Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit

Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit Zur Geschichte der SPD in Hohenlimburg Dr. Wilhelm Bleicher Winfried Törnig unterstützt von Jochen Alius Hohenli...
Author: Marcus Schmidt
22 downloads 0 Views 326KB Size
Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit Zur Geschichte der SPD in Hohenlimburg

Dr. Wilhelm Bleicher Winfried Törnig unterstützt von Jochen Alius

Hohenlimburg, März 2013

Inhaltsverzeichnis

1.

Der große Rahmen

2.

Demokratische Anfänge in Hohenlimburg

3.

Die ADAV-Zeit

4.

Erstarken trotz Anfeindung und Verfolgung

5.

Die ersten turbulenten Jahre der Weimarer Republik

6.

Gewaltsame Auseinandersetzungen

7.

Die ersten Aufbaujahre nach 1945

8.

Die Ära Paul Knapp

9.

Der erfolgreiche Ortsverein

10. Neuer Aufschwung

Die Geschichte ist ein Kampf mit der Natur, mit dem Elende, der Unwissenheit, der Armut, der Machtlosigkeit und somit der Unfreiheit aller Art. Die fortschreitende Besiegung dieser Machtlosigkeit – das ist die Entwicklung der Freiheit.

Ferdinand Lassalle (1825 -1864)

1. Der große Rahmen Die Geschichte der im Jahr 2013 schon 150 Jahre alten SPD ist in ihren Teilen gleichermaßen spannend und ereignisreich, auf dem langen Wege voller Höhen, aber auch Tiefen betrachtet, eben ein inhaltsschweres Stück Geschichte. Inmitten des breiten Stromes der deutschen Geschichte bildet der auch programmatisch

sich

ständig

verändernde

Lauf1

der

SPD-Geschichte

insbesondere die Bewegung fortschreitender Emanzipation des 4. Standes ab, dabei auch insgesamt den Kampf um Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit. 2 Im Godesberger Programm, das sich 1959 am schärfsten von einer marxistischen Geschichts- und Staatsauffassung absetzte, heißt es zum Problem von Freiheit und Gleichheit, die nur in einem demokratischen Staat bei einer sozialen Marktwirtschaft optimal zu verwirklichen sind: „Freiheit und Gerechtigkeit bedingen einander. Denn die Würde des Menschen liegt im Anspruch auf Selbstverantwortung ebenso wie in der Anerkennung des Rechts aller Mitmenschen, ihre Persönlichkeit zu entwickeln und an der Gestaltung der Gesellschaft nach ihren Fähigkeiten mitzuwirken.“ Es ist nicht unsere Absicht, die große Geschichte der Sozialdemokratie in Deutschland wiederholend darzustellen. Dazu reichen uns weder Raum noch Zeit. Aber im Blick auf die Geschichte des Ortsvereins ist es doch hilfreich, zu Beginn den großen Horizont als Rahmen sichtbar zu machen. Wir rufen also jene Bewegung durch die Jahrzehnte, die „nicht bloßen Augenblicksinteressen dient“, 3 mit diesen Fakten in Erinnerung: 1. 15 Jahre nach dem Kommunistischen Manifest (1848) und den demokratischen Erhebungen ruft der Hegelschüler Ferdinand Lassalle (1864) am 23. Mai 1863 in Leipzig den „Allgemeinen Deutschen _________________________________________________________________ 1. 1875 Gothaer Programm, 1891 Erfurter Programm, 1921 Görlitzer Programm, 1925 Heidelberger Programm, 1952 Dortmunder Aktionsprogramm, 1959 Godesberger Programm, 1989 Berliner Programm, 2007 Hamburger Programm 2. Im Erfurter Programm heißt es beispielsweise: Die SPD „bekämpft nicht bloß die Ausbeutung und Unterdrückung der Lohnarbeiter, sondern jede Art der Ausbeutung und Unterdrückung, sie richte sich gegen eine Klasse, eine Partei, ein Geschlecht oder eine Rasse.“ Oder ein sehr aktueller Satz in Anbetracht von Versuchen, Trinkwasser zu privatisieren: “Gemeineigentum ist die legitime Form der öffentlichen Kontrolle, auf die kein moderner Staat verzichtet. Sie dient der Bewahrung der Freiheit. Das zentrale Problem heißt heute: wirtschaftliche Macht. Wo mit anderen Mitteln eine gesunde Ordnung der wirtschaftlichen

Machtverhältnisse nicht gewährleistet werden kann, ist Gemeineigentum zweckmäßig und notwendig.“ Die heutigen Probleme scheinen zu zeigen, dass es besser wäre, Energieversorgung, Post (inklusive Telekommunikation) und Bahn in öffentlicher Kontrolle zu halten. 3. Zitat Willi Eichler, a. a. O. S.7

Arbeiterverein“ (ADAV) ins Leben. 2. Auf Initiative von August Bebel und Wilhelm Liebknecht wird in der Zeit vom 7. – 9. August 1869 in Eisenach die „Sozialdemokratische Arbeiterpartei“ (SDAP) gegründet. 3. Dank der Programmarbeit von Wilhelm Liebknecht gelingt auf dem Parteitag in Gotha (22. – 27. Mai 1875) die Gründung der „Sozialistischen

Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) 4.

4. Der oft dornige Weg, der nach dem Parteitag in Halle (1890) in SPD umbenannten, 1878 verbotenen SAP führte durch die „Prozesse der Industrialisierung vom Frühkapitalismus zum Hochkapitalismus und zum , vom Absolutismus zum allgemeinen Wahlrecht in der Republik, von der Einigung Deutschlands unter Bismarck und dessen antisozialistischer Gesetzgebung bis zum Zusammenbruch des Kaiserreichs, von der Entstehung der Weimarer Republik und ihrer freiheitlichen Verfassung und deren Untergang im totalen Machtrausch des Hitler-Regimes bis zur Entstehung der Bundesrepublik“.5 Es schließen sich an: der Weg aus der Opposition von Kurt Schumacher (1952) bis zu Willy Brandt (1970 neue Ostpolitik) oder die Zeit der gesamtdeutschen SPD (ab 1990) von Gerhard Schröder bis Peer Steinbrück.

2. Demokratische Anfänge in Hohenlimburg Lange Zeit ist das Schicksal der Menschen in Limburg 6, der ehemaligen Residenzstadt der Grafen von Bentheim-Tecklenburg, patriarchalisch gelenkt worden. Auch als in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus den Gewerbebetrieben

im

Nahmer-,

Wesselbach-

„Klosterkamp“7 wie im „Langenkamp“8

und

Hasselbachtal,

und Böckwaagbereich9

im

die Industrie

erwuchs, wurde die kleine Stadt von den „Vätern“, den Industriellen, geleitet. _________________________________________________________________ 4. Die Lassalleaner und Eisenacher vereinigen sich und verabschieden das „Gothaer Programm“. 5. vergl. Willi Eichler a.a.O. S. 7 f. 6. Erst 1879 nach dem Namen des Schlosses in „Hohenlimburg“ umbenannt. 7. Mühle wird Nettmanns Textilbetrieb.

8. Drahtrolle wird Puddelwerk (Stahlbasis) von Böing, Röhr und Sefsky. 9. Sundernrolle bekommt Nachbarschaft der Ribbertschen Textilfabrik.

Noch bis ins 20. Jahrhundert lenkten die Vertreter des Bürgertums bzw. der Firmeninhaber10 die Geschicke der langsam wachsenden Stadt. – Die demokratischen

Ideen

verbreiten

Hohenlimburger Bildungsbürgertum.

sich

historisch

Das lehrt die

sichtbar Geschichte

zuerst

im

der 48er

Revolution.11. Diese Leute lasen Zeitung12, waren z. T. organisiert im Literarischen bzw. Historischen Verein für die Grafschaft Mark, der im „Bentheimer Hof“ tagte und genossen nach der Epoche der Karlsbader Beschlüsse, die für Preußen mit dem 18.10.1819 in Kraft getreten waren, die über Elberfeld aus dem Rheinland einsickernden „Intelligenzblätter“ oder den „Öffentlichen Anzeiger für die Grafschaft Limburg“ (ab 1836) bzw. das „Iserlohner Wochenblatt“ (Baedeker, Julius Theodor) oder den „Beobachter an der Lenne“ (Limburg, 1848 Heinr. v. Gerfsom) bzw. den Altenaer „Volksboten“ (1848 C.W.Tölcke). Neben den zwei Bürgerwehren in Limburg und Elsey13 hatten sich 1848 zwei demokratische Vereine in Limburg gegründet, nämlich a) der konstitutionelle, dessen erster Vorstand der Amtmann Dresel war, mit den Mitgliedern Kand. Ludwig Polscher, Assessor Lennich, Justizkommissar Selckinghaus, Aktuar Buschkötter, Moritz Pothmann Carl Wiethaus u. a. m. b) der demokratische Verein, angeführt vom Arzt Dr. Wilhelm Köppern. Bekannte Mitglieder waren Landrichter Wiethaus, Jacob Herzberg, Diedr. Holzberg und der Drahtproduzent Karl Hüsecken aus der Nahmer. Diese Honoratioren waren allerdings alle preußisch gesinnt, wollten der „deutschen Sache“ dienen, waren Vertreter einer konstitutionellen Monarchie. Sie empörten sich zwar gewaltig, als Friedr. Wilhelm IV. die Frankfurter Paulskirchenverfassung mit „Bürgerkrone“ ablehnte, marschierten auch in Scharen nach Hagen und Iserlohn, um gegen die ungesetzliche Mobilisierung der _________________________________________________________________ 10. Die Boecker, Haver, Böing, Möller, Holtschmidt, Polscher, Volkenborn, Wälzholz, Hüsecken, Röhr etc. 11. Vgl. Bleicher, Wilhelm: Die Geburt der Demokratie durch Reden, in: Hohenlimburger Heimatblätter, 41. Jg. 1980, H.5, S. 104 – 106 oder Hundt, Herbert O.: Das Pressewesen im märkischen Sauerland, Plettenberg 1935 12. Der „Hermann“ (Hagen) oder Mallinckrodts „Dortmunder Anzeiger“ stammten noch aus den Anfängen des 19. Jahrhunderts. 13. Die Limburger wurden vom Kaufmann Dietzsch geleitet, die Elseyer von RAW Selckinghaus. Man exerzierte fleißig und hatte sogar am 18. August in Hagen teilgenommen an dem Empfang des preuß. Königs.

Vgl. auch Andreas Zolper: „Die Aufregung steigt von Stunde zu Stunde“, Hagen 1999. Die Limburger Bürgerwehr wurde am 26.3.1848, die Elseyer etwa am 11.6.1948 gegründet.

