Forschungs- und Innovationsbedarf Nutztiere

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Gliederung 1.1 Vorbemerkung 1.2 Aktuelle Situation der Nutztierhaltung 1.3 Künftige Bedeutung der Nutztierhaltung 1.4 Struktur der Lebensmittelkette in der Produktion tierischer Lebensmittel und Konsequenzen für die Forschung 2. Ökonomische Aspekte einer nachhaltigen Nutztierproduktion 3. Ökologische Aspekte einer zukunftsfähigen, klima- und umweltfreundlichen Nutztierproduktion 4. Nachhaltige Nutztierproduktion in Koexistenz mit anderen Nutzungsformen im ländlichen Raum 5. Verbraucherakzeptanz der Nutztierproduktion der Zukunft 6. Empfehlungen der Arbeitsgruppen des Workshops am 17. August 2011

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1.1 Vorbemerkung Für die meisten Verbraucher sind Fleisch, Milch, Eier und Fischprodukte wichtige Bestandteile der Ernährung. Andererseits wird der hohe Fleischkonsum in Deutschland auch kritisch betrachtet. Die Erzeugung von Nahrungsmitteln tierischer Herkunft hat sich gewandelt. Die Anforderungen des Marktes, das steigende Wohlstands- und Lohnniveau, der internationale Handel mit tierischen Produkten und Futtermitteln sowie technische Fortschritte in Tierzucht, -haltung und -fütterung haben einerseits zu effizienten und arbeitsteiligen gleichwohl aber tierschutzgerechten Prozessen in der Tierhaltung geführt. Andererseits werden große Tierhaltungen von vielen Verbrauchern kritisch betrachtet und häufig diese Haltungsbedingungen kritisiert. Dabei sind die Einschätzungen, welche Tierbestände „groß“ sind, sehr unterschiedlich. Verschiedene Beratungsgremien haben sich mit diesen Zusammenhängen befasst, unter anderem der Wissenschaftlichen Beirat Agrarpolitik, nachhaltige Landbewirtschaftung und Entwicklung ländlicher Räume beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, sowie der Bioökonomierat der Bundesregierung. Die Bund/Länder – Arbeitsgemeinschaft „Landwirtschaftliche Erzeugung und Markt“ erhielt von der Agrarministerkonferenz im Herbst 2010 den Auftrag, die aktuellen Fragen und Probleme der Nutztierhaltung in Deutschland aufzugreifen und Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Entsprechend diesem Beschluss wurden zu den drei Kernthemen „Tierhaltung/Tierschutz, Immissionsschutz in der Tierhaltung sowie Bau- und Planungsrecht jeweils eine Arbeitsgruppe gebildet. Ziel ist es, die aus Sicht der Länder relevanten Konflikte und Fragen bei der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung in Deutschland zu identifizieren und Lösungsvorschläge (einschl. der erforderlichen Forschungsarbeiten) zu erarbeiten. Ein erster Zwischenbericht wird zur Herbst-AMK 2011 vorgelegt. BMELV führt eine breit angelegte gesellschaftliche Debatte zu den zentralen Herausforderungen zu den Themenfeldern Umwelt, Tierhaltung, Ernährungssicherung sowie Lebensmittelsicherheit, denen sich die Landwirtschaft und die Agrarpolitik stellen. In Workshops wurden Konsenspunkte und Schlussfolgerungen herausgearbeitet, Konflikte analysiert und Lösungsansätze skizziert. Ferner hat sich die Öffentlichkeit über das Internet an der Diskussion beteiligt. Die Ergebnisse dieses Prozesses werden am 25. Oktober in einer

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Abschlussveranstaltung zusammengeführt. Auf dieser Grundlage wird das BMELV im Herbst 2011 die „Charta für Landwirtschaft und Verbraucher“ erarbeiten. Die Ausarbeitung eines „Forschungs- und Innovationskonzepts Nutztiere“ ist in Zusammenhang mit dem Dialog-Prozess zur Charta für Landwirtschaft und Verbraucher beauftragt worden. Es sollte Bereiche aufzeigen, in denen weitere Forschung über eine nachhaltige Erzeugung tierischer Lebensmittel ergänzt werden muss. Der Entwurf wurde an die beteiligten Kreise verschickt und am 17. August 2011 in einem Workshop vorgestellt und diskutiert. Die Empfehlungen der vier Arbeitsgruppen sind im Abschnitt 6 als Schwerpunkt dieses Konzepts enthalten.

1.2 Aktuelle Situation in der Nutztierhaltung Die Nutztierhaltung befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichen Erfordernissen und gesellschaftlichen Wünschen. Auf der einen Seite sehen sich die Unternehmen durch den zunehmenden Wettbewerb und das preisbewusste Einkaufsverhalten der Verbraucher veranlasst, ihre Produktionskosten fortlaufend zu senken, sich mit Innovationen Wettbewerbsvorteile zu erarbeiten und mit neuen Produkten den Bedürfnissen der Verbraucher zu entsprechen. Auf der anderen Seite stehen viele der heutigen Produktionsmethoden der Nutztierhaltung und der Fleischwirtschaft in der pauschalen gesellschaftlichen Kritik, die häufig sachlich undifferenziert geführt wird. Bürger sind der Auffassung, dass moderne Haltungs- und Produktionsverfahren nicht mehr den gewünschten Vorstellungen von Tierschutz entsprechen. Auch die durch Nutztierhaltung verursachten Umweltbelastungen (u.a. Ammoniak-, Geruchs- und Lärmemissionen) werden kritisiert. Und nicht zuletzt haben die „Lebensmittelskandale“ und die ausführlich über die Medien transportierten Massentötungen von Nutztieren im Gefolge der Aviären Influenza und der Schweinepest sowie des zunehmenden Tierarzneimitteleinsatzes (insbesondere Antibiotika) die Gesellschaft verunsichert und Fragen zur Lebensmittelsicherheit und -qualität sowie zum Umgang mit Nutztieren aufgeworfen.

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1.3 Künftige Bedeutung der Nutztierhaltung Die Ernährungssicherung ist eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts und zwar im globalen Maßstab. Nach wie vor stellen Lebensmittel tierischer Herkunft eine wesentliche Grundlage für die langfristige bedarfsgerechte Versorgung mit hochwertigen Lebensmitteln und anderen notwendigen tierischen Produkten dar, die z.B. zur Herstellung von Lederwaren, Arzneimitteln, Kosmetika und Haustierfutter genutzt werden.

Tabelle 1:

Entwicklung des Verbrauchs tierischer Erzeugnisse von 1997-99 bis 2030 Gesamtverbrauch Mio. t/Jahr

Pro-Kopf-Verbrauch kg/Jahr

Ø1997-99

2015

2030

Ø1997-99

2015

2030

Industrieländer Rindfleisch Schweinefleisch Geflügelfleisch Milchprodukte 1)

30 37 29 255

31 40 38 273

32 41 46 284

22 28 22 195

23 29 28 203

23 29 33 209

Entwicklungsländer Rindfleisch Schweinefleisch Geflügelfleisch Milchprodukte 1)

28 50 32 204

41 70 61 329

56 84 96 452

6 11 7 45

7 12 11 55

8 12 14 66

1) Der Verbrauch von Milchprodukten wurde in Eiweißäquivalenten berechnet. Damit blieb der Fettgehalt der Milchprodukte unberücksichtigt. Quelle: FAO (2002): World agriculture: towards 2015/2030.

Quelle: Zukunft der Nutztierhaltung, Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Landbewirtschaftung und Entwicklung ländlicher Räume beim BMVEL, Januar 2005

Die Prognosen des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Landbewirtschaftung und Entwicklung ländlicher Räume bezüglich des Verbrauchs an tierischen Erzeugnissen bis zum Jahr 2030 lassen sich wie folgt zusammenfassen: –

In den Industrieländern wird die Nachfrage nach Nahrungsmitteln tierischer Herkunft, ausgehend von einem hohen Niveau, nur noch geringe Steigerungsraten aufweisen.



In den Entwicklungsländern wird die Nachfrage hingegen wesentlich schneller wachsen. Dies ist einerseits auf das stärkere Bevölkerungswachstum und andererseits auf den zunehmenden Pro-Kopf-Verbrauch, ermöglicht durch wirtschaftliches Wachstum, zurückzuführen.

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Im Jahr 2015 wird die Gruppe der Entwicklungsländer bei den Verbrauchsmengen in allen vier Verbrauchskategorien (Rind, Schwein, Geflügel, Milch) an der Gruppe der Industrieländer vorbeigezogen sein. Der weitaus größte Teil des Nachfragezuwachses wird auf Standorte in Asien und Südamerika entfallen.



Insgesamt wird die Erzeugung tierischer Nahrungsmittel von 1997-1999 bis 2030 um über 60 % zunehmen.

1.4

Struktur der Lebensmittelkette in der Produktion tierischer Lebensmittel und Konsequenzen für die Forschung

Die Produktion von Lebensmitteln tierischer Herkunft erfolgt in mehreren Stufen. Die Tierzucht bildet die Basis der Produktion von Lebensmitteln tierischer Herkunft. Durch sie werden die genetischen Grundlagen gelegt, die Bedeutung für alle folgenden Stufen haben können. Durch sie können in folgenden Stufen entstehende Probleme gelöst oder gemildert aber auch erzeugt werden. Ein Beispiel dafür ist das durch mangelnde Stressresistenz entstehende sogenannte PSE-Fleisch bei Schweinen. Nach erfolgreicher Forschung und Züchtung spielt das Problem „PSE-Fleisch“ heute kaum noch eine Rolle.

