Geld verdienen und die regionale Wirtschaft stärken mit Erneuerbaren Energien?

1 Geld verdienen und die regionale Wirtschaft stärken mit Erneuerbaren Energien? Ein Beitrag von Lutz Ribbe, Naturschutzstiftung EuroNatur Prof. Pio...
Author: Benedict Lange
6 downloads 10 Views 147KB Size
1

Geld verdienen und die regionale Wirtschaft stärken mit Erneuerbaren Energien?

Ein Beitrag von Lutz Ribbe, Naturschutzstiftung EuroNatur Prof. Piotr Banaszuk, EuroNatur und Politechnika Bialystok Maciej Zwyno, Vizemarshall Podlasien

In der „Regionalentwicklungsstrategie der Wojwodschaft Podlachien bis 2020“ wird die Nutzung Erneuerbarer Energien als Chance für die wirtschaftliche Entwicklung der Region beschrieben. Nicht der Schutz des Klimas oder andere Umweltschutzargumente stehen also im Vordergrund, sondern vorrangig regionalwirtschaftliche Erwägungen. Das ist für Polen ein interessanter, weil bisher einzigartiger Ansatz. Denn in Polen wird ja häufig die Energie- und Klimapolitik der EU, die den Ausbau der Erneuerbaren Energien voran treibt, kritisch gesehen. Oft wird gesagt: diese Politik schadet unserem Land. Ein Blick über unsere Grenzen hinaus ist von großer Wichtigkeit, um verstehen zu lernen, was mittlerweile nicht nur bei Polens Nachbarn oder in Europa, sondern global passiert. Der zu beobachtende Trend kann eindeutiger nicht sein: die Zukunft gehört nicht den fossilen, sondern den Erneuerbaren Energien. Die großen Finanzfonds ziehen sich aus „alten“ Geschäften mit Kohle, Öl und Gas zurück und investieren in „grüne“ Technologien.

Einen Blick zum Nachbarn nach Deutschland In Deutschland wird viel über eine „Energiewende“ gesprochen, die sich am schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie 1, an sinkenden Anteilen der Kohlekraftwerke an der Stromproduktion und ganz besonders am Ausbau Erneuerbarer Energien festmacht. Im Jahr 1998 wurde gerade einmal 5% des Stroms aus Erneuerbaren Energien wie Wasser, Wind, Sonne und Biomasse gewonnen, im Jahr 2015 werden es ca. 30% sein.

Die eigentliche „Revolution“ heißt: aus zentral wird dezentral! Ein genauer Blick hinter die Kulissen dieser nackten Zahlen verrät, dass die eigentliche „Revolution“ dieser begonnenen, aber noch lange nicht abgeschlossenen Energiewende nicht in der Technik liegt, also im Austausch fossiler und atomarer Energieträger durch Erneuerbare Energien. Sie liegt vielmehr in der Veränderung der Struktur der Energieerzeugung.

1

Mittlerweile sind 9 von einst 17 Atomkraftwerken von Netz, das letzte wird im Jahr 2022 geschlossen

