Frauensport in Ruanda

Frauensport in Ruanda Hürden und Veränderungen Ein Projekt der Partnerschaft Rheinland-Pfalz/Ruanda Sektor Kigina, Ruanda Juli 2015 - Dezember 2016 ...
Author: Alfred Schuster
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Frauensport in Ruanda Hürden und Veränderungen

Ein Projekt der Partnerschaft Rheinland-Pfalz/Ruanda Sektor Kigina, Ruanda Juli 2015 - Dezember 2016

Die Partnerschaft Die Partnerschaft zwischen Rheinland-Pfalz und Ruanda geht 2017 in ihr 35. Jahr. Was 1982 als ein ungewöhnlicher Versuch zweier Länder zur Neugestaltung von Entwicklungspolitik begann, ist heute zu einem international anerkannten Modell einer bürgernahen, dezentralen und effizienten Entwicklungszusammenarbeit auf lokaler Ebene geworden. Diese Form einer Graswurzelpartnerschaft beruht auf der Begegnung mit gegenseitigem Respekt und Achtung und will über eine reine Entwicklungszusammenarbeit hinaus zu einer Partnerschaft im alltäglichen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben werden. Sie genießt in der ruandischen Bevölkerung einen hervorragenden Ruf und ist auch in der rheinlandpfälzischen Bevölkerung tief verwurzelt. Die Partnerschaft zwischen Rheinland-Pfalz und Ruanda ist in ihrer Struktur in zwei Teilen organisiert: dem Ruandareferat der Landesregierung und dem Partnerschaftsverein Rheinland-Pfalz/Ruanda e.V. Um die Kommunikation effektiv und die Arbeit nachhaltig gestalten zu können, unterhält der Verein zwei Büros: Eines in Mainz und eines in Kigali, der Hauptstadt Ruandas. Im Jahre 2017 bestehen 250 Partnerschaften zwischen rheinland-pfälzischen und ruandischen Schulen, 45 kommunale Partnerschaften, 15 Partnerschaften zwischen Kirchengemeinden in beiden Ländern, sieben Hochschulkooperationen, und 60 Vereine die sich in Ruanda engagieren. Über 2000 Projekte wurden so in den Bereichen Sozial– und Mikroprojekte, Sport, Bildung, Gesundheit und Wirtschaft umgesetzt. Dies entsprach bis zum Jahr 2014 einem Finanzumfang von 72 Millionen Euro.

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Unsere Partner Stadt Gau-Algesheim: Kein Projekt der Sozialabteilung funktioniert ohne eine direkte Partnerschaft zwischen Rheinland-Pfalz und Ruanda. Eine solche besteht zwischen der “Arbeitsgruppe Partnerschaft Gau-Algesheim/ Kigina der Stadt GauAlgesheim” und dem Sektor Kigina. Quelle: http://www.gau-algesheim.de

Neben konkreten Projekten wie diesem, sind der städtische Kindergarten (seit 2010) sowie die SchlossArdeck-Grundschule (seit 2012) mit dem Schulzentrum Kigina verpartnert. Sämtliche Fördermittel für dieses Projekt stammen von Institutionen aus Gau-Algesheim, der Stadt und ihren Einwohnern. Realisiert werden konnte es aber nicht nur aufgrund eines großen finanziellen, sondern auch eines breiten ehrenamtlichen Engagements der Bevölkerung.

Offizielle Gründung der Städtepartnerschaft am 13.09.2014 in Gau-Algesheim

AKWOS:

Wie in diesem Fall auch, werden hierfür in der Regel motivierte Frauen zu Trainerinnen ausgebildet, die als Multiplikatorinnen tätig sind und sowohl die sportlichen Übungen leiten und organisieren als auch die oben genannten Themen gemeinsam mit den Teilnehmerinnen angehen.

Felicité Rwemalika, Gründerin von AKWOS

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Quelle: http://ww.akwos.org/article-6.html

Die “Gesellschaft von Frauen (aus Kigali) für Sport” ist seit 1997 aktiv und hat es sich zur Aufgabe gemacht, anfangs nach dem Genozid in Ruanda und mittlerweile von dort ausgehend in ganz Ostafrika, die Rolle der Frau durch Sport und Bildung zu stärken. Damit möchte AKWOS zur Bekämpfung der Armut, AIDS/HIV-Prävention sowie zu einem größeren Wohlbefinden von Frauen und Mädchen im Allgemeinen beitragen.

