GEWALT IN DER SCHULE - AUCH VON LEHRERN 1

GEWALT IN DER SCHULE - AUCH VON LEHRERN 1 Volker Krumm, Birgit Lamberger-Baumann, Günter Haider In den empirischen Arbeiten über 'Gewalt in der Schu...
Author: Kasimir Albert
3 downloads 0 Views 113KB Size
GEWALT IN DER SCHULE - AUCH VON LEHRERN

1

Volker Krumm, Birgit Lamberger-Baumann, Günter Haider In den empirischen Arbeiten über 'Gewalt in der Schule' wird fast ausnahmslos nur über Gewalt von Schülern geforscht. Im Rahmen von TIMSS (Third International Mathematic and Science Study) wurden rund 10.000 Schüler der Klassenstufen 7/8 und der Abschlußklassen 10/11/12 der weiterführenden Schulen befragt, in welchem Ausmaß sie Opfer von Gewalt durch Schüler und durch Lehrer waren. Die Prävalenzuntersuchung zeigte: 'Gewalt' ('Mobbing') von Lehrern gegen Schüler ist ebenso häufig verbreitet wie 'Gewalt' von Schülern gegen Schüler.

1. Zur Fragestellung und Methode In den Veröffentlichungen über 'Gewalt in der Schule' wird in der Hauptsache untersucht, welche Gewalttaten von Schülern ausgehen (Krumm & Lamberger-Baumann, 1996). Ist diese Beschränkung auf Schülergewalt gerechtfertigt? Geht man davon aus, daß Gewalt in der Regel von 'Mächtigen' gegenüber 'Ohnmächtigen' ausgeübt wird, dann ist die Beschränkung auf Schüler als Täter überraschend: In der Schule können alle dort Agierenden Gewalt anwenden - aber doch eher die Lehrer gegen die Schüler, die Schulleitung gegen Lehrer, Lehrer und Schulleiter gegen Eltern. Wir wollten deshalb im Rahmen einer Untersuchung über Gewalt von Schülern auch prüfen, in welchem Ausmaß sich Schüler von Lehrern attackiert fühlen. Wie sieht es damit in der Literatur nun im Detail aus? In der qualitativen Literatur wurden in 74% aller Fälle Schüler als Täter genannt, Lehrer lediglich in 23% (Krumm & LambergerBaumann, 1996). Demgegenüber tauchen Lehrer relativ häufiger als Opfer auf (35%) - als Opfer von Schülergewalt. Wenn von Schülern als 'Opfer' geschrieben wird (68%), handelt es sich fast immer um Opfer von gewalttätigen Schülern. In den empirischen Untersuchungen der Jahre 1990-1996 ist die Verteilung der Täter noch einseitiger (Krumm, 1997). Fast alle Arbeiten, die mit ihrem Titel angeben, über 'Gewalt in der Schule' zu schreiben, untersuchen nur Gewalt, die von Schülern ausgeht. Etwa die Hälfte berücksichtigt auch Lehrer als Opfer. Wir fanden nur eine Untersuchung, die auch Lehrer als Täter in Betracht zieht - allerdings nur am Rande. Von 28 Items beziehen sich 25 auf Schüler als Täter, lediglich drei auf Lehrer.2 Tabelle 1 zeigt die Befunde.

Tabelle 1: Gewalt von Lehrern gegen Schüler (Ergebnisse einer Schulleiterbefragung in BadenWürttemberg, Angaben in Prozent) (nach Thiel, 1995) Rang unter nie

selten

häufig 28 Items

"Verbales 'Fertigmachen' von Schülern durch Lehrer"

25

70

5

13

"Vulgäre Beschimpfungen des Schülers durch Lehrer"

58

42

0

28

"Lehrer/in nähert sich Schülern in sexueller Absicht"

93

7

0

27

Auf diese Daten sei hier nicht näher eingegangen. Die Vorgesetzten von Lehrern dürften keine besonders gültige Quelle zur Beantwortung der hier interessierenden Frage sein. Hierzu

