Finanzierung der psychiatrischen Pflege zu Hause, ambulant und im Pflegeheim

Finanzierung der psychiatrischen Pflege zu Hause, ambulant und im Pflegeheim Eingabe an das Bundesamt für Gesundheit BAG Spitex Verband Schweiz SBK ...
Author: Hanna Meissner
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Finanzierung der psychiatrischen Pflege zu Hause, ambulant und im Pflegeheim

Eingabe an das Bundesamt für Gesundheit BAG

Spitex Verband Schweiz SBK Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner Curaviva Verband der Heime und Institutionen Schweiz FMH Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte SGSP Schweiz. Gesellschaft für Sozialpsychiatrie SGPP Schweiz. Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie SGAP Schweiz. Gesellschaft für Alterspsychiatrie und Psychotherapie

Juni 2004

Inhaltsverzeichnis 1.

Vorbemerkung

3

2.

Einleitung

3

3.

Stellenwert der psychiatrischen Versorgung zu Hause,

4

ambulant und im Pflegeheim 3.1 Allgemeiner Teil

4

3.2 Psychiatrische Indikationen und Therapien, sowie die Unterstüzung der Therapie durch pflegerische Massnahmen 4.

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3.3 Erläuterungen zur psychiatrischen Pflege

6

Situation der psychiatrischen Pflege zu Hause, ambulant

8

und im Pflegeheim 5.

Anforderung an die ärztliche Anordnung

10

6.

Problemanalyse

11

7.

Synthese

13

8.

Antrag an das Bundesamt für Gesundheit

14

9.

Begründung

16

10.

Kostenfolge

17

11.

Zusammenfassung

20

Anhang I

Fallbeispiel

Anhang II

Rechtssprechung

Anhang III Daten zur Kostenfolge Beilage 1

Eingabe Psychiatrie des SBK vom Februar 2003

Beilage 2

Teilnehmer vom „runden Tisch“

Beilage 3

Protokoll der Sitzung vom 26.09.2003

Beilage 4

Rundschreiben Nr. 07/2004 von santésuisse

Beilage 5

Schreiben vom BAG vom 3 März 2004

Beilage 6

Rundschreiben KST SG/TG/GL/ Zirkular 28 - 2001

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1.

Vorbemerkung

Im Zuge der 4. Revision des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG)1 anerkennen Art. 42 Abs. 3 IVG sowie Art. 38 der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV)2 seit dem 1. Januar 2004 die Auswirkung psychischer Störungen auf den Lebensalltag sowie die Notwendigkeit einer finanziellen Unterstützung, um den betroffenen Menschen zu einer eigenverantwortlichen und selbstbestimmten Lebensführung zu verhelfen (Art. 4 lit. c IVG). Die erwähnte Gesetzesrevision berührt die in der vorliegenden Eingabe behandelte Problematik aus folgenden Gründen nicht: - Sinn, Zweck und Stossrichtung von Art. 38 IVV einerseits, von den Leistungen der obligatorischen Krankenversicherung andererseits unterscheiden sich wesentlich voneinander. Letztere erfassen Kosten, die unmittelbar mit der Behandlung des Leidens zusammen hängen; ersterer dagegen verfolgt wie eben erwähnt das Ziel, die sozialen Einschränkungen, die sich aus der Invalidität von Rentenbezügern ergeben, aufzufangen; - IV-Rentner stellen indessen nur einen sehr kleinen Anteil der Empfänger der durch Art. 7 KLV erfassten Leistungserbringer. 2.

Einleitung

Der Weltgesundheitsbericht 2001 fordert eine gemeindeorientierte psychiatrische Versorgung: „Bei chronischkranken Menschen sind gemeindeorientierte psychiatrische Dienste erfolgreicher als stationäre Behandlungen bezogen auf den Gesundheitszustand und die Lebensqualität. Die Verlagerung der Patientinnen und Patienten von stationären Behandlungen zu ambulanten Diensten ist auch kosteneffektiv und respektiert die Würde der Menschen. Gemeindenahe Dienste ermöglichen frühzeitige Interventionen und reduzieren die Stigmatisierung durch psychiatrische Behandlungen. Verwahrende psychiatrische Kliniken sollten durch ambulante Dienste, Stützpunkte in allgemeinen Spitälern und in der Spitex ersetzt werden, welche den Bedürfnissen der Kranken verantwortungsvoll nachkommen können.“3 Im Widerspruch zur allgemein anerkannten Stossrichtung „ambulant vor stationär“ steht die Tendenz gewisser Krankenversicherer, ihre Leistungspflicht für ambulante psychiatrische Pflegeleistungen zu bestreiten. Dies hat den Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) im Februar 2003 veranlasst, dem Bundesamt für Sozialversicherungen einen Antrag zuhanden der Eidgenössischen Kommission für allgemeine Leistungen

1 2

SR 831.20 SR 831.201

World Health Organisation (WHO): “World Health Report 2001: New Understanding, New Hope,” zitiert bei Dr. med. B. Kägi

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ELK4 einzureichen. Ziel dieser Eingabe war es, eine für Patienten und Leistungserbringer unhaltbare Situation zu klären. Das damals dafür noch zuständige Bundesamt für Sozialversicherungen BSV ist jedoch auf die Eingabe nicht eingetreten, da aus seiner Sicht entscheidende Grundlagen fehlten. Die dramatische Zuspitzung des Problems im ambulanten Sektor führte dazu, dass sich eine Vielzahl betroffener Organisationen und Behörden unter der Moderation von Philippe Lehmann, Leiter des Projektes „Nationale Gesundheitspolitik“ mit einem Teilprojekt „Psychische Gesundheit“, am runden Tisch zusammen fanden, um die offenen Fragen zu diskutieren5. Nach einem Gespräch mit Vizedirektor Fritz Britt haben sich folgende Organisationen entschieden, einen neuen Antrag einzureichen: Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und -männer SBK, Spitexverband Schweiz, curaviva Verband Heime und Institutionen Schweiz, Schweiz. Gesellschaft für Alterspsychiatrie und Psychotherapie SGAP, Schweiz. Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie SGPP und die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH. Dieser neue Antrag wird jedoch diesmal direkt an das zuständige Bundesamt, und nicht an die ELK eingereicht, da es sich bei der psychiatrischen Pflege ambulant, zu Hause oder im Pflegeheim nicht um eine neue Leistung handelt. Vielmehr bedarf es einer Klärung der Natur und des Umfangs der von Artikel 7 KLV auf dem Gebiet der psychiatrischen Pflege abgedeckten Leistungen6. Ziele dieser Eingabe sind die Gleichstellung von psychisch und somatisch kranken Menschen in der Gesundheitsversorgung und die Sicherstellung der Finanzierung der ambulanten psychiatrischen Pflegeleistungen durch die obligatorische Krankenversicherung. Die folgenden Ausführungen werden aufzeigen, wo die Problematik liegt, welche juristischen Verfahren hängig sind, welche Schritte auf parlamentarischer Ebene eingeleitet wurden und wie innert nützlicher Frist eine Lösung gefunden werden kann. 3.

Stellenwert der psychiatrischen Versorgung zu Hause, ambulant und im Pflegeheim 3.1.

Allgemeiner Teil

Der Begriff der „Psychiatrischen Versorgung“ umfasst die institutionellen Strukturen sowie die Quantität und Qualität der Leistungsangebote, mit denen dem Hilfebedarf von Menschen mit psychischen und psychosozialen Störungen7 professionell begegnet wird. Das häufig frühe Auftreten der Erkrankung8 und der nicht selten chronische Verlauf psychischer Erkrankung führen zu vielfältigen gesundheitlichen, sozialen, rechtlichen und ökonomischen Konsequenzen mit entsprechendem Unterstützungsbedarf. Das bedeutet, dass die Psychiatrie mehr als andere medizinische Bereiche auf die Kooperation mit verschiedenen Versorgungssektoren angewiesen ist. Die psychiatrische VerSiehe Beilage 1: Eingabe des Schweizer Berufsverbandes der Krankenschwestern und Krankenpfleger SBK an die ELK vom Feb. 2003 („Eingabe 2003“) 5 Siehe Beilage 2: Teilnehmer „runder Tisch“ 6 Siehe Beilage 3: Protokoll der Sitzung vom 26. 09. 2003 7 ICD 10: Diagnosen F00 bis F99 8 Siehe auch Bericht Psychische Gesundheit in der Schweiz, Monitoring Mai 2003 4

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sorgung wird demnach nicht nur mit spezialisierten stationären, teilstationären und ambulanten Diensten und privaten Praxen sichergestellt, sondern beinhaltet gleichermassen auch den Einbezug von Dienstleistungen der angrenzenden Versorgungsbereiche wie des Gesundheits-, Behinderten- und Sozialwesens, der Jugendhilfe, der Altersversorgung sowie der Justiz und Polizei. Zusätzlich bestehen verschiedene erprobte und wirksame Varianten verstärkter psychiatrischer Präsenz im Allgemeinspital, die gefördert werden müssen, wie psychiatrischer Konsiliar- und Liaisondienst bzw. spitalintegrierte psychiatrische Einheiten (Stützpunkte, Polikliniken, Tageskliniken und Tagesstätten, psychiatrische Vollabteilungen.) Diese können jeweils die Basis für liaisonpsychiatrische Leistungen bieten. Ziele der Versorgung sind: • Erhalten der Lebensqualität im gewohnten sozialen und familiären Umfeld • Ambulante Betreuung möglichst lange zu Hause, mit dem Ziel der Verzögerung oder Verhinderung eines Eintritts in eine Institution, bzw. Motivation für einen Eintritt, wenn dieser indiziert erscheint. Die ambulante psychiatrische Pflege ist deshalb ein wesentlicher Bestandteil der psychiatrischen Grundversorgung. Gemäss der Studie Aberhalden, Lüthi, Mazzola et al. (2003) leiden 44 %9 der durch Spitex-Organisationen betreuten Patientinnen und Patienten an einer relevanten psychiatrischen Problematik. Wenn stationäre Einrichtungen - Allgemeinspitäler, Psychiatrische Kliniken und Heime - entlastet werden sollen, muss mehr in die psychiatrische Pflege investiert werden. 3.2.

