Diese PDF-Ausgabe wurde automatisch mit dem im Rahmen des Projektes XML-Print: ein ergonomisches Satzsystem für komplexe Textstrukturen (siehe auch www.xmlprint.eu) entwickelten Satzsystem generiert. Da sich diese Softwarekomponente noch im Aufbau befindet, werden zurzeit noch nicht alle zur exakten Darstellung der Artikel erforderlichen Funktionalitäten unterstützt (z.B. lebende Kolumnentitel, etc.).

Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig 1854-1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971. Online-Version vom 07.02.2017.

grau, adj. herkunft und form. [Bd. 8, Sp. 2072]

ahd. grâo (pl. grâwe), as. grâ, grê, afries. grē, ae. grǣg (engl. gray), anord. grár, mhd. grâ (pl. grâwe), mnl. gra, grau, nl. grauw. — mit anderen farbbezeichnungen wie blau, gelb als wa-stamm, germ. *grēwa-, wobei in ae. grǣg lt. Sievers in PBB 9, 204 und Jellinek ebda 14, 584 auch mit einem wja-stamm gerechnet werden musz. auszergerm. stellt sich lat. rāvus am nächsten, dessen ā freilich noch der erklärung bedarf. zur gleichen idg. wz. *gher-, *ghrē- 'strahlen, glänzen' gehören lit. žeriù, žeréti 'im glanze strahlen', aksl. zarja, zorja 'glanz, strahl', pl. 'morgenröte' u. a., vgl. Walde-Pokorny 1, 602; Pokorny 441; WaldeHofmann 2, 421 f.; Trautmann bslav. wb. 366. in den flektierten formen erscheint ahd. und mhd. der stammauslautende konsonant (halbvokal) w noch fast ausnahmslos: ahd. grâwêr, mhd. grâwer. wahrscheinlich bereits im frühnhd. erfolgt die vokalisierung des -w-, -aw- wird zum diphthong -au-, so dasz das -w- in den auch im 15. u. 16. jh. noch fühlbar überwiegenden -awformen nur noch graphisch zu werten und als -u- zu lesen ist, vgl. dazu Paul dt. gr. 1, 225; V. Moser frühnhd. gr. § 22; § 131, 2. -aw-schreibung begegnet noch bis in die zweite hälfte des 17. jhs. (z. b. grawe Lehman flor. pol. [1662] 3, 442), tritt aber seit 1600 mehr und mehr hinter -au- zurück, das seinerseits seit dem 15. jh. vereinzelt auftritt: dem grauen haubt erste dt. bibel 3, 426 Kurr.; grauer schwalbenstein Diefenbach

n. gl. 83b und im 16. jh. an umfang gewinnt. pleonastische formen treten vom 12. bis ins frühe 17. jh. auf: lachin grauwer (12. jh.) ahd. gl. 3, 344, 34 St.-S.; des grauwen orden passional 398, 64 K.; in grouwen menteln (Straszb. 1362) städtechron. 8, 137; häufig im 16. jh., dann noch vereinzelt: der grauwen völcker Stumpf Schweizerchr. (1606) 305a; zur beurteilung des -w- in den älternhd. formen dieser art vgl. V. Moser a. a. o. § 131, anm. 6. intervokalisches -b- für -werscheint am häufigsten in bair.-österr. u. ofränk. quellen des 15. u. 16. jhs., vereinzelt auch früher (graben loden [1350] Regensburg. urkd.-buch 1, nr. 1272, vgl. noch Niewöhner in: der Teichner LII N.), ist aber hier lediglich als graphische angleichung an den nur im auslaut (s. u.) erfolgenden wirklichen lautwandel w > b zu werten; als gesprochener verschluszlauf -b- anstelle des reibelautes -w- intervokalisch nur im schwäb. und schles., etwa in: 4 graber phenning (1465) bei Fischer 3, 808, vgl. V. Moser a. a. o. § 131, anm. 13. ausfall des inlautenden -w- ist nach länge bereits ahd. möglich, vgl. Braune ahd. gr. § 110, anm. 1; § 254 anm. 1 (mit verweis auf crâiu statt crâwiu [8.—9. jh.] ahd. gl. 1, 274, 17 St.-S.), vom 14. bis 16. jh. ist er in formen wie groe, groen, graem u. ä. verhältnismäszig oft bezeugt. als intervokalische übergangslaute anstelle des ausgefallenen -w- sind zu beurteilen -j- (-g- geschrieben) in: dem grogen rock Orendel 3862 (var. v. j. 1477) Berger; de grage monnyk (Lüneb. 16. jh.) bei Borchling mnd. hss. 1, 161

(dazu Lasch mnd. gr. § 347 III; Holthausen as. elementarb. § 173 anm. 3) und wohl auch -h- in: grohan Carlstadt v. verm. d. ablas (1520) A 2a; grohe (sc. kuh) Schweinichen denkw. (1820) 3, 105; von ... grahen pünden (1531) in: schweizer. id. 2, 831. dem obd. und md. im spätmhd. und frühnhd. häufigen vokalwechsel von â > ô entsprechen die formen groe, groen, growen (B. Waldis Esopus 1, 213 Kurz), elsäss. auch grouwen ([hs. 14. jh. Straszb.] städtechron. 8, 137; Murner schelmenzunft 18 ndr.). gelegentlich zeigen sich umgelautete formen: ausz gröben orden (Nürnberg 15. jh.) städtechron. 1, 345; zun gröen munchen (1496) Röhricht pilgerr. 324; gräuwer Stumpf Schweizerchron. (1606) 609b. — im flexionslosen gebrauch lautet das wort ahd. grâ (< grâo), mhd. grâ, im 15. und 16. jh. so noch gelegentlich: gra fastnachtsp. 776 K.; Er. Alberus dict. (1540) E 2b; gro Bock kreutterb. (1539) 40, hierher ferner in einer auch sonst (s. u.) nicht seltenen schreibung. mit epithetischem -e: grae (Nürnb. 1426) städtechron. 2, 15a; Fierrabras (1533) D 3a. im übrigen treten, vereinzelt schon im 14. jh., das stammauslautende konsonantische -w oder seine stellvertreter aus den flektierten formen jetzt auch in den auslaut [Bd. 8, Sp. 2073]

der flexionslosen: -w in graw (: praw, plaw) Oswald v. Wolkenstein 9, 5 Schatz; (: schaw) Hätzlerin 1; vom 15. bis zum 17. jh. bleibt graw die vorherrschende schreibung, in der aber, wie bei den flektierten formen (s. ob.), das w im allgemeinen als vokalisiert aufzufassen ist. die schreibung grau gewinnt im 16. u. 17. jh. nur langsam an boden; gelegentlich erscheint eine unflektierte form grawe mit angehängtem -e, vgl.(Braunschw. 1380) städtechron. 6, 48; Fabri eigentl. beschr. (1557) 166a (ein frühes der wolf grawe des Wiener exodus in: fundgr. 2, 87, 18 ist

wohl als schw. flektiert aufzufassen). vor allem bair. und ofränk. tritt im auslaut für konsonantisches -w der verschluszlaut -b ein (nicht, wie bei den flektierten formen, nur als graphisches zeichen): alt und grab (:ab) der Teichner 327, 93; 370, 31 N.; grab har (bair. 1432) in: zs. f. dt. maa. 4, 294a Frommann; grab parcket (1507) Tucher haushaltb. 75 lit. ver.; grab esel H. Sachs 17, 161 lit. ver., s. dazu V. Moser a. a. o. § 131, 3. auch spuren der in den flektierten formen an die stelle des -w- getretenen übergangslaute (s. ob.) finden sich im unflektierten gebrauch: apfelgrog (obd. 1492) Diefenbach gl. 544b; in formen mit angehängtem -e: grahe (md. 15. jh.) ebda 96b; grohe (: nohe = nahe) Luther tischr. 3, 434 W. -o- für -a- als stammvokal in gro Marienb. treszlerb. 34 J.; Fischart Gargant. 71 ndr., elsäss. grow Murner narrenbeschw. 241 ndr. und s. ob. apfelgrog. — seit dem 18. jh. sind schriftsprachlich alle spuren stammauslautender konsonanz des wortes verschwunden (eine jüngere schreibung grawblaw Blancard lex. med. renov. [1735] 420 ist regelwidrig), während die maa. sie z. t. festhalten, z. b. das w aus- und inlautend im obd. (ohne das schwäb.), inlautend auch im thür. und obersächs., in- und auslautend das b für w nach ausweis der wbb. im schwäb., bair.-österr., schweizer. und obersächs., das j (g) im nd., bes. im ond. (grag Flemes Kalenb. 337; Mi Mecklenb. 28; Dähnert plattdt. 159b; grch Kück Lüneb. 606; graag, grΧ Mensing 2, 472), als j, i im elsäss., vgl. Martin-Lienhart 1, 265, als nachschlagendes i im schweizer., vgl. schweiz. id. 2, 832, ferner lothr. und moselfränk. grøy, gráï, gr:χ Follmann 217b; rhein. wb. 2, 1368. zu schweizer. formen mit inlautendem -n- anstelle eines ausgefallenen -w- vgl. schweiz. id. 2, 831. eigentlich adverbialer gebrauch des wortes wider-

spricht der qualitativen grundbedeutung 'graufarbig'; selbst eine wendung wie dasz ich so grau sehe Göthe IV 24, 153 W. ist wohl eher prädikativ als adverbial zu deuten. das gleiche gilt wohl für eine verwendung, bei der die eigentliche, qualitative bedeutung des adjektivs mit einer zweiten, eher uneigentlichen eines scheinbaren adverbs verbunden ist, eine doppelbeziehung auf ein subst. einerseits, ein vb. andererseits, die das sprachgefühl über adjektivische oder adverbiale funktion des wortes in zweifel bringt. das zwielichtige dieses in poetisierender sprache begegnenden gebrauchs bedeutet einen gewinn an stimmungsgehalt: und hinter uns kam grau die nacht geschlichen

Eichendorff s. w. (1864) 1, 507; und regen regnet grau dahin

Weinheber s. w. 2, 320 Nadler. schlieszlich scheint auch in partizipialverbindungen wie grau gekleidet, grau besäumt, grau durchklüftet u. ä. kein eigentlich adverbialer gebrauch vorzuliegen, sondern eine attributiv zu deutende beziehung des adj. grau auf das dem part. zu entnehmende substantiv. A. als farbbezeichnung im eigentlichen sinne. grau bezeichnet verschiedengradige mischungen von schwarz und weisz, aber auch stark verblichene andere farbtöne, allgemeiner schlieszlich jede schmutzfarbe. aus der fülle möglicher gebrauchsweisen im umkreis des sichtbaren sind im folgenden nur die häufigsten ausgewählt. 1) als abstrakte farbqualität. in der glossierung lat. farbbezeichnungen seit dem ahd. besonders für canus, z. b.: cana grai (l. wohl graiu) (9. jh.) ahd. gl. 1, 79, 12 St.-S.; vgl. ebda 2, 709, 28; canus graw oder weysz von elte Frisius dict. (1556) 182b. andere, ebenfalls mehr weiszliche [Bd. 8, Sp. 2074]

farbtöne glossierend: pallidum satcra Notker 1,

472, 12 P.; grau albus Wachter gl. (1737) 609. für mehr bläuliche oder grünliche farbschattierungen, besonders für glaucus: glauci grauvin (11. jh.) ahd. gl. 2, 636, 63 St.-S.; (12. jh.) ebda 688, 55; glaucus, subviridis, caeruleus ... gra, wie katzen augen Er. Alberus dict. (1540) E 2b. für ins schwärzliche spielende farbbezeichnungen: criseus grawer (12. jh.) ahd. gl. 3, 419, 55 St.S.; grau griseus ... in der mischung etwas mehr schwarz als weisz habend Behlen forst- u. jagdk. (1840) 3, 487; murinus color graw, meuszfarb Frisius dict. (1556) 858b. anderes vereinzelt. als abstrakte farbbezeichnung vor allem in der verbindung graue farbe: schiltes rantt, der waz von grawer farw erkant

Göttweiger

Trojanerkrieg 18 616 Koppitz; die grauen schmutzigen farben ... miszfallen ihm Herder 22, 60 S. jünger in der substantivierung das graue, wofür aber das grau, n. (s. d. 1) sehr viel geläufiger ist: dasz das graue den schatten repräsentire Göthe II 5, 1, 63 W. 2) in der anwendung auf den menschen ist eigentlicher gebrauch nur in der farbbezeichnung für bestimmte körperteile gegeben. a) vom ergrauten haupt- und barthaar. α) als blosze sachverhaltsbezeichnung, aber oft auf alter, sorge oder auch erschrecken als ursachen des grauwerdens anspielend. am geläufigsten in der attributivverbindung graues haar: craiu harir (canos) (gen. 42, 38) (8./9. jh.) ahd. gl. 1, 274, 17 St.-S.; ir (der minne) sint vier unt zwênzec jâr vil lieber danne ir vierzec sint, und stellet sich vil übel, sihts iender grâwez hâr

Walther v. d. Vogelweide 57, 31 Kraus; besser graw haar, denn gar keines Petri d. Teutschen weiszh. (1605) K 6a; ich (Schiller) bin der einzige sohn, und mein vater fängt an graue

haare zu bekommen (1780) Schiller br. 1, 14 Jonas. sprichwörtlich:

[Bd. 8, Sp. 2075]

sorge machet grâwez hâr, sus altet jugent âne jâr

Freidank bescheidenheit 119 Bezzenberger; vil sorg vnd jar machen grawe har

S. Franck sprichw. (1545) 1, 44a. daneben: nu bistu gar ein alder man an manigen grawen locken

passional 299, 49

Köpke; noch steht er vor mir mit dem redlichen antlitz von grauen lokken umflogen Schubart leben (1791) 2, 126; das treppenhaus vertheidigt der portier und schüttelt grimmig seine graue mähne

moderne dichtercharaktere 154 Arent-C.H.; deine grauen schläfen sind gefährlicher (als die jugend eines nebenbuhlers) Hechenröder du mich bitte auch (1955) 37. bildlich grauer schnee der haare: und eh es halb vergangen, was man zu leben hat, bedeckt der graue schnee die vorhin gelben haar

Gryphius trauersp. 386 Palm; vgl. 422; du feyrst im grauen schnee, der deine haare deckt

(1747) Wieland I 1, 1 akad. grauer bart: eyme herolde mit eyme langen groe barte (1406) Marienburger treszlerb. 415 Joachim; sein grauer bart fiel bis zur brust herab Mörike w. 3, 32 Göschen. seltener: der alte schwieg. das haupt gesenkt, die grauen wimper thränen-getränkt

Dingelstedt ged. (1845) 213. in den gleichen beziehungen auch prädikativ, in den verbindungen grau sein, werden, sich färben: im widergienc ein ritter alt, des bart al grâ was gevar

Wolfram v. Eschenbach Parzival 446, 11 L.; es seye jhm auch bart und haar dieselbe nacht (in der gesellschaft von geistern) gantz grau worden, wiewol er den abend als ein dreissig jähriger mann mit schwartzen haarn zu bethe gangen seye Grimmelshausen Simpl. continuatio 76 Scholte; seine haare fiengen erst an sich grau zu färben Pfeffel pros. versuche (1810) 5, 10; ihr haar ist grau und dünn Gerhart Hauptmann Rose Bernd (1904) 38. auch grau von haaren, älter des haares (sein): ih bin sô alt der jâre niht, sô man mich grâ des hâres siht

minnes. 1, 105a

v. d. Hagen; sieh! wer sind denn diese da, so grau von haaren

Schiller 13, 13 G. β) in mehreren redensartlichen wendungen ist die beziehung auf die sorge als den grund des grauwerdens vorausgesetzt (s. auch 3 b γ). namentlich sich kein graues haar oder keine grauen haare (über etwas) wachsen lassen u. ä. 'sich über etwas keine sorge machen': lasz dir kein graw har darumb wachsen sprichw., schöne weise klugreden (1548) 35b; wegen beschaffung des textes hat sich der alte natürlich kein graues haar wachsen lassen Fontane ges. w. (1905) I 5, 24. vereinzelt in positiver aussageform: wohlsein eines jeden! dasz sie (die fürsten) sich nur darum graue haare wachsen lieszen! Göthe I 8, 32 W. älter auch das haar mit dem bart auswechselnd: Carolstat darff im auch keyn grawen bart wachsen lassen, wie wir bey got vorantwurten wollen, das wir der heiligen bilder in seyn hausz setzen H. Emser verantwortung (1522) D 1b. mundartlich mit anderer nuance und in anderer form: nau kri awer graue hor! (ausruf der verwunderung) rhein. wb. 2, 1369. daneben in ent-

sprechender bedeutung etwas macht jmd. graues haar u. ä.: sîn vil lôsez lunzen machet mir vil grâwen loc, swenne er in ir schôz sich leit