müssen vor allem die 'Opfer', also die Schüler, und die Mitschüler als 'Beobachter' befragt werden. Wir haben nur eine Untersuchung gefunden, die 'Opfer' von Lehrergewalt befragte. Deren Autoren (Karazman-Morawetz & Steinert, 1995b) interessierten sich jedoch für die Frage, ob sich die "Gewalterfahrungen", die die drei von ihnen befragten Generationen in ihrer Jugend gemacht haben, voneinander unterscheiden. Sie berichten deshalb u.a. nur, ob die Befragten während ihrer Schulzeit von Lehrern auf bestimmte Weisen unfair behandelt wurden, nicht wie oft. Wir gehen deshalb auf diese Befunde nur am Rande ein (siehe Tab. 6). Diese große, für Österreich repräsentative Arbeit stützt aber den Verdacht, den die Alltagserfahrung von Schülergenerationen nahelegt, daß nämlich 'Gewalt' von Lehrern gegen Schüler kein so seltenes Ereignis ist, daß sie in der Forschung und Diskussion über Gewalt in der Schule vernachlässigt werden darf.3 Vereinzelt gibt es dazu auch Aussagen aus der Schule selbst. So schreibt ein österreichischer Lehrer in einer angesehenen Lehrerzeitung: "[...] Die wirklichen Reaktionen so mancher Lehrer sind jedoch: schimpfen, schreien, brüllen, mahnen, zur Rede stellen, prüfen, mit Notendruck arbeiten, mehr Stoff durchmachen, auswendig lernen lassen, diktieren, Klassenbuch eintragen, schlechtere Verhaltensnote beantragen, Eltern vorladen, blamieren, fertigmachen, abstufen in eine niedrigere Leistungsgruppe ..." (Wimmer, 1986, S. 18).4 Was heißt nun aber "so mancher Lehrer"? Sind das viele oder wenige? Was heißt es, wenn 5% der Direktoren in Baden-Württemberg angeben, ihre Lehrer würden "häufig" ihre Schüler "verbal fertigmachen" und 70% äußern, die Lehrer würden das "selten" tun? Was heißt es, wenn 58% der Direktoren sagen, ihre Lehrer würden die Schüler "nie" "vulgär beschimpfen" ? (vgl. Tab. 1) Solchen Fragen wollten wir mit unserer Untersuchung nachgehen. Wir taten es im Rahmen des Österreichteils der IEA-Untersuchung TIMSS.5 Da in dieser internationalen Untersuchung Schulleistungen in Mathematik und Naturwissenschaften und ihre Analyse im Zentrum stehen, hatten wir allerdings für unsere (nur Österreich betreffenden) Fragen sehr wenig Raum. Zur Methode nur soviel: Wir haben eine repräsentative Stichprobe von rund 10.000 Schülern aller Schularten der 7. und 8. Klassen sowie der Abschlußklassen 10, 11 bzw. 12 der verschiedenen weiterführenden Schulen befragt, und zwar in dreierlei Weise: Als 'Täter', als 'Beobachter' und als 'Opfer'.6 Dabei interessierte nun nicht nur - wie üblich - die Gewalt von Schülern gegen Schüler und Lehrer, sondern auch die Gewalt von Lehrern gegen Schüler. Im vorliegenden Artikel konzentrieren wir uns auf den zweiten Aspekt: auf Gewalt von Lehrern gegen Schüler. Unter (physischer und psychischer) Gewalt verstehen wir ein 'normabweichendes' ('unerlaubtes') und 'schädigendes' ('verletzendes') Verhalten. Ob die Schädigung intendiert ist oder 'nur' in Kauf genommen wird - z.B. bei der 'rücksichtslosen' Durchsetzung einer Absicht, die nicht auf das Opfer zielt, lassen wird offen.7 Die Daten über die Gewalt unter Schülern dienen im folgenden Text nur als Maßstab dafür, wie die Häufigkeiten der kränkenden, Kummer oder ƒrger auslösenden Handlungen von Lehrern gegen Schüler zu bewerten sind. 'Gewalt unter Schülern' haben wir auf jene Weise operationalisiert, die in den empirischen Untersuchungen vorherrscht (siehe die folgenden Tabellen). Die Schüler wurden gebeten anzugeben, "wie oft" sie in den "letzten vier Wochen"8 die betreffende Handlung ausführten,

beobachteten oder erlitten.9

2. Die Ergebnisse Wir beschränken uns im vorliegenden Text auf die Beantwortung der Ausgangsfrage unter zwei Aspekten: ob Lehrer in Texten über Gewalt in der Schule als 'Täter' unterrepräsentiert sind und in welchem Ausmaß Lehrer Handlungen gegenüber Schülern ausüben, die auch (und vor allem) von Lehrern als 'Gewalt' angesehen werden.10 Die Tabellen 2a + b informieren über die Gewalt unter Schülern, die Tabellen 3a + b über die Gewalt von Schülern gegen Lehrer und die Tabellen 4a + b über verletzende, kränkende Handlungen von Lehrern gegen Schüler.

Tabelle 2a: Gewalt zwischen Schülern - Schulstufe 7 und 8: Aussagen der 'Opfer', 'Täter' und 'Beobachter' (Prozentwerte) wurdest Du ...

hast Du ...

wurde ein Schüler

'Opfer'

'Täter'

'Beobachter'

Wie oft (im letzten Monat)11 nie

1x

2x

3+

nie

1x

2x

3+

nie

1x

2x

3+

angegriffen, geschlagen, getreten?

80

5

2

12

79

6

2

12

47

16

9

26

beschimpft, beleidigt?

46

16

8

30

50

16

8

25

30

14

10

46

bedroht, erpreßt, zu etwas gezwungen?

86

3

2

9

87

2

1

10

75

6

3

17

67

13

6

14

85

4

1

9

59

12

7

21

70

9

5

16

75

7

3

14

53

12

7

28

(Wurde Dir/ hast Du einem Schüler/ wurde einem Schüler ...) etwas beschädigt,

zerstört? Mittelwert:

Tabelle 2b: Gewalt zwischen Schülern - Schulstufe 11: Aussagen der 'Opfer', 'Täter' und 'Beobachter' (Prozentwerte)12 wurden Sie ...

haben Sie...

wurde ein Schüler

'Opfer'

'Täter'

'Beobachter'

Wie oft (im letzten Monat) nie

1x

2x

3+

nie

1x

2x

3+

nie

1x

2x

3+

angegriffen, geschlagen, getreten?

97

1

0.5

1

97

1

0

2

86

6

3

5

beschimpft, beleidigt?

78

9

5

9

82

7

4

8

65

9

7

18

bedroht, erpreßt, zu etwas gezwungen?

