Grundlagen der Thermodynamik und

Kapitel 4 Grundlagen der Thermodynamik und W¨ armeu ¨ bertragung In diesem Kapitel werden einf¨ uhrend Konzepte zur mathematischen Beschreibung von ...
Author: Klaus Pfaff
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Kapitel 4

Grundlagen der Thermodynamik und W¨ armeu ¨ bertragung

In diesem Kapitel werden einf¨ uhrend Konzepte zur mathematischen Beschreibung von W¨arme– und Stoff¨ ubertragungsprozessen vorgestellt. Hierzu werden zun¨achst die thermodynamischen Grundlagen diskutiert, um dann die Modellierung technischer Anwendungen einf¨ uhrend zu behandeln.

4.1 Thermodynamische Grundlagen Die Thermodynamik befasst sich mit den verschiedenen Erscheinungsformen der Energie, mit deren Umwandlung und mit den Eigenschaften der Materie, da diese eng mit der Energieumwandlung verbunden sind [1]. Im Mittelpunkt der thermodynamischen Analyse stehen dabei die physikalischen Grundprinzipien der Massenerhaltung, Energieerhaltung und Energiewandlung.

4.1.1 Grundbegriffe

F¨ ur die weiteren Betrachtungen ist zun¨ achst zu kl¨aren, was unter einem thermodynamischen System, im Folgenden oft vereinfachend System genannt, zu verstehen ist. Darunter wird das materielle Objekt verstanden, dessen thermodynamische Eigenschaften untersucht werden sollen. Das System wird dabei durch die Systemgrenze von seiner Umgebung bzw. Umwelt abgetrennt. Die Systemgrenze ist hierbei nicht als starres Objekt zu verstehen, sondern wird entsprechend der Aufgabenstellung adaptiert, ist nicht notwendigerweise fest und kann f¨ ur Materie und Energie durchl¨assig sein. Ein System kann mit seiner Umgebung Materie und Energie austauschen. Der Energieaustausch kann dabei im Form von W¨ arme oder Arbeit erfolgen. Wechselwirkt ein System mit seiner Umgebung sowohl durch den Austausch von Materie und Energie, so wird das System als offenes System bezeichnet. Ist der Austausch von Materie unterbunden, dann wird das System als geschlossenes System bezeichnet. Wird der Austausch von W¨ arme (thermischer Energie) unterbunden, so nennt man das System adiabatisch isoliert bzw. adiabat. Falls keine Wechselwirkungen des Systems mit seiner Umgebung stattfinden handelt es sich um ein abgeschlossenes System. Ein Beispiel zeigt Abbildung 4.1 anhand eines Kolbens in einem Zylinder mit Ein– und Auslassventilen [1]. Neben den Begriffen eines Systems und der Systemgrenze werden zudem bei der Analyse von Anlagen zur Stoff– und Energiewandlung die Bezeichnungen Bilanz– bzw. Kontrollraum und Bilanz– bzw. Kontrollraumgrenze verwendet. Ausgangspunkt f¨ ur die weitere Analyse ist die Charakterisierung des Zustands eines thermodynamischen Systems durch Zustandsgr¨ oßen. Diese charakterisieren die Eigenschaften der Materie innerhalb der Systemgrenzen. Dabei unterscheidet man zwischen intensiven, extensiven und spezifischen (auf die Masse oder die Molzahl bezogene) Gr¨ oßen [2, 1]:

60

4.1 Thermodynamische Grundlagen

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Systemgrenze

Gas

(a) Offenes System.

(b) Geschlossenes System.

Abb. 4.1: Beispiel f¨ ur ein offenes und geschlossenes System.

• Intensive Zustandsgr¨ oßen sind unabh¨angig von der Systemgr¨oße und ihr Wert bleibt bei der Teilung des Systems unver¨ andert. Beispiele f¨ ur intensive Gr¨oßen sind der Druck p oder die Temperatur T eines Systems. • Extensive Zustandsgr¨ oßen sind proportional zur Menge des Systems. Beispiele f¨ ur extensive Gr¨oßen sind die Masse m, die Molzahl Nj , das Volumen V , die innere Energie U, die Enthalpy H oder die Entropie S. • Spezifische Zustandsgr¨ oßen erh¨ alt man als Quotient einer extensiven Zustandsgr¨oße durch die Menge des Systems. Letztere kann beispielsweise durch die Masse m gekennzeichnet werden. Beispiele sind das spezifische Volumen ν = V /m = 1/ρ oder die Dichte ρ = m/V , wenn V die Menge des Systems beschreibt, sowie die spezifische molare innere Energie u [kJ/kmol], die spezifische molare Entropie s [kJ/(kmol K)]. Zur Beschreibung der Materieeigenschaften ist der Begriff der Phase von Bedeutung. Eine Phase kann man als homogenen Bereich einer Materie betrachten [1]. Homogen bedeutet, dass alle intensiven und spezifischen Zustandsgr¨ oßen innerhalb des Bereichs konstant sind. Ein homogenes System wird auch als Einphasensystem bezeichnet. Dem gegen¨ uber stehen die Mehrphasensysteme, die auch heterogen genannt werden. Bei Mehrphasensystemen werden die einzelnen Phasen durch die Phasengrenze voneinander getrennt. Der Begriff der Phase sollte dabei nicht mit dem Aggregatzustand (fest, fl¨ ussig, gasf¨ormig) verwechselt werden. Es sei angemerkt, dass in einphasigen, homogenen Systemen zwischen intensiven und spezifischen Gr¨ oßen kein Unterschied besteht, jedoch in mehrphasigen (im Gleichgewicht befindlichen) Systemen die spezifischen Gr¨ oßen im Gegensatz zu den intensiven Gr¨oßen in den einzelnen Phasen meist unterschiedliche Werte aufweisen.

4.1.2 Haupts¨ atze und Gibbssche Fundamentalgleichung

Die weiteren Ausf¨ uhrungen basieren prim¨ar auf [3, Kapitel 2] unter der Annahme, dass ein einphasiges, homogenes System vorliegt. Hierbei werden die Haupts¨ atze der Thermodynamik auf der Basis von Erfahrungss¨ atzen motiviert, um daraus entsprechende mathematische Schlußfolgerungen zu ziehen.

4.1.2.1 Einphasige geschlossene Systeme Zur Erinnerung sei nochmals erw¨ahnt, dass in einem geschlossenen System nur Energieaustausch, jedoch kein Stoffaustausch mit der Umgebung erfolgt. Erfahrungssatz (1). Zur eindeutigen und vollst¨andigen Beschreibung eines einphasigen, homogenen geschlossenen Systems sind neben der Masse m [kg] bzw. der Molzahl N [mol] zwei weitere unabh¨angige (intensive) Zustandsgr¨ oßen notwendig.

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4 Grundlagen der Thermodynamik und W¨ arme¨ ubertragung

Da sowohl der Druck 1 p [N/m2 ] als auch die (absolute) Temperatur 2 T [K] direkt messbar sind, bieten sich diese beiden intensiven Gr¨ oßen zur Beschreibung an. Insbesondere kann jede andere, das System kennzeichnende Zustandsgr¨ oße als Funktion von p, T und m bzw. N ausgedr¨ uckt werden. Beispiele hierf¨ ur sind durch die thermischen Zustandsgleichungen wie das ideale Gasgesetz pV = NRT = mRT

bzw.

pν = RT

(4.1)

mit der universellen (idealen) Gaskonstanten R = 8.314 [kJ/(kmol K)] = 0.08314 [bar m3 /(kmol K)] = 8314 [Nm/(kmol K)] bzw. der individuellen Gaskonstanten R=

R . M

(4.2)

Hierbei bezeichnet M=

m N

(4.3)

die so genannte molare Masse in [kmol/kg] bzw. das Molekulargewicht. Handelt es sich bei dem betrachteten Gas um eine Mischung verschiedener Gase, so ist M durch Mges , dem mittleren Molekulargewicht der Gasmischung, zu ersetzen. Typischerweise sind die molare Masse und weitere, die Reinstoffe charakterisierende, Gr¨ oßen tabelliert. Dies ist beispielhaft in Abbildung 4.2 in Form eines Auszuges aus [2] dargestellt. Aufgabe 4.1. In einem Beh¨ alter mit Volumen V = 1 m3 befindet sich gasf¨ormiges Ammoniak NH3 mit der Masse m = 2 kg. Bestimmen Sie die Molzahl N, das spezifische Volumen ν und die Dichte ρ. Bestimmen Sie die Temperatur des Gases im Beh¨alter bei einem Druck von p = 5 bar. L¨ osung. Gem¨ aß der Tabelle in Abbildung 4.2 gilt f¨ ur die molare Masse MNH3 = 17.0305 g/mol. Hieraus ergeben sich die folgenden Werte m = 0.0587 kmol MNH3 V = 0.5 m3 /kg ν= m 1 ρ = = 2kg/m3 . ν

N=

Mit dem idealen Gasgesetz (4.1) gilt T =

pν pνMNH3 5 × 105 N/m2 0.5 m3 /kg 17.0305 kg/kmol = = = 512.103 K. R R 8314 Nm/(kmol K)

Allgemein gilt f¨ ur das Volumen V der funktionale Zusammenhang V = V (p, T, N).

(4.4)

Diese Zustandsgleichung erlaubt eine geometrische Interpretation. Sei beispielsweise die Molzahl N kon¨ stant, dann m¨ ussen alle Anderungen, die ein geschlossenes System erf¨ahrt zu Zust¨anden f¨ uhren, die auf der durch (4.4) mit N = N0 = konstant definierten Fl¨ache 0 = V − V (p, T, N0 ) = f (p, T, V )

(4.5)

in p, T und V liegen. Abbildung 4.3 illustriert diesen Zusammenhang beispielhaft f¨ ur das ideale Gasgesetz (4.1). 1 2

Es gilt 1 bar = 105 Pa = 105 N/m2 . Es gilt 273.15 K = 0 ◦ C.

4.1 Thermodynamische Grundlagen

10.3 Stoffdaten

615

Tabelle 10.6. Molare Masse M , Gaskonstante R, spezifische isobare W¨ armekapa0 f zit¨ at cp bzw. cp , molare Bildungsenthalpie H , molare Standard-Entropie S  und molare Gibbs-Funktion G im thermochemischen Standardzustand (T0 = 298,15 K, p0 = 100 kPa). Molare Massen nach [10.11], andere Werte nach [10.12] und [4.42]

Stoff

Formart

M g/mol

R kJ/kg K

c0p bzw. cp kJ/kg K

Hf  kJ/mol

S J/mol K

G kJ/mol

g g g g g fl g g g g g g g g g g fe g g g g g g g g g g fe g g g g g g g fl fl fl fl

15,9994 31,9988 1,00794 2,01588 17,0073 18,0153 18,0153 4,002602 20,1797 39,948 83,80 131,293 37,99680 20,00634 70,906 36,461 32,065 32,065 64,130 64,064 34,081 14,0067 28,0134 30,0061 46,0055 44,0128 17,0305 12,0107 12,0107 28,0101 44,010 16,042 30,069 44,096 58,122 72,149 86,175 100,20 114,23

0,51967 0,25984 8,24897 4,12449 0,48888 0,46152 0,46152 2,07727 0,41202 0,20813 0,09922 0,06333 0,21882 0,41559 0,11726 0,22804 0,25930 0,25930 0,12965 0,12978 0,24396 0,59361 0,29681 0,27709 0,18073 0,18891 0,48821 0,69226 0,69226 0,29684 0,18892 0,51829 0,27651 0,18855 0,14305 0,11524 0,09648 0,08298 0,07279

1,3696 0,9181 20,622 14,304 1,7576 4,1819 1,8646 5,1932 1,0300 0,5203 0,2480 0,1583 0,8239 1,4564 0,4788 0,7991 0,7095 0,7383 0,5068 0,6219 1,0049 1,4840 1,0396 0,9965 0,7938 0,8700 2,0921 0,7091 1,7350 1,0404 0,8438 2,185 1,730 1,667 1,690 2,297 2,263 2,242 2,224

249,18 0 217,998 0 47,52 − 285,84 − 241,83 0 0 0 0 0 0 − 273,3 0 − 92,31 0 277,17 128,6 − 296,8 − 20,6 472,7 0 90,25 33,10 82,05 − 45,94 0 716,7 − 110,53 − 393,51 − 74,87 − 84,73 − 103,85 − 124,73 − 173,83 − 198,8 − 224,4 − 250,0

161,059 205,152 114,717 130,680 189,395 69,93 188,835 126,153 146,328 154,846 164,085 169,685 202,791 173,779 223,081 186,902 32,054 167,829 228,17 248,22 205,81 153,301 191,609 210,76 240,04 219,96 192,77 5,74 158,10 197,660 213,785 186,25 229,60 270,02 310,14 259,86 292,5 328,0 361,2

201,16 − 61,166 183,795 − 38,962 − 8,95 − 306,69 − 298,13 − 37,613 − 43,628 − 46,167 − 48,922 − 50,592 − 60,462 − 325,1 − 66,512 − 148,03 − 9,557 227,13 60,57 − 370,8 − 81,96 427,0 − 57,128 27,41 − 38,47 16,47 − 103,41 − 1,711 669,5 − 169,46 − 457,25 − 130,40 − 153,18 − 184,36 − 217,20 − 251,31 − 286,0 − 322,2 − 357,7

O O2 H H2 OH H2 O H2 O He Ne Ar Kr Xe F2 HF Cl2 HCl S S S2 SO2 H2 S N N2 NO NO2 N2 O NH3 C C CO CO2 CH4 C2 H6 C3 H8 C4 H10 C5 H12 C6 H14 C7 H16 C8 H18

Abb. 4.2: Auszug aus [2].

63

64

4 Grundlagen der Thermodynamik und W¨ arme¨ ubertragung

25 20

V /N

15 10 5 0 0

300 290

5

p

10 280

T

Abb. 4.3: Zustandsfl¨ ache definiert durch (4.5).

Daraus folgt unmittelbar f¨ ur das totale Differenzial von (4.4) f¨ ur N = N0 = konstant der Zusammenhang ∂ V ∂ V dV = dp + dT, ∂p T,N ∂T p,N wobei ( · )|T,N bzw. ( · )|p,N bezeichnen, dass T und N bzw. p und N f¨ ur die partielle Differenziation konstant gehalten werden. Wird z.B. ein K¨orper um dT bei konstantem Druck dp = 0 erw¨armt, so ¨andert sich sein Volumen entsprechend ∂ V dV = dT. ∂T p,N Der Term ∂∂TV |p,N charakterisiert somit die thermische Ausdehnung des K¨orpers. Abbildung 4.3 zeigt zudem, dass die Reihenfolge der Zustands¨ anderungen beliebig ist, woraus folgt, dass     ∂ ∂ V ∂ ∂ V = . ∂T ∂p T ∂p ∂T p Erfahrungssatz (2). F¨ ur ein geschlossenes System kann eine Zustands¨anderung nur durch Energiezu– oder Energieabfuhr erfolgen. Hierbei ist es unerheblich, ob die Energiezufuhr dW durch eine mechanische, elektrische oder sonstige Arbeit erfolgt, oder ob dem System W¨arme dQ durch Kontakt mit einem Nachbarsystem zugef¨ uhrt wird. Dieser Erfahrungssatz wird auch als 1. Hauptsatz der Thermodynamik bezeichnet [4, 2, 1]. Dies bedeutet, dass die extensive Gr¨ oße der inneren Energie U [kJ] durch die Zufuhr von Energie erh¨oht wird. Die innere Energie kann dabei als Summe der kinetischen und potenziellen Energien aller Teilchen, die das System ¨ ausf¨ ullen, einschließlich ihrer Wechselwirkungen interpretiert werden [3, 2]. Damit gilt f¨ ur die Anderung der inneren Energie eines geschlossenen Systems dU = dW + dQ.