Das Projekt Obwohl in Ruanda – insbesondere seit dem Genozid – viele Verbesserungen im Bereich der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau erzielt wurden, sind Frauen noch heute in der Durchsetzung ihrer Rechte und bei Kernthemen der Gesellschaft benachteiligt. Vor allem in ländlichen Gebieten, wo sie traditionell als Hausfrauen betrachtet werden, erfahren Frauen noch heute soziale Exklusion und eine große Abhängigkeit von den Entscheidungen der Männer. Das Projekt setzte hier an. Es sollte durch ein Sportangebot für Frauen deren Gesundheit verbessern und ihnen einen Austausch über relevante Fragen der Gesellschaft sowie eine soziale und wirtschaftliche Teilhabe ermöglichen. Insgesamt zielte die Förderung des Frauensports auf eine unabhängigere und stärkere Rolle der Frau ab. Konkret beinhaltete das Projekt die... 

Ausbildung von 24 Frauen zu Trainerinnen inklusive Fortbildung in den Themen geschlechetsspezifische Gewalt, gesunde Ernährung, HIV/AidsPrävention, Traumabewältigung und Menschen– und insbesondere Kinderrechte.



Etablierung von Frauensport und die Gründung von Frauenmannschaften in den vier Zellen des Sektors Kirehe.



Organisation von Wettbewerben sowie eines Sportfestivals.

Heute betreiben über 300 Frauen im Sektor Kirehe regelmäßig Sport. Es bestehen ein Lauftreff, zwei Fußballmannschaften, zwei Volleyball-Teams sowie eine Radfahr- und eine Tanzgruppe.

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Evaluation Um die Ergebnisse des Projekts festzuhalten wurde eine Evaluation durchgeführt. Folgende Themen sollten erfasst werden:    

Motiv der Person, an dem Projekt teilzunhemen. Stattgefundene häusliche Veränderungen Wesentliche Verbesserungen im Leben der Teilnehmer Veränderungen in der Gemeinschaft

Hierfür wurden den Teilnehmerinnen einheitliche Fragen gestellt, die sie unterschiedlich ausführlich beantworteten. Diese Fragen wurden im Rahmen eines bei Projektabschluss üblichen Nachbereitungsbesuchs den Teilnehmerinnen mündlich gestellt. Zwei Mitarbeiter des Koordinationsbüros der Partnerschaft in Kigali verschriftlichten das Gesagte zunächst auf Englisch, um es dann ins Deutsche zu übersetzen. Der Inhalt wurde dabei möglichst nicht verändert.

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Distrikt Kirehe Der Distrikt Kirehe ist einer von sieben zur Ostprovinz gehörenden Distrikten. Er besteht aus den 12 administrativen Sektoren, 60 Zellen und insgesamt 612 Dörfern. Kirehe grenzt im Osten an Tansania sowie im Süden an Burundi. Insgesamt hat Kirehe 338.562 Einwohner. 83 Prozent der Bevölkerung sind weniger als 40 Jahre alt, 53 Prozent sind sogar 19 oder jünger. Menschen über 65 Jahre machen nur 3 Prozent der Bewohner Kirehes aus. 90 Prozent der Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter ist in der Landwirtschaft oder Viehzucht beschäftigt. Der Distrkt Kirehe hat es sich aufgund der weiten Vebreitung von Krankheiten und Stress zum Ziel gemacht, die Bevölkerung zum Sport zu motivieren. Seit 2013 wird versucht, sportliche Aktivitäten von Jugendliche und Erwachsene sicherzustellen. In den meisten Fӓllen sind jedoch Mӓnner sehr viel mehr im Sport involviert, wohingegen für Frauen traditionelle Rollenbilder vorherrschen, welche sportliche Aktivitäten in der Regel ausschließen. Das Projekt beschränkte sich auf die vier Zellen des Sektors Kigina in Kirehe. Quelle: www.newsofrwanda.com

Dort leben 26.963 Menschen auf einer Fläche von rund 70 km2. Unter ihnen befinden sich 1752 Witwen sowie 2215 Waisen, von denen nur 610 derzeit die Schule besuchen. 605 Familien in Kigina leben in drastischer Armut. 6