98

0.8

0.3

0.1

98

0.6

0.3

1

94

2

1

3

5

2

2

97

1

0.3

1

89

5

2

5

4

2

3

94

2

1

3

84

6

3

8

(Wurde Ihnen/ haben Sie einem Schüler/ wurde einem Schüler ...) etwas beschädigt, 91

zerstört? Mittelwert:

91

Tabelle 3a: Gewalt von Schülern gegen Lehrer - Schulstufe 7 und 8 (Prozentwerte) hast Du einen Lehrer...

hat ein Mitschüler einen L.

Wie oft (im letzten Monat) 'Täter' nie

1x

'Beobachter' 2x

3+

nie

1x

2x

3+

beschimpft, beleidigt?

72

7

4

16

50

12

8

30

sonst irgendwie geärgert?

55

13

7

25

38

12

8

42

Mittelwert:

64

10

6

21

44

12

8

36

Tabelle 3b: Gewalt von Schülern gegen Lehrer - Schulstufe 11 (Prozentwerte) haben Sie einen Lehrer...

Wie oft (im letzten Monat)

hat ein Mitschüler einen L. 'Beobachter'

'Täter' nie

beschimpft, beleidigt?

87

sonst irgendwie geärgert? Mittelwert:

1x

2x

5

3

77

8

82

7

3+

nie

1x

2x

3+

10

7

14

63

8

7

22

67

9

7

18

5

70

5

11

4

8

Auf die Tabellen 2+3 gehen wir hier nicht ein. Wie erwähnt, dienen sie nur als Maßstab zur Interpretation jener Handlungen von Lehrern, die von Schülern als 'verletzend', 'kränkend', 'quälend' oder ähnlich erlebt werden. Können die Schüleraussagen als gültig angesehen werden? Wir können hier nur feststellen, daß die beiden hier am meisten interessierenden Verfahren, die 'Täter-' und 'Opferberichte', in der Delinquenz- und Dunkelfeldforschung als hinreichend gültiges Verfahren angesehen werden soweit die Fragen (vor allem im Blick auf die Täter) keine schweren kriminellen Handlungen betreffen (Kreuzer, Görgen, Römer-Klees & Schneider, 1992; Kreuzer, 1994; Schwind, 1983; Eisenberg, 1995).13 Die Tabellen 4a und 4b informieren nun darüber, wie oft Schüler sich von Lehrern verletzt fühlen.

Tabelle 4a: Gewalt von Lehrern gegen Schüler - Schulstufe 7 und 8 (Prozentwerte) hat ein Lehrer Dich ...

hat ein Lehrer einen Schüler

'Opfer'

'Beobachter'

Wie oft (im letzten Monat) nie

1x

2x

3+

nie

1x

2x

3+

ungerecht behandelt?

54

16

8

22

37

19

13

31

gekränkt?

62

13

6

19

50

15

9

26

sonst irgendwie geärgert?

49

15

8

29

50

13

7

30

Mittelwert:

55

15

7

23

46

16

10

29

Tabelle 4b: Gewalt von Lehrern gegen Schüler - Schulstufe 11 (Prozentwerte) hat ein Lehrer Sie ...

hat ein Lehrer einen Schüler

Wie oft (im letzten Monat) 'Opfer' nie

1x

'Beobachter' 2x

3+

nie

1x

2x

3+

ungerecht behandelt?

63

17

9

11

45

17

13

25

gekränkt?

77

11

4

7

64

12

9

16

sonst irgendwie geärgert?

64

13

7

16

63

10

6

21

Mittelwert:

68

14

7

11

57

13

9

21

Der Vergleich der Tabelle 4 mit den Tabellen 2 und 3 ist zumindest auf den ersten Blick nicht unproblematisch. Die Formulierungen, die den Tabellen 2 und 3 zugrunde liegen, wollten wir den Schülern im Blick auf Lehrer nicht vorlegen. Wir wollten mit den Fragen nicht unterstellen, daß Lehrer ihre Schüler z.B. "schlagen", "treten", "erpressen" u.a.14 Wir entschlossen uns daher zu den Formulierungen, die Tabelle 4 zeigt: "ungerecht behandelt", "gekränkt", "geärgert". Sie stellen aus der Sicht des 'Opfers' das Pendant zu den Handlungen der 'Täter' ("Angriff", "Beschimpfung", "Beleidigung", "Drohungen", "Nötigung", "Bloßstellen", "Fertigmachen"...) dar, denn diese Handlungen intendieren "Kränkung" oder "Verletzung" oder nehmen sie in Kauf. Wenn das akzeptiert werden kann, dann zeigt nun der Vergleich: • • •

Schüler beider Klassenstufen erleben sich häufiger als Opfer von Lehrerangriffen als von Schülerangriffen. Die älteren beträchtlich häufiger als die jüngeren. Die "Beobachter" schreiben ebenfalls, daß Lehrer häufiger als Mitschüler Schüler beschimpfen, beleidigen, ärgern ... Schließlich äußern die Schüler, sie würden Lehrer seltener angreifen, als sie von Lehrern attackiert würden.