Neidhart lieder 116 Wiessner; welches (die furcht, vater mehrerer unehelicher kinder zu sein) mir nit wenig graue haare machte Grimmelshausen Simpl. 403 Scholte; staatsgeschäfte werden uns keine grauen haare mehr machen Schiller 3, 24 G. γ) in anderer anwendung kann die verbindung graues haar in einer art synekdoche geradezu den begriff 'alter' vertreten: hätte er nicht (recht), so müszte man doch seinen grauen haaren etwas zu gefallen thun (1780) Mozart br. 2, 8 Schied. hier gern mit anspielung auf das alter als die lebensstufe der weisheit: klugheit unter den menschen ist das rechte grawe har, und ein unbefleckt leben, ist das rechte alter (vulgata: cani sunt sensus hominis) weish. Sal. 4, 9; nebst der weisheit meiner grauen haare C. F. Meyer d. heilige (1910) 31. von dorther im älteren sprichwort, das an den spätantiken topos puer senilis anknüpft, vgl. dazu E. R. Curtius europ. liter. u. lat. mittelalter 2 109f. (s. vor allem unten B 1 c β): grawe har stehen wol auff einem jungen kopff sprichw., schöne weise klugreden (1548) 150b. δ) graues haar, grauer bart stehen daneben metonymisch für ihren träger, den alten menschen; wiederum im anschlusz an bibellat. vorbild (genesis 42, 38). frühmhd. substantiviert: so mzzen mine grawe (canos meos) weinente faren zungnaden

altdeutsche genesis

4798 Dollmayr. im übrigen: zühte wellent grâwen bart

Spervogel in: minnesangs frühling 21, 32;

wenn jm ein unfal auff dem wege begegnete, da jr auff reiset, würdet jr meine grawe har mit hertzeleide in die gruben bringen 1. Mose 42, 38; vgl. 1. kön. 2, 6; 9; graue bärt schlagen den feind nicht Grimmelshausen Simpl. 47 Scholte; wenn jetzt von flucht was, und verräterei an meinem grauen haar zu tage kommt, so ist mir das so neu, ihr herrn, als euch

H. v. Kleist w. 1, 395 E. Schmidt. [Bd. 8, Sp. 2076]

b) seltener in der kennzeichnung anderer teile des menschlichen körpers, attributiv und prädikativ. am häufigsten von den augen, hier gern mit den nebentönen des hellen, des scharfblickenden, des klugen u. ä.: die ougen lieht unt grâ bei Lexer 1, 1063; entgegen aber Pallas schnell mit jhren grawen augen hell

Spreng Ilias (1610) 68a; breite stirn und breites kinn, graue, kluge leuchtende augen, kurz geschnittenes, graues, sprödes haar und ein bart von gleicher art und farbe W. Raabe s. w. I 3, 6 Klemm. vom gesicht: da sieht das falt'ge antlitz er erbleichen; rauh tönt der graue mund (eines greises) mit herbem spott

A. v. Droste-Hülshoff ges. schr. 2 (1878) 233; die wangen der schönen frau waren grau Gutzkow ritter v. geiste (1850) 6, 431; mit einem ... ausdruck tiefinnerster zufriedenheit in seinem ... grauen gesicht M. v. Ebner-Eschenbach ges. schr. (1893) 5, 116; unsre gesichter sind grau, verfallen, von qual zerstört Ernst Wiechert d. todeskandidat (1934) 25. in anderer beziehung nur gelegentlich: seine grauen soldatenfinger stopfen alles zurecht Voigt-Diederichs mann u. frau (1923) 95. c) speziell in medizinischer fachsprache, attribu-

tiv in der benennung krankhafter erscheinungen oder anatomischer einzelheiten am menschlichen körper. bereits seit dem 16. jh. als grauer star (im unterschied zum schwarzen und grünen) name einer augenkrankheit, bei der die pupille einen grauen reflex gibt: der grawe star, cinerea cataracta, so dieser star recht zeitig und reiff wird, so erscheinet er im anschawen graw, als eine asche oder büchene rinde Bartisch augendienst (1583) 49a; er ist fast ganz blind, will sich im nächsten frühjahr den grauen staar operiren lassen (1888) G. Freytag br. an seine gattin (1912) 267. die graue substanz des gehirns oder rückenmarks: im rückenmark liegt die graue substanz zentral, die weisze an der oberfläche. im gehirn finden wir die graue substanz an der oberfläche (als rinde) und im innern (als zentrale graue kerne) ... die graue substanz des zentralnervensystems besteht vorwiegend aus nervenzellen A. Waldeyer anatomie d. menschen (1942) 1, 75. anders: die basis des hirntrichters ist von einem ringförmigen blutbehälter umgeben, welcher kleine venen aus dem grauen höcker, dem trichter, dem hirnanhange und dem keilbeine aufnimmt Sömmerring menschl. körper (1839) 3, 2, 274. 3) von grau als bezeichnung einer haarfarbe her in metonymisch erweiterter anwendung auf körperteile des menschen oder auf seine ganze person im sinne von 'graufarbige haare tragend'. a) namentlich seit alters graues haupt, grauer kopf. α) 'haupt mit ergrautem haar': du (Apollonius) wurst kunig da, das hab auff meinem haupte gra (bei meinem grauen haupte)

Heinrich v. Neustadt Apollonius von Tyrland 4861 Singer; ein bawersmann, der ein graw haupt und einen

schwartzen bart hett Kirchhof wendunmuth 200 Öst.; dann stützte er den arm auf das knie und den grauen kopf in die hand, um sich zu sammeln Ric. Huch kampf um Rom (1925) 126. mit dem nebenton 'weise' oder 'ehrwürdig': Friederich mag sein graues haupt hinsenken in die zukunft

Klopstock oden 2, 22 M.-P.; wenn sie ihn gefangen nähmen, als rebell behandelten, und sein graues haupt — Lerse, ich möchte von sinnen kommen Göthe I 8, 148 W. β) in noch weitergehender übertragung metonymisch für den alten menschen selbst, ähnlich wie oben 2 a δ: mîn sun andonde (kränkend) daz mîn grâuua houbet Notker 1, 691, 13 P.; nur das unwürdige weib, das schon so viel [Bd. 8, Sp. 2077]

kummer über sein graues haupt gebracht, verliesz ihn nicht Treitschke dt. gesch. (1897) 3, 252; was aber die grauen köpfe im rat bewegte, das war dieses W. Raabe s. w. I 6, 178 Klemm. auch hier die bedeutung 'ehrwürdig' einbeziehend: stee auff vor dem grauen haubt: vnd ere das bilde des allten erste dt. bibel 3, 426 Kurr., vgl. 3. Mose 19, 32; du solt den grawen kopff ehren Luther 53, 212 W.; nachdem uns 6 graue häupter zur bewillkommung entgegengeschickt waren Schnabel insel Felsenburg 4 (1744) 201. b) auf den ganzen menschen bezogen, ist grau im sinne von 'grauhaarig' oft von der uneigentlichen bedeutung 'alt, bejahrt' (s.B 1 a) nicht sicher zu unterscheiden. α) in attributiver anwendung, oft in der verbindung alt und grau, die für grau den sinn 'grauhaarig' zu bewahren scheint, während sie ihn im prädikativen gebrauch (s.B 1 a β ββ) fühlbar preisgibt. am geläufigsten in der verbindung mit mann: canus, ein grob man uel grab har (bair. 1432) in: Frommann zs. f. dt. maa. 4, 294a; es

waren viel grawer alter menner und weiber, auch wol bettler und böse buben zu Jerusalem, da Salomon, ein jüngling bey 20 jaren, ein herrlicher könig ward Luther 53, 479 W.; da sie nicht weit von dannen ein hausz erblickten ..., für selbtem einen alten grauen mann ... antraffen Lohenstein Arminius (1689) 1, 1123a. anderes mehr gelegentlich: im widergienc ein rîter alt, des part al grâ was gevar ... Parzivâl bôt sînen gruoz dem grâwen rîter der dâ gienc

Wolfram v. Eschenbach Parzival 446, 23 L.; ist diese wahrheit allgemein, und trifft sie auch die grauen alten ... was darf sich denn die jugend viel (beklagen)

Gottsched ged. (1751) 1, 279; nun litt ich das, ihr herren, um jenes grauen, unwirschen alten willen H. v. Kleist w. 9, 190 E. Schmidt; Raphaels ewiger vater steht wie ein grauer greis: ist das der gott, der da bleibet, wie er ist? Herder 3, 256 S. β) in der substantivierung gelegentlich hierher, meist freilich zu B (s. d. 1 a γ): canus eyn grawe (nd. 15. jh.); grawer (s. l. e. a.) Diefenbach gl. 96b; wie gfelt mein alter grauer dir, der verdrossen karg neidisch hund?

Ayrer dr. 2262 lit. ver.; und der alte mann nahm die alte graue (frau) beim vertrockneten ohr G. Keller ges. w. (1889) 3, 132. γ) prädikativ und halbprädikativ in einer reihe verbaler wendungen. grau sein, grau werden: dô sach er sitzen dâ einen man, der was grâ, sîn hâr von alter snêwîz

Hartmann v. Aue Erec 275 Haupt; im alter ist er (Karl d. Grosze) ganz grâb gewe-

sen, ist im wolund êrlich angestanden Aventin bayer. chron. 2, 151, 27 Lexer; der arme Fritz ist ganz grau geworden. geht mir übrigens ebenso Moltke ges. schr. u. denkw. (1892) 6, 414. in präpositionaler erweiterung den anlasz des grauwerdens bezeichnend: ach, Minne, lâ mir gelingen! ich bin grâ von den dingen daz diu liebe smâhet mich alsô vesteclich

Uolrich v. Winterstetten in: dt. liederdichter d. 13. jhs. 512 Kraus; des huoten zwêne rîter dâ, die wâren beide von alter grâ, baz danne hundert jâr alt

Wirnt v. Gravenberc Wigalois 7090 Kapteyn; ich bin schir graw worden vor sorgen

Hans Sachs 17, 44 lit. ver.; durch dein sehnliches entbehren werd ich vor den jahren grau

J. Chr. Günther ged. (1735) 263. in der kopulativen wendung alt und grau werden weist grau stärker nach B (s. d. 1 a β ββ). in halbprädikativer verwendung unfest: [Bd. 8, Sp. 2078]

dasz weiber gern dem staate sich ergeben, und leben, um geputzt zu leben, darüber sorgt der mann sich grau

Gellert s. schr. 1 (1784) 297. in der wendung die sorgen machen grau, auf der grenze zur uneigentlichen bedeutung 'alt'; sprichwörtlich: der ist arm, den sorgen graw machen Lehman floril. polit. (1662) 3, 38; kummer und sorgen machten ihn lange vor der zeit grau U. Bräker s. schr. (1789) 1, 168. die wendung jmd. oder etwas macht jemanden grau u. ä. hat, wie die entsprechende verbalbindung unter 2 a β, die prägnante bedeutung 'jmd., etwas macht einem sorge, kummer': Condwîr âmûrs vrumt mich (Clâmidês) grâ

Wolfram v. Eschenbach Parzival 219, 23 L.; die weil jch gepredigt hab, hat man mich auff eyner seyten gescholten eynen heuchler der herren, auf der anderen einen heuchler der gmayne, jch lass mich sollichs wölfs heulen nit graw machen Eberlin v. Günzburg s. schr. 3, 259 ndr. c) viel seltener, im anschlusz an 2 b, im sinne von 'graue gesichtsfarbe habend' auf den ganzen menschen bezogen. so in der wendung etwas macht jemanden grau: Auguste stand der brautstaat nicht vorteilhaft, das milchweisz des starren kleides machte sie grau Cl. Viebig die vor d. toren (1949) 61. ähnlich in reflexiver wendung: haar-poudre. welt ist mit ihr selbst nicht einig; grauen macht ihr sonst ein grauen; ietzo siht man grau sich machen junge jungfern, junge frauen

Logau sämtl. sinnged. 113 lit. ver. 4) in anderer metonymischer erweiterung von personen oder auch gemeinschaften in grauer kleidung, soviel wie 'grau gekleidet'. a) vornehmlich von bestimmten mönchsorden nach der grundfarbe ihrer tracht, vom mhd. bis ins 16. jh., jünger nur historisierend oder unbestimmt; terminologisch, aber nicht einheitlich und konstant. satirisch von der vielzahl der ordenstrachten: wiewol etliche in schneeweisz, etliche in kohlschwartz, die andere in eselgraw, inn grasgrün, in fewrrot ... gekleidt gehn, ... der eine mönch graw wie ein spatz, der ander hellgraw wie ein klosterkatz Fischart binenkorb (1588) 26a. α) grauer mönch. so zunächst und zumeist von den zisterziensern (die aber auch weisze mönche genannt wurden) im unterschied zu den schwarzen (benediktiner-) und weiszen (prämonstraten-

ser-)mönchen, vgl. dazu Gaupp german. abhandl. (1853) 94 ff.; Buchberger lex. f. theol. u. kirche 10, 1078: al vare he ut binnen enem jare, alse grawer monecke recht stat Sachsenspiegel I 25 § 3 (dazu Gaupp a. a. o.); ein munich von Citirz hette unser wrowen lip van alle sime herzen ... da sag er (im himmel) aller der hande orden di man uf ertriche kan winden: swarz orden und wize ... van sin orden, grawe mniche, sag er dinhein sele in himelriche d. hl. regel 61 Priebsch; in disser duren spiseden de grawen monnike (des zisterzienserklosters Riddagshausen) ... alle dage mer denn veirhundert volkes mit brode (14. jh.) städtechron. 7, 186; grawe munich u. ä. für cisterciensis mehrfach in hd. und nd. glossaren des 15. jhs., vgl. Diefenbach gl. 124a. historisch referierend: das sumpfige waldtal ... das war die echte zisterzienserlandschaft; sie in kulturland umzuwandeln, das war die aufgabe des klosters. daraus erhellt die bedeutung der 'grauen mönche', wie sie ursprünglich von der farbe ihres skapulieres hieszen, für die deutsche ... bodenkultur Wimmer gesch. d. dt. bodens (1905) 97. daneben für die franziskaner und andere bettelorden, die wahrscheinlich zunächst graue statt der späteren braunen tracht trugen. gelegentlich wohl schon in mhd. zeit, wenn der folgende nachweis auf bettelmönche zielt (s. auch unt. γ): ze Wienne, sô man ezzen wil, sie strîchent umbe nâch der pfrüent, vor der herren tisch sie lüent sam die kelber nâch den küen. ein grâwen münich möht ez müen Seifried Helb-

ling 111 Seemüller. [Bd. 8, Sp. 2079]

durchweg im 16. jh.: die franciscaner und grauen mönche haben erstlich sich gerühmet, als lebeten sie nach dem euangelio Christi Luther

tischr. 4, 165 W.; 5, 676; 3, 466; zu den grawen münchen, die man barfuser nennet odder minores Luther 18, 236 W.; vnd sag mir hie fein kürtzlich an, was doch die vrsach gründlich war des zorns in der beschornen schar der schwartzen münch (der dominikaner) hie mit den grawen (den franziskanern)

Fischart St. Dominici leben v. 261 Kurz. so in der jüngeren lexikalischen tradition, vgl. Henisch (1616) 1733 s. v. grawbrder, grawmünch; Campe 2 (1808) 445a. daneben für einen bestimmten zweig der benediktiner: ebenso hieszen die vallombrosaner graue mönche Buchberger lex. f. theol. u. kirche 4, 654. in den gleichen spezifischen anwendungen neben graue mönche auch graue brüder, vgl. Buchberger a. a. o. 4, 654. jünger an die vorstellung einer bestimmten ordenstracht nicht mehr gebunden und wohl überhaupt komplexer empfunden: grauer mönche chor kniet betend, kerzen flammen hoch empor (bei einer totenfeier)