Die vier Gruppen Der Schwerpunkt der Gruppe in der Zelle Gatarama liegt auf traditionellem Tanz. 45 Frauen sowie fünf Männer beteiligen sich daran. Zusätzlich begannen sieben der Teilnehmerinnen sich regelmäßig zum Fahrrad fahren zu treffen. Nach dem Sportfestival, bei dem sich 15 der 45 Tänzerinnen auch für den Fußball begeisterten, entschlossen diese Frauen, ein eigenes Fußballteam zu gründen. Rwanteru und Ruhanga: Beide Zellen liegen in der Nähe des Hauptverkehrszweiges zwischen Rusumo und Kigali, auch zum Verwaltungsgebäude des Sektors Kigina ist es nicht weit. In der Rwanteru-Zelle spielen 20 Frauen Volleyball. Allerdings haben sie kein öffentliches Spielfeld zur Verfügung und müssen daher den Platz der weiterführenden Schule nutzen. Meistens wird das Feld jedoch von SchülerInnen bespielt, weshalb die Frauen oft lange warten, bis es zur Verfügung steht. Dadurch ist das Team bislang sportlich noch relativ schwach. Der Frauenrat des Distriktes möchte die Gruppen aus Rwanteru und Ruhanga zusammenlegen, da Frauen aus Rwanteru ebenfalls an dej Aktivitäten der Nachbarzelle interessiert sind und Frauen aus Ruhanga am Volleyball. In Ruhanga sind 45 Frauen in drei unterschiedlichen Teams sehr aktiv: Fußball, Joggen und Fahrrad fahren sind jeweils die Hauptaktivitäten. In beiden Zellen interessieren sich Aufgrund der herausragenden Arbeit der Trainerin Jeanne Mukanzandwi ist Ruhanga mittlerweile ein Ort, an dem die Frauen sehr interessiert an sportlichen Aktivitäten sind und diesen hochmotiviert nachgehen. Rugarama ist die größte Zelle im Sektor Kigina und umfasst mehr als 1500 Haushalte. Sie befindet sich 5 Kilometer von der Hauptstraße entfernt. Mehr als 150 Frauen haben sich in Rugarama sei November 2015 dem Training angeschlossen, die Altersspanne reicht von 16 bis zu 72 Jahren. Zusammen gehen die Frauen Joggen und spielen Fußball oder/ und Volleyball.

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C   

laudine Murorunkwere

45 Jahre alt Verheiratet Mutter von zwei Töchtern und zwei Söhnen

„In meinen ganzen Leben habe ich nicht einmal Sport gemacht. Ich wurde in einer ländliche Gegend geboren, in der Frauen auf keinen Fall Aktivitäten nachgehen dürfen, die sie von ihren „wesentlichen Aufgaben“ ablenken könnten. Meine Brüder spielten Fußball oder konnten sich mit ihren Freunden aus der Gegend in verschiedenen Spielen und Sportarten messen. Wir Mädchen durften ihnen nicht einmal assistieren, das galt als verboten. Als Mädchen blieben wir Zuhause, um zu Kochen, zu Putzen oder zu Lernen, wie wir Kinder zu betreuen haben. Mädchen wurden immer als zukünftige Mütter betrachtet und behandelt. Spielen gehen wurde uns daher nicht erlaubt. Als die Vertreter des Distrikts uns aufforderten, zum Sport zu kommen, war ich nicht davon überzeugt, dass die Frauen das akzeptieren würden. Ich war sehr schüchtern und schämte mich ohne besonderen Grund rauszugehen um zu laufen. Es kam zum ersten Treffen, ich hörte aufmerksam zu, dachte aber, dass Sport nichts für mich wäre. Das war in meinen Augen höchstens ein Anliegen für junge Frauen, ich hielt mich für zu alt dafür. Ich ließ mich von den vielen Männern und Frauen in unserem Dorf beeinflussen, die uns missachteten. Einige Tage später nahm mich unsere Trainerin beiseite und sagte mir, ich solle versuchen, zunächst langsam zu gehen oder zu laufen. Sie begleitete mich dabei, einige andere Teilnehmerinnen waren noch immer nicht überzeugt. Heute habe ich mein Selbstwertgefühl wiedergefunden und niemand kann mich mehr davon abhalten, Sport zu machen. Ich fühle mich wie neu geboren, ich fühle mich gesund und die anhaltenden Schmerzen im Rücken sind nun weg. Vor dem Projekt habe ich mich als beeinträchtigte Person betrachtet. Durch den Sport haben wir auch neues Wissen dazu gewonnen: Jetzt kenne ich zum Beispiel die Frauenrechte. Wir haben gelernt, uns besser um unsere Kinder zu kümmern und wir kennen Mittel, Unterernährung zu bekämpfen!

