Freiheitsentziehung und andere Nebenwirkungen durch Medikation in der Pflege Univ.-Prof. Dr. Johannes Pantel Leiter des Arbeitsbereichs Altersmedizin Goethe-Universität Frankfurt a.M.
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Arbeitsbereich Altersmedizin mit Schwerpunkt Psychogeriatrie und klinische Gerontologie
Worum es hier geht Ausschluss der körperlichen Bewegungsfreiheit (Freiheitsentzug) durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig. (§1906 BGB) • Verschlossene Tür, „Trickschlösser“ etc. • Bettgitter • Körpernahe Fixierungen mittels – (Fixier)-Gurten – Tisch-Steckbrettern – Sonstigem (Leibchen, Bandagen) • Psychopharmaka („Chemical Restraint“) • Sonstiges (z.B. regelm. Zurückhalten durch Pförtner/Personal)
Arbeitsbereich Altersmedizin mit Schwerpunkt Psychogeriatrie und klinische Gerontologie
Die Betroffenen (Risikogruppen) Überwiegend ältere Menschen mit • • • • • •
Demenz/Delir/“Verwirrtheit“ Agitation Mobilitätseinschränkungen Inkontinenz höhergradiger Pflegedürftigkeit Sturzgefährdung Nach: Bredthauer et al., 2005
Arbeitsbereich Altersmedizin mit Schwerpunkt Psychogeriatrie und klinische Gerontologie
Ein Teufelskreis Pflegepersonal Ärzte: „Fürsorgeauftrag“ Einstellungen Ängste Qualifikation etc. Institution: Personalschlüssel „case-mix“ Organisationsform Leitbilder etc.
Sturzgefährdung Agitation „Verwirrtheit“ Abhängigkeit etc. Immobilität ↑ Kognition ↓ Deprivation ↑ Dekubitus ↑ Kontrakturen ↑ Allgemeinzustand ↓ Pflegebedürftigkeit ↑
Sedierung Fixierung etc.
Arbeitsbereich Altersmedizin mit Schwerpunkt Psychogeriatrie und klinische Gerontologie
Die Betroffenen (Risikogruppen) Überwiegend ältere Menschen mit • • • • • •
Demenz/Delir/“Verwirrtheit“ Agitation Mobilitätseinschränkungen Inkontinenz höhergradiger Pflegedürftigkeit Sturzgefährdung Nach: Bredthauer et al., 2005
Symptomebenen der Demenz 1. Kognitive Symptome Gedächtnis, Sprache, Orientierung, Praxie etc.
2. Nicht-Kognitive Symptome Depression, Affektlabilität, Wahn, Halluzinationen etc.
3. Verhaltensauffälligkeiten „Wandern“, Agitiertheit, Aggressivität, Apathie, Tag-Nacht-Rhythmusstörungen etc.
BPSD – Behavioural and psychological symptoms of dementia
4 Symptomcluster 1.
Affektive Symptome: – Depression – Angst
2.
Hyperaktivität – Agitation – Euphorie – Enthemmung – Irritierbarkeit – auffälliges motorisches Verhalten
3.
psychotische Symptome – Wahn – Halluzination – nächtliche Störungen
4.
Apathie – Apathie – Essstörungen
BPSD – Behavioural and psychological symptoms of dementia • •
Im Krankheitsverlauf treten bei ca. 80% der an Demenz erkrankten Menschen nichtkognitive Störungen auf: Zusammenhang zwischen reduzierter Alltagskompetenz und dem Auftreten von nicht-kognitiver Symptomatik (Tekins, 2001).
Quelle: Inserm (French National Institute for health and medical research), 2007
Psychopathologische Symptome und Verhaltensauffälligkeiten Pflegerischer Mehraufwand im Heim Wahn sehr oder extrem ziemlich
Halluzination
mäßig
Einschätzung durch das Pflegepersonal
leicht
Erregung/Aggression
Ergebnisse des Neuropsychiatrischen Inventars (NPI-INST)
minimal gar nicht
Depression/Dysphorie Angst Euphorie Apathie/Gleichgültigkeit Enthemmung Reizbarkeit/ Labilität Abweichendes mot. Verhalten Schlafstörungen Appetit/Essstörungen 0
5
10
15
20
25
30
35
n=56
Pantel et al., 2006
Merke: Verhaltens- und psychische Symptome bei Demenzkranken sind häufig multidimensional erklärbar und
Aktuelle Leitlinie
Aktuelle Leitlinie
Wie häufig und durch wen werden welche Psychopharmaka an welche Heimbewohner verordnet?