Die verschiedenen Stufen und Schnittstellen in der Erzeugung von Lebensmitteln tierischer Herkunft

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Die Schnittstelle bildet die Reproduktionsbiotechnologie, durch die die Ergebnisse der Zuchtarbeit in die breite Tierhaltung übertragen werden. Dabei spielt die künstliche Besamung weltweit die wichtigste Rolle. Die darauf folgende Stufe Tierhaltung umfasst die Bereiche Fütterung, Technik und Management. In dieser Stufe wirken sich die Zuchtergebnisse direkt aus und es werden die Grundlagen für die weiteren Stufen gelegt. Dieses Prinzip setzt sich über die folgenden Schnittstellen und Stufen fort, bis das Endprodukt vom Verbraucher konsumiert wird. Forschungsansätze im Bereich der Erzeugung von Lebensmitteln tierischer Herkunft müssen für die effektive Bearbeitung von Forschungsfeldern meistens mehrere Stufen gleichzeitig berücksichtigen. Forschungsfelder sind zum Beispiel Verbesserung des Tierschutzes, Vermeidung von negativen Umweltauswirkungen, Steigerung der Wirtschaftlichkeit, Verbesserung der Tiergesundheit etc. Dadurch nimmt die Bedeutung von interdisziplinären Forschungsvorhaben stark zu, da einzelne, spezialisierte Forschungsgruppen nicht mehr alle Stufen in geeigneter Weise bearbeiten können. So könnte beispielsweise das Ziel „Verbesserung des Tierschutzes durch Vermeidung der Ferkelkastration“ Forschungsarbeiten in allen dargestellten Stufen und Schnittstellen der tierischen Produktion erfordern: •

Tierzucht: Entwicklung einer züchterischen Bearbeitung von Merkmalen, die zur Entstehung von Ebergeruch führen



Reproduktionsbiotechnologie: Erhöhung des Anteils weiblicher Masttiere durch Einsatz von gesextem Sperma



Tierhaltung: Entwicklung von angepassten Haltungsverfahren in der Ebermast, Versuche zur Verringerung des Ebergeruchs durch angepasste Fütterung



Schlachtung: Entwicklung von automatisierten Techniken zur Detektion von geruchsbehaftetem Fleisch (elektronische Nase)



Verarbeitung: Entwicklung von Verarbeitungstechnologien zur Herstellung von Produkten, bei denen Eberfleisch ohne abträgliche Geruchs- und Geschmacksauswirkungen verarbeitet werden kann



Lebensmitteleinzelhandel/Verbraucher: Befragungen zur Akzeptanz der verwendeten Strategien,

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Fazit: •

Die effektive Bearbeitung von Forschungsfeldern erfordert die Bearbeitung von Problemen in den verschiedenen Stufen der Erzeugung von Lebensmitteln tierischer Herkunft.



Dies erfordert die Bildung von interdisziplinären Arbeitsgruppen, die untereinander gut vernetzt sind.



Eine Abarbeitung von einzelnen, eng umrissenen Forschungsprojekten ist ohne eine strategische Forschungsplanung, bei der die Forschungsfelder und Ziele gut definiert sind, nicht zielführend.

2. Ökonomische Aspekte einer nachhaltigen Nutztierproduktion Für die deutsche Landwirtschaft stellt die Nutztierhaltung die wichtigste Einkommensquelle dar. Von den knapp 40 Mrd. Euro Verkaufserlösen der deutschen Landwirtschaft entfallen rund 50 % auf tierische Erzeugnisse. Dabei ist D bei den Rindfleisch-, Schweinefleisch- und Milchprodukten Nettoexporteur. Allerdings werden hierfür zu nicht unerheblichen Teilen Futtermittel aus anderen Ländern importiert. Die gesellschaftliche Bedeutung der Nutztierhaltung kann jedoch nicht allein mit den Verkaufserlösen beschrieben werden. Zu den externen Leistungen in der Nutztierhaltung gehört u. a. die Pflege landwirtschaftlich strukturund ertragsschwacher, aber landschaftlich attraktiver Regionen. Die landwirtschaftlich genutzte Fläche in Deutschland liegt bei ca. 17 Mio. ha. Davon entfallen 5 Mio. ha bzw. 30 % auf Dauergrünland, das nahezu ausschließlich über die Tierhaltung – oder auch für die Erzeugung von Biomasse/ Bioenergie - genutzt werden kann. Die Tierhaltung hat eine bedeutende sozioökonomische Funktion im Hinblick auf Arbeitsplätze im ländlichen Raum, insbesondere auch in den der Tierhaltung vor- und nachgelagerten Bereichen.

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Tabelle 2:

Quelle: Bericht aus dem Bioökonomierat 03, Herausforderungen für eine zukunftsfähige Erzeugung von Lebensmitteln tierischer Herkunft, Berlin 2010, Seite 6

Um den Ausbau der Wertschöpfungskette „Nutztierhaltung“ in Deutschland mit den gesellschaftlichen Anforderungen in Einklang zu halten, bedarf es der Förderung aktueller Grundlagen- und angewandter Forschung. Die Forschung muss in erheblichem Umfang dazu beitragen, dass auch langfristig der weltweite Bedarf an Lebensmitteln und anderen Produkten tierischer Herkunft gedeckt werden kann. Dazu ist es erforderlich, •

neue Methoden und Verfahren mit einem sehr hohen Innovationspotenzial zu entwickeln und in die praktische Nutztierzucht, -haltung und -fütterung zu überführen,



wettbewerbsfähige Leistungen bei gleichzeitigem Wohlbefinden und Gesundheit der Tiere, einem effizienteren Ressourceneinsatz sowie einer Verbesserung von Klimaund Umweltschutz zu sichern,



durch geeignete ganzheitliche Methoden der Pflanzenzüchtung, des Pflanzen- und Futterbaus, der Futterkonservierung und -vorratswirtschaft phytogene Biomasse in ausreichender Menge und Qualität für die Tierversorgung unter Beachtung der Ressourcenschonung bereitzustellen,



die globale Ernährungssicherung als eine fächerübergreifende, gesamtgesellschaftliche und internationale Herausforderung zu verstehen und



Ansätze für eine ausgewogene Ernährung sowohl in den Industrienationen als auch in den Entwicklungsländern erfolgreich umzusetzen.

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3. Ökologische Aspekte einer nachhaltigen Nutztierproduktion Die Nutztierhaltung weist neben positiven externen Effekten auch negative Effekte auf die Umwelt auf. Der Wirtschaftsdünger ist wegen seiner spezifischen Eigenschaften ein wertvolles Wirtschaftsgut. Er enthält pflanzenverfügbare Nährstoffe in vielfältiger Zusammensetzung und Bindungsform, unterstützt das Bodenleben und trägt damit zur Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit und Humusbildung bei. Der Einsatz von Wirtschaftsdünger darf nur nach guter fachlicher Praxis und pflanzenbedarfsgerecht unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben (Düngeverordnung) erfolgen, schließt damit den Nährstoffkreislauf und reduziert den Einsatz von Mineraldünger. Zu diesem Zweck sind Art und Menge des Wirtschaftsdüngers sowie landwirtschaftliche Einzelmaßnahmen als Regelungstatbestände in der Düngeverordnung enthalten. Andererseits ist die Nutztierhaltung und der damit verbundene Umgang mit Wirtschaftsdünger auch eine bedeutende Quelle für feste, flüssige und luftgetragene Emissionen, die sowohl belästigend für Anwohner als auch schädigend für die Umwelt sein können (u. a. Ammoniak-, Treibhausgas-, Staub-, Geruchs- und Lärmemissionen, Mikroorganismen und Nährstoffeinträge in Gewässer , Tierarzneimittelrückstände und (antibiotikaresistente) Bakterien). Emissionen treten vermehrt bei starker regionaler Konzentration der Tierhaltung auf. Hohe Tierkonzentrationen erfordern ein konsequentes Gesundheits- und Hygienemanagement, um kein höheres Risiko für die Ausbreitung von Tierseuchen darzustellen. Die Beziehung zwischen der Nutztierhaltung und der Umwelt ist vereinfacht in Form eines Fließschemas in Abbildung 1 dargestellt.

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Abbildung 1: Input- und Output-Größen in der Nutztierhaltung Nutztierhaltung - Umwelt (schematisch) Gase, Stäube, Mikroorganismen, Toxine, Allergene Deutschland (geschätzt) Produkte

Luft

Viehbestand in Mio. Tieren

Futter

Rind Schwein Geflügel Schafe

15 25 96 2

Fleisch: 6 Mio. t/a Milch: 29 Mio. t/a Eier: 0,8 Mio. t/a

Gesamt in Mio. GVE

19

ca. 250 Mio. t/a

Wasser

Kot, Harn

GVE : Großvieheinheiten = 500 kg LM

Quelle: Zukunft der Nutztierhaltung, Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Landbewirtschaftung und Entwicklung ländlicher Räume beim BMVEL, Januar 2005, Seite 21

Bei der Tierhaltung werden Nährstoffe ausgeschieden, die vor allem in den Zentren der Tierproduktion nur zum Teil als Wirtschaftsdünger verwendet werden können und deren Beseitigung oder Aufarbeitung erhebliche Transportwege und Kosten verursachen würde. So gelangen große Mengen an Nitrat, Phosphat, Schwermetallen und eventuell anderen Stoffen (z. B. Keime und Krankheitserreger sowie Tierarzneimittel) über die Ausbringung von Wirtschaftsdünger und bei der Weidehaltung in die Umwelt. Gase, Gerüche, Stäube, Mikroorganismen und Endotoxine gehen vorrangig von Stallanlagen und Güllelagern aus. Quellen für die luftgetragenen Stoffe sind die Tiere und ihre Ausscheidungen sowie das Futter und die Einstreu. Andererseits ist die Nutztierhaltung und Landwirtschaft auch von anthropogenen Emissionen wie Schwermetallen oder Dioxinen betroffen, die vielfach aus industriellen Prozessen stammen und z. B. über das Tierfutter in die Lebensmittelkette gelangen können.

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4. Nachhaltige Nutztierproduktion in Koexistenz mit anderen Nutzungsformen im ländlichen Raum Die Nutztierhaltung weist in Deutschland eine starke regionale Konzentration auf. Betroffen sind insbesondere Regionen in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Bayern und SchleswigHolstein (Abbildung ). Aus den meisten Ackerbauregionen ist die Viehhaltung dagegen weitgehend abgewandert. Zwar hat die Konzentration der Tierbestände im vergangenen Jahrzehnt nur noch leicht zugenommen, eine Trendwende ist jedoch noch nicht erfolgt. Abbildung 2: Viehbestand und tierische Erzeugung in Deutschland im Jahr 1999

Vieheinheiten je ha LF *) 0,4 0,6 0,8 1,0

-

=< 0,4 =< 0,6 =< 0,8 =< 1,0 =< 1,5 > 1,5

*) Für Niedersachsen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, MecklenburgVorpommern und Thüringen wurden die Werte geschätzt, da die Daten auf Landkreisebene unvollständig sind. Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 3, Reihe 3, Landwirtschaftliche Bodennutzung und pflanzliche Erzeugung (1999); Statistisches Bundesamt Fachserie 3, Reihe 4, Viehbestand und tierische Erzeugung (1999); Statistische Landesämter, Reihe C III 1 - j/99; eigene Berechnungen.