Psychiatrische Indikationen und Therapien, sowie die Unterstützung der Therapie durch pflegerische Massnahmen

Die Indikation ist weit zu fassen; grundsätzlich sollen alle im ICD 10 aufgeführten psychischen Krankheiten und Störungen ab einem klinisch relevanten Schweregrad ambulant behandelt werden, damit sie sich nicht soweit verschlechtern, dass Hospitalisationen nötig werden oder Invalidität daraus resultiert. Zudem ist in der Regel nach einem Klinikaufenthalt eine anschliessende ambulante Nachbehandlung angezeigt um die Rückfallgefahr zu verringern und um die allgemeine Rehabilitation zu erreichen und/oder sicher zu stellen. Die meisten Behandlungen bestehen aus einer Kombination von medikamentöser Behandlung und psychotherapeutischen Interventionen , selten reicht eine der beiden Behandlungsformen alleine aus. Behandlungen scheitern aber zumeist dann, wenn die Selbstheilungskräfte der kranken Personen nicht durch eine ihrem Zustand entsprechende sinnvolle Betätigung, also eine Tagesstruktur gestützt und aktiviert werden. Deshalb gehört ein Mindestmass an "Tagesstruktur" zwingend zu einer fachgerechten psychiatrischen Behandlung. 35% der KlientInnen, die krankenkassenpflichtige Leistungen erhalten (wovon 26% nur kassenpflichtige, 9% kassenpflichtige und hauswirtschaftliche) und 9% nur hauswirtschaftliche Leistungen.

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Unterstützung durch pflegerische Massnahmen: Bei fast allen psychiatrischen Krankheiten ist eine anfänglich strikte und dann im weiteren Verlauf eine der Persönlichkeit des Kranken angepasste Überwachung der medikamentösen Therapie notwendig. Die Wirkung der vor allem bei Schwerkranken sehr häufig angewandten "Unterstützenden Psychotherapie" wird durch entsprechende, das heisst ebenfalls unterstützende und befähigende Interventionen von Angehörigen und/oder professionell Pflegenden verbessert. Frequenz und Anzahl der Arztkonsultationen lassen sich dadurch in der Regel verringern. Schliesslich ist es von grosser Wichtigkeit dass durch pflegerische Begleitung eine patientengemässe Tagesstruktur geschaffen wird und auf diese Weise bei der erkrankten Person der Wille zur Besserung und/oder Heilung entwickelt oder gefördert werden. 10

3.3.

Erläuterungen zur psychiatrischen Pflege

„Psychische Krankheit zeichnet sich in hohem Mass durch wiederholte Krankheitsepisoden, d.h. Chronifizierung, wie auch wiederholte Behandlungen aus.“11 Psychische Erkrankung, ob sie nun periodisch oder in chronischer Form auftritt, wird oft von sehr unterschiedlichen Erscheinungen begleitet, in denen sich die dahinter verborgene psychische Störung äussert: Delirium, Halluzination, Demenz, Depression, Selbstverletzung, Autismus, Isolation, störendes Verhalten und soziale Anpassungsschwierigkeiten. Neben der medikamentösen Therapie geht es bei der Pflege darum, auf Störungen so einzuwirken, dass dem Patienten klare Fixpunkte gesetzt werden, welche die nötige Sicherheit bieten, um den Alltag zu organisieren. Dies bedeutet, dass Pflegeaktivitäten, im Grunde genommen immer ein therapeutisches Ziel verfolgen und dazu dienen, psychisch zu stabilisieren, ein sozial verträgliches Leben zu unterstützen und mit Orientierungshilfen überbordender Angst, Selbst- und Fremdgefährdung oder Verwirrtheit vorzubeugen. Darüber hinaus begünstigt die Stabilität in der Beziehung zur Pflegefachperson die regelmässige Medikamenteneinnahme und hilft Emotionen bewältigen, die der Patient in seinem beruflichen, familiären und persönlichen Umfeld hervorruft. Dadurch wird der psychischen Erschöpfung der Angehörigen als Folge von Unwissenheit und Furcht vorgebeugt und Krisen können vermieden werden. Kernelemente der psychiatrischen Pflege lassen sich besonders anschaulich mit der Pflegetheorie von Dorothea E. Orem12 konkretisieren. Orem stellt das situative Selbstpflegedefizit ins Zentrum ihrer Betrachtungen und definiert Hilfe als Pflegeintervention in jenen Situationen, wo Menschen ihren SelbstpflegeVgl. Anhang 1: Fallbeispiel EKR/6.4.2004 Christen L., Christen S.: Beschreibung der Basisdaten stationärer psychiatrischer Behandlung in der Schweiz 1998 bis 2000, Schweizerisches Gesundheitsobservatorium, Arbeitsdokument 1/03, Neuenburg, Juli 2003; S. 5 der Zusammenfassung. 12 S.J. Cavanagh: „Pflege nach Orem“, Lambertus, Freiburg i.Br. 1995 10 11

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bedarf nicht alleine abdecken können und das pflegerische Handeln dazu dienen soll, die Waage zwischen den Erfordernissen, die es braucht, um für sich zu sorgen und um die bestmögliche Lebenssituation zu erlangen, und den Fähigkeiten dazu in die Balance zu bringen und dort zu halten. Selbstpflegedefizit bezieht sich nicht allein auf die Fähigkeit, seinen Körper zu pflegen, sondern bei psychischer Erkrankung ganz besonders auch auf die umfassende Selbstpflege bis hin zu Psychohygiene und Vermeidung von negativen Krankheitsfolgen wegen inadäquaten oder gar selbst- und fremdgefährdenden Verhaltensweisen, Übertretung von gesellschaftlichen, ärztlichen oder beruflichen Vorschriften usw. Kurz: Pflege in der Psychiatrie bemüht sich ganz zentral auch darum, mit stützenden Gesprächen und in einer tragenden therapeutischen Beziehung die Last der Krankheit („Burden of Disease“) zu mildern, negative Konsequenzen zu vermeiden und die Kooperation der erkrankten Person in der Behandlung und deren Integration in den Lebenszusammenhang zu ermöglichen. Diese Ausführungen zeigen wie vielfältig und anspruchsvoll die Pflege in der gemeindenahen Psychiatrie ist. Im Zentrum steht die Beziehungsgestaltung zu den Patienten. Diese Tatsache gewinnt an Bedeutung, wenn man bedenkt, dass die Pflegenden die Patienten oft über Jahre begleiten. Die Betreuung und Pflege von psychisch Kranken in der Gemeinde verlangt aber auch sehr viel Koordination mit den verschiedensten Personen und Diensten. Hier kann die Pflegefachperson eine wichtige Aufgabe übernehmen.13 Im Gegensatz zur gemeindenahen Psychiatrie geht es im Pflegeheim vorwiegend um die Integration der Bewohnerin in die soziale Gemeinschaft und um die individuelle Gestaltung des Alltages. Dies verlangt von den Pflegenden, speziell im Umgang mit psychisch Kranken, hohe soziale und pflegerische Kompetenz. Um Selbstpflege und Integration und damit Krankheitsbewältigung und Heilung wirksam zu unterstützen, muss die Pflege folgende grundlegenden Aufgaben wahrnehmen können: • • • • • •

Einschätzung der Pflegesituation und des Pflegebedarfs, Formulierung von Zielen, Einleiten und Durchführen entsprechender Massnahmen Bedarfsabklärung zur Eruierung der Interdependenzen von Körper und Psyche Subsidiäre Unterstützung und Begleiten bei der Alltagsbewältigung unter Einbezug der Angehörigen Training von sozialen Kompetenzen und Alltagsfertigkeiten trotz beeinträchtigter Beziehungsfähigkeit Kontrolle im Umgang mit Gefühlen, Aggressivität, Gewaltpotenzial und dem Umgang mit Psychopharmaka Motivationsarbeit zur Wiederherstellung, Verbesserung oder Kompensation von krankheitsbedingt eingeschränkten Grundleistungsfunktionen

13 M. Ewers/D. Schaeffer (Hrsg.): „Case Management in Theorie und Praxis“, Hans Huber Bern/Göttingen/ Toronto/Seattle 2000, S. 251

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4.

Situation der psychiatrischen Pflege ambulant, zu Hause und im Pflegeheim

Unter den Leistungserbringern herrscht Konsens über den Grundsatz ambulant (und zu Hause) vor stationär (Klinik). Deshalb ist der ambulanten Behandlung und Pflege von psychisch kranken Menschen der Vorrang zu geben. Sie ist nicht nur zeitgemäss, sondern von erwiesenem wirtschaftlichem Nutzen, ist wissenschaftlich belegt und muss deshalb gefördert werden. Der Vernehmlassungsbericht zur Psychischen Gesundheit enthält wichtige Hinweise zur Behandlung und Pflege von psychisch kranken Menschen: „Die Analysen der Angebotsstrukturen und deren Inanspruchnahme zeigen, dass die Schweiz im Gesundheits- und Sozialwesen über qualitativ hoch stehende Beratungs-, Behandlungs- und Betreuungsangebote verfügt. Der grösste Teil der psychisch Kranken haben Zugang zu quantitativ ausreichenden, methodisch differenzierten Angeboten von guter Qualität. Das sind PatientInnen, die an umschriebenen Störungen leiden, sozial gut integriert sind und temporär psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung benötigen. Trotzdem bestehen für bestimmte Bevölkerungsgruppen Schwächen und Lücken, sei es in den Angebotsstrukturen, im Zugang zu Früherkennung, Behandlung, Rehabilitation, in der Finanzierung oder in der Gesetzgebung. Die heutigen Steuerungsmechanismen wirken viel mehr auf einzelne Leistungserbringer als auf integrierte Behandlungs- und Rehabilitationsangebote (Disease Management) ein. Kantonale beziehungsweise überregionale Konzepte sind kaum vorhanden. Lücken in der Versorgung bestehen bei der Früherkennung, der Frühintervention so wie der sozialen und beruflichen Integration. So fehlt der Schweiz auch ein nationales Suizidpräventionsprogramm. Für Patientinnen mit schweren psychischen Krankheiten und mit sozialen Beeinträchtigungen, die heute wiederholt stationär behandelt werden, stehen nicht in ausreichendem Mass abgestimmte ambulante und teilstationäre Dienste zur Verfügung. In Folge dieses Mangels an koordinierten Angeboten ist eine zweckmässige, wirksame und wirtschaftliche Behandlung und Betreuung psychisch kranker Menschen nicht immer gewährleistet. Insbesondere in universitären Einrichtungen sind für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und ältere Menschen Modelle guter Praxis für wirksame und effektive Interventionen zur Verbesserung der psychischen Gesundheit, zur Heilung und Linderung von psychischen Krankheiten vorhanden.“14 Tatsache ist, dass heute immer mehr Menschen zu Hause gepflegt werden, die sowohl somatische wie auch psychische Probleme haben. Auch diese Aussage wird im Vernehmlassungsbericht Psychische Gesundheit eindrücklich bestätigt: 14 Nationale Gesundheitspolitik Schweiz - Psychische Gesundheit, Vernehmlassungsbericht vom Feb. 2004, (NGP, Vernehmlassungsbericht 2004) S.10 der Zusammenfassung