2

Neue Energieerzeuger sind auf den Markt gekommen, sie produzieren in ganz vielen kleineren, dezentralen Anlagen auf lokaler und regionaler Ebene Energie. Sie nutzen dabei „ihre“ regional vorhandenen Ressourcen, und die heißen: Sonne, Wind und Biomasse. Das sind mittlerweile nutzbare Ressourcen, noch vor 5 oder 10 Jahren war ihre Nutzung schwierig, weil teuer, doch technologisch haben sich grandiose Entwicklungen ergeben. Ihre Nutzung verschafft mittlerweile vielen Menschen in den Regionen neue Einkommen bzw. Ersparnisse. Arbeitsplätze werden geschaffen, neue Firmen entstehen. Wenn, ja wenn es richtig gemacht wird. In Deutschland gibt es heute weit über 2 Millionen Hausdächer, die mit Solaranlagen bestückt sind. Vornehmlich wird dort Strom produziert, aber auch die in Polen mittlerweile gut entwickelte Wärmenutzung ist weit in Deutschland verbreitet. Über 22.000 Windanlagen sind installiert, und 8.000 Biogasanlagen produzieren Strom und Wärme. Das Besondere dabei ist: ein ganz großer Teil dieser neuen Energiegewinnungsanlagen gehören nicht den großen Energieversorgern, die in der Vergangenheit die Kohle- und Atomkraftwerke betrieben haben. Sie wurden von Privatpersonen, Landwirten, lokalen bzw. regionalen Genossenschaften bzw. anderen Zusammenschlüssen, an denen die lokale Bevölkerung beteiligt ist, gebaut. Oder sie gehören den Städten und Gemeinden, die wieder anfangen, ihre Bevölkerung nicht nur mit Wasser zu versorgen und das Abwasser bzw. den Müll zu entsorgen, sondern auch Energie herzustellen und zu verteilen. Die „großen“ deutschen Energieversorger, die ja auch in Polen bekannt sind (u.a. RWE, Eon oder Vattenfall), die früher weit über 90% des Stroms hergestellt haben und damit viel Geld verdienten, besitzen nur rund 5% der installierten Kapazitäten im Bereich „Erneuerbarer Energien“. Sie haben, wenn man so will, bisher die „Energiewende“ verschlafen. Was ist nun der besondere Vorteil an dieser strukturellen Veränderung, die mit dem Begriff „Bürgerenergie“ beschrieben wird? Eigentlich ist es total simpel: früher war das Prinzip klar. Die großen Energieversorger produzierten und profitierten, die Verbraucher konsumierten und zahlten. Energieerzeugung war ein „big business“ für wenige Unternehmen. Die Menschen in den Regionen mussten also durch ihre tägliche Arbeit dieses Geld erst einmal verdienen, um sich damit Energien zu kaufen. Und diese Energie wurde in den allermeisten Fällen von außerhalb in die Region importiert, damit fließt das Geld gleich wieder ab: der Strom, der in Podlassien verbraucht wird, stammt größtenteils aus Südpolen, die Kohle wird bereits häufig aus anderen Ländern, u.a. aus Russland, importiert, ebenso das Gas. Das Öl kommt aus Russland oder aus arabischen Staaten und spült Geld in die Kassen von Herrn Putin und den Scheichs am Golf, die sich Wolkenkratzer bauen und in Saus und Braus leben. Eine Berechnung des Marshallamtes und der Politechnika Bialystok hat ergeben, dass jährlich weit über 5 Milliarden Zloty aus Podlassien abfließen, um Energien zu importieren. Und das kann sich nun ändern! Der Gedanke der podlassischen Regionalentwicklungsstrategie ist nun ebenfalls einfach und richtig: wenn es gelingen könnte, die in Podlassien benötigte Energie zumindest zum Teil selbst und zu gleichen Kosten, vielleicht sogar billiger herzustellen, dann würde dies ganz wichtige wirtschaftliche Impulse auslösen können: das eingesparte Geld könnte für andere

3 Ausgaben genutzt und die regionale Wirtschaft stärken, Arbeitsplätze, die mit der Energiegewinnung verbunden sind, würden hier und nicht in anderen Regionen geschaffen!

Podlassien - Vordenker für die EU? Die Europäische Union denkt derzeit über eine sog. „Energieunion“ nach, polnische Politiker haben dies mit initiiert. Die EU will mit dieser „Energieunion“ drei gleichberechtigte Ziele erreichen: 1.) die Energieimportabhängigkeit Europas verringern, denn es ist nicht ungefährlich, eine Wirtschaft zu betreiben, die auf den Import von Energien aus zum Teil politisch sehr unsicheren Regionen abhängig ist. Sie will 2.) neue Arbeitsplätze im Bereich neuer „grüner“ Technologien schaffen und sie will 3.) auch etwas für den Umwelt- und Klimaschutz tun. Wenn man so will hat Brüssel in Bialystok abgeschrieben, denn genau genommen sind das dieselben Zielsetzung, die sich Podlassiens Politiker damals im September 2013 bei der Verabschiedung der Regionalentwicklungsstrategie gesetzt haben: Energiegewinnung und Regionalentwicklung miteinander koppeln!

