Forschungsdesign. Frühe Hilfen in Südtirol

Forschungsdesign Frühe Hilfen in Südtirol Ein Projekt im Auftrag der Abteilung Soziales Projektträger: Forum Prävention Beteiligte  Einrichtungen:   ...
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Forschungsdesign Frühe Hilfen in Südtirol Ein Projekt im Auftrag der Abteilung Soziales Projektträger: Forum Prävention

Beteiligte  Einrichtungen:   -­‐

Abteilung Soziales - Amt für Kinder- und Jugendschutz und soziale Inklusion

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Claudiana - Zentrum für Forschung- und Praxisentwicklung für Gesundheitsberufe

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Südtiroler Sanitätsbetrieb – Pflegedirektion

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Freie Universität Bozen

1.  Einleitung   Unter dem Begriff Frühe Hilfen bzw. Frühe Förderung werden all jene Maßnahmen zusammengefasst, welche die Kinder und ihre Familien stärken, bzw. unterstützen. Frühe Hilfen zielen darauf ab, Entwicklungsmöglichkeiten und Gesundheitschancen von Kindern im Alter von 0 bis 3 Jahren und deren Eltern in Familie und Gesellschaft frühzeitig und nachhaltig zu verbessern. Die spezifischen Lebenslagen und Ressourcen von Familien werden dabei berücksichtigt. Verschiedene Wissenschaftsbereiche wie Neurobiologie und Entwicklungspsychologie belegen, dass die früheste Phase im Leben eines Kindes sowohl für seine psychosoziale als auch seine physische Entwicklung von besonderer Bedeutung ist. Nimmt man die wissenschaftlichen Erkenntnisse ernst, dann sind die Frühen Hilfen eines der wichtigsten Handlungsfelder der Prävention, denn Belastungsfaktoren in der frühen Kindheit führen häufig zu Defiziten in der Entwicklung und daraus resultierenden langfristigen Folgen. Daher ist es in Bezug auf die Gesundheits- und Sozialpolitik wichtig, die Lebensbedingungen von Kleinkindern und deren Eltern bzw. deren direkten Bezugspersonen auf den unterschiedlichsten Ebenen zu verbessern (Wissenschaftlicher Beirat des NZFH, 2009; NZFH Österreich, 2015). Auch in der Südtiroler Fachwelt ist mittlerweile hinlänglich bekannt, dass es wichtig ist, Familien mit Säuglingen und Kleinkindern früh- und rechtzeitig zu unterstützen. Dies gilt für alle Familien: für jene, die beispielsweise nur Informationen über die lokalen Betreuungsmöglichkeiten möchten, für jene, die Beratung zu Entwicklung und Erziehung des Kindes brauchen, aber auch für diejenigen,

die

eine

längerfristige

Begleitung

benötigen.

Mit

dem

vorliegenden

Forschungsvorhaben reagiert man in Südtirol erstmals mit einer strukturierten Analyse auf die steigenden Problematiken in der Kindheit und im Jugendalter. Um spätere Folgeschäden und 1

kosten im Zusammenhang mit mangelnder Bildung, psychosozialen Problemen, Delinquenz oder gesundheitlicher Beeinträchtigungen vorzubeugen, soll bereits am Ursprung gehandelt werden. Es wird davon ausgegangen, dass in Südtirol in allen Landesteilen bereits vielfältige Angebote bestehen, die unter Frühe Hilfen zusammengefasst werden können. In diesem Forschungsprojekt geht es weniger um die Implementierung neuer, unmittelbar bevölkerungswirksamer Angebote, sondern um die Weiterentwicklung der Angebote und um die Optimierung der Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Akteuren.

1.1. Ziele des Forschungsprojekts: Das grundlegende Ziel dieses Forschungsvorhabens ist es, aufgrund der erhobenen Informationen, einen Konzeptvorschlag für die Weiterentwicklung des Systems Früher Hilfen vorzulegen. Am Ende der Forschungsarbeit sollen folgende Ziele erreicht worden sein. -­‐

Es liegt eine Beschreibung des Systems Früher Hilfen in ausgewählten Sprengelgebieten Südtirols vor.

