Freiwilligendienst in Toronto, ON, Kanada

Rundbrief Nr. 1

Name :

Jan Smitmans

Projekt: Dienstzeit:

Yonge Street Mission 1.9.2010 - 30.09.2011

Jan Smitmans - Freiwilligendienst Toronto

Toronto, 5. Januar

Liebe Freunde, liebe Unterstützer, fast vier Monate sind mittlerweile schon vergangen, ein guter Zeitpunkt, um eine erste Zwischenbilanz zu ziehen. Zuvor möchte ich mich jedoch noch einmal bei euch / Ihnen ganz herzlich für eure / Ihre Unterstützung bedanken. Ohne diese Unterstützung wäre es mir nicht möglich gewesen, die Arbeit zu leisten und die Erfahrungen zu machen, die ich in den letzten Monaten gemacht habe. Eine Arbeit, die mir sehr viel Freude bereitet, ein Umfeld, das uns den Einstieg äußerst einfach gemacht hat und eine Stadt und ein Land, das unglaublich interessant und lebenswert ist, haben – aus persönlicher Sicht – die ersten Monate wohl zudem gemacht, was man als vollen Erfolg bezeichnen könnte.

1. Vor dem Dienst 1.1 Meine Entsendeorganisation EIRENE Möglicherweise wissen manche von euch / Ihnen nicht mehr genau, wie ich überhaupt nach Toronto gekommen bin. Um einen Freiwilligendienst im Ausland zu absolvieren, ist eine pädagogische und organisatorische Begleitung sehr wichtig. Darum kümmert sich die Organisation

EIRENE.

Seit

1957

unterstützt

EIRENE

im

Rahmen

der

Entwicklungszusammenarbeit Projekte in Afrika und Lateinamerika durch Fachkräfte und finanzielle Hilfen. Im Jahr 1980 wurde das Freiwilligenprogramm in den Industrieländern entwickelt, um junge Menschen auf weltweite soziale Fragen aufmerksam zu machen. Bis heute haben über 2000 junge und ältere Menschen einen Friedensdienst mit EIRENE geleistet. Da EIRENE von Bundesamt für Zivildienst als Träger des „Anderen Dienstes im Ausland“ anerkannt wird, war es mir möglich, diesen Freiwilligendienst als Ersatz für den Zivildienst zu leisten.

1.2 Vorbereitung und Ausreisekurs Nach der Zusage für einen Freiwilligendienst im Februar 2010, begann für mich die Vorbereitung auf mein Auslandsjahr. Neben selbstverständlichen Dingen wie der Buchung des Fluges und Beantragung eines einjährigen Visums, musste ich auch noch in Kontakt mit der kanadischen Organisation MVS (Mennonite Voluntary Service) treten. EIRENE arbeitet hier in Kanada mit MVS zusammen, um unsere Betreuung zu gewährleisten. Dabei stellt MVS zB. unser Haus und Geld für Verpflegung zur Verfügung. ~2~

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Bei MVS entscheiden wir uns dann für unsere letztendlichen Projekte. Da es für das Projekt, auf da sich mich zuerst beworben hatte, schon Bewerber gab, musste für mich ein anderes Projekt gefunden werden. Dies hat sich den letzten Sommer über hingezogen, sodass ich schließlich nach Toronto geflogen bin, ohne genau zu wissen, wo ich arbeite, letztendlich ist daraus aber kein großes Problem entstanden.

Zuvor trafen sich alle Freiwilligen mit Ziel USA, Kanada, Frankreich oder Belgien zu einem zweiwöchigen Vorbereitungskurs in Neuwied und Odernheim. Dort wurden wir auf verschiedene Probleme und Konflikte, die unser Dienst mit sich bringen könnte, vorbereitet, klärten organisatorische Fragen und erhielten eine länderspezifische Vorbereitung. Und nicht zuletzt lernten wir andere junge Menschen kennen, die alle ein ähnliches Ziel vor Augen hatten: mit ihrem Freiwilligendienst etwas Positives zu bewirken.

Nach dem Ende des Vorbereitungskurses blieben mir noch zwei Tage daheim bei Familie und Freunden, die mich mit einer Feier herzlich verabschiedeten. Am 20. September stieg ich dann ins Flugzeug mit Ziel Toronto Pearson International Airport. Nach gut acht Stunden Flug

und

guten

halben

Stunde

Autofahrt

erreichten wir unser Haus im East End von Toronto, wo mir einer meiner Mitbewohner eine Führung durch Haus und Nachbarschaft gab (näheres

zu

Toronto

dann

später

im

entsprechenden Kapitel). Nach ein paar Tagen in der Warteschleife auf ein neues Projekt, die ich dazu nutzte, Toronto auszukundschaften und kennenzulernen, kam dann die erlösende Nachricht: Projektplatz bei der Organisation Yonge Street Mission gefunden.