Was ist zu tun? Und wer kann und muss es machen? Polen hat eine lange Tradition in der Nutzung heimischer Ressourcen. Polen ist – noch - ein Land der Kohle. Kein anderer Mitgliedsstaat der EU gewinnt prozentual gesehen so viel Strom aus Kohle wie Polen (knapp 90%, gefolgt von Tschechien, Bulgarien und Griechenland mit jeweils nur etwas mehr als 50%). Doch die polnische Kohle steckt seit vielen Jahren in einer tiefen Krise, so wie die Kohle auch in Deutschland wirtschaftlich gesehen die besten Zeiten hinter sich hat. Die letzten beiden Steinkohlebergwerke in Deutschland werden 2018 geschlossen, denn importierte Kohle ist billiger als selbst geförderte. Und selbst die Importkohle bekommt mittlerweile eine Konkurrenz, von der man vor 10 Jahren noch nicht geglaubt hätte, dass dies einmal möglich sein wird. Es sind die Erneuerbaren Energien! Durch die unglaublich rasanten technologischen Entwicklungen sind die Produktionskosten beim sog „Öko-Strom“ schon ganz massiv nach unten gegangen. Wind- und Solarstrom ist schon heute vielfach konkurrenzfähig mit Strom, der aus neuen Kohlekraftwerken gewonnen wird. Und das in Großbritannien geplante Atomkraftwerk „Hinkley Point C“ wird sich für den Betreiber ökonomisch nur dann rechnen, wenn jede einzelne Kilowattstunde mit mehr als 11 ct, sprich mit 0,45 PLN subventioniert wird; die Erneuerbaren Energien in Deutschland erfahren heute meistens eine wesentlich geringere Förderung! Und bei der Wärmeproduktion sieht es sogar oft noch besser aus. Den polnischen Kohlegruben geht es also nicht anders als den deutschen, auch sie können nicht mehr rentabel arbeiten. Zu tief liegt die Kohle in der Erde, zu hoch sind die Förderkosten, zu billig die Importe aus Russland oder anderen Staaten. Die Zahl der polnischen Bergarbeiter ist bereits massiv zurück gegangen. Fanden einst über 400.000 Menschen einen Job in der Kohleförderung, heute sind es nur noch rund 100.000. Die

4 „heimische“ Ressource Kohle ist nicht mehr konkurrenzfähig, und daran können auch noch so hohe Subventionen mittel- und langfristig nichts ändern.

Weiter heimische Ressourcen nutzen! Sollte man daraus nicht die Konsequenz ziehen und genauer hinschauen, ob es nicht neue heimische Ressourcen gibt, mit denen Polen seine Energie weiterhin weitgehend selbst produziert kann? Natürlich gibt es solche! Die Sonnenverhältnisse sind nicht viel anders als in Deutschland, wo es mittlerweile 39.000 MW installierte PV Anlagen gibt; Polen kommt gerade einmal auf 42 MW. Und auch der Wind bläst in Polen ausreichend, nicht nur an der Küste. Auf heimische, auf dezentrale, auf regionale vorhandene Energieträger zu setzen ist also ein Gebot der Stunde - und noch mehr ein Gebot wirtschaftspolitischer Vernunft für die Zukunft.