Quelle: Zukunft der Nutztierhaltung, Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Agrarpolitik, Landbewirtschaftung und Entwicklung ländlicher Räume beim BMVEL, Januar 2005, Seite 30

In den Verdichtungsgebieten gibt es Umweltbelastungen und Risiken, die nicht nur für die Region, sondern auch überregional von Bedeutung sind. Zum einen kann der nicht optimale Einsatz wirtschaftseigener Düngemittel zu negativen Umweltwirkungen führen. In den fast viehlosen Ackerbaugebieten bleiben dagegen Chancen ungenutzt, Ackerbau und Tierhaltung ökologisch und ökonomisch vorteilhaft miteinander zu verknüpfen.

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Ein bedeutsamer Aspekt ist auch, dass im ländlichen Raum neben den landwirtschaftlichen auch industrielle und gewerbliche Arbeitsplätze vorhanden sind und weiter entstehen sollten. Landschaftsgestaltung und Umweltwirkungen der Tierhaltung sind möglichst mit den Anliegen der anderen Wirtschaftszweige abzugleichen. Je höher die Viehdichte in einer Region, desto größer ist auch die Gefahr der Verbreitung von spezifischen und unspezifischen endemisch verlaufenden Infektionskrankheiten und von Tierseuchen oder antibiotikaresistenten Bakterien. Die Kosten für den Schweinepestzug in Niedersachsen in den Jahren 1993 bis 1995 beliefen sich auf ca. 180 Mio. € für Entschädigung von Tierverlusten, Laborkosten und Marktstützungsmaßnahmen. In den Niederlanden wurden die Kosten für den Seuchenzug in den Jahren 1997/98 gar auf ca. 1,26 Mrd. € geschätzt.

5. Verbraucheraspekte der Nutztierproduktion Verbraucher beziehen zunehmend Aspekte der Gesundheit, ethische Gesichtspunkte des Fleischkonsums oder Tierschutz- sowie Umweltschutzaspekte der Erzeugung tierischer Nahrungsmittel in ihr Ernährungsverhalten ein. Für viele Verbraucherinnen und Verbraucher ist allerdings der Preis nach wie vor das wichtigste Kaufkriterium. In dem Maße, wie Verbraucher in der Lage sind, überdurchschnittliche Standards zu erkennen und gewillt sind, diese zu honorieren, können sich entsprechende Marktsegmente entwickeln. Staatliches Handeln ist dann erforderlich, wenn es darum geht, die Verbraucherinnen und Verbraucher vor irreführenden Informationen zu schützen. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher ist oft nicht erkennbar, unter welchen Prozessbedingungen die Waren tatsächlich hergestellt wurden. Hier sind einfach zu kommunizierende Kategorien und tierschutzbezogene Qualitätsniveaus zu entwickeln. Bei der Abschätzung der Erfolgsaussichten von Lösungsstrategien, die auf eine verbesserte Verbraucherinformation abzielen, ist zu bedenken, dass die Anforderungen an die Verbraucherinnen und Verbraucher mit der Anzahl unterschiedlicher Label immer mehr zunehmen. Verbraucherinnen und Verbraucher werden im Nahrungsmittelbereich z. B. mit (a) dem Biosiegel, (b) dem QS-Siegel und (c) zahlreichen Hersteller- und Handelsmarken konfrontiert. Insgesamt erscheint es fraglich, ob eine verstärkte Verbraucherinformation allein ausreicht, um wesentliche Impulse für eine gesteigerte Nachfrage nach Produkten tierischen Ursprungs aus besonders tiergerechter Haltung zu generieren.

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Allerdings könnte die Etablierung eines freiwilligen Tierschutzlabels die Möglichkeit eröffnen, auf marktwirtschaftlicher Basis sowohl den Wünschen der Verbraucher nach tiergerechter produzierten Lebensmitteln als auch den ökonomischen Erfordernissen der Produzenten und der nachgelagerten Kette nachzukommen. Damit Verbraucherinnen und Verbraucher einem freiwilligen Tierschutzlabel vertrauen können, sollten unabhängig erarbeitete und anerkannte Standards als Maßstab dienen. Weitere Voraussetzungen aus verbraucherpolitischer Sicht sind Unabhängigkeit, Überprüfbarkeit und Transparenz von Prüfprozess und Zeichenvergabe. So sollten insbesondere die Zeichen von einer unabhängigen, objektiven und fachlich kompetenten Stelle vergeben, Verstöße innerhalb des Zertifizierungssystems wirksam sanktioniert und die Vergabekriterien dokumentiert und veröffentlicht werden. Im Hinblick auf die unterschiedlichen Verhaltensweisen von Verbraucherinnen und Verbrauchern besteht noch erheblicher Forschungsbedarf.

6. Empfehlungen der Arbeitsgruppen anlässlich des Workshops am 17. August 2011 Ziele der Workshops: Bestandsaufnahme der bestehenden Forschungsaktivitäten und kritische Analyse des kurz-, mittel- und langfristigen Forschungsbedarfs in den Forschungsbereichen Tierschutz/ Tierhaltung/ Tiergesundheit/ Tierzucht, sowie Ökonomie, Nachhaltigkeit, Ländliche Räume wobei selbstverständlich gesehen wird, dass sich diese Themen gegenseitig beeinflussen. In den vier Workshops wird das jeweilige Thema aber in den Mittelpunkt der Betrachtung gestellt.

6.1 Empfehlungen des Workshops Tierschutz/ Tierhaltung Der Workshop wurde von : Prof. Dr. E. von Borell durch ein Impulsreferat eingeleitet und von Prof. Dr. Dr. h.c. T. Mettenleiter moderiert. Aufgabenstellung in der „Nutztierhaltung“: Unversehrte, gesunde Tiere erzeugen in bedarfs- und verhaltensgerechter Haltung mit getrennten Funktionsbereichen in sozial verträglichen Gruppen unter ökonomisch akzeptablen und nachhaltigen Bedingungen.

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Die aufgestellten Forschungs- und Innovationsfelder wurden explizit Tierarten-übergreifend erstellt und beinhalten ausdrücklich sowohl die klassischen Nutztierarten (Rind, Milchvieh, Schwein und Geflügel) als auch neue Nutztiere (z.B. Aquakulturen, Kaninchen, Wildtiere, „Exoten“, etc.). Eine Unterscheidung von Forschung zu konventioneller und ökologischer Nutztierhaltung wurde im Detail nicht vorgenommen. Eine Spezifizierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt wurde als nicht zielführend erachtet, da durch eine auf die verschiedenen Tierarten bzw. Haltungsverfahren ausgerichtete Auflistung langfristige, übergreifende Ziele ggf. außer Acht gelassen würden. Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass jegliche Haltungsform permanent überprüft und optimiert werden sollte. Alle aufgestellten Forschungs- und Innovationsfelder beinhalten auch Untersuchungen zur Wirtschaftlichkeit, Nachhaltigkeit und Akzeptanz (Verbraucher aber auch Umfeld). Neue bzw. verbesserten Haltungssysteme müssen akzeptabel und praktikabel sein. Forschungsbedarf (kurz und mittelfristig): 6.1.1. Tierwohl-Indikatoren •

Validierung und Anwendung bestehender Tierwohl-Indikatoren



Entwicklung und Etablierung einer neuen Generation von Tierwohl-Indikatoren unter Einbeziehung von Biomarkern



Entwicklung verbesserter und neuer Messsysteme (objektivierte, automatisierte Erfassung)



Indexsysteme: Aggregation von verschiedenen Indikatoren zu Gesamtindices

Wissenschaftliche Tierwohl-Indikatoren existieren. Kurzfristig besteht aber Forschungsbedarf zur Validität und Verlässlichkeit einzelner Indikatoren sowie zur Praktikabilität der Umsetzung bei der Erfassung/Erhebung. Zudem wird in diesem Bereich eine kontinuierliche Weiterentwicklung auch des nationalen Bewertungsrahmens Tierhaltungsverfahren sowie die Definition objektiv messbarer, praxisgerechter Tierwohl-Kriterien notwendig sein, damit die Tierwohl-Indikatoren auch in Zukunft den Stand des Wissens reflektieren. Grundsätzlich müssen tierbezogene Indikatoren validierbar sein, unter Feldbedingungen erhoben und möglichst automatisierbar erfasst werden können. Die Indikatoren sollten so beschaffen sein, dass sie sich für Betriebsbewertungen (u.a. im Rahmen von Labelproduktion, zum Benchmarking), für eine nationale Berichterstattung, zu Zuchtzwecken aber auch für Politikfolgeabschätzungen nutzen lassen. Neben den am einzelnen Tier zu erfassenden Indikatoren sollten verschiedene Datenquellen wie z.B. die Angaben der Fleischbeschau am

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Schlachthof, die Aufzeichnungspflichten der Betriebe zu Mortalität und Medikamenteneinsatz, die Ergebnisse aus Kontrollen (z.B. Cross-Compiliance) geprüft werden. Neben tierbezogenen Indikatoren, d.h. direkt am Einzeltier erhobenen Gesundheits- und Verhaltensindikatoren, ressourcenbezogenen Indikatoren, d.h. baulich-technischen Merkmalen, sowie management-bezogenen Indikatoren sollte mittelfristig auch die Erarbeitung „neuer“ Indikatoren geprüft werden. In diesem Zusammenhang sollte die Entwicklung von Biomarkern berücksichtigt werden. Grundsätzlich sollten kurz- und mittelfristig die Methoden zu Erfassung von validierten Indikatoren weiterentwickelt werden. Im Vordergrund stehen hier die schnelle, kostengünstige und ggf. automatisierte Erfassung von Einzeldaten, sowie die anschließende Verarbeitung und Zusammenführung von verschiedenen Indikatoren, z.B. in einem Index. Eine mittel- bis langfristige Forschungsaufgabe stellt die Entwicklung von Aggregationssystemen für eine Gesamtbewertung der Tiergerechtheit dar. Dabei stellt nicht nur die Verknüpfung von gesundheits- und verhaltensbezogenen Indikatoren mit Fragen der Kompensation und Gewichtung eine Herausforderung dar. Die Definition von Grenzwerten (z.B. akzeptabler Anteil lahmender Kühe) wird zudem eine gesellschaftliche Beteiligung erforderlich machen. 6.1.2. Weiterentwicklung bestehender Haltungssysteme •