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Es gibt eine Übersicht über innovative Angebote und Projekte zur Förderung der Gesundheit von Kindern und deren Familien sowie zu deren psychosozialen Unterstützung.

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Es besteht ein vertieftes Wissen über grundlegende Mechanismen und Faktoren welche die aktuelle Situation mitbedingen.

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Es gibt mehr Wissen über die Kooperationsmechanismen der einzelnen Beteiligten.

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Es werden Hypothesen für Verbesserungen vorgestellt.

1.2. Frühe Hilfen – Begriffsbestimmung und Abgrenzung Eine Reihe von Begriffen welche im weiteren Sinn mit den Frühen Hilfen zusammenhängen weist auf das wachsende Interesse rund um die Unterstützung von Familien mit Kindern in den ersten Lebensjahren hin. Neben „Frühe Hilfen“ werden z.B. auch „Frühe Förderung“ und „Frühe Bildung“ zur Beschreibung ähnlicher Maßnahmen und Strukturen verwendet (Hafen, 2012). Generell werden unter Frühe Hilfen all jene unterstützenden Systeme zusammengefasst, welche Eltern und Kinder in der Altersklasse von 0 bis 3 Jahren - mit Beginn in der Schwangerschaft - zur Verfügung stehen und das Ziel haben sowohl die Potenziale der Entwicklung des Kleinkindes aber auch die der Eltern bereits frühzeitig und nachhaltig zu fördern und so den Kindern ein gesundes Heranwachsen zu garantieren. Dabei werden nicht nur Maßnahmen miteinbezogen, welche sich gezielt an Eltern und deren Kinder in Problemsituationen richten, sondern auch allgemeine, sich auf alle interessierten Familien beziehende Angebote (Wissenschaftlicher Beirat des NZFH, 2009).

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Folgende Merkmale zeichnen Frühe Hilfen aus (Sann & Schäfer, 2008, S.109): -

„die Fokussierung auf die Prävention von Vernachlässigung und Misshandlung bei Säuglingen und Kleinkindern beginnend mit der Schwangerschaft bis zum Ende des dritten Lebensjahres,

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die Früherkennung von familiären Belastungen und Risiken für das Kindeswohl sowie

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die frühzeitige Unterstützung der Eltern zur Stärkung ihrer Erziehungskompetenz.“

Die Grundidee Früher Hilfen ist keine Neue. In verschiedenen Strukturen lassen sich Systeme und Maßnahmen auffinden welche der Definition Früher Hilfen entsprechen. So werden beispielsweise Untersuchungen während einer Schwangerschaft und in den ersten Lebensjahren des Kindes in der Medizin bereits seit langer Zeit vorgenommen. Frühe Hilfen können beispielsweise in Erziehungseinrichtungen stattfinden, auch die Unterstützung durch Frühförderung wird den Frühen Hilfen zugeteilt. Familien, Ehe- und Erziehungsberatungsstellen, ebenso wie Aktionen im Bereich der Familienbildung können Frühe Hilfen darstellen. Das „Nationale Zentrum Frühe Hilfen“ in Deutschland zählt ganz allgemein Dienstleistungen im Bereich der medizinischen Vorsorge und Gesundheitsförderung für Kinder und deren Eltern der entsprechenden Altersgruppe zu den Frühen Hilfen, genauso wie Aktionen der Kinder- und Jugendhilfe, der Schwangerschafts(konflikt)beratung sowie Maßnahmen des Bereichs der Frühförderung. Dabei können Maßnahmen Früher Hilfen unterschiedlicher Intensität und Invasivität sein (Sann & Schäfer, 2008). Nach Schone (2011) befinden sich die Grenzen der Frühen Hilfen dort, wo die Kindeswohlgefährdung beginnt, hier sollte der Jugendschutz greifen. Um die Bandbreite Früher Hilfen etwas eingrenzen zu können, soll die folgende Grafik behilflich sein (Holz & Stallmann, 2010; übernommen nach der Ergänzung von Fischer, 2014).