2. Der Dienst – Meine Arbeit 2.1 Mein Projekt: Yonge Street Mission Yonge Street Mission (im Folgenden YSM) ist eine Organisation, die sich in Toronto um Leute kümmert, die von Armut betroffen sind. Leute egal welchen soziokulturellen Backgrounds finden hier einen Platz der Zuflucht und Gemeinschaft. YSM bietet Programme für alle Altersgruppen an, angefangen bei Säuglingen bis hin zu Senioren. Mit ihrer Gründung im Jahr 1896 ist sie die älteste Mission in Toronto und trägt sich zu 95 % nur durch Privat~3~

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oder Geschäftsspenden (knapp 10 Mio. $ jährlich) oder Sachspenden. Außerdem bin ich einer von jährlich ca. 4000 Volunteers, die dort unterschiedlich oft und lange arbeiten Zu YSM gehören sechs „Facilities“: das Evergreen Centre for Street-involved Youth, das Christian Community Centre, das Computer Education Centre, das Development Department (Marketing- und Entwicklungsabteilung), Genesis Place (unterstütztes Wohnen) und ein Thrift Store.

Im Evergreen Centre bietet YSM Hilfen für die Street Youth an. Die Jugendlichen bekommen dort Mahlzeiten, einen Ort zum verweilen (was nicht zuletzt jetzt im Winter unschätzbar wichtig ist), und können mit anderen reden und Sport machen. Außerdem ist dort ein Health Centre untergebracht, wo sie kostenlose Untersuchungen machen können und behandelt werden.

Zudem

bekommen

die

Jugendlichen

Hilfe

bei

der

Arbeitsplatz-

und

Unterkunftssuche. Das Evergreen Centre liegt direkt in der Downtown und ist 15 Fuß- oder Straßenbahnminuten von den anderen YSM-Gebäuden entfernt. Für mich bedeutet das, dass ich zu meinem Arbeitsplatz eine halbe Stunde mit der Subway und dem Bus benötige.

Das Christian Community Centre liegt ein paar Minuten weiter östlich in einer ärmeren Gegend Torontos. 60% der Menschen leben dort unter der Armutsgrenze – und das in einem nicht gerade armen nördlichen Industriestaat. Im CCC werden Programme für die Leute aus der Umgebung, eben für die Community, angeboten. Diese reichen von der Tagesbetreuung für Kleinkinder über Nachmittagsbetreuung und Hausaufgabenhilfe für die Schulkinder und Abendprogramme Jugendliche und

und

Mahlzeiten

Erwachsene

bis

hin

für zur

Seniorenbetreuung. Außerdem ist dort eine Food

das Community Centre

Bank untergebracht.

2.2 Meine Rolle Glücklicherweise haben mir die Verantwortlichen bei Yonge Street Mission die Möglichkeit gegeben, in fast allen verschieden Programmen und Departments zu arbeiten. Mein Wochenplan ist also sehr abwechslungsreich und gerade das bereitet mir sehr viel Freude.

~4~

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Montags arbeite ich in der Food Bank. Dort können sich die Leute, wenn bestimmte Kriterien (wohnhaft in der Community, ein niedriges Einkommen) erfüllt sind, kostenlos mit Lebensmitteln versorgen. Da montags die Lieferungen ankommen, helfe ich beim Ausladen der Trucks und verladen in die Food Bank, die aus zwei Räumen mit Regalen und Gefriertruhen en besteht. In der Food Bank packen wir dann die Kartons aus und bestücken entweder die Regale neu oder lagern sie ein. Auch wenn an dem Tag drei volle Trucks ankommen, hält der Vorrat so gerade für den Rest der Woche, so groß ist der Ansturm auf die Food Bank. Am Ende werden die neuen Lebensmittel dann noch registriert.