Heimbewohner - Studienteilnehmer Von 56 Bewohnern bzw. von deren gesetzlichen Betreuern lag eine rechtsgültige Einwilligung zur Teilnahme vor.
16,2 %
56 StudienTeilnehmer 44.4 %
Ohne Psychopharmaka – Verordnung
14
39,4 %
Mit Psychopharmaka – Verordnung
Studienteilnehmer psychiatrische Diagnosegruppen laut Heim-Doku 25
bei 25 Studienteilnehmern war eine Demenz dokumentiert
•
bei 8 eine Depression
•
bei 4 „sonstige Diagnose“
•
bei 19 Studienteilnehmern liegt keine psychiatrische Diagnose vor
20
Absolute Werte
•
15
10
5
0
keine psychiatr. Diagnose
Demenz, F0x.x
Depression, F3x.x
psychiatr. Diagnosen gruppiert
15
sonstige
Wer verordnet die Psychopharmaka? Facharzt Psychopharmakaverordnung
30
Häufigkeit
• 55,4 % der Verordnungen wurden vom Arzt für Allgemeinmedizin/Internist verordnet • 19,6% vom Neurologen • Bei 14 Studienteilnehmern (25%) wurden Psychopharmaka von beiden Facharztrichtungen verordnet
20
10
0
Internist/Allgemeinmed
16
Neurologe
beide Arztrichtungen
Wie viele Psychopharmaka bekommt ein Studienteilnehmer?
• • •
23 (41,1%) haben 1 Verordnung 22 (39,3%) haben 2 Verordnungen 6 (10,7%) haben 3 Verordnungen 5 ( 8,9%) haben 4 Verordnungen
Anzahl der angesetzten Psychopharmaka insgesamt
25
20
Häufigkeit
•
15
10
5
0
1
17
2
3
4
Psychopharmakagruppen
• • • • •
Insgesamt 105 Verordnungen (Fest- und Bedarfsmedikation) 7 ( 6,7%) Antidementiva 16 (15,2%) Antidepressiva 38 (36,2%) Neuroleptika 32 (30,5%) Sedativa, Hypnotika, Benzodiazepine 12 (11,4%) „Sonstige“
Arten Psychopharmakagruppen
40
30
Häufigkeit
•
20
10
0
Antidementiva Neuroleptika Antidepressiva
18
Sedativa, Benzos, Hypnotika
Sonstige
Einteilung der Psychopharmaka (nach ihrer Wirkung) Antipsychotika (vorw. Neuroleptika) Antidepressiva (Thymoleptika) Sedativa und Hypnotika Medikamente zur Rezidivprophylaxe
Antipsychotika herkömmliche Neuroleptika (hoch und mittelpotente) Beispiele: Haloperidol (Haldol®), Benperidol (Glianimon®) Flupentixol (Fluanxol®), Perazin (Taxilan®), Clopentixol (Ciatyl®)
sogenannte atypische Neurolepika Beispiele: Clozapin (Leponex®), Olanzapin (Zyprexa®) Risperidon (Risperdal®), Amisulprid (Solian®), Quetiapin (Seroquel®)
Antipsychotika Hauptwirkungen pharmakologisch: vorwiegend Blockade der Dopaminrezeptoren wirksam gegen produktiv-psychotische Symptome (z.B. Wahn und Halluzination) sedierend niedrig dosiert: Rezidivprophylaxe (sogenannte Erhaltungstherapie)
Antipsychotika/ Neuroleptika wichigste Nebenwirkungen Sedierung, Verschlechterung der Kognitition, Apathie, depressogen ! EPMS: Parkinsonoid, Frühdyskinesien, Spätdyskinesien, Akathisie Instabilität (Sturzneigung) Blutdrucksenkung, Tachykardie, Rhythmusstörungen Obstipation, Gewichtszunahme, Appetitsteigerung Senkung der Krampfschwelle Miktionsstörungen Clozapin (Leponex): schwere Blutbildschäden möglich !!
