sich jedem unterstellt, der ihm - von welcher Richtung auch immer - eine Anstellung verschafft hätte,

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Auf Grund der Forschungen von Ludolf Herbst steht fest, dass Hitler seine entscheidenden ideologischen Anregungen aus der Zeit seiner Tätigkeit in der Nachrichtenabteilung Karl Mayrs erhielt, die ihn, als seine rhetorische Begabung bekannt wurde, zum Propagandaredner schulte, um ihn auf die frühe DAP anzusetzen. Dabei ergaben sich enge Beziehungen zu Dietrich Eckart und Karl Alexander von Müller, die als Dozenten fungierten und der Thule-Gesellschaft angehören.

Erst in dieser Entwicklungsphase wurde Hitler zum extremen Antisemiten, wobei neben dem Einfluss von Mayr, Eckart und Müller auch die Lektüre der antisemitischen Broschürenliteratur trat, die von Julius F. Lehmann in großer Zahl verlegt wurden. Sie haben Hitler weit mehr beeinflusst als die schwachen Reminiszenzen an seine Linzer und Wiener Zeit. Zuvor gab es keine ausgeprägt antisemitischen Auffassungen bei Hitler, wie sich auch aus der Analyse von Brigitte Hamann ergibt.

Es ist festzuhalten, dass die Tätigkeit im Reichswehrgruppenkommando 4, die Hitler erst am 31. März 1920 beendete, für die Formierung der politischen Anschauungen Hitlers von ausschlaggebender Bedeutung waren, wenngleich sie erst mit der Niederschrift des ersten Bandes von „Mein Kampf“ eine gewisse Abrundung erfuhren. Nichts davon war originell, auch nicht der von Hitler vertretene eliminatorische Antisemitismus und die notorische Polemik gegen Versailles und die „Novemberverbrecher“.

Hitler politische Karriere vollzog sich bekanntlich als ungewöhnlich erfolgreicher Propagandaredner für die DAP, in die er nominell als 555. Mitglied eintrat. Seine zahlreichen öffentlichen Reden trugen ihm in völkischen Kreisen wertvolle gesellschaftliche Kontakten ein, zu denen nicht zuletzt die Beziehungen zum

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Ehepaar Bechstein , zur Verlegerfamilie Bruckmann, aber auch zu Elsa Hanfstaengl und ihrem Gatten eintrugen, in deren Salons er bewundernd herumgereicht wurde.

Gleichzeitig gelang es Hitler, eine Gruppe von ihm bedingungslos ergebener Anhänger um sich zu scharen, zu denen neben Rudolf Hess, Alfred Rosenberg, Max Amann und Christian Weber gehörten und ihm neben der Position des unentbehrlichen Volksredners Rückhalt in der Partei verschafften. Daher konnte Hitler schrittweise maßgebenden Einfluss auf den Parteiausschuss nehmen. Es bildete sich ein informeller Führungskreis heraus, dem vor allem Dietrich Eckart, Artur Rosenberg, Rudolf Hess und Hermann Esser angehörten. Er schob sich neben den von Anton Drexler geführten Parteiausschuss.

Nach dem von Hitler beriebenen Ausschluss Karl Harrers kam es im Juni 1921 zu einem unüberbrückbar erscheinenden Konflikt über die von Drexler forcierten Fusionsbestrebungen mit der „Völkischen Werksgemeinschaft“ Otto Dickels, der mit der Deutschsozialistischen Partei in Verbindung stand. Hitler erblickte darin eine unliebsame Konkurrenz und fürchtete zugleich, die Identität der DAP zu gefährden. Er trat nunmehr mit der schon länger verfolgtren Ambition, sich an die Spitze der inzwischen anwachsenden Parteiorganisation zu setzen, offen hervor und setzte , indem er demonstrativ seinen Rücktritt erklärte, den Parteiausschuss unter Druck, seine Forderungen zu erfüllen.

Hitler verschaffte dieser Coup eine nahezu unbeschränkte Führungsstellung in der Partei, die in der Folgezeit durch den Beschluss, das 25-Punkte-Programms für unabänderlich zu erklären. weiter fixiert wurde. Die Idee zu dem Konzept einer programmlosen Partei ging schon auf das Jahr 1920 zurück. Schon damals erklärte Hitler, dass das Programm „festbleiben“ müsse und gleichsam als Er-

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kennungsmarke zu dienen habe. Damit war ein erster Schritt zur Herausbildung des Typus einer faschistischen Partei getan,. Die sich ausschließlich um Anhängermobilisierung unter Verzicht auf jeweils wechselnde programmatische Zielsetzungen bemühte und vom Gedanken einer Beteiligung an Wahlen noch weit entfernt war.

