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H o rst Z im m erm an n

Die Entwicklung des Kormoranbestandes in der ehemaligen DDR und Auswirkungen auf die Fischerei - Eine Übersicht Ornithologen wie Naturschützer beklagen seit langem Bestandsrückgänge bei einheim ischen Brutvogelarten. D em gegenüber gehört der Kormoran, insbe­ sondere die Festlandrasse Phalacrocorax carbo sinensis zu den w enigen Arten mit eindeutig positiver Bestandsentwicklung. Seit der Entstehung der Kolonie Niederhof im Jahre 1952 ist der Kormoran au f dem G ebiet d er eh em aligen DDR stän d ig er B rutvogel. D er B estand schw ankte zwischen I960 und 1980 um 1000 Brutpaare. Er bestand fast aus­ schließlich aus den drei stabilen Ansiedlungen Niederhof, Bolzer See ge­ gründet 1960/62 - und Torgelow er See gegründet 1969. Alle anderen bis 1980 b ek a n n tg e w o rd e n en K olonien blieben ohne m erklichen Einfluß auf den Gesam tbestand. Eine deutliche Änderung der Bestandssituation vollzog sich nach 1980 parallel mit dem Wachstum der nordm itteleuropäischen Teilpopu­ lation der Unterart. Der vorläufige Höchstbestand w urde 1992 mit 6940 BP erreicht (s. Tabelle 1). Zwar hat eine Ausweitung des Brutareals in die mittle­ ren und selbst südlichen Bezirke stattgefunden, doch blieb der Anteil der Brutvögel in M ecklenburg-Vorpommern stets über 90, außer 1987 sogar über 95%. Die Entwicklung der Brutkolonien in den letzten Jahren zeigt Tabelle 2. Neben dem Brutbestand spielen Durchzügler und rastende Vögel eine be­ sondere Rolle, weil ein bedeutender Teil der nordm itteleuropäischen Brut­ population sich nach der Brutperiode im südlichen Ostseeraum sammelt, um von hier aus über das Festland die W interquartiere zu erreichen. In Mecklen­ burg-V orpom m ern ist im Zeitraum Ende Juli bis M itte/Ende O ktober mit einem ständigen R astbestand von 25000 K orm oranen zu rechnen, w ovon etwa je 50% auf die Küste und das B innenland entfallen. Hier wie dort exis­ tieren Schlafplätze mit m ehr als 2000 Vögeln. Der Bestandsanstieg ist durch die folgenden Feststellungen gekennzeichnet: -

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Von den Faktoren, auf die sich das Populationsw achstum zurückführen läßt,eiweist sich die Fertilität als besonders w esentlich. D er B ruterfolg als w ichtige K ennziffer der F ruchtbarkeit liegt m it 2,0 bis 3,1 au fg ezo g en en Ju n g ­ vögeln je Brutpaar mit Bruterfolg nach 1980 deutlich über dem mit 1,43 bzw. 1,64 für die Kolonie N iederhof 1965 und 1969 nachgewiesenen.

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D er Eintritt d er F ortpflanzungsreife, früher nach dem 4.K alenderjahr angegeben, ist teilw eise auf das 3. und sogar das 2. K alenderjahr vorverlegt, w ie an einzelnen farbberingten Vögeln eindeutig ermittelt w erden konnte.

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Die A nsiedlung ausländischer K orm orane aus Kolonien Dänem arks, Polens, W estdeutschlands und den N ieder­ landen ist mehrfach nachgewiesen.

Die bestim m enden Ursachen für das Bestandswachstum sind in der Umwelt zu suchen. Ohne näher darauf einzugehen, seien nur genannt: -

der fast vollständige Schutz der Art in der EG seit 1979,

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v erbesserte N ah rungsbedingungen durch zu n eh m en d e Gewässereutrophierung, Entstehen von Fischereiintensiv­ gewässern und einseitige Gewässerbewirtschaftung,

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V orhandensein von ausreichend und ungestörten Brutund Schlafplätzen,

-

V eränderungen im Zugverhalten und den W interquartie­ ren mit A usweitung des W interareals nach N orden und Bevorteilung der Nahzieher.