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Bezogen auf die oben dargestellte Einteilung, berücksichtigt das Forschungsprojekt „Frühe Hilfen Südtirol“ jene Maßnahmen, welche vorrangig im Bereich der primären Prävention und der sekundären Prävention stattfinden. Aufgrund der Tatsache, dass jedoch Maßnahmen der allgemeinen Gesundheitsförderung mit berücksichtigt werden müssen, wurde die Klassifikation der Prävention in Bezug auf die Zielgruppe ebenfalls als Kategorisierung miteinbezogen. Das bedeutet, dass sowohl Angebote für die gesamte Bevölkerung, im Rahmen der universellen Prävention, als auch Angebote der selektiven Prävention, welche sich an gefährdete Risikogruppen richten, bei den Frühen Hilfen berücksichtigt werden. Ein weiterer Ansatz zu Frühe Hilfen stammt von Hafen. Dabei definiert Hafen (2012, S.11), welcher den Begriff „Frühe Förderung“ bevorzugt, Frühe Hilfen als „die Gestaltung von sozialen Rahmenbedingungen, die den Kindern vor und nach ihrer Geburt ein möglichst belastungsarmes, anregungsreiches Aufwachsen und damit eine optimale Ausgangslage für das weitere Leben ermöglichen“. Diesem Aspekt wird in der vorliegenden Studie Rechnung getragen werden. Martin Hafen (2012, S.9) erarbeitet in seinem Bericht „aus der Perspektive der systemischen Präventionstheorie mit Bezug auf andere Wissenschaftsbereiche wie Entwicklungspsychologie, Neurobiologie oder Epigenetik Argumente für die These, dass eine gut ausgebaute Förderung und Bildung von Kindern die wirkungsvollste Prävention in Hinblick auf zahlreiche Probleme darstellt, welche die psychische und körperliche Gesundheit sowie die soziale Sicherheit beeinträchtigen. Es ist naheliegend, dass dieser Präventionsbezug bei der Frühen Förderung themenunspezifisch ausfällt. Es geht demnach bei der Frühen Förderung nicht explizit um die Prävention von Sucht, Gewalt, Depressionen oder Herz-/Kreislauf-Krankheiten, sondern um die Bereitstellung von Bedingungen für eine menschliche Entwicklung, die weniger durch solche und andere Probleme beeinträchtigt ist. Die präventionstheoretische Argumentationslinie zur gesellschaftlichen Notwendigkeit der Frühen Förderung wird hier nicht zuletzt verfolgt, weil im öffentlichen Diskurs um gesundheitliche und soziale Probleme immer wieder gefordert wird, Probleme nicht nur zu behandeln, sondern ihnen aktiv zuvorzukommen“. Hafen (2012, S.9) zeigt auf, „dass die Frühe Förderung eine Präventionsform ist, die einen grundsätzlichen Beitrag zur Verhinderung zahlreicher Probleme leistet und nicht nur (möglichst kostengünstig) eine Gesellschaft beruhigt, die sich über die Massenmedien in den Zustand der Daueralarmierung versetzt. Zudem handelt es sich um eine Form von Prävention, die nicht darauf ausgerichtet ist, die persönliche Handlungsfreiheit durch neue Verbote und Gesetze einzuschränken. Vielmehr erweitert sie die Freiheit der Familien, da sie für diese anspruchsvolle Zeit familiären Zusammenlebens neue Gestaltungsspielräume schafft und zudem die gesellschaftliche Anerkennung für die Leistungen ausdrückt, die Familien für die Gesellschaft erbringen“. 4