Die Befunde bestätigen die vermutete Einseitigkeit der Diskussion über Gewalt in der Schule: Verletzende Handlungen von Lehrern gegen Schüler kommen den Aussagen zufolge im Durchschnitt häufiger vor als verletzende Handlungen von Schülern gegen Schüler und Lehrer. Nun kann man gegen den Vergleich einwenden, die Angriffe von Lehrern gegen Schüler seien von anderer Art als die Angriffe von Schülern gegen Schüler: Lehrer würden doch Schüler nicht so prügeln, beschimpfen, verunglimpfen, bedrohen, erpressen, wie es unter Schülern vorkommt. Und schon gar nicht würden Lehrer Schüler blutig schlagen. Der Einwand ist berechtigt. Die Häufigkeit der einzelnen Arten von Lehrer-Gewalthandlungen gegen Schüler dürfte sich beträchtlich von jener der Schüler untereinander unterscheiden. Aber wenn die Arten der Aggression sich unterscheiden - muß sich deshalb das Ausmaß an erlebter Kränkung unterscheiden? Ist Lächerlichmachen durch den Lehrer vor der Klasse harmloser als Prügel von einem Mitschüler? Ist 'Anherrschen' durch den Lehrer weniger kränkend als obszöne Beleidigungen von Mitschülern? Sind Ignorieren, Bloßstellen oder Liebesentzug weniger schmerzhaft als die Zerstörung liebgewordenen Eigentums durch Schüler aus Rache oder Bosheit? Da wir meinen, daß weniger die Art der Handlung für ihre Beurteilung von Belang ist, als der Grad der Kränkung, die das 'Opfer' erlebt, scheint uns die Formulierung der Fragen, die Tabelle 4 zugrundeliegen, angemessen. Zur Prüfung dieser Annahme haben wir jedoch noch eine letzte Frage gestellt. Die Antworten hierauf (in Tabelle 5) dürften belegen, daß die

Aussagen der Tabellen 2 und 3 mit jenen der Tabelle 4 verglichen werden dürfen.

Tabelle 5: Wenn Sie in letzter Zeit von Ihren Mitschülern und von einem Ihrer Lehrer gekränkt worden sind: Welche Kränkungen haben Ihnen mehr Kummer bereitet, haben Sie länger belastet? (In Stufe 7 und 8 wurden die Schüler mit Du angesprochen.) (Prozentwerte) Schulstufe 7 + 8

Schulstufe 11

eher die durch die Mitschüler

42

27

eher die durch Lehrer

21

25

kein Unterschied

37

48

Die Tabelle zeigt: Soweit sich die Kränkungen durch Mitschüler und Lehrer unterscheiden • • •

erleben die Schüler der 7. und 8. Klasse die Schülerattacken schlimmer als die der Lehrer. Bei den Schülern der 11. Schulstufe besteht kein Unterschied. Der Prozentsatz jener Schüler, die die Belastung durch Kränkungen von Lehrern und Schülern gleich erleben, beträgt bei den beiden Gruppen 37% und 48%. Besonders nachdenklich kann stimmen, wenn man die Befunde so zusammenfaßt: Der Anteil jener Schüler, denen Kränkungen durch den Lehrer "ebensoviel" oder "eher mehr" Kummer bereiten bzw. die sie "länger belasten" beträgt 58% bei den Siebenund Achtkläßlern und 73% bei den Schülern der 11. Klasse.

Diese Befunde stützen die Annahme, die der Vergleich der Tabellen 3+4 nahelegte: Der Mehrzahl der Schüler wird von Lehrern ebensoviel Kummer bereitet, wie ihn sich Schüler untereinander mit ihren 'Gewalthandlungen' zufügen.

3. Zur Diskussion Ob sich Schüler durch eine Handlung eines anderen 'gekränkt' oder 'verletzt' fühlen, hängt von ihrer Situationsinterpretation, dem Verhältnis zum Angreifer, ihrer Empfindlichkeit u. ä. ab. Dennoch ist zunächst einmal der bekundete Kummer oder Schmerz durch den Angriff zu akzeptieren, unabhängig davon, ob er von einem Mitschüler oder von einem Lehrer ausging, und auch unabhängig von den Motiven der Täter. Selbst wenn die Handlung etwa eines Lehrers eine Reaktion auf einen Angriff, eine Unverschämtheit oder 'Herausforderung' ist, muß die erlebte Verletztheit akzeptiert werden. Sie ist dann Ausdruck dafür, daß es dem Lehrer nicht gelang, dem Schüler verständlich zu machen, daß er auf eine Normverletzung des Schülers berechtigt mit 'Gewalt' reagierte. Es handelt sich bei den bekundeten Kränkungen nicht nur um solche, die schnell vergessen werden. Die 'Generationenvergleiche' von Karazman-Morawetz & Steinert (1995b) zeigen es (siehe S. 1f). Die Autoren haben den drei Altersgruppen neun Fragen gestellt, deren zentrale Komponenten (siehe die Verben) und Antworten Tabelle 6 zeigt:

Tabelle 6: Unangenehme Erfahrungen mit Lehrern in der Grundschule (GS) und in weiterführenden Schulen (WS) nach Altersgruppen und Geschlecht. Alles Ja?Antworten - außer in der letzten Zeile. Quelle: Karazman-Morawetz & Steinert (1995b) nach Tab 5 + 6