Wann und wie ergibt sich „regionale Wertschöpfung“? Um allerdings regionalwirtschaftlich gute Erfolge zu erzielen sind einige ganz wichtige Aspekte zu berücksichtigen. Denn nicht jede Investition in Erneuerbare Energien kann und muss für eine Region unbedingt ein „großer Gewinn“ bedeuten. Will man die regionale Wertschöpfung analysieren muss man vier Wertschöpfungsstufen unter die Lupe nehme, die wiederum eine Reihe von verschiedenen Wertschöpfungsschritten umfassen. Das „Institut für Ökologische Wirtschaftsforschung“ (IÖW) unterscheidet diese wie folgt2: 1. Investition, d.h. die Produktion der Anlage inkl. aller für die Erstinstallation relevanten Anlagenkomponenten, teilweise auch Handel/ Großhandel (wenn nicht überwiegend Vertrieb durch Hersteller erfolgt) 2. Investitionsnebenkosten (Planung, Installation etc.), d.h. Planung, Projektierung und Installation, aber auch (teilweise) Grundstückskauf- oder Ausgleichsmaßnahmen. 3. Betriebsführung, u.a. die . technische Betriebsführung, Wartung und Instandhaltung (inkl. Ersatzteilproduktion), die Kosten der Finanzierung (Anteil Fremdkapital), Versicherung, zum Teil Pachtzahlungen bis hin zu anteiligen Rückbaukosten. 4. Betreibergesellschaft, also im Wesentlichen die finanzielle Betriebsführung; hier steht in der Regel die Ermittlung des Brutto-Gewinns im Vordergrund.

2

Siehe: Bernd Hirschl, Astrid Aretz, Andreas Prahl, Timo Böther, Katharina Heinbach, Daniel Pick, Simon Funcke: „Kommunale Wertschöpfung durch Erneuerbare Energien“ Studie des Instituts für Ökologische Wirtschaftsforschung, in Kooperation mit dem Zentrum für Erneuerbare Energien (ZEE), im Auftrag der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) Schriftenreihe des IÖW 196/10, Berlin, September 2010, ISBN 978-3-932092-99-2

5 Wirtschaftliche Effekte stellen sich natürlich auf allen Stufen ein, in dem a) Einkommen für Mitarbeiter gezahlt werden, b) Unternehmensgewinne erzielt und c) Steuern, die den öffentlichen Haushalten zufließen, entrichtet werden. Entscheidend ist nun, an welchem Ort sich diese Effekte einstellen. Dazu einige praktische Beispiele:

Windenergie: Windanlagen werden zumeist von spezialisierten Büros geplant, die ihren Sitz nur sehr selten dort haben, wo die Windanlagen später betrieben werden. D.h.: wenn also z.B. für Podlassien eine Windanlage geplant wird, dann stärkt dies zunächst die Wirtschaft an dem Ort, in dem das Planungsbüro sitzt bzw. wo die Windanlage hergestellt wird. Dort werden Einkommen gezahlt, dort werden Unternehmensgewinne generiert und Steuern gezahlt. In der Bauphase kommen sicher schon eher lokale und regionale Unternehmen ins Spiel. Entscheidend ist aber vor allem die Betriebsphase, bei Windanlagen rechnet man mittlerweile mit 20 bis 25 Jahren. Die ganz entscheidende Frage ist, wer diese Windräder betreibt, wer also Gewinne verbuchen kann und an welchem Ort sie versteuert werden? Handelt es sich um eine „externe“ Betreiberfirma, also z.B. um einen Investor, der seinen Firmensitz außerhalb der Region oder gar im Ausland hat, so profitiert die Region, in der die Windanlage betrieben wird, nur wenig (durch Pachtgebühren für den Anlagenstandort und meist geringe Steueranteile), der größte Teil des Profits fließt aber aus der Region ab hin zum Sitz des Betreibers. Anders ist es, wenn die Investition von den Menschen oder Firmen aus der Region getätigt wird: dann bleiben die Unternehmensgewinne in der Region, dann werden dort alle Steuern gezahlt, und dann entstehen häufig auch neue Arbeitsplätze. In der genannten Studie des IÖW wird festgestellt, „… dass im Jahr der Errichtung die mit Abstand höchste Wertschöpfung durch die Installation erwirtschaftet wird …, dass jedoch über die gesamte Lebensdauer die Wertschöpfung, die über den Betrieb und insbesondere durch den Betreiber generiert wird, die größte Bedeutung erlangt…. Hier schlagen die Gewinne deutlich zu Buche, aber auch die Einkommen und die Steuern erreichen für eine Kommune eine attraktive Höhe. Wenn eine Kommune aktiv dazu beiträgt, dass sich Betreiber, Dienstleister für den Betrieb von Anlagen und auch Planer und Installateure ansiedeln, dann kann sie im günstigsten Fall von großen Teilen der Wertschöpfungseffekte dieser drei Stufen profitieren. Einkommen, Gewinne und Steuern könnten dann vor Ort generiert und über die gesamte Anlagenlaufzeit gebunden werden. Sollten sich darüber hinaus noch Zulieferer oder Produktionsbetriebe ansiedeln, dann ließen sich noch weitere hohe Anteile der ersten Wertschöpfungsstufe generieren. Wenn die vor Ort ansässigen Unternehmen zudem überregional aktiv sind, erhöhen diese „überkommunalen“ Exporte von Anlagen, Komponenten und Dienstleistungen in die Region die Wertschöpfung weiter. …