1.3. Warum Frühe Hilfen? Die Grundidee Früher Hilfen gründet auf dem Bestreben, problematische Sachlagen in Familien bereits in der Entstehungsphase aufzufangen (Bathke, 2014). Im Sinne der Resilienzforschung bzw. der salutogenetischen Orientierung werden, im Rahmen der Frühen Hilfen, nicht nur das Kind und die Familie schützende - protektive - Faktoren betrachtet, es sollen auch Faktoren, die sich stärkend bzw. fördernd auswirken, berücksichtigt werden. Vor allem „die Bereitstellung angemessener Umwelten für Eltern und Kind“ soll neben der individuellen Förderung zur Ausbildung solcher Resilienzfaktoren beitragen (Suess, 2010, S.195). Die

Zeit

der

Kindheit

und

der

Adoleszenz

stellt

die

Phase

mit

den

geringsten

Gesundheitsproblemen im Leben eines Menschen dar (Lange & Erdmann, 2006; zitiert nach Wille & Ravens-Sieberer, 2008). Dennoch sollte dieser Altersgruppe besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, da die spätere Gesundheit und das spätere Gesundheitsverhalten stark von dieser Phase geprägt werden (Lampert & Richter, 2006; Dragano & Siegrist, 2006; Helmert & Schorb, 2006; zitiert nach Wille & Ravens-Sieberer, 2008). Nach Sann und Schäfer (2008) ist die Zeitspanne der Schwangerschaft inklusive der Zeit rund um die Geburt, eine Zeit, in welcher Kontakt professioneller Einrichtungen mit Müttern und Vätern stattfindet. In diesem Rahmen ergibt sich somit die Gelegenheit, potenzielle Risikofaktoren zu erkennen, frühzeitig Angebote für die Betroffenen zu schaffen und eine Vertrauensbeziehung in Hinblick auf die Inanspruchnahme von Unterstützungssystemen aufzubauen. Die effektive und ganzheitliche Unterstützung von Kindern kann jedoch nur stattfinden, wenn die verschiedenen Institutionen aus dem Sozial- und Gesundheitsbereich eng verknüpft arbeiten, und Kinder und deren Familien für die jeweiligen Problemlagen angebrachte Unterstützung erhalten. Nach Tschöpe-Scheffler (2008, S.60) werden Erziehungsangebote für Familien immer wichtiger. „Traditionsabbruch und Wertepluralismus schlagen sich nicht zuletzt in Orientierungslosigkeit und Unsicherheiten in der Lebensführung nieder“. Neben einer Reihe von Merkmalen moderner Gesellschaften (Schnelllebigkeit, Leistungsdruck u.w.) nennt die Autorin auch das Anwachsen von Familien, welche armutsgefährdet sind, als Gründe für die steigende Relevanz von Unterstützungssystemen. Über Frühe Hilfen Netzwerke sollen auch Eltern erreicht werden, die ansonsten kaum erreicht werden. Angebote welche von einer großen Anzahl an Interessierten aufgesucht werden und somit nicht stigmatisierend wirken, sind hierfür am geeignetsten (z.B. Schwangerschaftsberatung). Dabei zeichnen sich Frühe Hilfen Angebote zum einen durch eine adäquate und den Bedürfnissen der 5

jeweiligen Familien entsprechende Hilfe, zum anderen aber auch durch die ressourcenschonende Versorgung, durch Vermeidung von Fehl- oder Doppelversorgung, aus (Paul, 2012).

2.  Forschung  Südtirol   2.1. Ausgangslage Südtirol -­‐

Es bestehen vielfältige Anbieter in Hinblick auf Frühe Hilfen, aber es fehlt der Gesamtüberblick.

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Es gibt eine Reihe von Projekten und Maßnahmen zu Frühe Hilfen, aber es bedarf der Erstellung eines Rahmenkonzepts mit Optimierungsvorschlägen.

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Es besteht aktuelles Interesse für Frühe Hilfen auf Landes- und Gemeindeebene mit inhaltlicher Verankerung im Familiengesetz des Landes (LG 8 vom 17.05.2013, insbesondere Art.7).