Einsatz von Neuroleptika beim demenzkranken älteren Patienten
Zerebrovaskuläre Morbidität erhöht
Mortalität erhöht
Keine systematischen Untersuchungen für ältere Präparate (z.B. Haloperidol, Melperon etc.)
Einziges Präparat mit Zulassung (unter strengen Kautelen): Risperidon
Responserate wird häufig überschätzt
Risiko zerebrovaskulärer Ereignisse bei älteren Demenzpatiente unter psychotroper Medikation (Kozma et al., 2003)
Einsatz von Neuroleptika beim demenzkranken älteren Patienten
Zerebrovaskuläre Morbidität erhöht
Mortalität erhöht
Keine systematischen Untersuchungen für ältere Präparate (z.B. Haloperidol, Melperon etc.)
Einziges Präparat mit Zulassung (unter strengen Kautelen): Risperidon
Responserate wird häufig überschätzt
Medikamentöse Behandlung der BPSD bei Demenz
Fazit
Wirksamkeit begrenzt und häufig schlecht belegt
Sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung im Einzelfall
Basistherapie mit Antidementivum
Medikamentöse Therapie regelmäßig kritisch hinterfragen (Dosisreduktion, Absetzversuche etc.)
Weitere qualitativ hochwertige Forschung ist auch hier dringend erforderlich
Nicht-pharmakologische Maßnahmen/Alternativen sind ausreichend zu berücksichtigen
Antidepressiva/ Thymoleptika herkömmliche (sogen. trizyklische) Antidepressiva Beispiele: Amitriptylin (Saroten®), Doxepin (Aponal®) Clomipramin (Anafranil®), Dibenzepin (Noveril®), Trimipramin (Stangyl®), Maprotilin (Ludiomil®)
selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) u.ä. Beispiele: Fluoxetin (Fluctin®), Fluvoxamin (Fevarin®) Paroxetin (Tagonis®), Venlafaxin (Trevilor®)
MAO-Hemmer Beispiele: Moclobemid (Aurorix®), Tranylcypromin (Jatrosom®)
Sonstige (z.B.: Mianserin (Tolvin®))
Antidepressiva Hauptwirkungen pharmakologisch: Erhöhung von Serotonin und/oder Noradrenalin in der Synapse stimmungsaufhellend (Wirklatenz: ca. 14 Tage) je nach Präparat: entweder sedierend oder antriebssteigernd z.T. hilfreich bei Angst- und Zwangsstörungen niedrig dosiert: Rezidivprophylaxe (sogenannte Erhaltungstherapie)
Vorteil: kein Suchtpotential
Antidepressiva wichigste Nebenwirkungen herkömmliche/trizyklische: vorwiegend anticholinerge NW (Obstipation, Mundtrockenheit, Sehstörungen, EKG-Veränderungen, Harnverhalt, bei Überdosierung Delir-Gefahr) Vorsicht bei Patienten mit Glaukom, Prostatahypertrophie, Herzrhythmusstörungen, erhöhter Krampfschwelle!
Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer/SSRI: gel. Übelkeit/Erbrechen, Unruhezustände
MAO-Hemmer: schwere Kreislaufkomplikationen bei Mißachtung der Diätvorschriften (Tyramin!)
Sedativa und Hypnotika Benzodiazepine/Tranquilizer Beispiele: Diazepam (Valium®), Lorazepam (Tavor®) Bromazepam (Lexotanil®), Oxazepam (Adumbran®)
herkömmliche Neuroleptika (niederpotente) Beispiele: Pipamperon (Dipiperon®), Melperon (Eunerpan®) Levomepromaxin (Neurocil®), Promethazin (Atosil®), Chlorprothixen (Truxal®)
Nicht-Benzodiazepin-Hypnotika Beispiele: Zopiclon (Ximovan®), Zolpidem (Stilnox®, Bikalm®)
Sonstige (z.B. Chloralhydrat, Barbiturate, sedierende Antidepressiva, pflanzliche)
Sedative/Hypnotika Hauptwirkungen sedierend angst- und spannungslösend Benzodiazepine: euphorisierend psychomotorisch dämpfend schlaffördernd Vigilanzminderung
Sedativa/Hypnotika wichigste Nebenwirkungen Allgemein: Beeinträchtigung von Wachheit und Aufmerksamkeit, erhöhte Tagesmüdigkeit, Apathie, erhöhte Sturzgefahr
Benzodiazepine: Muskelrelaxierung, Atemdepression hohes Suchtpotenial, bisweilen paradoxe Reaktionen !