Landwehr zu protestieren, und plädierten für die Absetzung des „verräterischen“ Ministeriums „Brandenburg-Manteuffel“, aber blieben trotz allem königstreu. Beim Iserlohner Zeughausaufstand gegen die Einkleidung der Landwehr marschierte zwar eine starke Hagener Abordnung unter Carl Post, Caspar Butz und Caspar Riepe nach Iserlohn, verschwand jedoch schnell über Oestrich, als das Militär anrückte. Auch die Limburger Demokraten, die Waffen, Pulver und vier Schlosskanonen nach Iserlohn geliefert hatten, einen Sicherheitsausschuss gegründet (11.5.) und im „Bentheimer Hof“ eine Hauptwache eingerichtet hatten, waren zwar zu 30 Leuten mit Musik und unter Führung des Nahmeraner Drahtziehers Carl Hüsecken, der eine deutsche Fahne trug, nach Iserlohn marschiert, kamen aber bald wieder zurück. Nur der Limburger Polizeidiener Wilhelm Junkel blieb, wurde in den Iserlohner Sicherheitsausschuss gewählt und am 17. Mai, am „blutigen Himmelfahrtstag“, vom preußischen Militär beim Barrikadensturm erschossen. Während in Hohenlimburg also die Bürgerlichen (der 3. Stand) wie z.B. auch der Kaufmann Wilhelm Böing aus der Nahmer14 oder der Inhaber des von H.D. Piepenstock in Oege gegründeten Walzwerks, sein Schwager Carl Dietzsch, die Emanzipation des 3. Standes vorantrieben, waren in der alten Bergbaustadt Iserlohn seit vielen Jahren auch die Arbeiter in der Draht- und Nadelindustrie z.B. politisiert und nicht erst beim Sturm auf das Zeughaus. Bereits am 2.11.1840 ist von einem ersten „wilden Streik“ um gerechte Entlohnung (vor allem für Frauen) 15 bei der renommierten Firma „Heinrich Schmidt Söhne“ die Rede. Die Lage der Hohenlimburger Arbeiter war sicher nicht viel rosiger, wenn sie auch ruhig blieben. Aber sie bewohnten in der Regel noch ihren kleinen Kotten (Fachwerkhaus), hielten Kleinvieh, besaßen den obligatorischen Obst- und Gemüsegarten oder wohnten zu vielen Personen in wenigen kleinen Räumen zur Miete, arbeiteten oft 16 Stunden pro Tag, 6 - 7 Tage in der Woche, für einen Hungerlohn und hatten weder Mitbestimmungsrechte noch Schutz vor Krankheit, Invalidität und Altersnot.

________________________________________________________________ 14. Der Vater des Auswanderers Wilhelm Böing jun., dessen Sohn wiederum die Böing-

Flugzeugwerke in den USA gründete, Wilhelm Böing sen., war Aktionär im Hohenlimburger Fabrik- und Hüttenverein (Stahl- u.Walzwerke), der sich damals noch Böing, Röhr & Sefsky nannte (Lage im Langenkamp). 15. Es gab noch die klassische Frauen- und Kinderarbeit bei Lohndumping.

3. Die ADAV - Zeit Ab 1849 blickten die Hohenlimburger Arbeiter mit besonderem Interesse nach Iserlohn und als nach der preußischen Gewerbeordnung vom 17.1.1845 und im Gebiet des Handwerks das Gewerberecht am 21. 6. 1869 erneut festgelegt bzw. verkündet wurde, war mit dem § 153 die Koalitionsfreiheit endlich erreicht. Nun standen die Zusammenschlüsse der Arbeiter nicht mehr unter Strafe. In Bildungsvereinen und in Gewerkvereinen konnten sich die Arbeiter jetzt auch in Hohenlimburg zusammentun. Zwischen 1865 und 1870 fanden die ersten noch informellen Diskussionsrunden statt. Und wieder kam ein starker Impuls von einem ausgesprochenen Lassalleaner aus Iserlohn nach Hohenlimburg.16 Als Vater der heimischen Arbeitervereine ist der aus Eslohe im Sauerland stammende, eine Zeitlang auch in Iserlohn lebende Carl Wilhelm Tölcke (31.5.1817 – 30.11.1893) zu nennen, ein Agitator reinster Prägung. In der von ihm seit dem 30.8.1848 herausgegebenen Zeitschrift „Volksbote“ (Wochenblatt für den Kreis Altena) trat er für eine konstitutionelle Monarchie ein, was ihn in die Nähe von Ferdinand Lassalle und zum Beitritt in dessen ADAV (Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein) führte. Trotz wiederholter Verbote und Festnahmen agitierte Tölcke in ganz Westfalen. So erlangte er einen hohen Bekanntheitsgrad und gewann für den ADAV zahlreiche Mitglieder. Durch diese sozialistische Tradition der Iserlohner und Altenaer Demokraten,17 aber auch durch die ADAVbzw. Lassalle-Gruppen in Bielefeld, Hamm wie in Elberfeld und Hagen trugen Tölcke, Hillmann aus Elberfeld und andere wie Karl Brändgen entscheidend dazu bei, den Charakter der späteren SPD zu bestimmen. Pfingsten1865 begeisterte Tölcke auf einem ersten offiziellen Treffen der frühen Sozialdemokraten in Hagen (1.800 Besucher) mit seinen Forderungen a. der Gleichheit aller vor dem Gesetz b. der Gründung von Produktivassoziationen für Arbeiter und z.B. c. der Forderung eines allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechts18. ________________________________________________________________ 16. Man bedenke, dass damals Iserlohn die zuständige Kreisstadt für Hohenlimburg war. 17. Bei der Iserlohner Erhebung 1849 hatte sich Tölcke, wie A. Herzig (a.a.O.1971) bezeugt, durchaus in taktischer Zurückhaltung geübt und keine Mitstreiter aus Altena nach Iserlohn entsandt.

18.Tölcke stand durchaus nicht auf dem Boden marxistischer Geschichtsphilosophie. Ihm wie Hasenclever ist es sicherlich zu verdanken, wenn das marxistische Ideengut bis etwa 1900 in Westfalen kaum Fuß fassen konnte und die Zentrale der frühen sozialdemokratischen Bewegung bis 1875 etwa im bergisch-märkischen Industriegebiet lag. (vgl. Herzig a.a.O. 1971 S. 144).

Tölckes Agitation erreichte natürlich dort auch Hohenlimburger Zuhörer und später Hohenlimburg selbst. Dort hatte sich in den alten Industrietälern wie im Wesselbach- und Nahmertal, aber auch an der Lenne eine beachtliche klein- und mittelständische Industrie etabliert. In den Jahren 1846 und 1858 liefen die ersten Dampfmaschinen auf der „Friedrich-Wilhelm-Hütte“ im Hasselbachtal wie bei der Firma Friedrich Boecker Philipps Sohn im Nahmertal. Tölcke, der in Iserlohn ab 1851 als Händler, Winkelschriftsteller und ADAVPolitiker lebte, kandidierte in etlichen Wahlkreisen, konnte jedoch auch 1874 für den Reichstag in Berlin keinen Erfolg erringen. Aber er war am Sonntag, dem 1.2.1874, in Hohenlimburg gewesen und hatte auf einer ersten Wahlversammlung vor Arbeitern in der Gaststätte Meyer im Mühlendorf (heute Klosterkamp nördl. des Hallenbades) gesprochen. Er begeisterte die Arbeiter für den Beitritt zum ADAV, und wenn sich auch spontan am 1.2. nur 4 Leute meldeten, so kam Tölcke doch schon eine Woche später wieder in den Saal von C.D. Meyer, wo er die Kenntnisse über den ADAV vertiefte, neue Mitglieder warb und einen Bevollmächtigten des VereinsPräsidenten, einen Kassierer und drei Revisoren vorschlug. Nach Abstimmung über ein Vereinslokal brachte Tölcke am 3. Sonntag (15.2.1874) den Verein nach Beitritt neuer Mitglieder auch organisatorisch auf den Weg. So dürfte das Jahr 1974 mit der Bildung einer ADAV-Ortsgruppe am 15. Februar die „Geburtsstunde“ der SPD in Hohenlimburg sein. Diese ersten Sozialdemokraten (Lassalleaner)hatten es durchaus nicht leicht. Waren sie doch von Aussperrung, Polizeiverfolgung, Ablehnung durch den Klerus, später vom Sozialistengesetz (Geltung: 1878 – 1890), ständig bedroht. Trotz

dieser

Verfolgungen

war

Tölcke

bestrebt,

ab

1874

die

Vereinigungsverhandlungen zwischen dem ADAV und der 1869 entstandenen SDAP (Sozialdemokratische Arbeiterpartei Deutschlands) zu fördern. Die Programmarbeit für den Einigungskongress leistete Wilhelm Liebknecht (1826 – 1900), der Mitstreiter August Bebels (1840 – 1913) und Redaktionsleiter des „Vorwärts“. So entstand dann in Gotha 1875 aus ADAV und SDAP die SAP (Sozialistische Arbeiterpartei), die sich 1890 in „Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)

umbenannte.

4. Erstarken trotz Anfeindung und Verfolgung Es zeigte sich, dass trotz des Bismarckschen Gesetzes „gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ (1878 – 1890) die SAP 1890 bei den Reichstagswahlen 1,4 Mill. Stimmen (gegenüber 500.000 im Jahr 1877) erhielt. Sie war damit nach den Wählerstimmen die stärkste Partei geworden. Während der Verbotszeit sozialdemokratischer Organisationen und Betätigungen fand sich die heimische Arbeiterschaft in Sport- und Musik- bzw. Gesangvereinen zusammen. 1906 konnte erstmals ein heimischer Wahlkreis (Altena/Lüdenscheid) von einem Sozialdemokraten in direkter Wahl gewonnen werden. In Hohenlimburg ist ein Mann an der Förderung des demokratisch-sozialen Gedankenguts beteiligt, der zwar erst in der Revolutionszeit 1918/1919 der SPD beitritt, aber Jahrzehnte zuvor in der von seinem Vater 1869 gegründeten Zeitung „Der Gemeinnützige“ die Linie publizistisch mit vertrat. Es war der von den Nazis 1933 aus dem Parlament und Eigentum gedrängte hochgeachtete Redakteur Adolf Grünrock (1870 – 1934). Er gründete 1890 den „Drahtweberverein“, die erste

organisierte

„Hohenlimburger

Gewerkschaft

in

Hohenlimburg,

Industriearbeiterverein“,

die

dann breite

1898

den

eigentliche

Gewerkschaftsbewegung, die sich weit über Altena, Lüdenscheid, Iserlohn, Schwerte oder Werdohl und Hagen ausbreitet und bei Streiks sichtbare Erfolge erringt. In Hohenlimburg wird die Gruppe vom späteren SPD-Bürgermeister Heinrich

Lindenberg

geführt.