Kontinuierliche Überprüfung und Verbesserung der bestehenden Haltungssysteme

Die bestehenden Haltungssysteme sind das Ergebnis von langfristigen Entwicklungen und Anpassungen an die Anforderungen der Tierhaltung. Ein Bedarf zur Analyse und Verbesserung dieser Haltungssysteme insbesondere unter Berücksichtigung sich ändernder Anforderungen besteht fortwährend. Dies trifft sowohl auf die konventionelle als auch auf die ökologische/alternative Tierhaltung zu. Für beide Haltungsformen besteht ein kurz- und mittelfristiger Forschungsbedarf zur Weiterentwicklung und Verbesserung der bestehenden Systeme unter besonderer Berücksichtigung der Vermeidung von Eingriffen am Tier. In den letzten Jahrzehnten wurden die Haltungsverfahren unter Wahrung der gesetzlichen Tierschutzauflagen überwiegend in Bezug auf Wirtschaftlichkeit sowie Hygiene, Tiergesundheit und Lebensmittelsicherheit entwickelt. Zukünftig müssen weitere Anforderungen wie Tierwohl und Umweltschutz maßgeblich berücksichtigt werden. Dieser Forschungsbedarf beinhaltet auch Untersuchungen zur Verbesserung der Abläufe am

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Schlachthof (Weiterentwicklung von Tötungs- und Betäubungsmethoden, Transport etc.), sowie Untersuchungen zu Fütterungsregimen, zur bedarfsgerechten Ernährung und zur Futterverwertung. 6.1.3. Tierzucht •

Entwicklung verbesserter Selektionsmerkmale und Strategien für das Tierwohl und die Tiergesundheit z.B. Robustheit (Krankheitsresistenz), Lebensleistung



Optimierung von Systemen zur Erfassung von Merkmalen und Leistung in der Tierzucht



Konkretisierung (Quantifizierung) der Begriffe Biodiversität und genetische Vielfalt



Entwicklung und Verbesserung von tierzüchterischen Methoden und Technologien zur erfolgreichen Umsetzung von Zuchtzielen

Zuchtziele in einer modernen Tierhaltung müssen neben den primären Leistungsmerkmalen (z.B. Milchleistung, Gewichtszunahme) auch die Tiergesundheit umfassend berücksichtigen. Faktoren wie Robustheit und Langlebigkeit, aber auch Futterverwertung spielen hierbei eine wichtige Rolle. Es gilt, objektiv, einfach und wiederholbar erfassbare Merkmale zu entwickeln. Systeme zur Merkmalserfassung müssen so gestaltet werden, dass sie auch als Frühwarnsysteme bei Fehlentwicklungen dienen können. Die Zuchtziele müssen auf Basis der zu entwickelnden Tierwohl-Indikatoren überprüft werden. In diesem Zusammenhang muss z. B. die Spezialisierung von Zuchtlinien oder Rassen auf einzelne Merkmale zugunsten einer „Mehrnutzung“ hinterfragt werden. Dies erfordert entsprechende Studien. Zur Vermeidung von Qualzuchten ist eine konkrete Definition dieses Begriffes erforderlich. Die Reduktion von Zuchtlinien in der Tierhaltung wird als kritisch angesehen. Ohne einen breiten, genetischen Pool ist eine moderne Tierhaltung anfällig gegenüber sich ändernden Rahmenbedingungen (z.B. Klimaänderungen, neuen Infektionskrankheiten, Wassermangel, Futtermittel etc.). Zur Erhaltung der genetischen Vielfalt der Nutztiere besteht somit ein umfassender Handlungsbedarf, der durch Forschung begleitet werden muss. Ein Forschungsbedarf besteht auch in der Entwicklung und Verbesserung der tierzüchterischen Methoden. Fragen der gesellschaftlichen Akzeptanz müssen berücksichtigt werden.

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6.1.4. Tiergesundheit: Schutz vor Tierkrankheiten und Zoonosen •

Entwicklung von neuen Tierseuchenkontrollkonzepten: Vermeidung der Tötung von Tieren bei Tierseuchenausbrüchen (Diagnostika, moderne (Marker)-Impfstoffe)



Risikoanalysen unter sich ändernden Haltungsbedingungen, wie z.B. Strukturwandel (Haltungsdichten, -formen, Nutztierarten) oder klimatischen Veränderungen (emerging diseases, Vektorforschung)

Verschiedene Veränderungen der extrinsischen (wie Klima, Vektoren und Struktur/ Wettbewerb) und intrinsischen (wie Populationsgrößen, Nutztierarten) Faktoren wirken sich unmittelbar auf die Tiergesundheit und damit die Bedingungen für die Nutztierhaltung aus. Dies erfordert eine Neubewertung des dadurch veränderten Risikos für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie die Entwicklung geeigneter Managementoptionen. Eine vertiefte Diskussion der Aspekte zur Tiergesundheit konnte aus zeitlichen Gründen nicht stattfinden. 6.1.5. Management von Tierhaltungsbetrieben •

Entwicklung und Implementierung von Benchmarkingsystemen



Entwicklung, Optimierung und Umsetzung von Tiergesundheitsplänen



Managementunterstützung im landwirtschaftlichen Betrieb, (automatisierte, (objektivierte Datenerfassung und –nutzung)

Die Unterschiede zwischen Betrieben mit vergleichbaren Haltungsverfahren sind sowohl in Bezug auf das Tierwohl als auch in Bezug auf die Leistung z.T. sehr groß. Daher wird die Entwicklung einer automatisierten Erfassung von Indikatoren mit einer entsprechenden Informationsverarbeitung als vordringlich angesehen. Hierbei ist die Entwicklung von Benchmarkingsystemen für die verschiedenen Haltungsformen unter Einbeziehung von Tierwohlindikatoren ein essentieller Bestandteil. Die erforderlichen Einzeltierdaten müssen dem Landwirt in einer entsprechend aufbereiteten und verwertbaren Form bereitgestellt werden (keine Datenflut), damit sie ihn bei Managemententscheidungen unterstützen können. Tiergesundheitspläne, wie sie sich z.B. aus der Schweinehaltungshygieneverordnung ergeben, sollten weiterentwickelt und auch für andere Tierarten eingeführt werden. 6.1.6 Innovationsbedarf (langfristig) •

Optimierung und Unterstützung der regionalen Wertschöpfungskette unter Berücksichtigung der Ressourcenverfügbarkeit und Klimaveränderung



Entwicklung neuartiger Nutzungs- / Haltungskonzepte (Systeminnovationen)

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Auffällig ist, dass von den vielen in Forschungsprojekten entwickelten und in Demonstrationsvorhaben vorgestellten Innovationen nur ein sehr geringer Anteil in die Praxis umgesetzt wird. Daher ist kurzfristig zu untersuchen, welche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung von Innovationen aus der Forschung in die Praxis gegeben sein müssen. Langfristig muss die Optimierung der regionalen Wertschöpfungskette im Vordergrund stehen. Eine Kostenführerschaft auf dem Weltmarkt erscheint langfristig unter Berücksichtigung von Ressourcen und Klimaänderungen sowie angesichts der gesellschaftlichen Anforderungen an eine moderne Tierhaltung nicht realisierbar. Hierzu sind entsprechende Analysen erforderlich. In langfristigen, integrativ umfassenden Verbundansätzen sollten neue, innovative Formen der Tierhaltung entwickelt und untersucht werden. Solche Projekte zur „Systeminnovation“ sollten losgelöst von den bisherigen Systemen unter Beteiligung aller gesellschaftlichen Gruppen (Verbrauchern, Produzenten, Wissenschaftler, etc.) die Anforderungen an die Tierhaltung definieren und darauf aufbauend technische Lösungen entwickeln. Innovative Tierhaltungssysteme sollten auch Möglichkeiten der Mehrfachnutzung, Ressourceneffizienz und Tierschutz (Mischkulturen, Weidesysteme, Kreislaufwirtschaft) realisieren. Eine begleitende Untersuchung und Anpassung an die Erfordernisse und Wünsche des Marktes, der Verbraucher und des Umweltschutzes ist erforderlich.

6.2 Empfehlungen des Workshops Ökonomie Der Workshop wurde von Prof. Heißenhuber durch ein Impulsreferat eingeleitet und von Prof. Isermeyer moderiert. Aufgabenstellung in der Ökonomie Die ökonomische Forschung befasst sich mit Fragen der Systemoptimierung. Dabei werden gesellschaftliche Akzeptanz, Haltungsverfahren, Konzentration der Tierhaltung, Tiergesundheit und Anforderungen des Marktes gleichzeitig betrachtet. Bei der vergleichenden Beurteilung von Produktionssystemen ist zu beachten, dass ein bestimmtes System in aller Regel nicht bezüglich aller Kriterien überlegen ist, sondern bei einigen Kriterien besser und bei anderen schlechter als die konkurrierenden Systeme. Für eine Verbesserung der tatsächlichen Verhältnisse in der Tierproduktion durch die Politik können drei Ansatzstellen genutzt werden:

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Bessere Kontrolle der Einhaltung bestehender Auflagen,



Verschärfung der Auflagen,



Finanzielle Anreize für Verbesserungen, die über den gesetzlich vorgeschriebenen Standard hinausgehen.