Fortsetzung auf der nächsten Seite.

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Manche der Frauen sind mit Gewalt von ihren Ehemännern konfrontiert. Wir hören jenen Betroffenen zu und versuchen Ratschläge zu geben. Schließen möchte ich jedoch nicht, ohne über den positivsten Effekt, den uns der Sport gelehrt hat, zu erzählen. Sport ist ein guter Weg, um uns zur Eigeninitiative anzuspornen. Wir wollen nun als Gruppe Einkommen generieren, um den grundlegenden Bedürfnissen unserer Familien nachkommen zu können. Wir alle stammen aus armen Familien. Sport hat und geholen und wird uns weiter helfen als Form der Kooperation und des Zusammenhalts. Die Gesellschaft um uns herum hat ihre Meinung geändert. Jeder hier betrachtet den Sport nun als Ursprung des Umdenkens und innovativen Handelns. Wir werden nicht aufhören, Sport und einkommensschaffende Aktivitäten zu (be) treiben.“

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Gatarama

A   

dele Niyonsenga

35 Jahre alt Mutter zweier Kinder Trainerin der Frauengruppe in Gatarama

„Am Anfang war es nicht leicht, die Frauen zusammenzubringen und zu einer Gruppe zu Formen, denn in der ruandischen Kultur wird erwartet, dass Frauen im Haus bleiben. Nach dem Kurs in Kirehe im Dezember 2015 begann ich, von Haus zu Haus zu laufen und die Frauen unter dem Motto „Sports for Fun“ zu mobilisieren. Ich erklärte ihnen, auf welche Art und Weise dies ihr Leben verändern könne. Sport war der Grund für die veränderte Denkweise der Frauen in Gatarama. Heute denken sie darüber nach, mit welchem Projekt sie sich ein Einkommen schaffen können. Sie wollen nicht immer von ihren Ehemännern abhängig sein, sie wollen mit einem eigenen Einkommen für sich und die eigenen Bedürfnisse sorgen können. Wir alle träumen von einem unabhängigen Leben, das durch Sport, Tanz und gegenseitigem Respekt erreicht und gestaltet wird. Mittwochs und sonntags treffen wir uns zum Tanzen, montags stehen dann andere Sportarten auf dem Programm. Manche von uns gehen Joggen und andere fahren Fahrrad oder spielen Fußball. Wir begannen ohne jegliche Motivation, dennoch hat sich der Frauensport zu einer täglichen gemeinsamen Leidenschaft entwickelt. Uns stoppen zu wollen, wäre schwer, denn die Frauen lieben, was sie tun!“

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P   

rovidence Bamporineza

23 Jahre alt Verheiratet Zum Gespräch bringt sie ihren Ehemann mit

„In unserer Familie ist Sport unser Lebensstil: Mein Mann ist Fußballer, ich bin eine Tänzerin. Da ich leidenschaftlich gerne tanze, habe ich früh das typische Denken in Bezug auf Geschlechter, Religion und Kultur überwunden. Ich gehe abends gerne mit Freunden draußen etwas trinken und gucke bei den Nachbarn Fußball im Fernsehen. Mein Mann und ich haben das gleiche Verständnis, wir vertrauen einander und profitieren von unseren Hobbies, insbesondere vom Sport. Die Gesellschaft nimmt eine offene und moderne Frau nicht ernst, sie verdient deren Ansicht nach keinen Respekt. Seitdem auch ältere Frauen aus Spaß an der Sache sich uns beim Sport angeschlossen haben, profitiere auch ich mehr davon. Nach dem Sport habe ich mehr Energie, um Zuhause noch verschiedenen Aufgaben nachzugehen. Ich nutzte die Gelegenheit auch um weitere Haufrauen zum Sport zu ermutigen. Denn durch den Sport halten wir uns, unseren Körper und unser Gehirn am besten fit. Das steigert unser Denkvermögen, ermöglicht es uns härter zu arbeiten und den Wohlstand der Familie zu mehren. Sport ist eine Quelle für Freude und Gelassenheit. Die ruandische Gesellschaft beginnt, die Bedeutung von Sport für Frauen wirklich zu verstehen. Natürlich halten manche älteren Menschen an der traditionellen Kultur fest, aber es gibt keinen schlagkräftigen Grund, der gegen das Ausüben von Sport spricht. Lasst uns alle gemeinsam teilnehmen!“