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Die ambulante psychiatrische Pflege nimmt für ältere Menschen mit mehrfachen Krankheiten eine zentrale Rolle in der Versorgung ein. Gemäss Abderhalden, Lüthi, Mazzola et al. (2003) leiden mindestens 44 Prozent der PatientInnen der Spitex im Kanton Zürich und St. Gallen an psychiatrischen Erkrankungen15. Ein Teil der Betroffenen benötigt professionelle Pflege und Betreuung durch psychiatrisch geschulte Pflegende. Pflege, Betreuung und Behandlung psychisch kranker älterer Menschen sollten so lange als möglich zu Hause im vertrauten Umfeld erfolgen, dies entspricht auch dem klaren Wunsch älterer Menschen. Schätzungsweise gegen 90 Prozent der pflegebedürftigen und chronisch kranken älteren Menschen in Privathaushalten werden von ihren Angehörigen betreut. Der Grad der psychischen und körperlichen Belastung durch die Übernahme der häuslichen Pflege ist hoch, und pflegende Angehörige weisen gegenüber der Gesamtbevölkerung deutlich mehr und ausgeprägtere gesundheitliche Beschwerden auf. Die ambulante psychiatrische Pflege ist ein wesentlicher Bestandteil der psychiatrischen Grundversorgung (Arbeitstage, Folgeplanung II, Baselland, 200116).

Mit der Zunahme der betagten und hochbetagten Bevölkerung nimmt auch die Bedeutung der Alterspsychiatrie zu und dies wird Auswirkungen auf den Heimbereich haben. Die Problematik der Alterspsychiatrie darf in diesem Kontext nicht ausgeklammert werden. Da im höheren Alter die Demenzerkrankungen zunehmen, wird in den Pflegeheimen die Pflege und Betreuung von dementen Bewohnern, aber auch von Bewohnern mit anderen psychischen Beeinträchtigungen und chronischen Erkrankungen immer wichtiger. Die Schweizerische Alzheimervereinigung schätzt, dass von den derzeit rund 89'000 von einer Demenz betroffenen Menschen rund 35'600 (40%) in einer stationären Institution leben. Die Anzahl der von einer Demenzerkrankung betroffenen Menschen wird weiterhin stark steigen, sofern in naher Zukunft keine geeigneten medizinischen Massnahmen zur Heilung oder Vorbeugung zur Verfügung stehen. Neben dementen BewohnerInnen leben in den Heimen auch BewohnerInnen mit Depressionen. So werden beispielsweise im Kanton Baselland Demenz (19.3%), Depression (13.9%) und neurotische Störungen (11.7%) als hauptsächliche Diagnosen bei psychisch chronisch kranken älteren Menschen in den Pflegeheimen ausgewiesen.17 Dem Pflegepersonal kommt beim Erkennen von Anzeichen einer Depression, und bei der Begleitung der Therapie vor allem bei älteren und dementen Heimbewohnern grosse Bedeutung zu. Die Begleitung depressiver Patienten und deren Angehörigen im Alltag verlangen gezielte Wahrnehmungen und grosse Fachkompetenz, damit die medikamentöse Begleittherapie wirksam und zweckmässig eingesetzt werden kann. Eine klar reflektierte Pflege bildet eine wesentliche Grundlage für eine adäquate Behandlung und Betreuung 15 16

17

Inklusive KlientInnen, die ausschliesslich hauswirtschaftliche Leistungen erhalten (vgl. Fussnote 9) NGP Vernehmlassungsbericht 2004 Kapitel 4 S. 54

Bericht der Planungsgruppe Alterspsychiatrie 2 Baselland, 2001 9

depressiver Menschen im Alter. Genaue statistische Zahlen über chronisch kranke ältere Menschen mit psychischen Erkrankungen fehlen. Curaviva schätzt diese Zahl auf mehr als 52% aller pflegebedürftigen Menschen in den Heimen. Damit die Pflegeheime auch in der Zukunft den Anforderungen an eine adäquate Pflege und Betreuung der Menschen gerecht werden können, müssen die diesbezüglich laufenden Bestrebungen in den Heimen weiter vorangetrieben werden. Es gilt, bestehende Wohnformen anzupassen, die Mitarbeitenden für die neuen Anforderungen weiterzubilden und die Beratung und Betreuung der Angehörigen zu erweitern. Der heute in den Heimen erfasste Pflegeaufwand beinhaltet auch die Pflege und Betreuung von chronisch kranken älteren Menschen mit psychischen Erkrankungen und wird in der Regel mit vier bis zwölf Tarifstufen abgegolten. Das Problem ist die offene und unklare Definition dieser Leistungen in Art. 7 der Krankenpflege-Leistungsverordnung KLV welche auch als Grundlage für die Finanzierung der Pflege im Heimbereich dient. Dies führt zu immer wiederkehrenden Diskussionen, ob die zusätzlichen Aufwendungen für Pflege und Betreuung krankenkassenpflichtig sind oder nicht. Zudem wird der dafür erforderliche Zeitaufwand mit den gültigen Rahmentarifen nur ungenügend abgegolten. Die Kassenpflicht dieser spezifischen Leistungen für BewohnerInnen mit verschiedenen psychischen Symptomen muss zwingend sichergestellt werden. Eine sinnvolle Versorgung und Betreuung darf nicht durch inadäquate Finanzierungsmodelle vereitelt werden. Um die Situation verbessern zu können, müssen die Schnittstellen zwischen ambulanten und stationären Pflegeangeboten gestärkt werden. 5.

Anforderung an die ärztliche Anordnung

Grundsätzlich ist die Leistungspflicht für Pflegemassnahmen gemäss Artikel 25 KVG nur gegeben, wenn eine ärztliche Anordnung vorliegt. Die Krankenversicherer stellen sich nun auf den Standpunkt, bei psychiatrischen Leistungen gemäss Artikel 7 Absatz 2 lit. c Ziffer 2 KLV bedürfe es einer Anordnung eines Facharztes in Psychiatrie.18 Dieser Haltung widerspricht das BAG in seiner Stellungnahme vom 3. März 2004: „Zur Frage, ob die ärztliche Anordnung durch eine Spezialärztin, einen Spezialarzt der Psychiatrie und der Psychotherapie erfolgen müsse, können wir festhalten, dass Art. 7 KLV keine Bestimmungen bezüglich der Qualifikation des verschreibenden Arztes, der Ärztin enthält.“19 Viele psychisch kranke Menschen werden zu Hause vor allem vom Hausarzt betreut und daher ist dieser in der Regel auch der direkte Ansprechpartner 18

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Siehe santésuisse-Rundschreiben Nr. 07/2004 vom Januar 2004 (Beilage 4) Schreiben des Bundesamtes für Gesundheitswesen vom 3. März 2004 (Beilage 5)

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der Pflegenden.20 Gemäss dem Vernehmlassungsbericht zur Psychischen Gesundheit in der Schweiz werden rund 50 % der psychisch Kranken durch praktizierende Ärzte ohne psychiatrische Spezialisierung und rund 50 % durch psychiatrische Fachärzte behandelt21. Diese Zahlen machen deutlich, dass eine Beschränkung der Anordnung psychiatrischer Pflegeleistungen auf Fachärzte mit psychiatrischer Spezialausbildung nicht praktikabel wäre, zumal der Zugang zu Fachärzten der Psychiatrie regional sehr unterschiedlich ist. 6.

Problemanalyse

Nun muss aber festgestellt werden, dass die Finanzierung der ambulanten Pflegeleistungen nicht für alle Patienten sichergestellt ist. Die Weigerung, Leistungen der ambulanten Psychiatriepflege als Pflichtleistungen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) anzuerkennen nahm im Jahre 2001 mit einem internen Zirkular der Santésuisse-Sektion SG/TG ihren Anfang22. Die anfänglich auf eine (allerdings marktdominierende) Krankenkasse beschränkte Einstellung der Zahlungen an freiberufliche Pflegefachfrauen löste eine Flut von Eingaben an die paritätische Vertrauenskommission SBK-santésuisse (PVK) aus. Aufgrund diametral widersprechender Auslegungen von Art. 7 KLV beschloss die PVK, bis zur Klärung der gesetzlichen Grundlagen keine Dossiers zu behandeln, die die Abgeltung bzw. Definition der psychiatrischen Pflege zum Gegenstand haben23 und verwies die Leistungserbringerinnen an die zuständigen Gerichte. Seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte dieser eigentliche Zahlungsstreik mit dem Rundschreiben Nr. 07/200424 von santésuisse. Dieses Zirkular übernimmt die Argumentation der die Abgeltung der psychiatrischen Krankenpflege verweigernden Krankenkassen und beruft sich wie diese auf ein Schreiben des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV) vom 16. März 200025. In diesem ausdrücklich als „unpräjudizielle Meinungsäusserung“ bezeichneten Schreiben hielt das BSV fest, die eigentliche Psychiatriepflege müsse von der OKP nicht übernommen werden; denn Art. 7 Abs. 2 Buchstabe c Ziffer 2 KLV decke nur den erhöhten Zeitbedarf bei der (somatischen) Grundpflege, eröffne indessen „kein neues Leistungsspektrum“. Mit diesem Rundschreiben ruft santésuisse die Krankenversicherer auf, jedes eingehende Gesuch um Kostengutsprache im Bereich psychiatrischer Krankenpflege zu Hause zu überprüfen und genau abzuklären, ob aus dieser Sicht eine Leistungspflicht tatsächlich gegeben ist. Damit legt santésuisse seinen Mitgliedern nahe, die Bezahlung sämtlicher Leistungen der „eigentlichen“ Psychiatriepflege pauschal zu verweigern. 26 Siehe Bericht Psychische Gesundheit in der Schweiz, Monitoring vom Mai 2004 siehe Bericht Psychische Gesundheit in der Schweiz , Seite 53 22 KST (Verband Krankenversicherer St. Gallen-Thurgau), internes Zirkular 28-2001 Dez. 2001 (Beilage 6) 23 Protokoll der Paritätischen Vertrauenskommission SBK-santésuisse vom 12.09.2002 24 Vgl. Fussnote 18 25 Schreiben des Bundesamtes für Sozialversicherung vom 16. März 2000 26Hingegen können Leistungserbringer, die nach TARMED abrechnen, Leistungen von Angestellten mit Weiterbildung, aber nicht zwingend gleichwertiger Qualifikation wie Pflegefachpersonen, sehr wohl kassenpflichtig in Rechnung stellen 20 21