In Hitlers Vorstellungswelt bestand eine Symbiose von Führertum und „Idee“, ohne dass deren materieller Inhalt jemals konkretisiert wurde. So konnte er Im „Völkischen Beobachter“ 1922 formulieren: „Unsere Partei ist keine Organisation, sondern der verkörperte glühende Glaube an unser Volk“ .Sein Ziel bestand darin, für die DAP/NSDAP eine Monopolstellung im Lager der völkischen Verbände zu erringen, hingegen innerparteiliche richtungspolitische Auseinandersetzungen zu unterbinden

Damals beanspruchte Hitler zwar die durch die Satzung vom 21. Juli 1921 nur geringfügig eingegrenzte Monopolstellung des charismatischen Führers, doch blieb offen, welche Rolle er im politischen System einzunehmen beabsichtigte. Noch immer begriff sich Hitler in erster Linie als Spitzenpropagandist, der als „Trommler und Sammler“ an der Seite von Feldmarschall Erich Ludendorffs stand. Bis zum November 1923 bezeichnete er sich noch als „Wegbereiter“ der „großen deutschen Freiheitsbewegung“ in Dienste eines noch zu entdeckenden Führers..

Die Initiative zur Übertragung des Führerkults auf die Person Hitlers stellte eine entscheidende Wendung dar, und sie ging nicht von ihm selbst aus. Vielmehr vollzog sich dieser Schritt unter dem Einfluss von Benito Mussolinis Marsch auf Rom im Oktober 1922. Als wichtigster Vorkämpfer den nunmehr allein auf Hitler bezogenen Führergedankens fungierte Rudolf Hess, der zu seinen extremen Verehrern zählte. in einem von der NSDAP Anfang 1923 verbreiteten

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Flugblatt aus der Feder von Rudolf Hess fand der Hitlerkult den exaltiertesten Ausdruck Er erblickte in ihm „den zukünftigen Führer und Retter Deutschlands“. Diese zunächst in Flugblattform verbreitete Parole wurde dann von dem inzwischen in Parteihand gelangten „Völkischen Beobachter“ aufgegriffen und zum zentralen Bestandteil der Parteipropaganda.

Die Herausstellung Hitlers als charismatischer Führer nicht nur der Partei, sondern des deutschen Volkes und als der kommende deutsche Mussolini war sehr bewusst von Eckart, Rosenberg und Esser betrieben worden. Sie hatte die Funktion, die in viele Grüppchen und Ideenträger aufgesplitterte Partei zusammenzuhalten und positiv zu motivieren, was angesichts der drohenden Isolation der NSDAP im rechtskonservativen Lager als dringend notwendig erschien. Mit Recht hat Ludolf Herbst diese Rekurs auf das Charisma des erfolgreichen Parteiführers als „Erfindung“ der Münchner Gefolgschaft Hitlers bezeichnet.

Die systematische Inszenierung des Nationalsozialismus als politische Religion und die Herausstellung Hitlers als Messias war mithin das Werk von Hitlers engerem Anhängerkreis. Er war im wesentlichen auf München begrenzt war und traf regelmäßig im Cafehaus zusammen. Die Namen im einzelnen aufzuführen, erübrigt sich in dieser Runde. Sie tauchen in der späteren Geschichte Münchens und der NSDAP regelmäßig und an prominenter Stelle auf. (Zu ihnen gehören Hermann Esser, Ernst Röhm, Rudolf Heß. Hermann Göring, Max Amann, Christian Weber, Alfred Rosenberg und Heinrich Hoffmann.) Sie schufen die Atmosphäre, in der Hitler alle Hemmungen von sich abstreifte, nicht nur als der zweite Mann die angestrebte Umwälzung Deutschlands herbeizuführen, sondern an deren Spitze zu treten.

Der Putschversuch vom 9. November war von Hitler in Gang gesetzt, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Vaterländischen Verbände sowie die Frei-

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korpsbewegung das Risiko scheuten, ohne die Teilnahme des Generaloberst en von Seeckt loszuschlagen. Hitlers Versuch, den Generalstaatskommissar von Kahr zur Teilnahme an der Aktion zu bewegen, scheiterte jedoch auf der ganzen Linie, und der Marsch zur Feldherrnhalle, den er als zivile Demonstration konzipiert hatte, brach bekanntlich im Kugelhagel der bayerischen Polizei zusammen.

Allerdings schlüpfte Hitler erst nach dem gescheiterten Putschversuch vom 9. November 1923 in die ihm zugewiesene Rolle des deutschen Mussolini. Dabei spielte mit, dass Hitler im Prozess vor dem Münchner Volksgerichtshof eine spektakuläre propagandistische Plattform erhielt und durch die wohlwollende Einstellung des Volksgerichtshofes die Chance erhielt, seine Niederlage vom . November auszugleichen. Ludendorff hingegen, sein Hauptrivale in der Führung der völkischen Verbände, verlor hingegen an öffentlichem Prestige und zurücktrat und nach den Präsidentenwahlen von 1925 in die politische Bedeutungslosigkeit absank.