2.2. Forschungsstand In Südtirol gab es bisher keine einschlägige Untersuchung zum Thema Frühe Hilfen. Im deutschsprachigen europäischen Raum wurde bereits Forschungsarbeit zu Frühe Hilfen geleistet, an einer Verbesserung des Frühe Hilfen Systems gearbeitet und Netzwerke zu weiteren Entwicklungen geschaffen. Durch das vorliegende Forschungsprojekt soll das Grundlagenwissen zum Stand Früher Hilfen in Südtirol bereitgestellt und die intersektorale Zusammenarbeit und Diskussion zum Thema gefördert werden. Ergänzt mit den internationalen Erkenntnissen aus Wissenschaft und Praxis soll die Basis für die bedarfsgerechte Ausweitung bzw. Anpassung von Angeboten im Bereich Frühe Hilfen in Südtirol geschaffen werden.

2.3. Fragestellung Welche Maßnahmen, Angebote und Projekte stehen Familien in Südtirol im Bereich Frühe Hilfen zur Verfügung. Wie sind diese organisiert und vernetzt? Entsprechen die Angebote den Bedürfnissen der Empfänger und erreichen sie diese? Im Fokus stehen die Beschreibung von Angeboten und Maßnahmen für Eltern und Kinder zwischen 0 und 3 Jahren, sowie die Analyse der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Einrichtungen und der Fachpersonen. Das Angebot wird sowohl aus Sicht der AnbieterInnen, als auch aus Sicht der NutzerInnen untersucht. Es wird einerseits das Basisangebot für die gesamte Bevölkerung erhoben, andererseits die selektiven Präventionsmaßnahmen für Risikogruppen (Familien mit besonderen Belastungen). 6

Neben der Analyse von Organisation und System kommt auch den Bedürfnissen von Eltern und Kindern eine wichtige Rolle zu. Zum einen soll festgestellt werden, ob die Bedürfnisse von Eltern bzw. deren Kindern gedeckt werden, zum anderen aber auch, ob die Angebote den Bedürfnissen moderner Familien entsprechen. Am Ende des Forschungsprozesses werden die Stärken und Schwächen des Frühe Hilfen Systems in Südtirol herausgearbeitet, Vorschläge und Handlungsoptionen für die Verbesserung der professionellen, aber auch nicht-professionellen Unterstützung von Eltern und deren Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahren formuliert werden. Dabei soll eine frühzeitige und nachhaltige Unterstützung im Fokus der potenziellen Handlungsvorschläge sein.

2.4. Methodik Es wird ein multimethodaler Forschungsansatz gewählt. Aufbauend auf die drei allgemeinen Ebenen (Expertenebene, Elternebene, Stakeholder-Ebene), auf die die Untersuchung fokussiert, lässt sich das Forschungsprojekt zu Frühe Hilfen in Südtirol grob in fünf Unterebenen der Datenerhebung einteilen. Diese sollen im folgenden kurz beschrieben werden. Der Großteil der Forschung bezieht sich auf zwei Sprengeleinzugsgebiete in Südtirol. Das erste Sprengeleinzugsgebiet befindet sich im städtischen Umfeld, das zweite im ländlichen. Diese beiden wurden gezielt so ausgewählt, damit der Diversität der Südtiroler Bevölkerung, in Bezug auf Sprachgruppe, Siedlungsgebiet, soziale Zusammensetzung usw., genügend Rechnung getragen wird. Die Berücksichtigung eines möglichst breiten Feldes an Personen, welche zum Thema wichtige Informationen geben könnten, zieht sich durch die gesamte Forschungsmethodik. 1. Interviews mit ExpertInnen der Sprengeleinzugsgebiete Ausgehend von der Sprengelleitungsebene werden fortlaufend Experten verschiedener Bereiche (Gesundheit, Soziales, Erziehung) und Funktionen beider Sprengel für die Experteninterviews akquiriert. Anhand eines teilstrukturierten Interviews fokussieren die ersten Interviews folgende Themenbereiche: -­‐

Angebote für Eltern mit Kindern der entsprechenden Altersklasse

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Bedürfnisse der Eltern

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Vernetzung der ExpertInnen verschiedener Bereiche

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Zugang zu den Angeboten und Erreichbarkeit

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Verbesserungsvorschläge bezüglich des bestehenden Systems.