Die Zunahm e der Brut- und Rastbestände hat wie in anderen Ländern in der ehem aligen DDR zu einer ständigen Diskussion und verschärften Auseinan­ dersetzung zwischen Naturschutz und Fischerei geführt, obwohl der Einfluß des Kormorans auf die Fischbestände in einem Gewässer sehr differenziert zu betrachten und größtenteils unbekannt ist. Setzen wir die Anzahl der Kormo­ rane an einem Gewässer und den Tagesbedarf eines Kormorans an Fisch als w eitgehend bekannt voraus, sind die N ahrungszusam m ensetzung und der Fischbestand im G ew ässer großen S chw ankungen unterw orfen, zum Teil sogar völlig unbekannt. W eitgehenden Aufschluß über die Fischnahrung erbrachten seit 1982 durch­ geführte Untersuchungen an Auflesungen ausgew ürgter Fische in Kolonien an der O stseeküste und im Binnenland sowie an erlegten Vögeln aus Binnen­ landkolonien an Seen und Fischteichen und an erlegten, an Fischteichen rastenden Kormoranen. Die Ergebnisse sind in den Abbildungen 1 3 und in den Tabellen 3 und 4 dargestellt. Sie zeigen eindeutig, daß sich die Nahrung 11

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nach dem Angebot an Fischarten im Gewässer, deren Größe und Erreichbar­ keit richtet und es keine Bevorzugung einer bestim mten Fischart gibt. Entsprechend der großen Unterschiede in der Nahrungszusam m ensetzung ist die Bewertung der wirtschaftlichen Schäden uneinheitlich. Unbestritten ist der Schaden in Teichwirtschaften der Karpfenproduktion. Hier sind ganze Pro­ duktionsstufen, insbesondere die Satzfischproduktion gefährdet. 1992 zum Beispiel betrugen in der Teichwirtschaft der Lewitz (770 ha Nutzfläche) bei der Anwesenheit von durchschnittlich 200 Korm oranen über die gesamte Pro­ duktionsperiode hinw eg auf Teichen > 20 ha die Verluste an Satzfischen bis zu 95 %. Auf kleineren Teichen zwischen 1,5 und 3 ha Größe hingegen lagen die Verluste bei 15 % aufgrund des Scheucheffektes durch die Anwesenheit von Fischereipersonal. Wesentlich* schwieriger gestaltet sich die Schadensbew ertung in der Seenfi­ scherei. Hier beziehen sich die Klagen und Entschäcligungsforderungen auf zurückgehende Fangerträge bei Aal, Maräne, Hecht und Zander, teilweise bei Barsch, ohne daß der Fischbestand in den Gewässern näher bekannt ist und andere Ursachen hinreichend untersucht sind. Die Angaben basieren aussch­ ließlich auf langjährigen Fangstatistiken. Noch fragwürdiger sind Schadensbe­ rechnungen für Küstengewässer, die sich vordergründig auf Aal, Barsch und Hering beziehen. Die ständigen Forderungen nach Schadenseingrenzung führten in der ehem a­ ligen DDR schon frühzeitig zu M aßnahm en der B estandslenkung. In der Phase des Bestandsaufbaus führten Abschüsse von Altvögeln in den Kolonien N iederhof (1959 und 1968 665 ad.) und Bolzer See (1970 1972 100 ad.) zu B estandsrückgang bzw Stagnation in den Kolonien. Bei dem Tem po des Bestandswachstum s ab 1980 griffen diese M aßnahm en nicht mehr, w urden aber in der Hoffnung, eine W irkung zu erzielen, teilweise fortgesetzt, und zwar in zwei Richtungen:

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K olonieneugründungen w urden ausgetilgt, vorrangig an oder in der Nähe von Teichwirtschaften.

-

In b e s te h e n d e n K olonien w u rd e n Alt- u n d Ju ngvögel geschossen, um das Koloniewachstum zu begrenzen.

-

An T eichw irtschaften erfolgte ein V ergräm ungsabschuß rastender Kormorane.

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Diese M aßnahmen w urden ab 1987 intensiviert, weil der Kormoran seit dieser Zeit in der ehem aligen DDR zu den jagdbaren Tieren gehörte. Die Abschuß­ zahlen sind in Tabelle 5 zusammengefaßt. Heute ist einzuschätzen, daß die Wirkung der Regulierungsm aßnahmen sehr unterschiedlich ist. In kleinen Kolonien kann sie bedeutend sein und zur Auf­ gabe der Kolonie führen. Eine W irkung auf den Gesam tbestand hingegen ist nicht nachweisbar. Selbst in Teichwirtschaften (von der Größe wie in der DDR) konnten die Kormorane durch Beschuß nur von einzelnen, besonders gefährdeten Satzfischteichen stunden- oder tageweise ferngehalten werden. Der einmal eingestellte Bestand eines Rast- oder Schlafplatzes an oder in der Nähe der Teichwirtschaften blieb hingegen durch sofortige Erfüllung immer konstant und der wirtschaftliche Gewinn, der durch den Abschuß erwartet wurde, trat nicht ein. Entsprechend geändert haben sich die Überlegungen und eingeleiteten Maß­ nahm en zur Lösung des Kormoranproblems. Vier Richtungen w erden gegen­ wärtig verfolgt. 1.