männlich

weiblich

Jugend15

Erwachsene bis

Erwachsene bis

40 Jahre

60 Jahre

Jugend

Erwachsene bis

Erwachsene bis

40 Jahre

60 Jahre

GS

WS

GS

WS

GS

WS

GS

WS

GS

WS

GS

WS

54

47

53

27

41

25

48

49

47

29

49

26

vom Lehrer beschimpft, 62 angeschrien

46

56

32

49

21

47

40

34

17

43

20

vom Lehrer verspottet, bloßgestellt

36

31

32

15

20

13

26

27

23

12

23

12

vom Lehrer geschlagen

16

5

23

3

36

6

5

2

10

1

18

3

vom Lehrer ungerecht behandelt

58

60

66

38

42

23

57

63

50

36

54

33

Lehrer körperlich zudringlich

4

4

2

1

1

1

2

3

1

3

4

3

vom Lehrer ständig nicht beachtet

22

14

14

11

11

7

16

21

10

9

13

6

vom Lehrer Schuldgefühle gemacht

29

23

19

13

14

8

20

19

13

11

18

12

vom Lehrer schikaniert

28

22

24

11

15

9

21

18

13

8

19

10

alles nein

23

25

13

45

24

58

27

23

36

55

28

57

vom Lehrer beleidigt

Hier interessiert nur, daß ein großer Teil der Befragten sich an Kränkungen durch Lehrer auch aus der Grundschulzeit erinnert, also Kränkungen, die durchschnittlich 10, 22 und 40 Jahre zurückliegen. Mit der Entfernung von der Schulzeit werden die Zahlen kleiner: Die weniger schlimmen Erfahrungen werden wohl vergessen - es gibt aber Erfahrungen mit 'Gewalt', Mobbing oder Schikane durch Lehrer, die nie vergessen werden!16 Was die Häufigkeit der Kränkungen durch Lehrer (nach unseren Erhebungen) betrifft, so kann zunächst festgestellt werden, daß jeweils rund ein Drittel der Schüler berichtet, im vergangenen Monat eine oder mehrere solcher Kränkungen erlebt bzw. beobachtet zu haben. Von den Siebent- und Achtkläßlern schreiben 23%, sie seien "dreimal oder mehrmals im Monat" vom Lehrer unfair behandelt worden, von den älteren Schülern berichten das 11%.17 Die erfahrenen oder erlebten Kränkungen durch Schüler sind seltener. Die "Beobachter" scheinen die Vorfälle anders zu interpretieren: 29% der Elftkläßler, aber "nur" 21% der Siebent- und Achtkläßler haben beobachtet, daß Lehrer Schüler "dreimal oder mehr" (in vier Wochen) unfair behandelt oder gekränkt haben. Geht man davon aus, daß Lehrerangriffe auf einzelne Schüler in der Regel vor allen anderen Schülern einer Klasse erfolgen, dann sind das relativ weniger beobachtete als selbst erfahrene Lehrerattacken (siehe auch Anm.8). Ob die ermittelte Zahl der 'Opfer' von Lehrerattacken beunruhigend ist oder nicht, soll hier dem Leser überlassen bleiben. In der Diskussion über Gewalt unter Schülern herrscht keine einhellige Meinung vor. Die qualitative Literatur, die Medien und auch die Lehrer, vor allem aber deren Vertretungen sprechen von viel und schlimmer Gewalt unter Schülern. Zusammen damit wird seit Jahren (!) auch behauptet, die 'Gewalt' in der Schule würde "ständig zunehmen", "immer brutaler", "hemmungsloser" oder "entregelter" werden (Krumm & Lamberger-Baumann, 1996).

In der empirischen Literatur finden sich eher "Entwarnungsaussagen" als Bestätigungen der Behauptung, es gäbe viel (schreckliche) Schülergewalt. 'Gewalt' war eben immer schon auch ein Ideologie anfälliges Thema - je nach Interessen werden die "Fakten" dramatisiert oder verharmlost (Krumm, 1993; 1996; 1997). Wir halten es für angemessen, zur Bewertung der Befunde in Tabelle 4 und 5 die Beurteilung der Schülergewalt, also die Beurteilung der Befunde nach den Tabellen 2 und 3 heranzuziehen. Wer also urteilt, Schülergewalt sei "groß", "schlimm", "schrecklich", muß dieses Urteil dann auch auf das Ausmaß der 'Lehrergewalt' anwenden. Wer meint, Ausmaß und Art der Gewalt von Schülern "wird übertrieben", "ist zum Glück nicht so groß und schlimm, wie in der Öffentlichkeit behauptet wird", "ist kleiner und 'harmloser', als Lehrer sagen", darf diese Wertungen auf die kränkend erlebten Lehrerhandlungen nach Tabelle 4+5 übertragen. Er muß jedoch einschränkend hinzufügen: "Allerdings sind Kränkungen, die Schüler durch Lehrer erleben, eher häufiger und werden oft als schlimmer erlebt, als jene durch Mitschüler". Außerdem muß er darüber nachdenken, ob es angemessen ist, eine kränkende Handlung von 'unreifen' Schülern dem gleichen Maßstab zu unterwerfen wie eine kränkende Handlung eines Pädagogen von Beruf. Unsere Untersuchung war nicht darauf angelegt, auch zu prüfen, welche Schul-, Klassen-, Schüler- und Lehrermerkmale Lehrer 'gewalttätig' oder kränkend agieren lassen. Dennoch erlauben die im Rahmen der TIMS-Studie erhobenen Daten einige Analysen. Wir werden darüber in einem zweiten Text berichten; wir gehen dort auch detaillierter auf die hier nur zusammengefaßt vorgestellen Daten ein. Wir wollen hier auch keine Antwort auf die Frage suchen, wie Schulpraktiker und Erziehungswissenschaftler auf die Befunde reagieren sollten mit einer Ausnahme: Wir meinen, die Befunde müßten alle, die an einer 'guten Schule' interessiert sind, anregen zu prüfen, wie verhindert werden kann, was das Magazin Profil hoffentlich journalistisch übertrieben - "geschützte Grausamkeit" nennt.