Hitler nützte den Prozess vor dem Münchner Volksgerichtshof zu einer Propagandakampagne ohne gleichen, und sie sicherte ihm zum erstenmal breiteste Beachtung in der deutschen Öffentlichkeit und der bürgerlichen Presse. Nach seiner ungewöhnlichen milden Verurteilung nützte er den die Haft in Landsberg dazu, mit der Abfassung des ersten Bandes von „Mein Kampf“ eine vergleichsweise geschlossenes ideologisches Konzept zu präsentieren und seine propagandistische Strategie bis ins Kleinste zu beschreiben, während er, was die grundsätzlichen Ziele der Bewegung betraf, über Allgemeinplätze nicht hinausgelangte.

Die wenigen nachdenklichen Köpfe in Hitlers engerem Gefolge waren sich über diese bewusste Zurückdrängung der konkreten Programmatik voll im Klaren. So

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Schrieb Otto Strasser im August 130, also noch vor dem Bruch mit Hitler: „Wir haben also, wenn man die Sache bei Licht besieht, nur ein ideologisches, aber kein konstruktives Programm, mit dem wir aufarten können, wenn wir einmal in die Regierung eintreten“, und er fügte hinzu: „denn solche genialen Menschen wie dieser Hitler sind eigentlich gar keine genialen Menschen, sondern die Genialität in ihnen ist ein Abstraktum, das im Wesen, in der Erziehung und der Bildung seines Trägers nicht die Fähigkeit vorfindet, zu wohldurchdachter, planmäßig erarbeiteter Tat geformt zu werden. Trotzdem können sie gelegentlich nie Dagewesenes erreichen und schaffen, wenn es mit einen reinen Coup zu schaffen ist, und wenn andere zur Stelle sind, die die Konsequenzen daraus zu ziehen vermögen, bevor vielleicht eine Gegenwirkung eintritt..“ (Aufzeichnung Otto Wageners über ein Gespräch mit Otto Strasser, bei Henry A. Turner (Hrsg.): Hitler aus nächster Nähe, Frankfurt 178, S. 126 ff.).

Die Konsolidierung der Führerherrschaft vollzog sich bis in die zweite Hälfte der 20er Jahre vornehmlich innerhalb der sich zunehmend differenzierenden NS-Öffentlichkeit. Das ging nicht zuletzt darauf zurück, dass das über Hitler verhängte Redeverbot erst schrittweise aufgehoben wurde, zunächst in Bayern, später in Preußen. Daher erhielt Hitler als öffentlicher Redner erst nach 1928 allgemeines Gewicht, und zunächst war auch Gregor Strasser, nunmehr Reichsorganisationsleiter, als Redner äußerst erfolgreich. Insoweit wurde Hitler erst nach den Septemberwahlen von 1928 zur zentralen Führungsfigur,

Der kluge Schachzug Hitlers, während der Haft die Parteiführung zurückzulegen, ermöglichte nach der vorzeitigen Entlassung einen grundlegenden Neuanfang. Die Auflösung, dann die Neugründung der NSDAP 1925 erlaubten es Hitler, rivalisierende Verbände aus- oder gleichzuschalten und mit Hilfe der Münchner Ortsgruppe, die als Parteiführung fungierte, Rivalen im völkischen Lager zu isolieren. Der definitive Umwandlung zur reinen Führerpartei fand ei-

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nen Höhepunkt mit der Bamberger Führertagung von 1926, auf der es gelang, die opponierenden Josef Goebbels und Gregor Strasser auf seine Seite zu ziehen und damit die Opposition gegen die Münchner Vorherrschaft und deren Politik der Programmlosigkeit neutralisieren.

Den Hintergrund des Konflikts, der die einzige schwerwiegende Infragestellung des Konzepts der charismatischen Führerpartei darstellte, bestand in dem erklärten Gegensatz der nord- und westdeutschen Fraktion der NSDAP, die sich auf Initiative Gregor Strassers in der „Arbeitsgemeinschaft der nordwestdeutschen Gauleiter der NSDAP“ zusammengeschlossen hatte, gegen die Vorherrschaft der Münchner Clique, insbesondere gegen Esser und Strasser. Hinter der Personalfrage verbargen sich grundsätzliche sachliche Differenzen, die – wie der vorgelegte Programmentwurf deutlich machte – weniger in einer Abkehr von den 25 Punkten als in deren bloß taktisch-propagandistischen Anwendung bestanden, was beim Beispiel der Fürstenenteignung deutlich wurde, indem Hitler das von KPD und SPD initiierte Volksbegehren auf der Bamberger Führertagung vom Februar 1266 rundweg zurückwies.

