Psychophysik

Gustav Fechner (1801 – 1887) • religiöser Hintergrund • Fechner wollte den Nachweis erbringen, dass Körper und Geist eine Einheit bilden – Wollte mathematische Beziehung zwischen subjektiven Empfindungen und äußeren Reizen nachweisen.

• 1860: Elemente der Psychophysik • darin Methoden zur Ermittlung absoluter Schwellen – kleinste Reizintensität, die nötig ist, damit ein Beobachter einen Reiz wahrnehmen kann

absolute Schwelle • markiert Übergang von einem Wahrnehmungszustand in einen anderen • WSK einen Reiz wahrzunehmen steigt mit Reizintensität • klassische Schwellentheorie (Herbart) ein Reiz schlägt an der absoluten Schwelle vom Zustand des „Nichtwahrgenommen-werdens“ zum Zustand des „Wahrgenommen-werdens“ abrupt um

X-Achse: Intensität des Reizes Y-Achse: WSK mit der Reiz wahrgenommen wird

absolute Schwelle

• Wahrnehmung folgt einer psychometrischen Funktion • absolute Schwelle = Intensität, bei der ein Reiz in 50% der Fälle wahrgenommen wird

Grenzmethode nach Fechner

• Schwellenwerte mehrerer Durchgänge ermitteln • Fechner: absolute Schwelle = Mittelwert aller Schwellenwerte

Unterschiedsschwellen • markieren kleinsten eben merklichen Unterschied – just noticeable difference (JND)

• Ernst Heinrich Weber • 1846: Messung der Unterschiedsschwellen • Vergleichsverfahren • auch auf andere Sinnesmodalitäten anwendbar

Standardgewicht

Vergleichsgewicht

JND & Webersches Gesetz Standardgewicht 100 gr. à JND 2 gr. 200 gr. à JND 4 gr. 400 gr. à JND 8 gr. • Einschätzung abhängig von Größe des Standardgewichts • nötige Änderung steht in konstantem Verhältnis zum Standardreiz

k

=

Gewicht:

∆ I I 2 1 k= = 100 50

Helligkeit

1/

60

Temperatur

1/

30

Druck

1/

7

Geruch

1/

4

Geschmack

1/

3

Webersches Gesetz: konstant? • Weber’sche Konstante trifft auf die meisten Sinnesempfindungen zu • so lange der Reiz in einem mittleren wahrnehmbaren Bereich

Konstante gültig für verschiedene Versuchspersonen, wenn Standardreiz größer als 50 Gramm

Weiterführung Fechner • Weber’sches Gesetz gültig • JND ist die Einheit für Empfindung – jeder JND wird gleich wahrgenommen – JND von 2 gr. ist perzeptuell gleich wie JND von 4 gr.

• à mathematische Beziehung zwischen Reizintensität und Empfindung

E = k log I

E = k log I

• größerer Reizunterschied nötig ist, damit er wahrgenommen wird.

JND

Fechners Gesetz

• Verdopplung eines Reizes, k = 1 – I = 10 à E = 1 * log10 = 1,0 – I = 20 à E = 1 * log20 = 1,3 Reizintensität

• Kritik – Gültigkeit der Weber‘schen Konstante – alle JNDs gleich

Stevens Potenzgesetz • genauere Beschreibung der Beziehung zwischen Empfindung und Reizintensität für breiteres Spektrum von Reizen • abgeleitet aus Methode der Größenschätzung • Vorgehen: – Standardreiz mit willkürlichem Wert belegen, z.B. 10 – anschließend Vergleichsreiz bewerten à Vergleichsreiz doppelt so hell/groß/lang wie Standardreiz = 20 à halb so hell/groß/lang wie Standardreiz = 5

Größenschätzung

• Größenschätzungen in Abhängigkeit der Reizstärke • Wenn Reiz zunimmt, nimmt auch Größenschätzung zu • kein linearer Zusammenhang

• Kurvenverläufe unterschiedlich – Beziehung zwischen E und I für jede Sinnesmodalität anders?

Steven‘s Potenzgesetz

E = kI

n

• Logarithmus der Reizintensität gegen Logarithmus der Größenschätzung abtragen à alle Kurven werden zu geraden Linien • Potenz n gibt Steigung der Geraden an • Beziehung zwischen Größenschätzung und Reizintensität kann durch Potenzfunktion in allen Sinnenmodalitäten beschrieben werden

Variation der Größenschätzung • Intermodaler Vergleich (cross modality matching) • Empfindung in einer Sinnesmodalität kann durch eine andere ausgedrückt werden • z.B. Intensität eines Tons durch Einstellen einer Lampe angeben • Ergebnis: man erhält beim Einstellen der Lautstärke über die Helligkeit dieselbe Gerade wie bei der Methode der Größenschätzung für Lautstärke.