Folgende Forschungsfelder werden als besonders wichtig angesehen: 6.2.1 Vergleichende Beurteilung unterschiedlicher Produktionssysteme •

Bewertung von Haltungsverfahren durch die Verbraucher



Systembewertung verschiedener Haltungsverfahren



Vergleich unterschiedlicher Produktionsintensitäten



Analyse unterschiedlicher Bestandsgrößen

Zum einen wird es als sehr wichtig empfunden, die Verbraucherperspektive explizit einzubeziehen. Hierbei geht es um gegenwarts- und zukunftsbezogene Fragestellungen: Wie bewerten unterschiedliche Verbrauchergruppen die verschiedenen Haltungsverfahren und deren mögliche Weiterentwicklung durch die Agrarforschung. Wie würde sich diese Bewertung bei den Kaufentscheidungen niederschlagen, und welche Rolle spielt dabei die Kommunikation (Labelling)? Um solche Fragen zu klären, reichen ad-hoc-Befragungen nicht aus. Vielmehr muss im interdisziplinären Verbund unter Einbeziehung nicht-agrarischer Expertise wie z. B. Psychologie, Soziologie und Kommunikationswissenschaften eine neue, nachhaltig tragfähige Forschungskonzeption entwickelt werden. Zum anderen ist es wichtig, die verschiedenen Haltungsverfahren und mögliche Alternativen aus fachwissenschaftlicher Sicht einer umfassenden Systembewertung zu unterziehen. Hierbei sollten alle relevanten Kriterien einbezogen werden (Tierschutz, Biosicherheit, Emissionen, Wettbewerbsfähigkeit, …). Auch hier ist ein interdisziplinärer Ansatz erforderlich. Beim Vergleich der Produktionssysteme aus fachwissenschaftlicher und aus Verbraucherperspektive wird insbesondere der Vergleich unterschiedlicher Produktionsintensitäten für wichtig erachtet. Hierbei geht es zum einen um den Vergleich von high-input zu low-input Systemen (z. B. extensive vs. Intensive Grünlandnutzung), zum anderen um den Vergleich unterschiedlich hoher Tierleistungen (z. B. Hochleistungsrassen vs. lokale Landrassen).

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Neben der vergleichenden Analyse unterschiedlicher Produktionsintensitäten ist ferner die vergleichende Analyse unterschiedlicher Bestandsgrößen von besonderem Interesse. Auf der einen Seite führt der wirtschaftliche Wettbewerb weltweit zu einem ständigem Wachstum der durchschnittlichen Bestandsgrößen, auf der anderen Seite steht die „Massentierhaltung“ im Zentrum der kritischen gesellschaftlichen Debatte. 6.2.2 International vergleichende Analyse von Produktionssystemen •

Umfassender Vergleich der Produktionssysteme



Bewertung unterschiedlicher Tierschutz- und Umweltauflagen

Da die deutsche Nutztierhaltung eng in den internationalen Wettbewerb eingebunden ist, wird es als vordringlich erachtet, für die wichtigsten Tierarten systematische internationale Vergleiche anzustellen. Auch hierbei steht die umfassende Bewertung der Produktionssysteme im Vordergrund (Tierschutz, Emissionen, Wettbewerbsfähigkeit, …). Die Frage, wie sich unterschiedliche Tierschutz- und Umweltauflagen auf die Produktionskosten und die Wettbewerbsfähigkeit auswirken, sollte mit hoher Priorität in Angriff genommen werden. Darüber hinaus soll in diesen Untersuchungen aber auch analysiert werden, wie andere Länder ihre gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Nutztierhaltung weiterentwickeln, um dort den veränderten Herausforderungen zu begegnen, welche Erfahrungen mit den dortigen Ansätzen gemacht wurden und welche Möglichkeiten zur Übernahme erfolgreicher Ansätze es gibt. Die Analysen sollen sich nicht auf Europa beschränken, sondern auch wichtige Übersee-Standorte einschließen. 6.2.3 Experimentelle Verbesserung von Produktionssystemen •

Aufbau unterschiedlicher Produktionssysteme an Versuchsstandorten und Bewertung



Einrichtung eines Netzes von Produktionsbetrieben unterschiedlicher „Systemphilosophie“ und Durchführung überregionaler Betriebsvergleiche

Zwar stehen bei dieser Aufgabe die nicht-ökonomischen Teildisziplinen der Agrarforschung (z. B. Tierhaltung, -ernährung, -zucht, Agrartechnik, Grünlandwissenschaft) primär in der Verantwortung, doch sollte bei der Konzipierung entsprechender Forschungsverbünde darauf geachtet werden, Ökonomen von vornherein einzubeziehen. Sie müssen abschätzen, wie sich das angestrebte Resultat der Gemeinschaftsforschung (z. B. ein verändertes Gefügelhaltungsverfahren) im Wettbewerb behaupten würde und wie der Staat (z. B. durch

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Investitionsförderung) oder die Lebensmittelwirtschaft (z. B. durch den Aufbau von Vermarktungswegen) die Wettbewerbsfähigkeit verbessern könnten. Für die Entwicklung praxisrelevanter Produktionssysteme und für den Technologietransfer in die landwirtschaftliche Praxis hinein wäre es wichtig, an ausgewählten Versuchsstandorten unterschiedliche Systeme unmittelbar nebeneinander zu etablieren und zu optimieren (z. B. high-input, low-input). Dabei sollte zunächst einmal nicht die Frage im Vordergrund stehen, welches System das bessere ist, sondern die Frage, wie die verschiedenen „SystemPhilosophien“ in sich optimiert werden können, um zu einem jeweils optimalen Ergebnis zu führen. Der Systemvergleich würde parallel mitlaufen. Wichtig ist die langfristige Ausrichtung solcher Konzepte, denn Stärken und Schwächen bestimmter Systeme werden oft erst nach Jahren deutlich. Optimal wäre es, diesen stationären experimentellen Ansatz in ein Netz von Praxisbetrieben einzubinden, die sich der einen oder anderen „Systemphilosophie“ verschreiben und ihre Ergebnisse in überregionale Betriebsvergleiche einbringen. Solch ein Gesamtkonzept könnte eventuell von der DAFA begleitet und aus Mitteln der 2. Säule der GAP finanziert werden; es ist zu erwarten, dass die Versuchsstandorte auch für die Beratung der Landwirte und für die Kommunikation mit der allgemeinen Bevölkerung wertvolle Wirkung entfalten würden. Die Gesamtaktivität müsste in jedem Fall vom Bund und (allen bzw. einigen) Ländern gemeinschaftlich in Angriff genommen werden, da der gesamte Bogen von der Beratung (Länderzuständigkeit) bis zur überregional bzw. international abgestimmten Analyse zu spannen ist. Prinzipiell ließe sich solch ein Konzept für alle Tierhaltungszweige etablieren. Da die Rinderhaltung durch besonders langfristige Produktionszyklen charakterisiert ist und die Problemfelder „Grünlandumbruch“, „Nutzungskonzepte für Mittelgebirgsstandorte“, „Grundfutterleistung“ sowie „Nutzungsdauer der Milchkühe“ an Bedeutung gewinnen, würde es sich anbieten, das Themenfeld „Rinderhaltung/Grünland“ vorrangig in den Blick zu nehmen. 6.2.4 Institutionelle Innovationen in der Wertschöpfungskette •

Möglichkeiten zur Verbesserung der Verbraucherinformation durch Labelling



Verbesserung des Informationstransfers in der Wertschöpfungskette



Wirtschaftlichkeit geänderter Zuchtziele

Mehrere Herausforderungen im Problemfeld „Nutztiere“ lassen sich nicht oder nur unzureichend bewältigen, solange die wissenschaftliche Analyse nur die Ebene der

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landwirtschaftlichen Produktion in den Blick nimmt. Das betrifft zum einen Themen, die überhaupt nicht auf der Ebene der Landwirtschaft angesiedelt sind z. B. Tiertransporte, Schlachtung, sowie Gesundheitliche Aspekte des Fleischkonsums. Zum anderen betrifft es aber auch Aspekte, die die gesamte Wertschöpfungskette einschließlich der Landwirtschaft umfassen. Bezüglich dieser kettenbezogenen Fragestellungen wurde an mehreren Stellen Forschungsbedarf identifiziert. Zum einen gibt es unterschiedliche Einschätzungen und offene Fragen bezüglich der Möglichkeit, durch Labelling (z.B. Tierschutzlabel) Verbraucher über unterschiedliche Prozessqualitäten zu informieren. Daher gilt es zu klären, zu welchen Mehrkosten und zu welchen Preisdifferenzen unterschiedliche Konzepte der Marktsegmentierung führen würden. Zweitens ist näher zu untersuchen, mit welchen Organisationskonzepten der Informationstransfer innerhalb der Wertschöpfungskette so verbessert werden kann, dass die in späteren Gliedern der Kette gemessenen Parameter (z.B. Schlachtkörperbefunde) an die Landwirte rückgekoppelt werden. Auch die Frage, wie solche Information besser für die Anpassung der Produktionsprozesse auf den Betrieben nutzbar gemacht werden kann, verdient eine nähere Analyse. Drittens ist zu untersuchen, wie eine gesellschaftlich eventuell für wünschenswert gehaltene Veränderung der Zuchtziele in der Wirtschaftsrealität herbeigeführt werden kann. Dieses ist eine sehr komplexe Forschungsaufgabe, die nur durch ein Zusammenwirken von Tierzüchtern und Ökonomen erfolgversprechend in Angriff genommen werden kann und außerdem eine sehr enge Kooperation mit der Wirtschaft erfordern. Veränderte Zuchtziele werden sich nur durchsetzen, wenn Landwirte eine veränderte Nachfrage nach Genetik an den Tag legen, und das wird in der Breite des Agrarsektors nur dann der Fall sein, wenn die Landwirte für die veränderten tierischen Produkte entweder Preisaufschläge oder staatliche Förderbeträge erhalten. 6.2.5 Verbesserung der Gülleverwertung •

Wirtschaftlichkeit von Gülleaufbereitungsverfahren



Entwicklung von Organisationskonzepten zur Lösung der Gülleproblematik

Die derzeitige Verwendung der Gülle aus Tierställen und der Gärreste aus Biogasanlagen ist insbesondere in Konzentrationsgebieten oft umweltgefährend (Überdüngung). Andererseits sind die Potenziale, die die Gülleverwendung aufgrund ihres Nährstoffgehaltes für den deutschen Agrarsektor bieten könnte (Ersatz von Mineraldüngern), noch bei weitem nicht