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Ruhanga/ Rwanteru

J   

eanne d’Arc Mukanyandwi

31 Jahre alt Ledig Trainerin des Teams in Ruhanga

“Seit meiner Schulzeit bin ich begeistert für Sport, insbesondere Fußball und Fahrrad fahren gehören zu meinen Hobbies. Als das Projekt bei mir im Dorf initiiert wurde war ich sehr skeptisch, denn Sport wird von ruandischen Frauen vernachlässigt, vor allem in ländlichen Regionen wie meiner. Bei unserem ersten Treffen wirkten die Anwesenden weder interessiert noch motiviert und das überwiegend aus zwei Gründen: Zum einen werden Frauen, die kurze Hosen tragen von der Gemeinschaft verachtet. Zum anderen haben Frauen hier kein Selbstbewusstsein, um eigenständige Entscheidungen zu treffen. Gerade auf dem Land ist es schwer, sich dagegen zu wehren. Als die Organisation zu uns kam, konnten nur langsam Frauen von dem Projekt überzeugt werden. Nach einer Woche kamen die Trainer zurück, nur Wenige in meiner Zelle nahmen ihre Einladungen zum Probetraining an. Von den Fähigkeiten mancher Frauen auf dem Platz oder dem Fahrrad war ich sehr überrascht. Tag für Tag wurden wir dann mehr Teilnehmer, die Fußball spielen wollten. Mittlerweile sind wir 45 Fußballerinnen, 12 von uns fahren Fahrrad und beim Joggen kommen noch viel mehr Teilnehmer zusammen. Heute kann ich sagen, dass die Vorurteile überwunden wurden. Keine Frau bei uns hat noch Probleme, vor ihrem Mann Fahrrad zu fahren. Manche Partner waren froh, das Talent ihrer Ehefrauen zu entdecken. Ein Ehemann kam mal zu mir und betonte, wie stolz er auf seine Frau sei, die nun Fahrrad fahren könne. Er sagte erfreut: Falls ich krank werde, bringt sie mich auf dem Fahrrad in Krankenhaus. Frauensport in Kigina war ein großer Erfolg! Nun wollen wir uns als Team verbessern, um es in Wettbewerben mit anderen aufnehmen zu können. Die Frauen in unserem Dorf sind nicht mehr frustriert, sie sind nun fröhlich und genießen den Sport auch als Weg, sich fit zu halten. Wir alle wollen die Möglichkeit nutzen und dem Partner des Sektors Kigina danken, der uns geholfen hat, unsere Ziele zu erreichen. Einer der schönsten Erfolge ist, dass weitere Frauen sich uns anschließen wollen. Nach dem Training setzen wir uns zusammen und überlegen, wie wir unsere Dynamik nutzen können, um durch einkommensfördernde Maßnmahmen Wohlstand für unsere Familien zu erzeugen. Lang mögen die Frauen aus dem Sektor Kigina leben!“ 12

C   

hantal Nyirajambo

35 Jahre alt Mutter zweier Kinder, einem Mädchen und einem Jungen Lebt in der Zelle Rwanteru und ist dort Trainerin des Volleyball-Teams