1903,

nach

dem

großen

Iserlohner

Nadelarbeiterstreik, schließen sich diese heimischen Industriearbeitervereine, für die Adolf Grünrock seit 1902 schon die Zeitung „Der Industriearbeiter“ gedruckt hatte, dem Deutschen Metallarbeiterverband (DMV) an, der bis 1933 existiert, um nach 1945 in der „IG Metall“ wieder zu entstehen. So ist am Beispiel der Hohenlimburger Gewerkschaften19 zu sehen, aber auch am Beispiel der Arbeiterwohlfahrt20 oder des Hohenlimburger Bauvereins21, was SPD-Männer geleistet haben. Die Adolf Grünrock am 2.6.1930 aus Dankbarkeit von allen

19. Vgl. Heinz Wedekämpers Aufsatz „Gewerkschaften in Hohenlimburg“, in W. Bleicher, 750 Jahre Hohenlimburg; H´lbg 1979, S. 324 – 328 20. Vgl. Manfred Ihne,: Der Ortsverein der Arbeiterwohlfahrt in Hohenlimburg, in W. Bleicher, 750

Jahre Hohenlimburg; H´lbg 1979, S. 322 – 323. 21. Vgl. die Geschäftsführer Heiner Völkel, Hermann Marks und Friedhelm Krug oder die Aufsichtsratsvorsitzenden Hugo Sooth, Dieter Eich und Fritz Pütter, vom Gründer und Gewerkschafter Georg Scheer ganz zu schweigen.

Stadtvertretern einstimmig verliehene „Stadtplakette“ bestätigt das hohe Ansehen dieses SPD-Mannes. 1910

gelingt

es

dem

Gewerkschafter

Heinrich

Lindenberg

als

erstem

Stadtverordneten der SPD ins alte Hohenlimburger Parlament einzuziehen. Kurz darauf folgt ihm der Fotograf (Im Klosterkamp) Wilhelm Höppe. Die Ergebnisse der SPD bis 1918 erfolgten dann bekanntlich alle noch im Zeichen des Dreiklassenwahlrechts, sodass die Abgeordneten immer noch in der Minderheit blieben. Die im damaligen Deutschland herrschenden Parteien schlitterten dank schlechter Politik und unglücklicher Bündnissysteme bekanntlich in den ersten Weltkrieg.

Obgleich

sich

die

Sozialdemokratie

immer

für

internationale

Verständigung und Frieden eingesetzt hatte, erwiesen sich die Verhältnisse und Konstellationen,

nicht

zuletzt

„Säbelrasseln“

und

„Großmachtallüren“

(Flottenpolitik) als stärker. Das führte 1914 bei Kriegsbeginn innerhalb der SPD zu einer Zerreißprobe. Während die Mehrheit für einen vom Kaiser proklamierten „Burgfrieden“ (Zustimmung zu den Kriegsanleihen usw.) plädierte, spaltete sich 1917 ein linker Flügel zur USP (Unabhängige Sozialdemokraten) ab. In der Zeit des Ersten Weltkrieges 1914 – 1918 standen viele Hohenlimburger Sozialdemokraten im Felde. So war eine effektive politische Arbeit nicht gut leistbar. Es gab andere Sorgen! Eine große Anzahl von Mitgliedern kehrte aus dem Krieg nicht zurück.22 Mit dem Ausbruch der Revolution 1918 ist auch die Hohenlimburger SPD in die beiden allerdings gut kooperierenden Teile MSP und USP gespalten. (Ein Teil der USP geht dann am 16.10.1920 in die KPD über).

5. Die ersten turbulenten Jahre der Weimarer Republik „Das Morsche – das Alte – das Kaiserreich ist zusammengebrochen, es lebe das Neue, es lebe die Deutsche Republik!“, so ruft der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann am 9. November 1918 in Berlin von einem Fenster des Reichstagsgebäudes die „Deutsche Republik“ aus. Diese Worte erreichen auch die Hohenlimburger Sozialdemokraten, die in der Zeit des Umsturzes einen Arbeiter- und Soldatenrat gebildet hatten, der die Herrschaft im Rathaus für eine Übergangszeit bis zu den nächsten Wahlen an sich gezogen

22. Hohenlimburg hatte mindestens 400 tote Soldaten zu beklagen.

hatte. Natürlich wurde intern die berühmte Frage „Demokratie oder Rätesystem“ diskutiert, nachdem Karl Liebknecht als Führer des Spartakusbundes im Lustgarten vor dem Berliner Schloss die „freie sozialistische Republik“ propagiert hatte.23 Wie die SPD – Genossen im Lande entschieden sich die Hohenlimburger Sozialdemokraten für die parlamentarische Demokratie. Errungenschaften wie das

allgemeine,

gleiche

und

geheime

Wahlrecht,

der

Achtstundentag,

Arbeitschutzbestimmungen, Tarifverträge und Erwerbslosenunterstützung, für die man im Königreich Preußen wie im Dt. Kaiserreich jahrzehntelang gekämpft hatte,

waren

einzuführen

Mangelernährung,

und

zu

verteidigen.

Krankheitsepidemien)

und

die

Das

Kinderelend

allgemeine

(Tbc,

Hungersnot

verlangten ganz konkrete Maßnahmen: Gründung eines Wohlfahrtsamtes wie eines städt. Lebensmittelsausschusses. Das Kinderelend im ehemaligen Reich war

sprichwörtlich.

Milchversorung,24

Quäkerspeisung,

Probleme

der

Lebensmittelkarten waren an der Tagesordnung, dazu musste bald zur Gesundung und Versorgung der Kinder ein Kinderheim auf dem Piepenbrink (sog. Walderholungsstätte) eingerichtet werden. Das Jahr 1919 ist für die Hohenlimburger SPD ein besonderes Jahr, denn mit dem 1. Januar wurde aus der bisherigen lockeren SPD-Vereinigung eine echte Ortsgruppe im Sinne einer juristischen Körperschaft. Durch Einreichung entsprechender Dokumente beim Vereinsregister (Gericht) im Jahre 1918 war die Ortsgruppe rechtzeitig vor der Verfassung gebenden Reichstagswahl bzw. Nationalversammlung am 10. Januar als Partei-Verein registriert. Aus Anlass der Berichte über die großen Parteiwahlversammlungen bei Ostheide (Elsey) und in der „Gambrinushalle“ (ca. 1000 Zuhörer) schrieb „Der Gemeinnützige“ nun den Namen als „Sozialdemokratischer Parteiverein“. Vorsitzender dieser „alten SPD“ war der Gewerkschaftssekretär Heinrich Lindenberg. In Hohenlimburg erhielt die SPD bei den Reichstagswahlen die überragende Mehrheit der Stimmen (2366), die USP 662, die DDP/DVP 276, die DNVP 1227 und das Zentrum 812 Stimmen. Kurz zuvor hatte Wilhelm Höppe noch eine eigene Ortsgruppenfahne und einen entsprechenden Tischwimpel angeschafft. Beide Symbole haben die Hitlerzeit überdauert und existieren noch heute. 23. und zwar nur 2 Stunden später als Scheidemann die demokratische Republik ausgerufen hatte. Vgl. hierzu auch: Walter Tormin „Die Weimarer Republik“, a. a. O. S 82 f.

24. Es gab 1921 sogar ein Milchamt bzw. Milchausschuss; damals wurde auch das Kinderheim Norderney des Kreises Iserlohn erworben. 1921 kamen noch die Kohleunterversorgung wie die starke Wohnungsnot hinzu.

Der Gewerkschafter Heinrich Lindenberg übernahm den Vorsitz des neuen Ortsvereins und das neue SPD-Mitglied Adolf Grünrock – Verleger und Redakteur der demokratischen, unabhängigen, dennoch der SPD nahestehenden Zeitung „Der Gemeinnützige“ – wird sein Stellvertreter. Eine Straße in der Hohenlimburger Innenstadt trägt heute seinen Namen.25 Da im Deutschen Reich die Frauen nun auch politisch gleichberechtigt waren (z.B. Wahlrecht), kommt es auch in Hohenlimburg zur Gründung einer Frauengruppe. Eine markante Persönlichkeit der damaligen Hohenlimburger Sozialdemokratie war der 1891 in Hohenlimburg geborene Ernst Höppe, damals noch Lagerarbeiter und Kassierer bei der Gewerkschaft. 1919 zog er als Stadtverordneter in den Rat der Stadt Hohenlimburg ein; gleichzeitig fungierte er als Kreistagsabgeordneter im Landkreis Iserlohn, saß in einigen der Ausschüsse und rückte 1924 in die Vertreterversammlung der Landesversicherungsanstalt Westfalen ein. Natürlich waren die meisten alten SPD/USP - Leute auch eingeschriebene Mitglieder der gewerkschaftlichen

Konsumgenossenschaft.

Ernst

Höppe

gehörte

zum

Hohenlimburger Vorstand.26 Leider

sollten

politische

und

wirtschaftliche

Krisen,

Volksverhetzung

(Dochstoßlegende)27 und die Kampfansagen der ultralinken wie der extremen rechten Kräfte das Leben in der jungen Republik wie ihr Existieren nicht gerade leicht machen. Da die Menschen mehrheitlich nicht zur Demokratie erzogen waren und der verlorene Krieg mit seinen Konsequenzen die Existenz von Tausenden noch weiterhin bedrohte, gab es nirgends viel Ruhe. Das sollte sich bald auch in Hohenlimburg zeigen. Als 1920 auf Drängen der siegreichen Alliierten die Heeresstärke erheblich reduziert werden sollte28 (100.000 Mann-Heer), widersetzten sich einige Kommandeure und begannen mit ihren Truppen (z.B. Marinebrigade Erhardt) einen Marsch auf Berlin, der in der Besetzung des Regierungsviertels mündete. Da die Reichswehr unter Generaloberst Hans v. Seeckt (1866 – 1936) nicht eingriff 25. Hinsichtlich der Leistung A. Grünrocks vgl. den Artikel von W. Bleicher a.a.O. 26. Hier soll wenigsten einmal auf die Notwendigkeit verwiesen werden, die Geschichte des Hohenlimburger Konsums mit seinen Filialen (z.B. Freiheitsstr., Möllerstr., nach 1945 auch etliche Jahre in der Nahmer) zu schreiben. Zwei Namen von Filialleitern, nämlich Otto Schwitanski (1890 – 1978) und Franz Hippel (Elsey), sind noch in Erinnerung. Otto

Schwitanski, der Leiter des Konsums „Vorwärts“, saß mit Wilhelm Schallbruch und Ernst Höppe zusammen als USP-Stadtverordneter im Parlament. 27. Vgl. Ruhrbesetzung, Reparationen, Weltwirtschaftskrise, „Schwarzer Freitag“ etc. 28. Vgl. Walter Tormin, a. a. O. 1973, Krise und Selbstbehauptung der Republik (S. 89 – 113).