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Offensichtlich lässt die geltende Fassung von Art. 7 KLV27 somit diametral entgegengesetzte Interpretationen zu. Dabei entspricht es der klaren Absicht des Gesetzgebers, hinsichtlich des grundsätzlichen Leistungsumfangs zwischen Patienten mit psychiatrischem Krankheitsbild und solchen, die an somatischen Erkrankungen leiden, keinen Unterschied zu machen. So wird in Art. 3 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG) 28 der Begriff Krankheit wie folgt umschrieben: „Krankheit ist jede Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen oder psychischen Gesundheit, die nicht Folge eines Unfalles ist und die eine medizinische Untersuchung oder Behandlung erfordert oder eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.“ Art. 25 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung vom 18. März 1994 (KVG)29 definiert die Leistungspflicht wie folgt: 1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen. 2 Diese Leistungen umfassen: a. die Untersuchungen, Behandlungen und Pflegemassnahmen, die ambulant, bei Hausbesuchen, stationär, teilstationär oder in einem Pflegeheim durchgeführt werden von: 1. Ärzten oder Ärztinnen, [...] 3. Personen, die auf Anordnung oder im Auftrag eines Arztes oder einer Ärztin Leistungen erbringen;30 [...] e. den Aufenthalt in der allgemeinen Abteilung eines Spitals; f. den Aufenthalt in einer teilstationären Einrichtung; [...] Sämtliche einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen lassen den Willen erkennen, somatische und psychische Erkrankungen gleich zu behandeln. Die geltende Formulierung von Art. 7 KLV ist extrem unbefriedigend. Explizit wird die Psychiatriepflege einzig unter Bst. c Ziff. 2 erwähnt; Wie die Protokolle zeigen, liegt der Grund darin, dass bei der Redaktion einseitig vom somatiArt. 7 Verordnung des EDI über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vom 29. September 1995, SR 832.112.31 28 SR 830.1der ausdrückliche Hinweise auf die psychische Gesundheit geht auf die neuste Revision des ATSG vom 21 März 2003 in Kraft 1.1.2004 29 SR 832.10 30 Wie z.B. diplomiertes Pflegepersonal, vgl. Art. 46 und 49 der Verordnung über die Krankenversicherung vom 27. Juni 1995 (KVV), SR 832.102. 27

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schen Krankheitsbild ausgegangen wurde. Dies erklärt denn auch die Haltung des BSV im erwähnten Schreiben vom März 2000. Seither hat der Bundesrat der darin vertretenen Auffassung ausdrücklich widersprochen. In einem Entscheid vom 20. Dezember 200031 hält er fest, dass Menschen, die an einer psychiatrischen Krankheit leiden, selbstverständlich spezifischer Pflegemassnahmen bedürfen, und in seiner Antwort auf die einfache Anfrage von Nationalrätin Stephanie Baumann32 stellt er klar, dass eine Diskriminierung dieser Patienten „dem Wortlaut wie auch dem Grundgedanken des KVG zuwider“ liefe. Wie dringend der Klärungsbedarf ist, zeigen die vier Pilotprozesse, (betreffen gegen 40 Patientensituationen),33 die beim Eidg. Versicherungsgericht sowie bei den Schiedsgerichten gemäss Art. 89 KVG der Kantone Thurgau, St. Gallen und Waadt hängig sind. In einem einschlägigen Entscheid hat bereits das Versicherungsgericht des Kantons Neuenburg die zuständigen politischen Instanzen dazu aufgerufen, den Leistungskatalog bezüglich der psychiatrischen Pflegeleistungen zu klären. 34 In einem Schreiben vom 3. März 200435 hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) zum oben erwähnten Rundschreiben von santésuisse36 ausführlich Stellung genommen und kommt dabei auch auf das ebenfalls erwähnte Schreiben des BSV vom 16. März 200037 zurück. Auf die Haltung des Bundesrates verweisend stellt das BAG klar, dass für die psychiatrische Krankenpflege eine Leistungspflicht besteht, die sich nicht zuletzt aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz des KVG ergibt - was nicht bedeute, dass im Einzelfall nicht abgeklärt werden müsse, ob es sich bei den erbrachten Leistungen um krankheitsbedingte Pflegeleistungen oder aber z.B. um sozialdienstliche Leistungen handelt. 38 7.

Synthese

Die vorliegenden Ausführungen legen schlüssig dar, dass das Problem der Finanzierung der psychiatrischen Pflege in der unklaren Formulierung von Art. 7 31 Arrêt du Conseil fédéral du 20 décembre 2000 (Fédération vaudoise des assureurs-maladie et al. c. Conseil d’Etat du Canton de Vaud) 32 Einfache Anfrage Stephanie Baumann (02.1130, „Ambulante psychiatrische Pflege“) vom 25. November 2002, Antwort des Bundesrats vom 29. Januar 2003 33 S. Anhang 2, Rechtsprechung 34 Tribunal cantonal/Tribunal arbitral de l’assurance-maladie (art. 89 LAMal), arrêt du 28 juin 2002 [TARB.2001.1], cons. 3.c., p. 8 35 Vgl. Fussnote 19 36 Vgl. Fussnote 18 37 Vgl. Fussnote 25 38 „Die Behandlung einer Krankheit bezieht sich jedoch auf alle Krankheiten, d.h. es sind sowohl psychische als auch körperliche Erkrankungen eingeschlossen. Es war zweifellos das Ziel des KVG eine Gleichbehandlung der Krankheiten sicherzustellen. Dies hat der Bundesrat in seiner Antwort vom 29. Januar 2003 auf die einfache Anfrage zur ambulanten psychiatrischen Pflege von NR. Baumann Stephanie vom 25 November 2002 (02.1130) bestätigt: eine Praxis, wonach die Krankenversicherer psychisch kranke Personen systematisch diskriminieren und die Übernahme von Spitalleistungen der Kostenübernahme ambulanter Leistung vorziehen, würde dem Grundgedanken des Krankenversicherungsgesetztes zuwider laufen“, BAG (vgl. Fussnote 19)

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KLV liegt. Dieser Artikel geht von einem veralteten Begriff der Pflege aus, in dem die Pflege in drei Leistungsbereiche aufgeteilt wird, die der Abklärung und Beratung, der Behandlungspflege und der Grundpflege. Um von dieser problematischen und veralteten Begrifflichkeit weg zu kommen, muss die Leistungspflicht bezüglich der Pflegemassnahmen grundsätzlich neu definiert werden, denn Pflege kann nicht in einzelne Leistungen aufgeteilt werden, sondern richtet sich immer nach dem Ziel der Pflegeintervention. Mit diesem Fokus müsste eine grundsätzliche Neuformulierung angegangen werden. Da eine grundsätzliche Neuformulierung jedoch viel Zeit in Anspruch nimmt, die Abgeltung der psychiatrischen Pflege jedoch rasch geklärt werden muss, ist vorerst die Präzisierung von Art. 7 KLV bezüglich der psychiatrischen Pflege vorzunehmen. Erst diese Präzisierung von Art. 7 KLV ermöglicht es der Pflege, ihren Auftrag, unabhängig von der Diagnose und dem Ort wo Pflege stattfindet, wahrzunehmen und nur so kann die aktuelle Diskriminierung psychisch kranker Menschen beendet werden. 8.

Antrag an das Bundesamt für Gesundheit

In Anbetracht des dringenden Handlungsbedarfs ersuchen wir deshalb - unter Vorbehalt einer späteren, grundlegenden Überarbeitung - um folgende Präzisierung des heute geltenden Art. 7 KLV (im nachfolgenden Text grau unterlegt) : Art. 7 Umschreibung des Leistungsbereichs Die Versicherung übernimmt die Kosten der Untersuchungen, Behandlungen und Pflegemassnahmen (Leistungen), die aufgrund der Bedarfsabklärung (Art. 7 Abs. 2 und 8a) auf ärztliche Anordnung hin oder im ärztlichen Auftrag erbracht werden:1 1

a. von Krankenschwestern oder Krankenpflegern (Art. 49 KVV); b. von Organisationen der Krankenpflege und Hilfe zu Hause (Art. 51 KVV); c. von Pflegeheimen (Art. 39 Abs. 3 des Krankenversicherungsgesetzes vom 18. März 19942, KVG. 2

Leistungen im Sinne von Absatz 1 sind:

a. Massnahmen der Abklärung und Beratung: 1. Bedarfsabklärung des Patienten und Abklärung seines Umfeldes sowie Planung der notwendigen Massnahmen zusammen mit Arzt (Ärztin) und Patient (Patientin), 2. Beratung und Anleitung des Patienten oder der Patientin sowie gegebenenfalls der beruflich oder nichtberuflich an der Krankenpflege Mitwirkenden bei der Durchführung der Krankenpflege, insbesondere beim Erkennen und Einsetzen von Ressourcen, bei der Einnahme von Medikamenten oder beim Gebrauch medizinischer Geräte, und Vornahme der notwendigen Kontrollen