6 Bei einer 2,5 MW- Windenergieanlage würden demnach allein durch die Planung, Installation etc. knapp 175.000 € kommunale Wertschöpfung generiert, durch die Produktion der Anlagen in der Kommune würden 620.000 € hinzukommen. Würde die Windenergieanlage auf einer kommunalen Fläche stehen, entstünden dadurch durch die Pacht Einnahmen in Höhe von jährlich knapp 22.000 €. Über 20 Jahre zeigt sich, dass der deutlich höchste Teil der Wertschöpfung den Gewinnen und hier insbesondere dem Gewinn aus dem Betrieb der Anlage zuzuordnen ist. …. Auch die Nettoeinkommen der Beschäftigten in diesen Unternehmen sowie die Steuern nehmen bemerkenswert hohe Werte an, so dass dies eindrucksvoll unter dem Blickwinkel der kommunalen Wertschöpfung die Attraktivität einer Ansiedelungspolitik von EE-Dienstleistungsunternehmen von der Planung bis zum Betrieb dokumentiert. Für das Beispiel der 2,5 MW-Windenergieanlage ergäbe sich über die gesamte Laufzeit von 20 Jahre und bei Vorhandensein aller Wertschöpfungsstufen in der Kommune eine Wertschöpfung von über 3,5 Mio. €. Schon allein durch den Betrieb der Anlagen würden, wenn die Dienstleister in der Kommune ansässig wären, über 2,7 Mio. € Wertschöpfung entstehen.

Hinweis: Angaben in Euro pro kW installierte Leistung der Windanlage

Ganz entscheidend ist also die Frage, wer den Wind nutzt: ist es ein regionales Betreibermodell, z.B. eine Bürgerwindanlage, oder nutzt ein externes Unternehmen den lokal vorhandenen Wind, um damit für sich Gewinne zu erzielen, die dann vorrangig am Sitz des Unternehmens positive Wirtschaftseffekte zeigen.

7 In der Regionalentwicklungsstrategie Podlassiens wird deshalb sehr zu recht darauf hingewiesen, dass es wichtig sei, nicht nur „Erneuerbare Energien“ zu erschließen, sondern diese vorrangig selbst, von Menschen aus der Region (Privatbürgern, Landwirten, Genossenschaften) bzw. von regionalen Unternehmen (Firmen, durchaus auch mit Beteiligungsmöglichkeiten von Privatbürgern) zu nutzen In Deutschland zeigt übrigens die Erfahrung, dass Windanlagen, die von den Menschen vor Ort betrieben werden bzw. die der lokalen Bevölkerung zumindest Beteiligungs- und damit Gewinnmöglichkeiten bieten, auf viel größere Akzeptanz stoßen als „externe Investitionen“. Im März 2015 besuchte eine Delegation aus Podlassien unter Führung von Jerzy Leszczyński (Mitglied des Vorstands der Wojwodschaft) die Gemeinde Krummhörn an der Nordseeküste, um sich vor Ort über solche „Bürgerwindanlagen“ zu informieren. In der Gemeinde gibt es mittlerweile rund 160 Windanlagen, 140 davon gehören den Menschen vor Ort. Dies hat nicht nur zu einer großen Akzeptanzsteigerung geführt, die Windkraft ist vielmehr ein ganz wichtiger Wirtschaftsfaktor der Region geworden, weil eben die Gewinne aus dem Betrieb in der Region verbleiben. In Dänemark hat die Politik sogar mit einem Gesetz auf diese Situation reagiert: wenn heute externe Investoren neue Windanlagen errichten wollen müssen sie der lokalen Bevölkerung im Umkreis von 4,5 km um den Standort einen Anteilserwerb von mindestens 20% ermöglichen. Nutzen die Menschen dieses Angebot nicht, können die Kommunen den Zuschlag erhalten.