bzw. sich abwartend verhielt, konnte der Generallandschaftsdirektor Dr. Wolfgang Kapp sich zum Reichskanzler und preußischen Ministerpräsidenten hochputschen und mit Unterstützung der Soldaten des Generals der Infanterie Freiherr von Lüttwitz, der sich als Reichswehrminister aufschwang, die demokratisch gewählte Regierung G. Bauer (SPD) mit dem Reichspräsidenten Fr. Ebert und Reichswehrminister Noske zum Ausweichen nach Dresden (später Stuttgart) zwingen. Dieser Militärputsch ist als Kapp-Putsch in die Geschichte eingegangen. Der Putsch am 12./13. März 1920 brach jedoch schon am Nachmittag des 17. März zusammen, da die Bürokratie sich loyal verhielt, die meisten Parteien abgeneigt waren und die Arbeiter mit einem Generalstreik jede reaktionäre Tätigkeit im Lande verhinderten. Auch die Hohenlimburger Arbeiterschaft folgte dem Aufruf, fürchtete man doch um die

Errungenschaften

„Gambrinushalle“

der

(später

Lohmannstraße/Bahnstraße

Republik.29

In

einer

Zentraltheater/Kino) einberufenen

am

an

allgemeinen

14.3.1920

der

heutigen

in

der Ecke

Arbeiterversammlung

wurde die Errichtung einer zentralen Streikleitung und die Aufstellung einer Sicherheitswehr beschlossen. Es sprachen nacheinander die Genossen Scheer, Nöllenburg, Lindenberg, W. Klein und E. Höppe. Während USP-Mann Ewald Bleicher sen. beauftragt wurde, die Polizeiwache zu besetzen und den Streik in den Betrieben mit Hilfe der „Sicherheitswehr“ der Arbeiter – z.B. Wilhelm Nöllenburg, Emil und Willi Kreft, Fritz Möller, Willi und Karl Gutmann, Rudolf Finkensiep etc. – die Einstellung der Produktion zu überwachen, bildeten die Genossen Scheer, Klein und Lindenberg die Zentrale Streikleitung. Am Dienstagmorgen, 16.3., wurde noch eigens ein Aktionsausschuss, d.h. Arbeiterrat, gebildet. Am Donnerstag, 18. März, hatten die Arbeiter auf der ganzen Linie gesiegt und die Arbeit in den Betrieben konnte wieder aufgenommen werden. Am Geschehen außerhalb Hohenlimburgs war seit dem 15. März eine bewaffnete Arbeiter-Truppe beteiligt, die in Wetter und dann auch in Herdecke dabei war, wo die Abteilung des Freikorps Lichtschlag (im Volksmund Freikorps „Totschlag“) aufgerieben bzw. zur Kapitulation gezwungen wurde. Für eine Oeger Familie hatte das Gefecht bei Herdecke traurige Folgen; der Arbeiter Ernst Leck war bei den 29. Zu denen nicht zuletzt der Artikel 165 der Weimarer Verfassung (gleichberechtigte Partnerschaft bei Verhandlungen über Lohn- und Arbeitsbedingungen) gehörte sowie der Artikel

157. Bekanntlich war seit dem Kongress der freien Gewerkschaften von 1919 der ADGB gegründet worden.

Schießereien so schwer verletzt worden, dass er in einem Hagener Krankenhaus verstarb. Die Beisetzung auf dem katholischen Friedhof am Krahenbrink am 21.3. gestaltete sich zu einer politischen Demonstration mit Tausenden von Menschen und einem Meer von roten Fahnen. Weitere Hagener Tote sind dort auf dem Rembergfriedhof begraben.30 Dort wurde zum Gedenken an die Märzgefallenen 1921 ein Ehrenmal errichtet (im Volksmund „SPD-Denkmal“). Karl Legien, der Vorsitzende der freien Gewerkschaften (ADGB), hatte am 20. März die Aufhebung des Generalstreiks verkündet und in Hohenlimburg löste sich am 9. April der „Vollzugsausschuss“ bzw. Arbeiterrat als letztes zentrales Arbeitergremium auf. Die sog. „rote Armee“ war nun auch in Essen, Dortmund, Remscheid und Barmen geschlagen bzw. vertrieben. Als eine Folge des Ersten Weltkrieges wurde Deutschland 1923 von einer totalen Geldentwertung erschüttert, die als Schreckgespenst „Inflation“ bis in unsere Tage hinein nachwirkt. Der „kleine Mann“ zahlte wieder einmal die Zeche. Fürsorgliche Betriebe und Städte (z.B. Hoesch u. die Stadt Hohenlimburg) ließen für ihre Leute Notgeld herstellen, weil die 300 Gelddruckereien im damaligen Deutschen Reich das Geld der Reichsbank gar nicht so schnell drucken bzw. an den „Mann“ bringen konnten, wie es auf dem Wege zu den Lohn- und Gehaltsempfängern an Kaufkraft verlor. Während also den kleinen Rentnern und Sparern das Geld bzw. kleine Vermögen vernichtet wurde, brachten andererseits manche Konzerngründer wie Stinnes, Thyssen, Krupp etc. große Imperien zusammen. Schließlich im November 1923 wurde die Mark als „Rentenmark“ neu stabilisiert. Die „kleinen Leute“, aber auch mancher Bürger, der auf Kriegsanleihen spekuliert hatte, waren verarmt.

6. Gewaltsame Auseinandersetzungen Die Jahre 1924 bis 1930 brachten für fast alle Industrieländer eine Periode politischer Beruhigung und wirtschaftlicher Stabilisierung. Der Locarnopakt, wie der Vertrag

mit

der

Sowjetunion

hieß,

die

Aufnahme

in

den

Völkerbund,

Arbeitslosenversicherung oder das System der Tarifverträge sind solche positiven Schritte in der Weimarer Republik. Die „goldenen Zwanziger“ waren ein kurzes Aufatmen, bis das Kabinett Brüning nach dem Rücktritt Hermann Müllers am 28. März 1930 die Macht übernahm und mit den Notverordnungen ab 16.7. versuchte, 30. Vgl. „Sie starben, damit wir leben“, a.a.O. S.43 – 77. Als weiterer Hohenlimburger Arbeiter starb bei den letzten Straßenkämpfen in Elberfeld Heinrich Wolf, Sohn der Wwe Wolf. Die restlichen

Hohenlimburger Kämpfer der sog. Arbeitersoldaten kehrten am 26. März von der Lippefront nach Hause zurück.

die diversen Finanzprobleme der ländlichen Wirtschaft, der „Ostmark“ und der Länder und Kommunen in den Griff zu bekommen. Bei Ablehnung von Brünings Politik durch die Mehrheit im Reichstag (auch durch die SPD) folgten 1930 Neuwahlen zum Reichstag. Dabei gelang der NSDAP u.a. durch die fanatische, demagogische Propaganda Hitlers ein gewaltiger Stimmengewinn (107 Sitze im Reichstag). Jetzt beherrschten erst recht die Ultralinken und die braunen Schlägertrupps die Straßen. Parteipolitische Umzüge und Kundgebungen, heftige Debatten und Provokationen prägten das Bild der Straßen. Der Mordterror des Rechtsradikalismus zeigt sich auch in den Totschlagversen des SA-Sturmliedes. Vom SPDAbgeordneten Kurt Schumacher stammt dazu das schöne Zitat: „Wenn wir irgendetwas beim Nationalsozialismus anerkennen, dann dies, dass ihm zum ersten Male in der deutschen Politik die restlose Mobilmachung der menschlichen Dummheit gelungen ist.“ Gegenüber jener „moralischen und intellektuellen Verlumpung“ (K. Schumacher) gab es sogar eine schon längere Zeit bestehende Gegenwehr. Dennoch waren diese sozialdemokratischen Wehrverbände, die sich seinerzeit zum Kampf gegen die Kapp – Putschisten gebildet hatten und deren Mitglieder zum Handeln drängten, nicht unumstritten. Die meisten dieser Verbände bestanden erst seit kurzer Zeit und waren nur auf lokaler und regionaler Ebene ohne jedes Zutun des SPD – Parteivorstandes zusammengefasst. Um zu verhindern, dass sich die Mitglieder dieser Verbände von der SPD abwandten, entschlossen sich Otto Wels und andere maßgebliche SPDParteileute zur Flucht nach vorn. So kam es am 22.2.1924 in Magdeburg zur Gründung einer republikanischen Schutzorganisation unter dem symbolischen Namen „ Reichsbanner Schwarz Rot Gold“ durch die Sozialdemokraten Hörsing und Höltermann. Bekleidet mit grau – brauen Windjacken (damalige Bezeichnung für wetterfeste Bekleidung),

Breeches,

Wickelgamaschen

und

dunkelblauen

bzw.

grauen

Tuchmützen, vertraten ab dem 16.8.1924 republikanisch gesinnte Männer den Reichsbannergedanken auch in Hohenlimburg. Seit Ende des 19. Jahrhunderts war im Dt. Reich der Anteil von jungen Menschen stark angestiegen. Allein Mitte der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts war im Gegensatz zur heutigen Zeit mehr als die Hälfte der Bevölkerung zwischen 15 und

45 Jahre alt. Jugend verkörperte auch damals schon Dynamik, Zukunft und Opposition gegen Verkrustungen in Politik, Religion und Gesellschaft. Deshalb war und ist die Jugend bei allen politischen Parteien umworben. Das erkannte man auch bei den Hohenlimburger. Sozialdemokraten. Doch neben Arbeitslosigkeit hatte die damalige Gesellschaft der Jugend nicht viel zu bieten. Da im November 1918 alle Beschränkungen des Reichsvereinsgesetzes aufgehoben worden waren, konnten auch Jugendliche unter 18 Jahren Vereine gründen und politisch tätig werden. Schon 1919 hatte man von Seiten der Sozialdemokraten den „Verband der Arbeiterjugendvereine Deutschlands “ gegründet. Als es im September 1922 in Nürnberg zu einer Vereinigung von SPD und USPD gekommen war, vereinigten sich auch deren Jugendverbände zur so genannten SAJ (Sozialistische Arbeiterjugend). Die um 1925 gegründete SAJ-Gruppe Hlbg. (deren Mitglieder auch eine Mitgliedschaft in den freien Gewerkschaften aufweisen konnten) tagte zumeist im Gewerkschaftshaus an der Oberen Schulstraße (heute Obere Isenbergstr.). Die um 1930 aus etwa 30 aktiven Personen bestehende Gruppe traf sich besonders an den arbeitsfreien Sonntagen (damals war der Samstag noch ein voller Arbeitstag), um diesen Tag gemeinsam mit Lesen, Lernen, Diskutieren, Spielen, Musizieren oder Wochenendwandern zu verbringen. Von 1929 – 1933 führte Ewald Bleicher jun. diese Gruppe. Ein besonders guter Kontakt bestand zu den 1926 deutschlandweit organisierten Naturfreunden (1895 in Wien von dem Lehrer Georg Schmiedel, dem Schmied Alois Rohrauer und dem Studenten und späteren österreichischen SPÖBundeskanzler Karl Renner gegründet). Deren Betätigung lag besonders bei der Pflege von Natur, Volkslied, Volkstanz und Wandern. Viele Hohenlimburger SAJ Mitglieder fanden sich gegen Ende der Weimarer Republik in der Reichbannerjugend (Vortrupp genannt) wieder, um dort in Zeltlagerkursen Selbstverteidigungsstrategien zu erlernen, da es nun darum ging, sich bei Angriffen rechter und linksradikaler republikfeindlicher Schlägertrupps erfolgreich wehren zu können. Eine Untergruppe der SAJ stellte die um 1930 in Hohenlimburg organisierte spezielle Jugendgruppe der 6 – 14 Jährigen dar. Diese trugen ein blaues Hemd mit rotem Schlips und nannten sich “Die Roten Falken“. Nach 1945 führte Hugo Krollmann lange Jahre die Hlbg. Falkenjugend, die sich dann im städtischen Jugendheim an der Jahnstraße zu Heimabenden und Filmvorführungen traf. Da der Arbeiterschaft aus materiellen und sozialen Gründen der Zugang zu bürgerlichen Vereinen oftmals verwehrt war, griff man besonders beim Sport zur