14

b. Massnahmen der Untersuchung und der Behandlung: 1. Erfassung der aktuellen physischen und psychischen Funkionen wie: a Messung der Vitalzeichen (Puls, Blutdruck, Temperatur, Atem, Gewicht), b Einschätzung der aktuellen psychischen Funktionen (insbesondere Bewusstseinszustand, Stimmungslage, Gedächtnis, Realitätskontrolle), 2. einfache Bestimmung des Zuckers in Blut und Urin, 3. Entnahme von Untersuchungsmaterial zu Laborzwecken, 4. Massnahmen zur Atemtherapie (wie O2-Verabreichung, Inhalation, einfache Atemübungen, Absaugen), 5. Einführen von Sonden oder Kathetern und die damit verbundenen pflegerischen Massnahmen, 6. Massnahmen bei Hämo- oder Peritonealdialyse, 7. Verabreichung von Medikamenten, insbesondere durch Injektion oder Infusion, 8. enterale oder parenterale Verabreichung von Nährlösungen, 9. Massnahmen zur Überwachung von Infusionen, Transfusionen und Geräten, die der Behandlung oder der Kontrolle und Erhaltung von vitalen Funktionen dienen, 10. Spülen, Reinigen und Versorgen von Wunden (inkl. Dekubitus- und Ulcus-cruris-Pflege) und von Körperhöhlen (inkl. Stoma- und Tracheostomiepflege) sowie Fusspflege bei Diabetikern, 11. pflegerische Massnahmen bei Störungen der Blasen- oder Darmentleerung, inkl. Rehabilitationsgymnastik bei Inkontinenz, 12. Hilfe bei Medizinal-Teil- oder —Vollbädern; Anwendung von Wickeln, Packungen und Fangopackungen; 13. Pflegerische Gespräche zur Unterstützung und Befähigung bei psychischen Störungen sowie zur Unterstützung der Compliance 14. Pflegerische Massnahmen, die zur Bewältigung von psychischen und psychoorganischen Störungen nötig sind 15. Krisenintervention bei psychischer Dekompensation c. Massnahmen der Grundpflege: 1. Allgemeine Grundpflege bei Patienten oder Patientinnen, welche die Tätigkeiten nicht selber ausführen können, wie Beine einbinden, Kompressionsstrümpfe anlegen; Betten, Lagern; Bewegungsübungen, Mobilisieren; Dekubitusprophylaxe, Massnahmen zur Verhütung oder Behebung von behandlungsbedingten Schädigungen der Haut; Hilfe bei der Mund- und Körperpflege, beim An- und Auskleiden, beim Essen und Trinken, 2. psychiatrische oder psychogeriatrische Grundpflege, wie Unterstützung in der Alltagsbewältigung, Erarbeitung einer angepassten Tagesstruktur, Gestaltung und Förderung sozialer Kontakte durch zielgerichtetes Training, Unterstützung beim Einsatz von Orientierungshilfen und Sicherheitsmassnahmen, sowie bei der Mobilisation. 3 Allgemeine Infrastruktur und Betriebskosten der Leistungserbringer werden bei der Ermittlung der Kosten der Leistungen nicht angerechnet. 15

9.

Begründung

Wie bereits erwähnt macht das Krankenversicherungsgesetz KVG im Grundsatz keinen Unterschied zwischen somatischen und psychischen Erkrankungen. Die gegenwärtige Ausformulierung in Art. 7 der KrankenpflegeLeistungsverordnung KLV basiert jedoch auf somatischen Krankheitsbildern, was sich im Leistungskatalog wiederspiegelt. Es gilt nun diesen Artikel mit den spezifischen Elementen der psychiatrischen Pflegeleistungen zu ergänzen und zwar in allen drei Bereichen. Erläuterungen zum vorgeschlagenen Text: Es wird einerseits davon ausgegangen, dass die Krankenpflege grundsätzlich ein integriertes Ganzes darstellt; so kommen Situationen, in denen der gleiche Patient sowohl körperliche als auch psychiatrische Pflege benötigt, denn auch überaus häufig vor. Andererseits hat die Praxis für beide Bereiche eine z.T. erheblich unterschiedliche Begrifflichkeit entwickelt. zu lit. a Wir erlauben uns den Hinweis, dass die deutsche die französische und die italienische Fassung des geltenden Artikels nicht kongruent sind. So werden im deutschen Text in den Ziff. 1 und 2 lediglich die im Titel der lit. a verwendeten Begriffe aufgegriffen („Abklärung“ und „Beratung“); im französischen Text hingegen werden unter lit. a „instructions“ und „conseils“, unter den Ziff. 1 und 2 indessen „évaluation“ und „conseils“ aufgeführt. Die Unstimmigkeit gilt es zuklären. Mit Beratung, Anleitung und Begleitung bei der Alltags- und Krankheitsbewältigung und dem Erkennen und Einsetzen von Ressourcen sind stützende Interventionen zu verstehen, die eine Lebenssituation mit mildernden Auswirkungen auf psychische Erkrankungen und deren physische Auswirkungen herbeiführen. Andererseits ist eine in den drei Sprachen und mit der in Art. 8 Abs. 1 und 2 identische Begrifflichkeit erwünscht. Einzig in der italienischen Fassung sprechen sowohl Art. 7 als auch Art. 8 von der “valutazione dei bisogni“; in der deutschen hingegen ersterer von „Abklärung des Pflegebedarfs“, letzterer von „Bedarfsabklärung“, in der französischen von „évaluation des besoins“ bzw. „évaluation des soins requis“ . Am präzisesten erscheint uns folgende Terminologie : - für die französische Version „évaluation des besoins“ (vgl. Art. 7 Abs. 2 lit. a Ziff. 1 KLV); für die deutsche Version „Bedarfsabklärung“ (vgl. Art. 8 Abs. 1 und 2 KLV). zu lit. b Dieser abschliessende Katalog der Massnahmen der Untersuchung und Behandlung beschränkt sich auf Pflegeleistungen technischer Art, die in ihrer grossen Mehrheit bei somatischen Erkrankungen indiziert sind. Die vorgeschlagenen Ergänzungen machen deutlich, dass auch in der psychiatrischen Pflege Massnahmen der Untersuchung und Behandlung zur Anwendung kom16

men. Insbesondere die fortlaufende Einschätzung der psychischen Funktionen, wie beispielsweise des Bewusstseinszustandes oder der Stimmungslage, und die Festlegung der erforderlichen Pflegeinterventionen sind von zentraler Bedeutung. Diese Massnahmen tragen dem Umstand Rechnung, dass eine psychische Krankheit manchmal bei jedem Kontakt neu beurteilt werden muss, um zum Beispiel das Potential für Selbst- oder Fremdgefährdung sofort zu erkennen. Somit kann eine Klinikeinweisung oft vermieden werden. zu lit. c Hier gilt es vor allem, Abs. c Ziff. 2 mit Beispielen der psychiatrischen Grundpflege zu ergänzen. Solche Pflegemassnahmen haben die Verbesserung und/oder die Stabilisierung des psychischen Zustande zum Ziel. Im weiteren können durch Massnahmen zur Förderung der Selbstpflege und zur Verhinderung von Selbstvernachlässigung oftmals gravierende gesundheitliche Folgen und die entsprechenden Kosten vermieden werden. Eine nachhaltige Besserung der psychischen und physischen Situation kann nicht durch die langfristige stellvertretende Übernahme durch das Betreuungs-personal erzielt werden, sondern nur durch die Förderung der Selbstpflegefähigkeiten. 10.

Kostenfolge

Vorbemerkungen: Ø Die Kostenschätzungen basieren auf den Zahlen aus dem Jahre 2002 bei unveränderten Leistungen Ø Da in der Frage, ob die Betreuung für Personen mit psychischen Problemen aktuell angemessen ist, grosse Wissenslücken bestehen, kann oft nicht beurteilt werden, ob ein Wechsel der betreuenden Institution bzw. Organisation therapeutisch gerechtfertig wäre.39 Ø Die politischen Entscheide in Zusammenhang mit der Pflegefinanzierung beziehen sich immer auch auf die psychiatrischen und psychogeriatrischen Pflegeleistungen. Ø Verschiebungen im Zusammenhang mit der Gesundheitsplanung (Kostentransfer) sind nicht berücksichtigt Pflegekosten zu Lasten der Versicherer: Die Untersuchungen in den Kantonen Zürich und St. Gallen zeigen dass nur gerade 10% der KlientInnen von Spitexorganisationen eine medizinischpsychiatrische Diagnose haben, obwohl bei 44% der KlientInnen ein psychisches Problem vorhanden ist und 35 % Leistungen nach Artikel 7 KLV benötigen. Diese verursachen 47% der Spitex-Pflegekosten zu Lasten der Krankenversicherer (2002: Fr 132 Mio von total Fr 284 Mio). Nach unseren Schätzungen ist der Zeitaufwand für diese Patientengruppe mindestens 50% höher als bei PatientInnen ohne psychische Probleme.

39

Christen L.. Christen S.: a.a.O., Ss. 82 und 84

17

Curaviva schätzt, dass von den 81'000 Menschen in den Pflegeheimen zirka 42’000 neben den physischen auch psychische Beeinträchtigungen aufweisen; genaue statistische Daten über die verschiedenen Diagnosen der Menschen in den Pflegeheimen fehlen in der Schweiz. Davon ausgehend, dass die Pflege und Betreuung von chronisch kranken Menschen mit zusätzlichen psychischen Problemen wie Demenz, Depression etc. in der Regel Bewohner mit einer mittleren bis schweren Pflegebedürftigkeit betrifft, schätzt Curaviva die vollen Kosten für Pflege und Betreuung auf zirka Fr. 1'563 Mio. Davon übernehmen die Krankenversicherer zirka Fr. 843 Mio (54%). Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die psychiatrischen Pflegeleistungen schon heute mehrheitlich von den Krankenversicherungen und durch Subventionen der öffentlichen Hand finanziert werden. Allerdings werden sie nicht als solche Leistungen ausgewiesen und dies aus folgenden Gründen: Ø die psychiatrische Diagnose wurde nicht gestellt ( wird tabuisiert, banalisiert oder somatisiert) Ø die KlientInnen haben sowohl somatische wie psychiatrische / psychogeriatrische Krankheitsbilder Ø die Abrechnung von somatischen Pflegeleistungen bietet weniger Probleme (grössere Akzeptanz von KlientInnen und Krankenversicherern) Aufgrund der Präzisierung von Art. 7 KLV ergeben sich Kostensteigerungen nur dort, wo bisher zu unrecht Zahlungen verweigert wurden. Das Ausmass ist nicht abschätzbar, dürfte sich aber in engen Grenzen halten, da vor allem der ambulante Pflegebereich (Spitex und freiberufliche Pflegefachpersonen) betroffen ist, der 1,7% (2002) der Ausgaben der Krankenversicherer ausmacht. Hingegen lässt sich abschätzen, welche Mehrkosten bei einer Verschiebung von PatientInnen vom ambulanten in den stationären Bereich entstehen, welche sich aus der bisherigen restriktiven Zahlungspraxis der Versicherer ergeben. Umgekehrt lässt sich auch zeigen, welche Einsparungen durch eine Förderung der ambulanten psychiatrischen Pflege möglich werden.