In der Folge hatte die nationalsozialistische Linke unter Otto Strasser keine Chance mehr, sich innerhalb der NSDAP durchzusetzen, damit aber auch die Chance zu realer Politik zurückzukehren, statt sich einer zu irrationalem Erlösungsglauben steigernde Führerverherrlichung hinzugeben. Während Otto Strasser mit dem Slogan „Die Sozialisten verlassen die NSDAP“ ausschied, suchte sein Bruder als Reichsorganisationsleiter eine pragmatische Lösung des Konflikts durch den stetigen Ausbau und die Straffung des Parteiapparats zu erreichen, ohne die Führerautoritär anzutasten. In der Krise vom Herbst 1932 versuchte er, angesichts der deprimierenden Resultate der Reichstagswahlen vom November, Hitler dazu zu bewegen, sich von seiner „Alles oder Nichts“- Strategie zu lösen, und trat am 8. Dezember von seinen Parteiämtern zurück, was Hit-

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ler mit einer Verfolgungskampagne ohne Grenzen beantwortete, vor allem aber mit der Rücknahme der organisatorischen Reformen Strassers. Grundsätzlich bedeutsam war, dass hier die letzte Chance verstrich, Hitlers visionäre politischen Vorstellungen zu durchbrechen und den Führerkult zu zügeln.

Die Durchsetzung des Führerprinzips und die Schaffung einer ausschließlich auf Mitgliederwerbung und propagandistische Mobilisierung ausgerichteten Partei und zugleich die Zurückdrängung konkurrierender völkischer Organisationen erfolgte nicht zuletzt in München. Das politische Klima nach der Niederschlagung der Räteherrschaft begünstigten dort den Aufschwung der völkischen Bewegungen, an dem die DAP/NSDAP partizipierten, die in der . Thulegesellschaft und dem Germanenorden, aber auch dem Alldeutschen Verband einflussreiche Fürsprecher fand Entscheidend aber war die Rolle der Reichswehr, nicht zuletzt in der Funktion Ernst Röhms als Verbindungsmann der Bayerischen Division zu den Freikorps und den Vaterländischen Verbänden, Ohne die bayerische Reichswehr wäre der Aufstieg Hitlers zum Politiker undenkbar.

Was den Aufstieg der NSDAP vor 1933 anging, so erwies sich die spätere Hauptstadt der Bewegung, im Unterschied zu Ostdeutschland und SchleswigHolstein als wenig ergiebiges Feld. Bis zum 5. März 1933 lagen die Wahlresultate deutlich unter dem Reichsdurchschnitt, während sich sowohl die Bayerische Volkspartei wie die SPD bemerkenswert behaupteten. Die Münchner Ortsgruppe zählte im November 1932 mit etwa 5 200 Mitgliedern keineswegs zu den stärksten lokalen Verbänden. In den bayerischen Landtagswahlen vom April 1932 erhielt die NSDAP mit 28,9, % der Stimmen zwar Zugewinne, blieb aber unter dem Reichsdurchschnitt, und es spricht vieles dafür, dass die NSDAP in München an die Grenzen ihres Wachstum gestoßen war und dass die relativ starke Position, die sie 1922/23 errungen hatte, nur unter den Bedingungen der unfreien Wahlen nach der Machteroberung wiederhergestellt werden konnte,

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Gerade am Beispiel Münchens lässt sich zeigen, dass die Vorstellung, dass die charismatische Führerherrschaft durch Hitler auf ein ideologisch und psychologisch vorbereitetes Feld der „Volksgemeinschaft“ gestoßen sei und dass die Eskalation der Gewaltherrschaft des Regimes ohne nennenswerten Widerstand bei der Bevölkerung vonstatten ging, von den tatsächlichen Gegebenheiten abstrahiert. Einerseiten beruhte der Führerkult auf einer bis in letzte ausgefeilten Propagandaorganisation der Partei, andererseits waren die NSDAP und der von ihr kontrollierte Propaganda- und Parteiapparat zwar in der Lage, die politischen und religiösen Gegenkräfte, ebenso die politischen Parteien und sozialen Bindungen mundtot zu machen, aber die von Goebbels’ Propagandaapparat vorgetragene Fiktion eines Aufgehens der unterschiedlichen gesellschaftlichen Kräfte in einer einheitlichen „Volksgemeinschaft“ hatte mit der sozialen Realität wenig zu tun. Desgleichen stieß der Hitler-Kult, der davon zu unterscheiden ist zunehmend an seine Grenzen. Die innere Eroberung der „Hauptstadt der Bewegung“ durch Hitler, der sich lieber auf dem Obersalzberg als in München aufzuhalten pflegte, und den Nationalsozialismus ist niemals gelungen.

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