A. v. Droste-Hülshoff ges. schr. 2 (1878) 211. β) entsprechend graue nonne zunächst wohl auf die gleichen orden zu beziehen wie unter α, wenn auch in den nachweisen nicht immer erkennbar: ich enpfilhe euch der von Wirtenberg schwester, ain hailige grawe nunnen, der mich got und die mir got gar geträulich geben hat (1346) Heinrich v. Nördlingen in: Margaretha Ebner 249, 63 Strauch; cisterciensis grawe nonne, num (md. 15. jh.) Diefenbach gl. 124a; zu den grawen nonen sol der Plarer ... gan (1528) bei Fischer schwäb. 3, 808. graue nonne, graue schwester daneben aber in speziellerer anwendung: graue schwestern (od. g. nonnen), seit dem spätmittelalter volkstüml. name für spitalschwestern in Nordfrankreich u. den Niederlanden ..., auch für

beginen gebräuchlich, ferner in neuerer zeit für die barmherz. schwestern ... stehende bezeichnung ist dieser name für die schlesischen grauen schwestern v. d. hl. Elisabeth Buchberger lex. f. theol. u. kirche 4, 654; da es ihr nicht möglich wurde, ... eine 'graue schwester', diakonissin oder schwanenjungfrau zu werden, so hatte sie es ... mit der politik Gutzkow ritter v. geiste (1850) 4, 47. γ) in den älteren (uneigentlichen) verbindungen grauer orden, graues leben, auch hier vornehmlich von den zisterziensern: den grâwen orden er enpfienc in dem klôster Zîtes

(13. jh.) Marienlegenden

106, 6 Pfeiffer; got selbe der gab uns die ê ... dô gap nâch der selben frist sant Bernhart daz grâwe leben

Seifried Helb-

ling 97 Seemüller; ain manscloster Citeler ordens, in den gaistlichen rechten genant der grau orden (1531) Knebel chron. v. Kaisheim 8 lit. ver. im folgenden beleg wohl nicht auf die zisterzienser zielend, sondern in früher anwendung auf die bettelorden: welch ein orden bist dû, werde ritterschaft! vil herter dan Franzisse und aller grâwen orden sî, Benedic, Dominic, Augustîn dâ bî, swer dich mit wird wil tragen sunder misse

Lohengrin 5378 Rückert. jünger ist grauer orden das mönchsleben überhaupt: der Isegrim derselbe war, auf eine zeit ein munch geworden: weil ihm das glük zu wieder gar, vnd lautbar war sein grausam morden: drum dasz er nicht kehm in gefahr, erwehlet er den grauen orden

Reinicke fuchs

(1650) 185. auch eine frühe übertragung auf die herbstliche natur läszt schon an mönchisches leben schlecht-

hin denken: des hat diu heide sich begeben in grâwen orden

der von Buwenburc 6, 6 in: Schweizer minnesänger 262 Bartsch. [Bd. 8, Sp. 2080]

δ) graues kloster zisterzienser- oder franziskanerkloster: ein herre waz ungenedic eime grawen closter d. hl. regel 75 Priebsch; dat men dat grauwe closter (der franziskaner) uplopen wolde und de monneke darut vorjagen (1531) städtechron. 36, 458; dieses 1271 gestiftete franciscanerkloster (in Berlin), welches von den grauen kappen der mönche, das graue kloster genannt wurde Büsching gesch. d. Berlin. gymnasii im grauen kloster (1774) 2. b) in der kennzeichnung anderer grau gekleideter personen. α) vor allem als graues männlein u. ä. für kobolde, erdgeister, vorwiegend von der kleidung her: ein graues männlein pflegt bey nächtlicher frist durch verschlossene thüren zu ihm einzugehen, die schildwachen habens oft angeschrien, und immer was groszes ist drauf geschehen, wenn je das graue röcklein kam und erschien

Schiller 12, 29 G.; wie aus allen winkeln des zimmers ein kleines graues männchen sie geneckt und gehöhnt habe E. T. A. Hoffmann s. w. 1, 203 Gr. komplexer als kennwort für die geister und für die ganze sphäre des geisterhaften, gespenstischen, spukhaften, wobei zur vorstellung grauer kleidung auch diejenige grauer gesichtsfarbe (s. ob. 3 c) treten kann und der gebrauch sich manchmal uneigentlicher bedeutung nähert, ohne sie ganz zu erreichen: denn hager, grau, wie ungebleichtes leinen, breitköpfig war der geist! ein spinnwebengesicht hatt er! augen hatt er nicht; aber wol eine nase Klopstock gelehrtenrepublik (1774) 390; er ist, wie ein wandelndes hochge-

richt, das unschuldige freuden mordet, wie ein schwark, wie ein grauer spukgeist, als ein wehrwolf und angehender wütrich Fr. L. Jahn w. 2, 696 Euler. substantiviert: der graue (überschrift einer gespensterballade) A. v. DrosteHülshoff ges. schr. 1 (1879) 286; br. Grimm dt. sagen (1891) 1, 185. speziell die graue eminenz. zuerst als l'eminence grise von dem kapuziner pére Joseph, Richelieus berater; wohl von 4 a her, aber zugleich mit dem beisinn des unheimlich im hintergrund wirkenden. von da her auf politiker ähnlicher artung übertragen, so auf Friedrich v. Holstein (†1909), vgl.: J. v. Kürenberg die graue eminenz (21934) titel. β) im anschlusz an die verbindung grauer rock für die feldgraue uniform des ersten weltkriegs (s. unt. 7 a η) auch zur kennzeichnung ihrer träger: zwei landser von der feldküche unterhalten sich mit ein paar grauen jungens aus dem schützengraben Liller kr.-ztg., d. lust. büchel (1916) 16; vertraut als graue kameraden (von soldaten) O. Paust dt. verse (1936) 72. hier auch substantiviert, der graue 'der soldat in feldgrauer uniform': und als das regiment zum weitermarsche antrat, da waren die 'grauen' all eins Liller kriegsztg. kriegsflugbl. inf.reg. 457 (okt. 1917) nr. 4. westfront. 5) in der anwendung auf tiere. in streng eigentlicher beschränkung zur bezeichnung eines körperteils nur selten, meist in metonymischer erweiterung das ganze tier kennzeichnend. im sinne von 'graue haare, graues fell, graue federn habend'. a) vorwiegend, aber nicht ausschlieszlich, in fester attributiver verbindung. α) eine bestimmte tierart kennzeichnend, wie den wolf, den esel, die taube u. a., deren wesentliches kennzeichen die graue farbe ist: i der wolf grawene dorfte dare gahen exodus

in: fundgr. 2, 87, 18;

bau (1579) 118;

lasz dem grauen wolf die herde und dem hunger dein gesinde!

kumpt ir katzen, schwartz vnd grauw, vnd singen mauw vnd aber mauw

Fr. W. Weber Dreizehnlinden (1907) 37; der esel ist graw im mutterleib id. Austriac. 77; da sprach der graue herr (der esel), dein bauch ist voll und satt, und deine weisheit stammt aus dem gefüllten magen (dafür i. d. ausgabe von 1762: das graue thier)

Lichtwer Äsop. fabeln (1748) 121; ein grawe taub war ehe sein bott

Rollenhagen froschmeuseler (1595) F 1b; [Bd. 8, Sp. 2081]

schon über offene matten laufen erdspinnchen grau

Carossa stern üb. d. lichtung (1947) 9. streng eigentlich von bestimmten körperteilen eines tieres: der schnabel (einer nicht benannten vogelart) sihet, wie desz reigers: die füsse fallen, wie der gänse, grau und hornfarb Er. Francisci lust. schaubühne (1697) 3, 210; grau sind seine (des wolfes) zotteln fürwahr, doch sucht man die weisheit nur vergebens dahinter.

Göthe I 50, 163 W. β) daneben zu spezieller unterscheidung innerhalb ein und derselben art: so ist daz dritte ros gra (13. jh.) kl. mhd. erz., fabeln u. lehrged. III nr. 186, 194 Rosenhagen; erstlich ein grawes pferdt er meidet, dann allzeit er ein falbes reitet

Fischart w. 2, 116 Hauffen; den graben hasen und rebhuen soll der richter lassen verpieten (zu jagen) (Wangen 1338) österr. weist. 5, 202; vgl. (1474) 450; (1565) 2, 143; auch zeigtte mann ... eine weisse mauss, auch eine grawe (1491) bei Röhricht pilgerreisen (1880) 231; die groen wachteln seind vil leichter zu zämen dann die gesprängten Sebiz feld-

Murner v. d. groszen lutherischen narren 149 Kurz; ein zahmes reh erschien neugierig unter der thür, eine prachtvolle graue katze folgte G. Keller ges. w. (1889) 1, 179; uns (in der Mark) beschäftigt nicht der pfauen, nur der gänse lebenslauf; meine mutter zieht die grauen, meine frau die weiszen auf

Göthe I 1, 147 W. substantiviert: habe also dem alten sprüchwort nachgelebet: wer zu hofe sein wil, musz itzo oben bald unten liegen und wie jener sagte: die grohe (d. i. die graue kuh) musz ziehen, wohin sie gespannt wird Schweinichen denkw. (1820) 3, 105; schweiz. id. 2, 831; die morgenröthe brach an vnnd herfür, welche ... den armen Santscho Panssa ... sehr betrübt ... machte, alldieweiln er seine grawe zu vermissen begunte Bastel v. d. Sohle junker Harnisch (1648) 306; da er ... beim nächstfolgenden viehmarkte den wohlbekannten grauen (esel) ... in fremde hände gerathen sah ..., so hielt er weitere verwarnungen für unnöthig Holtei erz. schr. (1861) 14, 168. b) graue tiere im vergleich und im sprichwort, meist in unmittelbarem anschlusz an a: der von alter was gevar alsam ein grîsiu tûbe grâ

Konrad v. Würzburg trojan. krieg 10 739; kibitzeneier ... werden vom kibitz, einem vogel gelegt, der ungefähr so grosz wie eine taube und grau wie eine schnepfe ist Brentano ges. schr. (1852) 5, 112; su gr(au) wie en esel rhein. wb. 2, 1368. übertragen: wie mögt ir (bauern) so grab esel sein, dass ir alle habt selbert frawen und thut doch all im schalcksberg hawen (und seid

ehebrecher)

Hans Sachs 17, 161 lit. ver. sprichwörtlich: ein grawer schimmel zeucht eben so wol, als ein roter fuchs Petri d. Teutschen weiszh. (1605) V 3a; in der nacht sind alle katzen graw Faber thes. (1587) 996a; Kern sprichw. (1718) 33; es sieht es ja keiner; bei nacht sind alle katzen grau und es darf bloss nich 'rauskommen Fontane ges. w. (1905) I 6, 40; wer kennt den schelm in tiefer nacht genau? schwarz sind die kühe, so die katzen grau

Göthe I 15, 20 W. 6) seltener im pflanzlichen bereich. a) allgemein als farbbezeichnung für pflanzen oder pflanzenteile: der zam und recht scharlach wachszt inn [Bd. 8, Sp. 2082]

gärten ... bringet zwey kleiner grawer blettlein Bock kreutterb. (1539) 19; es neigt ein weidenbaum sich übern bach, und zeigt im klaren strom sein graues laub

Sha-

kespeare 3 (1798) 318 (Hamlet 4, 7); wie ein beet voll lebendiger pilze, roter, blauer, grauer O. Ludwig ges. schr. (1891) 2, 14. sprichwörtlich: im winter werden die bäum auch graw, der stamm bleibt doch gesundt Lehman floril. polit. (1662) 1, 14. hierher der poetische topos von den gräsern und wiesen, die der tau des frühen morgens grau färbt, seit dem humanismus im anschlusz an dum mane novum, dum gramina canent, et ros in tenera pecori gratissimus herba

Vergil

georg. 3, 325. vgl. schon: so der grauuo rifo uuirt an demo eccheroden touue (cum candens pruina glaciatur tenero rore) Notker 1, 787, 28 P.; der meie hât gekrœnet berc und tal mit manger blüete wilde, die man sach von rîfen grâ

Chuonrat v. Kilchberg in: dt. liederdichter d. 13. jhs. 234 Kraus; in vere ist das allerkostlichste ding, quando aurora venit et ros cadit et coelum ist lauter, et tamen in gramine sihet man, wie es fein graw und kraus die bletter Luther 49, 24 W. (wohl hierher und nicht zu grauen, vb.); dum mane novum, dum gramina canent morgen in aller frühe, wann die wiesen vom thaw gar graw sind Corvinus fons lat. (1646) 145; vgl. ferner bei Schönaich ästhetik 27 Köster; alle gräser waren noch grau vom thau Kahlenberg Eva Sehring (1901) 35. b) daneben in spezieller kennzeichnung bestimmter pflanzenarten oder fruchtsorten: cana mala grawa epphila (12. jh.) ahd. gl. 2, 676, 40 St.-S.; eine gewisse sorte grauer kleiner äpfel, die er seit vielen jahren der fürstin witwe zu verehren gewohnt war Göthe I 24, 304 W.; cicera ... schwartzlecht kicheren, graw erbs Calepinus XI ling. (1598) 236a; rumex scutatus L. grauer ampfer Dietrich vollst. lex. d. gärtn. (1802) 8, 325. von weintrauben: 'graue' Clevner, im unterschied von schwarzen schweiz. id. 2, 831. substantiviert: die gute graue (birnensorte) Dietrich vollst. lex. d. gärtn. (1802) 7, 691; Fischer schwäb. 3, 808. 7) in der anwendung auf menschliche gebrauchsgegenstände an mehreren stellen sehr ausgeprägt. a) besonders von der kleidung und einzelnen kleidungsstücken, meist in attributiven verbindungen wie graues kleid, grauer mantel, besonders grauer rock, aber auch prädikativ. α) ärmliche kleidung und die tracht von personen niederen standes, besonders die der bauern kennzeichnend, vgl. dazu W. Wackernagel kl. schr. 1, 190 ff.: nû wil ich iu sagen umbe den bûman, waz er nâch der pfaht solte an tragen:

iz sî swarz oder grâ, niht anders reloubet er (Karl d. gr.) dâ

kaiser-

chron. 14793; er (ein ritter) waz mulich gevangen und beschatzet also sere daz er niht het mere wan vil bœse grawe cleit

(13. jh.) kl. mhd. erz., fabeln u. lehrged. III nr. 175, 19 Rosenhagen; trugen auch bettler ... kleydungen, welche graw Zinkgref-Weidner teutscher nation weish. 3 (1653) 35; und ein so armes pfert reit

(Morolf) verbarg ... sîn vil schône wât ein grâwen roc leit an der wîgant, zwêne grôze schwe

tuch für den träger desselben steht: dem grauen tch msz mann also thn, es kemen sonst die schaben drein (zu 'demut') S. Franck sprichw. (1541) 1, 121b; schweiz. id. 2, 831. β) die gleichen oder entsprechende verbindungen begegnen für geistliche gewandung oder sonst für eine bestimmte, aus religiösen gründen gewählte kleidung, nicht ohne inneren zusammenhang mit α. so für die tracht des pilgers, des büszers und des freiwillig armen, vgl. dazu W. Wackernagel a. a. o. 183: ouch dede hey an dar na eynen alden kotz gra der was des armen (pilgers) gewesen

Karlmeinet A 259, 30 Keller;

Salman u. Morolf 701, 4

Vogt; solts darz noch eyn schand vnd vnrecht sein, mit den eynfeltigen vnd armen bauren eyn grawen rock tragen? a. d. kampf d. schwärmer gegen Luther 43 ndr.; [Bd. 8, Sp. 2083]

hie vor in kurzen jarn was kain paur so reich, si muosten all geleich grabe mäntl an tragen ... ain grabe kappen und ein pösen huot und ain kittl hänfein und ein joppen leinein. fastnachtsp. 440 Keller.

