Modul III: Ethische Probleme im Umgang mit dem Lebendigen
Grundfragen der Tierethik oder: Hat Ferdinand Recht? Dr. Johann S. Ach Weiterbildungsstudiengang Angewandte Ethik 3. Februar 2007
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Auf Hoggets Farm Fly bellte entschlossen: „Babe, der Boss ist kurz davor, seinen Hof zu verlieren. Dann schicken sie uns alle weg.“ Das Pferd nickte bedeutsam: „Und niemand weiß, wo wir dann hinkommen werden. Nicht alle Menschen sind so freundlich wie unsere.“ Babe kam sich sehr klein vor. „Aber was kann ich da tun?“ „Nichts!“ quakte Ferdinand. „Du bist ein Hüteschwein“, sagte Rex. „Sogar ein Turniersieger. Wahrscheinlich sollst Du Schafe zusammentreiben. Was immer es auch ist... Was immer sie von dir verlangen... ich erwarte von dir, dass du dein Bestes gibst.“ Babe nickte und machte ein paar zögernde Schritte auf das Tor zu. Centrum für Bioethik
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Ferdinand schlug mit seinen mageren Flügeln. „Mach nichts, was du nicht machen willst! Schweine haben auch Rechte, weißt du!“ Vor dem Bauernhaus rief Mrs. Hoggett ein letztes Mal: „SCHWEIN!“ Dann drehte sie sich zu ihrem Mann um, der in einem Rollstuhl auf der Veranda saß. „Arthur, ruf du mal dieses elende Viech!“ Bauer Hoggett sagte mit seiner leisen, freundlichen Stimme: „Komm, Schwein.“ Fly leckte Babes Rüssel. „Du bist nicht allein, Schätzchen. Du bist mit der Frau vom Boss zusammen.“ Babe nickte. Ferdinand kreischte entsetzt: „Na, klar doch! Die Frau vom Boss! Hack, hack! Schnibbel! Schnibbel! Du bist mit einer Massenmörderin zusammen!“ Centrum für Bioethik
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Grundfragen • • • •
Darf man Tiere töten? Darf man Tiere quälen? Darf man Tiere nutzen? Darf man Tiere durch Züchtung oder genetische Manipulation verändern? • Darf man menschliche Interessen tierlichen Interessen vorziehen? • Welche Entitäten verdienen in welcher Hinsicht warum gleiche Berücksichtigung?
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Moralischer Status • Welche Entitäten verdienen um ihrer selbst willen moralische Berücksichtigung? • Moralischer Status: Einschlusskriterium • Voller, beschränkter und abgeleiteter moralischer Status • Moralische Pflichten „gegenüber“ einer vs. „in bezug auf“ eine Entität
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Moralischer Status • Anthropozentrismus – axiologischer vs. – epistemischer Anthropozentrismus • Pathozentrismus / Sentientismus • Biozentrismus • Physiozentrismus / Holismus
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Paradigmatische Positionen • • • • •
Indirekte Pflichten (I. Kant) Reziprozitäts (Kontraktualismus) Generalisiertes Mitleid (U. Wolf) Rechte für Tiere (T. Regan) Gleichheit für Tiere (P. Singer)
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Immanuel Kant (1) „In Ansehung des lebenden, obgleich vernunftlosen Teils der Geschöpfe ist die Pflicht der Enthaltung von gewaltsamer und zugleich grausamer Behandlung der Tiere der Pflicht des Menschen gegen sich selbst weit inniglicher entgegengesetzt, weil dadurch das Mitgefühl an ihrem Leiden im Menschen abgestumpft und dadurch eine der Moralität, im Verhältnisse zu anderen Menschen, sehr diensame natürliche Anlage geschwächt und nach und nach ausgetilgt wird“
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Immanuel Kant (2) • Pflicht des Menschen gegen sich selbst („Verrohungs-Argument“ • Moralische Pflichten „in Bezug auf“ Tiere: Indirekte-Pflichten-Ansatz • Strenger vs. weicher Anthropozentrismus – ästhetischer, konservatorischer, pädagogischer, charakterbildender, kultursymbolischer Wert usw.