Sonnenenergie: noch wesentlich einfacher als bei der Windkraft sieht die lokale Wertschöpfung bei der Nutzung der Sonnenenergie aus egal, ob es sich hierbei um Solarthermie (also Wärmenutzung) oder Photovoltaik (also Stromproduktion) handelt. Die Planung gerade kleinerer und mittlerer Anlagen, die z.B. auf Hausdächern oder landwirtschaftlich genutzten Gebäuden errichtet werden, wird normalerweise von ortansässigen Büros übernommen, die Module über lokale Händler geliefert und von ortansässigen Firmen installiert. Die Betriebskosten der Anlagen sind sehr gering, denn die Sonne stellt bekanntlich – anders als ein Kohle-, Öl- oder Gaslieferant – keine Rechnung und die Module sind sehr wartungsarm. Dank der sehr stark gesunkenen Kosten für die Module ist es für die Betreiber von kleineren PV-Analgen in Deutschland mittlerweile sehr attraktiv geworden, den produzierten Strom selbst zu nutzen, da selbst produzierter PV-Strom billiger ist als Strom aus dem Netz.

8

Hinweis: Angaben in Euro pro kW installierte Leistung der Photovoltaikaanlage

Und auch bei der Nutzung der Biomasse stellen sich positive regionale Wirtschaftseffekte ein, wenn z.B. von außerhalb importierte Kohle, Öl oder Gas durch lokal vorhandene Energieträger wie Holz oder Biogas ersetzt wird: das für die aus anderen Regionen importierten fossilen Energieträger benötigte Geld kann in der Region verbleiben, dort werden Arbeitsplätze geschaffen, Einkommen und Unternehmensgewinne generiert und Steuern gezahlt. Natürlich können die hier beschriebenen Ergebnisse aus Deutschland aus dem Jahr 2010 nicht 1:1 auf Polen übertragen werden. Die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen unterscheiden sich zum Teil erheblich. Doch darum geht es hier auch nicht. Vielmehr geht es um das Prinzip, das für Podlassien (und Polen) wichtig ist: mit einer neuen, dezentralen, auf Erneuerbaren Energien beruhenden regionalen Energieproduktion lässt sich Energiepolitik und Regionalentwicklung miteinander verbinden. Und viele Analysen zeigen, dass sich auch schon heute in Polen viele Projekte im Bereich Erneuerbarer Energie wirtschaftlich rechnen; trotz der schlechten Rahmenbedingungen. Und diese Chancen sollten genutzt werden!

Fazit: Nicht primär Klimaschutzargumente haben in Deutschland dazu geführt, dass sich Menschen, Städte und Regionen in Projekten engagieren, die auf Erneuerbaren Energien beruhen. Es sind vielmehr regionalwirtschaftliche Gründe, die zu einer ungeheuren Vielfalt an Bürgerengagement und sehr unterschiedlichen kommunalen Projekten und

9 Bürgerenergieprojekten geführt hat. Im Folgenden sollen einige exemplarische Projekte beschrieben werden. Bei den Beschreibungen handelt es sich um Auszüge von Veröffentlichungen (mit Quellenangabe)

Suggest Documents