historisierend: wie Andreas Bodenstein von Karlstadt, der den doktorhut mit dem grauen filzhut des bauern vertauschte W. Riehl d. dt. arbeit (1861) 211. im sprichwort: grae rock reysz nit herrn huld erbt nit

Tappius adag. cent. septem (1545) R 5a; es stecket offt grosse weisheit vnder einem grawen mentelein Friedrich Wilhelm sprichwörterreg. (1577) C 1b. hierher wohl (und nicht von b her) in einem älteren sprichwort, in dem graues

von ungelucke ez dô quam, daz im (Tristrant) der grâwe rock zureiz, dar dorch man abir, got wol weiz, sach scharlachin glîzzin

Eilhart v. Oberg 7823 Lichtenstein; vgl. 7446; und soltent alle die die do werent in dem rote, mit krutzen gon barfz in grouwen menteln ... und so der krutzegange zerginge, so soltent sü ... die grouwen kleider armen lüten geben (Straszb. 1362) städtechron. 8, 137; als der mey kam, nam herr Tristrant grauwe kleyder an sich, als ein bilgram buch d. liebe (1587) 101. historisierend: hilf himmel! schwester Berta, bleich, im grauen pilgergewand (d. h. als bettlerin)

Uhland ged. u. dramen (1876) 2, 169. bei Luther gern von der bewuszt einfachen kleidung der schwärmer und wiedertäufer, deren wahl er einer falschen religiösen demut zuschreibt: (Karlstadts anhänger) zihen einen grawen rock ahn, setzen einen grawen hudt auff, unnd stecket doch ihr hertz voller hoffart unnd begirt nach grosser ehr w. 47, 359 W.; vgl. tischr. 6, 15; alle bücher u. schr. (1556) 6, 317. vor

allem, ob. 4 entsprechend, vom mönchsgewand, allgemein oder auf einen bestimmten orden zielend: sin cleit was ein kutte gra und lag sin closter nahen da

Ulrich v. Türheim Rennewart 8887 Hübner; in groen parfuserkutten (Nürnberg 1480) städtechron. 10, 360; kum har, begin im grawen kleid

Niclas Manuel 7 Bächtold; das die orden beid im grawen vnd im schwartzen kleid auch wider einander predigen (franziskaner u. dominikaner)

Fischart s. dicht. 1, 144 Kurz. einen grauen rock antun, anziehen u. ä. 'mönch werden': und (ich) solt einen grawen rok antn Tauler pred. 255 V.; wie man soll fromm werden, darnach fraget man. ein barfüszermönch spricht: zeuhe eine graue kappe an, trag ein strick und platte Luther tischr. 6, 156 W.; vgl. w. 47, 800. in einer polemischen wendung der reformationszeit stehen die grauen röcke prägnant für die mönche: gott gebe das sie zürnen müssen, biss die grawen röck vergehen (d. h. immer, ohne ende) Luther 11, 247 W.; Petri weiszh. (1605) Ss 1a. ebenso: [Bd. 8, Sp. 2084]

so sag mir eins du grawe kutt, was stellest du nach meinem blut? ... die zeyt ist noch nit gangen hin das werd gerochen alles leyd, das sey dir gsagt du grawes kleyd (randbem.: zu den barfüszern klöpperen)

Hutten schr. 3, 510; 511 Böcking. γ) für sich steht die verbindung grauer rock als bezeichnung des legendären gewandes Christi, des 'ungenähten rockes', wohl in der sprache der pilger, vgl. W. Wackernagel a. a. o. 183: zu sante Johanse zu Rôme dô ist ... der grâwe rok

unses herren, in der kappellen di dô heizet zu Salvatori (1343—49) Hermann v. Fritslar in: dt. myst. 1, 69, 11 Pfeiffer; vgl. noch anm. zu 345, 39. so namentlich im Orendel, hier auch für den könig Orendel selbst als den finder und träger des rockes: do er in (Orendel) von ferren ane sach, gern mügent ir hœren, wie er sprach: 'got grüez iuch, hêr Grâwer Roc'

Orendel 842

Berger. δ) grauer rock als gewand des armen sünders: und sol in drei tag danach setzen bei der fleischprucken in den stock

fastnachtspiele 157 Keller (vgl. auch s. v. rock sp. 1097). ε) als charakteristische farbe für die kleidung der witwen oder älteren frauen, in jüngerem gebrauch: anlegen ein langen groen rock

und im grauen witwenhemde schleich' ich durch den grünen wald

W. Müller ged. 219 lit.-denkm.; ich sehe eine alte frau im grauen kleide Storm s. w. (1899) 1, 59. ζ) im gegensatz zu α, aber viel seltener, als farbe von pelzgewändern oder modisch vornehmer kleidung (s. noch unt. b): (der geist eines toten) hat ein weise schlaffhauben ufgehapt, einen weisen bart und dann ein langen, groen nachtbelz Zimmer. chron. 24, 173, 11 Barack; grau engelisch wil ich mich kleiden (1531) bergreihen 99, 34 ndr. fraglich, ob hierher, das engelsch grow bei Th. Murner narrenbeschw. 241 ndr., vgl. dazu den kommentar des herausgebers. hierher vielleicht die wendung sich einen grauen rock verdienen als lohn für angeberei, verleumdung, wie entsprechendes sich einen roten rock (die hoftracht) verdienen durch augendienerei, vgl. s. v. rock I 5, sp. 1096 u. unten graurock: weicht ausz, ir frummen erbren gsellen,

die grouwen reck nit verdienen wellen! disser standt hort myr hie z, das ich manch vnnutz schwetzen th. doch hab ich etwas gtz dor von: eyn groen rock nym ich z lon

dies namentlich in der häufigsten verbindung graues tuch, vgl. fachsprachl. graues tuch für ungefärbtes, weniger wertvolles s. v. tuch II C 2 b α, sp. 1469 f. u. A. Schulz höf. leben 21, 324:

Murner schelmenzunft 18 ndr. η) von der uniform des deutschen soldaten seit dem und besonders im ersten weltkrieg, abkürzend für feldgrau, vor allem in poetischer sprache: was tust du, kind, im grauen rock, in dem dein bruder stritt und litt? ... mein bruder starb im grauen rock, drum ist's ein zweifach ehrenkleid

Flex im felde zw. nacht u. tag (1918) 6; schnitterfäuste greifen hart ins gewehr, das überm grauen kleid am riemen hängt zu schlag und schusz bereit

ebda 56. θ) in unspezifischer anwendung jüngerer sprache: deine wäsche schicke nur gerade her, dein graues beinkleid ist wenigstens noch im hause zu tragen (1823) Beethoven s. br. 4, 322 Kalischer; zwei junge menschen in gewöhnlichen grauen überröcken Moltke ges. schr. u. denkw. (1892) 1, 128; es war ein langer, hagerer, grau gekleideter mann O. Jahn Mozart (1856) 4, 566. b) in der anwendung auf graufarbige tuche und stoffe: lach ingrau wer (sacellum crisium) (12. jh.) ahd. gl. 3, 344, 34 St.-S.; item 12 m. deme vischmeister us der Scharffow vor eyn gro laken deme meister Marienburger [Bd. 8, Sp. 2085]

treszlerbuch (1399—1409) 34 Joachim; die wände waren bis zur halben höhe mit grauem stoff bespannt Carossa d. tag d. jungen arztes (1955) 126. häufig, a α entsprechend, mit bezug auf die kleidung des armen, des bauern, des bedienten: man urloubt im (dem bauern) hûsloden grâ und des vîrtages blâ

müller.

Seifried Helbling 69 See-

er (der herzog) sol sich bewegen an sîniu bein ze legen (wie ein bauer) zwô hosen von grâbem tuoche

Ottokar österr. reimchron. 20 020 Seemüller; verdinget ein beghartsrock und kappen z machen von einem wsten groben grawen hotzentuch Wickram w. 2, 377 lit. ver.; gleichsam, als wenn es recht eigentlich auf seine demüthigung abgesehen wäre, wählte man ihm graues bediententuch zum kleide Moritz Anton Reiser 145 lit.-denkm. auf den geringen wert des grauen tuchs spielt das sprichwort an: an worten vnd grawem tch geht vil ein S. Franck sprichw. (1541) 1, 88a; vgl. Körte sprichw. (1837) 502. substantiviert, wohl ohne rücksicht auf die qualität: unde de rat scal om gheven ... vij elne grawes (ein in Braunschweig fabriziertes tuch) Mychaelis (Braunschw. 1417-26) städtechron. 6, 250; Lützelburger grawes wollenstoff aus Luxemburg (15. jh.) schweiz. id. 2, 831. seltener kennzeichnet grau die kostbaren pelze oder stoffe vornehmer gewandung (doch s. noch unt. grau, n. 2 c α u. grauwerk): roc und mantel wâren lanc: breit swarz unde grâ zobel dervor man kôs aldâ

Wolfram v. Eschenbach Parzival 168, 13 L.; Gottfried v. Straszburg Tristan 10 927 R.; dorczu eyn feschen mit groem wergk vnd sust acht falken (1428) urkundenb. d. st. Lübeck 7, 249; vgl. (1457) 9, 519 (s. unten grauwerk); de vrouwe schal nene hermelen noch grawe rugghe (d. i. rückenfelle des grauen eichhörnchens)

dregghen ebda 9, 212; vgl. (1467) 11, 320; item der Tomasin hat mir 4 eln grau damast geschenckt zu einen wammes Dürer tageb. (1884) 9. so auch graues tuch, als 'standesgemäsze farbe der junker' für das 16. jh. nachgewiesen in: schweiz. id. 2, 831. c) von nahrungs- und genuszmitteln, vor allem in spezifizierender anwendung, art oder sorte bestimmend. so graues brot (anders unter 8 b), graues mehl ohne weizengehalt: im jar 94 haben die säw bei Carlstatt am Mayn ein materi in der erden funden, das sie gefreszen etc., darausz man auch brot, doch graw, gebacken (vorher ist die rede von weiszem brot) Kirchhof wendunmuth 2, 471 Öst. im vergleich: pfui, und der staub! man watete wie durch graues mehl Cl. Viebig die vor d. toren (1949) 8. ferner: überdem einig saltz stârcker als das andere saltzet, wie denn das graue stärcker als das weisse allg. haush.-lex. (1749) 1, 25a. substantiviert von einer weinsorte: grauer (d. i. Klävner wein) Metzger pflanzenk. 915; vgl. schweiz. id. 2, 831; es zieht des wirts grauer die gäste bald wieder an die tische, und die gäste machen sich mit mut hinter des wirts sauern grauen in schönem glauben, der graue sei ein ungeschwefelter, ungemischter wein Jer. Gotthelf s. w. 14, 205 Hunziker-Bl. d) auch in der beziehung auf viele andere dinge des menschlichen gebrauchs dient grau dazu, eine spezifische art zu bezeichnen, so z. b. grauer pfennig älternhd. im unterschied zu weiszem (s. auch grauweisz): 4 graber phenning (1465) bei Fischer schwäb. 3, 808; der newen graben Wienner pfenning. und der weissen Wienner phenning und ander phening (1479?) monum. Habsburg. I 3, 342 Chmel; vgl. 341, ferner v. Schrötter wb. d. münzkde (1930) 618. älter für

eine bestimmte art von salben: nim rein gepüluerte thucia ... rhür die thuciam (in die butter) ... rhürs stehts, bisz es kalt würdt, so [Bd. 8, Sp. 2086]

würdts ein grawes sälblin Gäbelkover artzneyb. (1595) 1, 92; grau driackel empl. diachylum simplex (droge) Walbaum synonima id. Lubecensia (1769) 375 in: arch. d. pharm. 149 (1859) 375 Bley. zur kennzeichnung einer papiersorte: graw papir ... papyrus nigra Henisch (1616) 1734; man ... wiederhole das experiment mit weiszen, schwarzen, grauen papieren Göthe II 2, 33 W.; daher löste ich meine groszen gefärbten oder grauen kartons von den blendrahmen G. Keller ges. w. (1889) 3, 75. hierher innerhalb der künstlichen unterscheidung meistersingerlicher töne nach farben: Regenpog in dem graben don III lied Bartsch meisterl. d. Kolmarer hs. 105 passim; Hans v. Nor:(lingen) graben thon Regenpogen Hans Sachs gemerkbüchl. 3 ndr. (ebda guelden radweis; rotten thon Zwingen; ebda 5: schwarczen thon Hans Fogl u. ä.). 8) auf gegenständliches im bereich der unbelebten natur angewandt. a) fachsprachlich oder halb fachsprachlich in spezifizierender zuordnung zu bestimmten mineralischen, metallenen oder chemischen stoffen: chelonitis grauer schwalbenstein (obd. 15. jh.) Diefenbach nov. gl. 83b; vnd ist dasselbe ertz (alaun) ein grauwer vnd schwartzer, harter, steiffer stein Thurneysser magna alchymia (1583) 67; der graue ackerboden, so ein wenig fahlbig mit aussiehet, als wie mörgel Hohberg georg. cur. 3 (1715) 7. buch 13a; das ist zwar nichts neues, wann unter dem grauen aschen glende kohlen verborgen liegen Abr. a s. Clara etw. f. alle (1699) 1, 239; die graue wacke an dieser seite ist glimmerig Göthe II 9, 155 W. grauer schwefel 'erdiger rohschwefel': item wiltu

eylendts ein feuwerwerck ausz einer büchsen schiessen, so mach ein kugel mit weissem hartz vnd grawem schweffel Fronsperger kriegsb. 2 (1573) Ll 1b; (man) nimmt dazu alt schmeer und pech ... grauen schwefel allg. haush.-lex. (1749) 2, 627a; nimb desz grawen galmeystein vnnd der alexandrinischen tutiae oder galmeyflug, jedes zwey loht Würtz wundartzney (1624) 298; spodos, spodium graw nichts oder graw hüttenrauch Zehner nomencl. (1645) 151; grauer nicht; spode, la tutie Schwan nouv. dict. (1783) 1, 786b (vgl. nicht, m., n. teil 7, sp. 712 sowie graunicht[s]); das graue ... roheisen besitzt ... körnigen bruch Karmarsch-Heeren techn. wb. (1876) 2, 772; vgl.graues syn. mit gares roheisen Scheuchenstuel id. d. österr. berg- u. hüttenspr. (1856) 107. b) in der bedeutung 'schimmlig' bezeichnet das wort einen chemischen vorgang an organischen körpern, besonders älter lexikalisch und jung mundartlich, aber auszerhalb der eigentlichen fachsprache, vgl. dazu auch unter gräue, 1grauen, 1graueln, 1graulicht. mit der bedeutung 'grauhaarig' spielend: mucidus ... nüchtlächt, graw, schimlig Frisius dict. (1556) 843a; Henisch (1616) 1733; Aler dict. (1727) 1, 978a; schweiz. id. 2, 831; Loritza id. Viennense 53; kein gut stück fleisch kriegten wir auff den tisch, sondern nur das jenige, so acht tag zuvor von der studenten tafel getragen, von denselben zuvor überall wol benagt, und nunmehr vor alter so grau als Mathusalem worden war Grimmelshausen Simpl. 284 Scholte. besonders vom brot (graues brot anders s. ob. 7 c): wenn man lang grōbs brod esst, so werd man alt (starch) schweiz. id. 2, 831; ähnliches bei Fischer schwäb. 3, 808. substantiviert: do schnitten sy (die geizigen hauswirte) den uszwendig (an dem verschimmelten brot)

das graw ab, gabens uns z essen. do han ich offt grossen hunger ghan Thomas Platter 27 Boos. in vergleichbarer anwendung: de drauwe gen grō (die trauben sind mit der edelfäule behaftet) rhein. wb. 2, 1369. auch in übertragenem sinn: der muss et geld rehren (umrühren), dass et em net grō werd (so reich ist er) rhein. wb. 2, 1369. hierher wohl auch: grau scharf, beiszend, z. b. von faulem käse Hertel Thür. 109; rhein. wb. 2, 1369. c) auch von graufarbigen natursteinen, die vom menschen verarbeitet oder bearbeitet werden: zu Mecca besuchen sie ... das grab Mahomets, das nit in der höhe hengt, ... sondern in der erden, und darüber ein gebew von grawen [Bd. 8, Sp. 2087]

steinen ist gemacht Kirchhof wendunmuth 2, 101 lit. ver.; insbesondere zog eine korinthische marmorsäule meinen blick immer wieder auf sich, die, wie eine gefangene in den gewaltigen viereckigen turm eingeschlossen, mit reizender wehmut aus den grauen steinen hervorsah Ric. Huch triumphgasse (1902) 9; auff dieser ... historienseul, die von grawem marmor ist, steht eines keysers triumph auszgehawen Schweigger reyszbeschr. (1619) 124. von hier aus auch auf gebäude oder gebäudeteile ausgedehnt, doch wiegt hier der uneigentliche wortsinn vor (s. u.B 1 b): sy (die heiden) hatend all an wis schuben und gross hüllen um ir höbter und so wier aso den grosen lustigen grawen estrich besechen mit vil anderen gebüwen (1486) bei Röhricht pilgerreisen (1880) 157; aus der stadt mit grauen thürmen, aus der reichsstadt finsterm thor in den goldnen sonntagsmorgen wandelt alt und jung hervor