18

Tabelle 1 : Kostenschätzung der psychiatrischen Pflege zu Lasten der Versicherer in 2002 (in Mio.) davon mit psychischen Problemen (Schätzung) (2)

Total

Betrag (1)

% Totalkosten der Krankenversicherer

Betrag

Spitex

283.6

1.6%

132

Krankenpflege

17.5

0.1%

8

Pflegeheime

1'444.5

8.4%

780

Subtotal

1'745.6

10.1%

920

(1) Santésuisse, Definitive Versichertenstatistik, Datenpool , 4.7.03 (2) Betroffene Klienten: Spitex, Krankenpflege: 36%; Pflegeheime: 52%. Kosten zu Lasten der Versicherer: Spitex, Krankenpflege: 47%; Pflegeheime: 54%

Tabelle 2 : Modellrechnung im Falle einer periodischen oder totalen Betreuung im stationären Bereich Anzahl KlienteInnen mit Spitex-Leistungen (1)

141'505

Anzahl KlientInnen mit psychiatrischen Problemen mit Spitexpflege (36%) (2)

Modellrechnung: 10% der betreuten Anzahl KlienAnzahl Tage Klienten zu Hause die in den stati- ten, die in statiim stationäonären Bereich überwiesen wird onären Bereich ren Be(ohne Überweisung von einer Instiüberwiesen reich/Jahr tution in eine andere) werden Stationärer Bereich während 12 Monaten 5% (Pflegeheime) Stationärer Bereich während 6 Monaten 5% (Pflegeheime) Stationärer Bereich während 2 Monaten (4) 2.5% (psychiatrische Kliniken) Jahrestotal (Basis 2002 bei gleichbleibender Tätigkeit)

50'942

Kostenschätzung KVGPreis pro Kosten pro wenn SpiTag (3) Jahr (Mio) texpflege (Mio) (5)

2547

929'688

55

51

1274

231'785

55

13

1274

72'719

200

15

5094

1'234'192

78

26

(1) BSV, Spitex-Statistik 2002, S. 16. (2) Ohne die Personen mit nur hauswirtschaftlichen Leistungen. Studie Abderhalden, Lüthi et al.: detaillierte Daten, nicht publiziert. (3) Schätzung des nationalen Durchschnitts des Versichereranteils. (4) Durschnitt: 57.1 Tage. Quelle: Krankenhausstatistik und Statistik der sozialmedizinischen Institutionen 2001, April 2003, Tabelle E1 (5) Klientenbeitrag inbegriffen. Aufgrund der Kundschaft mit höchsten Betreuung sind 20% der Kosten der Klienten mit psyschichen Problemen genommen.

19

Tabelle 3 : Modellrechnung im Falle einer periodischen oder totalen Betreuung zu Hause Psychiatrische Klinik Anzahl KlientInnen (1) Durschschnittliche Aufenthaltsdauer (2) Alters- und Pflegeheime Anzahl KlientInnen (3) % KlientInnen mit psychiatrischen Problemen

48'364 57.1 81'007 52%

KostenAnzahl Klienten KVGAnzahl Tage Schätzung schätzung Modellrechnung: 10% der betreuten vom stationäKosten im stationä- Preis pro der KostenKlienten im stationären Bereich die nach ren Bereich zu pro wenn statiTag (4) ren Besenkung onäre PfleHause überwiesen wird Hause überJahr reich/Jahr Mio) (in Mio) wiesen werden (Mio) ge (in (5) Pflegeheime während 6 Monaten 2.5%

1053

191'663

55

11

3

7

Psychiatrische Kliniken während 3 Monaten 7.5%

3627

231'422

200

46

11

35

Jahrestotal (Basis 2002 bei gleichbleibender Tätigkeit)

4680

423'084

56

14

42

(1) BFS, Krankenhausstatistik und Statistik der sozialmedizinischen Institutionen 2001, April 2003, Tabelle F1. (2) BFS, Krankenhausstatistik und Statistik der sozialmedizinischen Institutionen 2001, April 2003, Tabelle E2. (3) BFS, Krankenhausstatistik und Statistik der sozialmedizinischen Institutionen 2001, April 2003, Tabelle F3. (4) Schätzung des nationalen Durchschnitts des Versichereranteils. (5) Klientenbeitrag inbegriffen. Totalanzahl der verlegten Klienten X 60 Stunden X Fr. 51.- (Quelle: SpitexStatistik 2002, S. 1: Fr. 51.- = durchschnittlicher Ertrag pro Stunde; 60 Stunden = 40 Stunden pro KLV-Klient X 1,5)

11.

Zusammenfassung

Mit der vorgeschlagenen Präzisierung sollen zwei Ziele erreicht werden: 1. Die Gleichstellung der psychisch und der somatisch kranken Menschen. 2. Sicherstellung der Finanzierung der ambulanten psychiatrischen Pflegeleistungen als Leistungen der obligatorischen Krankenversicherung. Wir sind überzeugt, dass es nicht der Absicht des Gesetzgebers entsprach, Menschen mit psychischen Erkrankungen schlechter zu behandeln als Menschen mit körperlichen Krankheitsbildern. Die vorgeschlagene Lösung strebt in erster Linie die Gleichberechtigung von Menschen mit somatischen und solchen mit psychischen Erkrankungen an. Die psychiatrische Therapie und Pflege darf nicht mehr vom Finanzierungssystem abhängig sein; den Ausschlag dürfen vielmehr nur medizinische und pflegerische Kriterien im Interesse einer zweckmässigen, wirtschaftlichen und menschlichen Versorgung psychisch kranker Menschen geben. Wir verstehen diese Eingabe als einen konstruktiven Beitrag zur Problemlösung, damit die für alle Beteiligten äusserst unbefriedigende Situation möglich schnell geklärt werden kann. 20

Anhang l

Die Auswirkungen des ambulanten psychiatrischen Dienstes Die besten Ergebnisse im Rahmen der Rehabilitation lassen sich erzielen, wenn ökologische und personale Rehabilitationsansätze kombiniert werden, wenn die Rehabilitation möglichst in der gewohnten Umgebung des Betroffenen stattfindet und über längere Zeiträume erbracht wird (Rössler 2002). Wirksame Rehabilitation braucht komplexe Programme, die den individuellen Bedürfnissen des Einzelnen angepasst werden können. Da einige Einrichtungen und Dienste verschiedene Massnahmen anbieten, ist eine Koordination notwendig. Im Rahmen der Gemeindenähe sind viele Angebote entstanden. Um diesem Trend begegnen zu können, wurde das Konzept „Case Management“ als übergeordnetes koordinierendes Versorgungsangebot entwickelt. Während „Case Management“ die vorhandenen Ressourcen zu koordinieren und den individuellen Bedürfnissen anzupassen versucht, wird im Rahmen von „Assertive community treatment“ ein ganzer rehabilitativer Behandlungsblock mittels eines multidisziplinär besetzten Teams angeboten. Das herausragende Merkmal von „Assertive community treatment“ ist die aufsuchende Betreuung in der natürlichen Umgebung der betroffenen Einzelnen. Unter bestimmten Rahmenbedingungen können diese Versorgungsmodelle zu einer Reduktion der Aufenthaltsdauer in psychiatrischen Kliniken beitragen. Durch den Ausbau der gemeindenahen Betreuung wird die Bevölkerung in ihrem alltäglichen Leben weit mehr mit psychisch Kranken konfrontiert als es früher üblich war. Der Ausbau des aufsuchenden alterspsychiatrischen Dienstes im Kanton Basel Stadt (19861990) erfolgte auf der Basis von allgemeinen Kenntnissen und Vorgaben, und basierte auf Erfahrungen, die bereits Anfang der 80er Jahre im Kanton St.Gallen (an der Kantonalen Psychiatrischen Klinik Wil; Krebs-Roubicek et al.1985, Krebs-Roubicek & Osterwalder 1986) und Bern (Psychiatrische Universitätsklinik Waldau; Reubi 1986) gemacht wurden. Dabei konnte gezeigt werden, dass ambulante Abklärungen bzw. Behandlungen einerseits stationäre Aufnahmen reduzieren, andererseits jedoch den alterspsychiatrischen Abteilungen höhere Akzeptanz zukommen lassen konnten. Aus den früher überfüllten Wachsälen mit teilweise bettlägerigen, pflegebedürftigen Menschen haben sich alterspsychiatrische Abteilungen mit klarem Behandlungsauftrag entwickelt. So konnte in einer Studie gezeigt werden, dass wenn zwei zweijährige Abschnitte vor und nach dem neuen Konzept verglichen wurden, grosse Unterschiede in den Aufnahme/Austrittzahlen gezeigt werden konnten. So wurden vor dem neuen Konzept innerhalb von zwei Jahren 11 Patienten aufgenommen (umgerechnet auf 30 Betten), 5 konnten entlassen werden, 20 waren verstorben. In den ersten zwei Jahren nach Einführung des neuen Konzeptes wurden 195 Patienten aufgenommen (davon 9 Wiederaufnahmen), 155 konnten entlassen werden, 18 sind verstorben. Im Vordergrund der Symptomatik standen depressive Syndrome und Verwirrtheitszustände, einerseits bei dementiellen Syndromen, andererseits bei Milieuwechsel. Es fiel auf, dass die meisten Patienten, die aus familiärer Umgebung kamen, auch wieder dorthin zurückgehen konnten, während Patienten, die aus einem Altersheim kamen, meistens in ein Pflegeheim verlegt werden mussten. Es hat sich ausserdem gezeigt, dass die spitalmässig geführten Altenheime für psychisch kranke alte Menschen nicht sehr gut geeignet waren, dagegen kleinere, familiär geführte Betreuungsheime die bessere Variante darzustellen schienen. Anders ausgedrückt, nur die Betreuung, die die Individualität des alten Menschen berücksichtigt, eignet sich als eine neue Unterkunft.