Die Interviews werden in Anlehnung an die Grounded Theory ausgewertet. Die Auswahl der 7

weiteren InterviewpartnerInnen sowie die Anpassung der Fragen werden aufbauend auf die ersten Ergebnisse durchgeführt. Insgesamt sollen 20 Interviews durchgeführt werden. Dabei werden Fachleute aus den verschiedenen Bereichen, welche sich zum einen aufgrund der Thematik der frühen Hilfen, als auch aufgrund der vorangegangenen Interviews, als wichtig erweisen können bzw. erwiesen haben, interviewt. Die Interviews werden allesamt registriert und anschließend transkribiert. In einer dialogischen Analyse zwischen den ForscherInnen und der Arbeitsgruppe Frühe Hilfen werden, während des Forschungsprozesses, die einzelnen Interviews kodiert. In ständiger Auseinandersetzung mit den Transkripten sollen in einem weiteren Schritt Auswertungskategorien und deren logische und inhaltliche Beziehung herausgearbeitet werden und schlussendlich ein Bild des zu beschreibenden Feldes liefern. Am Ende des Auswertungsprozesses soll so nicht nur ein umfassendes Bild über die Angebote der Sprengel, welche als repräsentatives Bild für die aktuelle Situation in Südtirol im Allgemeinen herangezogen werden können, sondern auch der Bedürfnisse der Eltern mit Kindern aus der besprochenen Altersklasse (von der Schwangerschaft bis zum Eintritt in den Kindergarten) entstehen. Eine kritische Reflexion, ob die Angebote den aktuellen Bedürfnissen gerecht werden, soll den gesamten Interviewprozess begleiten. Zudem sollen Gründe für die Erreichbarkeit bzw. Nicht-Erreichbarkeit

verschiedener

Elterngruppen

spezifiziert

und

potenzielle

zukünftige

Entwicklungen hinsichtlich eines erleichterten Zugangs angesprochen werden. Neben den Schwächen, sollen auch die Stärken des bestehenden Systems hier einen Raum finden und herausgearbeitet werden. 2. Datenanalyse Zu den beiden Sprengeleinzugsgebieten wird eine Datenanalyse durchgeführt. Die Datensammlung und Datenanalyse wird die vergangenen fünf Jahre berücksichtigen. Für die vorliegende Untersuchung werden folgende Daten als relevant angesehen: -­‐

Soziodemographische Daten: Bevölkerungszahl, Altersverteilung der Bevölkerung, Anzahl der Familien, Verteilung auf die Sprachgruppen, Anzahl der Kinder in der entsprechenden Altersgruppe,

Alter

der

Mütter

und

Väter,

Familiengröße,

Familien

mit

Migrationshintergrund, u.w. (Daten des ISTAT und ASTAT). -­‐

Daten des CEDAP („certificato di assistenza al parto“): Gesundheitliche, epidemiologische und soziodemographische Informationen zu den neugeborenen Kindern und deren Familien.

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Daten zu Einrichtungen für Kinder der entsprechenden Altersgruppe (Tagesmütter, Nidi, Kita): Wie viele Kinder werden in den entsprechenden Einrichtungen betreut? Anzahl von 8