Uhland ged. (1898) 1, 290; die andere straszenseite verstellt mit hohen

grauen häusern das licht Carossa d. tag d. jungen arztes (1955) 215. d) von formen der erdoberfläche, landschaftlichmorphologischen gebilden, hier gelegentlich mit leisem unterton von B her: das gros pirg, so von den Lateinern und Kriechen Corax und Caucasus genant wird, haben die Teutschen gehaissen das grau, crau pirg, das alweg schnê dran ligt Aventin bayer. chron. 1, 221 Lexer; (er) hatt recht zu halten und zu holzen unter der graben stainwant pisz an Moszwög (1573) österr. weist. 6, 153, 2; du fluss! der du mit blendendem silberglanz hinter jenen grauen bergen hervorrauschest Sal. Gessner schr. (1777) 1, 108; da liegen sie alle, die grauen höhn, die dunkeln thäler in milder ruh

Uhland ged. (1898) 1, 6; nur da, wo die rinnsale der wasserbäche, erkennt man ... auf diesen grauen, braunen einöden die aderige verästelung der wenigen flüsse Ritter erdk. (1822) teil 1, 109. besonders grauer fels: vnd kompt der vrsprung auss dem grund der quellen, vnd dasselbige entweders auss rotem sand oder grawem felsen Sebiz feldbau (1579) 14; einsam stand ein grauer felsen mitten in das meer gesät

A. Grün ged. (1847) 76. oft in flurnamen, vgl. schweiz. id. 2, 831. e) häufig von gewässern. zufrühest in einer glossierung nd. herkunft: ceruleus grau als die zee (1421) Diefenbach nov. gl. 87a. auch sonst gelegentlich in älterer sprache: vonn rechter trübe ist es (das wasser des Nil) gleich grawe als mistlach, sie ist aber nütze die trübe (durch fruchtbare erde, die mitgeführt wird) Fabri eigentl. beschr. (1557) 166a; graw wie ein eysz, eyszgraw Friedrich Wilhelm sprichwörterreg. (1577) t 1b. seit der mitte des 18. jhs., z. t. wohl unter dem einflusz

Homerischer epitheta und ihrer übersetzung, in fester beziehung auf meer, see, welle, woge, flut; vornehmlich in poetischer sprache und mehr oder weniger von dem zu B 2 gehörigen gefühlston bestimmt: aber Achilleus setzte nun weinend sich, von seinen freunden gesondert an das graue meer (ἐφ'

ἁλὸς πολιῆς) Bürger s. w. 190 Bohtz (Ilias I, 350);

am grauen strand, am grauen meer und seitab liegt die stadt; der nebel drückt die dächer schwer, und durch die stille braust das meer eintönig um die stadt

Th. Storm ges. schr. (1884) 1, 9; von perlen baut sich eine brücke hoch über einen grauen see

Schiller 11, 351 G.; wenn sie (die ruder) bald abwärtsgehn, bald auf der fläche streiffen mit offter züge zahl die grauen wellen häuffen

Pietsch geb. schr. (1740) 12; (d. gefährten des Odysseus) saszen in reihen (auf dem schiff) und schlugen die graue woge mit rudern

J. H. Voss Odyssee 154 Bernays: [Bd. 8, Sp. 2088]

zweimal des tages kamen die grauen fluten und bedeckten alles Allmers marschenbuch (1900) 26. 9) sehr charakteristisch und vielfach bereits mit einem symbolischen ausdruckswert, aus dem weithin der uneigentliche gebrauch des wortes lebt (s.B 2; 3), erscheint grau im bereich atmosphärischer und meteorologischer erscheinungen; z. t. schon mhd., in einer fülle stehender verbindungen oder fester beziehungen namentlich poetischer sprache seit dem 18. jh., denen allen aber die eigentliche farbbezeichnung zugrunde liegt. a) den zustand zwischen hell und dunkel, däm-

merung oder morgengrauen bezeichnend, z. t. in den gleichen verbindungen wie unter b. schon mhd., hier besonders im rahmen der tageliedsituation: der hêrre ân allez slâfen lac, unz er erkôs den grâwen tac: der gap dennoch niht liehten schîn

Wolfram v. Eschenbach Parzival 36, 4; ebda 800, 1; niht langer sie beliben solten, da in die wahter taten kunt ... daz diu wolken wærn gra und daz der tag sine cla hete geslagen durch die naht

Ulrich v. Türheim Rennewart 25 279 Hübner; si sprach 'owê, ich wæn der tac uns aber wil nâhen; des bin ich sendez wîp unfrô'. diu reine süeze wachte alsô daz grâwe lieht si beide an sâhen

Bruno v. Hornberg in: liederdichter d. 13. jhs. 24 Kraus; holder tag, brich an! sobald mir nur dein graues licht erscheint,

Shakespeare 1 (1797) 250 (sommernachtstraum 3, 2); räch ich den hohn, und strafe meinen feind

noch kam nicht der gott der gluten aus der purpursee heraus. endlich aber fieng sein glanz an des horizontes flächen durch die graue dämmerung purpurroth hervorzubrechen

Schönaich Heinrich d. Vogler (1757) 18; schon schweigt das käuzlein und neugierig schaut der dämm'rung graues auge durch die fichten

A. v. Droste-Hülshoff ges. schr. 2 (1878) 257; das kirchendach versank nach und nach in grauen schatten, das licht klomm an dem türmchen hinauf G. Keller ges. w. (1889) 1, 34. von da her auf tageszeiten bezogen:

du weiszt, uns haben jüngst die grauen abendstunden im garten, den du liebst, geliebter H(irsch), gefunden

Uz s. poet. w. 220 Sauer; vor uns (zwei liebenden) das thal, das hoffnungsreiche, weite, und hinter uns kam grau die nacht geschlichen

Eichendorff s. w. (1864) 1, 507; am andern morgen, in der grauesten frühe, vor eröffnung der festungstore, rasselte ein fuhrmannswagen gegen das Ostertor heran W. Raabe s. w. I 6, 462 Klemm. b) auf witterungserscheinungen, namentlich wolken, nebel und regen bezogen: der mond verbirget sich, der nebel grauer schleier, deckt luft und erde nicht mehr zu

Haller ged. 3 Hirzel; allerseelen. grauer, feuchtkalter nebel umhüllt das land

Saar s. w. 2, 88 Minor; doch unten senkt sich grau und grauer aus wolkenschicht ein regenschauer

Göthe I 4, 30 W.; der graue regen übt seinen einflusz auf mich, dasz ich unwillkührlich in den grämlichen doctrinären ton eines alten onkels verfalle O. v. Bismarck br. an s. braut u. gattin 34 H. v. Bism.; grau zogen die wolken über die dächer hin Fontane ges. w. (1905) I 4, 4; den gröszten teil des jahres wölbt sich ein grauer wolkenumzogener himmel über den marschländern Allmers s. w. (o. j.) 1, 54. grauer reif s. ob. A 6 a mitte. — allgemein das wetter und die atmosphäre im sinne des farblos trüben oder kühlen charakterisierend: es ist zu summer zeiten grimm kalt, gantz trüb und graw S. Münster cosmogr. (1550) 401; [Bd. 8, Sp. 2089]

ihr (der Venus) wagen stäht alhihr, ihr wagen fol rubihn, dehn durch die graue luft zwe weisse schwäne

zühn

Zesen adriat. rosemund 232 ndr.; hat sich denn das graue, kalte wetter bis zu ihnen nach Königsberg am himmel ausgedehnt? (1821) Jac. Grimm in: briefw. 1, 297 Leitzm.; der nebel steigt, es fällt das laub; schenk ein den wein, den holden! wir wollen uns den grauen tag vergolden, ja vergolden

Th. Storm s. w. (1899) 8, 191; stiller, linder, grauer tag (8. febr. 1939) Jochen Klepper unter d. schatten deiner flügel (1956) 722. substantiviert: der sprühregen schlug uns heftiger ins gesicht ... man führte uns drüber (über einen weg) weg und ins graue hinein Göthe I 33, 67 W.; und beide doktoren hatten das kinn auf den stockknopf gestützt und starrten ins graue (eines regnerischen februarnachmittags) W. Raabe s. w. I 6, 441 Klemm. c) das undeutlich verschwimmende, das konturund gestaltlose räumlicher ferne charakterisierend, kaum vor dem späten 18. jh., in den verbindungen graue ferne, graue weite: auf einem hügel, von dem man noch in grauer ferne Venedig sehn konnte Meissner skizzen (1778) 3, 159; in grauer ferne beschlosz das gebirge den horizont Fr. Schlegel Florentin (1801) 1, 33; und wagst du dich vom sichern ufer ab, reiszt dich der strom in seine grauen weiten

Grillparzer 5, 147 Sauer. d) in den verbindungen grauer winter, grauer norden, die auf witterung, atmosphäre und jahreszeit zugleich zielen, klingen die nebentöne des unwirtlichen, unfreundlichfreudlosen, rauhen so deutlich mit auf, dasz fast die grenze zum uneigentlichen gebrauch (s.B 3 a) erreicht wird: wann aber mit dem eisz und rauhen scharpffen winden der grawe winter kompt, so kan er doch was finden,

auch mitten in dem schnee, das nutzet und ergetzt

Martin Opitz teutsche poemata 29 ndr.; und so möge uns denn eine gedeihliche thätigkeit durch den grauen winter geleiten Dahlmann in: briefw. zw. Jac. u. W. Grimm, Dahlmann u. Gervinus (1885) 1, 343; und doch denkt ihr vielleicht sehnsuchtsvoll nach dem grauen norden, denn schlieszlich sind es doch die menschen und nicht die gegend, welche die hauptsache sind Moltke ges. schr. u. denkw. (1892) 4, 171; ist die drossel weggezogen, fahl und kahl der wald geworden, o wie ist die welt so stille, o wie ist so grau der norden

Fr. W. Weber Dreizehnlinden (1907) 195. 10) für sich steht die verbindung grau in grau (s. auch grau, n.). a) schon seit dem 16. jh. in der wendung grau in grau malen 'mit grauer farbe auf grauen grund malen', als terminus technicus für die grisaillemalerei. grau scheint hier beidemal unflektiertes adj., wird aber möglicherweise, besonders im zweiten glied der verbindung, auch als substantiviertes adjektiv aufgefaszt, wie ebenfalls in der verbindung in grau malen (s.grau, n. 1): 2 täfelin mit geschnitten auszzügen und grau in grau gemalet, dasz ain sezet abt Conrad auf s. Bernhartsaltar, dasz ander auf der hailigen triveltigkait altar (1531) Knebel chron. v. Kaisheim 372 lit. ver.; ferner sah ich hier Garrick's bildniss von unsrer landsmännin Angelika Kaufmann grau in grau gemalt Sturz schr. (1779) 1, 9. mit dem gefühlston 'trüb, traurig': ein kunstmaler ..., der in der umgegend ... habe landschaftern wollen und auch mehrere hübsche ansichten, allerdings etwas traurig, grau in grau gemalt, zustande gebracht habe Th. Mann Faustus (1948) 327. von hier aus: es ergab sich, dasz er

(der maler) gar kein auge für die farbe hatte, sondern alles grau in grau sah Gutzkow Blasedow (1838) 1, 402. im vergleich: [Bd. 8, Sp. 2090]

der morgen so stumm, nebel ringsum, die luft so kalt, farbe nirgends und nirgends gestalt, die welt wie grau in grau gemalt

Gerok d. letzte strausz (41886) 25. aus der verbalen bindung gelöst: es sind einzelne bilder auf leinwand, grau in grau, mit wasserfarben aufgetragen Göthe I 49, 412 W. b) die maltechnische anwendung wird jünger auch in anderen zusammenhang übertragen, gewinnt aber dann den von grau B 3 b her beeinfluszten uneigentlichen sinn von 'trübe, düster darstellen, negativ beurteilen': der Clemens hat Wieland ... grau in grau gemalt Bettina die Günderode (1840) 1, 38; der letztere hat uns in seiner weise den congresz und seine persönlichkeiten grau in grau gemalt, und doch ... schwerlich ein wort übertrieben Häusser dt. gesch. (1854) 2, 159. c) aus der ursprünglichen terminologischen verwendung gelöst, intensive graue farbtönung umschreibend. α) etwa soviel wie 'mit verschiedenen grautönen'. von haar- und bartfarbe eines menschen: da hatte er noch blonde haare ..., eine bläuliche färbung des abrasirten bartes ... nun aber in wirklichkeit spielte bei dem schon tief vierzigjährigen alles grau in grau Gutzkow zauberer (1858) 5, 60. von der kleidung: einer der brunnengäste, grau in grau gekleidet Storm s. w. (1900) 8, 108; vgl. Ina Seidel labyrinth (1922) 185. β) einfaches grau im sinne von 'ganz grau, nur grau, immer wieder grau' verstärkend; so besonders von der atmosphäre, dem wetter u. ä., oben 9 entsprechend. im ersten beleg noch mit der mal-

technischen bedeutung spielend: die ringe, die er (der regen) unermüdlich grau in grau auf die wachsenden pfützen zeichnete O. Ludwig ges. schr. (1891) 2, 193; ein regentag in Arles! ... grau in grau war die provenzalische landschaft, als ich von Nîmes über Tarascon nach Arles fuhr Samosch provenz. tage (1893) 43; eine grau in grau gehüllte hochebene Hassert reise durch Montenegro (1893) 5. B. der stark entwickelte uneigentliche gebrauch des wortes, dessen grenzen zum eigentlichen hin im einzelfall freilich flieszend sein können, entwächst ganz bestimmten gebrauchsweisen von A. 1) seit alters, wenn auch vornehmlich jünger, kann das wort von der bedeutung 'grauhaarig' zu der von 'alt' hinüberwechseln und sich hier, je nach dem anwendungsbereich, weiter nuancieren. a) in der anwendung auf menschen, wobei die eigentliche bedeutung 'grauhaarig' als mitgegeben zu denken ist. α) attributiv in festen oder gelegentlichen verbindungen. selten schlechthin 'alt, bejahrt' ohne nebenton: ich stand dabei, als in Toledos mauren der stolze Karl die huldigung empfieng, als graue fürsten zu dem handkusz wankten

Schiller 5, 8 G. so in der gegenüberstellung zu jung: vor bloszen bauchpfaffen, sagt ein grauer hofmann zu seinem jungen vetter, ... hütet euch br., die neueste litt. betr. 18 (1764) 49; junge burschen, graue männer in phantastischen uniformähnlichen anzügen Carossa d. tag d. jungen arztes (1955) 44. oft schwingt die vorstellung 'weise, erfahren, erprobt' fühlbar mit: ob dich ein grâ wîse man zuht wil lêren als er wol kan, dem soltu gerne volgen

Wolfram v. Eschenbach Parzival 127, 21

L. besonders in den verbindungen grauer held, grauer krieger u. ä.: wohl oft ermahnte mich der graue kriegesheld Lykaon einst

Bürger s. w. 161 Bohtz; graue krieger mit ehrenvollen narben geziert Fr. L. Jahn w. (1884) 1, 3; des grauen helden gottgeweiht erbleichen

A. v. Droste-Hülshoff ges. schr. 2 (1878) 237; [Bd. 8, Sp. 2091]

hierher? (oder einfach 'alt' wie unter A 3 b? oder ganz speziell?): so sol keinem grauwen rittmeister oder herrn vber 10. oder 12. pferdt ... zugelassen oder gut gemacht werden Fronsperger kriegsb. (1596) 3, 8a. auch prägnant 'erfahren', mit dem nebenton 'leidenschaftslos, abgeklärt': aber Maximilian (v. Bayern) war ein zu grauer staatsmann, um, wo die klugheit allein sprechen durfte, die leidenschaft zu hören Schiller 8, 410 G. grauer vater mit dem beisinn 'ehrwürdig': ... was wird mein grauer vater sagen?