(4.6)

Meist wird die dissipierte Energie der W¨armemenge dQ hinzugerechnet, so dass dW die reversibel zugef¨ uhrte Arbeit beschreibt. Wichtige Austauschterme sind dabei durch die folgenden Anteile gegeben (siehe auch [1, Kapitel 4.2]): • Volumen¨ anderungsarbeit dWvol = −pdV ;

4.1 Thermodynamische Grundlagen

65

2 1 2 1 ¨ • Mechanische Arbeit dWmech = Wkin − Wkin + Wpot − Wpot beim Ubergang vom Bezugszustand 1 in den Bezugszustand 2;

• Verschiebearbeit im elektrischen Feld sowie dWel = qdUel mit der elektrischen Ladung q und der elektrischen Spannung Uel . ¨ Werden die Anderungen dU, dW und dQ jeweils auf ein entsprechendes Zeitintervall dt bezogen, dann folgt aus (4.6) die differenzielle Form des 1. Hauptsatzes dU dW dQ ˙ = + = P + Q, dt dt dt

(4.7)

wobei P = dW uhrte Leistung und Q˙ = dQ uhrten W¨ armestrom beschreiben. Wird dt die zugef¨ dt den zugef¨ dem geschlossenen System Energie sowohl zu– als auch abgef¨ uhrt (dargestellt durch die hochgestellten Indexe + und −), dann gilt dU = P + − P − + Q˙ + − Q˙ − . dt

(4.8)

F¨ ur ein abgeschlossenes System lautet der erste Hauptsatz (4.6) bzw. (4.7) oder (4.8) dU = 0

bzw.

dU =0 dt

(4.9)

gem¨ aß der entsprechenden Annahmen dW = 0 und dQ = 0 bzw. P + = P − = 0 und Q˙ + = Q˙ − = 0. Aufgabe 4.2. Ein Zylinder mit dem Volumen V1 enth¨alt Luft deren Druck p1 mit dem Umgebungsdruck pu u ¨bereinstimmt. Durch die Verschiebung des reibungsfrei beweglichen Kolbens wird das eingenommene Volumen isotherm auf V2 vergr¨ oßert. Unter der Annahme, dass die Zustands¨anderung quasistatisch erfolgt sind der Enddruck p2 und die Volumen¨ anderungsarbeit zu ermitteln.

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4 Grundlagen der Thermodynamik und W¨ arme¨ ubertragung

Die innere Energie U ist eine extensive Gr¨oße, so dass sich die spezifische (massebezogene) innere Energie durch den Bezug auf die Masse des Systems zu u=

U m

(4.10)

ergibt. Gem¨ aß dem 1. Erfahrungssatz ist der Zustand einer Phase durch zwei unabh¨angige intensive Zustandsgr¨ oßen festgelegt, weshalb auch zwischen u und diesen beiden Zustandsgr¨oßen eine Beziehung besteht. Werden die Temperatur T und das spezifische Volumen ν als intensive Zustandsgr¨oßen gew¨ahlt, so wird die resultierende Beziehung u = u(T, ν)

(4.11)

als kalorische Zustandsgleichung bezeichnet in Analogie zur thermischen Zustandsgleichung p = p(T, V ).

(4.12)

Das totale Differenzial von (4.11) ergibt sich zu ∂ u ∂ u du = dT + dν. ∂T ν ∂ν T Hierbei wird die partielle Ableitung ∂ u cν (T, ν) = ∂T ν

(4.13)

(4.14)

auch als spezifische isochore W¨ armekapazit¨ at bezeichnet. Es kann dabei gezeigt werden, dass cν stets positiv ist, weshalb f¨ ur konstantes ν die spezifische innere Energie u mit steigender Temperatur monoton anw¨ achst. Insbesondere kann f¨ ur dν ≈ 0 oder vernachl¨assigbar kleinem ∂∂νu |T die Differenz der spezifischen inneren Energie zwischen Zust¨ anden unterschiedlicher Temperatur T1 bzw. T2 , jedoch identischen ν, durch Integration ermittelt werden, da gilt Z

T2

u(T2 , ν) − u(T1 , ν) =

cν (T, ν)dT.

(4.15)

T1

Der nachfolgend betrachtete 2. Hauptsatz der Thermodynamik f¨ uhrt auf Beziehungen zwischen der kalorischen und der thermischen Zustandsgleichung.

4.1 Thermodynamische Grundlagen

67

Erfahrungssatz (3). Die aus mechanischer oder elektrischer Arbeit in innere Energie umgewandelte Energie kann aufgrund von Energiedissipation, z.B. durch Reibung oder Vermischung, nicht vollst¨andig zur¨ uckgewandelt werden. Theoretische Prozesse, bei denen eine vollst¨andige R¨ uckwandlung postuliert wird, werden reversibel genannt. Als Zustandsgr¨ oße Entropie S [kJ/K] wird die auf die absolute Temperatur T bezogene bei einer reversiblen Zustands¨ anderung ausgetauschte W¨armemenge dQrev definiert, d.h. dS =

dQrev . T

(4.16)

Mit (4.6) folgt somit wegen dQrev = dUrev − dW mit dW = −pdV f¨ ur reversible Zustands¨anderungen der Zusammenhang dUrev = T dS − pdV.

(4.17)

Nach dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik ist die Entropie¨anderung in einem abgeschlossenen System ein Maß f¨ ur die Irreversibilit¨ at von Zustands¨ anderungen. Dabei gilt bei einer irreversiblen Zustands¨ anderung dS ≥

dQrev T

(4.18)

mit dQrev der bei einer reversiblen Zustands¨anderung ausgetauschten W¨arme. In jedem sich selbst u ¨berlassenen abgeschlossenen System laufen so lange irreversible Zustands¨anderungen ab, bis das thermodynamische Gleichgewicht erreicht ist. Dabei gilt f¨ ur das Gesamtsystem inklusive seiner Umgebung die Bedingung dS = 0 und S = max. ¨ Aus dem 1. Erfahrungssatz folgt, dass nur zwei Zustandsgr¨oßen zur Beschreibung der Anderung eines geschlossenen Systems notwendig sind. Mit den beiden Zustandsgr¨oßen Entropie S und Volumen V impliziert dies, dass die vorangegangene Gleichung allgemein gelten muss (oder entsprechend ung¨ ultig w¨ are), womit folgt dU = T dS − pdV.

(4.19)

Damit kann ein geschlossenes System (Molmenge N = N0 = konstant gem¨aß Annahme) in den Zust¨anden p, T und V (vgl. Abbildung 4.3) oder ¨ aquivalent in den Zust¨anden U, S und V beschrieben werden (vgl. Abbildung 4.4). Diese Darstellung in U, S und V besitzt dabei den Vorteil, dass unmittelbar Aussagen

U

T = konstant

p = konstant

V

S

¨ Abb. 4.4: Zur Aquivalenz der Zustandsdarstellungen.

u ¨ber die Energie und die Entropie des Systems bei der Zustands¨anderung getroffen werden k¨onnen. Des

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4 Grundlagen der Thermodynamik und W¨ arme¨ ubertragung

Weiteren beinhaltet diese Darstellung auch Informationen u ¨ber p und T , was durch die Bildung des totalen Differenzials von U sichtbar wird. Wegen ∂ U ∂ U dS + dV (4.20) dU = ∂S V,N ∂V S,N f¨ uhrt ein Vergleich mit (4.19) auf ∂ U ∂ U = T, = −p. ∂S V,N ∂V S,N

(4.21)

Die Steigungen von U in der Darstellung im (U, S, V )–Raum legen somit T und p fest. Aufgrund des erweiterten Informationsgehalts von (4.19) im Vergleich zu einer einfachen Zustandsgleichung wird (4.19) auch als Fundamentalgleichung eines einphasigen, geschlossenen Systems bezeichnet. Die Entropie S ist eine extensive Gr¨ oße. Die spezifische (massbezogene) Entropie ergibt sich entsprechend durch den Bezug auf die Masse des Systems zu s=

S . m

(4.22)

Damit kann (4.20) mit (4.21) ¨ aquivalent in spezifischen Gr¨oßen formuliert werden, d.h. du = T ds − pdν. Mit der kalorischen Zustandsgleichung u = u(T, ν) gilt zudem f¨ ur das totale Differenzial ∂ u ∂ u du = dT + dν. ∂T ν ∂ν T

(4.23)

(4.24)

Einsetzen in (4.23) f¨ uhrt auf   ∂ u ∂ u dT + + p dν. T ds = ∂T ν ∂ν T Aufgrund des Zusammenhangs s = s(u, ν) bzw. s = s(T, ν) gilt zudem ∂ s ∂ s ds = dT + dν. ∂T ν ∂ν T Multiplikation der linken und rechten Seite der Gleichung mit T und Vergleich mit der vorangegangenen Gleichung ergibt   ∂ s 1 ∂ u ∂ s 1 ∂ u = , = +p . (4.25) ∂T ν T ∂T ν ∂ν T T ∂ν T Da die Reihenfolge der Differenziationen beliebig ist, muss die Integrabilit¨atsbedingung ∂2s ∂2s = ∂ν∂T ∂T ∂ν erf¨ ullt sein. Mit den vorangegangenen Beziehungen f¨ uhrt die Auswertung auf     ∂2s 1 ∂2u ∂2s 1 ∂ u 1 ∂2u ∂ p = = =− 2 + p + + ∂ν∂T T ∂ν∂T ∂T ∂ν T ∂ν T T ∂T ∂ν ∂T ν bzw. ∂ p ∂ u =T − p. ∂ν T ∂T ν

(4.26)

4.1 Thermodynamische Grundlagen

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Diese Gleichung stellt eine Beziehung zwischen der kalorischen und der thermischen Zustandsgleichung dar, so dass (4.24) in der Form   ∂ p ∂ u dT + T − p dν. (4.27) du = ∂T ν ∂T ν angegeben werden kann. Aufgabe 4.3. F¨ ur einen Elektromotor soll im station¨aren Betrieb durch Anwendung der beiden Haupts¨ atze die abgegebene Wellenleistung Pw analysiert werden, wenn dem Antrieb eine elektrische Leistung Pel zugef¨ uhrt und ein W¨ armestrom zu– oder abgef¨ uhrt werden kann. L¨ osung. Aus dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik folgt unter station¨aren Bedingungen 0=

dU = Pel + Q˙ − Pw dt

bzw. ˙ Pw = Pel + Q. Prinzipiell k¨ onnte die abgegebene Wellenleistung dadurch gesteigert werden, dass dem System ein W¨ armestrom Q˙ zugef¨ uhrt wird (Q˙ > 0). Die Bilanzierung der Entropie f¨ uhrt im station¨aren Fall auf 0=

Q˙ dS = S˙ rev + S˙ irr = + S˙ irr dt T

¨ mit dem irreversiblen Anteil S˙ irr . Sei die Temperatur T am Ubergangspunkt des W¨armestroms auf der Systemgrenze konstant. Dann gilt Q˙ = −S˙ irr . T Gem¨ aß dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik folgt hieraus Q˙ = −T S˙ irr ≤ 0, weshalb der W¨ armestrom nur abgef¨ uhrt werden kann. Offensichtlich wird die abgegebene Wellenleistung durch Q˙ verringert, d.h. Pw = Pel + Q˙ = Pel − T S˙ irr ≤ Pel . Der Anteil |T S˙ irr | beschreibt den Verlustw¨armestrom des Antriebs durch mechanische Reibung und Dissipation elektrischer Energie.

4.1.2.2 Einphasige offene Systeme Erfolgt zus¨atzlich zum Energieaustausch auch der Austausch von Stoffen, dann ist zur vollst¨ andigen Systembeschreibung auch die Kenntnis der Zusammensetzung notwendig. Erfahrungssatz (4). Jedes einphasige, homogene, offene System kann durch die intensiven Zustandsgr¨ oßen Druck p, (absolute) Temperatur T und Molzahlen seiner Komponenten Nj [molj ], j = 1, . . . , J vollst¨ andig beschrieben werden. Die entsprechende Erweiterung von (4.4) lautet somit V = V (p, T, N1 , . . . , NJ ),

(4.28)

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4 Grundlagen der Thermodynamik und W¨ arme¨ ubertragung

weshalb der Zustand eines einphasigen, offenen Mehrkomponentensystems durch eine Hyperfl¨ache mit den J +2 Koordinaten p, T , Nj , j = 1, . . . , J beschrieben wird. Diese kann f¨ ur reale Mehrkomponentensysteme nur experimentell bestimmt werden.

dWmech

dQ

dU

dNj

Abb. 4.5: Beispiel f¨ ur ein einphasiges, offenes System. Der Stoffaustausch soll f¨ ur jede Komponente getrennt durch eine entsprechende permeable Membran erfolgen.

