Gerhard Berger : der Tiroler von Ferrari

Gerhard Berger : der Tiroler von Ferrari Autor(en): Seiler, Christian Objekttyp: Article Zeitschrift: Du : die Zeitschrift der Kultur Band (Jah...
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Gerhard Berger : der Tiroler von Ferrari

Autor(en):

Seiler, Christian

Objekttyp:

Article

Zeitschrift:

Du : die Zeitschrift der Kultur

Band (Jahr): 49 (1989) Heft 4:

Geschwindigkeit : der überhitzte Augenblick

PDF erstellt am:

15.08.2017

Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-297783

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-PORTRAT-

GERHARD BERGER DER TIROLER VON FERRARI CHRISTIAN SEILER

Der Tiroler Gerhard Berger, 29, gilt neben dem brasilianischen

Weltmeister

Ayrton

Senna

als

schnellster Formel- 1-Pilot der Welt. In Österreich hat

er den Status eines Nationalhelden.

IST SEIN KAPITAL UND SEINE

Zweitens die Figur seines Vaters, eines Spedi¬

Leidenschaft. Zuerst einmal war es seine Lei¬ denschaft, so klischeehaft das auch klingen mag,

teurs, der nie wollte, dass der Bub Rennfahrer

SCHNELLIGKEIT

wird, sondern «etwas Anständiges», aber gleich¬ zeitig durch unternehmerischen Wohlstand und

und aus der blossen Leidenschaft wurde unter Einsatz von viel Kapital erst eine Profession und

daraus wiederum neues Kapital. Mehr als je

väterliche Toleranz garantierte, dass der Bengel auch nach einer verluderten Jugend etwas zu

zuvor.

Beissen haben würde.

Gerhard Berger, 29, ist Formel- 1-Pilot im

Und drittens die benzinschwangere Sams-

Sold des italienischen Rennstalls Ferrari. Der

tagnachmittagluft einer Landgemeinde, wenn die neuen Freundinnen vorgeführt werden und

Tiroler gilt neben dem brasilianischen Welt¬

die BMWs (oder Opel Mantas), die man auf Kredit

meister Ayrton Senna als schnellster Rennfahrer der Welt. Er gewann bisher vier Grand-Prix und

beim Gebrauchtwagenhändler gekauft und in der eigenen Werkstatt aufgemotzt hat zu bunten

wurde innerhalb von nur vier Formel-1-Saisons zum internationalen Star und vielfachen Millionär.

Raketen mit einem Hufeisen als Glücksbringer

In Österreich hat er den Status eines National¬ helden.

am Kühlergrill.

Kundl ist so ein unscheinbarer, kleiner Ort

Gerhard-Berger-Story steht auf drei

im Inntal, etwa 50 Kilometer östlich von Inns¬ bruck. Obwohl er seinen Wohnsitz offiziell nach

Erstens ist da der Sammelbegriff «Talent»:

Monte Carlo verlegt hat, lebt Gerhard Berger

Bergers gesegnete Hand für alles, was Luft zu Kraft verdichtet und nach Benzin stinkt, sein Mut

immer noch hier. In der elterlichen Spedition

(oder unterentwickeltes Risikobewusstsein, wie

Menschen nach ihm, warten gelangweilte Besu¬

Die

Beinen.

«Eurotrans» verlangen pausenlos verschiedenste

cher hinter der kurzen Theke, die den offenen

man will) und sein elementares Interesse an jedem Grenzbereich.

Büroraum gegen den Eingang abtrennt, klingeln die Telefone, die Bergers junger Adjutant Günther Wiesinger mit professioneller Routine entgegen¬

nimmt, vertröstet, ablegt. Der Gerhard ist unter¬ wegs, heisst es, er wird gleich kommen, er war gerade noch da. Nein, keine Ahnung, wann er

wiederkommt.