1

Im folgenden handelt es sich um den Text eines Vortrages, den ich (V.K.) auf der AEPF-Tagung Anfang Oktober 1996 im Rahmen des Symposiums "Gewalt in der Schule" vorgetragen habe. Sämtliche Beiträge auf dem Symposium habe ich in der Zeitschrift "Empirische Pädagogik" (Heft 2/1997: Themenheft "Gewalt in der Schule") herausgegeben. Eine APA-Journalistin, die im Oktober 1996 über den Symposiumsbeitrag Gewalt an Schulen Bayerns berichtet hatte, verfaßte im Februar 1997 über meinen Text einen Bericht für die österreichischen Medien. Die Reaktion der Schulwelt auf die Medienberichte war so ungewöhnlich heftig und widersprüchlich, daß es nützlich sein dürfte, den Text in den Salzburger Beiträgen nochmals wiederzugeben, und zwar zusammen mit einer Kritik von Peter Posch und meiner Antwort dazu ebenfalls Texte, die ich der genannten Zeitschrift mit herausgab. Peter Posch hat den Wiederabdruck seiner Kritik freundlicherweise gestattet.

2

Insgesamt wurden den Schulleitern 42 Items zur Beantwortung vorgelegt. 28 Items wurden von mindestens 75% der Befragten als "Gewalt-Items" definiert bzw. akzeptiert.

3

In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß in der umfangreichen Literatur über Gewalt in der Familie fast ausschließlich die Eltern und erwachsenen Verwandten als Gewalttäter gegenüber Kindern auftauchen. Dort hält man es für so selbstverständlich, daß die 'Starken' die 'Schwachen' mißhandeln, daß kaum untersucht wird, in welchem Ausmaß Kinder und Jugendliche gegen die Eltern

'gewalttägig' sind.

4

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch die Reaktion von Lehrern, über die die Süddeutsche Zeitung (SZ) vom 2.2.92 berichtete, als ein Schulleiter wegen Körperverletzung eines Schülers zu 16.000 DM Strafe verurteilt worden war. Sie SZ schrieb: "Die Pädagogen fühlen sich verlassen - Dachauer Lehrer empört über Kopfnuß-Urteil". Laut SZ war der Schulleiter verurteilt worden wegen "schmerzhafter Kopfnüsse" und weil er "einen Elfjährigen an den Haaren gezerrt und gegen eine Wand geschmissen hat". Im Jahr davor hatte sein Vorgänger wegen Körperverletzung 8000 DM Strafe zu zahlen. Sind das nur extrem seltene Einzelfälle? Die jüngste Diskussion in Österreich spricht dagegen. Ein Artikel im österreichischen Nachrichtenmagazin Profil (Nr. 50. S. 49-53; Buchacher, 1996), der diese Diskussion ausgelöst hat, läßt befürchten, daß es sich hier nicht nur um Einzelfälle handelt, sondern daß die 'Dunkelziffer' beachtlich ist. "Eine Erklärung dafür" - nämlich, daß Lehrer machen könnten, was sie wollen - "ist der ungeheure Filz, mit dem Personalvertretung und Gewerkschaft das Schulwesen durchzogen haben. Viele Landesschulratspräsidenten sind auf unvereinbare Weise zugleich Gewerkschafter oder Funktionäre im Schwarzen oder Roten Lehrerverein [...]" (S. 52) - mit anderen Worten: Profil meint, Lehrer, die ihre Schüler schikanieren, brauchen keine Sanktionen zu befürchten (S. 52).

5

TIMSS steht für "Third International Mathematics and Science Study". Die TIMS-Studie - und somit auch die vorliegende Arbeit - wurde vom Forschungsfonds und dem BMUK finanziert.

6

Die TIMS-Studie erforderte die große Versuchspersonenzahl. Für die Frage, die hier interessiert, wäre natürlich eine viel kleinere Stichprobe ausreichend gewesen.

7

Unter 'normabweichend' oder 'unerlaubt' verstehen wir auch ein Verhalten, daß von Normen abweicht, die heute in der Erziehung gelten bzw. beachtet werden sollen. Der Begriff 'Gewalt', der heute in der Forschung und Diskussion über Gewalt in der Schule üblich ist, erscheint uns wenig geeignet zur Beschreibung all jener Verhaltensweisen, die heute damit bezeichnet werden, wenn es um 'Gewalt in der Schule' geht. (Krumm, 1997; Krey & Neidhardt, 1986). Für das, was sich Schüler gegenseitig und Lehrern antun, scheint uns der in der angelsächsischen Diskussion und Forschung über 'Gewalt von Schülern' benutzte Begriff "Bullying" angemessener (Krumm, 1993). Für das, was manche Lehrer Schülern antun, erscheint uns "Mobbing" der angemessenere Begriff (Leymann, 1993). Im Deutschen wird statt dessen oft auch von "psychischer Gewalt", "Psychoterror" oder "Schikane am Arbeitsplatz" gesprochen. 'Verbale Gewalt' ist in der Schule vielfach häufiger verbreitet als "schwere Gewalt", die der Allagsbegriff mit "Gewalt" assoziiert und mit der gegen "Strafgesetze" verstoßen wird.

