Gutachten. I. Zum Sachverhalt. II. Fragestellung

DNotI Fax - Abfrage Deutsches Notarinstitut Gutachten des Deutschen Notarinstitut Dokumentnummer: 1457# letzte Aktualisierung: 11. Dezember 1998...
Author: Falko Heinrich
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DNotI

Fax - Abfrage

Deutsches Notarinstitut

Gutachten des Deutschen Notarinstitut Dokumentnummer:

1457#

letzte Aktualisierung:

11. Dezember 1998

Gutachten

Erb- und Pflichtteilsverzicht bei deutsch-russischem Ehepaar, Erbstatut

I. Zum Sachverhalt

Ein deutscher Staatsangehöriger beabsichtigt, eine russische Staatsangehörige zu heiraten. Beide werden ihren gemeinsamen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland nehmen.

Der Ehemann will sich vertraglich absichern. Neben verschiedenen ehevertraglichen Regelungen soll auch ein gegenseitiger Erb- und Pflichtteilsverzicht erklärt werden.

II. Fragestellung

1.

Kann zwischen einem deutschen Staatsbürger und einer russischen Staatsbürgerin ein Erbvertrag geschlossen werden?

2.

Wenn ja, kann Inhalt dieses Erbvertrags ein gegenseitiger Erb- und Pflichtteilsverzicht sein?

3.

Welche Form bzw. welche Anforderungen stellt das russische Erbrecht an einen Erb- und Pflichtteilsverzicht?

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III. Zur Rechtslage

1.

Gegenseitiger Erb- und Pflichtteilsverzicht

a)

Qualifikation

Auch wenn der Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht keine Verfügung von Todes wegen darstellt, wirkt er jedoch verändernd auf die zu erwartende gesetzliche Erbfolge ein. In Anbetracht dieser Rechtswirkungen

wird

der

Verzicht

aus

deutscher

Sicht

erbrechtlich

qualifiziert

(Staudinger/Dörner, 13. Aufl., Art. 25 EGBGB Rn. 373 m. w. N.; Riering, Der Erbverzicht im Internationalen Privatrecht, ZEV 1998, 248) und nach dem Erbstatut des Erblassers, welchem gegenüber verzichtet werden soll, beurteilt. Auf das Personalstatut des Verzichtenden kommt es hingegen nicht an.

b) Das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anwendbare Recht

aa) Konsularvertrag

Grundsätzlich richtet sich das auf die Erbfolge anwendbare Recht aus deutscher Sicht nach Art. 25 EGBGB, also nach dem Heimatrecht des Erblassers zum Zeitpunkt seines Todes.

Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion galt jedoch seit dem 25.05.1959 der deutsch-sowjetische Konsularvertrag, welcher als Staatsvertrag gem. Art. 3 Abs. 2 EGBGB Vorrang vor den autonomen Kollisionsvorschriften des EGBGB hat. Die Russische Föderation als der wichtigste Nachfolgestaat auf dem Territorium der zum 01.01.1992 aufgelösten Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken hat durch Note vom 24.12.1991

die

völkerrechtlichen

Verträge

der

früheren

UdSSR

übernommen

(Staudinger/Dörner, 13. Aufl. 1995, Anh. zu Art. 25 f. EGBGB Rn. 488). Daher gilt der Konsularvertrag im Verhältnis zu Rußland fort.

Seite 3

Gem. Art. 28 Abs. 3 Konsularvertrag finden „hinsichtlich der unbeweglichen Nachlaßgegenstände die Rechtsvorschriften des Staates Anwendung, in dessen Gebiet diese Gegenstände belegen sind„. Der Vertrag geht bei der Regelung der erbrechtlichen Fragen also von dem Grundsatz der Nachlaßspaltung in bewegliches und unbewegliches Vermögen aus. Eine kollisionsrechtliche Regelung enthält der deutsch-sowjetische Konsularvertrag jedoch nur in bezug auf das unbewegliche Vermögen. Es gilt danach die lex rei sitae. Auf in der Bundesrepublik Deutschland belegenes Grundvermögen gelangt insoweit deutsches Erbrecht zur Anwendung. Für in Rußland belegenes Grundeigentum richtet sich die Erbfolge hingegen nach russischem Erbrecht. Ein Erbverzicht im Hinblick auf unbewegliches Vermögen ist aber möglich, wenn die Immobilie in Deutschland liegt und folglich deutsches Recht berufen ist.

bb) Bewegliches Vermögen

Für die Erbfolge in bewegliches Vermögen enthält der Vertrag keine spezielle Regelung, so daß

insoweit

das

autonome

Kollisionsrecht

Anwendung

findet

(Fe-

rid/Firsching/Lichtenberger, Internationales Erbrecht, UdSSR, Stand: 01.01.1983, S. 59).

Nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB findet hinsichtlich des deutschen zukünftigen Ehemannes das deutsche Erbrecht als sein Heimatrecht Anwendung, so daß die Ehefrau verzichten kann. Für die russische Braut verweist Art. 25 Abs. 1 EGBGB auf das russische Recht und zwar gem. Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB auch auf dessen kollisionsrechtliche Vorschriften.