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Bergers schlichtes, fast kärglich in weiss

gehaltenes Büro ist nur mit ein paar Pokalen geschmückt und ein paar Fotos, auf denen er in

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seinem roten Ferrari mit der Startnummer 28

über die Randsteine irgendwelcher GP-Kurse hol¬ pert. Sonst ist es leer. Neues Aviso aus der Kommandozentrale: er

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ist daheim, wartet dort auf euch. Also fahren wir,

gut zwei Stunden nach dem verabredeten Termin, von Kundl in Richtung Kitzbühel, über eine ver-

'You're letting me win!" 18

Der

Österreicher

Gerhard Berger, Formel-1-Pilot im Sold des

italienischen

Rennstalls Ferrari

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PORTRAT eiste, schmale Bergstrasse

hinauf nach Hochsöll,

Möglichkeiten aus - eine Facette der Neugier, die er noch heute besitzt: «Sind wir in meinem Flug¬

hat gelitten. Früher, als Berger nur vom Wunsch beseelt war, immer nur neue, immer schnellere

Ferienwohnsitz aufgestellt hat und gemeinsam mit seiner neuen Freundin Kräfte sammelt für die

zeug unterwegs», erzählt er, «macht

das Flie¬

Fahrzeuge bewegen zu können, «ohne dafür

gen erst Spass, wenn sich die Tachometernadel

bezahlen zu müssen, das war meine Motivation,

bald beginnende GP-Saison. die strapaziös zu werden verspricht: sein neuer Teamkollege bei

ganz nach rechts bewegt - in den Grenzbereich. Auch wenn ich nicht in der Lage bin, physisch

als ich Rennfahrer geworden bin»,

Ferrari, der Brite Nigel Mansell, gilt als aus¬

auch nur den geringsten Unterschied zu einem

Gefühl». Heute «ist

gesprochen flotter Pilot und wird Berger im inter¬

um 20 Knoten langsameren Tempo zu spüren.

340 fahr'», mehr noch,

nen Ferrari-Duell um einiges mehr zusetzen als sein Vorgänger Michele Alboreto, den Berger stets

Warum? Das ist

unter Kontrolle hatte. Und das Hinterland der Erzengel

steinchen parat, die zusammengesetzt eine wunderbare Rennfahrerhistorie ausmachen, und

Berger endlich die nachdrückliche Huldigung

er kann sie dank regelmässiger Repetition schon

stundenlang mit meiner Cross-Maschine auf dem Hinterrad durch den Hof gefahren und hab ver¬

der Gottheit Ferrari, und zwar in Form eines Welt¬

fast druckreif diktieren:

sucht, alle Gänge durchzuschalten. Dabei hat's

wo sich Berger einen grosszügig dimensionierten

Italien,

Popularität,

meistertitels

- und

erwartet

vom

mir

in mir.»

Berger hat jede Menge biographischer Bau¬

mehr einfach

Stundenkilometer

es

war jeder

«ein

geiles

mir egal, ob ich 320 oder es

bauen sich zu den

Grenzbereichen seiner Fahrzeuge neue, bislang unbekannte Schranken auf: «Ich merk', dass ich Angst bekomm. Noch vor zwei Jahren bin ich

mich natürlich aufs Kreuz gehauen, aber da bin

der. das weiss Berger genau,

Seine ersten Versuche, den Gabelstapler im

wird unter normalen Umständen gegen das technisch überlegene britisch-japanische Team McLaren-Honda auch in dieser Saison kaum möglich sein. All das zusätzlich zum gewohnten

heimischen Betrieb zu fahren (fünf Jahre alt), das Drehen der Sattelschlepper in der Garage

Rennen in acht Monaten auf

wegen Schwarz- und Schnellfahrens (zwölf Jahre alt), der erste Totalschaden mit anschlies¬

Fahrstil

Flugkilometern, PR-Terminen, Interviews, Ver¬ pflichtungen und einem kümmerlichen Rest an

sendem Spitalaufenthalt (15 Jahre alt), das erste

zunehmender Routine ihr Tempo drosselten.