Bei geschlossenen Systemen ist gem¨ aß Definition die Gesamtmasse des Systems eine Erhaltungsgr¨ oße und bleibt damit stets erhalten. Bei offenen Systemen muss somit die Zu– bzw. Abnahme der Gesamtmasse − des System identisch zu der Differenz aus zu– und abgef¨ uhrten Massen dm+ j bzw. dmj sein. Damit gilt ¨ f¨ ur die Anderung dm der Gesamtmasse eines offenen Systems dm =

J X j=1

dmj =

J X

− dm+ j − dmj



(4.29)

j=1

Diese Bilanzgleichung wird auch als Massenbilanz bezeichnet und wird in dem Folgenden Abschnitten − ¨ eine essentielle Gleichung bilden. Werden die Anderungen dm, dm+ j und dmj auf ein entsprechendes Zeitintervall dt bezogen, dann folgt aus (4.29) die differenzielle Form der Massenbilanz eines offenen Systems J

J

X X  dm m ˙j= m ˙+ ˙− = j −m j , dt j=1 j=1

(4.30)

¨ welche die zeitliche Anderung der Gesamtmasse m beschreibt. ¨ Wie in Abbildung 4.5 beispielhaft dargestellt ist, erfolgt die Anderung der inneren Energie dU durch die mechanische Arbeit dWmech bzw. allgemein durch die Arbeit dW , die W¨arme dQ und die Stoff¨anderung ¨ jeder Komponente dNj , j = 1, . . . , J. Damit gilt in allgemeiner Form f¨ ur die Anderung dU der inneren Energie eines offenen Systems dU = dW + dQ +

J X j=1

 dmj

 (vj )2 uj + + gzj . 2

(4.31)

Die letzte Term beschreibt dabei die mit der Masse transportierte innere Energie (Anteil dmj uj ), kinetische Energie (Anteil dmj (vj )2 /2 mit mittlerer Str¨omungsgeschwindigkeit vj ) und potenzielle Energie (Anteil dmj gzj ). Oftmals wird die mit der Masse transportierte Energie in zwei Anteile zerlegt, dem der zugef¨ uhrten und dem der abgef¨ uhrten Massen. Zur Verschiebung eines Massenelements dmj gegen den im System herrschenden Druck p muss Arbeit verrichtet werden und das Medium im System wird durch das von dmj eingenommene Volumen dVj komprimiert. Die erforderliche Verschiebearbeit lautet

4.1 Thermodynamische Grundlagen

71

somit pdVj = pνj dmj (entsprechend wird dieser Anteil frei, wenn das Massenelement das System u ¨ber die Systemgrenze verl¨ asst). Wird dieser Anteil der Arbeit dW zugerechnet, d.h. gilt dW = dWtech +

J X

pνj dmj

(4.32)

j=1

mit dWtech der so genannten technischen Arbeit, dann f¨ uhrt die Auswertung von (4.31) auf dU = dWtech + dQ +

J X

  (vj )2 + gzj . dmj uj + pνj + 2 j=1

(4.33)

Da die spezifische innere Energie uj , das spezifische Volumen νj und der Druck Zustandsgr¨oßen sind, ist auch uj + pνj eine Zustandsgr¨ oße. Diese wird spezifische Enthalpie genannt h = u + pν

bzw.

hj = uj + pνj .

(4.34)

Damit ergibt sich der 1. Hauptsatz f¨ ur offene Systeme aus (4.33) und (4.34) in der Form dU = dWtech + dQ +

J X

 dmj

j=1

 (vj )2 hj + + gzj . 2

(4.35)

¨ Werden die Anderungen auf ein entsprechendes Zeitintervall dt bezogen f¨ uhren (4.33) bzw. (4.35) auf     J J X X (vj )2 (vj )2 dU ˙ ˙ m ˙ j uj + =P+Q+ + gzj = Ptech + Q + m ˙ j hj + + gzj , dt 2 2 j=1 j=1

(4.36)

wobei in Anwendungen zwischen zugef¨ uhrten und abgef¨ uhrten Beitr¨agen unterschieden werden muss (vgl. (4.8) oder (4.30)). Die spezifische Enthalpie einer fluiden Phase ist eine intensive Zustandsgr¨oße und damit nach dem 1. Erfahrungssatz als Funktion zweier unabh¨angiger Zustandsgr¨oßen darstellbar. Werden hierzu T und p gew¨ ahlt, dann bezeichnet man das Materialgesetz h = h(T, p)

(4.37)

ebenfalls als kalorische Zustandsgleichung. Im totalen Differenzial ∂ h ∂ h dh = dT + dp ∂T p ∂p T

(4.38)

wird der Term ∂ h cp (T, p) = ∂T p

(4.39)

als spezifische isobare W¨ armekapazit¨ at bezeichnet. Mit diesem Zusammenhang k¨onnen unter der Annahme dp ≈ 0 oder vernachl¨ assigbar kleinem ∂∂ph |T die Differenz der spezifischen Enthalpie zwischen Zust¨anden verschiedener Temperatur T1 bzw. T2 und identischem Druck durch Integration bestimmt werden, d.h. Z

T2

h(T2 , p) − h(T1 , p) =

cp (T, p)dT.

(4.40)

T1

Aufgabe 4.4. Durch eine in einen Str¨ omungskanal eingebrachte adiabate Drosselstelle vermindert sich der Druck der mit T1 einstr¨ omenden Luft von p1 auf p2 . Man bestimme die Temperatur der Luft T2 nach ¨ der Drosselstelle bei Vernachl¨ assigung von kinetischer und potenzieller Energie. Welche Anderung tritt

72

4 Grundlagen der Thermodynamik und W¨ arme¨ ubertragung

durch die Ber¨ ucksichtigung der kinetischen Energie auf, wenn die mittlere Geschwindigkeit der Luft vor der Drosselstelle v1 war und die Querschnittsfl¨achen A1 und A2 vor und nach der Drossel identisch sind.

Eine weiterer Zusammenhang ergibt sich entsprechend (4.20) aus der Betrachtung des totalen Differenzials f¨ ur das betrachtete offene System. Hierbei gilt dU =

J X ∂ U ∂ U ∂ U dS + dV + dNj . ∂S V,N ∂V S,N ∂Nj S,V,Nk6=j j=1

Mit dem so genannten chemischen Potenzial ∂ U µj = ∂Nj S,V,Nk6=j f¨ uhrt dies unter Ber¨ ucksichtigunng von (4.21) auf die Gibbssche Fundamentalgleichung

(4.41)

4.1 Thermodynamische Grundlagen

dU = T dS − pdV +

J X

73

µj dNj ,

(4.42)

j=1

welche eine der zentralen Beziehungen der Thermodynamik von Mischungen darstellt. Entsprechend ¨ ¨ (4.42) sind f¨ ur eine Anderung der inneren Energie U Anderungen von S, V und Nj entscheidend mit • T als treibendes Potenzial f¨ ur den W¨ armetransport entlang der Koordinate S, • p als treibendem Potenzial f¨ ur die mechanische Arbeit entlang der Koordinate V und • µj als treibendem Potenzial f¨ ur den Stofftransport der Komponente j entlang der Koordinate Nj . Wird (4.42) u ¨ber das betrachtete Volumen V integriert, so ergibt sich Z

Z dU = T

U

Z dS − p

S

dV + V

J X

Z µj

dNj , Nj

j=1

bzw.

U = T S − pV +

J X

µj Nj .

(4.43)

j=1

Hieraus kann wiederum durch vollst¨ andige Differenziation der folgende Zusammenhang dU = T dS + SdT − pdV − V dp +

J X

µj dNj + Nj dµj



j=1

gewonnen werden. Subtraktion von (4.42) ergibt die so genannte Gibbs–Duhem Gleichung 0 = SdT − V dp +

J X

Nj dµj ,

(4.44)

j=1

¨ die eine Zwangsbedingung f¨ ur die Anderung der intensiven Zustandsgr¨oßen in der Form darstellt, dass T , p und µj , j = 1, . . . , J nicht unabh¨ angig voneinander ver¨andert werden k¨onnen. Hieraus kann eine weitere Fundamentalgleichung abgeleitet werden, die auf der Definition der so genannten freien Enthalpie G [kJ] nach Gibbs in der Form G = H − T S = U + pV − T S

(4.45)

basiert. Aus der Bildung des totalen Differenzials folgt daraus unter Ber¨ ucksichtigung von (4.42) die alternative Fundamentalgleichung dG = −SdT + V dp +

J X

µj dNj .

(4.46)

j=1

Diese ist der Gibbschen Fundamentalgleichung (4.42) vollkommen gleichwertig und beschreibt analog den Gleichgewichtszustand eines Systems als Hyperfl¨ache im Zustandsraum. Die große Bedeutung der freien Enthalpie liegt darin, dass die Darstellung direkt in den nat¨ urlichen Koordinaten der meßbaren intensiven Zustandsgr¨ oßen p und T sowie den chemischen Potenzialen µj , j = 1, . . . , J erfolgt.

74

4 Grundlagen der Thermodynamik und W¨ arme¨ ubertragung

4.1.3 Thermodynamisches Gleichgewicht

Zur Einf¨ uhrung des Gleichgewichtsbegriffs in der Thermodynamik wird die in Abbbildung 4.6 dargestellte Konfiguration zweier nach außen abgeschlossener Teilsysteme betrachtet, die durch einen f¨ ur die Komponente k ∈ {1, . . . , J} permeablen Kolben voneinander getrennt sind. L¨asst man nur W¨armeaustauch

1

2

k

T 1 , p1 , µ1k

T 2 , p2 , µ2k

Abb. 4.6: Zum thermodynamischen Gleichgewicht.

zu (Kolben fixiert, nicht permeabel), so gilt im thermischen Gleichgewicht, dass sich aufgrund von W¨ armeleitung u ¨ber den Kolben die beiden Temperaturen der Teilsysteme angleichen, d.h. es gilt T 1 = T 2.

(4.47)

Wird nur mechanische Energie u ¨ber einen verschiebbaren, ideal isolierten und nicht permeablen Kolben ausgetauscht, dann stellt sich aufgrund des Druckausgleichs mechanisches Gleichgewicht ein, d.h. es gilt p1 = p2 .

(4.48)

Falls der Kolben fixiert ist, jedoch ideal isoliert und nur eine f¨ ur die Komponente k permeable Membran besitzt, so stellt sich bez¨ uglich dieser Komponente chemisches Gleichgewicht ein, d.h. es gilt µ1k = µ2k .

(4.49)

Diese Ergebnisse decken sich mit der bereits diskutierten Deutung der Temperatur als treibendem Potenzial f¨ ur den W¨ armetransport, dem Druck als treibendem Potenzial f¨ ur die mechanische Arbeit und dem chemischen Potenzial als treibendem Potenzial f¨ ur den Stofftransport.

4.1.4 Thermodynamische Eigenschaften von Fluiden

Die eigentliche Auswertung der eingef¨ uhrten thermodynamischen Beziehungen bedingt die Kenntnis der thermodynamischen Eigenschaften der Stoffe, d.h. des spezifischen Volumens bzw. der Dichte, der inneren Energie, der Enthalpie und der Entropie f¨ ur gegebene Werte des Drucks p und der Temperatur T . Die entsprechenden Zusammenh¨ ange sind durch die thermischen und kalorischen Zustandsgleichungen sowie durch die Fundamentalgleichungen gegeben. Diese k¨onnen auch als Materialgesetze, beispielsweise in der Form ρ = ρ(p, T )

bzw.

ν = ν(p, T )

(4.50)

interpretiert werden, welche f¨ ur viele Fluide in umfangreichen Messreihen experimentell bestimmt wurden. Der Zusammenhang (4.50) wird graphisch im so genannten (p, T, ν)–Diagramm dargestellt. Dessen Informationsgehalt ist signifikant und umfasst u.a. die Charakterisierung des Aggregatzustands sowie das

4.1 Thermodynamische Grundlagen

4.1 Die thermischen Zustandsgr¨ oßen

179

75

Abb. 4.7: (p, T, ν)–Diagramm f¨ ur einen Reinstoff (CO2 ). Das spezifische Volumen ν ist logarithmisch aufgetragen [2, S. 179].

Abb. 4.1. p, v, T -Fl¨ ache eines reinen Stoffes, maßst¨ ablich gezeichnet f¨ ur CO2 . Man beachte, daß das spezifische Volumen v logarithmisch aufgetragen ist

Auftreten von mehren Phasen, wie das Naßdampfgebiet (Gleichgewicht Gas–Fl¨ ussigkeit), das Schmelzgebiet (Gleichgewicht Festk¨ orper–Fl¨ ussigkeit) und das Sublimationsgebiet (Gleichgewicht Festk¨orper– Flussigkeit und dem mit ihr im Gleichgewicht stehenden Gas nennt man nasGas). Des¨Weiteren sind Siedelinie, Erstarrungslinie und Schelzlinie dargestellt. Abbildung 4.7 zeigt ein sen Dampf.f¨uEin GasCO in 2einem Zustand auf der Neben Taulinie hrtT,die Bezeichnung ¨(p, (p, T, ν)–Diagramm r reines (Auszug aus [2, S. 179]). demfu ν)–Diagramm werden zuges¨ attigterProjektionen Dampf. der (p, T, ν)–Fl¨ache auf die (p, T )–Ebene oder die (p, ν)–Ebene f¨ur die dem verschiedene Analyse herangezogen. Fu orper bei sehr niedrigem Druck, z.B. ausge¨hrt man einem festen K¨

henddesvom G in Abb. W¨ aBegriffe rme zu, erreicht er im Punkt H die InsAnhand (p, T,Punkt ν)–Diagramms sind4.1, zudem dersoProzessf¨ uhrung leicht zu illustrieren. als werden Sublimationslinie bezeichnete er eine nicht schmilzt, besondere thermodynamische ProzesseGrenzkurve, oft so gef¨ uhrt,wo dass oder mehrere sondern Zustandsgr¨oßen ¨ von von der festen Phase in die Gasphase konstant gehalten werden. Man spricht dabei verdampft. Diesen direkten Ubergang ¨ bezeichnet man als Sublimation. Den ru aufigen Prozeß des Ubergangs von ¨ckl¨

• einem Prozess, derPhase Druck kann p konstant wird, d.h. dp =bezeichnen; 0, derisobaren Gasphase zur wenn festen mangehalten als Desublimation er • einem isothermen Prozess, wenn die Temperatur T konstant gehalten wird, d.h. dT = 0 und • einem isochoren Prozess, wenn das spezifische Volumen ν konstant gehalten wird, d.h. dν = 0.

76

4 Grundlagen der Thermodynamik und W¨ arme¨ ubertragung

In Abbildung 4.7 stellt beispielsweise der Pfad A–B eine isobare Zustands¨anderung dar. Der Pfad B–C entspricht einer isothermen Zustands¨ anderung. Entlang des Pfads beginnend beim Punkt νk durch den Punkt K erfolgt eine isochore Zustands¨ anderung. F¨ ur die Zustands¨anderung L–M tritt ein interessanter ¨ Effekt auf, da hier beim Ubergang von der Fl¨ ussigkeit in die Gasphase das Naßdampfgebiet nicht durchlaufen wird, d.h. es wird keine Verdampfung beobachtet. Umgekehrt gelangt man entlang dieses Pfades vom Gasgebiet zur Fl¨ ussigkeit ohne eine Kondensation zu beobachten [2]. Die bereits eingef¨ uhrten Begriffe eines adiabaten Prozesses (kein Austausch von W¨arme zwischen System und Umgebung, d.h. dQ = 0) und eines reversiblen Prozesses (gem¨aß 2. Hauptsatz bleibt Entropie konstant, d.h. ds = 0) werden durch weitere Arten der Prozessf¨ uhrung erg¨anzt. Ein adiabater, reversibler Prozess wird isentropischer Prozess genannt. Der Begriff eines polytopen Prozess beschreibt den Fall, dass die Zustands¨ anderung bei konstanter spezifischer W¨armekapazit¨at erfolgt. Diese Art der Prozessf¨ uhrung ist insbesondere in der Pneumatik und der Hydraulik von Bedeutung. Anmerkung 4.1. Es sei bemerkt, dass die Ausf¨ uhrungen dieses Abschnitts nur f¨ ur Reinstoffe g¨ ultig sind und im Fall eines Mehrkomponentensystems entsprechende Modifikationen zur Ber¨ ucksichtigung der Anteile der einzelnen Komponenten notwendig sind. F¨ ur die entsprechenden Ausf¨ uhrungen wird auf die am Kapitelende angegebene Literatur verwiesen.