Niederpotente Neuroleptika: siehe hochpotente N. !!, vorwiegend: Hypotonie, anticholinerge Wirkungen
Nicht-Benzodiazepin-Hypnotika: relativ günstiges Wirkungs/Nebenwirkunsprofil, Suchtpotential
Medizinisch begründete Indikationen für die Gabe von Psychopharmaka beim älteren Patienten
Etablierte Diagnose einer akuten oder chronischen Psychose (z.B. Schizophrenie, schizoaffektive Psychose, bipolare Störung mit Wahnbildungen, Halluzinationen, Suizidalität etc. oder zur Rezidivprophylaxe) Etablierte Diagnose einer depressiven Störung Etablierte Diagnose einer anderweitig nicht therapierbaren Angststörung Etablierte Diagnose einer Demenz und/oder eines Delirs mit schwer beeinträchtigenden psychotischen Symptomen (Wahn, Halluzination) oder Demenz/Delir mit schwerer Agitation (Eigen/Fremdgefährdung), die anderweitig nicht behandelbar ist
Keine ausreichende medizinische Indikationen für die Gabe von Psychopharmaka beim älteren Patienten
Allgemeine Sedierung/Ruhigstellung Rein pflegerische Indikationen Einfache „Unruhe“/Agitation ohne akute Eigen/Fremdgefährdung „Weglaufgefährdung“, Bewegungsdrang Unspezifische „Ängste“ etc. ohne etablierte psychiatrische Diagnose Unspezifische Schlafstörungen Etablierte Diagnose einer Demenz und/oder eines Delirs ohne schwer beeinträchtigenden psychotischen Symptomen (Wahn, Halluzination) oder Demenz/Delir ohne schwerer Agitation (Eigen/Fremdgefährdung)
Inadäquate Verwendung von Psychopharmaka aus medizinischer Sicht (OBRA Kriterien) • Fehlende oder falsche Indikation • „Falsche“ oder unwirksame Präparate • unangemessene Dosis • unangemessene Dauer der Applikation • Pharmakologische Polypragmasie • intolerable Nebenwirkungen
Potentielle inadäquate Medikation für ältere/geriatrische Patienten • Beers-Kriterien • PRISCUS-Liste • FORTA-Liste • Elektronische AMTS-Systeme • Apothekenbasiert
Inadäquate Verwendung von Psychopharmaka aus medizinischer Sicht (OBRA Kriterien) • Fehlende oder falsche Indikation • „Falsche“ oder unwirksame Präparate • unangemessene Dosis • unangemessene Dauer der Applikation • Pharmakologische Polypragmasie • intolerable Nebenwirkungen
Optimierung der PsychopharmakoTherapie im ALtenpflegeheim (OPTimAL) J. Pantel, A. Grell, A. Diehm, B. Schmitt, I. Ebsen, A.Grell, B. Schmitt
- Kontrollierte Interventionsstudie - 2 Altenpflegeheime mit N=162/224 Bewohnern - Intensive Schulung der Pflegekräfte - Entwicklung einer Zusatzdokumentation - Instruktion der Hausärzte - Umfangreiche Prä-Post-Erhebung
Gefördert durch die BHF-Bank-Stiftung
Stufe
Handlungsebene
Verantwortungsbereich
1
Problematisches Verhalten beobachten
PP
2
Problematisches Verhalten dokumentieren
PP
3
Einsatz nicht-pharmakologischer Maßnahmen
PP
4
Bei Persistenz, „Gefahr in Verzug“, psychotischen Symptomen
PP, PP-HA
Hausarzt benachrichtigen
5
Ausschluss medizinischer Ursachen (Delir, Infekt, unklare Schmerzen etc)
HA
6
Psychiatrische Diagnose/Indikation
HA, FA, HA-FA
7
Aufstellung eines Behandlungsplanes
HA, FA, (PP, GB)
8
(ggf. unter Einbeziehung des ges. Betreuers etc.)