Privatleben.

in Zeltweg,

Auf dem Weg nach Hochsöll stoppt uns eine Gendarmeriestreife. Fahrzeugkontrolle, wir seien

1000 Kubik), die BMWs, der Einstieg

schneller gefahren als die erlaubten 70 Stunden¬ kilometer. «Wir haben es eilig», entschuldigen

(25 Jahre alt), der erste GP-Sieg (Mexico 1986,

verletzlich, bis im nächsten Moment wieder sein

27 Jahre alt), der Transfer zu Ferrari (28 Jahre

ansteckendes Glucksen und Kichern aus ihm her¬

wir uns, «weil wir mit dem Gerhard Berger

ver¬

alt), die Siege in Suzuka (Japan), Adelaide (Au¬

abredet sind.» «Ach so», sagt der Gendarm und gibt uns augenblicklich die Dokumente zurück,

stralien) und Monza (Italien), vorläufige Höhe¬

ausbricht und die Quintessenz: «Oft denk' ich, ich bin wirklich vernünftig geworden, aber dann bin

Termindruck, zu

17

fünf Kontinenten, zusätzlich zu abertausenden

«dann beeilt euch, sonst kommt

ihr

zu spät.»

Berger ist klein, kleiner als man ihn aus Zeitungen und Fernsehen zu kennen glaubt. Er

hat sich, bei allen Strapazen von vier vergan¬ genen Formel-1-Saisons, etwas quirliges, etwas

(acht Jahre alt), die ersten kleinen Unfälle mit dem Auto

(elf

Jahre alt), die ersten Anzeigen

Rennen auf einem geborgten Ford Escort (Sieg 18

Jahre alt), die Motorräder (jenseits

in die Formel

3000 (22 Jahre alt), das Debut in der Formel

1

punkte seiner Karriere. Betonung auf «vor¬ läufig». Berger wird im August dreissig Jahre alt, ein ideales Alter für einen Rennfahrer, aber er spürt

ich halt wieder aufgestiegen und weitergefahren. Jetzt trau ich mich das nicht mehr.»

Der wache Kopf relativiert den Hunger nach

der blossen Lust. Eine Binsenweisheit, die der

aller

(Stewart,

grossen

Lauda,

Formel-1-Champions

Prost) vorschrieb,

die

mit

Berger stützt das Kinn in die offene Hand und

blickt nachdenklich

aus dem Panoramafenster

seines hell beleuchteten Hauses. «Die Vernunft»,

sagt er stimmlos, und wirkt plötzlich

filigran und

ich doch wieder derselbe Trottel - erst vorige Woche bin ich mit dem Allrad von hier oben ins Tal runtergefahren und dabei vom Weg in den

Wald runtergeflogen.»

zum erstenmal auf seinem rastlosen Lebenslauf

Seine ersten Sturzerfahrungen sammelte der

wie Kurzatmigkeit. Die Geschwindigkeit

Tiroler auf der stark befahrenen Bundesstrasse zwischen Kundl und Kufstein, wo er Motorräder

so etwas

Lausbubenhaftes bewahrt, hat dunkelbraune,

im Cockpit des Ferrari, die bisher immer etwas

wache Knopfaugen und ein gutturales, kullerndes

Selbstverständliches,

etwas Instinktives war, fordert nun Arbeit, fordert mehr Überwindung als

und Autos

Lachen. Er flegelt sich in seine dunkelblaue Wild¬

ledersitzgarnitur und wirkt für ein paar Augen¬ blicke ruhig, konzentriert, aufmerksam, bis das

in der letzten, der vorletzten Saison. Berger, dem jedes Stagnieren Bauchschmerzen verur¬

BMW 528, zerstörte er hier, als er «mit 218 Stunden¬

erstenmal schrillt und Berger schnurstracks aus den Polstern startet, quer durch

sacht, diagnostiziert das kühl, ohne

Beziehung zu seinem Urtrieb zu bringen.

den riesigen Raum, um persönlich abzuheben

«Geschwindigkeit», so postuliert er stolz, «zieht

und mit einem Agenten seines Sponsors einen Termin abzumachen. Dann kommt er wieder, im

sich durch mein ganzes Leben.