Gottsched dt. schaubühne (1741) 1, 13; er hat sich's zur freude gemacht, seinen grauen vater zu ehren Engel schr. (1801) 5, 27. auch negative nebentöne fehlen nicht; mit bezug auf menschen, die als bösewichter und sünder alt geworden sind und erfahrungen gesammelt haben: wie er in hab hayssen liegen als ainen alten grawen boswicht (1471) bei Fischer schwäb. 3, 808; ihn groen bösswicht (1533) ebda; (Jesus,) der manchem grauen sünder trost und neue lebenslust in die reuende seele gosz Lavater handbibl. f. freunde (1793) 1, 294. abgeschwächt: der alte graue sünder, der college Eckerbusch W. Raabe Horacker (1876) 110. hierher auch: ich (Serlo) will einen solchen grauen,

redlichen, ausdauernden, der zeit dienenden halbschelm (wie Polonius) aufs allerhöflichste vorstellen und vortragen Göthe I 22, 174 W. β) entsprechend in prädikativen wendungen. αα) vor allem grau werden in, an, bei, unter etwas u. ä., eine tätigkeit, einen beruf, einen dienst kennzeichnend, in denen jemand lange gestanden, erfahrungen gesammelt hat und alt geworden ist: dann war noch mit ihnen dort ein mann, der an höfen grau geworden ist Knigge roman m. lebens (1781) 1, 168; sein amt als staatssecretair, in welchem er grau geworden Ranke s. w. (1867) 16, 93; männer, ... die unter dem harnisch grau geworden sind Göthe I 45, 45 W.; Blücher meinte, er sei unter waffen grau geworden, habe wohl 60 jahre gelebt, verstehe aber in einer viertelstunde zu sterben, wenn es die pflicht gebiete Häusser dt. gesch. (1854) 3, 14; ich bin im handwerke (des falschspielens) grau geworden, und weisz, was gold ist Klinger w. (1809) 1, 108. anders, mehr moralisch getönt, in der seit alters durchstehenden wendung in, mit ehren grau werden 'auf ehrenhafte weise, unter bewahrung der ehre alt werden': swer ja spricht unde schiere ez tuot, der wirt in eren gra

Friedrich v. Sunnenburg in: minnesinger 3, 73 v. d. Hagen; um diesem ... mit ehren grau gewordenen dichter ... ein compliment zu machen Hippel lebensläufe (1778) 1, 115; in ehren, herr, bin ich hier grau geworden — — so laszt uns denn von andern dingen reden

Eichendorff s. w. (1864) 4, 366. in gegenteiligem sinne: des wirt gra sin lib mit sünden unde in schanden alt

min-

nesinger 3, 38a v. d. Hagen. seltener ohne nähere bestimmung: ja, ich (gott)

wil euch tragen bis ins alter, vnd bis jr graw werdet Jes. 46, 4. vereinzelt in halbprädikativer verbalbindung: dasz euch (ein hochzeitspaar) Phöbus balde schau immer fruchtbar, langsam grau

Fleming dt. ged. 1, 66 lit. ver. ββ) in der kopulativen wendung alt und grau werden oder sein (selten in umgekehrter wortfolge), in der, anders als bei attributiver verwendung (s. ob. A 3 b α), grau den ursprünglichen sinn von 'grauhaarig' aufzugeben und mit alt zu verschmelzen scheint: wann der man wrt alt und grab so wert er ein chind, wi weis er wr

Heinrich d. Teichner 327, 93 Niewöhner; du bist z grae vnd alt Fierrabras (1533) D 3a; [Bd. 8, Sp. 2092]

verhoffet alt vnd graw zu werden

Spreng Äneis (1610) 207b; will mich mein vater, soll er auch nur kommen, und lernen auch, ist er gleich grau und alt

Grillparzer s. w. 8, 76 Sauer; vgl. Martin-Lienhart elsäss. 1, 265a. γ) im 17. und 18. jh. gern substantiviert, vereinzelt schon früh: aniles gravua (11. jh.) ahd. gl. 2, 660, 20 St.-S.; die jungen, wie die grauen sind stets dem tode reif

Fleming dt. ged. 1, 38 lit. ver.; jung und graue müssen sterben; wohl! wann sie den himmel erben

Knittel kurtzged. 2 (1674) 31; bis mit den sternen sie (die sonne) nicht satt gebuhlt und liebgeäugelt hat eh pflegt sie ihren grauen (den mond) nicht einmal anzuschauen

Blumauer ged. (1782) 68. b) in der anwendung auf gebäude, orte, städte u. dgl. tritt über die sachlich vorauszusetzende bedeutung 'graufarbig' hinaus (s. ob. A 8 c) der uneigentliche sinn von 'alt-ehrwürdig, historisch

geprägt' in den vordergrund; durchweg in jüngerem poetisierendem gebrauch: die grauen mauern meines schlosses, ... auf denen die zeit gedankenvoll zu ruhen scheint Klinger w. 4 (1815) 59; ein zwillingsstern auf Burnecks grauer veste blinkt Alhard mit der süszen nachtigall

A. v. Droste-Hülshoff ges. schr. 2 (1878) 210; innerhalb der wälle und thore der stadt stand noch eine zahl grauer türme der früheren ringmauer und alter thore G. Keller ges. w. (1889) 6, 23; durch die gassen der alten grauen stadt Gutzkow ges. w. (1872) 3, 218. hierher: jeder reisende ... wird diesz mit vergnügen bemerken, wenn er Bayern, diese ehrwürdige graue provinz durchreist Schubart ästhetik d. tonkunst (1806) 121. c) begriffe charakterisierend. α) an die bedeutung 'alt, bejahrt' als eine stufe des menschlichen lebens anknüpfend, besonders in der sprache des barock. αα) mit zeitbegriffen verbunden. graues alter in tautologisch verstärkender verbindung; im ersten beleg noch von der eigentlichen bedeutung her gefärbt: o das grawe alter, ist noch weit von meinem krausen haar

Petrarca zwei trost-

bücher (1551) 1b; weszwegen niemand seine sterbensbereitung dem grauen alter zuschieben musz, noch dieselbe verspahren, bisz auf ein vorzeichen desz sterbens Er. Francisci d. höll. Proteus (1693) 999; bis in sein graues alter herrschte er siegreich J. v. Müller s. w. (1810) 2, 232. mit dem gefühlston von 3 b: aber das graue alter schleicht langsam heran Nietzsche w. 1 (1933) 182. für den alten menschen selbst: schertz ist hie befehlichshaber, hie hat kurtzweil

oberhand, hie wird auch ein graues alter offt in kindheit umbgewand (bei einer hochzeit)

Simon Dach 727 Öst.; die wiederhergestellten und geheilten müssen es (das spital) wieder verlassen, die unheilbaren und das graue alter finden nahrung, kleidung und obdach bis ans ende des lebens H. v. Kleist br. an s. braut 72 Bied. in verbindung mit anderen zeitbegriffen den begriff 'alter' umschreibend: segen-reiche graue jahr, Jesu! gieb dem liebsten paar

S. Bornmeister bei Fischer-Tümpel ev. kirchenl. 5, 121; der gehorsam, den du von kind auf im ersten hauptstück gelernt und bis in deine grauen jahre noch nicht dargebracht hast W. Löhe evangelienpostille (1848) 2, 96a; dasz dereinst bey grauen tagen, lieb und ehstand frucht getragen

Gottsched ged. (1751) 1, 256. [Bd. 8, Sp. 2093]

ββ) in erweiterter anwendung auf personifizierte abstracta: weil man schone bey den alten reine treu für grau gehalten, was ists wunder dieser zeit, dass sie schon im grabe leit?

Logau sinnged. 134 lit. ver.; und diese flamme brenne in deinem busen, bis die ewigkeit grau wird Schiller 2, 96 G. so auch menschliche affekte und eigenschaften kennzeichnend, die für den träger derselben stehen: die übel, die sich gern zu grauer liebe gesellen, begannen bald bey ihm sich reichlich einzustellen; je wärmer Röschen ward, je mehr ihr alter schmolz (ihr alter ehemann)

Wieland s. w. (1794) 22, 271; indesz die graue schande, dem sarge nah, noch siegreich frevelt — stürzet im edlen gang

die tugend, zu erhaben ihrer zeit, die sie ach! zu beglücken brannte

Conz ged. (1806) 77. β) 'alt' in dem spezifischen sinne von 'lebenserfahren, weise'; dies vor allem im anschlusz an den spätrömischen topos puer senilis (s. ob. A 2 a γ), der vom mhd. bis ins 17. jh. nachwirkt. in der beziehung auf herz, sinn, verstand, weisheit u. ä.: wer daz ieman in der jugent von tugenden mochte wesen wis so was er gra vnde gris in sime hertzen binne

Herbort v. Fritslar liet von Troye 132 Frommann; vgl. passional 111, 21 K.; sinne grâ was iuwer jugent, daz ir ez kundent wol verstân

Flore und Blan-

cheflur 2264 Sommer; junges gesichte, graues hertze Winckler 2000 gutte gedancken (1685) H 12b; ist er von jahren jung, und grüne von gestalt, so ist der bräutgam doch an grauer weisheit alt

P. Fleming dt. ged. 90 lit. ver.; meine geliebte, die du unter blonden haaren, und unter so zarten gebehrden einen grauen verstand und ein männliches herz verbirgst (übers. aus Tassos Armida 4. ges. 23. stanze) Heinse s. w. 3, 282 Sch. auszerhalb der vorstellung vom jungen menschen mit der weisheit des alters: ihm war unter den erdegebornen keiner zu gleichen in der kunst, die geschildeten und die reuter zu ordnen, als der einzige Nestor, der held von grauer erfahrung

Stolberg ges. w. (1820) 11, 71. für den träger der altersweisheit selbst: die graue weisheit hört nicht auf den jungen herrn

Müllner dram. w. (1828) 6, 168.

γ) 'alt' im sinne von 'althergebracht, altüberliefert', nur in attributiver bindung. auf begriffe des herkommens, der sitte, der überlieferung angewandt: tut, was heiszt der graue brauch

P. Fleming dt. ged. 1, 348 lit. ver.; und Maria brachte die reinen tücher und wand sie um den gewaschenen toten nach grauer sitte Lavater ausgew. schr. (1841) 8, 145; sie boten ihm die hand, und nannten ihn den schützer ihrer grauen rechte

Schubart s. ged. (1825) 2, 282. komplexer, von der vorstellung zeitlich ferner vergangenheit (s. u. 2 b) mit beeinfluszt, in der anwendung auf begriffe wie fabel, sage u. ä.: er (Sokrates) hoffte! war vielleicht (verzeih der kühnen frage!), war seiner hoffnung (auf die unsterblichkeit der seele) grund nicht eine graue sage? (im gegensatz zur lehre d. christentums)

J. P. Uz s. poet. w. 272 Sauer; ihr wiszt vom blitze eine graue märe, der im granitnen leibe des giganten, herabgeschleudert aus azurner sphäre, zum strahl verkörpert ward des diamanten

Strachwitz ged. 344 Weinhold. [Bd. 8, Sp. 2094]

in personifizierter vorstellung: also spricht der mund der grauen sage, die im nebel die Bretagne durchwandert

Agnes Miegel ges. ged. (1927) 12. ähnlich in der kennzeichnung geistiger überlieferung aus dem bereich des denkens und urteilens: geht nicht über wolken einher, wie der tiefdenkende späher grauer wahrheiten des Orients Lose schattenrisse (1783) 1, 109. hier besonders mit dem negativen beisinn des überholten, rückständigen, unaufgeklärten, 2 b vergleichbar: ihr, die kein vorurtheil, kein grauer wahn berückt, die ihr mit freyem aug auf alle wesen blickt

Löwen schr. (1765) 1, 34;

dieser lobenswürdige fleisz nun, der in den bibliotheken, den literarischen gottesäckern, nach altem unrath scharret (d. h. nach mhd. dichtern), wird auch auf unsere nachkommen erben. dann werden die künftigen freunde des grauen unsinns, die jetzigen freunde desselben belohnen Jean Paul s. w. (1826) 5, 12. 2) andere uneigentliche bedeutungen wurzeln in grau als einer farbbezeichnung für atmosphärische und meteorologische erscheinungen, besonders in A 9 c, indem grau als kennzeichnung der verschwimmenden räumlichen ferne auf zeitbegriffe übertragen wird, wobei nur gelegentlich die zu B 1 gehörige vorstellung 'alt' noch hineinkreuzt. a) als 'in ferner zukunft liegend', in einer blickund redeweise, die vor allem für das 17. und ältere 18. jh. charakteristisch zu sein scheint: solche ehrensäulen erwerben und aufrichten, welche bisz in die graue ewigkeit währen und bestehen können Rist d. friedejauchz. Teutschl. (1653) 220; ja sein verdienst will sich allein mit grauer ewigkeit vermählen

Triller poet. betracht. (1750) 2, 540; die graue zeit sol schliessen, gelehrt durch deinen fall, dasz (ob es spät gescheh) gott doch tyrannen nicht stets durch die finger seh

Gryphius trauersp. 174 lit. ver.; würde nicht der Hunnen ruhm bis in graue zeiten schimmern?

Schönaich Heinrich d. Vogler (1757) 7; ewigkeiten — grauen welten wirds ein weiszer marmor melden

Schiller 1, 328 G.; wie du in grauer ferne, o volk, dein heil erschaust

wegh (1896) 277. substantiviert:

br. von u. an Her-

tönet sein ewiger namen hinüber ins graue der nachzeit

Denis lieder Sineds (1772) 57. b) mit umgekehrter blickrichtung, aber in den gleichen oder ähnlichen attributivverbindungen, soviel wie 'in fernster vergangenheit liegend'. seit der aufklärung und in ihr gern mit dem beisinn des finsteren, barbarischen, unaufgeklärten, vor allem aber in der geniezeit und in der romantik, und hier oft mit dem nebensinn des naiven, glücklichen, unverdorbenen. graue zeit: ich seh, ihr (philologen) sucht mit trübem blicke des schönen werkes grösztes stücke, von dem ein theilchen zu euch kömmt. ihr müszt nicht mit dem schatten streiten, schimpft nicht die misgunst grauer zeiten

Schwabe belust. (1741) 1, 239; vor grauer undenkbarer zeit beherrschte ein guter geist, des höchsten gottes liebling, der erden geister

Wieland ges. schr. 1, 354 akad.; wer darf dem fluge der begeisterung verbieten, dasz er sich nicht in jene graue zeit, in jene einfalt der natur, in jene heiligen eichenhaine, zu jener quelle unsrer nazionaldichtkunst hinanwage? Kretschmann s. w. (1784) 1, 6. in spezielleren, besonders für romantisierende sehweise bezeichnenden verbindungen: ein böses wesen hat seinen wohnsitz unter diesem baum schon seit der alten grauen heidenzeit

Schiller 13, 175 G.; [Bd. 8, Sp. 2095]

ich hört ein märchen aus einer alten grauen dichterzeit

Körner w. 3, 133 Hempel; ewig: das weist in die gleiche richtung; wir sind die glieder einer aus grauester vorzeit stammenden kette V. Klemperer l. t. i. (1949) 262. seltener: scheu blickte man zu ihnen auf wie zu mythischen wesen, die aus grauer vergangen-

heit herüberragten in eine neue zeit jahrb. d. Grillparzerges. (1890) 5, 223. am häufigsten das graue altertum, im wesentlichen frühe, vorchristliche geschichtsepochen bezeichnend: so halte gäntzlich dafür, dasz um deszwillen sich wohl keiner zu solcher ungewöhnlichen art solte verleiten lassen, lieber zu lateinisiren als teutsche verse in reimen zu schreiben, davon auch das graue alterthum allein estim gemacht Neukirch anfangsgründe z. teutschen poesie (1724) 28; man sieht es auch ... an den überbleibseln des grauen alterthumes, z. b. in der ägyptischen und phönicischen bauart Reimarus wahrh. d. nat. religion (1766) 65; die linienspiele der tierornamentik des grauen altertums Dehio gesch. d. dt. kunst 3 (1926) 37. vor, seit, aus grauen jahren, tagen, im sinne eines unbestimmbar weit zurückliegenden zeitpunktes, ohne nebenton: vor grauen jahren lebt' ein mann in osten, der einen ring von unschätzbarem werth aus lieber hand besasz