Fazit I • absolute Schwellen lassen sich experimentell ermitteln • kleinste merkliche Unterschiede (JND) sind abhängig von der Größe des Standardreizes • Beziehung zwischen Reizintensität und Empfindung mathematisch beschreibbar • gilt auch für extreme Reize wie elektrischen Schock • Sinnesmodalitäten • cross modality matching zeigt, dass Empfindung in einem Sinnessystem in ein anderes übertragen werden kann

Problem mit absoluten Schwellen • absolute Schwelle nicht allein durch Reizintensität bestimmt • Ob Reiz bemerkt wird, wird auch durch Antwortbias beeinflusst. • Beispiel: – zur Ermittlung der absoluten Schwelle werden in jedem Durchgang Töne unterschiedlicher Lautstärke dargeboten – Proband A – sehr motiviert à sagt immer ja – Proband B – sehr vorsichtig à sagt nur ja, wenn 100% sicher – Hat Proband A geringere absolute Schwelle?

Signalentdeckungstheorie (SDT) • Swets & Green (1966): signal detection theory (SDT) • untersucht Wahrnehmung von schwer zu entdeckender Reize – Signal muss vom Rauschen unterschieden werden



Ausgangspunkt a) Jede Entscheidung hat einen Bias (SDT-Sprache: Kriterium) b) Jede Entscheidung birgt einen Gewissen Grad an Unsicherheit



Aufgabe und Schwierigkeiten – Tonerkennung (Wurde Ton bei einem Trial dargeboten?) – Ton muss über ein Rauschen (noise) hinweg gehört werden – à um Empfindung eines Tons zu haben, muss Signal vom Rauschen allein diskriminiert werden

Signale und Rauschen - Verteilungen • Empfindung wird vermittelt durch Level der neuronalen Aktivität (SDT-Sprache = interne Antwort) • Interne Antwort: – zu jedem Zeitpunkt schwankt die neuronale Antwort (SDT-Sprache = interne Antwort) um einen Mittelwert à Normalverteilung

Das Antwortkriterium • Antwortkriterium bestimmt, ob Pb angibt, einen Ton gehört zu haben – wenn interne Antwort größer als AK à „ja“ – wenn interne Antwort geringer al AK à „nein“

Antworttypen

Bei SDT-Experimenten ergeben sich 4 Antworttypen mit verschiedenen Auftretenswahrscheinlichkeiten in Abhängigkeit des Antwortkriteriums: Antwort des Pb

Reiz dargeboten?

Ja Nein

Ja

Nein

Treffer

Verpasser

Korrekte Falscher Alarm Ablehnung

Antworttypen

nein

ja

nein

ja

Antworttypen und Antwortkriterium • Wenn Antwortkriterium verschoben wird, verändern sich auch die Wahrscheinlichkeiten der 4 Antworttypen Liberale AK à sehr viele Treffer aber auch viele FA

Wird das AK konservativer gewählt reduziert sich Menge der Treffer aber auch der FA

receiver operating characteristic • solange Verteilungen nicht aufeinander liegen, hat ROC nach oben geschwungene Form • ROC charakterisiert das gesamte Spektrum des Antwortverhaltens eines Probanden

Bei beliebigem AK liegt Treffer und FAKoordinate irgendwo auf ROC

Sensitvitätsmaß d‘ • Erhöhung der Tonintensität à Signal kann leichter erkannt werden • Rauschen und Signal können gut diskriminiert werden

Wenn das AK richtig gesetzt ist, kann bei großem d‘ die Anzahl der Treffer fast 100% erreichen – bei wenigen FA

SDT: Signal und Rauschen • Experiment – entdecken eines Tons – Lautstärke (Intensität) variiert

• Schwierigkeit: Ton muss über das Hintergrundrauschen hinweg gehört werden • Rauschen = alle Hintergrundgeräusche, sonstige Störungen • für Empfindung eines Tons also

Fazit II

• SDT bezieht individuellen Antwortbias mit ein • Betrachtet Rauschen / Signal als Verteilungskurven – keine absolute Schwelle

• Berücksichtigt 4 Antwortmöglichkeiten • Signal wird mit individuellem Antwortkriterium „verglichen“ • Sensitivität des Wahrnehmungssystem bzw. des Individuums lässt sich bestimmen