„Mein Mann arbeitet seit sechs Jahren für das Militär unseres Distriktes Kirehe. Vor der Ehe lebte ich in Musanze, der zweitgrößten Stadt des Landes im Norden Ruandas. 2014 zogen wir dann fest nach Kirehe, weshalb ich hier noch ziemlich neu war. Es fiel mir schwer, Kontakte zu knüpfen, weil ich als Hausfrau kaum etwas mit den Mitmenschen zu tun hatte. Während mein Mann also den ganzen Tag arbeitete und erst spät am Abend zurückkehrte, war ich einsam Zuhause oder mit den Kindern beschäftigt. Nur einmal die Woche, wenn ich auf den Markt ging um einzukaufen, kam ich raus und in Kontakt mit den Mitmenschen. Wie die anderen Frauen auch, fürchtete ich mich anfangs davor, Sport zu machen. Ich hatte keine Trainingsgruppe und vor allem die sozio-kulturellen Vorurteile gegenüber Frauen, die in dem Bereich aktiv sind, hielten mich davon ab, über Sport überhaupt nachzudenken. Als ich dann von dem Projekt erfuhr und merkte, dass ich dort schnell andere Frauen kennenlernen konnte, musste ich einfach teilnehmen. Ich kontaktierte die Trainerin und meldete mich an. Heute bin ich Leiterin des Volleyball-Teams von Rwanteru. Sport hat mir geholfen, meine Gedanken und Ziele zu ordnen sowie mich in der Gemeinschaft zu vernetzen. Meine Gesundheit hat sich verbessert und zu meinen Nachbarn pflege ich heute enge Beziehungen. Wie meine Gleichgesinnten möchte auch ich eine Kooperative gründen, die uns in Kontakt bleiben ließe und die Rolle der Frau weiter verbessern würde. Rwanteru beginnt sich in Bezug auf die Infrastruktur zu entwicklen: Märkte, Banken und die Verwaltung des Distriktes befinden sich in der Nähe. Zudem gibt es eine weitere gute Voraussetzung für finanzielle Projekte: Die Hauptverkehrsader zwischen Ruanda und Tansania führt direkt durch Rwanteru, wodurch der Handel stark zugenommen hat. Daher habe ich den Traum, Frauen im Sektor Kigina zu motivieren, sich in wirtschaftliche Themen einzubringen, um die Unabhängigkeit der Frauen von ihren Ehemännern weiter zu stärken. Gemeinsam mit den anderen suche ich nach einer Gelegenheit, eine einkommensschaffende Maßnahme, wie zum Beispiel dem Verkauf von Essen in einem eigenen Restaurant oder Laden, anzugehen. Ich habe bereits erstes Wissen über die Geschäftswelt, insbesondere dem Umgang mit Kunden. Dieses möchte ich mit meinen Freundinnen teilen, um unsere zukünftigen Aktivitäten nachhaltig zu gestalten. Sport wird die maßgebliche Antriebskraft der Entwicklung der Rolle der Frau in Kigina bleiben!” 13

Rugarama

C  

onsolée Kankindi

48 Jahre alt Lebt mit ihrer Familie von der Landwirtschaft

“Mein Leben war langweilig und reine Routine. Nach der Arbeit auf dem Acker ging ich ins Bett, irgendwann war ich beinahe krank vor Langeweile. Wir leben in einer Gesellschaft, die es nicht akzeptiert, dass Frauen Spaß haben wollen. Unsere Kultur baut einen Zaun um jede Hausfrau, damit sie dort bleibt, abgeschnitten von jeglichem Geschehen. Aus diesem Grund sind wir am Ende immer auf die Unterstützung unseres Ehemannes angewiesen. Wenn dieser arbeitslos ist, führen wir ein Leben in Armut ohne Zukunftsaussichten für die Familie. Als die Frauen begannen, zum Sport zu gehen, hielt ich mich anfangs zurück. Beim ersten Training guckte ich nur zu. Beim Zweiten feuerte ich die Teilnehmerinnen an schneller zu laufen. Irgendwann traute ich mich dann selber und folgte den anderen Frauen. Mittlerweile gehe ich jeden Morgen joggen. Vor dem Projekt betrachtete ich mich als alte Frau, als jemanden ohne Würde und daher ohne Anrecht auf Unterhaltung. Das Recht, mir selbst Beschäftigungen zu suchen, habe ich nun endlich gefunden. Ich danke AKWOS und dem Frauenrat des Distriktes, dass sie uns zusammengebracht und mit uns die Vorurteile dieser Gesellschaft gebrochen haben. Ja, wir, die Frauen, dürfen und können Sport machen, um unsere Gesundheit zu stärken. Im Kopf fühle ich mich sehr jung und ich schere mich nicht um die Nachbarn, die uns Tag für Tag beleidigen und die Bedeutung von Sport auch für Frauen nicht verstehen wollen. Es ist kein Taboo, als Frau Hosen zu tragen. Lasst uns Frauen die Freiheit, Sport zu machen. Denn das macht uns zu guten Vorbildern für unsere Kinder. Ich danke dem Partner, der uns geholfen hat, das große Ziel des Frauensports in Kigina zu erreichen.”

