Workshop

Gesund und mit Freude am Instrument

Eckart Altenmüller

Institut für Musikphysiologie und Musiker-Medizin (IMMM) Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover [email protected] www.immm.hmt-hannover.de

10. Dezember: Gliederung

9 - 10 Uhr

Üben

10 - 11 Uhr

Schmerzen vorbeugen (mit Videoseminar)

11 - 12 Uhr

Ohne Aufführungsangst durchs Studium

Was ist Üben? Die Definition Üben ist eine zielgerichtete musikalische Betätigung, die dem Erwerb, der Verfeinerung und dem Erhalt sensomotorischer, auditiver, visueller, struktureller und emotionaler Repräsentationen von Musik dient.

Aus: Altenmüller E. (2005) in

Mahlert U. (Herausgeber): Handbuch Üben Breitkopf und Härtel-Verlag, Leipzig

Was noch dazu gehört: Geist und Körper Mentales Üben Üben setzt dabei nicht immer motorische Tätigkeit voraus, sondern kann auch als rein gedankliche Aktivierung und Verfeinerung dieser Repräsentationen geschehen. Körperliche Vorraussetzungen Durch Üben werden auch die körperlichen Voraussetzungen zur Realisierung der mentalen Repräsentationen in Wechselwirkung von zentralem Nervensystem und Körperperipherie erworben.

iii v iiiiv

3D-Bewegungsanalyse am Schlagzeug

Bewegungstrajektorien am Schlagzeug i ii iii iv v

400

300

i ii iii iv v

200

z[mm]

z [mm]

100

200

100

0

-100

0 6.0

6.2

6.4

6.6

6.8

t [s]

Schlagzeuger(A.B.)

7.0

-200 6.0

6.2

6.4

6.6

t[s]

Flötist (E.A.)

6.8

7.0

Die Basalganglienschleife als Möglichkeit der Feinabstimmung von Hemmung und Aktivierung

Übetechniken

Warum Üben?

Warum Üben? Verbesserung von Hörfertigkeiten, senso-motorischen Fertigkeiten und von geistigen Fertigkeiten.

Warum Üben? Verbesserung von Hörfertigkeiten, senso-motorischen Fertigkeiten und von geistigen Fertigkeiten. Primäre Ziele: Verbesserung von Klang, Intonation, Koordination, etc. Verbesserung von Gedächtnis und geistiger Durchdringung Verbesserung von Aufführungspraxis: “Bühnenpräsenz”

Warum Üben? Verbesserung von Hörfertigkeiten, senso-motorischen Fertigkeiten und von geistigen Fertigkeiten. Primäre Ziele: Verbesserung von Klang, Intonation, Koordination, etc. Verbesserung von Gedächtnis und geistiger Durchdringung Verbesserung von Aufführungspraxis: “Bühnenpräsenz” Sekundäre Ziele: Verbesserung des Übens Verbesserung von Selbst-Wahrnehmung und kritischer Selbstbewertung Wie das Spielen ist auch das Üben eine “Handlungsfertigkeit” Das Üben lernt man durch Üben

Wieviel soll man üben?

Grundsatz: erst ein Ziel setzen!

Beziehung zwischen der Anzahl der Übungseinheiten und dem Übungseffekt

(Hettinger, 1975)

Beziehung zwischen der Anzahl der Übungseinheiten und dem Übungseffekt = Penelope Effekt

(Hettinger, 1975)

John Williams Waterhouse: Penelope und die Freier (1912)

Beziehung zwischen der Anzahl der Übungseinheiten und dem Übungseffekt = Penelope Effekt

Richtiges Üben ist die Kunst, im richtigen Moment aufzuhören

(Hettinger, 1975)

Wie wird das Tempo gesteigert?

Geregelte Bewegung, langsam

Ballistische Bewegung, schnell

“closed loop” Regelung jeder Bewegung

“open loop” keine sofortige Regelung

Korrektur in jeder Phase der Ausführung möglich

Keine Korrektur in der frühen Phase der Ausführung

Unterschiedliche Orte im Gehirn für „geführte“ Langsame oder schnelle automatisierte Bewegungen Geführte Bewegungen: SMA

Automatisierte schnelle Bewegungen: Basal Ganglien

Zeitliche Koordination etc: Kleinhirn

Und wie funktioniert „mentales Üben“?

„Mentale Spitzen-Über“: 30 Minuten Lesen von Scarlatti

Primäre motorische Rinde

somatosensorische Rinde

A Einfache Fingerbeugung

supplementärmotorisches Areal

B Komplexe Abfolge von Fingerbewegungen

Roland PE, Larsen B, Lassen NA, Skinhøf E: Supplementary motor area and other cortical areas in organization of voluntary movements in man. J. Neurophysiol. 1980. 43: 118-136

Primäre motorische Rinde

somatosensorische Rinde

A Einfache Fingerbeugung supplementärmotorisches Areal

B Komplexe Abfolge von Fingerbewegungen

C Mentale Vorstellung derselben Bewegungssequenz wie in B

Roland PE, Larsen B, Lassen NA, Skinhøf E: Supplementary motor area and other cortical areas in organization of voluntary movements in man. J. Neurophysiol. 1980. 43: 118-136

Die fünf Säulen des mentalen Übens Motorisches Gedächtnis

Gedächtnis für Körpergefühle

Strukturelles Gedächtnis

Visuelles Gedächtnis

Inneres Hören

Vorteile des Mentalen Übens:

1.) Schulung der Klang - und Bewegungsvorstellung 2.) Vermeidung von Überlastungen 3.) Mehr Selbstkontrolle und Selbstkorrektur 4.) Man kann immer Üben 5.) Größere technische Sicherheit 6.) Abbau von Lampenfieber 7.) Vermeidung des Einprägens falscher Töne 8.) Sicheres Auswendigspiel

Schmerzen beim Musizieren

Das „Overuse-Syndrom“ Überlastung des Bewegungsapparates führt zu • örtlicher Entzündung mit • Ausschüttung von Schmerzstoffen

Schmerzentstehung biographische Bedrohung

Maladaptive kortikale Plastizität bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen

1. Verlagerung in die Beinregion 2. Ausdehnung

Ausmaß der Ausdehnung der Rückenregion war positiv korreliert zur Symptomdauer (Flor H. EMBO Reports 2002; 3(4): 288-291)

Vorschläge bei Schmerzen am Instrument

1) entlastende Übestrategien mit kurzen Übeeinheiten: schmerzfreie Erfahrungen am Instrument sammeln 2) bei Ruheschmerz: nicht üben 3) medizinische Hilfe suchen 4) periphere Schmerzmedikamente 5) physikalische Therapie: vor dem Spiel aufwärmen, nach dem Spiel kurz kühlen 6) spieltechnische Probleme in enger Zusammenarbeit mit dem Instrumentallehrer lösen 7) ggf. Physiotherapie, Bewegungslehre (z.B. Feldenkrais) 8) körperlicher Ausgleich: Sport

Lampenfieber

Angst

Wie alle Emotionen kann auch Aufführungsangst in drei Kategorien erlebt werden. 1.) Aufführungsangst wird als unangenehmes Gefühl erlebt 2.) Aufführungsangst wird in motorischen Systemen ausgedrückt (z.B. steife Bewegungen, versteinertes Gesicht) 3.) Aufführungsangst wird oft von körperlichen Reaktionen des vegetativen oder autonomen Nervensystems begleitet (z.B. trockener Mund, schwitzige Hände usw.)

Unterschiede zwischen Lampenfieber und Aufführungsangst: Lampenfieber wird noch als die Leistung steigernd erlebt, z.B. als zusätzliche Spanung, die den Ton intensiv und das Vibrato schneller macht Aufführungsangst verschlechtert die Leistung: der Ton wird z.B. „gepresst“, das Vibrato „zitterig“

Siehe: Gesetz von Yerks und Dodson

Zunehmende Qualität des Spiels

Lampenfieber

Aufführungsangst

Zunehmende Erregung Abnehmende Qualität des Spiels

Yerks und Dodson Gesetz der Beziehung zwischen Lampenfieber und Aufführungsangst

Zunehmende Qualität des Spiels

Lampenfieber Aufführungsangst

Zunehmende Erregung

Aber was erzeugt die “Erregung”? 1.) Angstpersönlichkeit (Trait-anxiety) 2.) Situations-Stress (z.B. sehr wichtiges Konzert) 3.) Aufgaben-Schwierigkeit (Task Mastery)

Das autonome (vegetative) Nervensystem ist für die körperlichen Reaktionen bei Angst verantwortlich. Meist dominiert der “Sympathikus”

William JAMES (1842-1910)

“Eine Emotion ist ein Erlebenszustand, und zwar ein Erleben körperlicher Reaktionen, die auf die Wahrnehmung eines erregenden Reizes erfolgen.”

James-Lange: Ich bin fröhlich weil ich Lache! Cannon-Bard: Ich lache, weil ich fröhlich bin

Mit James-Lange kann ich mich selbst in gute Verfassung bringen!

Vorspiel-Angst wird auch gelernt

Optimales Vorspielerlebnis ist im “flow-kanal”

Umgehen mit Vorspielangst I: 1.) Optimale Vorbereitung (richtiges Stück, gut geübt, gut durchdrungen 2.) Optimale Logistik der Aufführung keine schlechten Überraschungen Versuchen, so weit wie möglich alle Details zu planen: z.B. Beleuchtung Summen des Ventilators Kirchenglocken Einspielraum Zustand des Instruments Pünktlichkeit der Mitspieler etc. etc. etc.

Umgehen mit Vorspielangst II: “Kognitive Strategien”: 1.) Angst als etwas Positives betrachten 2.) Positive Selbstgespräche, Vermeiden von Angstphantasien 3.) Mentales Üben 4.) Realistische Ziel-Setzung (kurz- und langfristige Ziele)

Aufführungsangst beeinflusst die Wahrnehmung der Zuhörer über das Ohr und das Auge unterschiedlich!

Umgehen mit Vorspielangst III:

Verhaltens-Strategien und Emotionale Strategien: 1.) zahlreiche Entspannungstechniken (Yoga, Atemübungen (Zilgrei), Progressive Muskelentspannung etc. siehe James-Lange-Idee)

2.) Optimale körperliche Vorbereitung (Kleidung!) 3.) Guter Lebensstil (körperliche Bewegung, Essen, Schlaf etc. etc.)

Umgehen mit Vorspielangst IV: Medikamente: Nur Beta-Blocker oder pflanzliche Medikamente kommen in Frage Beta-Blocker können kurzfristig den Angstkreislauf durchbrechen Psychologisches Coaching: Alexander-Technik Feldenkrais-Technik

Wie Beta-Blocker wirken!

Eine berufsbegleitende Weiterbildung

DGfM M