Selbsthilfe. In der deutschen Arbeitersportbewegung organisierten sich deshalb am 2.5.1893 in Gera unter dem Motto: „ Frisch – frei – stark und treu“ Sportler, die aus der schaffenden Bevölkerung stammten. Doch die Arbeitersportbewegung (die sich nach 1919 Arbeiter – Turn – und Sportbund nannte) war weit mehr als nur eine Sportvereinigung, denn im engen Zusammenhang mit dem Erstarken der Sozialdemokratie

verstanden

sich

ihre

Mitglieder

als

Teil

der

Arbeiterkulturbewegung. Die in dem ATSB organisierten Vereine betrachteten sich als

eigenständige

Zusammenhalt und

politische

Kraft,

die

alle

Lebenslagen

durchdringen,

Identität stärken und durch gesündere Lebensformen einen

Ausgleich zur Fabrikarbeit schaffen sollte. Durch eine internationale Orientierung (1925 und 1931 wurden eigene Arbeiterolympiaden durchgeführt) grenzte man sich besonders gegen nationalistische Gesinnungen ab. Ansonsten unterschied man sich in der äußerlichen Form (Fahnen, Abzeichen und Auszeichnungen) nicht grundsätzlich

von

den

bürgerlichen

Vereinen.

Beneidet

wurden

die

Arbeitersportvereine jedoch um ihre Spielmannszüge. Dies traf auch für den Spielmannszug des ATSB-Sportvereins „Jahn Hohenlimburg“ zu. Nach 1945 hatte sich in der BRD die Idee des klassenspezifischen Sports mit dem Wirtschaftswunder und der anfangs nivellierenden Mittelstandsgesellschaft überlebt. Die Hohenlimburger soziale Struktur, die durch die ansässige Industrie gegeben war, stellte sich bei der Wählerschaft als eine Domäne der typischen „ Linkswähler“ dar. So fanden sich für lange Zeit schon nach 1918 50 % der Wahlberechtigten in einer der damaligen linken Parteien (SPD, USPD und KPD) wieder, wobei die SPD zumeist die Nase vorn hatte. 1928, in einer Phase, als die politische Landschaft der Republik gefestigt schien, konnte die SPD in Hohenlimburg ein grandioses Wahlergebnis von 46% einfahren. Als 1929 die Weltwirtschaftskrise ausbrach, erfolgte ein Niedergang der Hohenlimburger SPD, die in der Novemberwahl 1932 mit 24 % ihr schlechtestes Wahlergebnis erreichte, um 1933 bei der letzten halbwegs freien Reichstagswahl wieder etwas zuzulegen. Die Weltwirtschaftskrise mit über 6 Mio. Arbeitslosen im Dt. Reich spülte der Splitterpartei NSDAP von 1,7% 1928 (eine 5%-Klausel gab es noch nicht) bei der Erdrutschwahl 1930 fast ein Viertel der abgegebenen Stimmen zu. So rückten die Nationalsozialisten nach 1930 auch in das Hohenlimburger Stadtparlament ein. Zur Zeit der Weimarer Republik sind in Hohenlimburg zwei Bürgermeister zu verzeichnen. Hierbei handelt es sich um die Herren: Hans Menzel (Hlbg.

Bürgermeister 1908 – 1924) und Dr. Wilhelm Goetz (Hlbg. Bürgermeister 1925 – 1937), die beide von auswärts stammten. Denn im Kaiserreich war die Kommunalpolitik eine Domäne des liberalen Bürgertums und stellte sich nach dem damaligen liberalen Selbstverständnis unpolitisch dar. Jedoch wurde im Laufe der Zeit die Tätigkeit auf kommunaler Ebene immer professioneller. So griff man zunehmend auf juristisch gebildete Fachleute zurück. Einen Stadtdirektor gab es damals noch nicht. Erst bei der Demokratisierung des Wahlrechts ab 1918 wurden die Stadtparlamente stärker politisiert. Obwohl nun in Preußen die juristische Ausbildung für einen Bürgermeister nicht mehr zwingend vorgeschrieben war, blieb man doch allgemein bei der Ausschreibung einer Bürgermeisterstelle (mit Wohnung) bei der bisherigen Praxis. Dem Bürgermeister war auch die jeweilige Ortspolizei unterstellt. „Die Front, die wir schmieden, soll eisern sein“, so lautete die Parole der Gegenaktion aller republikanischen Kräfte gegen die „Harzburger Front“ von NSDAP, Deutschnationalen und Stahlhelm. „Die Eiserne Front“ umfasste die SPD, die freien Gewerkschaften (Hammerschaften), die Arbeitersportler und das Reichsbanner. Die „Eiserne Front“ mit ihrem Symbol „Drei Pfeile“ fand auch bei den Hohenlimburger Sozialdemokraten breite Zustimmung. Den Worten der „Kampfleitung“ folgend, opferten Hohenlimburger Sozialdemokraten während sogenannter Rüstwochen für die Eiserne Front ihre letzten Arbeitslosengroschen. Eine letzte große Kundgebung der „Eisernen Front“ fand am 18.02.1933 auf dem Bismarckplatz (heute Rathausplatz) statt. Schon war es in Gaststätten, vor allem z.B. in der von NS – und SA- Leuten beliebten Gaststätte Grote in Oege zu Schlägereien mit den kommunistischen Arbeitern gekommen. Die SA – Leute wurden, wie erhaltene Fotos zeigen, als Störtrupps per Lastwagen von Stadt zu Stadt gekarrt. Die letzte halbwegs freie Wahl fand auch in Hohenlimburg im Zeichen des Terrors statt. So wurde zur Eröffnung der Stadtverordnetenversammlung (Ratseinsetzung) am 6.4.1933 im Evangelischen Volksheim (Hohenlimburger Hof; heute dort der neue Bürgersaal) den gewählten SPD – Stadtverordneten von einer aufgehetzten NS – Anhängerschaft der Zutritt verwehrt. Das nannten die Nazis „gesunden Volkszorn“. Mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler war die Nazi – Diktatur eingeleitet. Die Hohenlimburger Sozialdemokraten waren nun für 12 Jahre schwerster Verfolgung ausgesetzt, die für viele mit Tod oder Dauerschädigung ihrer Gesundheit endete. Verhaftet und drangsaliert wurden besonders folgende SPD – Genossen:

Ewald Budde31, Jakob Dinkel (Reichsbanner), Fritz Emde, Hugo Krollmann sen., Heinrich Lindenberg (Gewerkschaftssekretär), Albert Otterbein, Georg Scheer (Gewerkschaft und Reichsbanner), Ewald Lehmkämper (Stadtsekretär) und Ernst Höppe, der im KZ Esterwege landete. Sowohl in der Lebensgeschichte Adolf Grünrocks wie im Dokument zur Machtergreifung 1933 in Hohenlimburg angedeutet, wird berichtet32, wie brutal und illegal die KPD–Leute im Voraus ausgeschlossen waren und die fünf gewählten SPD – Männer Albert Otterbein, Hugo Krollmann sen., Ernst Höppe, Georg Scheer und der Genosse Ermel trotz Anwesenheit der Schutzleute Heringhaus, Dieckmann und Ackermann am Betreten des Saales brutal und illegal gehindert wurden. Als einziger konnte der hochgeachtete Adolf Grünrock den Saal betreten, aber auch sein Appell an die örtlichen NS–Führer Helmich und Boecker blieb ungehört, auch er wurde durch Pöbelrufe „Grünrock raus!“ mürbe gemacht und musste schließlich unter Polizeischutz nach Hause geleitet werden. Aber die Jahre der Unterdrückung waren zugleich auch Jahre der Bewährung und der Neubesinnung. Mut zeigte sich auch in den kleinen Dingen des Alltags. Der Eine setzte sich für Verfolgte ein, der Andere hörte verbotene Sender ab, der Dritte verbarg die Fahne der SPD – Ortsgruppe und den Tischwimpel unter der Matratze im Schlafzimmer.

7. Die ersten Aufbaujahre nach 1945 Die Bilanz des sog. Tausendjährigen Nazireiches, das ja nur 12 Jahre Bestand hatte, trat auch in Hohenlimburg 1945 mit Trauer über die vielen Toten, Zerstörung, Hunger, Flüchtlingselend und Wohnungsnot sichtbar zutage. Viele der heimischen alten Naziseilschaften entzogen sich mit dem Motto: „Wir haben doch 12 Jahre in gutem Glauben und nur auf Befehl gehandelt“ bzw. durch „Persilscheine“ und Untertauchen der Verantwortung. Die Besatzungsmächte – erst die Amerikaner, später die Briten – versuchten mit Hilfe der alten demokratischen Kräfte aus der Weimarer Zeit die allgemeine Not so gut wie möglich zu lindern. Quäkerspeisung, Lebensmittelämter, Flüchtlingsamt oder Bezugsscheine sind Vokabeln aus jener Zeit. 31. Der aus Lüdenscheid stammende Beigeordnete Budde – er war bis 1920 eine Zeitlang auch Abgeordneter des Wahlkreises Altena – Iserlohn – Lüdenscheid im Preuß. Landtag gewesen – hatte sich mit dem Städtischen Wohlfahrtsamt zusammen um die Bekämpfung der Hungersnot und Tbc bei armen Kindern (Gründung des Kindererholungsheims Piepenbrink) und die Sicherstellung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln im „ausgehungerten Deutschland“ gekümmert. 32. Vgl. W. Bleicher: Adolf Grünrock…..“, a. a. O. und „ Ein Dokument zur Machtergreifung der

NSDAP in Hohenlimburg, in: Heimatblätter für H´lbg, 41 Jg. 1980, H. 5, S. 108 – 109

Nach

der

Zulassung

von

demokratischen

politischen

Parteien

durch

die

Siegermächte regte sich auch in Hohenlimburg wieder politisches Leben. Der von den Nazis zuletzt 1944 mehrmals verhaftete ehemalige Hohenlimburger SPD – Vorsitzende aus der Weimarer Zeit, Ernst Höppe, wurde wiederum Vorsitzender der nun in ihrer alten Hochburg Hohenlimburg rasch stärker werdenden SPD. Vonnöten war jetzt der Aufbau einer starken Parteiorganisation, um in dem 1946 neu zu wählenden