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ausgeschöpft. Vor diesem Hintergrund war die Entwicklung technologischer Konzepte zur Gülleaufbereitung (u.a. mit dem Ziel des überregionalen Nährstofftransports) in der Vergangenheit mehrfach Gegenstand intensiver Forschungsförderung, und auch gegenwärtig wird an solchen Konzepten gearbeitet. Ob diese technologischen Arbeiten zu einem Durchbruch führen, der in der Folgezeit eine rein marktwirtschaftliche Lösung des Problems ermöglicht (kostengünstiger und risikoarmer Nährstofftransfer in Ackerbauregionen), ist allerdings fraglich. Für den Fall, dass hier keine bahnbrechende technologische Lösung gelingt, müssen auf der Grundlage des derzeitigen Standes der Technik Organisationskonzepte entwickelt werden, die eine (ggf. politisch erzwungene oder geförderte) Problemlösung ermöglichen. Dies erfordert interdisziplinäre Forschungskonzepte, bei denen der angewandten Ökonomie eine führende Rolle zukommt. Bei der Bearbeitung der ökonomischen Kernaufgabe (Entwicklung NutzenKosten-optimaler Gesamtkonzeptionen) sind Verarbeitungs-, Transport- und Ausbringungskosten unterschiedlicher Konstellationen zu beachten (Gemeinschaftsanlagen, Güllebörsen etc.), aber auch die Frage der umweltpolitischen Administrier- und Kontrollierbarkeit. Weitere Forschungsdisziplinen sind einzubeziehen, um wichtige Fragen wie z.B. „Hygienisierung“, „Güllezusätze“ oder „Bewertung verschiedener Substrate“ angemessen zu berücksichtigen und auf diese Weise zu umsetzbaren Lösungskonzepten zu gelangen. 6.2.6 Regionale Verteilung der Nutztierhaltung •

Entwicklung von Konzepten für die regionale Weiterentwicklung der Tierhaltung

Die starke regionale Konzentration der Nutztierhaltung hat den Verdichtungsregionen einerseits wirtschaftliche Vorteile gebracht, andererseits aber auch emissionsbedingte Umweltbelastungen und erhöhte Tierseuchenrisiken. Eine gleichmäßigere räumliche Verteilung der Tierhaltung wird deshalb in politischen Debatten seit langem thematisiert. Sie ist jedoch von wenigen Ausnahmen abgesehen bisher nicht eingetreten. In der Wirtschaftsrealität haben sich Viehhaltungsbetriebe in den Verdichtungsgebieten oft erfolgreich dafür eingesetzt, dass ihre Entwicklungsmöglichkeiten nicht beschnitten werden, und andererseits haben investitionsbereite Betriebe in den Entleerungsräumen oft feststellen müssen, dass ihnen bei jenen Bestandsgrößen, die sie für betriebswirtschaftlich notwendig erachten, Widerstand der lokalen Bevölkerung entgegenschlägt.

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Bei dieser anhaltend schwierigen Gesamtlage wäre es wichtig, dass die ökonomische Forschung erfolgversprechende und umsetzbare Konzepte für die regionale Weiterentwicklung der Tierhaltung entwickelt.

6.2.7 Tierhaltung, Weltmärkte und Welternährung •

Verbraucheraufklärung im Bezug auf Fleischkonsum



Bewertung einheimischer gegenüber importierter Futtermittel

In der gesellschaftspolitischen Debatte um die Nutztierhaltung spielen auch entwicklungspolitische Argumente immer wieder eine Rolle. Diese werden zumeist kontrovers diskutiert; eine umfassende wissenschaftliche Analyse der Kernargumente ist allerdings bisher nicht erfolgt. So wird beispielsweise vorgetragen, der weltweit steigende Fleischkonsum führe dazu, dass immer mehr Getreide an Nutztiere verfüttert werde. Bei einem reduzierten Fleischkonsum stünden entsprechend mehr Nahrungsmittel für Bedürftige in Entwicklungsländern zur Verfügung. Daraus wird bisweilen die Forderung abgeleitet, die Politik solle eine Reduzierung des Fleischkonsums anstreben, zumal sie dadurch zugleich auch einen Beitrag zur Verbesserung der Gesundheit unserer Bevölkerung leisten könnte. Eine andere Argumentationslinie hebt darauf ab, dass die deutsche Tierproduktion in einem erheblichem Maße auf der Basis von Importfuttermitteln aus Überseeländern stattfinde und dass es auch für die Bewohner jener Länder besser sein, wenn die deutsche Tierproduktion auf Basis von Futtermitteln stattfände, die in Deutschland erzeugt werden könnten. Daraus wird die Forderung abgeleitet, die Politik solle den Import von Futtermitteln behindern und/oder finanzielle Anreize für eine Steigerung der heimischen Eiweißfutterproduktion geben. Aus agrarökonomischer Fachsicht lassen sich gegen beide Argumentationslinien Gegenargumente ins Feld führen, die theoretisch schlüssig begründet sind. Nur führt es nach den bisherigen Erfahrungen nicht weiter, immer wieder aufs Neue einen argumentativen Schlagabtausch vorzunehmen, bei dem aus Sicht der Politik am Ende Argument gegen Argument steht, aber keine gründliche wissenschaftliche Bewertung erfolgt ist. Das spricht dafür, auch dieses Themenfeld in die Liste der förderungswürdigen Forschungsthemen aufzunehmen.

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6.3 Empfehlungen des Workshops Ländlicher Raum Der Workshop wurde von Frau Prof. Tamásy durch ein Impulsreferat eingeleitet und von Prof. Weingarten moderiert. Ländliche Räume erfüllen gesellschaftliche Funktionen, zu denen die Nutztierhaltung in regional unterschiedlicher Weise positiv und negativ beiträgt: •

Produktions-, Versorgungs-, Wirtschafts- und Arbeitsplatzfunktion



Siedlungs- und Wohnfunktion, Erholungs- und Tourismusfunktion



Umwelt- und Naturschutzfunktion

Hinsichtlich der Wirtschafts- und Arbeitsplatzfunktion weist der Workshop „Ländlicher Raum“ starke Bezüge zum Workshop „Ökonomie“ auf, hinsichtlich der Umwelt- und Naturschutzfunktion zum Workshop „Nachhaltigkeit“. Bei der Betrachtung des ländlichen Raums standen früher „Raumtypen“ im Mittelpunkt, heute werden dagegen stärker Akteure und Akteursgruppen wissenschaftlich beleuchtet. Forschungsbedarf wird insbesondere in folgenden Bereichen gesehen: 6.3.1 Gesellschaftliche Akzeptanz moderner Tierhaltung •

Was bedeutet „gesellschaftliche Akzeptanz“? Wie kann man diese messen? Welche Indikatoren kann man dafür heranziehen?



Was sind die Bestimmungsgründe für „gesellschaftliche Akzeptanz“?



Gibt es unterschiedliche Entwicklungen in vergleichbaren Regionen und falls ja welche Gründe gibt es dafür?

Die sehr ungleiche räumliche Verteilung der Nutztierhaltung fördert Konflikte zwischen der Wohnbevölkerung und den Tierproduzenten. Geplante Neubauvorhaben zur Tierproduktion stoßen zunehmend auf auf eine geringe Akzeptanz der Wohnbevölkerung und Probleme bei der Baugenehmigung. Wissenschaftlichen Untersuchungen zur Akzeptanz moderner Tierhaltungsverfahren kommt daher für die Zukunft der Nutztierhaltung eine wichtige Bedeutung zu. Hierbei geht es sowohl um die subjektive Problemwahrnehmung und um objektiv messbare Auswirkungen (Emissionen, Verkehrsbelastung etc.) als auch um Verfahren, wie mit Konflikten bestmöglich umgegangen werden kann. Zu untersuchen wäre z.B., ob sich Tierproduktionsanlagen auf die Wertentwicklung von Wohnimmobilien

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auswirken und ob ein Zusammenhang mit dem Weg- oder Zuzug von Wohnbevölkerung besteht.

6.3.2 Regionalwirtschaftliche Bedeutung der Nutztierhaltung •

Welche Bedeutung hat die Nutztierhaltung (einschl. des vor- und nachgelagerten Bereichs) für die regionale wirtschaftliche Entwicklung?

Die Nutztierhaltung ist heute in komplexe Produktionsnetzwerke eingebunden (s.u.). Die Bedeutung der Tierproduktion für die Wirtschafts- und Arbeitsplatzfunktion ländlicher Räume geht damit weit über den Anteil der in der Tierproduktion Beschäftigten hinaus. Die Regionen, in denen das Agribusiness eine überdurchschnittliche wirtschaftliche Bedeutung hat, sind in der Regel veredlungsstarke Regionen. Räumlich differenzierte Analysen, die die sich ändernden Rahmenbedingungen (Globalisierung, Agrar- und Umweltpolitik, sinkende gesellschaftliche Akzeptanz für bestimmte Produktionsweisen) in Betracht ziehen, sind erforderlich, um die regionalwirtschaftliche Bedeutung der Nutztierhaltung zu untersuchen. Dabei ist für bestimmte Regionen auch der Einfluss der Tierproduktion auf den Tourismus zu analysieren. Dieser Einfluss kann positiv (Erhalt von Gründlandregionen, Anblick weidender Tiere) als auch negativ (Geruchsemissionen durch große Stallsysteme sowie durch Gülle- und Stallmistausbringung) sein. 6.3.3 Umweltwirkungen der regionalen Konzentration der Tierhaltung Zum generellen Forschungsbedarf zu den Umweltwirkungen der Tierhaltung wird hier auf Kapitel 6.4 verwiesen, zum Forschungsbedarf bezüglich der regionalen Verteilung der Tierhaltung auf Kapitel 6.2.6. Bestimmte Tierproduktionssysteme ermöglichen den Erhalt naturschutzfachlich wertvoller Flächen wie extensives Grünland und sorgen für eine landwirtschaftliche Flächennutzung an Standorten, die als reine Ackerbaustandorte kaum ökonomische Chancen hätten. Forschungsbedarf besteht, ob solche Nutzungssysteme auch unter veränderten Rahmenbedingungen (z.B. Preisentwicklungen bei Milch und Rindfleisch, Auslaufen der Milchquote) aufrechterhalten werden oder ob der Erhalt naturschutzfachlich wertvoller Flächen durch eine Intensivierung der Produktion oder durch die Aufgabe der Nutzung bedroht wird.