Die Arbeit in der Food Bank ist daher der körperlich intensivste Teil meiner Arbeit, auch wenn es nicht immer so intensiv ist, wie an einem Tag, an dem wir eine Spende tiefgefrorener Babykarotten karotten bekamen. Natürlich war in der Food Bank nicht genug Platz für die insgesamt über 2000 Boxen, sodass sämtliche Gefriertruhen im Gebäude ebenfalls herhalten mussten. Danach waren Karotten kurioserweise zwei Wochen lang täglicher Bestandteil der Mahlzeiten…

Am Tag darauf, dienstags, arbeite ich im Evergreen Centre. An dem Tag kommen junge Mütter (zwischen 15 und 21 Jahren) zur sog. parenting class. Dort bekommen sie Hilfe und „lernen“, “, was sie wissen müssen, um ihren Kindern eine „gute“ Mutter sein zu können. Mein Job war es währenddessen

zusammen

mit

einem anderen Freiwilligen und einem Staff-Mitglied Mitglied auf die 5-6 5 Babys aufzupassen. Auch wenn das zugegebenermaßen anfangs ziemlich ungewohnt wohnt

war

und

etwas

Eingewöhnungszeit benötigte, würde ich mittlerweile sagen, dass diese Aufgabe gerade deswegen so interessant ist, weil man hier ~5~

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sehr direkt die Wirkung seiner Arbeit sieht. Immerhin begleiten wir die infants über 9 Wochen ihres Lebens hinweg, wo manche anfangs gerade mal 2 Wochen alt waren. Wenn sie am Ende des Programms schreien, wenn die Mütter kommen, nachdem sie am Anfang schrien, wenn sie gingen, weiß man, dass man seinen Job nicht allzu schlecht gemacht hat.

Meine zweite Aufgabe dort war es, ganz einfach mit den Jugendlichen Zeit zu verbringen, mich mit ihnen zu unterhalten, Karten oder Billard zu spielen, das Essen auszugeben oder Veranstaltungen zu planen. Auch wenn diese Dinge vll auf den ersten Blick „unproduktiv“ erscheinen, sind sie doch eminent wichtig, da gerade die Zeit, die man mit den Jugendlichen verbringt, bewirkt, dass sich Vertrauen aufbaut. Nur wenn sie uns vertrauen, lassen sich die Jugendlichen auch von uns helfen. Und nur wenn wir wissen, was sie benötigen, können wir ihnen wirklich helfen.

Ein weiterer Teil meiner Arbeit ist die Mithilfe im sog. children program. Die Kinder (Schuljahre 1-4 sowie 5-7) kommen dort nachmittags ins CCC, wo sie Räume für sich haben, die sie selbst dekoriert und gestaltet haben. Meine Aufgabe ist es dann zusammen mit 4 Freiwilligen und Staffmitgliedern den Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen, die Sportstunden in der YSM-eigenen Sporthalle zu leiten oder einzelnen Kindern „Nachhilfe“ in Englisch

oder Mathe

zu

geben. Viele der Kinder kommen aus Familien, für die

Englisch

nicht

Muttersprache ist, trotzdem ist es schon kurios, wenn ich als

Deutscher

Kanadiern

Englischunterricht gebe. Das children

program

findet Was braucht man für eine gesunde Mahlzeit? – Wir Freiwillige (Hintergrund) helfen den Kindern beim Entscheiden.

dreimal wöchentlich statt, an einem von diesen Tag gibt es eine spezielle „Unterrichts-

stunde“ für die Kinder, wo sie auf aktive Weise mehr über ihre Umwelt lernen, zB. wie oder was man recycelt, wie man sich gesund ernährt oder wie naturwissenschaftliche Phänomene funktionieren.

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Donnerstags helfe dann ich beim „adult program“ aus. Dort können Erwachsene, von denen alle zumindest „isolated“ sind, manche auch auch obdachlos, eine warme Mahlzeit bekommen und danach an Aktivitäten wie Sport, Musik oder Spielen teilnehmen. Ich mische mich dann unter sie, mache bei den Aktivitäten mit und unterhalte mich mit ihnen, was für sie sehr wichtig ist, da sie kaum jemanden haben, aben, mit dem sie Erlebnisse teilen können. Viele Erwachsene bedanken sich herzlich bei uns nur dafür, dass wir uns mit ihnen unterhalten und kommen, sobald etwas in ihrem Leben geschehen ist, was sie jemandem erzählen möchten, zu uns. Auch wenn ich froh bin, in, dass YSM diese Möglichkeit bietet, finde ich es doch schade, dass es überhaupt nötig ist. Denn nicht wenige von ihnen haben durchaus noch Familienmitglieder, diese kümmern sich nur nicht mehr um sie.