4.1.4.1 Thermische Zustandsgleichung Zustandsgleichung in der Form p = p(T, ν)

Die Gleichung (4.50) bzw. deren Darstellung als thermische (4.51)

ist im Allgemeinen eine komplizierte Funktion, wie dies Abbildung 4.7 verdeutlicht. Somit ist es naheliegend verschiedene Vereinfachungen einzuf¨ uhren, die beispielsweise im Fall eines Gases auf das f¨ ur kleine Dr¨ ucke bzw. kleinen Dichten g¨ ultige ideale Gasgesetz f¨ uhren. Vorab sei jedoch bemerkt, dass es Gleichung (4.51) erm¨ oglicht experimentell bestimmbare Kenngr¨oßen zu ermitteln. Umformung von (4.51) in ν = ν(p, T ) f¨ uhrt auf den isobaren W¨ armeausdehnungskoeffizient 1 ∂ ρ 1 ∂ ν β=− = , (4.52) ρ ∂T p ν ∂T p das isotherme Kompressionsmodul 1 ∂ ρ 1 ∂ ν κ= =− ρ ∂p T ν ∂p T und den isochoren Druckkoeffizient 1 ∂ p γ= . p ∂T ν

(4.53)

(4.54)

In guter N¨ aherung kann damit beispielsweise f¨ ur inkompressible Medien bzw. Fl¨ ussigkeiten bei niedrigen Dr¨ ucken und nicht zu großer Temperatur die folgende Beziehung   ν = ν 0 1 + β(T − T 0 ) − κ(p − p0 ) (4.55) f¨ ur das spezifische Volumen ν in Abh¨ angigkeit der Temperatur T und des Drucks p angeben werden [2]. Dabei bezeichnet ν 0 das spezifische Volumen bei der Bezugstemperatur T 0 und dem Bezugsdruck ρ0 . Werte von β und κ sind z.B. der Landoldt–B¨ornstein Datenbank [5] zu entnehmen. Aufgabe 4.5 (Drucksteigerung bei Erw¨ armung [2]). Ein Beh¨alter mit konstantem Volumen V enth¨ alt fl¨ ussiges Benzol mit der Temperatur T 0 = 293.15 K beim Druck p0 = 1 bar. Die Fl¨ ussigkeit wird volumenkonstant auf T = 303.15 K erw¨armt. Bestimmen Sie den bei der Erw¨armung auftreten-

4.1 Thermodynamische Grundlagen

77

den Druckanstieg. Nehmen Sie dabei f¨ ur den isobaren W¨armeausdehnungskoeffizient und das isotherme Kompressionsmodul die Werte β = 1.23 × 10−3 1/K und κ = 9.5 × 10−5 1/bar an. L¨ osung. Mit (4.55) folgt f¨ ur ν(p, T ) = ν(p0 , T 0 ) = ν 0 (Volumenkonstanz) der Wert p = p0 +

β(T − T 0 ) = 12.947 bar. κ

Bei einer volumenkonstanten Erw¨ armung einer Fl¨ ussigkeit steigt der Druck sehr stark an, was insbesondere bei der Lagerung und dem Transport in Druckbeh¨altern zu beachten ist. Mit der Beziehung (4.27) zwischen kalorischer und thermischer Zustandsgleichung, d.h.     ∂ u ∂ p ∂ p du = dT + T − p dν = c dT + T − p dν, ν ∂T ν ∂T ν ∂T ν folgt unter Einbezug von (4.54) die Darstellung du = cν dT + p(T γ − 1)dν.

(4.56)

Hieraus kann zudem aus (4.38) mit (4.39), d.h. ∂ h ∂ h ∂ h dT + dp = cp dT + dp, dh = ∂T p ∂p T ∂p T und gem¨ aß (4.34) dem Zusammenhang h = u + pν bzw. dh = du + pdν + νdp die Beziehung dh = cp dT + ν(1 − T β)dp

(4.57)

abgeleitet werden. Das Vorgehen entspricht im Wesentlichen dem zur Ermittlung von (4.27) unter Ber¨ ucksichtigung der Definition (4.52).

4.1.4.2 Stoffmodell des idealen Gases pV = mRT

bzw.

Das ideale Gasgesetz

pν = RT

(4.58)

mit der individuellen bzw. spezifischen Gaskonstanten R stellt ein Modell zur Beschreibung des Zustandsverhaltens von Gasen bei niedrigen Dr¨ ucken (typischerweise p ≤ 5 bar) und geringen Dichten dar. Reale Gase erf¨ ullen (4.58) nur f¨ ur p → 0 [2, 1]. Damit ergeben sich aus (4.27) f¨ ur die spezifische innere Energie du = cν (T )dT

(4.59)

und aus (4.57) f¨ ur die spezifische Enthalphie dh = cp (T )dT.

(4.60)

Die innere Energie und die Enthalphie eines idealen Gases h¨angen somit nur von der Temperatur ab. Wegen h = u + pν folgt zudem aus Z

T 0

Z

T

cp (T )dT + h = T0

T0

cν (T )dT + u0 + pν

78

4 Grundlagen der Thermodynamik und W¨ arme¨ ubertragung

mit pν = RT der Zusammenhang Z

T

cp (T )dT + h0 =

Z

T

cν (T )dT + u0 + RT

T0

T0

bzw. nach Differenziation bez¨ uglich T die Beziehung R = cp (T ) − cν (T )

(4.61)

zwischen spezifischer Gaskonstante R, spezifischer isochorer W¨armekapazit¨at cν und spezifischer isobarer W¨ armekapazit¨ at. Aufgabe 4.6. In einem Lufterhitzer soll ein Volumenstrom V˙ n = 1000 m3 /h im Normzustand (bezogen auf Tn = 0 ◦ C) von T 0 = 25 ◦ C auf T = 950 ◦ C erhitzt werden. F¨ ur die Luft ist das ideale Gasgesetz ¨ der kinetischen Energie sind zu vernachl¨assigen. Der Druck sei konstant anzunehmen und Anderungen ˙ der dem Luftstrom zuzuf¨ mit p = 1.01325 bar. Bestimmen Sie den W¨armestrom Q, uhren ist. L¨ osung. Mit dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik (4.33) folgt U˙ = Q˙ + m ˙ + h(T + ) − m ˙ − h(T − ) mit m ˙ + bzw. m ˙ − dem ein– bzw. austretenden Massenstrom und h(T + ) bzw. h(T − ) der spezifischen Enthalphie des ein– bzw. austretenden Fluids. Die Massenbilanz (4.29) f¨ uhrt zudem auf m ˙+=m ˙−=m ˙, da sich die im Erhitzer gespeicherte Luftmasse nicht ¨andert. Der Prozess kann somit als so genannter station¨ arer Fließprozess angesehen werden (siehe [2]), weshalb die innere Energie konstant ist. Damit gilt     Q˙ = m ˙ h(T − ) − h(T + ) = m ˙ h(T ) − h(T 0 ) . Der Massenstrom kann aus dem idealen Gasgesetz (4.58) ermittelt werden, d.h. m ˙ =

pV˙ n RTn

mit R = R/M mit R = 8.314 kJ/(kmolK) und der molaren Masse von Luft M = 28.965 kg/kmol. Zudem gilt Z

T

cp (T )dT + h0

h(T ) = T0

mit h0 = h(T 0 ). Dies f¨ uhrt auf pM V˙ n Q˙ = RTn

Z

T

cp (T )dT ≈ T0

 pM V˙ n  c¯p (T )T − c¯p (T 0 )T 0 RTn

mit c¯p (T ) der mittleren spezifischen W¨ armekapazit¨ at c¯p (T ) =

1 T

Z

T

cp (r)dr.

(4.62)

0

Mit den Werten c¯p (950 ◦ C) = 1.0862 kJ/(kgK) und c¯p (25 ◦ C) = 1.0042 kJ/(kgK) aus [2, Tabelle 10.9] folgt somit 1000   1.01325 × 28.965 × 3600 Q˙ = 1.0862 × 1223.15 − 1.0042 × 298.15 = 361.42 kW. 0.08314 × 273.15

4.1 Thermodynamische Grundlagen

79

Aufgabe 4.7 ([1]). Dem K¨ uhlgut eines K¨ uhlschranks werden aus dem umgebenden Raum Q˙ KG = 40 W zugef¨ uhrt. Die elektrische Leistung zum Antrieb des K¨ uhlaggregats betr¨agt Pel = 100 W. Es wird angenommen, dass die elektrische Leistung vollst¨andig in Kompressionsleistung des Aggregats umgesetzt wird. (i) Welchen W¨ armestrom Q˙ KU gibt der K¨ uhlschrank im station¨aren Betrieb an die Umgebung ab? (ii) Wie w¨ urde sich die Temperatur der Raumluft TL in einer Stunde ¨andern, wenn der Raum vollst¨andig isoliert und luftdicht nach außen abgeschlossen w¨are? Gehen Sie dabei von den folgenden Gr¨oßen aus: Raumvolumen VL = 35 m3 , Dichte der Luft ρL = 1.2 kg/m3 , spezifische W¨armekapazit¨at der Luft cp,L = 1.008 kJ/(kgK). L¨ osung. Die Teilaufgaben sind wie folgt zu l¨osen.

Abb. 4.8: Schematische Darstellung der Funktionsweise eines K¨ uhlschrankes.

(i) Im station¨ aren Fall gilt f¨ ur das System K¨ uhlschrank Q˙ KG + Pel + Q˙ KU = 0 bzw. Q˙ KU = −(Q˙ KG + Pel ) = −140 W. (ii) Mit dem 1. Hauptsatz (4.8) f¨ ur einphasige, geschlossene Systeme gilt dU = Q˙ + − Q˙ − = −Q˙ KU − Q˙ KG = Pel . dt Wegen dU = mL du = ρL VL du und (4.59) bzw. du = cν,L dT = (cp,L − RL )dT mit RL = R/ML = 0.287 kJ/(kgK) f¨ uhrt dies auf ρL VL cν,L

dT = Pel dt

80

4 Grundlagen der Thermodynamik und W¨ arme¨ ubertragung

bzw. 3600 sec

Pel Pel dt = ∆t ρ V c ρ V L L ν,L L L cν,L 0 100 W = × 3600 sec = 11.88 K. 1.2 kg/m3 × 35 m3 × 0.721 kJ/(kgK) Z

∆T = T − T0 =

4.1.4.3 Stoffmodell des inkompressiblen Fluids Ein inkompressibles Fluid ist dadurch gekennzeichnet, dass Dichte bzw. spezifisches Volumen konstant sind. Die thermische Zustandsgleichung (4.50) reduziert sich somit auf ν(p, T ) = ν 0 = konstant.

(4.63)

Dieses Stoffmodell trifft in einem gewissen Druck– und Temperaturbereich auch auf Fl¨ ussigkeiten zu und findet Anwendung insbesondere in der Str¨ omungslehre und der W¨arme¨ ubertragung. Damit reduziert sich ∂ν |p = 0 auf (4.57) wegen ∂T dh = cp dT + ν 0 dp

(4.64)

Aufgrund der linearen Unabh¨ angigkeit von dT und dp gelten die Beziehungen ∂ h ∂ h = cp , = ν0. ∂T p ∂p T Damit folgt (Integrabilit¨ atsbedingung f¨ ur totales Differenzial)     ∂ cp ∂ ν 0 ∂ ∂ h ∂ ∂ h = = = ∂p ∂T p T ∂p T ∂T p ∂T ∂p T p bzw. mit (4.63), dass ∂ cp ∂ ν 0 = = 0. ∂p T ∂T p Dies zeigt, dass die spezifische isobare W¨armekapazit¨at eines inkompressiblen Fluids nur von der Temperatur abh¨angt, d.h. es gilt cp = cp (T ). Integration von (4.64) f¨ uhrt somit auf h(p, T ) = h(p0 , T 0 ) +

Z

T

cp (r)dr + ν 0 (p − p0 )

(4.65)

T0

mit der Bezugstemperatur T 0 und dem Bezugsdruck p0 . Wegen u = h − pν liefert dies die spezifische innere Energie eines inkompressiblen Fluids 0

0

Z

T

u = h(p , T ) +

cp (r)dr − ν 0 p0 ,

(4.66)

T0

die offensichtlich nur eine Funktion der Temperatur T ist. Mit (4.14) ergibt sich die spezifische isochore W¨ armekapazit¨ at zu ∂ u cν (T ) = = cp (T ). (4.67) ∂T ν F¨ ur ein inkompressibles Fluid stimmen die spezifische isochore und isobare W¨armekapazit¨at u ¨berein.