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6.3.4 Steuerung der räumlichen Entwicklung der Tierproduktion durch das Fach- und Ordnungsrecht •

Rechtswissenschaftliche Analyse der Möglichkeiten des Fach- und Ordnungsrechts zur räumlichen Steuerung der Tierproduktion

Ein wichtiger Forschungsaspekt erfasst die rechtswissenschaftliche Analyse der Möglichkeiten des Fach- und Ordnungsrechts zur räumlichen Steuerung der Tierproduktion, um gesellschaftlich unerwünschte Entwicklungen zu vermeiden. Vergleichende Analysen sollten sowohl innerhalb von Deutschland als auch innerhalb der EU (z. B. Vergleich der Situation in Deutschland mit der in den Niederlanden oder Dänemark) durchgeführt werden. Neben der rechtlichen Situation sollte dabei auch die Umsetzung des bestehenden Rechts in die Analysen einbezogen werden. Forschungsbedarf besteht ferner darin, wie gesellschaftlich unerwünschte Entwicklungen ermittelt werden können. 6.3.5 Indirekte Wirkungen von Förderpolitiken auf die regionale Entwicklung der Tierhaltung •

Wirkungen des EEG auf Tierproduktion bzw. Biogasanlagen sowie die jeweilige Pflanzenproduktion (Maisanbau). Verdrängt der Bau von Biogasanlagen Investitionen in die Tierproduktion?

Förderpolitiken, die nicht auf die Tierhaltung zielen, können indirekte Wirkungen entfalten, die für die Tierproduktion bedeutsam sind. Ein Beispiel hierfür ist das Gesetz für die Förderung Erneuerbarer Energien (EEG) mit seinen Anreizen zur Biogasproduktion. Forschungsbedarf besteht, ob der Bau von Biogasanlagen Investitionen in die Tierproduktion verdrängt oder ob durch bessere Verwertungsmöglichkeiten für Gülle eher positive Anreize vom EEG auf die Tierproduktion ausgehen. Regional differenziert zu untersuchen ist auch, welche Auswirkungen das EEG über steigende Pacht- und Kaufpreise für Boden auf die Wettbewerbsfähigkeit der Tierproduktion hat und wie die „Vermaisung“ der Landschaft auf die Tourismuswirtschaft wirkt. 6.3.6 Agrarische Produktionsnetzwerke und Globalisierung •

Systembeziehungen der multiskalaren Produktionsnetzwerke der Tierproduktion.



Steuerung in Produktionsnetzwerken (formale/informelle Institutionen, Rolle des Nationalstaates, Rolle des Lebensmitteleinzelhandels etc.)

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Struktur, Organisation und räumliche Auswirkungen von ökonomischen Globalisierungsprozessen



Produktivitätssteigerungen im Einklang mit dem Nachhaltigkeitsziel zur Deckung der weltweit wachsenden Nachfrage

Forschungsbedarf besteht hinsichtlich des besseren Verständnisses der Produktionsnetzwerke und der darin mitwirkenden Akteure Produzenten, Konsumenten, Staat, Arbeitnehmer, Gewerkschaften, etc. Nicht einzelne Betriebe, sondern multiskalare Produktionsnetzwerke, durch die tierische Produkte hergestellt werden, stehen im globalen Wettbewerb. Eine Schlüsselfrage ist, wie die Machtverhältnisse in diesen Produktionsnetzwerken verteilt sind. Kulturelle Kontexte beeinflussen die Produktionsnetzwerke, wobei Unterschiede von Region zu Region, Land zu Land, auftreten. Ein Beispiel ist die Käfighaltung und die Rolle der Staaten als Akteure hierbei. Weltweite Entwicklungen wirken nicht nur auf das einzelne Unternehmen, sondern auf ganze Produktionsnetzwerke. Über die Bedeutung global agierender Unternehmen sowie über deren Einfluss auf die Entwicklung von Produktionsnetzwerken wissen wir zu wenig. So gibt es in Deutschland Weltmarktführer in Tierproduktionstechnik, über deren Bedeutung für die Produktionsnetzwerke aber nicht viel bekannt ist. Ökonomische Globalisierungsprozesse greifen in die Entwicklung von Struktur und Organisation von Produktionsnetzwerken ein und haben erhebliche räumliche Auswirkungen. Hierzu liegen nur unzureichende Erkenntnisse vor. Räumlich differenzierte Analysen zur Bedeutung der Tierhaltung (einschl. vor- und nachgelagerte Bereiche) für die Entwicklung ländlicher Räume unter sich ändernden Rahmenbedingungen (Globalisierung, Agrar- und Umweltpolitik etc.) werden als wichtiges Forschungsfeld angesehen. 6.3.7 Unternehmereigenschaft, Innovationskultur und deren Einfluss auf die Tierhaltung •

Innovationskultur landwirtschaftlicher Betriebe, wie breitet sich Innovation aus? Welche Rolle spielen dabei welche Institutionen?



Unternehmereigenschaft in der Landwirtschaft? Welche Rolle spielt die Person des Landwirts als Akteur im Produktionsnetzwerk?

Die Ausgestaltung und Funktionsweise von Innovationssystemen in der Agrarwirtschaft, die Bedeutung von implizitem Wissen, Diffusion von Innovationen, Rolle informeller und

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formeller Institutionen wird als wichtiges Forschungsfeld betrachtet. Dabei sind personenbezogene, betriebsbezogene und kontextbezogene Faktoren für eine nachhaltige Tierproduktion zu betrachten. Forschungsgegenstand ist die ganzheitliche Betrachtung des Unternehmertums in der Landwirtschaft als Glied in dem Produktionsnetzwerk der Tierproduktion.

6.4 Empfehlungen des Workshops Nachhaltigkeit Der Workshop wurde von Prof. Rahmann durch ein Impulsreferat eingeleitet und von Prof. Flessa moderiert. Ziel ist eine Bestandsaufnahme bestehender Forschungsaktivitäten und die Analyse des Forschungsbedarfs (Forschungsbereiche und Forschungsfragen) zum Thema „Nachhaltigkeit in der Nutztierhaltung“. Der Workshop fokussiert hierbei auf die vorgegebene Fragestellung der ökologischen Nachhaltigkeitskriterien. Die Bewertung der Nachhaltigkeit von Produktionsverfahren erfordert die Einbeziehung ökonomischer sowie sozialer und ethischer Nachhaltigkeitskriterien. Die Bewertung der Nachhaltigkeit allein auf der Basis ökologischer Indikatoren ist nicht möglich. Konflikte zwischen Bevölkerung und Landwirtschaft entstehen durch eine große Diskrepanz zwischen einem verniedlichten Gesellschafts- und Pressebild der Landwirtschaft und der Realität auf den Betrieben der Gegenwart. Der ökologische Landbau besitzt ein vorbildhaftes Nachhaltigkeitskonzept. Ein Vergleich von ökologischen und konventionellen Betrieben zeigt jedoch, dass beide Landbauformen hinsichtlich der Nachhaltigkeitsindikatoren gute und schlechte Betriebe aufweisen. Das Ziel muss sein, leicht verständliche und erhebbare Nachhaltigkeitsindikatoren zu entwickeln, so dass Landwirte ihre Betriebe vergleichen (Benchmarking) und sich an besseren Kollegen orientieren können. Es ist sinnvoll eine Bewertung der Nachhaltigkeit produktbezogen durchzuführen. Folgender Forschungsbedarf wurde identifiziert: 6.4.1 Luftgetragene Belastungen (Treibhausgase, Ammoniak, Stäube, Geruchsbelastungen, Bioaerosole, Lärm): •

Harmonisierung der Messverfahren und Messprotokolle



Bewertung neuer Produktionsverfahren (z.B. offene Stallsysteme, neue Düngeverfahren)



Überprüfung und Eingrenzung von Emissionsfaktoren

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Ausbreitung und Wirkungsketten von Bioaerosolen



Modelle zur besseren Beschreibung der Transmission und Immission im Umfeld von Tierhaltungsanlagen



Entwicklung und Verbesserung von Modellen zur regionalen Hintergrundbelastung



Bewertung von Minderungsmaßnahmen (Minderungseffizienz, Kosteneffizienz, Umsetzbarkeit)

Die Nutztierhaltung (einschließlich Futterproduktion) ist die Hauptursache der klima- und umweltrelevanten Emissionen von Methan (CH4), Lachgas (N2O) und Ammoniak (NH3) in Deutschland. Durch die Konzentration der Nutztierhaltung auf bestimmte Regionen und Stallneubauten für sehr große Tierbestände steigt weiterhin das Risiko der Belastung und der gesundheitlichen Beeinträchtigungen der umliegenden Bevölkerung. Für neue Haltungsverfahren liegen unzureichend Messungen über luftgetragenen Belastungen vor. Auch hinsichtlich der Überprüfung und Eingrenzung vorhandener Emissionsfaktoren besteht Handlungsbedarf. Um die potentiellen Gefahren durch luftgetragene Belastungen von Tierhaltungsanlagen besser einschätzen und bewerten zu können, bedarf es auch der Vereinheitlichung von Messverfahren und Messprotokollen. Um Entscheidungen über bestehende und geplante Anlagen treffen zu können, ist es zusätzlich nötig, Modelle zur regionalen Hintergrundbelastung sowie zur Transmission und Immission im Umfeld von Tierhaltungsanlagen zu verbessern. Emissionsminderungsmaßnahmen müssen hinsichtlich ihrer Minderungseffizienz, Kosteneffizienz und Umsetzbarkeit überprüft werden, um sicher zu stellen, dass sie effektiv arbeiten und praxistauglich sind. 6.4.2 Themenkomplex Böden: •

Ursache-Wirkungsanalyse von Bodenbelastungen (z.B. Medikamente, Schwermetalle)



Wirkung von Antibiotika aus der Tierproduktion in Böden



Prozessketten regionaler Nährstoffbelastungen (z.B. N, P) von Böden und ihre Rückkopplung auf die Belastung von Gewässer und Atmosphäre; Identifizierung von Risikoregionen



Einfluss von Bodenbelastungen auf die Produktqualität (z.B. Freilandhaltung von Hennen)

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Entwicklung regionaler Konzepte für ein nachhaltiges Humus- und Nährstoffmanagement



Bewertung von Maßnahmen zur Prävention und Minderung von Bodenbelastungen (Minderungseffizienz, Kosteneffizienz, Umsetzbarkeit)