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Kritik am Anthropozentrimus • Unqualifizierter vs. qualifizierter Anthropozentrims • Eine unterscheidend menschliche Eigenschaft (Rationalität? Sprachbegabung? Moralfähigkeit?), die allen Menschen eignet (Problem: marginal cases?) und moralisch triftig ist? • vertikale und horizontale Perspektive • Zugehörigkeit zur biologischen Spezies ist weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingung für moralischen Schutzanspruch
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Kontraktualismus • Moral als auf wechselseitige Anerkennung gegründetes Unternehmen • Genetischer Fehlschluss? • Moral agents vs. Moral patients
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Ursula Wolf • Moral: Sicherung der Bedingungen der Möglichkeit eines guten Lebens • nicht-metaphysische, liberale, universalistischegalitäre Moralkonzeption • Leidensfähigkeit ist das einzige, was wir mit allen Menschen teilen • Moralkonzeption eines „generalisierten Mitleids“
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Tom Regan • Alle Wesen, denen ein inhärenter Wert zukommt, haben das gleiche Recht, mit Respekt behandelt zu werden. • Inhärenten Wert besitzen jene Wesen, die „empfindende Subjekte eines Lebens“ sind. • Ein solches Wesen besitzt die Fähigkeit, auf eine Weise zu handeln, dass seine Wünsche befriedigt werden.
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• Instrumentalisierungsverbot (auch im Hinblick auf Handlungen, die nicht mit Zufügung von Leiden verbunden sind) • Was ist ein “inhärenter Wert”?
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Peter Singer (1) • Bentham: „Können sie leiden?“ • Interessen-Ansatz – Ausmaß, in dem eine Handlung die Interessen, der von ihr Betroffenen befriedigt oder frustriert als Maßstab moralischen Handelns – Jedes einzelne Wesen ist nach Maßgabe seiner Interessen gleich zu berücksichtigen
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Peter Singer (2) • Empfindungsfähigkeit sowohl notwendiges als auch hinreichendes Kriterium – Voraussetzung dafür, überhaupt Interessen (in einem moralisch relevanten Sinn) haben zu können – kein Grund ersichtlich, der eine Weigerung, das Leiden eines Wesens zu berücksichtigen, rechtfertigen könnte • Sind wir alle Speziesisten?
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Zusammenfasung (modifiziert nach Borchers) Anthropozentrismus
Stufe des Selbstbewusstseins
Reflexion Erweiterte kognitive Fähigkeiten (Sprache, Rationalität)
Vertragstheorien Pflichtenethik (I. Kant)
Pathozentrismus
Stufe des Bewusstseins
minimale kognitive Fähigkeiten
Rechte-Ansatz (T. Regan)
Stufe der Empfindungsfähigkeit Fähigkeit, Schmerzen und Lust zu empfinden Biozentrismus Keine mentalen physiologische bzw. Eigenschaften Reaktionen Holismus
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Mitleidsethik (U. Wolf) Utilitarismus (P. Singer) kein moralisches Problem (R. Descartes) / moralisch relevant (A. Schweitzer; B. Rollin; P. Taylor u. a.)
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Literatur • • • • • • • • • • • •
Ach, Johann S.: Warum man Lassie nicht quälen darf. Tierversuche und moralischer Individualismus. Erlangen 1999. Balzer, Philipp / Rippe, Klaus Peter / Schaber, Peter: Menschenwürde vs. Würde der Kreatur. Begriffsbestimmung, Gentechnik, Ethikkommissionen. Freiburg 21999. Habermas, Jürgen: „Die Herausforderung der ökologischen Ethik für eine anthropozentrisch ansetzende Konzeption“, in: Krebs, 92-99. Hörster, Norbert: Haben Tiere eine Würde? Grundfragen der Tierethik, München 2004. Krebs, Angelika (Hg): Naturethik. Grundtexte der gegenwärtigen tier- und ökoethischen Diskussion. Frankfurt/M. 1997. Regan, Tom: „Wie man Rechte für Tiere begründet“, in: Krebs 1997, 33-46. Regan, Tom: The Case for Animal Rights. London 1984 (dt. Übers. angekündigt für 2007). Singer, Peter: „Alle Tiere sind gleich“, in: Krebs 1997, 13-32. Singer, Peter: Praktische Ethik, 2. Aufl., Stuttgart 1994. Wolf, Jean-Claude: Tierethik. Erlangen 2006. Wolf, Ursula: „Haben wir moralische Verpflichtungen gegen Tiere?“, in: Krebs 1997, 47-75. Wolf, Ursula: Das Tier in der Moral. Frankfurt/M. 1990.
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