Kindern, die pro Jahr neu aufgenommen wurden? Aufgrund der Diversität beider ausgewählter Sprengel kann davon ausgegangen werden, dass ein Überblick über das städtische und ländliche Milieu in Südtirol gegeben werden kann. Auch die Heterogenität der jeweiligen Bevölkerungsgruppen kann dargestellt werden. 3. Elternbefragung Die Elternbefragung zum Forschungsprojekt Frühe Hilfen findet in den Einzugsgebieten der beiden Sprengel, in welchen bereits die Experteninterviews durchgeführt wurden, statt. Im Rahmen der Auswahl der InterviewpartnerInnen sollen möglichst unterschiedliche „familiäre Situationen“ Berücksichtigung finden (soziales Milieu, Belastungshintergrund, Anzahl der Kinder, Alter der Kinder, Geschlecht der Eltern, Beschäftigungsverhältnis u.w.). Die Kontaktaufnahme der ForscherInnen zu den Eltern erfolgt einerseits über die relevanten Einrichtungen (Sprengel, Kitas usw.) andererseits wird auch ein neutraler Zugang (z.B. Geburtenabteilungen, Spielplatz usw.) gewählt. Die Durchführung von ca. 10 Interviews pro Sprengel umfasst folgende Themenbereiche: -­‐

Angebotsnutzung und Zufriedenheit mit den Angeboten

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Bedürfnisse der Familien

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Zugang sowie Erreichbarkeit der Dienstleistungen

-­‐

Verbesserungsvorschläge

Ein Leitfaden führt durch die Interviews. Die Interviews werden allesamt registriert und anschließend transkribiert. Die Auswertung erfolgt im Rahmen von Diplomarbeiten in Anlehnung an die Grounded Theory. 4. Erfassung von Modellprojekten Im Schneeballsystem werden landesweit besonders interessante Projekte für Eltern und Kinder von 0 bis 3 ermittelt und zusammenfassend beschrieben. Dabei wird eine standardisierter Erfassungsbogen verwendet. Die Angebote können mit zeitlicher Begrenzung, aber auch im Sinne eines Dienstes (ohne zeitliche Begrenzung) arbeiten. Die Erhebung bezieht sich auf das gesamte Südtiroler Einzugsgebiet und nicht wie die anderen Forschungsbausteine auf ein ausgewähltes Sprengelgebiet. Folgende Angaben zu den Modellprojekten werden erhoben: -­‐

Organisatorische Angaben (z.B. Einrichtung, Trägerorganisation, Einzugsgebiet, Alter und 9

Kontinuität des Angebots) -­‐

Angebotsspezifische Angaben (z.B. Zielgruppe, allgemeine Ziele, Aktivitäten des Angebots)

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Materialbezogene Informationen (z.B. Ressourceneinsatz, Budget, Finanzierungsquellen)

Bei der Erfassung von Modellprojekten geht es zum einen darum, Projekte, welche den Zielen Früher Hilfen entsprechen zu präsentieren, Fachpersonen des Bereiches näher zu bringen, und sie auf deren breite Implementierung zu überprüfen. 5. Stakeholder-Workshop Aufbauend auf die Ergebnisse der Experten- sowie der der Elterninterviews sollen mit landesweiten Stakeholdern und Schlüsselpersonen die Situation Früher Hilfen in Südtirol diskutiert und potenzielle zukünftige Entwicklungen erarbeitet werden. Der Workshop wird sich aus folgenden Schritten zusammensetzen: -­‐

Beschreibung des Projektes und Einführung in das Themengebiet der Frühen Hilfen

-­‐

Präsentation der Ergebnisse aus den Experten- sowie Elterninterviews

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Diskussion der Ergebnisse

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SWOT-Analyse

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Synthetisierung der Ergebnisse und Erarbeiten möglicher weiterer Schritte

6. Endbericht Die Ergebnisse der einzelnen Forschungsphasen, sowie die Aufarbeitung der Literatur und die Schlussfolgerungen sowie die Handlungsempfehlungen für die Praxis werden am Ende des Forschungsprojektes in einem Endbericht zusammengefasst. Dieser wird in deutscher und italienischer Sprache verfasst werden. 7. Arbeitsplan 1. Experteninterviews in den beiden Sprengeleinzugsgebieten: Januar – Dezember 2015 2. Datensammlung und –analyse: Dezember 2014 – Oktober 2015 -­‐