Es gibt nichts, was ich langsam mache.» Er sammelt bloss kleine

schlug. Berger, nicht angeschnallt, passierte bei

Laufschritt, setzt das Gespräch punktgenau fort, es unterbrochen hat, springt beim nächsten

Zeichen, Symptome aus einer anderen Welt,

dem Unfall nichts. Er überredete vielmehr tags

deren Gesetzmässigkeiten er in aussergewohn¬

darauf seinen Vater, ihm doch ein neues Auto zu

Schrillen

lichen Momenten zu ahnen beginnt: «Ich brauche immer mehr Schlaf», sagt er zum Beispiel, -hab

besorgen, und wenn schon ein neues Auto, dann

Telefon

zum

wo er

des Telefons

wieder auf, hebt ab und

bespricht mit dem Piloten seines Lear-Jets irgendein Problem mit dem Flugzeug. «Ich hab schon als Kind ein besonderes Ver¬

hältnis zur Geschwindigkeit gehabt», erzählt er schliesslich mit der Schwere des Philosophen, der einen reichen, aber dummen Schüler unterrich¬ ten muss, «ich war von Anfang an schneller als

früher

auch

schon

meine

zehn

es

aber in

-

Stunden

gebraucht, aber mein Körper hat's mir verziehen, wenn ich einmal um vier in der Früh ins Bett

gekommen bin. Das wäre jetzt nimmer mög¬ lich.»

-

jenseits aller Tempolimits

-

aus¬

probierte. Seinen ersten eigenen Wagen, einen

kilometern» («Das war alles, was man aus der Kiste rausholen konnte») auf Schneefahrbahn geriet und sich zehnmal («man hat es nachher an den Abdrücken im Schnee nachzählen

können») in den angrenzenden Acker über¬

gleich ein noch schnelleres, nämlich einen 730er BMW. Bitte schön. Heute macht Berger seine Erfahrungen auf

vergleichsweise gut gesicherten Rennstrecken und lässt im gelangweilten Jargon des Profis ver¬ lauten,

es sei

«ein gutes Zeichen», wenn er im

- beim Skifahren, mit dem

Auch der Magen zeigt plötzlich Wirkung: «Früher habe ich noch eine halbe Stunde vor dem

Training das eine oder andere Mal von der Piste rutsche, denn das bestätige, «dass man im Grenz¬

Fahrrad, auf dem Moped oder mit dem Auto. Ich

Rennen ein Steak essen können. Jetzt darf es bloss

bereich arbeitet». Und der Grenzbereich ist die

hab den Speed immer beherrscht. Warum? Das

noch ein leichter Fisch am Abend vorher sein, sonst wird mir schlecht.»

Seele des Rennsports,

die anderen Kinder

ist wohl eine Gabe.»

Die Formel

1

ist eine künstliche Sportart, ein

Berger reizte stets jede Gerätschaft, die ihm

Auch der fast erotische Reiz, der Zauber, den

veyeuristisches Öffentlichmachen von mann¬

zur Verfügung stand, bis zur oberen Grenze ihrer

das Tempo auf einen wie Gerhard Berger ausübt,

haften Unterleibswerten wie Geschwindigkeit, BITTE LESEN SIE WEITER AUF SEITE 99

20

HOMMAGE

1923 komponierte der

Schweizer Arthur Honegger sein Mouvement symphonique pour orchestre, «Pacific 231», als Hommage für einen berühmten amerikanischen Zug

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und das ihm

vorgespannte Dampfross. Das dynamische Stück Programmusik - es bildet Abfahrt, Fahrt und Ankunft des Zuges nach -, wurde später auch

verfilmt, die

tonale Abstraktion also wieder auf die sichtbare Erscheinung zurückgeführt. Eigenhändig zeichnete Lokomotiv-Aficionado

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Honegger den Gegenstand seiner Bewunderung aufs

Notenfrontispiz

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ablichten.