Stadtparlament

und

dem

Iserlohner

Kreistag

eine

erfolgreiche

sozialdemokratische Politik zu betreiben. Mit dem Gewerkschaftssekretär Heinrich Lindenberg konnte ein alter Kämpfer der Sozialdemokratie das Amt des ersten frei gewählten Nachkriegsbürgermeisters in Hohenlimburg übernehmen.33 Als weitere Mitglieder der ersten Stunde bzw. der Ratsfraktion sind bekannt: Paul Lueg, Paul Knapp, Hugo Krollmann sen. (9.2.1892 – 8.1. 1953), Paul Beck, Rudolf Finkensiep und Ewald Bleicher jun., Ernst Höppe war bis Mitte der 50 er Jahre SPD – Fraktionsvorsitzender im Rat. Wie dominant die SPD in

der Nachkriegszeit

war, zeigt

sich

bei den

Kommunalwahlen vom 9.11.1952. Bei 13445 gültigen Stimmen von 17561 Wahlberechtigten errangen die SPD 15, die CDU 7, die FDP 5, BHE und KPD je 2 Sitze im neuen Stadtparlament. Bürgermeister wurde danach Heinrich Lindenberg, seine Stellvertreter die Herren Dr. Hans Erkeling (CDU) und Julius Leppert (SPD). Die Namen der damaligen Stadtverordneten waren: 1. SPD Dr. Görlitz, Hugo Höppe, Paula Schwenz, Ernst Höppe, Konrad Döpfer Viktor Litzau, Heinrich Lindenberg, Paul Knapp, Rudolf Finkensiep, Wilhelm Müller, Paul Lueg, Wilhelm Lindemann, Julius Leppert, Walter Nowoczin, Gustav Heiler 2. CDU Richard Huber, Maximilian Katzer, Willi Lang, Dr. Hans Erkeling, Elisabeth Sackermann, Fritz Ostheide, Heinrich Grosch 3. FDP Walter Flanz, Fritz Reininghaus, Josefine Faber, Wilhelm Brinker, Paul Witt 4. KPD Walter Schiffer, Georg Baamann 5. BHE

Meinrad Leckelt, Sigfrid Dost Bei den 10 Ausschüssen hatte die SPD naturgemäß öfter den Vorsitz. 34 Als Vorsitzender im Jugend- und Sportausschuss z.B. fungierte damals der spätere Bürgermeister Paul Knapp, der übrigens auch im Stadtwerkeausschuss saß. Mit Albert Müller konnte ein vitaler SPD – Mann als Stadtdirektor an den Lennestrand geholt werden, dessen Sohn bekanntlich lange Zeit Stadtdirektor in Hagen war. Nicht nur Vitalität, sondern auch Sachverstand und Initiative waren seine besonderen Eigenschaften35, die über eine reine Verwaltungstätigkeit hinaus sichtbaren Ausdruck Lennebrücken fanden, die zu einer bedeutenden Verbesserung der veralteten Verkehrsführung beitrugen. Seine Frau Martha Müller erweckte mit einem Stamm alter SPD – Familien36 die Arbeiterwohlfahrt zu neuem Leben und entwickelte die Ortsgruppe durch ihre liebenswerte und energische Art zur stärksten Ortsgruppe der BRD, bezogen auf die Einwohnerzahl.37 Lange Jahre war zur Zeit von Martha Müller Ewald Bleicher jun. 2. Vorsitzender und leitete zusammen mit Frau Rüther den „Freundschaftskreis“ der Kindergruppen. (vgl. W. Bleicher: AWO - Freundschaftskreise in Hohenlimburg, in Heimatblätter für Hohenlimburg, 53. Jg. 1992, S 269 – 279). Auch konnte 1949 unter Paula Schwenz eine starke SPD-Frauengruppe ins Leben gerufen werden, die später von Anna Dönch (Elsey) weitergeführt wurde und bis in die heutige Zeit Bestand hat. Im damaligen Iserlohner Kreistag war Hohenlimburg bekanntlich durch eine starke Gruppe von Sozialdemokraten vertreten. Hier sind die Gewerkschafter und SPDMänner Julius Leppert, Walter Nowoczin, der sich als Vertriebener besonders für die Belange dieses Bevölkerungsteils einsetzte, Paul Huf aus Oege und Ewald Bleicher jun. (1911-1974; später Gas- und Rohrmeister bei den Stadtwerken), der 1946 auch im Flüchtlingsausschuss saß, zu nennen. Der SPD-Mann Hugo Höppe kam 1952 in den Kreistag und wurde 1956 Landrat. Dieses Amt hatte er bis 1961 inne. Darüber hinaus gehörte Höppe lange Jahre der Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe (LVB) in Münster an. Paul Huf arbeitete mehr als 12 Jahre im Kreistag mit, ebenso Marlies Schumann, die später auch in das Hohenlimburger Stadtparlament einzog, 33. Mitte Oktober 1951 wiedergewählt als ältester Stadtvertreter und einstimmig zum Bürgermeister gewählt. (Stellvertreter waren die Herren M. Katzer, CDU, und J. Leppert, SPD). 34. Der BM war natürlich Vorsitzender des Haupt- und Finanzausschusses. 35. ..., die er mit dem hervorragenden Baurat der ersten Nachkriegszeit Carl Minier teilte. 36. Döpfer, Reinecker, Rüther, Bleicher, Hippel etc.. Später ist besonders Karl Schumann zu nennen. 37. Vgl. 50 Jahre Arbeiterwohlfahrt im Wesselbachtal…., in Hbl f. H´lbg. 71. Jg 2010, H.11., S. 403. (Das AWO-Haus war 1961 bezugsfertig). Ebenfalls der Aufsatz von Manfred Ihne über die AWO

H´lbg, a. a. O. Über ¼ Jahrhundert stand der SPD – Mann Karl Schumann nach Martha Müller an der Spitze der AWO.

ferner Paul Lueg und der Pädagoge Arno Hadlich.38 Seit 1949 war Paul Huf Vorsitzender der SPD in Hohenlimburg. Er wurde von den damals über 500 Mitgliedern des Hohenlimburger Ortsvereins in 20 Jahren bis 1972 immer wiedergewählt. Der 1904 geborene Huf kannte die Probleme der Arbeitswelt aus

der

Praxis.

Denn

als

langjähriger

Betriebsratsvorsitzender

und

Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat der Hoesch - Hohenlimburg AG hatte er für die Arbeitnehmer einzutreten. Der am 20.8.1904 geborene Arbeiter bei Hoesch verstarb am 12.10.1989, nach dem er der Partei weit über 40 Jahre die Treue gehalten hatte. Nach ihm übernahm 1973 kurz für ein Jahr Walter Nowoczin den Parteivorsitz. Als Dipl.Ing. (FH 1965) und studierter Betriebswirt, der 1969 in die Partei eingetreten war, führte Lothar Hocks dann den Ortsverein im Geiste des Godesberger Programms weiter. Hier hatte die SPD 1959 bekanntlich neue sozialdemokratische Grundforderungen für eine demokratische Gesellschaft und eine soziale und gerechte Wirtschaftsordnung aufgestellt und sich als Volkspartei zu einer sozialen Marktwirtschaft unter der Prämisse von Arbeitnehmermitbestimmung bekannt. Doch wir sind jetzt der Zeit vorausgeeilt. Die erste Phase der Nachkriegszeit jedenfalls geht mit dem Tod von Heinrich Lindenberg am 28. April 1953 zu Ende. Mit dem damaligen Stadtparlament hatte er den Grundstein für ein neues Hohenlimburg gelegt,

durch

Bildung

von

Sparrücklagen,

Neubau

von

Ver-

und

Entsorgungsleitungen, Aufstellung eines ersten Bauleitplanes, Planung und Bau von Wohnungen.39 Ihm zu Ehren wurde in den 70er Jahren die ehemalige Jägerstraße im Stadtteil Elsey in Lindenbergstraße umbenannt.

8. Die Ära Paul Knapp In der Stadt mit ca. 25.000 Einwohnern, darunter seit 1947 etwa 4.000 Heimatvertriebene,40 wurde dann am 19. Mai 1953 der damalige Versandleiter bei der WURAG, Paul Knapp, mit 18 von 31 Stimmen zum neuen Bürgermeister gewählt. Sein Gegenkandidat mit 13 Stimmen war der Rechtsanwalt Dr. Hans Erkeling von der CDU. Als alter Hohenlimburger war Paul Knapp, der als „Suëhn von 38. Mit vielen Freunden setzte er sich auch für die Partnerschaften mit Bruck and der Mur und Liévin ein. 39. vgl. die 5teilige Aufsatzserie des damaligen Stadtbaurats Carl Minier in den Hohenlimburger Heimatblättern ab 1951/1952

40. vgl. den Aufsatz von Martin Baer: Ostdeutsche fanden in Hohenlimburg eine neue Heimat, in Hohenlimburg – Industriestadt im Kranz grüner Wälder, Altena 1961, S. 101 – 103

Büeckers Emma“ noch mit den Hohenlimburgern Plattdeutsch sprechen konnte, 41 erst später – so wie Adolf Grünrock zuvor – von den Naumannschen Demokraten zur SPD übergewechselt, nämlich 1946, und zwar unter dem Eindruck des II. Weltkrieges. Da hatte er die vielen Schulen des Lebens hinter sich, wie er zu sagen pflegte: die Kleinkinderschule, die Volksschule, die Berufsschule, im 1. Weltkrieg die „Tankschieß-Schule“ von Tournai, die Schule des Turnsports oder die Schule des Zweiten Weltkriegs. Kein Wunder, dass der am 23. März 1918 bei Beaumetz Verwundete zum Mitbegründer der Städtepartnerschaft Hohenlimburg – Liévin in den Jahren von 1953 – 1960 wurde. Begeisterter Turner im TV 1871 und Ehrenmitglied des Vereins wie des märkischen Turngaus hatte er sich zu Zeit Heinrich Lindenbergs 42 als Sportausschussvorsitzender um die zügige Errichtung des Sportplatzes im Weinhof verdient gemacht. Wie WR – Redakteur Manfred Ihne 1968 zu Recht formulierte, ist der Name Paul Knapp mit dem Aufbau der modernen leistungsfähigen Stadt Hohenlimburg zwischen 1953 und 196843 verbunden. Mit einer breiten Zustimmung aller Parteien erreichte er in den über 15 Dienstjahren, dass eben nicht nur Sportstätten wie die Anlagen im Weinhof, das Henkhauser Bad, das Hallenbad (1968) und die Rundturnhalle in Elsey entstanden oder gefördert wurden, sondern dass aus einer von Industrie überprägten Kleinstadt von etwa 25.000 Einwohnern, deren Struktur völlig veraltet war44, die 1953 bei über 4000 Flüchtlingen und Umsiedlern allein 1090 wohnungssuchende „Parteien“ zählte, die gerade durch seinen Vorgänger auf den Weg moderner Leitplanung gesetzt worden war, eine steuerlich potente, liebenswerte perfekte kleine Mittelstadt wurde. Es entstanden über 4000 neue Wohnungen, ganze Viertel in Elsey (Hasselbach, Fasanenweg, Brauhausstraße/Hülsemannweg; Spieck, auf der Heide) oder in den Industriezonen Oege (Am Sonnenberg), Nahmer (WURAG-Bauten), Wesselbach (Schloßberghang). In einer Partneraktion der Betriebe, des Hohenlimburger Bauvereins wie des Stadtbauamtes bei oft über 200 Bauanträgen pro Jahr, dazu kamen noch die neuen 41. Viele Anekdoten ranken sich um den beliebten Mann. Vgl. z. B. W. Bleicher „Use Börge´mester“, in W. Bleicher „Alt-Limburg“, Hohenlimburg 1982, S. 29 – 33 42. Den die Hohenlimburger übrigens auch liebevoll „Lindenbergs Hännerich“ nannten so wie Paul Knapp eben der hochgeschätzte „Knapps Paul“ war. Diese menschliche Nähe der alten Zeit verschwand nach 1968 mit dem alten Hohenlimburg. 43. Knapp legte am 19.5.1968 sein Amt nieder. Am 20. Mai 1968 bereits wurden seine Verdienste um den Aufbau eines neuen Hohenlimburgs mit der Verleihung des offiziellen Titels „Altbürgermeister“ gewürdigt.