4.2 W¨ arme¨ ubertragung

81

4.1.4.4 Stoffmodell f¨ ur Fl¨ ussigkeiten Unter der Annahme, dass der isobare W¨armeausdehnungskoeffizient β als auch das isotherme Kompressionsmodul κ konstant sind, kann aus (4.52), (4.53) die folgende Beziehung 0

ρ(p, T ) = ρ0 e−β(T −T ) eκ(p−p

0

)

(4.68)

abgeleitet werden. Hierbei ist ρ0 die Dichte bei Bezugstemperatur T 0 und Bezugsdruck p0 . Dabei ist zu beachten, dass dieses Stoffmodell nur f¨ ur einen eingeschr¨ankten Temperatur– und Druckbereich g¨ ultig ist. Wenn die Temperatur soweit ansteigt, dass Verdampfen eintritt oder wenn der Druck unter den Dampfdruck abf¨ allt, dann sind die Annahmen eines konstanten W¨armeausdehnungskoeffizienten und Kompressionsmoduls nicht mehr erf¨ ullt. Eine alternative Darstellung von (4.68) kann durch Aufl¨osen nach p gewonnen werden. Dies f¨ uhrt auf   0  ν 1 β(T − T 0 ) + ln . (4.69) p(ν, T ) = p0 + κ ν Hieraus kann beispielsweise mit der Beziehung (4.27) der folgende Ausdruck f¨ ur die spezifische innere Energie ermittelt werden  0 ν Z T (ν − ν 0 )(βT 0 − κp0 − 1) − ν ln ν 0 0 cν (r)dr + . (4.70) u = u(p , T ) + κ T0

4.2 W¨ armeu ¨ bertragung In diesem Abschnitt werden Grundlagen zur Modellierung von W¨arem¨ ubertragungsprozessen zusammengefasst und anhand technischer Beispiele erl¨autert. In der Thermodynamik wird Energie, welche die Systemgrenze u arme bezeichnet, wenn der Energietransport rein durch eine Tem¨berschreitet, als W¨ peraturdifferenz zwischen System und Umgebung hervorgerufen wird [6, 7]. Temperatur, als intensive Zustandsgr¨ oße, ist dabei als ein Maß f¨ ur die mittlere kinetische Energie zufolge der ungeordneten mikroskopischen Bewegung der Atome und Molek¨ ule eines Stoffes. Somit ist sie unabh¨angig von makroskopischen Bewegungen des betrachteten K¨orpers. Gem¨aß dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik (4.18) wird die Energie bei einem W¨ arme¨ ubertragunsprozess immer vom Ort h¨oherer Temperatur zum Ort geringerer Temperatur u ¨bertragen. Thermodynamisches Gleichgewicht stellt sich somit dann ein, wenn die Temperaturdifferenzen ausgeglichen sind. Anmerkung 4.2. Im Gegensatz zur Thermodynamik, die mit Phasen operiert, ist die W¨ arme¨ ubertragung eine Kontinuumstheorie, die sich mit r¨aumlich ausgedehnten Feldern besch¨aftigt [6, 7]. Damit ergibt sich ein gewisser Widerspruch, da man in der W¨arme¨ ubertragung auch von einem W¨ armestrom innerhalb eines K¨ orpers spricht und nicht nur den Energieaustausch u ¨ber eine Systemgrenze im Sinn der Thermodynamik betrachtet. Dieser Widerspruch l¨ost sich dadurch auf, dass im Rahmen der Kontinuumstheorie der K¨ orper als aus infinitesimalen Volumen– bzw. Massenelemente zusammengesetzt angesehen wird, die wiederum als Systeme mit entsprechender Systemgrenze betrachtet werden. Generell kann W¨ arme auf drei Arten u ¨bertragen werden [7, 8]: • Die W¨ armeleitung beschreibt den Energietransport zwischen benachbarten Molek¨ ulen aufgrund eines im Material vorhandenen Temperaturgradienten. W¨armeleitung tritt in Festk¨orpern, Fl¨ ussigkeiten und Gasen auf und erfolgt ohne makroskopischen Materialstrom. • In str¨ omenden Fluiden wird (innere) Energie neben der W¨armeleitung durch die makroskopische Bewegung des Fluids transportiert. Diese Art der Energie¨ ubertragung bezeichnet man als Konvektion bzw. konvektiven W¨ arme¨ ubergang. Man unterscheidet dabei zwischen erzwungener Konvektion und freier Konvektion abh¨ angig davon, ob die Str¨omung durch ¨außere Einwirkung (z.B. mittels Gebl¨ ase,

82

4 Grundlagen der Thermodynamik und W¨ arme¨ ubertragung

Pumpe) oder durch temperaturbedingte lokale Unterschiede der Fluiddichte hervorgerufen wird. Zu¨ dem kann dies durch Ubergange zwischen den Aggregatzustanden begleitet werden, z.B. beim Siede– oder Kondensationsvorg¨ angen. • W¨ armestrahlung bezeichnet den Energietransport bzw. den Energieaustausch durch elektromagnetische Wellen. Emission von Strahlung bedeutet dabei, dass innere Energie des K¨orpers in Energie umgewandelt wird, die durch elektromagnetische Wellen (emittiert) abgegeben wird. Dem gegen¨ uber bezeichnet die Absorption die Aufnahme der transportierten Energie durch Materie, wobei hierbei — mit Ausnahme des so genannten schwarzen Strahlers — immer ein Anteil reflektiert oder durchgelassen wird. Die von einem K¨ orper absorbierte Strahlungsenergie wird in innere Energie des K¨orpers umgewandelt. Zum Strahlungstransport ist keine Materie notwendig und der Transport erfolgt mit Lichtgeschwindigkeit. W¨ armestrahlung kann in Festk¨orpern, Fl¨ ussigkeiten, Gasen und im Vakuum auftreten. Im Weiteren werden prim¨ ar die W¨ arme¨ ubertragung durch W¨armeleitung und Konvektion betrachtet. F¨ ur Ausf¨ uhrungen zur W¨ armestrahlung wird auf die angegebene Literatur verwiesen.

4.2.1 W¨ armeleitung

Im Folgenden wird der in Abbildung 4.9 gezeigte w¨armeleitende K¨orper mit Volumen V betrachtet. Die ¨ außere Normale in dem eingezeichneten Fl¨achenelement dA wird mit n bezeichnet. Um das W¨ armeleitungsproblem zu l¨ osen, ist es notwendig, die Temperaturverteilung bzw. das Temperaturfeld T = T (x, y, z, t) in seiner r¨ aumlichen und zeitlichen Abh¨angigkeit zu bestimmen.

n

dA V

Abb. 4.9: W¨ armeleitender K¨ orpers Fl¨ achennormalen n.

mit

dem

Volumen

V.

Differenzielles

Oberfl¨ achenelement

dA

mit

außerer ¨

¨ Mit dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik f¨ ur offene Systeme (4.31) folgt, dass die zeitliche Anderung der inneren Energie U = U(x, y, z, t) der Summe der zugef¨ uhrten abz¨ uglich der Summe der abgef¨ uhrten W¨ armestr¨ ome entspricht, d.h. dU = Q˙ + P dt

(4.71)

wobei Q˙ den W¨ armestrom und P die (mechanische oder elektrische) Leistung bezeichnen, die dem K¨orper u ber dessen Oberfl¨ ache zugef¨ uhrt werden. F¨ ur den hier betrachteten inkompressiblen K¨orper ergibt sich ¨ f¨ ur die innere Energie Z Z d du dU = ρudV = ρ dV. dt dt V dt V

4.2 W¨ arme¨ ubertragung

83

Anwendung der kalorischen Zustandsgleichung du = cν (T )dT = cp (T )dT (vgl. (4.66), (4.67)) f¨ uhrt auf Z dU ∂T = dV. ρcp (T ) dt ∂t V Der zugef¨ uhrte W¨ armestrom Q˙ ergibt sich aus der Betrachtung des differenziellen Fl¨achenelements dA. Insbesondere gilt f¨ ur den in das Element hineinfließenden W¨armestrom die Beziehung dQ˙ = −q˙ · ndA mit ˙ der W¨ armestromdichte q˙ = q(x, y, z, t). Es ist hierbei zu beachten, dass ein W¨armestrom dann positiv gez¨ ahlt wird, wenn er in den Bereich hineinstr¨omt. In diesem Fall weist der Vektor q˙ in das Innere des K¨ orpers wobei der zugeh¨ orige Normalenvektor n nach außen zeigt, weshalb q˙ · n ≤ 0. Zusammen mit dem negativen Vorzeichen ergibt sich somit, dass dann dQ˙ > 0. Der gesamte W¨armestrom Q˙ kann durch Integration aller differenziellen W¨ armestr¨ome dQ˙ bestimmt werden, d.h. Z Z ˙ ˙ Q=− q˙ · ndA = − ∇ · qdV. (4.72) A

V

Hierbei wurde f¨ ur die zweite Identit¨ at der Gaußsche Integralsatz verwendet. Die dem K¨ orper zugef¨ uhrte Leistung P = P(x, y, z, t) setzt sich aus einem Anteil PV zusammen, der eine Volumen¨ anderung bewirkt, sowie einem Anteil der im Inneren des Bereichs dissipierten Leistung Pdiss . F¨ ur den hier betrachteten inkompressiblen K¨orper gilt PV = 0. Zur dissipierten Leistung Pdiss z¨ ahlt beispielsweise die so genannte Joulesche W¨arme die in elektrisch leitf¨ahigen Medien aufgrund deren elektrischen Widerstandes dissipiert wird. Diese kann in der Form Pdiss = %e kJ k22

(4.73)

angegeben werden, wobei %e = %e (x, y, z, t) den spezifischen Ohmschen Widerstand des Materials und J = J (x, y, z, t) die lokale Stromdichte angibt. Nachfolgend werden die irreversiblen Energieumwandlungen im Innern des K¨ orpers generisch durch den Ansatz Z P = Pdiss = ωdV ˙ V

beschrieben, wobei ω˙ = ω(x, ˙ y, z, t, T ) die so genannte Leistungsdichte beschreibt. Einsetzen dieser Teilergebnisse in die Energiebilanz (4.71) liefert somit, dass notwendigerweise die Gleichung  Z  ∂T + ∇ · q˙ − ω˙ dV = 0 ρcp (T ) ∂t V erf¨ ullt sein muss. F¨ ur beliebige Bilanzr¨ aume V verschwindet dieses Volumenintegral nur, wenn gilt, dass ρcp (T )

∂T = −∇ · q˙ + ω˙ ∂t

(4.74)

Das Fouriersche Gesetz der W¨ armeleitung besagt, dass die W¨armestromdichte q˙ proportional zum lokalen Temperaturgradienten ist (siehe z.B. [6, 7]), d.h. es gilt q˙ = −Λ∇T.

(4.75)

Hier ist Λ = Λ(x, y, z, T ) eine symmetrische Matrix, die die im allgemeinen orts– und temperaturabh¨ angige W¨ armeleitf¨ ahigkeit in W/(mK) beschreibt. F¨ ur so genannte isotrope Materialien ist die W¨ armeleitf¨ ahigkeit unabh¨ angig von der Raumrichtung, weshalb sich in diesem Fall die Darstellung zu Λ = λ(x, y, z, T )E vereinfacht. F¨ ur homogene Materialien ist Λ unabh¨angig vom Ort. Dar¨ uber hinaus unterscheidet man abh¨ angig von den Richtungseigenschaften zwischen orthotropen bzw. anisotropen Materialien [6]. Damit erh¨ alt man aus (4.74) die Gleichung

84

4 Grundlagen der Thermodynamik und W¨ arme¨ ubertragung

ρcp (T )

∂T = ∇ · (Λ∇T ) + ω, ˙ ∂t

(x, y, z) ∈ V, t > 0.

(4.76)

Diese parabolische partielle Differenzialgleichung wird W¨ armeleitungsgleichung genannt und stellt ein Anfangs–Randwertproblem dar, zu dessen L¨osung noch eine Anfangs– sowie Randbedingungen anzugeben sind. Die Anfangsbedingung wird meist in der Form T (x, y, z, 0) = T0 (x, y, z),

(x, y, z) ∈ V

(4.77)

angegeben. Die m¨ oglichen Randbedingungen werden in 3 Klassen unterteilt. Bei Randbedingungen erster Art (Dirichlet Randbedingungen) ist die Temperatur auf einem Abschnitt der Berandung ∂V des Volumens vorgegeben, d.h. T (x, y, z, t) = TΣ (x, y, z, t),

(x, y, z) ∈ Σ ⊆ ∂V, t ≥ 0.

(4.78)

Bei Randbedingungen zweiter Art (Neumann Randbedingung) ist die W¨armestromdichte in Richtung der Fl¨ achennormalen n am jeweiligen Randabschnitt vorgegeben, d.h. ˙ q(x, y, z, t) · n = −Λ(x, y, z, T )∇T (x, y, z, t) · n = qΣ (x, y, z, t),

(x, y, z) ∈ Σ ⊆ ∂V, t ≥ 0.

(4.79)

˙ Gilt q(x, y, z, t) · n = 0, dann spricht man von einer adiabaten Randbedingung. Bei einer Randbedingung dritter Art (Newton oder Robin Randbedingung) gilt ˙ q(x, y, z, t) · n = −Λ(x, y, z, T )∇T (x, y, z, t) · n   = α(x, y, z) T (x, y, z, t) − TΣ (x, y, z, t) ,

(x, y, z) ∈ Σ ⊆ ∂V, t ≥ 0.

(4.80)

Diese Randbedingung beschreibt beispielsweise die Ber¨ uhrung des K¨orpers mit einem anderen Medium der Temperatur TΣ (x, y, z, t). In kartesischen Koordinaten vereinfacht sich (4.76) unter der Annahme eines isotropen, homogenen Materials mit konstanter W¨ armeleitf¨ ahigkeit zu  2  ∂T ∂ T ∂2T ∂2T ρcp (T ) =λ + + + ω˙ (4.81) ∂t ∂x 2 ∂y 2 ∂z 2 Aufgabe 4.8. Gegen Sie Darstellung von (4.76) in Zylinder– und Kugelkoordinaten unter der Annahme eines isotropen, homogenen Materials mit konstanter W¨armeleitf¨ahigkeit an. L¨ osung. Es gilt in Zylinderkoordinaten     1 ∂ ∂T 1 ∂2T ∂2T ∂T =λ + 2 + + ω(r, ˙ ϕ, z, t, T ) ρcp ∂t r ∂r ∂r r ∂ϕ2 ∂z 2 bzw. in Kugelkoordinaten       2  ∂T 1 ∂ ∂T 1 ∂ ∂T 1 ∂ T ρcp =λ 2 r2 + 2 sin(θ) + 2 2 ∂t r ∂r ∂r r sin(θ) ∂θ ∂θ r sin (θ) ∂ϕ2 + ω(r, ˙ θ, ϕ, t, T ).

(4.82)

(4.83)

Zudem sind die Randbedingungen in entsprechender Art in die jeweiligen Koordinaten zu transformieren. Dabei gelten die Beziehungen x = r cos(ϕ),

y = r sin(ϕ),

z=z

zwischen kartesischen Koordinaten und Zylinderkoordinaten sowie

4.2 W¨ arme¨ ubertragung

x = r sin(θ) cos(ϕ),

85

y = r sin(θ) sin(ϕ),

z = r cos(θ)

zwischen kartesischen Koordinaten und Kugelkoordinaten.