Jean Tinguelys Kunst

folgt

so

konsequent

dem mechanistischen

Credo unserer Zeit, die sich blindlings dem Prinzip einer

totalen technologischen Beschleunigung ausgesetzt zu haben scheint, wie kein zweites künstlerisches Werk. Dass seine



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pragmatischen Verwendbarkeit zugunsten eines fantastischen Spieltriebs verwerfen,

gibt ihnen den intellektuellen Hinterhalt, den die geneigte Kunstkritik

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Kunst-Maschinen aber den Impetus der

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(oben) - und liess sich mit einem Lokomotivführer (anonym) mit Ölkannchen bewaffnet vor dem Original

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gerne als

gesellschaftskritischen Aspekt dieses Schaffens würdigt. Jean Tinguely in einem Deux-Cheveaux-Wrack in seinem 21

Atelier.

FORTSETZUNG VON SEITE 20

Gefahr und Risiko, das von solventen Sponsoren (vor allem Zigarettenfirmen sind in der Formel 1

du dann schon eine Zeitlang nach. Aber mit der

Zeit vergisst du's auch wieder.»

lagung, auf eine spezielle Art «immer nur seine Pflicht getan». Sein Heldenimage wird noch

engagiert, die ihre gigantischen Werbebudgets an

«Wenn es den auf die Klappe haut. Fahren

durch die klammheimliche Freude aufgewertet,

den Mann bringen müssen) via Medien gewinn¬

wie eine gesengte Sau.» Der Jargon der schnellen, smarten Welt, der Millionen und der schönen

einer geschafft hat, der Polizei eine Jugend lang um die Ohren zu fahren und anschliessend aus der Lust an der «bösen

bringend verwertet wird. Für die involvierten Piloten stehen zwar erkleckliche Summen zur

dass es da

Verfügung, die aber nicht mehr als ein Zusatz¬

Mädchen erinnert fatal an jenen ländlichen Samstagnachmittag, an dem sich vor dem Auf¬

argument für die Fahrer sind, Kopf und Kragen zu riskieren. Was zählt, ist der Ruhm, und der Weg

bruch zur Discotour die Geschwindigkeitsteufel treffen, deren Vorbild der Tempoengel Gerhard

zum Ruhm gleicht natürlich einer Gratwande¬

Berger ist, nicht zuletzt, weil er auch nach seinem

sen Vergangenheit von genau

rung, und der Grat ist schmäler als in den übrigen Abteilungen des zeitgemässen Hedonismus, wie

wundersamen Aufstieg weiterhin ihre Sprache

Unbedarftheit und gedankenlosen Furchtlosig¬

spricht - «Ich fahr mir für Ferrari die Eier ab», war zum Beispiel einer seiner erfolgreichen

keit geprägt war, frei von der Leber - und mit sichtlichem Vergnügen - über seine Ausflüge quer durch ein halbes Drehbuch von «Denn sie wissen

der

Popmusik oder dem

Filmgeschäft.

Der

Geschwindigkeit», die sie uns allen verbietet, eine patriotisch verwertbare Tugend zu machen. So

kommt

es, dass

ein Gerhard Berger,

des¬

dieser naiven

Geschwindigkeit in der extremen Lage, wie sie Gerhard Berger und seine Konkurrenz prakti¬ zieren, wohnt die Gefahr des schnellen und end¬

Sprüche. Die besten Aufklärungsquoten, so lehren uns zahllose Fernsehkrimis, haben die Polizisten, die

Diskretion für seine gefährlichen Streiche bittet:

gültigen Absturzes inne. Wer die Karriere eines

nicht, was sie tun» berichtet, aber gleichzeitig um

auch auf der anderen Seite des Gesetzes erfolg¬

«Der Motorsport ist ein Verführer», sagt er, «ich

Gerhard Berger anstrebt, hat sich zwangsläufig

reich wären. Im Autorennsport ist das ähnlich:

muss aufpassen, was ich sage.»