21

Unter Berücksichtigung dieser Erfahrungen wurde der alterspsychiatrische Dienst in Basel als eine alterspsychiatrische Behandlungskette aufgebaut, welches präventive, ambulante, teilstationäre und stationäre (Therapie und Rehabilitation) Angebote beinhaltet, in enger Koordination mit allen weiteren bereits vorhandenen Hilfeleistungen. Die ambulanten Leistungen werden von einem aufsuchenden Dienst angeboten. Die Zielsetzung beinhaltet folgende Aspekte: • Erhalten der Lebensqualität im gewohnten sozialen und familiären Umfeld • Ambulante Behandlung möglichst lange in der gewohnten Umgebung durchführen, wenn nötig jedoch auch nach neuen Wohnmöglichkeiten suchen Am Beispiel eines Ehepaares wird die Arbeit eher deutlich. Frau A. wurde uns gleichzeitig vom Hausarzt und vom Sozialdienst der Polizei zur ambulanten Abklärung angemeldet. Sie ist in ihrem Verhalten stark auffällig, zeitweise desorientiert, verweigert die verschiedenen angebotenen Hilfeleistungen und kommt mit der momentanen Situation nicht zu recht (der Ehemann ist in stationärer Behandlung in einem Spital). Sie ruft mehrmals täglich ihre Töchter an, die weit entfernt wohnen, und verlangt eine Hilfe. Die Sozialarbeiterin, die im ambulanten Dienst Alterspsychiatrie Basel Stadt arbeitet, koordinierte die Abklärung. Eine testpsychologische Abklärung ergab einen deutlichen kognitiven Abbau, entsprechende medikamentöse Behandlung wurde via Hausarzt eingeleitet. Regelmässiger Einsatz der Spitex - Mitarbeiterinnen wurde zur Abgabe der Medikamente und Unterstützung bei der Körperpflege installiert. Eine Beistandschaft wurde beantragt, die Sozialarbeiterin übernahm die regelmässige wöchentliche Abgabe der Gelder. Für den Ehemann konnte ein Pflegeheim Platz gefunden werden. Frau A. ist einverstanden ins gleiche Heim einzutreten, sobald ein Platz zur Verfügung steht. Die Sozialarbeiterin besucht Frau A. einmal wöchentlich, wird zwischenzeitlich von Frau A., die oft das Geld nicht finden kann, angerufen. Diese Form der ambulanten Betreuung ersetzt eine stationäre Behandlung. Ein Tag in der psychiatrischen Universitätsklinik Basel kostet für die ersten drei Tage CHF 330, danach CHF 220. Der Spitex Einsatz wird für 20 Minuten in der Grundpflege, komplexe Situation mit CHF 19.40 berechnet. Der Einsatz der Sozialarbeiterin wird gemäss Tarmed verrechnet. Somit kann gezeigt werden, dass die ambulante Betreuung nicht nur dem Wunsch von Frau A. entspricht, sondern, dass diese Betreuungen auch finanziell günstiger ist. Durch den Ausbau des ambulanten Dienstes und durch die gleichzeitige Zunahme der geeigneten Heimplätze ist es gelungen, die Betten der psychiatrischen Universitätsklinik in Basel von ursprünglich 175 im Jahre 1987 auf 46 im Jahre 2004 zu reduzieren. Diese Reduktion wurde möglich, da einerseits viele Menschen zu Hause betreut werden, andererseits profitieren Alters- und Pflegeheime von der ambulanten alterspsychiatrischen Unterstützung und sind eher in der Lage, psychisch kranke alte Menschen zu betreuen. In den letzten Jahren haben sich zusätzlich neue Wohnangebote entwickelt, wie Wohngruppen für psychisch kranke alte Menschen oder Pflegewohngruppen für Demente, die eine familiäre Atmosphäre anbieten, die, wie bereits in den Berichten aus Kanton St. Gallen beschrieben wurde, eher für psychisch kranke Ältere geeignet sind. Die MitarbeiterInnen des ambulanten Dienstes betreuen rund 200 Personen, davon ca. Hälfte in der Wohnung, andere Hälfte in Wohngruppen und Heimen. Die Betreuung in der eigenen Wohnung wird durch Spitex Leistungen unterstützt, bzw. ermöglicht. Diese Betreuung kann nur dann gelingen, wenn alle Beteiligten gut vernetzt sind. EKR/6.4.2004

22

Anhang ll

Hängige Verfahren nach Art. 89 KVG Zusammenstellung 1. Renate UHLIG c. CONCORDIA i.S. R.M. PVK vom 06.06.2001 - Schlichtungsverfahren edolglos - Klage vom 13.08.200l/Verwaltungsgericht TG als Versicherungsgericht - Hauptverhandlung 10.01.2002 - hängig. Thema: - Patientin mit chronisch gestörtem Selbstwertgefühl, unzureichendem Problembewältigungsvermögen und damit einhergehendem psychosomatischem Beschwerdebild; - Unterstützung beim Erproben neuer Bewältigungsformen; Unterstützung bei der Entwicklung einer positiven Selbst-, insb. Körperwertschätzung; Informationen zum Essverhalten; Ermittlung der Stressoren und Unterstützung bei der Suche nach bzw. Einüben von neuen Verhaltensweisen; Informationen über normale Trauerprozesse und über wirksame Möglichkeiten,mit Schuld umzugehen. - Concordia bezeichnet die erbrachten Leistungen als Psychotherapie.

2. Olivia HASLER c. HELSANA i,S. O.R. PVK vom 27.06.2002 - Schlichtungsvefahren erfolglos - Klage wird Mitte Februar 2003 beim Verwaltungsgericht TG als Versicherungsgericht eingereicht Thema: - Äztliche Verordnung: Unterstützung bei der Gestaltung der Tagesstruktur - Pflegediagnosen: Beeinträchtigt Haushaltführung/Beschäftigungsdefizit/beeinträchtigte soziale Interaktion/ungenügende Bewältigungsformen/chronisch tiefes Selbstwertgefühl - Pflegemassnahmen: o Erarbeitung einer Tagesstruktur und einer sinnvollen Freizeitgestaltung o Überwachung und Besprechung der medikamentösen Therapie o Unterstützung im Umgang mit Sozialversicherungen und Ämtern o Erarbeitung sozialer Kontaktmöglichkeiten - HELSANA: Erarbeiten einer Tagesstruktur und sinnvollen Freizeitgestaltung, Unterstützung und Besprechung mit Sozialversicherungen und Ämtern, Erarbeiten sozialer Kontaktmöglichkeiten stellen keine Pflichtleistung dar.

3. Olivia HASLER c. HELSANA i,S. K.D. PVK vom 27.06.2002 - Schlichtungsverfahren erfolglos - Klage wird Mitte Februar 2003 beim Verwaltungsgericht TG als Versicherungsgericht eingereicht Thema: - Ärztliche Diagnose: chronisch paranoide halluzinatorische Schizophrenie - Ärztliche Verordnung: Verhinderung einer erneuten Dekompensation/Überwachung des psychischen Zustandes - Pflegediagnosen: Beeinträchtigte soziale Interaktion/Ungenügende Bewältigungsfor- men/Hoffnungslosigkeit/fehlgeleitetes Trauern - Pflegemassnahmen: o Erarbeitung von sozialen Interaktionsmöglichkeiten in der Freizeit, evtl. Begleitung o Unterstützung im Umgang mitSozialversicherungen/Amtern o Beratung bei KontaKmöglichkeiten mit Tochter - HELSANA: Erarbeiten einer Tagesstruktur und sinnvollen Freizeitgestaltung, Unterstützung und Besprechung mit Sozialversicherungen und Ämtern, Erarbeiten sozialer Kontaktmöglichkeiten stellen keine Pflichtleistung dar.

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4. Olivia HASLER c. HELSANA i.S. I.U, PVK vom 27.06.2002 - Schlichtungsverfahren erfolglos - Klage wird Mitte Februar 2003 beim Verwaltungsgericht TG als Versicherungsgericht eingereicht Thema: - Pflegediagnose: Elternrollenkonflikt/veränderte elterliche Pflege/beeinträchtigte soziale Interaktion/ungenügende Copingstrategien - Ärztliche Verordnung: Verhinderung einer erneuten Dekompensation/Überwachung des psychischen Zustandes - Pflegemassnahmen: o Erarbeitung von Copingstrategien im Alltag

o Unterstützung im Umgang mit Sozialversicherungen/Ämtern, je nach Situation Begleitung o Beratung in der Eziehung der Kinder o Unterstützung bei sozio-kulturellen Konflikten HELSANA: Erarbeiten einer Tagesstruktur und sinnvollen Freizeitgestaltung, Unterstützung und Besprechung mit Sozialversicherungen und Ämtern, Erarbeiten sozialer Kontaktmöglichkeiten stellen keine Pflichtleistung dar

-

5. Olivia HASLER c. HELSANA i.S. H.E. PVK vom 27.06.2042 - Schlichtungsverfahren erfolglos - Klage wird Mitte Februar 2003 beim Verwaltungsgericht TG als Versicherungsgericht eingereicht Thema:

-

Ärztliche Diagnose: paranoide Schizophrenie

-

Ärztliche e Verordnung: Verhinderung der psychischen Dekompensation/Begleitung bei Alltagsstrukturen, Beratung bei Alltagsbewältigung Pflegediagnose: Störung der persönlichen Identität/beeinträchtigte verbale Kommunikation/hohes Einsamkeitsrisiko Pflegemassnahmen: o Erarbeitung von sozialen Interaktionsmöglichkeiten o Unterstützung im Umgang mit Sozialversicherungen/Ämtern o Beratung und Erarbeitung von Kontaktmöglichkeiten HELSANA: Erarbeiten einer Tagesstruktur und sinnvollen Freizeitgestaltung, Unterstützung und Besprechung mit Sozialversicherungen und Ämtern, Erarbeiten sozialer Kontaktmöglichkeiten stellen keine Pflichtleistung dar.