HA, FA, (PP, GB)
9
Medikamentenverordnung
HA, FA, HA-FA HA-PP, FA-PP
10
Problematisches Verhalten beobachten
PP
11
Problematisches Verhalten dokumentieren
PP
12
Therapiekontrolle/Verlaufsbeobachtung
HA, FA, HA-FA
13 14
Aufklärung/Einwilligung
mit adäquater Dokumentation
Aufklärung/Einwilligung (ggf. unter Einbeziehung des ges. Betreuers etc.)
Weiterführen
Absetzen
Umstellen
HA, FA, (PP, GB)
HA, FA
NHPBS
Stufe
Handlungsebene
Verantwortungsbereich
1
Problematisches Verhalten beobachten
PP
2
Problematisches Verhalten dokumentieren
PP
3
Einsatz nicht-pharmakologischer Maßnahmen
PP
4
Bei Persistenz, „Gefahr in Verzug“, psychotischen Symptomen
PP, PP-HA
Hausarzt benachrichtigen
5
Ausschluss medizinischer Ursachen (Delir, Infekt, unklare Schmerzen etc)
HA
6
Psychiatrische Diagnose/Indikation
HA, FA, HA-FA
7
Aufstellung eines Behandlungsplanes
HA, FA, (PP, GB)
8
(ggf. unter Einbeziehung des ges. Betreuers etc.)
HA, FA, (PP, GB)
9
Medikamentenverordnung
HA, FA, HA-FA HA-PP, FA-PP
10
Problematisches Verhalten beobachten
PP
11
Problematisches Verhalten dokumentieren
PP
12
Therapiekontrolle/Verlaufsbeobachtung
HA, FA, HA-FA
13 14
Aufklärung/Einwilligung
mit adäquater Dokumentation
Aufklärung/Einwilligung (ggf. unter Einbeziehung des ges. Betreuers etc.)
Weiterführen
Absetzen
Umstellen
HA, FA, (PP, GB)
HA, FA
Pflegesituation
Psychosoziale Interventionen: Wichtiger Teil des Gesamtbehandlungskonzepts
Haberstroh, J. & Pantel, J. (Hrsg.) (2011). Demenz psychosozial behandeln. Heidelberg: AKA. (http://www.aka-verlag.com/)
Projekt TANDEM Trainingsangebote zur Kommunikation + Kooperation in der Versorgung von Menschen mit Demenz
Inhalte • Kommunikation mit Menschen mit Demenz • Kooperation von beruflich und familiär Pflegenden • Selbsthilfe und Kollegiale Beratung Kontexte und Zielgruppen • Häusliche Umgebung und Pflegeheim • Familiär und beruflich Pflegende Grundgedanken • Stärken fördern, Schwächen umgehen! • Teilnehmer sind Experten! Multiplikation • Trainerausbildung • Manual (Haberstroh & Pantel, 2011)
46
Arbeitsbereich Altersmedizin mit Schwerpunkt Psychogeriatrie und klinische Gerontologie
Die Suche nach Alternativen
Welche Interventionen können zur Reduktion freiheitsentziehender Maßnahmen empfohlen werden? Köpke, Mühlhauser, Gerlach et al. (2012) Effect of a guideline.based multicomponent intervention on use of physical restraints in nursing homes. JAMA Vol. 307 (20): 2177-2184
Stufe
Handlungsebene
Verantwortungsbereich
1
Problematisches Verhalten beobachten
PP
2
Problematisches Verhalten dokumentieren
PP
3
Einsatz nicht-pharmakologischer Maßnahmen
PP
4
Bei Persistenz, „Gefahr in Verzug“, psychotischen Symptomen
PP, PP-HA
Hausarzt benachrichtigen
5
Ausschluss medizinischer Ursachen (Delir, Infekt, unklare Schmerzen etc)
HA
6
Psychiatrische Diagnose/Indikation
HA, FA, HA-FA
7
Aufstellung eines Behandlungsplanes
HA, FA, (PP, GB)
8
(ggf. unter Einbeziehung des ges. Betreuers etc.)