Der letzte Bereich meiner Woche ist dann die Arbeit im Development Department, was so etwas wie die Marketing- und Entwicklungsabteilung von YSM ist. Dort arbeite ich am Schreibtisch, was eine weitere Abwechslung gegenüber den anderen Programmen bietet, jedoch nicht immer der spannendste Part ist. Während Während meiner Zeit hier führe ich Telefongespräche, bearbeite die Spenderdatenbank, überprüfe die einkommende Post oder verschicke Briefe an die Spender.

Alles in allem, ist die Arbeit bei YSM also sehr vielfältig,, was sie so interessant und bereichernd macht. Einen Punkt möchte ich noch erwähnen, da er in späteren Rundbriefen nicht mehr passend wäre: die christmas season bei YSM. Im Dezember machen die regulären Programme im CCC Pause und machen Platz für besondere, weihnachtsbezogene Aktionen. Wir haben zum Beispiel Fundraisingaktionen in der Innenstadt veranstaltet. veranstaltet Dort haben wir personalisierte Christbaumkugeln verkauft, was für manche Torontonians schon Tradition ist. Viele sind in den mittlerweile 12 Jahren dieser Aktion zu regelrechten Stammkunden geworden.

Außerdem haben wir unsern jährlichen Food- und Toy Market arket veranstaltet. Dort können Leute aus der community, die sich vorher bei uns registriert haben, kostenlos der YSM-Toy YSM Market

Nahrungsmittel wie Truthahn, Gans und viele andere Dinge für ein „richtiges“ ~7~

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Weihnachtsessen aussuchen und entscheiden sich im Toy Market für Weihnachtsgeschenke für ihre Kinder. Es ist ein besonderes Erlebnis, wenn die Eltern, die man durch den Markt führt und ihnen beim aussuchen hilft, plötzlich Freudentränen in den Augen haben, weil sie nach dem ersten Geschenk schon gehen wollten und dann gesagt bekommen, dass sie für jedes ihrer Kinder zusätzlich zum Spielzeug auch noch eine DVD, ein Buch, ein T-Shirt, ein Kuscheltier und Stocking stuffers (Kleinteile, die zu hier zu Weihnachten in den stocking – den Stiefel- gelegt werden). Oder wenn ein älterer Herr, während man ihm den Einkaufswagen mit Turkey, Gemüse, Säften, Brot, Nudeln und Cookies voll packt, einem überschwänglich dankt, weil er in den letzten Jahren zu Weihnachten nur eine Dosensuppe auf dem Tisch hatte. Oder wenn man beim Street-Youth Drop-In zusammen mit anderen Freiwilligen und den Jugendlichen abends um 9 vor dem Weihnachtsbaum sitzt, Lieder singt, der Gitarrenbegleitung lauscht und mir dann ein Jugendlicher sagt, dass das beste dieses Jahr an

Downtown: Yonge Street

Weihnachten ist, dass er nicht dort draußen in den

Straßen

der

Innenstadt

sein

muss,

aufgerieben zwischen den Grabenkämpfen der Drogengangs (von denen man als „normaler“ Bewohner nichts mitbekommt, Toronto ist immer noch eine der saubersten und sichersten Städte Nordamerikas) und sein größter Wunsch zu Weihnachten sei, über die Festtage mal nicht mit Drogen oder Diebstählen in Berührung zu kommen.

Diese Geschichten geben einem schon einen etwas anderen Blick auf die Bedeutung von Weihnachten und haben dazu beigetragen, dass mein persönliches Weihnachten fernab der Heimat und der Familie zwar anders war als gewohnt, aber doch auch seinen Reiz hatte.

Der Dezember war also ebenfalls sehr intensiv und erlebnisreich.. Alleine im Dezember hat YSM 1000(!) zusätzliche Volunteers engagiert. So war ein sehr schöner Aspekt auch, dass ich jeden Tag andere Leute getroffen habe, die bei den Aktionen freiwillig mitgeholfen haben, seien es Privatpersonen oder Gruppen von Unternehmen, und so die christmas season auch für mich zu einer sehr interessanten und bereichernden Zeit geworden ist.

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3. Das Umfeld 3.1 Haus und Gemeinde Wie anfangs erwähnt lebe ich mit zuerst drei anderen Freiwilligen in einem kleinen Haus im East End von Toronto, in „The Danforth“, der Greektown. Das Haus wurde von MVS gemietet und ist sehr gut gelegen. So erreicht man in 2 Gehminuten den nächsten Supermarkt und die Subwaystation und ist 20-30 Subwayminuten von der Downtown entfernt. Das Zusammenleben klappt gut, wir kochen und essen regelmäßig gemeinsam und verbringen auch die Freizeit – sofern es die Zeit zulässt – ab und an gemeinsam.