4.2.2 Konvektiver W¨ arme¨ ubergang

Aus technischer Sicht ist insbesondere der konvektive W¨arme¨ ubergang zwischen einem str¨omenden Fluid und einer festen Wand von Interesse. Dies tritt beispielsweise bei W¨arme¨ ubertragern auf, die in vielf¨altigen Anwendungen anzutreffen sind. Der konvektive W¨arme¨ ubergang wird dabei durch die Fluidschicht in Wandn¨ ahe bestimmt, die nach L. Prandtl Grenzschicht genannt wird [7, 9]. In der Grenzschicht ¨andern sich die Str¨ omungsgeschwindigkeit und die Temperatur entsprechend der schematischen Darstellung in Abbildung 4.10 f¨ ur das Beispiel einer umstr¨omten Platte. Dabei streicht Luft mit der Str¨ omungsgeschwindigkeit v∞ und Temperatur T∞ parallel u ¨ber die dargestellte stehende Platte der Temperatur Tp . Transiente Effekte werden hierbei nicht ber¨ ucksichtigt und die Str¨ omung wird als voll ausgebildet angenommen. Die Geschwindigkeit ¨andert sich vom Wert Null an der Plattenoberfl¨ ache (Haftbedingung) u ¨ber eine kurze Distanz innerhalb der Str¨omungsgrenzschicht δ(x) auf dem Maximalwert v∞ in der Kernstr¨ omung. Analog ¨andert sich die Temperatur T (x, y) innerhalb der thermischen Grenzschicht δT (x) von der Plattentemperatur T (x, 0) = Tp zum Wert T∞ in einem gewissen Abstand von der Plattenoberfl¨ ache. Aufgrund des Temperaturunterschieds Tp − T∞ geht W¨arme von der Wand in die str¨ omende Luft u ur Tp < T∞ dreht sich die Richtung des W¨arme¨ ubergangs um). Die ¨ber (f¨ resultierende W¨ armestromdichte an der Wand q˙y (x) ist durch einen komplizierten und im Allgemeinen nur n¨ aherungsweise zu erfassenden Zusammenhang vom Geschwindigkeits– und vom Temperaturfeld im Fluid abh¨ angig. Um dies zu erfassen wird der folgende Zusammenhang q˙y = α(Tp − T∞ )

(4.84)

angesetzt, um den (¨ ortlichen) W¨ arme¨ ubergangskoeffizienten 3 α=

q˙y Tp − T∞

(4.85)

zu definierten. Zur Berechnung des W¨ arme¨ ubergangskoeffizienten wird die unmittelbare Wandn¨ahe mit y → 0 betrachtet. Hier haftet das Fluid und Energie kann nur durch W¨ armeleitung transportiert werden, weshalb sich mit dem Fourierschen Gesetz der W¨armeleitung (4.75) die Beziehung   ∂T (4.86) q˙y = −λ ∂y y=0 ergibt. Hier stellt λ die W¨ armeleitf¨ ahigkeit der Luft bzw. des umstr¨omenden Fluids dar. Dies f¨ uhrt auf   ∂T ∂y y=0 α = −λ , (4.87) Tp − T∞ so dass α durch die Steigung des Temperaturprofils an der Plattenoberfl¨ache und durch die Differenz zwischen Platten– und Lufttemperatur bestimmt ist. Offensichtlich ist zur Auswertung dieses Zusammenhangs die Kenntnis des Temperaturfeldes im Fluid notwendig. Dieses ist jedoch vom Geschwindigkeitsfeld abh¨ angig, weshalb eine analytische Berechnung eine aufwendige L¨osung von str¨omungsmechanischen und thermischen Gleichungen in Abh¨ angigkeit den Materialeigenschaften von Platte und Fluid und der Plattengeometrie und –beschaffenheit erfordert. Dies ist beispielsweise in [7, Kapitel 3] oder [8] zu finden, wobei anzumerken ist, dass eine exakte Berechnung des W¨arme¨ ubergangskoeffizienten nur in wenigen 3

In dieser formalen Definition ist zu beachten, dass sowohl q˙y als auch α unbekannt sind.

86

4 Grundlagen der Thermodynamik und W¨ arme¨ ubertragung Laminare Grenzschicht

¨ Ubergangsbereich

Vollturbulente Grenzschicht

y v∞

v∞

v∞ v(x, y)

δ(x)

xkrit y T∞

T∞

T∞ T (x, y)

δT (x)

Tp

Tp q˙y (x)

Abb. 4.10: Umstr¨ omte Platte: Geschwindigkeits– und Temperaturfeld sowie Str¨ omungsgrenzschicht und thermische Grenzschicht.

F¨ allen m¨ oglich ist, wie beispielsweise im Fall ausgebildeter laminarer Rohrstr¨omung oder der l¨angs angestr¨ omten Platte mit laminarer Grenzschicht [7]. Im Weiteren wird ein anderer, vereinfachter Weg zur Ermittlung von α eingeschlagen, der auf dimensi¨ onslosen Kennzahlen (vgl. Ahnlichkeitstheorie) der Str¨omungsmechanik und W¨armelehre sowie empirisch gefundenen Zusammenh¨ angen beruht.

4.2.2.1 Dimensionslose Kennzahlen Dimensionslose Kennzahlen werden dadurch ermittelt, dass die in den partiellen Differenzialgleichungen f¨ ur das Temperatur– und Geschwindigkeitsfeld auftretenden Variablen durch Division mit einer charakteristischen L¨ange, Temperatur und Geschwindigkeit dimensionslos gemacht werden. Um dies zu illustrieren wird die Beziehung (4.87) herangezogen. Sei l0 eine charakteristische L¨ ange, z.B. der Durchmesser eines von einem Fluid durchstr¨omten Rohres, dann kann mit y+ =

y l0

4.2 W¨ arme¨ ubertragung

87

der dimensionslose Wandabstand definiert werden (vgl. Abbildung 4.10). Sei zudem ∆T 0 eine charakteristische Temperaturdifferenz und T 0 eine entsprechende Bezugstemperatur, z.B. die Wandtemperatur Tp im Fall der u omten Platte, dann kann durch ¨berstr¨ T+ =

T − T0 ∆T 0

eine dimensionslose Temperatur eingef¨ uhrt werden. Damit erh¨alt man aus (4.87) den folgenden Zusammenhang    +   ∂ T + ∆T 0 + T 0 ∂T ∂T  + 0 + ∂ l y ∂y y=0 λ ∂y y + =0 y + =0  =− 0 α = −λ = −λ + + 0 0 Tp − T∞ l Tp − T − T∞ − T Tp − T∞ + mit Tp+ = (Tp − T 0 )/∆T 0 und T∞ = (T∞ − T 0 )/∆T 0 . Damit gilt



∂T + ∂y +



αl0 y + =0 =− . + λ Tp+ − T∞

(4.88)

Da die rechte Seite in dieser Gleichung dimensionslos ist, gilt dies auch notwendigerweise f¨ ur die linke Seite der Gleichung, die die so genannte Nußelt–Zahl definiert, d.h. Nu =

αl0 . λ

(4.89)

Hiermit wird die Ermittlung von α auf die Bestimmung der Nußelt–Zahl Nu zur¨ uckgef¨ uhrt. Letztere kann auf der Basis empirischer und experimentell motivierter Zusammenh¨ange f¨ ur verschiedene Konfigurationen in Abh¨ angigkeit von charakteristischen dimensionslosen Kenngr¨oßen des Geschwindigkeitsfelds, des Temperaturfelds und der Stoffeigenschaften des Fluids berechnet werden. Hierzu z¨ahlt insbesondere die so genannte Reynolds–Zahl Rel0 =

v∞ ρl0 v∞ l 0 = η νkin

(4.90)

mit der Viskosit¨ at η des Fluids bzw. der kinematischen Viskosit¨ at νkin = η/ρ in m2 /s. Die Reynolds–Zahl beschreibt das Verh¨ altnis von Tr¨ agheits– zu Z¨ahigkeitskr¨aften in einer Str¨omung und erlaubt zudem die Unterscheidung, ob eine Str¨ omung laminar oder turbulent ist. Dazu wird die kritische Reynolds–Zahl Rekrit eingef¨ uhrt, die selbst abh¨ angig ist von der konkreten Konfiguration (z.B. Rekrit = 5 × 105 im Fall der parallel angestr¨ omten Platten aus Abbildung 4.10), so dass gilt Re < Rekrit

laminare Str¨ omung

bzw.

Re > Rekrit

turbulente Str¨omung.

(4.91)

Daraus folgt zudem f¨ ur die L¨ ange des laminaren Bereichs (vgl. Abbildung 4.10) xkrit =

νkin Rekrit v∞

Als N¨ aherung f¨ ur die Dicke der Str¨ omungsgrenzschicht im laminaren Bereich kann die Formel 4.64x δ(x) = p , Rex

Rex =

v∞ x νkin

(4.92)

herangezogen werden [7, 8]. Eine weitere dimensionslose Kennzahl ist die so genannte Prandtl–Zahl Pr =

ηcp νkin ρcp = , λ λ

(4.93)

88

4 Grundlagen der Thermodynamik und W¨ arme¨ ubertragung

die eine rein stoffabh¨ angige Gr¨ oße ist und den Impulstransport durch das Geschwindigkeitsfeld ins Verh¨ altnis zur W¨ armeleitung durch das Temperaturfeld setzt. Hierdurch ist leicht einsichtig, dass Pr einen direkten Einfluss auf die Grenzschichtdicke im laminaren Bereich aufweist. Dieser ist durch den Zusammenhang √ 3 (4.94) δ(x) = δT (x) Pr zwischen Str¨ omungsgrenzschicht δ(x) und thermischer Grenzschicht δT (x) gegeben. Prandtl–Zahlen idealer Gase liegen zwischen 0.6 und 0.9, weshalb f¨ ur ideale Gase δ(x) ≈ δT (x) gilt. F¨ ur Fl¨ ussigkeiten ist ¨ Werte von Pr > 1000 auftreten k¨onnen, so dass hier δ(x) > δT (x) gilt. Werte Pr > 1, wobei f¨ ur z¨ ahe Ole Pr  1 treten z.B. bei fl¨ ussigen Metallen auf f¨ ur die sich somit δ(x) < δT (x) ergibt.

4.2.2.2 Parallel angestr¨ omte Platte: Laminarer Bereich F¨ ur die parallel angestr¨omte Platte gem¨ aß Abbildung 4.10 kann im laminaren Bereich in guter N¨aherung die Beziehung Nulam = x

√ p αx 3 = 0.332 Rex Pr λ

(4.95)

ermittelt werden (f¨ ur Details wird z.B. auf [7, Kapitel 3.7] verwiesen). Bei bekannter Reynolds–Zahl Rex und Prandtl–Zahl Pr kann somit auf den W¨arme¨ ubergangskoeffizienten α = α(x) geschlossen werden.

4.2.2.3 Parallel angestr¨ omte Platte: Turbulenter Bereich Wie in Abbildung 4.10 schematisch ¨ illustriert wird stellt die Position x = xkrit den Beginn des Ubergangsbereichs von der laminaren zur turbulenten Str¨ omung dar. Im turbulenten Bereich ist die Bewegung der Fluidteilchen 3–dimensional, instation¨ ar und scheinbar zuf¨ allig bzw. chaotisch. Es bilden sich ungeordnete Wellen und Wirbel, die sich zudem wieder aufl¨ osen k¨ onnen. Die Grenzschichtberandung kann nicht mehr als stetige Linie aufgefasst werden, sondern ist ausgefranst. Gem¨ aß [8] ist damit die Gleichung der Grenzschichtdicke δ(x) = 0.37x Rex

− 51

(4.96)

eher als zeitlicher Mittelwert und nicht als lokaler Wert aufzufassen. F¨ ur die parallel angestr¨omte Platte gem¨ aß Abbildung 4.10 kann im turbulenten Bereich in guter N¨aherung die Beziehung = Nuturb x

4 √ αx 3 = 0.0296 Rex 5 Pr λ

(4.97)

angeben werden, die f¨ ur 0.6 < Pr < 60 und 5 × 105 < Rex < 107 g¨ ultig ist [7].

4.2.2.4 Empirische Gleichungen f¨ ur den W¨ armetransport an u omten K¨ orpern W¨ah¨ berstr¨ rend f¨ ur einfache F¨ alle exakte L¨ osungen der Grenzschichtgleichungen die Berechnung des W¨arme¨ ubergangskoeffizienten erm¨ oglichen ist dies in allgemeineren F¨allen, ggf. mit Abl¨osung der Str¨omung, nicht mehr m¨ oglich, so dass W¨ arme¨ ubergangskoeffizienten in Versuchen zu bestimmen sind. Dies wurde f¨ ur verschiedene Konfigurationen durchgef¨ uhrt, deren Ergebnis typischerweise in der Form Nu = f (Re, Pr) dargestellt wird. Nachfolgend werden diese Beziehungen f¨ ur einige ausgew¨ahlte F¨alle zusammengefasst. Dabei wird zudem von der mittleren Nußelt–Zahl Nu =

 αl0 = Nu Rel0 , Pr λ

(4.98)

mit dem mittleren W¨ arme¨ ubergangskoeffizienten α und der charakteristischen L¨ange l0 Gebrauch gemacht. Einige Korrelationen sind in Tabelle 4.1 zusammengefasst [7, 8].

4.2 W¨ arme¨ ubertragung

89

L¨ angsangestr¨ omte ebene Platte (von Vorderkante an beheizt oder gek¨ uhlt) Korrelationen 1p Rex Pr, π √ p 3 Nux = 0.332 Rex Pr,

Pr → ∞, laminar

Nux =

0.5 ≤ Pr ≤ 1000 Rex ≤ 5 × 105

v∞ , T∞ Tp

Nux = 0.339

p

√ 3 Rex Pr,

Pr → ∞ Rex ≤ 5 × 105

Nu = 0.664

p

√ 3 Rex Pr,

0.5 ≤ Pr ≤ 1000 Rex ≤ 5 × 105

x L

Nu =

0.037Re0.8 Pr 1 + 2.443Re

−0.1

2 3

(Pr − 1)

,

0.6 ≤ Pr ≤ 2000 5 × 105 < Re < 107

L¨ angsangestr¨ omte ebene Platte (von x0 an beheizt oder gek¨ uhlt) Korrelation

v∞ , T∞ Tp

Nux =

x0

√ p 0.332 Rex 3 Pr q 3 , 3 x0 4 1− x

0.5 ≤ Pr ≤ 1000, Rex ≤ 5 × 105

L

Querangestr¨ omter Zylinder Es gilt die Korrelation q 2 2 Nu = 0.3 + Nulam + Nuturb

Tp v∞ , T∞

mit √ √ 3 Nulam = 0.664 Re Pr Nuturb =

d

0.037Re0.8 Pr 2

1 + 2.443Re−0.1 (Pr 3 − 1)

f¨ ur 10 < Re < 107 und 0.6 < Pr < 1000. Nußelt– und Reynolds– Zahl werden jeweils mit der umstr¨omten L¨ange L = πd/2 gebildet. Tabelle 4.1: Nußelt–Zahlen f¨ ur ausgew¨ ahlte Beispiele.

Aufgabe 4.9. Wasser fließt mit v∞ = 1 m/s u ¨ber eine ebene Platte der L¨ange L (siehe Abbildung 4.10). Dabei wird angenommen, dass sich der W¨ arme¨ ubergangskoeffizent im laminaren und turbulenten Bereich durch die beiden Relationen clam αlam = √ , x

αturb =

cturb x0.2

(4.99)

beschreiben l¨ asst. F¨ ur die Koeffizienten gilt dabei clam (300 K) = 395 W/m1.5 K, cturb (300 K) = 2330 W/m1.8 K,

clam (350 K) = 477 W/m1.5 K cturb (350 K) = 3600 W/m1.8 K.

Bestimmen Sie den mittleren W¨ arme¨ ubergangskoeffizienten α f¨ ur eine Wassertemperatur von T∞ = 300 K und T∞ = 350 K. Dabei gelten die folgenden Stoffwerte ρ(300 K) = 997 kg/m3 , η(300 K) = 855 × 106 Ns/m2 , ρ(350 K) = 974 kg/m3 und η(350 K) = 365 × 106 Ns/m2 .