Lessing 3, 90 L.-M.; das bildnis eines unbekannten gottes, das dort seit grauen jahren aufgestellt

Grillparzer s. w. 5, 71 Sauer; es ist aus grauen tagen dein stammsitz schon bekannt, in liedern und in sagen durchs ganze deutsche land

Hoffmann v. Fallersleben ged. 998. substantiviert: es (der blick der Karstens) war ein blick, der sich nicht an der erscheinung genügen liesz, an der form des seienden. er ging rückwärts bis ins graue und vorwärts bis ins dunkle Ernst Wiechert d. kl. passion (1953) 6. hierher (oder auch zu a) vielleicht die sonst nicht belegbare wendung etwas bis ins graue treiben 'bis an die äuszerste grenze': dagegen werden wir aber eines Engländers habhaft, der die bizarrerie bis ins graue treibt Vollhann lebensbilder

(1826) 2, 11. wohl damit vergleichbar: dat möt ein bet in de grawe grund ansürten (angesäuerter) kirl sin Reuter w. 2, 396 Seelm. 3) erst seit dem späten 18. jh. kommt eine mehr gefühls- und stimmungsmäszige deutung und negative wertung der grauen farbe zum durchbruch, die weithin den gleichen ansatz hat wie 2 und mit dem neueren naturempfinden bzw. seiner sprachlichen bewältigung in engster verbindung steht. sie knüpft aber auch an andere eigentliche gebrauchsweisen an, so an A 1 als die farbvorstellung allgemein und an A 7 a α u. β mit der kennzeichnung ärmlich-häszlicher oder düsterer kleidung; ein grau anhaftender negativer symbolwert bereitet sich schon älter vor (s. bes. unter grau, n. 2 c β). a) im sinne von 'farblos, glanzlos, eintönig, langweilig, unlebendig': gegen die briefe gehalten, ist diese praktische anweisung mit ihrem register von büchern und lehrmitteln trocken und grau Herder 12, 379 S.; grau, theurer freund, ist alle theorie, und grün des lebens goldner baum

Göthe I 14, 95 W.; diese graue sphäre der mittelmäszigkeit Nietzsche hist.-krit. ges.-ausg., abt. briefe 3 (1940) 18; wäre ich zu dem grauen leben des alltags wieder erwacht kriegsbr. gefallener stud. (1928) 289; vgl.grauer alltag. auf bildhafter stufe: so kommt er (der schmerz) im traurigen, grauen gewande des überdrusses und der langeweile Schopenhauer w. 1, 408 Gr. substantiviert: das schlimmste war das ewige einerlei, das ewig graue Feuchtwanger geschw. Oppermann (1948) 322. leicht nuanciert als 'unscheinbar, unauffällig', in der beziehung auf personen: aber warum habe ich mir nicht freunde gewählt, die keine verdienste haben, und die auf dem flecke unbekannt und grau

[Bd. 8, Sp. 2096]

sterben, auf dem sie geboren sind? Rabener s. schr. (1777) 6, 150; mit dem grundbesitz steht und fällt unser stand (der niedere adel) ... sind wir erst mal runter von der scholle, dann sinken wir zurück in die graue masse, aus der sich unsere vorfahren erhoben haben Polenz Grabenhäger (1898) 1, 369; der redakteur Nothgroschen war dran. grau und unauffällig war er plötzlich da Heinrich Mann d. untertan (1949) 231. b) eher soviel wie 'bedrückend, trübe, düster': aber lasset uns unsre graue zeit verlassen Herder 6, 268 S.; das tagebuch wird mir ein asyl sein für jene grauen, hoffnungslosen tage, die mir oft in stumpfem nichtstun vorübergehen G. Keller br. u. tageb. 2, 103 Ermat.; dennoch lag graue bedrückung auf allen (geschwistern) im schlafen und wachen Werfel geschw. v. Neapel (1931) 126; da trottelt einer hinter'm andern her (im schwarm der aufständischen weber), wies graue elend Gerh. Hauptmann d. weber (1892) 102. graues elend für 'katzenjammer' s. bei Storffer im dickicht d. sprache (1937) 24; vgl. rhein. wb. 2, 1369. seltener in der kennzeichnung von personen: unsere grauen, düstern ascetiker vom Rauhen Hause in Hamburg Gutzkow ges. w. (1872) 10, 297. noch stark vom eigentlichen wortgebrauch her: vier graue weiber treten auf (mangel, schuld, sorge, not) Göthe I 15, 306 W. in verbaler bindung: verzeihen sie mir, dasz ich so grau sehe; ich thue es, um nicht schwarz zu sehen Göthe IV 24, 153 W.; manches von den schilderungen ... hat der verfasser sicher seinen eigenen erlebnissen entnommen, wenn er auch hie und da etwas ins graue gezeichnet hat Kögel in: Grimmelshausen Simpl. xii 1ndr.; bi dem sieht s gräu us mit dem steht es schlecht (in den vermögensverhältnissen) Martin-

Lienhart elsäss. 1, 265b. 4) uneigentlich noch in gewissen sonderverbindungen. a) der graue bund. vor allem für den 1424 gegründeten oberen oder grauen bund in der Ostschweiz, mit dem sich später zwei weitere benachbarte bünde zum grauen bund oder zu den grauen bünden (daraus der eigenname Graubünden) zusammenschlossen. die deutung der benennung bleibt ungewisz. die älteren erklärungsversuche knüpfen nicht an grau 'alt' oder 'zeitlich fern' (s. B 1; 2) an, sondern an grau als farbe von gewässern (s. ob. A 8 e), vgl. schweiz. id. 2, 831: wie die grawen pünd mit unseren finden uf der Malser heid gestritten hand (1499) ebda (mit weiteren nachweisen); kam der bischoff von Kur und mit im der grau bunt, und waren auch mit im im bunt die aidgenossen, und nam das dorf ein (Augsburg 1499) städtechron. 23, 425, 12; ebda 426, 1; Campe 2 (1808) 445a. vereinzelt variierend: in der grauwen völcker (jetzt Grauwpündter genent) väldboden Stumpf Schweizer chron. (1606) 305a. singulär als eine sonst nicht nachweisbare benennung für den schwäbischen bund: die ein parthie nante sich der grauwe bunt ind waren die Swaven ind die sweveschen richstede (Köln 1499) städtechron. 14, 885. vielleicht von dem schweizer. vorbild veranlaszt als name einer städtischen partei, hier aber mit deutlicher anknüpfung an grau als kleiderfarbe (s. ob. A 7 a): etlich vom rath und ir anhänger sein etwan lang beschrait und der graue bund ... gehaissen worden, als sy dann mit sonder farben und kleidung erzeigt haben (Nördlingen 1528) bei Fischer schwäb. 3, 808. b) andere uneigentliche verbindungen wie der graue orden, das graue kloster, das graue leben s. ob. A 4 a γ; δ.

C. zusammensetzungen mit grau im ersten wortglied treten vornhd. nur vereinzelt auf, so in mhd. grâwerc (s.grauwerk), grâhäutel Megenberg buch d. nat. 210, 4 Pf., grâvar ebda 5. vom 15. bis zum ende des 17. jhs. bleibt der zustrom neuer bildungen begrenzt, erst im 18. jh., zumal in seiner zweiten hälfte, wird er kräftiger, und das 19. jh. bringt mehr zusammensetzungen hervor als alle übrigen zusammengenommen. substantiva und adjectiva bzw. adjektivisch gebrauchte participia praeteriti halten sich etwa die waage, zu ihnen treten nur wenige participia praesentis und (substantivierte) verba. ihrer bedeutung nach [Bd. 8, Sp. 2097]

gehören nahezu alle bildungen in den eigentlichen gebrauch von grau (s. d. A). — die form der komponierung ist ausschlieszlich die fugenlose. ältere bildungen treten vielfach mit den unter 'herkunft und form' behandelten form- bzw. schreibungsvarianten auf, z. b.: mit gro- in grolaken Marienb. treszlerb. 586 Joachim; grolöcket G. Alt b. d. cron. (1493) 250b; grobarsch B. Faber thesaur. (1587) 1033b, mit grö- in grömönchen S. Grunau pr. chron. 1, 202 Perlbach, mit graw- in grawendten B. Faber thesaur. (1587) 52b; grawfärbig Hulsius (1618) 141b, mit grauwin grauwentle Heusslin Gesners vogelb. (1557) 34a, mit grag- in grageslen H. Braunschweig chir. (1498) 68a, mit grab- in grâbschôpf Hartmann volksschausp. in Bayern 268 usw. kompositionstypen. 1) im anschlusz an grau A 2 und 3 entstehen bildungen, die auf den menschen bezogen sind. a) vorwiegend solche zusammensetzungen, die das graue haar des menschen und damit meist zugleich sein vorgeschrittenes lebensalter bezeichnen; die meist adjektivischen bzw. partizipialen bildungen sind nicht nur, wie unter grau A 2 a, dem haupt- und barthaar unmittelbar, sondern

oft, wie in den erweiterten gebrauchsweisen grau A 3 a und b, bestimmten körperteilen oder dem ganzen menschen zugeordnet: graubebartet Rosegger laszt uns von liebe reden (1909) 148, behaart (anders s. u. 2 d): graubehart (von der zeit) Rompler v. Löwenhalt erst. gebüsch (1647) 116; graubehaart (ein kopf) Gutzkow zauberer (1858) 3, 168, -bekrönt (von einem alten ehepaar) poesie d. Nieders. (1721) 4, 157 Weichmann, bewimpert A. v. Droste-Hülshoff ges. schr. (1878) 2, 7, -blond Gutzkow zauberer (1858) 5, 123; Werfel geschw. v. Neapel (1931) 87, -geboren (als greisin geboren) Göthe I 15, 186 W., gelockt Göthe I 12, 300 W.; Rosegger schr. (1895) II 8, 136, -gemischt (vom bart) Storm s. w. (1898) 3, 22, -greis, adj. : grawgreys Lundorff wiszbad. wisenbrünnle 1 (1610) 109, -haar: grauhar (als m., beiname Apollos) Herold heydenweldt (1554) r 4a; grauhaar Immermann w. 13, 112 Hempel, -häuptig: grawheuptig H. Emser wyder d. falschen genanten ecclesiasten (1524) A 4b; grauhäuptig Lohenstein hyazinthen (1680) 52, -lockicht, lockig: grolöcket G. Alt b. d. cron. (1493) 250b; graulockicht Holtei erz. schr. (1861) 22, 193; graulockig J. H. Voss s. ged. (1802) 3, 223; G. Keller ges. w. (1889) 10, 146, -meliert: graumelirt (1702) bei Schulz-Basler dt. fremdwb. 2, 97; graumeliert St. Zweig welt v. gestern (1947) 65, -schädel Rosegger schr. (1895) I 10, 13, -schopf: grâbschôpf Hartmann volksschausp. in Bayern 268, -stoppelig P. Dörfler d. lampe d. tör. jungfr. (1930) 194, -umbartet E. Strausz d. schleier (1931) 151, -umlockt Holtei erz. schr. (1861) 11, 140. b) seltener grau A 2 b entsprechend, in bildungen, die die farbe des auges oder des gesichts betreffen: grauauge Jean Paul w. 27/29, 141 Hempel, -äuglein Anzengruber ges. w. (1890) 2, 368, -blasz

Hebbel w. 8, 88 Werner, -bleich Gutsmuths meine reise (1799) 65; A. Zweig einsetzg. e. königs (1950) 377. 2) die gröszte zahl von zusammensetzungen bildet sich im bereich grau A 5 und dient der benennung oder kennzeichnung von tieren, wobei grau, meistens im sinne von A 5 a β, zu spezieller unterscheidung innerhalb der gleichen art verwendet wird; entweder die färbung des ganzen tieres oder die eines körperteils bildet den ausgangspunkt der benennung. a) bei der mehrzahl der bildungen handelt es sich um meist fachsprachliche vogelnamen: grauammer (emberiza miliaria) Naumann vögel (1822) 4, 213; (emberiza calandra) Brehm tierl. 4, 342 P.-L.; gold- und grauammern H. Seidel v. Perlin n. Berlin (1895) 136, -amsel (turdus merula) Naumann vögel (1822) 2, 326, -artsche (fringilla cannabina) Nemnich wb. d. naturgesch. 208, drossel (turdus merula) Naumann vögel (1822) 2, 326, -entchen (anas crecca) Nemnich wb. d. naturgesch. 208, -ente: grawendte [Bd. 8, Sp. 2098]

(querquedula) B. Faber thesaur. (1587) 52b; grauente (anser torquatus) Naumann vögel (1822) 11, 392, -entlein: grauwentle Heusslin Gesners vogelb. (1557) 34a, -eule (strix aluco) Nemnich wb. d. naturgesch. 208, -falke (falco lagopus) Naumann vögel (1822) 1, 360, -fink (fringilla petronia) Nemnich wb. d. naturgesch. 208; (fringilla subcana) Campe 2 (1808) 446b, -fischer (ceryle rudis) Brehm tierl. 5, 60 P.-L., -hänfling (linaria fera, saxatilis) Adelung vers. 2 (1775) 784; (fringilla cannabina) Nemnich wb. d. naturgesch. 208, -häutel: grâhiutel (pelikan) Megenberg b. d. nat. 210, 4 Pf., -kauz (syrnium cinereum) Brehm tierl. 5, 162 P.-L., -kehlchen (sylvia gula grisea) Adelung vers. 2 (1775) 784; (accentor modularis) Naumann vögel (1822) 2, 952, -

krähe (nebelkrähe, corvus cornix) Unger-Khull steir. 304b, -lerche Birlinger schwäb.-augsburg. wb. 201a, -meise (parus fuscus, cinereus, palustris) Adelung vers. 2 (1775) 785; (parus fruticeti) Brehm tierl. 4, 178 P.-L., -nacken (larus canus) Adelung vers. 2 (1775) 785, -papagei (psittacus) Brehm tierl. 5, 314 P.-L., -rücken (corvus cornix) Naumann vögel (1822) 2, 65, -schwanz (falco rufus) Naumann vögel (1822) 1, 378, -specht (s. an alphabet. stelle), -stelze (motacilla alba) Brehm tierl. 4, 236 P.-L., -würger (lanius minor) Brehm tierl. 4, 489 P.-L. b) in ähnlicher weise, aber viel seltener, von anderen tieren, von säugetieren oder fischen: grauäsche (mugil cephalus) Brehm tierl. 8, 161 P.-L., assel: grageslen (acc. pl.) H. Braunschweig chir. (1498) 68a, -bär (ursus cinereus) Brehm tierl. 2, 233 P.-L., -barsch: grobarsch, grawbersig B. Faber thesaur. (1587) 1033b; graubars (perca fluviatilis) Nemnich wb. d. naturgesch. 208, -fuchs (canis cinereus, virginianus) Oken naturgesch. (1839) 7, 1549; (vulpes cinereo-argentatus) Brehm tierl. 2, 206 P.-L., -karpfen Oken naturgesch. (1839) 6, 67, -klappe (chinon cinereus) (eine art käfermuschel) Voigtel wb. (1793) 2, 128b, -lachs (salmo salar) Nemnich 208, -parder (leopardus poliopardus) Brehm tierl. 1, 502 P.L., -rüszler (sitones lineatus) (ein käfer) Brehm tierl. 9, 140 P.-L., -vieh: Mürzthaler grauvieh Schwerz ackerbau (1882) 697, -wal (rhachianectes glaucus) Brehm tierl. 12 (1915) 508, -wild (birkhuhn, tetrao tetrix) Behlen forst- u. jagdkde (1840) 3, 494. seltener auszerhalb fremdsprachlichen gebrauchs: graurosz Fouqué bildersaal (1818) 1, 271; Liliencron s. w. (1896) 7, 149, vogel Freytag ges. w. (1886) 8, 23, -wolf Freytag ges. w. (1886) 9, 148. c) anders in mehr volkssprachlicher oder vertrau-