In der Russischen Föderation gelten die Kollisionsnormen des ZGB der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik v. 01.10.1964 fort (Bogulawskij, Ausarbeitung neuer Kollisionsnormen in der Sowjetunion und in den Mitgliedstaaten der GUS, IPRax 1992, 401, 403), die in der Sache die entsprechenden Vorschriften der „Grundlagen der Zivilgesetzgebung der UdSSR und der Unionsrepubliken„ v. 08.12.1961 (in Kraft seit dem

Seite 4

01.05.1962) übernommen haben. Die einschlägigen erbrechtlichen Bestimmungen der „Grundlagen„ 1961 lauten:

Art. 127 (Das auf die Erbfolge anzuwendende Gesetz) Die erbrechtlichen Verhältnisse werden durch das Gesetz des Landes bestimmt, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte. Die Fähigkeit einer Person, ein Testament zu errichten, oder aufzuheben, wird ebenso wie die Form der Errichtung des Testaments und ihrer Aufhebung durch das Gesetz des Landes bestimmt, in dem der Testator im Zeitpunkt der Errichtung oder Aufhebung seinen Wohnsitz hatte. Ein Testament oder dessen Aufhebung kann jedoch wegen Nichtbeachtung der Form nicht als unwirksam angesehen werden, wenn diese den Erfordernissen des Orts der Vornahme der Rechtshandlung oder den Erfordernissen des sowjetischen Rechts genügt. Das Erbrecht an den in der UdSSR belegenen Gebäuden wird in allen Fällen durch das sowjetische Gesetz bestimmt. Nach dem gleichen Gesetz richten sich auch die Fähigkeit einer Person, ein Testament zu errichten oder aufzuheben sowie dessen Form, wenn testamentarisch über ein Gebäude, das in der UdSSR belegen ist, verfügt wird. (Übersetzung aus: Ferid/Firsching/Lichtenberger, a. a. O., Texte B Nr. 5). Maßgebend ist danach das Recht des letzten Erblasserwohnsitzes, so daß es hier - bei Beibehaltung des ehelichen Wohnsitzes in der Bundesrepublik - aus russischer Sicht zu einer Rückverweisung auf das deutsche Recht käme. Dies gilt allerdings nur - wie oben bereits ausgeführt - für das bewegliche Vermögen. Auch der Entwurf des neuen russischen ZGB knüpft das Erbstatut grundsätzlich an den letzten Wohnsitz des Erblassers an (Bergmann/Glöckner, a. a. O., S. 447). Art. 1262 des Entwurfs zum Zivilkodex der Russischen Föderation Teil III (Text IPRax 1998, 54, 58) knüpft an den „letzten ständigen Wohnsitz„ an bzw. für unbewegliches Vermögen gem. Art. 1262 Abs. 3 an das Recht am Belegenheitsort.

Sofern also die zukünftige Ehefrau mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland verstirbt, verweist das russische IPR hinsichtlich des beweglichen Nachlasses auf das deutsche Recht

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zurück. Das deutsche Recht nimmt diese Rückverweisung auch an (Art. 4 Abs. 1 S. 2 EGBGB).

Hinsichtlich des deutschen, zukünftigen Ehemannes findet also sowohl im Hinblick auf das in der Bundesrepublik belegene unbewegliche Vermögen als auch hinsichtlich des gesamten beweglichen Vermögens das deutsche Recht Anwendung. Die Rechtsnachfolge nach der russischen Staatsangehörigen richtet sich hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens ebenso wie bei ihrem Bräutigam nach der lex rei sitae, im Hinblick auf das bewegliche Vermögen wird bei Beibehaltung des gewöhnlichen Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland auf das deutsche Recht zurückverwiesen.

2.

Erbverzicht und ordre public

Ein Verzicht auf das Erb- und Pflichtteilsrecht ist nach geltendem russischem Erbrecht nicht möglich. Das Gesetz enthält lediglich die Möglichkeit zur Ausschlagung der Erbschaft nach Eintritt des Erbfalles (Art. 550 russisches ZGB 1964). Daraus wird der Schluß gezogen, daß ein Verzicht zu Lebzeiten des Erblassers nicht möglich ist (Ferid/Firsching/Lichtenberger, a. a. O., Rn. 89). Auch das neue russische ZGB sieht die Möglichkeit eines Erb- oder zumindest eines Pflichtteilsverzichts nicht ausdrücklich vor. Der Entwurf sieht jedenfalls die Möglichkeit zur Veränderung von Erbquoten durch Vereinbarung unter den Erben vor (Bergmann/Glöckner, a. a. O., S. 447). Da insofern die Rechtslage unsicher ist, empfehlen wir auf alle Fälle, den Verzicht des einen Ehegatten vom Verzicht des anderen Ehegatten unabhängig zu gestalten. Darüber hinaus empfiehlt sich eine Erklärung, wonach der Verzicht auch dann gewollt ist, wenn ihn ein möglicherweise anwendbares ausländisches Erbstatut (d. h. russisches Erbrecht) zwar derzeit noch nicht ermöglicht, ihn aber künftig zuläßt. Ein „Erbvertrag„ sollte darüber hinaus mindestens die Verfügungen von Todes wegen einer Person enthalten; der Erbverzicht als solcher ist ein Rechtsgeschäft unter Lebenden.