Durch den Einsatz von Antibiotika und Medikamenten in der Nutztierhaltung können Böden über den Wirtschaftsdünger oder den Weidegang bzw. Freilauf der Tiere mit den entsprechenden Wirkstoffen kontaminiert werden. Um die Belastung von Böden bewerten zu können, sind Ursachen-Wirkungsanalysen sowie Untersuchungen zur Umsetzung der Wirkstoffe in Böden erforderlich. Dies gilt in gleichem Maße für andere Belastungsquellen, wie der Schwermetallbelastung in den tierischen Ausscheidungen, die hauptsächlich durch Zink und Kupfer aufgrund der Supplementierung dieser Mineralstoffe in der Fütterung entsteht. Im Gegenzug muss geklärt werden, in welchen Regionen Bodenbelastungen einen negativen Einfluss auf die Qualität landwirtschaftlicher Produkte haben. Zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit bei gleichzeitiger Vermeidung von umweltbeeinträchtigenden Nährstoffanreicherungen in Böden sind regionale Konzepte für ein nachhaltiges Humus- und Nährstoffmanagement erforderlich. Um die Nachhaltigkeit von Minderungs- und Präventionsmaßnahmen einzuschätzen, ist es wiederum nötig deren Minderungseffizienz, Kosteneffizienz und Umsetzbarkeit in der Praxis zu bewerten. 6.4.3 Themenkomplex Wasserbelastung: •

Bewertung der Ausbreitungspfade und Wirkungsketten von Keimbelastungen



Analyse der Umsetzungsprozesse und Bewertung der Gefährdungspotenziale von Medikamentenrückständen aus der Tierproduktion



Analyse und Bewertung von Prozessketten der Nährstoffbelastungen (z.B. N, P) von Grundwasser und Oberflächengewässer



Identifizierung von Risikoregionen



Bewertung von Maßnahmen zur Prävention und Minderung der Gewässerbelastung (Minderungseffizienz, Kosteneffizienz, Umsetzbarkeit)

Auch Grund- und Oberflächengewässer werden durch Stoffeinträge aus der Nutztierhaltung belastet. Über Erosionsvorgänge und Auswaschung besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Bodenbelastung und der Belastung von Grund- und Oberflächengewässern.

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Auch luftgetragene Belastungen können aufgrund der Deposition Oberflächengewässer in ihrer Qualität beeinträchtigen. Insofern treffen die in den Themenkomplexen Luft und Boden genannten Forschungsbereiche auch auf die Wasserbelastung zu. Es ist nötig, das Gefährdungspotential durch Keimbelastungen und Medikamentenrückstände zu klären, um die Risiken für Gesundheit und Umwelt zu identifizieren und Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Die Entstehung und die Prozesse der Nährstoffbelastungen sind weitgehend bekannt. Regionale Konzepte und effiziente Strategien zur Minderung der Gewässerbelastung sind jedoch noch immer eine drängende Herausforderung für Politik und Forschung. 6.4.4 Themenkomplex Biodiversität: •

Positive und negative Auswirkung von Haltungsverfahren und regionalen Agrarstrukturen auf Indikatoren der Biodiversität (z.B. Grünlandwirtschaft)

Von der Nutztierhaltung können positive aber auch negative Impulse für die Biodiversität ausgehen. Einerseits ist die Haltung von Wiederkäuern entscheidend für die Inwertsetzung und den Erhalt von Grünlandflächen, andererseits sind der Wandel in der Rinderfütterung hin zu maisbasierten Futterrationen sowie die Intensivierung beim Anbau der Futtermittel wichtige Ursachen dafür, dass die Biodiversität in Deutschland rückläufig ist. Es werden innovative Konzepte der Nutztierhaltung und Fütterung benötigt, die den Erhalt der Artenvielfalt sichern und fördern und negative Auswirkungen der Nutztierhaltung auf die Biodiversität mindern. 6.4.5 Nachhaltigkeitsindikatoren: •

Entwicklung von breit einsetzbaren, offen zugänglichen und dynamischen Modellsystemen zur Bewertung der Nachhaltigkeit der Produktion tierischer Erzeugnisse (nationale Verbundherausforderung unter Einbeziehung aller Beteiligten) zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung in der Nutztierhaltung. Ziele dieses Forschungsbereichs sollten u. a. sein:



Die Definition von Mindeststandards (nach Produktionssystemen und regionalen Produktionsbedingungen differenziert)



Die Optimierung von Produktionssystemen



Vergleichende Analyse von Managementsystemen (Benchmarking)



Analyse von Interaktionen verschiedener Nachhaltigkeitsindikatoren



Praxisorientierte Darstellung von Positivbeispielen

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Entwicklung von einfach umsetzbaren Informationssystemen zur transparenten Bereitstellung von Betriebsdaten für die Bewertung der Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit der Produktion

Ein wichtiger Ansatzpunkt zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung in der Nutztierhaltung ist die vergleichbare Bewertung der Nachhaltigkeit der Produktion. Hierfür wird ein offen zugängliches, dynamisches Modellsystem zur Bewertung der Nachhaltigkeit benötigt. Für die Schaffung einer verlässlichen Grundlage für ein solches Modell sind umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten nötig. Interaktionen zwischen den verschiedenen Nachhaltigkeitsindikatoren müssen analysiert und bewertet werden. Daraufhin können differenziert nach Produktionssystem und Region individuelle NachhaltigkeitsMindeststandards definiert werden, die die Bewertung landwirtschaftlicher Betriebe hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit ermöglichen. Dazu ist ein Informationssystem nötig, dass es auf einem einfachen transparenten Wege erlaubt, die für das Modell notwendigen Daten der landwirtschaftlichen Betriebe für die Bewertung der Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit der Produktion zu erhalten. Best-Practice-Betriebe einer umweltfreundlichen, tiergerechten und wirtschaftlichen Erzeugung sind zu identifizieren. 6.4.6 Nachhaltige Eiweißstrategie: •

Steigerung der N-Effizienz in der Fütterung in unterschiedlichen Produktionssystemen



N-Effizienz unterschiedlicher Proteinträger



Entwicklung von Alternativen zur Soja-basierten Proteinfütterung



Bewertung und Weiterentwicklung heimischer Körnerleguminosen

Die Steigerung der N-Effizienz in der Fütterung ist ein zentraler Ansatzpunkt zur Minderung negativer Umweltwirkungen der Nutztierhaltung. Zudem ist es sinnvoll die Soja-basierte Fütterung auf den Prüfstand zu stellen und die Effizienz des Einsatzes alternativer Proteinträger zu prüfen und zu verbessern, um beispielsweise im Falle der Körnerleguminosen den doppelten Vorteil der heimischen Produktion und der Einsparung der N-Düngung nutzen zu können. Es ist nötig, für die verschiedenen Produktionsrichtungen der Rinderhaltung (Fleisch, Milch) ökobilanzierte Maßnahmen zur Steigerung der N-Effizienz zu entwickeln. Inhaltsstoffe von Futterkomponenten können züchterisch beeinflusst und

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optimiert werden. Regional optimierte Eiweißstrategien für intensive und extensive Produktionssysteme sind zu entwickeln. 6.4.7. Weitere übergreifende Forschungsbereiche: •

Entwicklung und Bewertung von ressourceneffizienten Tierproduktionsverteilungsmodellen (positive und negative Wirkungen der Dezentralisierung, Entzerrung von Ballungsgebieten)



Entwicklung emissionsarmer Stallsysteme auf der Basis der Anforderungen einer tiergerechten Tierhaltung



Analyse der Wirkung der Flächenkonkurrenz von Nutztierhaltung und Bioenergie für die Nachhaltigkeit der Nutztierhaltung



Standortdifferenzierte Bewertung der Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit unterschiedlicher Leistungsniveaus der Produktion von Rindfleisch und Milch; Ableitung regional differenzierter, angepasster Produktionsintensitäten



Analyse effizienter Maßnahmen zur Förderung der ökonomischen Attraktivität von Grünland



Analyse und Bewertung der Leistungen der Nutztierhaltung für den Erhalt von Grünland, die Pflege der Kulturlandschaft, den Erhalt von Biodiversität sowie für das Bild einer „lebendigen Landschaft“

Viele Fragen der Nachhaltigkeit der Nutztierhaltung sind auch mit der Bildung von Ballungsräumen der tierischen Produktion verknüpft. Ressourceneffiziente Tierproduktionsverteilungsmodelle (positive und negative Wirkungen der Dezentralisierung, Entzerrung von Ballungsgebieten) sollten als langfristige Planungsbasis entwickelt und interdisziplinär analysiert werden. Der Verlust von Grünland wurde einhellig als bedenklich gewertet und eine Analyse effizienter Maßnahmen zur Förderung der ökonomischen Attraktivität von Grünland gefordert. In diesem Zusammenhang steht auch die Analyse und Bewertung der nicht zu vernachlässigenden Leistungen der Nutztierhaltung für den Erhalt von Grünland, die Pflege der Kulturlandschaft, den Erhalt von Biodiversität sowie für das Bild einer „lebendigen Landschaft“. Allerdings müssen Strategien entwickelt werden, die sicherstellen, dass die Nutztierhaltung diese Kriterien auch erfüllt. Dazu muss beispielsweise eine standortdifferenzierte Bewertung der Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit unterschiedlicher Leistungsniveaus der Produktion von Rindfleisch und Milch durchgeführt werden, um regional differenzierte, angepasste Produktionsintensitäten ableiten zu können.

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Bei den meisten Forschungsbereichen ist eine intensive Vernetzung von Fachdisziplinen erforderlich. Die ökologischen Nachhaltigkeitskriterien können nicht losgelöst von ökonomischen Betrachtungen bewertet werden. Es wird weiterhin Freiraum für ein „visionäres Denken“ im Bereich der Nutztierhaltung eingefordert, das prinzipielle Fragen aufgreift (z.B.: Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit der Ausdehnung der Nutztierhaltung; wie könnte eine medikamentenfrei, klimaneutrale, nachhaltige, vom Verbraucher unterstützte Nutztierhaltung aussehen?). Die zunehmende Entfernung des Verbrauchers von der Realität der landwirtschaftlichen Produktion, an der auch der Agrarsektor aktiv beteiligt ist, muss abgebaut werden, Produktionssysteme müssen transparent sein. Es ist allgemeiner Konsens der Workshopteilnehmer, dass die stärkere Implementierung von interdisziplinären und innovativen Forschungsansätzen zum Themenbereich „nachhaltige Nutztierhaltung der Zukunft“ in praxisnahen Versuchsbetrieben erforderlich ist.