HA, FA, (PP, GB)
9
Medikamentenverordnung
HA, FA, HA-FA HA-PP, FA-PP
10
Problematisches Verhalten beobachten
PP
11
Problematisches Verhalten dokumentieren
PP
12
Therapiekontrolle/Verlaufsbeobachtung
HA, FA, HA-FA
13 14
Aufklärung/Einwilligung
mit adäquater Dokumentation
Aufklärung/Einwilligung (ggf. unter Einbeziehung des ges. Betreuers etc.)
Weiterführen
Absetzen
Umstellen
HA, FA, (PP, GB)
HA, FA
OPTimAL: Studiendesign
OPTimAL: Teilnehmer • 2 Altenpflegeheime des gleichen Träger • Interventionsheim: Frankfurt a.M • Kontrollheim: Mainz • Identische Pflegeleitbilder, Dokumentationssysteme • vergleichbare Bewohnerstruktur und QM-Systeme • Alle Bewohner mit Psychopharmaka & Einwilligung (Interventionsheim: 92/143; Kontrollheim: 70/80) • Psychopharmakarate: 63% vs. 70% (n. sig.) • Pflegekräfte des Interventionsheims
OPTimAL: Intervention I 3 Seminare à 6h in 3 Gruppen á 12 Teilnehmern: • Psychopathologie • Psychopharmakologie • Kommunikation/Umgang mit Problemverhalten Zusätzlich: 1 Seminar: Rechtliche Grundlagen Zusätzlich: 3 Monate Supervision (2h/Woche/Gruppe)
OPTimAL: Intervention II Entwicklung und Implementierung einer Zusatzdokumentation: • Art, Ausprägung und Monitorierung von Problemverhalten bzw. Psychopathologie • Korrekte Medikamentenverordnung • Algorithmen mit „Frühwarnsystem“ Zusätzlich: Information der Hausärzte (Handlungsempfehlungen)
Stufe
Handlungsebene
Verantwortungsbereich
1
Problematisches Verhalten beobachten
PP
2
Problematisches Verhalten dokumentieren
PP
3
Einsatz nicht-pharmakologischer Maßnahmen
PP
4
Bei Persistenz, „Gefahr in Verzug“, psychotischen Symptomen
PP, PP-HA
Hausarzt benachrichtigen
5
Ausschluss medizinischer Ursachen (Delir, Infekt, unklare Schmerzen etc)
HA
6
Psychiatrische Diagnose/Indikation
HA, FA, HA-FA
7
Aufstellung eines Behandlungsplanes
HA, FA, (PP, GB)
8
(ggf. unter Einbeziehung des ges. Betreuers etc.)
HA, FA, (PP, GB)
9
Medikamentenverordnung
HA, FA, HA-FA HA-PP, FA-PP
10
Problematisches Verhalten beobachten
PP
11
Problematisches Verhalten dokumentieren
PP
12
Therapiekontrolle/Verlaufsbeobachtung
HA, FA, HA-FA
13 14
Aufklärung/Einwilligung
mit adäquater Dokumentation
Aufklärung/Einwilligung (ggf. unter Einbeziehung des ges. Betreuers etc.)