Mit Teichw irtschaften w erden B ew irtschaftungsverträge geschlossen, die zu einer Extensivierung der Produktion führen. Als Ausgleich erhält der Teichwirt zwischen 200,00 und 400,00 DM pro Hektar Teichfläche.

2.

Bei E rtragsausfällen, die durch freileb en d e b eso n d e rs geschützte Tiere entstanden sind, können finanzielle Hil­ fen gew ährt w erden. Im B undesland M ecklenburg-Vorp o m m ern existiert d afür seit 1992 eine R ichtlinie des Umweltministeriums. Ein Rechtsanspruch auf Gewährung einer Ertragsausfallminderung besteht nicht.

3.

Um das w eitere Bestandsw achstum einzudäm m en, w er­ den auf der Grundlage von Bundesnaturschutzgesetz und B undesartenschutzverordnung N euansiedlungen verhin­ dert. Bei nachgew iesenen fischereiwirtschaftlichen Schä­ den w ird au f A ntrag an T eichw irtschaften ein Vergräm ungsabschuß als Ausnahme zugelassen.

4.

Ü ber d en D e u tsc h en F ischerei-V erband e. V ist eine G esetzesinitiative gestartet w orden, den K orm oran aus dem A nhang 1 d er E uropäischen V ogelschutzrichtlinie herauszunehm en. 13

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Tab.l: Bestandsentwicklung des Kormorans (Phalacrocorax carbo sinensis) in der DDR bziv.den neuen Bundesländern der BRD seit 1952. Bestandsangaben sind jeweils a u f 10 auf- bzw. abgerundet. Jahr 1952 1953 1954 1955 1556 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972

Anzahl Kolonien 1 1 1 1 1 1 1 1 2 2 2 2 2 3 3 3 2 3 3 5 5

Jahr

Anzahl BP 10 30 50 120 350 460 670 900 740 870 1040 1200 980 950 980 660 1040 920 1010 940 910

Anzahl Kolonien 5 4 5 4 5 4 8 5 6 8 9 10 14 12 20 14 10 11 15 18

1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1985 1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992

Anzahl BP 920 790 840 820 680 710 760 710 1050 1050 1300 1520 2090 2300 3230 3720 4430 4410 5880 6940

Tab.2: Entwicklung der Kormorankolonien in Mecklenburg-Vorpommern in den fahren 1989 -1992 Kolonie NSG “Kormorankolonie Niederhof’ Insel Tollow NSG “Bolzer See” Torgelower See NSG “Fischteiche in derLewitz” NSG “Ramper Moor” NSG “Nonnenhof’ Bernstorfer Binnensee NSG “Mechower See” NSG “Krakower Obersee” Insel Heuwiese Woterfitzsee Trenntsee Peenemünder Haken NSG “Röggeliner See/Kuhlrader Moor”

BP 1989 895 2555 326 460 18 15 40 1

BP 1991 2402 2080 547 365 10 51 70

BP 1992 2814 1586 652 360 121 4 50

28 4

29 30 238 17 8

67 10 627 32

-

4310 8 Kolonien 14

BP 1990 1534 1900 424 360 38 82

4370 8 Kolonien

5847 12 Kolonien

335 42 6700 13 Kolonien

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Tab.3: Stückmasse und Gesamtmasse der Weißfische im Binnenland Masse Cg) bis 50 51-100 101-150 151-200 201-250 251-300 301-351 351-400

je Weißfisch n % 98 84,5 12 10,3 2 1,7 4 3,5

116

100,0

je Magen n 6 16 8

% 18,8 50,0 25,0

2

6,2

32

100,0

Tab.4: Stückmasse und Gesamtmasse der Karpfen in Fischteichen Masse (R) bis 50 51-100 101-150 151-200 201-250 251-300 301-350 351-400

je Karpfen n % 350 60,5 142 24,5 5,7 33 25 4,3 17 2,9 12 2,1

579

100,0

je Magen n 15 44 50 43 37 23 4 3

%