Zu meinem Freiwilligendienst hier bei MVS gehört auch der regelmäßige sonntägliche Kirchenbesuch in der Danforth Mennonite Church. Auch wenn ich mich in Deutschland nicht als häufigen Kirchgänger bezeichnet hätte, ist der Gottesdienst hier doch interessant, da er sehr locker vollzogen und mit viel Musik begleitet wird. Die Gemeinde selbst ist eher klein (50-60 Leute) und viele von ihnen kümmern sich wirklich gut um uns. Oft werden wir eingeladen oder irgendwo hin mitgenommen und die Leute zeigen uns „ihr“ Land.

Danforth Mennonite Church

Auch Weihnachten haben wir bei zwei befreundeten Familien aus der Gemeinde verbracht, die am Christmas Eve, also Heiligabend, sogar versucht haben, deutsche Traditionen aufleben zu lassen, um uns ein „gewohntes“ Fest zu geben, mit uns Katholiken einen katholischen Gottesdienst besucht haben, bevor wir dann am Christmas Day (25.Dezember) ein „kanadisches“ Weihnachten erleben durften. Kurz gesagt: viele, viele Leute und Turkey, Turkey, Turkey.

3.2 Toronto Um es vorweg zu nehmen: Meine Entscheidung nach Toronto gehen zu wollen, habe ich nicht bereut. Toronto ist eine unglaublich vielfältige, multikulturelle und lebendige Stadt. Leute aus allen möglichen Teilen der Erde leben hier nicht nur friedlich nebeneinander, sondern miteinander. Morgens auf dem Weg zur Arbeit kann man 20, 30 verschiedene Sprachen hören, in und um die Downtown herum gibt es nicht nur wie in vielen anderen Städten eine Chinatown (davon gibt es hier übrigens vier) oder Little India, sondern auch italienische, portugiesische, griechische, lateinamerikanische, jamaikanische oder koreanische Stadtviertel. Eine Anekdote verdeutlicht dies: Trotz ihres notorischen Misserfolgs im Fussball scherzen die ~9~

Jan Smitmans - Freiwilligendienst Toronto

Torontonians, dass sie schon 18mal Weltmeister waren: Egal welche Nation gewinnt, in Toronto gibt es ein Stadtviertel, das feiert – und es dauert nicht lange, dann feiert der Rest mit. So hat Toronto es geschafft, trotz 2,6 Millionen Einwohnern (5 Millionen im Großraum Toronto), sich anzufühlen wie viele kleine, interessante und ineinander verwobene Dörfer.

Die Leute hier sind unglaublich freundlich, offen und hilfsbereit, die über 5000 Freiwilligen bei YSM sind dafür nur ein Beispiel. Man fühlt sich als Fremder hier immer willkommen. Eins sollte man jedoch lassen: Das Angebot ausschlagen, mit dem Auto mitgenommen zu werden, um dann mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren.

Mehrere Theater, Konzerthallen, Festivals und vor allem unzählige Kleinkunstbühnen bestätigen den Ruf Torontos als Kulturzentrum und lassen die Torontonians immer wieder zusammen kommen.

Das alles macht es einfach, sich mit vollem Elan in die Arbeit zu stürzen, was ich, nach einer Woche Weihnachtsurlaub, jetzt auch wieder tun werde. Denn trotz all der netten Kleinigkeiten und den Freizeitangeboten darf man eins nicht außer Acht lassen: 500.000 der zweieinhalb Millionen Torontonians leben in Armut. Beim Gang durch Regent Park und Cabbagetown, dort wo YSM beheimatet ist, wird einem das, gerade jetzt im Winter, immer wieder bewusst.

Ich hoffe, euch / Ihnen ist dieser erste Rundbrief nun nicht zu lang geworden, begreift / begreifen Sie es einfach als den Versuch, meinen Freunden und Unterstützern einen möglichst umfassenden Überblick und Eindruck von meinem Freiwilligendienst hier in Toronto zu geben.

Bei Fragen und Interessen oder wenn Sie keinen weiteren Rundbrief mehr erhalten möchten, zögert / zögern Sie nicht, sich an mich zu wenden,

mit freundlichen Grüßen, Jan Smitmans

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