90

4 Grundlagen der Thermodynamik und W¨ arme¨ ubertragung

4.2 W¨ arme¨ ubertragung

91

Aufgabe 4.10. Es wird eine von Luft u ¨berstr¨omte Turbinenschaufel analysiert. Die W¨armestromdichte an der gekennzeichneten Stelle x0 wurde zu q(x ˙ 0 ) = 95 kW/m2 ermittelt. Um eine konstante Oberfl¨ achentemperatur von Ts = 800 K zu halten wird die zugef¨ uhrte thermische Energie durch ein im Innern der Turbinenschaufel zirkulierendes K¨ uhlmedium abgef¨ uhrt. (i) Bestimmen Sie die W¨ armestromdichte in die Turbinenschaufel an der Stelle x0 , wenn die Oberfl¨ achentemperatur durch eine Erh¨ ohung des K¨ uhlmediumstroms auf Ts = 700 K reduziert wird. (ii) Ermitteln Sie die W¨ armestromdichte in (eine ¨ahnliche) die Turbinenschaufel an der Stelle x0 , wenn die Turbinenschaufel eine Sehnenl¨ ange von L = 0.08 m aufweist und in einem Luftstrom mit T∞ = 1150 K bei v∞ = 80 m/s betrieben wird. Die Oberfl¨achentemperatur sei dabei durch das K¨ uhlmedium konstant auf Ts = 800 K gehalten.

92

4 Grundlagen der Thermodynamik und W¨ arme¨ ubertragung

4.3 Station¨ are W¨ arme¨ ubertragung

93

4.3 Station¨ are W¨ armeu ¨ bertragung Im station¨ aren Fall vereinfacht sich die W¨armeleitungsgleichung (4.76) zu 0 = ∇ · (Λ∇T ) + ω, ˙

(x, y, z) ∈ V

(4.100)

f¨ ur T = T (x, y, z) und zugeh¨ origen Randbedingungen gem¨aß (4.78)–(4.80). Hieraus k¨onnen f¨ ur verschiedene technische Bespiele, wie dem W¨armedurchgang durch W¨ande oder die W¨arme¨ ubertragung in W¨ armetauschern, Aussagen u ¨ber die o ¨rtliche Temperaturverteilung im station¨aren Fall, d.h. nach Abklingen aller transienten Effekte, getroffen werden.

4.3.1 W¨ armedurchgang durch W¨ ande

Unter dem Begriff des W¨ armedurchgangs wird im Allgemeinen die Hintereinanderschaltung von (konvektivem) W¨ arme¨ ubergang und W¨ armeleitung verstanden [7]. Dabei geht W¨arme von dem Fluid der h¨oheren Temperatur an die Wand u ¨ber und wird dort durch W¨armeleitung an die Wandseite u ¨bertragen, die an das Fluid der niedrigeren Temperatur angrenzt.

4.3.1.1 Ebene W¨ ande Zur Beschreibung des W¨armedurchgangs wird zun¨achst von einer ebenen Wand ausgegangen, so dass sich in diesem ¨ortlich ein–dimensionalen Fall Gleichung (4.100) mit ω˙ = 0 zu   ∂T ∂ λ , x ∈ (0, L) (4.101) 0= ∂x ∂x reduziert. An den Wandseiten x = 0 und x = L wird aufgrund der Annahme von konvektivem W¨armeu ¨bergang von Randbedingungen 3. Art (4.80) ausgegangen, d.h.   −1  ∂T − λ∇T · n|x=0 = −λ∇T |x=0 ·  0  = λ (0) = α0 T (0) − T∞,0 (4.102) ∂x 0   +1  ∂T (L) = αL T (L) − T∞,L . (4.103) − λ∇T · n|x=L = −λ∇T |x=L ·  0  = −λ ∂x 0 Diese Konfiguration ist schematisch in Abbildung 4.11 (links) dargestellt. Die L¨osung von (4.101)–(4.103) kann durch direkte Integration und Einsetzen der Randbedingungen zu Z α0 αL T (x) =

L

T∞,0 x

! 1 dr + αL T∞,L + α0 T∞,0 0 λ(r) Z L 1 α0 + αL + α0 αL dr λ(r) 0

1 dr + T∞,L λ(r)

Z

x

(4.104)

bestimmt werden (da λ(x) > 0 folgt die Monotonie von T (x)), woraus sich die W¨armestromdichte gem¨ aß (4.75) in der Form q(x) ˙ = −λ(x)

 ∂T 1 = T∞,L − T∞,0 = konst. Z L ∂x 1 1 1 + dr + α0 αL 0 λ(r)

ergibt. Diese allgemeinen Ausf¨ uhrungen erlauben die Ableitung verschiedener Spezialf¨alle.

(4.105)

94

4 Grundlagen der Thermodynamik und W¨ arme¨ ubertragung

T

T T∞,0

Lj T∞,0

T0

T0 Tj−1

α0

αL

α0

Tj

TL

λ(x)

αL

TL

λj T∞,L

0

L

T∞,L x

0

L

x

Abb. 4.11: Temperaturverlauf beim W¨ armedurchgang durch eine ebene einschichtige Wand (links) und eine ebene mehrschichtige Wand (rechts).

Aufgabe 4.11. Ermitteln Sie (4.104) und (4.105). F¨ ur konstante W¨ armeleitf¨ ahigkeit λ(x) = λ = konst. vereinfachen sich (4.104), (4.105) zu α0 αL (T∞,0 (L − x) + T∞,L x) + αL T∞,L + α0 T∞,0 T (x) = λ α0 αL α0 + αL + L λ  1 ∂T = T∞,L − T∞,0 = konst. q(x) ˙ = −λ 1 1 L ∂x + + α0 λ αL

(4.106) (4.107)

Damit ist unmittelbar einsichtig, dass f¨ ur eine mehrschichtige Wand mit n Schichten entsprechend der schematischen Darstellung in Abbildung 4.11 (rechts) wegen Z

L

0

n

X Lj 1 dr = λ(r) λ j=1 j

die W¨ armestromdichte zu q(x) ˙ =

1 n X

1 Lj 1 + + α0 j=1 λj αL

 T∞,L − T∞,0 = konst.

(4.108)

folgt. Der Faktor k=

1 n X 1 Lj 1 + + α0 j=1 λj αL

(4.109)

in W/(m2 K) wird W¨ armedurchgangskoeffizient genannt. Je kleiner der Wert von k, desto besser isoliert die Wand, was aufgrund der resultierenden Gleichung der W¨armestromdichte leicht einzusehen ist  q˙ = k T∞,L − T∞,0 . (4.110)

4.3 Station¨ are W¨ arme¨ ubertragung

95

Leiten Sie (4.108) aus (4.105) her. Anmerkung 4.3. Die beiden folgenden Punkte sollten Beachtung finden: • Der W¨ armedurchgangskoeffizient (4.109) kann in der Form n

X Lj 1 1 1 = + + k α0 j=1 λj αL angegeben werden, was entsprechend der Theorie elektrischer Netzwerke als Reihenschaltung von Wandwiderst¨ anden interpretiert werden kann. • H¨ aufig wird in der Literatur an Stelle der W¨armestromdichte q˙ der (auf die Austauschfl¨ache bezogene) W¨ armestrom Q˙ zur Berechnung herangezogen. Dabei ist die zur Richtung des W¨arme¨ ubergangs normal stehende Fl¨ ache in die Berechnungen einzubeziehen, weshalb sich z.B. f¨ ur eine mehrschichtige Wand der folgende Ausdruck Q˙ = kA T∞,L − T∞,0



mit kA =

1 n X

1 1 Lj + + α0 A0 j=1 λj Aj αL AL

(4.111)

ergibt. Dabei ist A eine (beliebige) Bezugsfl¨ache, A0 und AL sind die Wandfl¨achen, die im konvektiven W¨ arme¨ ubergang mit dem Fluid der Temperatur T∞,0 bzw. T∞,L relevant sind, und Aj kann als (mittlere) Fl¨ ache einer Schicht aus zwei Begrenzungsfl¨achen interpretiert werden.

4.3.1.2 Zylinderf¨ ormige W¨ ande Basierend auf der station¨aren W¨armeleitungsgleichung ohne W¨ armequellen in Zylinderkoordinaten aus (4.82) werden im Weiteren der Temperaturverlauf und die W¨armestromdichte in einer Rohrwand berechnet. Dabei wird entsprechend der schematischen Darstellung in Abbildung 4.12 angenommen, dass die j–te Schicht einen Innenradius rj−1 und einen Außenradius rj besitzt. Die W¨ armeleitf¨ ahigkeit λj sei homogen und temperaturunabh¨angig, jedoch von Schicht zu Schicht ver¨ anderlich. Im Rohr fließt ein Fluid mit der Temperatur T∞,0 w¨ahrend die Rohraußenseite von einem Fluid der Temperatur T∞,R umstr¨ omt wird. Es wird angenommen, dass alle Gr¨oßen unabh¨angig vom Winkel ϕ und der L¨ angskoordinate z sind.

αR

rj−1

rj

T∞,R

α0 T∞,0 Abb. 4.12: Zur station¨ aren W¨ arme¨ ubertragung in einer zylinderf¨ ormigen mehrschichtigen Wand.

F¨ ur eine beliebige Schicht folgt somit im station¨aren Fall   1 ∂ ∂T 0 = λj r , r ∈ (rj−1 , rj ). r ∂r ∂r

(4.112)

96

4 Grundlagen der Thermodynamik und W¨ arme¨ ubertragung

Die L¨ osung dieser Differenzialgleichung ergibt sich zu   r  ln rj−1  , r ∈ [rj−1 , rj ]  T (r) = Tj−1 + Tj − Tj−1 rj ln rj−1

(4.113)

mit Tj−1 = T (rj−1 ) und Tj = T (rj ), was auf die vom Radius r abh¨angige W¨armestromdichte in der Form q(r) ˙ = −λj

1 Tj−1 − Tj ∂T ,  = −λj ∂r r ln rj

r ∈ (rj−1 , rj )

(4.114)

rj−1

f¨ uhrt. Unter Ber¨ ucksichtigung der Randbedingungen 3. Art an r = r0 mit r = rn liefert dies die W¨armestromdichte der zylinderf¨ ormigen mehrschichtigen Wand q(r) ˙ = T∞,0 − T∞,R

1 r

n X

1 + r0 α0 j=1

1 .   rj 1 1 ln + λj rj−1 rn αR

(4.115)

Entsprechend der vorher betrachteten ebenen Wand wird der Faktor k(r) =

1 r

1 n  r  X 1 1 1 j + + ln r0 α0 j=1 λj rj−1 rn αR

(4.116)

als W¨ armedurchgangskoeffizient in W/(m2 K) bezeichnet. Auch hier kann wiederum gem¨aß Anmerkung 4.3 eine Analogie zu elektrischen Netzwerken gezogen werden. Zudem kann als Bezugsgr¨oße die Fl¨ache normal zur Richtung der W¨ arme¨ ubergangs herangezogen werden.

4.3.1.3 W¨ ande mit vergr¨ oßerter Oberfl¨ ache Zur Verbesserung des W¨arme¨ ubergangs zwischen Fluiden und Ferstk¨ orpern wird h¨ aufig die wirksame Austauschfl¨ache durch konstruktive Maßnahmen vergr¨ oßert. Hierzu werden beispielsweise Rippen, Nadeln oder stabartige Gebilde in die geometrische Struktur integriert (siehe Abbildung 4.13). Eine exakte Berechnung des thermischen Verhaltens dieser

Abb. 4.13: Beispiel f¨ ur K¨ uhlk¨ orper in Elektronikanwendungen (Quelle Coollink).

Bauteile ist meist nur mit großen Aufwand m¨oglich, so dass oft von N¨aherungsl¨osungen f¨ ur vereinfachte Geometrien Gebrauch gemacht wird. Zudem werden auf Basis von Messreihen Wirkungsgrade ermittelt und in die Berechnungen integriert. Diese sind neben der Umstr¨omung auch von den thermischen Eigen-

4.3 Station¨ are W¨ arme¨ ubertragung

97

schaften der verwendeten Materialien abh¨angig. Eine Einf¨ uhrung in diese Thematik ist [7] zu entnehmen. Detaillierte Ausf¨ uhrungen f¨ ur einfache Geometrien sind beispielsweise in [8] zu finden.

4.3.2 W¨ armetauscher

Um Energie von einem Fluidstrom auf einen anderen zu u ¨bertragen werden die beiden Fluide durch einen W¨ armetauscher bzw. W¨ arme¨ ubertrager entsprechend der schematischen Darstellung in Abbildung 4.14 gef¨ uhrt. Die W¨ arme¨ ubertragung im W¨armetauscher erfolgt meist durch erzwungene Konvektion und W¨ armeleitung in der Trennwand [7, 8]. Die Funktionsweise des W¨armetauschers ergibt sich aus dem 1

2

1

Th,1

Th,2 q˙

2 Th , m ˙ h , cp,h

Th , m ˙ h , cp,h Th,1

Th,2 q˙

λ, b(x)

Tc,1

Tc,2

λ, b(x)

Tc,1

Tc,2 Tc , m ˙ c , cp,c

Tc , m ˙ c , cp,c

Th,1

Th,1

∆T1 Th,2 Tc,2 ∆T2

∆T1

Tc,1 Th,2 ∆T2

Tc,1

Tc,2 0

L

x

0

L

x

Abb. 4.14: Funktionsprinzip des Gleichstromw¨ armetauschers (links) und Gegenstromw¨ armetauschers (rechts).

Strom eines w¨ armeren (Index h) und k¨ alteren (Index c) Fluids durch die beiden schematisch dargestellten Kammern. Das Fluid j ∈ {h, c} mit Massenstrom m ˙ j und spezifischer W¨armekapazit¨at cp,j besitzt an der Stelle x = 0 (Punkt 1) die Temperatur Tj,1 und an der Stelle x = L (Punkt 2) die Temperatur Tj,2 . Dabei wird zwischen dem so genannten Gegenstromw¨ armetauscher und dem Gleichstromw¨ armetauscher abh¨ angig davon unterschieden, ob f¨ ur das Produkt der vorzeichenbehafteten 4 Massenstr¨ome gilt ( < 0, Gegenstrom m ˙ hm ˙c . (4.117) > 0, Gleichstrom Unter Beachtung dieser Vorzeichenkonvention gelten die nachfolgenden Ergebnisse sowohl f¨ ur den Gegen– als auch Gleichstromw¨ armetauscher. Gem¨ aß Abbildung 4.14 gilt beim Gleichstromw¨armetauscher Th,2 ≥ Tc,2 und Th,1 − Tc,1 ≥ Th,2 − Tc,2 . Beim Gegenstromw¨armetauscher muss dies nicht der Fall sein. Hier gilt insbesondere, dass die Austrittstemperatur das urspr¨ unglich k¨alteren Fluids u ¨ber der Austrittstemperatur des urspr¨ unglich w¨ armeren Fluids liegen kann.