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A

nastasie Mukakalisa



73 Jahren alt und somit die Gruppenälteste



Mutter von sieben Kindern und Großmutter von zwölf Enkeln

“Lange Zeit war ich der Meinung, dass Sport etwas für faule und verrückte Menschen sei. In meiner Rolle als Großmutter war mein Alltag immer gleich. Ich betrieb einen kleinen Garten bei unserem Haus und kümmerte mich um die Enkel, wenn deren Eltern auf dem Feld arbeiteten. Außer bei manchen Anlässen zu tanzen, habe ich in all meinen 73 Jahren nicht einmal Sport gemacht. Mein gesamtes Leben verbrachte ich im Haus, verlassen habe ich es nur sehr selten. Um was auch zu tun als alte Frau in unserer Gesellschaft? Ich lebte isoliert und in Kummer. Dann hörte ich von Frauen, die sich regelmäßig zum Joggen gehen, Fußball spielen oder Fahrrad fahren trafen. Von meinen Nachbarinnen wurde ich eingeladen, es auszuprobieren. Neugierig ging ich hin und fand lauter fröhliche Frauen vor, die sich überschwänglich grüßten und dann in Hosen laufen gingen. Ich fürchtete mich ein wenig und war sehr schüchtern. Ohnehin dachte ich, ich wäre zu alt, um Sport zu machen. Und wenn nicht das Alter, dann hielt mich immer noch die Angst vor der Reaktion der Dorfgemeinschaft ab. Insbesondere vor meinen Enkeln wollte ich nicht als verrückt bezeichnet werden und mich blamieren. Doch die anderen Frauen ermutigten mich zunächst hinter der Gruppe herzugehen. Die Tage darauf fing ich dann schon an zu laufen. Als Jugendliche hatte ich eine gute Kondition, nun wollte ich allen zeigen, dass ich auch mit 73 Jahren noch mit jungen Frauen beim Joggen mithalten kann. Mittlerweile fühle ich mich gesund. Ich bin nicht so alt, wie ich vorher dachte, zumindest gehe ich anders damit um. Sport ermöglicht es mir, mit den anderen Frauen zusammen zu sein und das Leben wieder zu genießen. Nach dem Joggen diskutieren wir noch über Frauenthemen, dann bin ich die Beraterin, die den jungen Menschen zur Seite steht. Durch das Projekt habe ich das Gefühl, einen wichtigen Platz in der Gesellschaft eingenommen zu haben. Wir warten auf weitere Entwicklungsprojekte und wollen unser Leben in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht weiter verbessern. Allen jungen Menschen auf der Suche nach einem besseren Leben rate ich ohne Ausnahme, Sport zu machen. Und zu den Erwachsenen sage ich: Hört mit eurem Alkoholmissbrauch auf und macht mehr Sport. Um fit im Kopf zu bleiben, um einen Mehrwert für die Gemeinschaft zu leisten und um mehr Projekte initiieren zu können! Abschließend möchte ich nochmals erwähnen, dass es eine große Herausforderung war, während des Sports Hosen zu tragen. Bis heute fürchte ich mich, sie in der Öffentlichkeit zu tragen, ich jogge in langen Röcken. Wie auch immer, Sport ist die Quelle eines friedvollen und gesunden Lebens.” 15

Das Projekt wurde durchgeführt mit der Unterstützung von

Redaktion:

Esperance Muteteli, Lennart Ladewig und Mareike Broermann Koordinationsbüro Kigali der Partnerschaft Rheinland-Pfalz/ Ruanda, Januar 2017

Impressum:

Verein Partnerschaft Rheinland-Pfalz / Ruanda e.V., Schillerplatz 3-5, 55116 - Mainz V.i.S.d.P. Mareike Broermann

AKWOS

Gau-Algesheim

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