Zwischenbericht Dezember 2015

3. Erfassung von Modellprojekten: März – November 2015 -­‐

Zwischenbericht Dezember 2015

4. Elterninterviews: Durchführung April 2015 – September 2015 -­‐

Diplomarbeiten: abhängig von Diplomandinnen

5. Stakeholder Workshop: voraussichtlich April 2016 6. Zusammenführung sämtlicher Ergebnisse: 2016 10

7. Abgabe Endbericht

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Literatur   Bathke, S. A. (2014). Entwicklung, Praxen und Perspektiven Früher Hilfen. Sozialmagazin 39(7-8), 6-12. Fischer, J. (2014). Frühe Hilfen als lokale Innovation Sozialer Arbeit. Sozialmagazin 39(7-8), 3042. Hafen, M. (2012). ‚Better Together’ – Prävention durch Frühe Förderung. Präventionstheoretische Verortung der Förderung von Kindern zwischen 0 und 4 Jahren. Graphisch neu gestaltete, inhaltlich unveränderte Version des Schlussberichts zuhanden des Bundesamtes für Gesundheit. Luzern: Hochschule Luzern – Soziale Arbeit. Kindler, H. & Sann, A. (2010). Früherkennung von Risiken für Kindeswohlgefährdung. In R. Kißgen & N. Heinen (Hrsg.) Frühe Risiken und Frühe Hilfen. Grundlagen, Diagnostik, Prävention (S. 161-174). Stuttgart: Klett-Cotta. Nationales Zentrum Frühe Hilfen – Österreich (2015). Frühe Hilfen = Strategisch in die Zukunft denken. Verfügbar unter http://www.fruehehilfen.at/de/Wissen/Was-sind-fruehe-Hilfen.html [02.04.2015]. Paul, M. (2012). Was sind Frühe Hilfen? Frühe Kindheit. Die ersten sechs Jahre. Sonderausgabe 2012,

6-7.

Verfügbar

unter

http://www.fruehehilfen.de/fileadmin/user_upload/fruehehilfen.de/downloads/Fruehe_Kindh eit_2012_2_Auflage.pdf [19.01.2015]. Sann, A. & Schäfer, R. (2008). Das Nationale Zentrum Frühe Hilfen – eine Plattform zur Unterstützung der Praxis. In P. Bastian, A. Diepholz & E. Lindner (Hrsg.) Frühe Hilfen für Familien und soziale Frühwarnsysteme. (S. 103-121). Münster: Waxmann. Schone, R. (2011). Kinderschutz – Zwischen Frühen Hilfen und Gefährdungsabwehr. IzKK Nachrichten.

Kinderschutz

und

Frühe

Hilfen

1,

4-7.

Verfügbar

unter

http://www.bzga.de/infomaterialien/izkk-nachrichten/izkk-nachrichten-1-2010/ [19.01.2015]. Suess, G. J. (2010). Schritte zu einer effektiven, Freude bereitenden Elternschaft – das STEEP™Programm. In R. Kißgen & N. Heinen (Hrsg.) Frühe Risiken und Frühe Hilfen. Grundlagen, Diagnostik, Prävention (S. 194-208). Stuttgart: Klett-Cotta. Wille, N. & Ravens-Sieberer, U. (2008). Die neue Morbidität bei Kindern und Jugendlichen – Auswirkungen des familiären Kontextes und der sozialen Lage auf die Gesundheit. In P. Bastian, A. Diepholz & E. Lindner (Hrsg.) Frühe Hilfen für Familien und soziale Frühwarnsysteme. (S. 11-33). Münster: Waxmann. Wissenschaftlicher Beirat des NZFH (2009). Nationales Zentrum Frühe Hilfen. Was sind Frühe 12

Hilfen? Verfügbar unter http://www.fruehehilfen.de/fruehe-hilfen/was-sind-fruehe-hilfen/ [08.01.2015].

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