Weiterführen
Absetzen
Umstellen
HA, FA, (PP, GB)
HA, FA
OPTimAL
OPTimAL: Zielvariablen
• Kriterien für den adäquaten Einsatz psychotroper Medikation • Psychopathologien und Verhaltensauffälligkeiten • Art, Dosis und Dauer der psychotropen Medikation
OPTimAL: Ergebnisse
Durchschnittliche Anzahl der Kriterien für nadäquaten Psychopharmakagebrauch prä und post Interventio (medizinische Kriterien)
Anzahl kritisch erfüllter Kriterien pro Bewohner 5 Anzahl
4 3 2 1
4,2
*
4,0
4,5
2,5
0 Interventionsheim
Kontrollheim
Einrichtung und Zeitpunkt 01.08.2006
01.02.2007
* p < 0,005; Wilcoxon-Rangsummentest bzw. Mann-Whitney-U-Test
OPTimAL: Ergebnisse Kontrollheim Medizinische Kriterien Kontrollheim, August 2006
prä 100%
Prozent
60%
4,8%
40,5%
80%
42,9%
69,0% 97,5%
100,0%
40%
40,0%
48,6%
67,5%
60,0%
52,4%
8
9
10
95,2%
59,5% 20%
32,5% 57,1%
57,1%
31,0%
42,9%
2,5%
0% 1
2
3
4
5
6
7
Medizinisches Kriterium Nr. Kriterium unkritisch
Medizinische Kriterien Kontrollheim, Februar 2007
post 100%
14,3%
Prozent
80% 60%
*
4,4%
46,7%
53,3%
75,6%
29,5%
38,6%
40,0%
61,4%
60,0%
70,5%
8
9
10
77,8% 97,8%
85,7%
40% 20%
Kriterium kritisch
95,6%
53,3% 24,4%
2,2%
1
2
46,7% 22,2%
0% 3
4
5
6
7
Medizinisches Kriterium Nr. Kriterium unkritisch
Kriterium kritisch
* : p < 0,05; t1 vs. t2; χ2 Test nach McNema
OPTimAL: Ergebnisse Interventionsheim
Prozent
Medizinische Kriterien Interventionsheim, August 2006
100% 80% 60% 40% 20% 0%
32,0% 64,0%
86,0% 68,0%
36,0%
15,4%
84,6%
2,0% 62,0%
64,0%
38,0%
36,0%
2
3
4
6
7
53,8%
48,0%
57,1%
46,2%
52,0%
8
9
10
98,0%
14,0%
1
42,9%
5
Kriterium Nr.
Kriterium unkritisch
Kriterium kritisch
Prozent
Medizinische Kriterien Interventionsheim, Februar 2007
100%
*
80%
29,6%
60% 40%
*
* * * * *
18,5% 84,0% 81,5%
70,4%
35,2% 100,0%
20%
14,3%
21,4%
89,4%
85,7%
79,6%
8
9
10
55,6%
100,0% 64,8%
11,6%
44,4%
16,0%
0%
1
2
3
4
5
6
7
Kriterium Nr. Kriterium unkritisch
Kriterium kritisch
* : p < 0,05; t1 vs. t2; χ2 Test nach McNema
OPTimAL: Psychopathologie nach Einschätzung der Pflegekräfte Auswertung des NPI, Interventionsheim
Auswertung des NPI, Kontrollheim
Prozent 0%
20%
60%
14,3% 6,1%
54,9%
Angst
39,3%
Abweichendes motorisches Verhalten Schlafstörungen Appetit und Essstörungen
*
17,7% 8,7%
*
34,9% 23,9%
18,0% 6,4% 42,2% 38,2%
Reizbarkeit, Labilität
40%
20%
28,3% 10,0% 18,4% 36,7% 40,0%
25,0%
36,7%
Depression, Dysphorie Angst
53,7% 13,3% 15,2%
Euphorie
25,0% 25,5%
Apathie
18,3% 26,7%
Enthemmung
20,0% 27,5%
Reizbarkeit, Labilität
18,3% 28,6% 30,0% 35,4%
Abweichendes motorisches Verhalten
13,0% 41,7% 28,3%
*
40,3% 32,7% 01.08.2006
Schlafstörungen Appetit und Essstörungen
01.02.2007
60%
15,0%
Erregung, Aggression
55,1% 50,0%
Depression, Dysphorie
Enthemmung
0%
Halluzinationen 50,8% 47,3%
Apathie
100%
Wahnvorstellungen
Erregung, Aggression
Euphorie
80%
25,8% 20,8%
Wahnvorstellungen Halluzinationen
40%
Prozent
21,7% 22,2% 15,0% 28,3% 01.08.2006
01.02.2007
80%
100%
OPTimAL: Fazit
Verbesserung der Psychopharmakaversorgung im Altenpflegeheim in Teilbereichen der medizinischen und rechtlichen Anforderungen
Signifikant weniger Hinweise für inadäquate Psychopharmakaverordnung
Signifikant weniger Hinweise für potenzielle Rechtsverstöße
Reduzierung der Psychopathologie
Keine signifikante Reduzierung der Gesamtrate an Psychopharmakaverschreibungen