an den Anblick verkohlter Leichen und ausge¬

Die Grenzen zwischen dem potentiellen Welt¬

brannter Autowracks zu gewöhnen. »Als Renn¬ fahrer checkt man nur rein sachlich, was zu dem

meisterund dem gemeingefährlichen Autonarren

Unfall geführt hat», sagt Berger zum stets präsen¬

sind unscharf. Auch ein Gerhard Berger ist wohl das eine oder andere Mal nur um Haaresbreite an

ten Tod auf der Rennstrecke, «die emotionale

der Schlagzeile «Verrückter 18jähriger fährt mit

Betroffenheit versucht man wegzustecken.» Daher spricht man in der Formel 1 nur ver¬ klausuliert aus, wovor sich alle fürchten. Nach

200 Sachen durch Ortschaft» vorbeigerast. Aber

jeder Wahnsinn von damals ist längst zum anek¬ dotischen Jugendstreich geworden, aus dem sich

dem Tod des Deutschen Stefan Bellof, der wie Ger¬

sein jetziger Status ableiten lässt. Da Gerhard

hard Berger als Wunderkind

Motorsports gefeiert worden war, sagte der Tiroler: «Wenn es den auf die Klappe haut, weisst du, dass es dir

Berger heute die «gute Geschwindigkeit» in

eigentlich auch passieren kann. Darüber denkst

schliesslich hat er doch, Sklave seiner Veran¬

des

persona ist, wird auch seine Vergangenheit ent¬ sprechend ausgeschmückt und beschönigt,

FORTSETZUNG VON SEITE 89

setzung vor. Im Hintergrund ihrer

bahn hatte die Verwaltung der Zeit

Bestehen zahlreicher unterschied¬

Argumentation schwang allerdings die Furcht vor der Germanisierung, die Angst vor der «heure allemande»

begonnen. Die mit der Erhöhung

mit. Der Zug der Industrialisierung war aber auch in der Schweiz nicht

hatten

licher Zeiten erstmals als Mangel empfinden. Schrittweise setzten die

Eisenbahnverwaltungen

schliess¬

lich die Vereinheitlichung der

Zeit¬

¦

schritt für alle. Ihre Geschwindig¬ keit, ihr Vorwärtsdrängen standen Gegensatz zum aristokratischen

der Geschwindigkeit verbundenen

jm

Gefahren des neuen Verkehrsmittels

Gesellschaftsmodell. Die Eisenbahn¬

die

Disziplinierung

der

kommission

des

neugegründeten

schweizerischen Bundesstaates froh¬

Gesellschaft gerechtfertigt.

messung durch. In der Schweiz gab

mehr aufzuhalten. 1894 schloss sich

Bern die Zeit an. Widerstand gegen diesen Zentralismus erhob sich nur

unser Land der mitteleuropäischen

das Durchdringen der

Einheitszeit an. Nun setzte sich die

Zivilisation mit den rauchenden

aus Genf, das bei der eigenen Lokal¬

Uhren-Hierarchie bis in das ent-

und

legendste Bergdorf fort. Zug um Zug wurde der ganze Alltag von der

Umwälzung aller Lebensbereiche. Tempo und Dynamik wurden zum

sein werde. «Sie potenziert Zeit, Arbeitskraft und Kapital und zwar der Masse des Volkes in bisher nicht

Eisenbahnzeit erfasst, der Arbeits¬ der

gesellschaftlichen Programm. Die Eisenbahn verkörperte die

gekannter Weise; sie bildet für die geistigen Pulsschläge und die geisti-

Sonntagsgottesdienst. Mit der Eisen¬

Hoffnung auf Wohlstand und Fort¬

FORTSETZUNG SEITE 101

zeit blieb. Astronomen wie Forel

und Dufour zogen die unbeeinflussbare Bewegung der Gestirne als

natürlichen Regulator der Zeit eines jeden Ortes der künstlichen Zeit¬

beginn,

oskar ko Her april-14. mai 1989 mo-so 11.30-18.30, di geschlossen 8.

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das

Mittagessen,

Die

Eisenbahn

symbolisierte

lockte 1852, dass die Eisenbahn zur

traditionellen

Erreichung

lärmenden Vorboten

einer

schaftlichen

der

grossen

Ziele

gesell¬

unverzichtbar

Lyonel Feininger

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taubenstr. 32 (unter der kleinen schanze) 3001 bern, tel. 031 2103 08

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