4

Bei Einstr¨ omen des Fluids am Punkt 1 (2) und Ausstr¨ omen am Punkt 2 (1) gilt m ˙ j > 1 (m ˙ j < 0).

98

4 Grundlagen der Thermodynamik und W¨ arme¨ ubertragung

Zur weiteren Analyse wird von einem station¨ aren Fliessprozess ausgegangen und dass die Fluide im W¨ armetauscher nur isobare Zustands¨anderungen erfahren. Die Trennwand besitze den W¨armedurchgangskoeffizienten k(x) und die Breite b(x). F¨ ur die gesamte W¨arme¨ ubertragungsfl¨ache gilt A = RL b(x)dx. Alle u ande des W¨ armetauschers werden als adiabat angenommen, so dass W¨arme ¨brigen W¨ 0 nur u ¨ber die Trennwand zwischen Fluiden ausgetauscht werden kann. Zudem wird angenommen, dass die Temperatur in jeder Kammer in einer Schicht f¨ ur festes x konstant ist, was zumindest außerhalb der Str¨ omungsgrenzschicht in Wandn¨ ahe zul¨ assig ist. F¨ ur den infinitesimalen Bereich [x, x + dx] ergibt sich aus dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik die Beziehung  ˙ c cp,c dTc = k(x)b(x)dx Th − Tc . −m ˙ h cp,h dTh = m (4.118) | {z } | {z } dhh dhc Hieraus ergibt sich durch geeignetes Aufl¨ osen und Addition der beiden Gleichungen   1 1 dTh − dTc = + k(x)b(x)dx. − Th − Tc m ˙ h cp,h m ˙ c cp,c Aus der Integration u ¨ber das Intervall [0, x] folgt aus der ersten Gleichung die Beziehung   −m ˙ h cp,h Th (x) − Th,1 = m ˙ c cp,c Tc (x) − Tc,1 w¨ ahrend die zweite Gleichung  Z x 1 1 Th,1 − Tc,1 = + k(r)b(r)dr ln Th (x) − Tc (x) m ˙ h cp,h m ˙ c cp,c 0 {z } | ¯ = k(x)

(4.119)

(4.120)

¯ liefert. Die Funktion k(x) entspricht dem u ¨ber die Fl¨ache bis zum Punkt x integrierten W¨armedurch¯ gangskoeffizienten k(x). F¨ ur homogenes k gilt somit k(L) = kA. Aufl¨ osen nach Th (x) und Tc (x) ergibt die station¨aren ¨ortlichen Temperaturverl¨aufe      m ˙ c cp,c Tc,1 − Th,1 1 1 ¯ Th (x) = Th,1 + 1 − exp − + k(x) m ˙ h cp,h + m ˙ c cp,c m ˙ h cp,h m ˙ c cp,c      m ˙ h cp,h Th,1 − Tc,1 1 1 ¯ Tc (x) = Tc,1 + 1 − exp − + k(x) . m ˙ h cp,h + m ˙ c cp,c m ˙ h cp,h m ˙ c cp,c Dies erlaubt zudem die Bestimmung der lokalen W¨armestromdichte      1 1 ¯ q(x) ˙ = k(x) Th,1 − Tc,1 exp − + k(x) . m ˙ h cp,h m ˙ c cp,c

(4.121a) (4.121b)

(4.122)

Zur Bewertung der ermittelten Ergebnisse werden nachfolgend drei typische Betriebsf¨alle analysiert: • F¨ ur m ˙ h cp,h  m ˙ c cp,c ist die Temperatur¨anderung des k¨alteren Fluids deutlich gr¨oßer als die des w¨ armeren Fluids. Im Grenzfall m ˙ h cp,h → ∞ zeigt (4.121a), dass Th (x) = Th,1 , weshalb die Temperatur des w¨ armeren Fluids unver¨ andert bleibt. Dies wird beispielsweise von kondensierendem Dampf n¨ aherungsweise erf¨ ullt. • F¨ ur m ˙ h cp,h = m ˙ c cp,c und k(x)b(x) = konst. sind gem¨aß (4.121a), (4.121b) sowohl Th (x) als auch Tc (x) affin in x. Im Fall eines Gegenstromw¨armetauschers gilt hier Th (x) − Tc (x) = konst. • F¨ ur m ˙ h cp,h  m ˙ c cp,c dreht sich die zuerst beschriebene Situation um. Die Temperatur¨anderung des w¨ armeren Fluids ist deutlich gr¨ oßer als die des k¨alteren Fluids. Im Grenzfall m ˙ c cp,c → ∞ zeigt (4.121b), dass Tc (x) = Tc,1 , weshalb die Temperatur des k¨alteren Fluids unver¨andert bleibt. Dies wird beispielsweise von verdampfenden Fl¨ ussigkeiten n¨aherungsweise erf¨ ullt.

4.3 Station¨ are W¨ arme¨ ubertragung

99

Der gesamte W¨ armestrom durch den W¨ armetauscher folgt durch Auswertung von (4.119) an der Stelle x = L unter Ber¨ ucksichtigung des 1. Hauptsatzes der Thermodynamik zu   ∆T1 − ∆T2 ¯   Q˙ = m ˙ h cp,h Th,1 − Th,2 = m ˙ c cp,c Tc,2 − Tc,1 = k(L) 1 ln ∆T ∆T2

(4.123)

mit ∆T1 = Th,1 − Tc,1 ,

∆T2 = Th,2 − Tc,2 .

(4.124)

Man bezeichnet den hier auftretenden Wert ∆Tlog =

∆T1 − ∆T2   1 ln ∆T ∆T2

(4.125)

als logarithmische mittlere Temperaturdifferenz . Unter der Annahme gleicher Eingangstemperaturen ist ∆Tlog beim Gegenstromw¨ armetauscher gr¨oßer als beim Gleichstromw¨armetauscher. Aufgabe 4.12. Zeigen Sie diese Aussage auf Basis der ermittelten Formeln f¨ ur die station¨aren Temperaturprofile und der Unterscheidung (4.117). ¯ Um somit einen W¨ armestrom Q˙ zu u beim Gegenstromw¨armetauscher klei¨bertragen, kann der Wert k(L) ¯ ner sein als beim Gleichstromw¨ armetauscher. Wie gezeigt wurde h¨angt k(L) unmittelbar mit der Trennfl¨ ache und damit der Baugr¨ oße des W¨ armetauschers zusammen. Aus diesem Grund ist es im Allgemeinen aus Kostengr¨ unden g¨ unstiger einen Gegenstromw¨armetauscher anstatt eines Gleichstromw¨armetauschers einzusetzen.

100

4 Grundlagen der Thermodynamik und W¨ arme¨ ubertragung

Oftmals erfolgt die Bewertung eines W¨armetauschers anhand des Wirkungsgrades η=

Q˙ ∈ [0, 1], Q˙ max

(4.126)

der den tats¨ achlichen W¨ armestrom Q˙ mit dem theoretisch m¨oglichen W¨armestrom Q˙ eines idealen W¨ armetauschers (unendlich ausgedehnt und perfekt isoliert) ins Verh¨altnis setzt. Anmerkung 4.4. Das Prinzip des Gegenstroms ist auch in der Biologie bzw. Physiologie in vielf¨altiger Weise beim W¨ arme– und Stoffaustausch zu finden. Beispielsweise erfolgt der R¨ ucktransport des Blutes ins K¨ orperinnere sowohl durch oberfl¨ achennahe Venen, als auch durch tiefer, in direkter Nachbarschaft zu den Arterien liegende Venen. In kalter Umgebung ließt das Blut haupts¨achlich durch die tief liegenden Venen und wird dabei durch das in die Extremit¨ aten fließende arterielle Blut erw¨armt. Gleichzeitig wird das arterielle Blut aufgrund des Temperaturunterschiedes abgek¨ uhlt und erreicht die Extremit¨aten auf nahezu dem Niveau der Außentemperatur (Prinzip der Thermoregulation). Letzteres ist insbesondere f¨ ur spezia¨ lisierte Tiere wie Eisb¨ aren oder Pinguine wichtig, um den Energieverlust zu reduzieren. Ahnliche Effekte treten auch bei Stofftransport bzw. –austausch durch Gegenstromdiffusion auf. Beispielsweise erm¨oglicht dies in der S¨auger–Placenta trotz getrennter Blutbahnen zwischen Mutter und Kind die Versorgung des Embryos mit Sauerstoff und N¨ ahrstoffen bzw. die Abgabe embryonaler Stoffwechselendprodukte an den Kreislauf der Mutter (siehe Spektrum, Lexikon der Biologie).

4.4 Transiente W¨ armeu ¨ bertragung Die exakte L¨ osung der transienten W¨ armeleitungsgleichung (4.76) mit Randbedingungen (4.78)–(4.80) ist nur f¨ ur wenige Spezialf¨ alle m¨ oglich. Insbesondere im linearen Fall mit ¨ortlich ein–dimensionalem Ortgebiet bietet sich dazu beispielsweise die Laplace–Transformation an, wobei hier die Schwierigkeit darin ¨ besteht die resultieren transzendenten Ubertragungsfunktionen vom s–Bereich in den Zeitbereich zur¨ uck zu transformieren. Alternative exakte L¨ osungsans¨atze sind beispielsweise durch die Modaltransformation oder Separationsans¨ atze gegeben. F¨ ur eine ausf¨ uhrliche Darstellung wird dabei auf [6] verwiesen. F¨ ur praktische Aufgaben, die sich meist durch komplexere ¨ortliche Geometrien auszeichnen, werden deshalb oft numerische Verfahren zu L¨ osung verwendet. Im Weiteren wird auf eine Darstellung der verschiedenen L¨osungsverfahren verzichtet und beispielhaft die mathematische Modellierung des transienten Verhaltens eines Gegenstromw¨armetauschers durchgef¨ uhrt, wobei zudem der Effekt der transienten W¨armeleitung durch die Trennwand ber¨ ucksichtigt werden soll. Aufgabe 4.13 (Transiente Analyse eines Gegenstromw¨ armetauschers). Durch einen Gegenstromw¨ armetauscher str¨ omen das Heizmittel (Index h) und die zu erw¨armende Fl¨ ussigkeit (Index c) mit den entgegengerichteten Geschwindigkeiten vh und vc . Ihre Temperaturen Th (x, t) und Tc (x, t) seien nur von den axialen Koordinaten x und der Zeit t abh¨angig. Die beiden Medien tauschen u ¨ber eine Wand W¨ arme aus. Das Heizmittel und die Fl¨ ussigkeit besitzen die Dichte ρh bzw. ρc und die spezifische W¨ armekapazit¨ at cp,h und cp,c .

4.4 Transiente W¨ arme¨ ubertragung

101

Th (x, t) α Tc,in (t)

rh

vc

rc

Tc (x, t) vh 0

Th (x, t)

x

L

Th,in (t)

(i) Ermitteln Sie unter Verwendung des 1. Hauptsatzes der Thermodynamik die Differenzialgleichungen f¨ ur die Temperaturen Th (x, t) und Tc (x, t). Dabei ist die Wand als sehr d¨ unn anzunehmen. (ii) Wie lauten die Rand– und Anfangsbedingungen f¨ ur Th (x, t) und Tc (x, t)? (iii) Wie kann das Modell erweitert werden, wenn die Wand ebenfalls eine Speicherf¨ahigkeit f¨ ur W¨arme (Dichte ρw , spezifische W¨ armekapazit¨at cp,w ) besitzt und ein W¨armetransport durch W¨armeleitung stattfindet. L¨ osung. Es ergeben sich die folgenden L¨osungen: (i) Mit Tc = Tc (x, t) und Th = Th (x, t) gelten  ∂ Tc ∂ Tc αUw = −vc + Th − Tc , ∂t ∂x ρc cp,c Ac  ∂ Th αUw ∂ Th = vh + Tc − Th , ∂t ∂x ρh cp,h Ah

x ∈ (0, L), t > 0 x ∈ (0, L), t > 0,

wobei Uw = 2πrc , Ac = πrc2 , Ah = π(rh2 − rc2 ). (ii) Anfangs– und Randbedingungen (vgl. Skizze) ergeben sich zu Tc (x, 0) = Tc,0 (x),

Th (x, 0) = Th,0 (x),

x ∈ [0, L]

Tc (0, t) = Tc,in (t),

Th (L, t) = Th,in (t),

t > 0.

(iii) Mit Tc = Tc (x, t), Th = Th (x, t) und Tw = Tw (x, t) gelten  ∂ Tc ∂ Tc 2αc rc = −vc + Tw − Tc , ∂t ∂x ρc cp,c   ∂ Tw λ ∂ 2 Tw 2αh rw 2αc = + Th − Tw − Tw − Tc , 2 h c ∂t ρw cp,w ∂x ρw , cp,w Rw ρw , cp,w Rw  ∂ Th ∂ Th 2αh rw = vh + Tw − Th , 2) ∂t ∂x ρh cp,h (rh2 − rw

x ∈ (0, L), t > 0 x ∈ (0, L), t > 0 x ∈ (0, L), t > 0,

h 2 c 2 wobei rw den Wandaußenradius beschreibt und Rw = (rw − rc2 )/rc , Rw = (rw − rc2 )/rc . Die Anfangs– und Randbedingungen f¨ ur Th und Tc bleiben unver¨andert. Unter der Annahme, dass die Wand adiabat isoliert an beiden R¨ andern x = 0 und x = L ist folgt

∂ Tw ∂ Tw (0, t) = (L, t) = 0 ∂x ∂x mit der Anfangsbedingung Tw (x, 0) = Tw,0 (x).

102

4 Grundlagen der Thermodynamik und W¨ arme¨ ubertragung

Literaturverzeichnis 1. Stephan P, Schaber K, Stephan K, Mayinger F (2009) Thermodynamik Band 1: Einstoffsysteme, 18th edn. Springer– Verlag, Berlin, Heidelberg 2. Baehr H, Kabelac S (2006) Thermodynamik, 13th edn. Springer, Berlin, Heidelberg, New York 3. Eigenberger G (1998) Physikalisch–Chemische Verfahren. Skriptum zur Vorlesung, Institut f¨ ur Chemische Verfahrenstechnik, Universit¨ at Stuttgart 4. Kluge G, Neugebauer G (1994) Grundlagen der Thermodynamik. Spektrum 5. Landoldt-B¨ ornstein (2015) Springer Materials. http://www.springermaterials.com/docs/index.html 6. Carslaw H, Jaeger J (1959) Conduction of Heat in Solids, 2nd edn. Oxford University Press, Oxford 7. Baehr H, Stephan K (1996) W¨ arme– und Stoff¨ ubertragung, 2nd edn. Springer–Verlag, Berlin 8. Bergman T, Lavine A, Incropera F, DeWitt D (2011) Fundamentals of Heat and Mass Transfer. John Wiley & Sons, Hoboken, NJ 9. Bird R, Stewart W, Lightfoot E (2002) Transport Phenomena, 2nd edn. John Wiley & Sons, Inc., New York