44. Wegen mangelnder öffentlicher Planung und Investitionen in den 30er Jahren wie zur NS-Zeit

Fabrikhallen von Bilstein, Lenzen, Vogelsang, WURAG/Krupp oder Hoesch, war das ein reges Leben.45 Mit dem Ausbau der Straßen und den beiden neuen Brücken in Oege (4.8.1956) und an der Stennert (1959) ging man an die Beseitigung der Verkehrsengpässe. Am 7. 1. 1956 wurde das neue Rathaus einer leistungsfähigen Verwaltung übergeben. Die Innenstadt gewann allmählich neues Profil, Insgesamt ist die Amtszeit von Paul Knapp, dem der Gewerkschafter Julius Leppert als Vorsitzender

im

Stadtrat

zur

Seite

stand,

eine

Zeit

partnerschaftlichen,

einvernehmlichen Handelns gewesen bei höflicher Toleranz anderer Meinungen.

9. Der erfolgreiche Ortsverein Der Erfolg der SPD – Politik in den Jahren auch noch unter dem Nachfolger Knapps, Hermann Scheffler (1920 – 1983; BM 1968 – 1975), liegt sicher auch in der Tatsache begründet, dass Bürgermeister und Parteispitze unmittelbar das aktuelle Arbeitsleben kannten und selten der Gefahr einer unsachlichen, parteilichen Beurteilung der Geschehnisse erlegen waren. Im Parlament war eine gesunde Mischung von Berufen vertreten: Handwerker, Arbeitnehmer, kleinere und mittlere Unternehmer und Pädagogen. Diese Sachlichkeit und Toleranz bzw. Erfahrung, Argumentationsstärke

und

ein

Quantum

Empathie

haben

der

Entwicklung

Hohenlimburgs in den 50er bis 70er Jahren sehr gut getan. Es war sicher die Blütezeit des SPD – Ortsvereins. Als der 1983 leider viel zu früh verstorbene Hermann Scheffler nach einer frühen Laufbahn in der SPD und den Falken 1953 als jüngster Parlamentarier Hohenlimburgs und SPD – Mann seit 194646 in die Lokalpolitik eintrat, gewann er sich bald durch sein Engagement wie durch die Klarheit und Sachlichkeit seiner Argumente hohe Anerkennung.47 Er wollte durch seine Arbeit auch die überzeugen, die ihn nicht gewählt hatten. Noch als Familienvater, dessen Frau im städtischen Jugendheim wirkte, fuhr er ab 1956 für einige Jahre nach Köln zur Universität, um sich im Fachbereich Politik und Volkswirtschaft

weiterzubilden.

Kein

Wunder,

dass

der

damalige

SPD-

Ministerpräsident Franz Meyers ihn 1960 als Landesgeschäftsführer der Partei nach Düsseldorf holte. Schefflers Laufbahn ging einerseits ins Hohe und Weite (NRW45. Allein die Zahl von 400 Eheschließungen im Jahre 1953 (1952 – 265 Eheschl.) oder nur 61 arbeitslose Männer und Frauen 1955 machen den „Take – off“ der Stadt deutlich. 46. Der ehemalige Luftwaffenpilot der Wehrmacht wusste den konsequentesten Antikriegskurs der Partei im Laufe der Geschichte zu schätzen. 47. Vgl. auch im Folgenden Manfred Ihne: “Zum Gedenken an Hohenlimburgs Bürgermeister

Hermann Scheffler“, in: Hohenlimburger Heimatblätter 1983, H. 3, S. 47 – 49.

Landtag von 1962 – 1970 mit zweijähriger Unterbrechung; Tätigkeiten in der EU, im Europarat, ab 1972 zweimal als Direktkandidat im Bundestag), andererseits aber ertrug er pflichtbewusst den schwierigen Spagat zur Basis, zum Wähler, und zeigte stets ein offenes Ohr für dessen Sorgen und Nöte. Er setzte sich für sie ein, ob in der Stadt, im Aufsichtsrat der Friedr. Krupp Hüttenwerke AG, im Rundfunkrat, im Vorsitz beim SPD-Unterbezirk oder zuletzt auch im Rat der Stadt Hagen. Der Hagener OB und Parteifreund Rudolf Loskand zollte dem Verstorbenen am 14.1.1982 höchsten Respekt. Hermann Scheffler hatte trotz seiner Verbindungen48 nach Düsseldorf die den Hohenlimburgern so ungeliebte Eingemeindung nach Hagen nicht verhindern können. Parteiübergreifend wurde aber der Wille gegen eine Eingemeindung von allen Hohenlimburger Ratsmitgliedern getragen. Aus diesem Grunde wurden auch nach dem Januar 1975, als die Gebietsreform vollzogen war, die möglichen Rechtsmittel ausgeschöpft. Ein Prozessausschuss der alten Stadt Hohenlimburg trug die Klage beim Verfassungsgerichtshof in Münster vor. Bis zuletzt schienen die am 11.11.1976 vor dem Rathaus in Hohenlimburg versammelten Bürger Hoffnung zu haben. Sie wich aber bitterer Enttäuschung, als die allseits beliebte SPDParlamentarierin Marie Schumann die Hiobsbotschaft über den verlorenen Prozess per Mikrofon mitteilen musste49. Hatte Marie Schumann vom 19.3.1961, dem ersten Tag ihrer politischen Karriere im Rat der Stadt Hohenlimburg an, schon bewiesen, dass sie eine hochmotivierte Politikerin mit großem Herzen für das Anliegen der kleinen Leute war50, so entschloss sich die „rote Marie“ nun nach der endgültigen Eingemeindung erst recht im Hagener Parlament für die Hohenlimburger Belange zu kämpfen. Hohenlimburg wurde mit Garenfeld, Berchum, Holthausen und Tiefendorf zum Bezirk „Hagen-Ost“ zusammenfasst. Man wählte die entschlossene erfahrene Politikerin zur ersten Bezirksvorsteherin dieses großen, aktiven Bereichs in der Stadt. Fast überflüssig zu sagen, dass der Bezirk durch die SPD-Mehrheit Hohenlimburgs lange Zeit den Hagener SPD-OB garantierte.

48. bei einer Hohenlimburger Stadtverwaltung, die seit dem 7.7.1965 – 31.12.1974 durch den 1978 verstorbenen Hans Egon Baddaky geleitet wurde. 49. Widbert, Felka, Heimatvereinsvorsitzender in Hohenlimburg, schildert im Artikel „Umdenken“ (Heimatblätter 41.Jg. 1980, H. 5 s. 110 – 112 jenen schwarzen Tag. 50. Sie hatte im Haupt- und Finanzausschuss, im Kulturausschuss, im Schulausschuss (dessen Vorsitzende sie seit 1966 war), im Ausschuss zur Pflege internationaler Beziehungen aktiv mitgearbeitet, dazu noch 10 Jahre und 3 Monate im alten Iserlohner Kreistag. Vgl. des Weiteren den Aufsatz von W. Bleicher über Marie Schumann von 2001 in den

„Hohenlimburger Heimatblättern“.

Und Marie Schumann, deren Arbeitstag Widbert Felka 1980 so beredt schildert, wurde zur Galionsfigur des Bezirks, des eingemeindeten Industriestandorts Hohenlimburg.51 Aus der fleißigen Frau mit Herz machte die Presse nicht ohne Charme

die

Frau

mit

dem

kämpferischen

„Löwenherzen“,

die

„heimliche

Bürgermeisterin“52. Nach einem langen Leben und Wirken für die Menschen in Hagen und Hohenlimburg nahm Marie Schumann am 30.09.1989 Abschied von der aktiven Politik. Ihr folgten die SPD-Leute Gerhard Glod (1989 – 1993, Betriebsratsmitglied), Roswitha Deichsel (1993 – 1997) und Klaus-Peter Kriegbaum (1997 – 1999), die alle drei die soziale und politische Einstellung der Gewerkschaften wie der SPD gut vertraten, aber alle drei durch Krankheit früh aufgeben mussten.53 An die goldenen Zeiten der Jahre nach der Kommunalwahl vom 4.Mai 1975 erinnert sich Klaus Söhnchen, Oege, der damals in der ersten Bezirksvertretung „Gruppenschriftführer“ war. Die SPD

- Mannschaft hatte 1975 eine Liste mit 19

Kandidaten, darunter 5 Frauen (Anna Dönch als Alterspräsidentin) aufgestellt. Die politischen Wahlbezirke Hohenlimburgs wurden um zwei für Berchum und einen für Halden-Herbeck erweitert. Die 4 Direktwahlbezirke 19 – 22 holten H. Scheffler, L. Hocks, D. Eich und Marie Schumann auch direkt. Die FDP war in der BV nur durch den Polizisten Willi Just vertreten. Zur SPD gehörte in den 70er Jahren auch eine Juso-Gruppe, deren Vorsitzender Paul-Martin Höringklee, dann Friedhelm Peter waren. Weitere Mitglieder der Gruppe, die sich regelmäßig in den „Jägerstuben“ in Elsey trafen, waren Gaby Schulte, Klaus Söhnchen und Peter Schöne. Dass die CDU ab 1998 aufgrund der Wahlergebnisse den Bezirksbürgermeister stellen konnte, auch in Hagen seit OB Wilfried Horn die SPD ihre jahrelange Erfolgsserie

unterbrochen

unterschiedlichen

sah,

Einsatzzeiten.

hat Es

sicherlich gibt

wohl

verschiedene einerseits

Gründe immer

bei

solche

Mitgliederschwankungen bei politischen Konjunkturen und Krisen, die durch Probleme auf den diversen Führungsebenen hervorgerufen werden. Interne und Führungsprobleme hat es aber nur kurzfristig lokal in der Zeit von Renate Löchter

51. Ihr zur Seite sei nicht der Mitstreiter der CDU, Josef Bieke, vergessen, so dass die Hohenlimburger Bürger von „Maria und Josef“ sprachen. 52. Heute trägt ihr späterer Nachfolger aus der CDU, Hermann Josef Voss, den Titel „Bezirksbürgermeister“.