8

Der kurze Zeitraum verringert das Erinnerungsproblem und erhöht zugleich die Wahrscheinlichkeit der Erinnerung an kleinere Verletzungen. In der Regel werden in den Schülerbefragungen über Gewalterfahrungen größere Zeiträume vorgegeben (meist ein Schuljahr) und auch 'geschlossen' gefragt.

9

Die Aufforderung, Häufigkeiten zu erinnern, dürfte zu befriedigenderen Antworten führen als Vorgaben wie "selten", "oft", "häufig". Diese führen zu kaum lösbaren Interpretationsproblemen. Vorgaben von Häufigkeiten wie '1-2', '3-5', '6-10' oder ähnlichem führen zu Rekodierungs- bzw. Gewichtungsproblemen.

10 Nach den vorliegenden Untersuchungen haben Lehrer einen beträchtlich weiteren Begriff von Gewalt als Schüler. Schüler orientieren sich mit ihrem Gewaltverständnis mehr am Alltagsbegriff von Gewalt also an "schwerer Gewalt". Mit anderen Worten, Lehrer bezeichnen Schülerverhaltensweisen als "Gewalt", die für Schüler "keine Gewalt" sind (Krumm, 1997).

11

Der genaue Wortlaut der Fragen lautete:

bei Frage 2a+b: "Wie oft wurdest Du im letzten Monat von einem Schüler oder einer Gruppe von Schülern..." (bei Tab. 2b " [...] wurden Sie") "Wie oft hast Du im letzten Monat allein oder mit anderen zusammen..." "Wie oft hast Du [...] gesehen, daß Mitschüler einen andern Mitschüler..." bei Frage 3a+b: "Wie oft hast Du (haben Sie) im letzten Monat einen Deiner (Ihrer) Lehrer ..." ; "[...] hast Du erlebt?" bei Frage 4: "Wie oft haben Dich (haben Sie) im letzten Monat Deine (Ihre) Lehrer ..."; "[...] hast Du erlebt" Die Vorgabe für die Antwortspalte lautete: "Wie oft? (bei 'nie' wurde eine '0' eingetragen)". Für die Darstellung wurden die Angaben '3' und alles, was darüber genannt wurde, zu einer Kategorie zusammengefaßt. Aus diesem Grund ist die letzte Spalte '3+' stärker besetzt als die Spalte '2x'. Wir haben uns für diese Vorgabe entschlossen, weil wir hofften, daß die Antwort auf die offene Frage mehr Nachdenken über die vergangenen vier Schulwochen auslöst als die übliche Vorgabe von ad hoc erfundenen Kategorien.

12 In den Tabellen, die sich auf Schulstufe 11 beziehen, geben wir die Durchschnittswerte der Antworten der Schüler aus den jeweiligen Abschlußklassen der (allgemeinen und berufsbildenden) weiterführenden Schülen, also der Stufen 10, 11 und 12 an. Daten speziell zu kaufmännischen und gewerblichen Berufsschulen siehe Krumm, 1996).

13

Allerdings gibt es schon unter Reliabilitätsaspekten nicht nur zufriedenstellende Ergebnisse: Es war zu erwarten, daß im Randgruppenvergleich die Aussagen von 'Täter' und 'Opfer' einander weitgehend gleichen. Gewalthandlungen indizieren in der Regel Konflikte zwischen zwei Personen oder zwei Gruppen. Aber wie sind die Angaben über die beobachteten Gewalthandlungen zu interpretieren? Die 'Beobachter' geben natürlich größere Häufigkeiten an als die 'Täter' und 'Opfer'. Letztere schreiben nur über die eigenen Handlungen bzw. Erfahrungen, die Beobachter berichten aggressive Handlungen, die sie in der Klasse oder Gruppe wahrgenommen haben. Wenn alle Schüler alle 'Gewalthandlungen' beobachtet hätten, müßten es mehr sein. Sieht nur ein kleiner Teil der Mitschüler was geschieht? Interessieren sie sich nicht dafür? Interpretieren sie das, was sie sehen, anders als die 'Täter' und 'Opfer'?

Für die Reliabilität der Daten kann auch geltend gemacht werden, daß die Interkorrelationen - d. h. die Korrelationen der 2-4 Items zu jeder "Rolle" - hoch sind. Allerdings kann dieser Befund auch anders gedeutet werden: Wer sich häufiger 'angegriffen' fühlt, fühlt sich auch häufiger 'beleidigt' usw. Um dieses Problem kommt man jedoch bei Befragungen über Erfahrungen (subjektive Sichtweisen) nie herum. Wenn Befragte zuverlässig (reliabel) zu falschen Wahrnehmungen, Attributionen, Bewertungen tendieren, liegt ein Gültigkeitsproblem vor.

14

Derartige Fragen an Schüler schienen uns im Rahmen einer schriftlichen Befragung problematisch. Karazman-Morawetz & Steinert (1995b) konnten es sich im Rahmen ihrer Interviews von Personen, die die Schule hinter sich haben, problemlos erlauben, solche Fragen zu stellen (Siehe Tabelle 6).

15

Ein großer Teil der Lehrer, auf die sich die Aussagen der 'Jugend' bezieht, dürfte noch im Schuldienst sein.

16

Die Untersuchung von Karazman-Morawetz & Steinert (1995b) erlaubt keine Aussage darüber, ob sich hinter den Angaben viele schlimme Erfahrungen verbergen oder jeweils nur eine einzige.