lichkosender benennung solcher tiere, für die ein graues fell oder einzelne graufarbige körperteile kennzeichnend sind; das grundwort steht als pars pro toto, gelegentlich ist es auch ein appellativ: graubart (s. an alphabet. stelle), -bärtchen (auster) Gottsched dt. schaubühne (1740) 4, 457, bein (der wolf) Laistner nebelsagen (1879) 90, hans (der wolf) d. bauernstandes lasterprobe 102, -hund (s. an alphabet. stelle), -kopf (s. an alphabet. stelle), -nase (eine ziegenart) Martiny wb. d. milchwirtsch. (1907) 47, -ohr (der esel) Weigand d. löffelstelze (1919) 3, -pelz (für einen kater) E. T. A. Hoffmann s. w. 10, 128 Grisebach; (in Norddeutschland f. d. wolf) zs. f. dt. wortf. 9, 54, -rock (s. an alphabet. stelle), -tatze (der wolf) Laistner nebelsagen (1879) 90, -tier (s. an alphabet. stelle). d) auch eine anzahl adjektivischer bzw. partizipialer zusammensetzungen dient der (meist fachsprachlichen) kennzeichnung im bereich a und b (s. dazu auch unten 8): grauapflig: grauäpflicht (von einem schimmel) Lohenstein Arminius (1689) 1, 1368b, -bäuchig: graubäuchiger seidenschwanz Behlen forst- u. jagdkde (1840) 3, 488, behaart (von insekten; anders s. ob. 1 a) Ratzeburg forstinsekten (1844) 1, 194, -beinig: graubeinige waldschnepfe Naumann vögel (1822) 8, 372, -borstig (anders s. unt. 3 b) (von einem eber) A. Nagel bürgeraufruhr in Landshut (1782) 31, bunt (vgl. noch unt. 5 b) (vom gefieder bestimmter vögel) Naumann vögel (1822) 6, 421; Oken naturgesch. (1839) 7, 90; 110, -füszig: [Bd. 8, Sp. 2099]

graufüsziger zäger (totanus glottis) Naumann vögel (1822) 8, 145, -geapfelt (ein schimmelgespann) Göthe I 45, 140 W., -geschildet (von einem graugefleckten pferd) theatrum amoris (1626) 1, 153, -rückig: graurückiger steinschmätzer Krünitz öcon. encycl. (1773) 237, 57, -

schnäblig: grauschnäbliger bussard Naumann vögel (1822) 1, 367, -schwänzig: grauschwänziger stelzenläufer Naumann vögel (1822) 8, 191. 3) in ähnlicher, aber nicht so ausgeprägter bildungsweise von pflanzen, innerhalb des bereichs grau A 6. a) in meist fachsprachlicher benennung von pflanzen oder pflanzenteilen, entsprechend 2 a und b: grauapfel schweiz. id. 1, 369, -bart (s. an alphabet. stelle), -binse Perger namen d. pflanzen 3, 76, -birne Metzger pflanzenk. (1841) 756, -dettling (eine apfelsorte): grawdetling Diefenbach gl. 354b; graudettling schweiz. id. 1, 378, -dorn Blunck sprung üb. d. schwelle (1931) 34, -erle (betula alnus incana) Adelung vers. 2 (1775) 784; Hoops waldbäume (1905) 27, -fusz (ranunculus repens) Pritzel-Jessen pflanzen 326, -hafer Adelung vers. 2 (1775) 784; (avena strigosa) Holl pflanzenn. 143b, -holz (pinus sylvestris) Nemnich wb. d. naturgesch. 208; Holl pflanzenn. 101a, -kresse (berteroa incana) Meigen pflanzenn. (1898) 53a, -pappel Metzger pflanzenk. 325, -schmiele (aira canescens) Nemnich wb. d. naturgesch. 208, -weide (sarothamnus vulgaris) Fischer schwäb. 3, 816. b) in adjektivischen bildungen botanischer fachsprache, 2 d vergleichbar: grauästig: grauästige klapperschote Dietrich lex. d. gärtn. u. botan. 3 (1803) 415, -blättrig: graublättrige keulpalme Dietrich lex. d. gärtn. u. botan. 5 (1805) 528; 633; 689 u. ö., -borstig (von einem pflanzenteil; anders s. ob. 2 d) Schlechtendal flora 30, 164, filzig (von blättern) Ratzeburg standortgewächse (1859) 62; (von ästen) Schlechtendal flora 10, 54, -flaumig (von blättern) Oken naturgesch. (1839) 3, 2, 1110; (vom stengel) Schlechtendal flora 18, 172, -rindig: graurindiger weiszdorn allg. dt. bibliothek (1765) 84, 237; (von

einer wurzel) Schlechtendal flora 14, 225, -zottig (von blättern) Schlechtendal flora 30, 402. 4) bildungen im anschlusz an den sehr ausgeprägten bereich A 7, in dem grau auf menschliche gebrauchsgegenstände angewendet wird, sind nicht sehr zahlreich. a) auf menschliche kleidung bezogen, entsprechend A 7 a, aber nicht in allen dort verzeichneten spezialanwendungen: graubehandschuht Rosegger nixnutzig volk (1906) 359, -gekleidet Jean Paul w. 15/18, 666 H.; Ina Seidel labyrinth (1922) 89, -hütig M. Hauptmann br. an Fr. Hauser 1, 52 Schöne; -jacke (für einen gefangenen) Fontane ges. w. (1920) II 3, 31, -kittelig Rosegger schr. III 9, 398, -kleid: grawkleid Henisch (1616) 1734, -mützig Robe könig Og (1839) 1, 52, -rock (s. an alphabet. stelle), rockicht Eschenburg Shakespear (1775) 12, 37, röckig A. Ruge s. w. (1847) 7, 106. b) etwas häufiger sind zusammensetzungen, die tuche und stoffe kennzeichnen, vgl. A 7 b: grauhären Mörike w. 21, 65 Maync, -laken: grolaken Marienburger treszlerb. 586 J.; 466, -leinen, adj. : Stifter s. w. 3 (1911) 143; v. d. Steinen naturvölker Zentralbrasiliens (1894) 51, -loden, m. : grolode städtechron. 11, 819 (Nürnberg 1516), -loder, m. (verfertiger von grauloden) städtechron. 10, 366 (Nürnberg 1482), -seiden Gaudy s. w. (1844) 10, 103; A. Seghers d. toten bleiben jung (1950) 90, -tuch (ungefärbtes): grawtuch Henisch (1616) 1734, -tuchen Stifter s. w. 3 (1911) 327, -wollen H. Heine s. w. 7, 448 E.; Carossa d. tag d. jungen arztes (1955) 18. 5) zahlreich sind zusammensetzungen, die in den chemischmineralogischen bereich und verwandte sachgebiete gehören, vgl. A 8 a. a) in eigentlicher benennung, fast ausschlieszlich in jüngerer fachsprache: grauamber Oken natur-

gesch. (1839) 7, 1048, -braunstein Zappe miner. handlex. (1817) 2, 251, -braunsteinerz Zappe miner. handlex. [Bd. 8, Sp. 2100]

(1817) 1, 406; Muspratt chemie 8 (1905) 1408, eisen Muspratt chemie 2 (1889) 1109, -erz (minera argenti grisea) Nemnich wb. d. naturgesch. 208; (im unterschied zu braunerz) Muspratt chemie 1 (1888) 1605, -fels allg. dt. bibl. (1765) 96, 10, -flusz Muspratt chemie 8 (1905) 1182, -glimmer D. Cranz historia v. Grönland (1770) 1, 72, -gold Zappe miner. handlex. (1817) 1, 140, -golderz Zappe miner. handlex. (1817) 1, 140; Campe 2 (1808) 446b, -gültigerz (s. an alphabet. stelle), -gusz Muspratt chemie 2 (1889) 1109, -kalk Helfft wb. d. landbaukunst (1836) 160, -kupfererz Mothes baulex. (1882) 2, 519, -liegendes (sandsteinart) Zappe miner. handlex. (1817) 2, 109; Schönermark-Stüber hochbaulex. (1902) 882, -manganerz Zappe miner. handlex. (1817) 1, 192; Muspratt chemie 1 (1888) 1046, -metall Mothes baulex. (1882) 2, 519, -nicht(s) (s. an alphabet. stelle), -schlacke Karmarsch-Heeren techn. wb. (1876) 1, 574, schwefel Muspratt chemie 7 (1900) 1042, -silber (anders s. unt. 8) Karmarsch-Heeren techn. wb. (1876) 4, 156, -spieszglanz Muspratt chemie 1 (1888) 1054, -spieszglanzerz: grauspiesglanzerz (antimon) Pansner frz.-dt. miner. wb. (1802) 9; grauspieszglanzerz Hoyer-Kreuter techn. wb. (1902) 1, 311, -stuck Helfft wb. d. landbauk. (1836) 160. b) in adjektivischen bestimmungen aus dem gleichen sprach- und sachbereich: graubunt (vgl. ob. 2 d): graubuntes (d. i. grau und weisz gemischtes) roheisen Hoyer wb. d. artillerie (1804) 2, 111, -erdig Ritter erdk. (1822) 8, 295, -sandig Frenssen Jörn Uhl (1902) 469, -schiefrig Thaer landwirthschaft (1809) 2, 104, -schwefelig:

grauwschwefelisch Thurneysser magna alchymia (1583) 107, -steinigt M. Krämer leb. u. tapfere thaten (1681) 547. c) in meist substantivierten verbalbildungen, die sich auf technische färbungsprozesse beziehen: graubeizen Karmarsch-Heeren techn. wb. (1876) 1, 198, -dämpfen Muspratt chemie 8 (1905) 836, -färben (der seide) Krünitz encycl. 19 (1780) 792; Muspratt chemie 7 (1900) 562, hämmern (von sensen) Prechtl techn. encycl. (1830) 15, 27; grauhammerln Karmarsch-Heeren techn. wb. (1876) 8, 225, -machen (von diamanten) Prechtl techn. encycl. (1830) 16, 344. 6) sonst im bereich der unbelebten natur mehr in gelegentlichen bildungen, A 8 b bis e entsprechend; besonders in junger poetisierender sprache: grauflut H. Löns tal der lieder (1925) 68, gestein Nietzsche w. 8 (1919) 344 Kröner, -gipfel Lienhard Wasgaufahrten (1902) 185, -marmorn Dehio gesch. d. dt. kunst 3 (1926) 326, -schlammig P. Ernst kaiserbuch 2, 1 (1927) 306, wogend W. Raabe s. w. I 6, 113 Klemm. 7) atmosphärische und meteorologische erscheinungen kennzeichnende zusammensetzungen im anschlusz an A 9: graubesaumt (von wolken) Herder 25, 550 S., -bewölkt Kinderling reinigk. d. dt. spr. (1795) 61, -dämmernd Bodmer d. Noah (1752) 352, -dunst Frenssen Jörn Uhl (1902) 483, -dunstig J. Schlaf frühlingsblumen (1901) 17, -düster B. v. Münchhausen balladen u. ritterl. lieder (1920) 116, -gewölk Harries Thomsons jahreszeiten (1796) 35, -gewölkt Neumark fortgepfl. lustwald (1657) 2, 12, -himmel H. Löns tal der lieder (1925) 71, -regnend mod. dichtercharaktere 194 Arent-C.-H., -tagend Göthe I 15, 204 W., -verhüllt M. Greif ges. w. (1895) 2, 245, wolke Lienhard Wasgaufahrten (1902) 116. 8) dem gebrauch A 1 als bezeichnung einer

abstrakten farbqualität steht eine gruppe von bildungen nahe, in denen grau mit anderen farben oder farbtönen zusammentritt (s. an alphabet. stelle graublau, graubraun, graugelb usw.), um sich zu nuancieren oder bestimmte mischungen mit einer oder zwei anderen farben zu bezeichnen; viele dieser fast ausschlieszlich adjektivischen bildungen gehören in den zoologisch-fachsprachlichen gebrauch 2 d: graublauschwarz Bismarck br. an s. braut (1900) 14, -braungelb Liliencron s. w. (1896) 4, 189, braungrünlich [Bd. 8, Sp. 2101]

Naumann vögel (1882) 12, 236, -dunkel, adj. : J. H. Meyer mahler. reise (1793) 6, -dunkel, n. : Frenssen Jörn Uhl (1902) 395, -fahl: graufahle grasmücke Naumann vögel (1822) 2, 951, -golden W. v. Scholz d. spiegel (1908) 134, -graugelb Liliencron s. w. (1896) 1, 198, -grünlichgelb Brehm tierl. 1, 543 P.-L., -grünlichweisz Naumann vögel (1822) 12, 310, -lila P. Hille ges. w. (1916) 398, -rötlichweisz Naumann vögel (1822) 5, 127, -silber, n. : (der ölbäume) (anders s. ob. 5 a) W. v. Scholz erzählungen (1924) 294, -trübe Sven Hedin abenteuer in Tibet 1620, -violett P. Dörfler abenteuer d. Peter Farde (1929) 51. 9) eine letzte, umfangreiche gruppe von zusammensetzungen, die ausschlieszlich adjektivische und partizipialadjektivische bildungen umfaszt, ist nicht eigentlich an bestimmte gebrauchsweisen von grau A gebunden. a) bildungen mit enger beziehung zwischen erstem und zweitem wortglied, wobei grau die farbe des im grundwort steckenden substantivs bezeichnet: graubefiedert (vom pfeil) Göthe I 37, 75 W., -beschilft Ahlwardt Ossian (1811) 2, 118, bestaubt Rosegger schr. (1895) I 15, 77, -fleckig P. Dörfler Apollonias sommer (1932) 369, gebunden (von büchern) Gutzkow ges. w. (1872)

5, 4, -gefleckt Ph. O. Runge hinterlass. schr. (1840) 1, 349, -gepudert Zachariä poet. schr. (1763) 1, 360, gestreift Göthe I 34, 285 W., gestrichen Kahlenberg Eva Sehring (1901) 52, getüncht G. Hauptmann d. weber (1892) 5, grundiert W. Raabe s. w. I 1, 31 Klemm, -ledern Gutzkow zauberer (1858) 2, 344, -sammeten Jul. Mosen s. w. (1863) 7, 189, -scheckig, -scheckicht: grauscheckicht Schrader dt.-frz. 1 (1781) 571; grauschäckig Regis Rabelais (1832) 1, 590, -schillernd Ratzeburg forstinsekten (1844) 2, 146, -schimmernd Gutzkow ritter (1850) 2, 377; Rosegger schr. (1895) I 12, 322, sprenklich(t): grausprenglicht Bucholtz Herkules (1666) 1, 774; grausprencklich Göchhausen notabil. venator. (1741) 106; grausprenklicht Nehring tundren u. steppen (1890) 99, -steinern R. M. Rilke tageb. 1899 —1902 (1931) 297, -verstaubt A. Miegel ges. ged. (1927) 31, -verwittert (ein altes gesicht) Hamerling s. w. (o. j.) 3, 16. b) in anderen bildungen stehen bestimmungsund grundwort selbständig und in gröszerem innerem abstand, gleichsam mit ersparung der kopula: grauduftig Grasz sizil. reise (1815) 49, dünn Schottel haubtspr. (1663) 75, -ehrwürdig (von einem gemäuer) Holtei erz. schr. (1861) 5, 25, -glasig (von der luft) R. M. Rilke tageb. 1899 —1902 (1931) 334, -grämig Traudt winkelbürger (1917) 161, -grollend (von einem gesicht) A. Zweig einsetzung e. königs (1950) 251, -kalt Rückert ges. poet. w. (1867) 8, 319, -schmutzig Jean Paul w. 49/51, 225 H., -stirnig Freiligrath ges. dicht. (1870) 2, 137, -welk Poppenberg maskenzüge (o. j.) 343.