53. Es folgen von 1999 – 2009 der allseits beliebte CDU-Politiker Hermann Hulvershorn und ab 2009 der hochbegabte, auch in Kulturangelegenheiten (Schlossspiele) einsatzfreudige Josef Hermann Voss von der CDU.

gegeben. Einwirkungen von der Bundes - SPD, Agenda 2010, kamen später, als die lokalen Stimmenbewegungen längst wirkten. In den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts war allerdings in Hohenlimburg der Rückgang von Wählerstimmen auf zwei Ereignisse zurückzuführen: a) der Rückgang klassischer Arbeiterstimmen durch Schließung oder Abwanderung von Betrieben, Abbau von Arbeitsplätzen und Neuansiedlung von sog. bürgerlichen Wählern, die die SPD-Politik weniger ansprach. b) Auch Politikverdrossenheit erzeugte gerade beim Wählerpotential der SPD mehr Verluste als bei CDU und FDP. Die Ursachen des „stufenweisen Machtverlusts“ der SPD durch die o.g. Gründe und durch Abspaltung der Grünen und WASG bzw. neue Linke (Agenda 2010) untersuchen

Peter

Brandt

und

Detlef

Lehnert

in

ihrer

„Geschichte

der

Sozialdemokratie 1830 – 2010“ (S. 254 – 260). Unter der Überschrift „Auf der Suche nach dem SPD – Milieu“ versuchen sie eine neue Kursbestimmung durch eine rot – grüne sozial – ökonomische Reformpolitik. Aus heutiger Sicht waren die Jahre von 1945 – 1990 für Hohenlimburg „goldene Zeiten“. Nach Ernst Höppe folgte ab Mitte der 50er Jahre bis 1972 Paul Huf, der durch seine Arbeit im Federnwerk bei Hoesch in Oege viele Jahre als einer der beiden Betriebsratsvorsitzenden fungierte. Sein Weggefährte war Richard Bastian. Ihn löste 1972 der aus Ostpreußen (Ortelsburg, geb. 1915) gebürtige Walter Nowoczin ab. Eine vorübergende ernste Krankheit zwang 1973 den vielbeschäftigten Stellvertretenden

Vorsitzenden

des

„Deutsch–Osteuropäischen

Forums

in

Düsseldorf“ (gegr. 1963), den Hohenlimburger Posten aufzugeben. In fast einem halben Jahrhundert seit 1947 hatte sich der SPD-Mann Nowoczin in fast allen Ehrenämtern der Sache der Vertriebenen angenommen. (vom „Haus des deutschen Ostens“ bis zum Beirat für Vertriebene, Flüchtlinge und Aussiedler in allen Ebenen). Der ehemalige kaufmännische Angestellte bei Goecke & Sohn (1952 – 1975) war mit seinen zwei Bundesverdienstkreuzen und dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens des Landes NRW der höchst dekorierte SPD – Parlamentarier.54 Walter Nowoczin wurde von Lothar Hocks abgelöst, der 1973 den Vorsitz kommissarisch übernahm, um dann offiziell bis 1980 gewählt zu bleiben. Hans-Peter Kriegbaum als sein Vertreter widmete sich schon ab 1975 offiziell der Arbeit in der

54. Vgl. Wilhelm Bleicher: Walter Nowoczin – ein Mann der Heimat, in: Hohenlimburger Heimatblätter, 58. Jg., 1997, H.5., S.167-187.

Bezirksvertretung, zumal Lothar Hocks als Dipl.-Ing. (FH, Hagen 1965) und nach abgeschlossenem Studium der Betriebswirtschaft an der Verwaltungs- und Wirtschaftsakademie in Hagen beruflich viel unterwegs war. Im Rat der Stadt Hagen stand er von 1977 – 1982 seinen Mann.55 Sein Nachfolger für die Zeit 1980 – 1988 wurde Horst Tillmann (* 24.08.1936). Horst Tillmann, der 10 Jahre (von 1995 – 2005) Zweiter Bürgermeister in Hagen war, trat nach der spektakulären Wahlsitzung von weit über 220 Parteifreunden im Hotel Grass (Henkhausen) am 05.02.1989 zurück, als die Fraktionen der „Hoeschianer“ und „Kruppianer“ im partiellen Gegeneinander Gerd Glod als Nachfolger von Marie Schumann wählten und eine strategische Mehrheit gegen alle Vernunft der 59 – Tage – Oberbürgermeisterin von Hagen, Renate Löchter, den Weg ebnete. Tillmanns Ziel war es, durch Aussöhnung mit Hagen (wegen der Eingemeindung) und Kooperation mit der Hagener SPD möglichst viel für Hohenlimburg und Hagen zu erreichen. Im damals noch um 422 Mitglieder starken Ortsverein war seine Arbeit nach dem Motto Willy Brands ausgerichtet: (auch innerhalb der SPD) „Mehr Demokratie wagen“. (z.B. Gründung des Bürgertreffs der SPD und öffentliche Vorstandssitzungen). Der heute in Oberursel als Pensionär lebende Bautechniker und Kaufmann Dieter Eich löste ihn von 1989 – 1992 ab. Dieter Eich, der als Aufsichtsratmitglied seit 1976 und Aufsichtsratsvorsitzender von 1983 – 1986 im Hohenlimburger Bauverein maßgeblich mitbestimmte, ist es zu verdanken, dass in den schweren Diskussionen um 1990 die 400 Mitglieder – Ortsgruppe der SPD in Hohenlimburg sich nicht zerstritt oder gar spaltete. Viktor Groß (1992 – 1993), Rüdiger Voß (1993 – 2000) und Hans-Werner Wischnewski (2000 – 2003) wirkten in schwierigen Zeiten dem Mitgliederschwund und der sinkenden Beliebtheit der Partei bei den Wählern entgegen.

10. Neuer Aufschwung Seit 2004 hat ein junger Mann, Mark Krippner der als Arbeiter aus den Hohenlimburger JUSOS hervorging, seit 2009 dem Rat der Stadt Hagen angehört und sogar zum Fraktionssprecher im Stadtrat gewählt wurde, den Abwärtstrend gestoppt. Mit dem jungen Vorsitzenden der Hagener SPD, Timo Schisanowski, und weiteren Mitstreitern verkörpern sie die Hoffnung auf ein neues politisches

Comeback

in

Hagen und Hohenlimburg. Dass diese Hoffnung für Hagen und

Hohenlimburg 55. Von 1980-1984 war Lothar Hocks, der in seiner Jugend 1953-1957 vier Jahre im Tessin verbracht hatte, also mehrsprachig aufgewachsen war, noch Vertreter von Horst Tillmann im Vorsitz.

zu Recht besteht und die neue Mannschaft gute Arbeit leistet, zeigte sich bei der Landtagswahl am 13.05.2012, bei der die SPD in allen Hohenlimburger Wahlbezirken gewann. Heute wird der Ortsverein zeitgerecht und mitgliederoffen geführt. Transparenz belebt

die

Parteiarbeit

auf

allen

Ebenen,

in

allen

Gremien

bis

in

die

Vorstandssitzungen; und gewiss führt die Öffnung gegenüber Nichtmitgliedern auch zu mehr Verständnis, Vertrauen und Anhängerschaft.

Zusammen mit Horst

Eschenbach, Peter Arnusch und Claudia Krämer als Bezirksvertreter sowie weiteren Mitgliedern gelang es dem neuen Vereinsvorsitzenden auch durch eine kluge, sparsame Kassenpolitik, Einnahmen aus Veranstaltungen wie aktives Sponsoring, den Ortsverein auf eine gesunde Finanzbasis zu stellen. Die Ziele der Hohenlimburger Sozialdemokraten für die nächsten Jahre sind klar: - aktive Beteiligung am Bundestagswahlkampf 2013 - Führung eines erfolgreichen Kommunalwahlkampfes 2014 und Anstreben einer neuen führenden Fraktionsstärke in der BV - Unterstützung des SPD-Kandidaten bei der OB-Wahl 2015 in Hagen - Bürgernahe Parteipolitik durch Bearbeitung von aktuellen bürgernahen Themen - Einsatz für ein attraktives Hohenlimburg in den Bereichen Freizeit und Erholung (z.B. Erhalt des Lennebades), Wirtschaft und Verkehr (Stadtmitte), Kultur und Natur sowie Soziales (z.B. Unterstützung der AWO-Arbeit). In Anbetracht der finanziellen Situation der Stadt Hagen sind dabei Ideen und guter Wille sowie uneigennütziger Einsatz mehr denn je gefragt. Soziales und demokratisches

Bewusstsein

und

Handeln

sind

nicht

nur

wegen

der

Parteibuchstaben gefordert, sondern Programm wie Überzeugung. „Die Sozialdemokratie entstand aus der Zielsetzung, die Freiheitsbewegung des 19. Jahrhunderts auf demokratischer Basis fortzuführen und mit Gleichheitsforderungen zu verbinden“56 . Mehr soziale Demokratie und bessere Bildung wagen, um den bekannten Ausspruch Willy Brandts modifiziert in Erinnerung zu rufen, könnte auch ein erstrebenswertes

Ziel in unserer „spätmodernen Medien- und Sozialwelt“57 sein. Denn Willy Eichler hat gewiss recht mit seinen abschließenden Worten zur Parteigeschichte von 1962 58:

56. Vgl. P. Brandt und D. Lehnert, a.a.O., S.9 57. Vgl. P. Brandt und D. Lehnert, a.a.O., S.277 58. Vgl. W. Eichler, a.a.O., S.85

„Der Kampf um Freiheit und Gerechtigkeit wird niemals abgeschlossen sein. Denn es wird keine Gesellschaft geben, die schlechthin freiheitlich und gerecht geordnet und in dieser Ordnung gegen alle Rückfälle gesichert ist. So verstanden ist das „Endziel“ unerreichbar – aber es bleibt der Leitstern, dem die Sozialdemokraten folgen in ihrem Handeln, das ihr Programm kennzeichnet als „eine dauernde Aufgabe, Freiheit und Gerechtigkeit zu erkämpfen, sie zu bewahren und sich in ihnen zu bewähren.“

Suggest Documents