Auch, ob die Kränkungen über die Zeit gleichbleibend erlebt und bewertet werden, kann nicht bestimmt werden. Am wahrscheinlichsten scheint uns, daß mit der Zeit die weniger verletzend erlebten Kränkungen vergessen wurden. Wenn das zutrifft, dann sind die Aussagen der 60-jährigen am ehesten ein Anhaltspunkt für die Verbreitung der 'unvergeßbaren', also wohl besonders schmerzhaften oder peinigenden Lehrerhandlungen. Wäre die 'Vergessenshypothese' nicht richtig, dann würden die Daten der Tab. 6 signalisieren, daß die 'Lehrergewalt' im Vergleichszeitraum gestiegen ist oder kränkende Lehrerhandlungen von den Schülern heute verstärkt, sensibler wahrgenommen werden. Für die verbreitete These, daß die Schülergewalt zugenommen habe, gibt es keine Anhaltspunkte in der Gewalt-in-der-Schule-Forschung.

17

Olweus berichtete auf einer Tagung (Bielefeld 1996) von einer noch nicht veröffentlichten Untersuchung über Gewalt von Lehrern in Norwegen. Er fand u.a. Lehrer, die sich einzelne Schüler als 'Opfer' ('Zielscheibe', 'Prügelknabe') aussuchten und diese weit überdurchschnittlich "peinigten".

Auch in unserer Studie berichten Schüler, sie seien in den letzten 4 Wochen 8, 12, 25 mal und mehr von Lehrern verletzt, gekränkt, unfair behandelt worden. Natürlich stellt sich hier noch mehr als bei den Durchschnittswerten die Frage, ob manche Schüler flunkern oder mit ihren Aussagen ihren Lehrern etwas heimzahlen wollen. Wenn letzteres der Fall ist, stellt sich aber auch die Frage: "Was?"

Literatur Buchacher, R. (1996, 9. Dezember). Geschützte Grausamkeit - Killer-Lehrer. Was sie anrichten und wer sie schützt. Profil. S. 43-49. Eisenberg, U. (1995). Kriminologie. Köln: Heymanns. Karazman-Morawetz, I. & Steinert, H. (1995a). Schulische und außerschulische Gewalterfahrungen Jugendlicher im Generationenvergleich. Wien: Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie. Karazman-Morawetz, I. & Steinert, H. (1995b). Studie "Gewalterfahrungen im Generationenvergleich". Bericht 2.: Gewalterfahrungen von Jugendlichen durch "Autoritäten" im Generationenvergleich. Wien: Bundesministerium für Unterricht und Kulturelle Angelegenheiten. Kreuzer, A., Görgen, T., Römer-Klees, R. & Schneider, H. (1992). Auswirkungen unterschiedlicher methodischer Vorgehensweisen auf die Ergebnisse selbstberichteter Delinquenz. Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform, 75, 91-104. Kreuzer, A. (1994). Kriminologische Dunkelfeldforschung. Neue Zeitschrift für Strafrecht, Heft 1 u. 4, 1-16 u. 164-171.

Krey, V. & Neidhardt, F. (1986). Was ist Gewalt? Auseinandersetzung mit einem Begriff. Hrsg. vom Bundeskriminalamt, Bd. 1. Wiesbaden: Bundeskriminalamt. Krumm, V. (1993). Aggression in der Schule. In U. Schmälzle (Hrsg.), Mit Gewalt leben: Arbeit am Aggressionsverhalten in Familie, Kindergarten und Schule (S. 153-201). Frankfurt/M.: Knecht. Krumm, V. & Lamberger-Baumann, B. (1996): Was über Gewalt in der Schule geschrieben wird. In K. E. Witruk & G. Friedrich (Hrsg.), Pädagogische Psychologie im Streit um ein neues Selbstverständnis (S. 570-576). Landau: Verlag Empirische Pädagogik. Krumm, V. (1996). Gewalt in der Berufsschule - Ausmaß - Erklärungen - Maßnahmen. In K. Beck, W. Müller, Th. Deißinger & M. Zimmermann (Hrsg.), Berufserziehung im Umbruch. Didaktischer Herausforderungen und Ansätze zu ihrer Bewältigung (S. 225-238). Weinheim: Deutscher Studienverlag. Krumm, V. (1997). Empirische Untersuchungen über Gewalt in der Schule - Eine methodenkritische Übersicht. In H. G. Holtappels, W. Heitmeyer, W. Melzer & K. J. Tillmann (Hrsg.), Schulische Gewaltforschung - Stand und Perspektiven. (Mit einer Bibliographie der empirischen Untersuchungen über 'Gewalt in der Schule' von 1990-1996). Leymann, H. (1993). Mobbing. Psychoterror am Arbeitsplatz und wie man sich dagegen wehren kann. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag. Schwind, H.-D. (1983). Dunkelfeldforschung. In H. J. Schneider (Hrsg.), Kriminalität und abweichendes Verhalten. Bd. 1 (S. 213-237). Weinheim/Basel: Beltz. Thiel, R.-D. (1995). Gewalt an Schulen (Basisteil): Gewalt und heutige Schülergeneration. Subjektive Einschätzung der Schulleiter. Hrsg. vom Landesinstitut für Erziehung und Unterricht, Ref. I/2. Stuttgart. Wimmer, J. (1986). Disziplin in der Schule. Lehrer und Gesellschaft, 48 (6), 18-19.

 

Suggest Documents