-

-

6. Rita LENGSFELD c. HELSANA i.S. L.S. PVK vom 12.09.2002 - Schlichtungsvefahren etfolglos - Klage wird Mitte Februar 2003 beim Versicherungsgericht SG eingereicht Thema: - Ärztliche Diagnose: Chronische Alkoholkrankheit - Ärztliche Verordnung: Psychosoziale Begleittherapie, evtl. Krisenbegleitung - Pflegemassnahmen: o Begleitung bei der Alltagsbewältigung o Verbesserung der Copingstrategien o Beratung im Umgang mit der Symptomatik o Krisenbegleitung - HELSANA: Die aufgefühften Pflegeleistungen ,,stellen gemäss lC/G und Art. 7 KLV klar keine Pflichtleistung der Krankenversicherer dar". Verweis auf Zirkular 281200L der santésuisse-Sektion St. Gallen/Thurgau

24

7. Rita IENGSFELD c. HELSANA i.S. S.C. PVK vom 12.09.2002 - Schlichtungsverfahren erfolglos - Klage wird Mitte Februar 2003 beim Versicherungsgericht SG eingereicht Thema: -

Ärztliche Verordnung: Begleitung und Stützung bei schwerer psychischer Erkrankung, St. n. zweimonatiger Hospitalisation Pflegediagnosen: Beeinträchtigte soziale Interaktion/soziale Isolation/Hoffnungslosigkeit u.v.a.m. Pflegemassnahmen: o Hausbesuche und stützende Gespräche mit dem Inhalt berufliche Orientie-

rung/Stressoren/Erhöhung Copingstrategien/Umgang mit somatischen Beschwerden/Umgang mit Stimmungsschwankungen/Familiengespräche -

o ErarbeitenTagesstruktur HELSANA: die erwähnten Leistungen ,,sind so nicht in der KLV Art. 7 aufgeführt und können daher nicht als Pflichtleistungen abgerechnet werden"

8. Gabi ROMBACH c. HELSANA i.S. G.A. PVK vom 12.09.2002 - Schlichtungsverfahren erfolglos - Klage wird Mitte Februar 2003 beim Verwaltungsgericht TG als Versicherungsgericht eingereicht Thema: - HELSANA: ,,Die Lebensbegleitung und -beratung ist keine Pflichtleistung der OKP, da sie nicht der Definition der Abklärung und Beratung gemäss Art. 7 Abs. 2 Lit. a KLV entspricht. Im weiteren sind psychiatrische Behandlungen, wie Krisenintervention, nicht als Leistungen im Sinne von Art. 7 KLV anrechenbar. Denn diese sind [...] Leistungen im Rahmen einer äztlichen Psychotherapie, die nur von einem entsprechend ausgebildetem Therapeuten erbracht werden können." Demzufolge weigerte sich die Helsana z.T. prinzipiell, Rechnungen zu begleichen, z.T. kürzte sie sie pauschal um 50o/o oder wandte die für die einfache Grundpflege vorgesehene Tarifposition an...“

9. Gabi ROMBACH c. HELSANA i.S. F.C. PVK vom 12.09.2002 - Schlichtungsverfahren erfolglos - Klage wird Mitte Februar 2003 beim Versicherungsgericht SG eingereicht Thema: - HELSANA (gleiche Begründung wie unter B [s.o.]); zudem: „sozialpsychiatrische Beratung ist nicht im Leistungskatalog der Krankenschwestern/Krankenpfleger aufgeführt."

10. Gabi ROMBACH c. HELSANA i.S. I.W. PVK vom 12.09.2002 - Schlichtungsverfahren erfolglos - Klage wird Mitte Februar 2003 beim Verwaltungsgericht TG als Versicherungsgericht eingereicht Thema: - Ärztliche Diagnose: Schwere Persönlichkeitsstörung mit häufig auftretenden Suizidalkrisen und Suchttendenz - HELSANA (gleiche Begründung wie unter 8 [s.o.]); zudem: ,,sozialpsychiatrische Beratung ist nicht im Leistungskatalog der Krankenschwestern/Krankenpfleger aufgeführt."

25

11. Gabi ROMBACH c. HELSANA i.S. U.W. PVK vom 12.09.2002 - Schlichtungsverfahren efolglos - Klage wird Mitte Februar 2003 beim Verwaltungsgericht TG als Versicherungsgericht eingereicht Thema: - Pflegediagnosen: Persönliche ldentitätsstörung, psychotische Störung (Schizophrenie und depressive Zustände), Unsicherheit im Alltag, Angst, Entscheidungsschwierigkeiten - Betreuung nach erneutem Klinikaufenthalt bei schwerer psychischer Störung Pflegemassnahmen: o Anleitung, Beratung und Abklärung bei der Bewältigung von alltäglichen Anforderungen, unter Einbezug des Krankheitsbildes o Pflegerische Gespräche, vorbeugende Anleitung, Beratung, um erneutem Klinikeintritt zu verhindern o Motivationsarbeit in Bezug auf Krankheitsannahme, oder deren Bewältigung im bestehenden sozialen Netz. Im Besonderen aktive Beratung und Unterstützung der ärztlich verordneten medikamentösen Therapie o Anleitung, Beratung bei Angst und Panik o Planung der notwendigen Massnahmen in Zusammenarbeit mit [Ärztin] - Haltung der HELSANA wie in den Fällen 9 ff.

12. Gabi ROMBACH c. HELSANA i.S. R.W. PVK vom 12.09.2002 - Schlichtungsverfahren erfolglos - Klage wird Mitte Februar 2003 beim Versicherungsgericht SG eingereicht Thema: - Betreuung nach wiederholtem Klinikaufenthalt bei schwerer psychischer Störung - Haltung HELSANA vgl. Fälle 9 ff.

13. Gabi ROMBACH c. HELSANA i.S. A.G. PVK vom 12.09.2002 - Schlichtungsverfahren erfolglos - Klage wird Mitte Februar 2003 beim Versicherungsgericht SG eingereicht Thema: - Betreuung nach jahrelanger stationärer Behandlung und überfordertem sozialen Netz - Pflegediagnosen: Ausgeprägte, panische Angstattacken, persönliche Identitätsstörung, schlechte Selbstdifferenzierung (paranoide ldeen, Depersonalisierung) - Pflegemassnahmen:

o Anleitung, Beratung bei Bewältigung der täglichen Anforderungen, in Einbezug des aktuellen Krankheitsbildes

-

o Motivationsarbeit in Bezug auf Krankheitsannahme oder deren Bewältigung im bestehenden sozialen Netz. Im Besonderen aktive Beratung und Unterstützung der ärztlich verordneten medikamentösen Therapie. Planung der nötigen Massnahmen in Zusammenarbeit mit Arzt o Pflegerische, vorbeugende Gespräche/Anleitung in Krisensituationen, Umgang mit Angst und Panikattacken o Erarbeitung von Wochen-, Tagesstrukturen; Besprechung, Beratung und Anleitung o Aktive AbklärunglBeratung von Ressourcen in Einbezug der bestehenden Krankheit Haltung HELSANA vgl. Fälle 9 ff.

26

14. Gabi ROMBACH c. HELSANA i.S. R.Sch. PVK vom 12.09.2002 - Schlichtungsverfahren erfolglos - Klage wird Mitte Februar 2003 beim Verwaltungsgericht TG als Versicherungsgericht eingereicht Thema: - Betreuung nach fürsorgerischem Freiheitsentzug - Ärztliche Diagnose: chronische Schizophrenie - Ärztliche Verordnung: ,,Zur Verminderung des Risikos einer erneuten psychotischen Dekompensation benötigt der Pat. eine ambulante sozialpsychiatrische und pflegerische Unterstützung (Medikamenteneinnahme, Tagesstrukturierung, Krisenbewältigung) - Pflegediagnose: Denkprozess beeinträchtigt; unrealistische, wahnhafte Vorstellungen bezüglich der Krankheit oder des aktuellen Lebens; Verkennung der Realität, veränderte Wahrnehmung - Haltung HELSANA vgl. Fälle 9 ff. -

15. Barbara BIETMANN c. HELSANA i.S. E.S. PVK vom 12.09.2002 - Schlichtungsverfahren erfolglos - Klage wird Mitte Februar 2003 beim Versicherungsgericht SG eingereicht Thema: - Ärztliche Diagnose: residuale Schizophrenie - Ärztliche Verordnung: Beratung mit dem Ziel, Pat. in den Aktivitäten des täglichen Lebens so zu unterstützen, dass erneute Dekompensationen vermieden werden können, Nachbetreuung nach Klinikaufenthalt, Förderung des Selbstwertgefühls - HELSANA: ,,Die von den Krankenschwester erbrachten Dienstleistungen sind u.E. psychosozialer Natur, und stellen keine Pflichtleistung nach KLV Art. 7 für die Krankenversicherer dar."

16. Barbara BIETMANN c. HELSANA i.S. M.A. PVK vom 12.09.2002 - Schlichtungsverfahren erfolglos - Klage wird Mitte Februar 2003 beim Versicherungsgericht SG eingereicht Thema: - Ärztliche Diagnose: chronische Schizophrenie - Ärztliche Verordnung: Beratung mit dem Ziel, Pat. in den Aktivitäten des täglichen Lebens zu unterstützen, so dass eine psychotische Dekompensation vermieden werden kann, Nachbetreuung - Pflegediagnose: Kleinste Veränderungen im Umfeld lösen bei pat. Wahnideen aus, so dass sie sich von Geistern und anderem bedroht fühlt, Situationen verkennt. Pflegemassnahmen:

o Durch Beratung des ganzen Systems (Kinder, Vermieter, etc.) die Situation immer wieder zu beruhigen; Coaching

-

o Beratung hinsichtlich Ernährung o Unterstützung im Zusammenhang mit der Überwindung der massiven sozialen Isolation o Frühzeitige Erfassung der massiven Schlafstörungen HELSANA: ,,Die erbrachten Leistungen (Beratung bezüglich Aktivitäten des täglichen Lebens zur Vermeidung einer Dekompensation) können nicht als Pflichtleistung der Krankenversicherer abgerechnet werden“

27

17. Barbara BIETMANN c. HELSANA i,S. H.Z. PVK vom 12.09.2002 - Schlichtungsverfahren erfolglos. Thema: - Ärztliche Verordnung: Beratung mit dem Ziel, Pat. in den Aktivitäten des täglichen Lebens so zu unterstützen, dass erneute Dekompensationen vermieden werden können und er möglichst selbständig leben kann - Pflegediagnose: aufgrund schwerer Persönlichkeitsstörung, beeinträchtigte Kommunikation, beeinträchtigte soziale Interaktion, soziale Isolation, ungenügendes Coping, chronisch tiefes Selbstwertgefühl, Hoffnungslosigkeit, u.a. - Pflegemassnahmen: Begleitende stützende Gespräche, Beratung des Umfelds - HELSANA: ,,Beratungen im Sinne von Kriseninterventionen, Erarbeiten von Tagesstrukturen, Aktivitäten des täglichen Lebens zu unterstützen stellen keine Pflichtleistung dar. [Diese Leistungen sind im Rahmen einer ärztlichen Psychotherapie, oder durch einen diplomierten Psychologen durchführbar und erstattungsfähig"

18. Fabrizio BAGATELLA c. HELSANA i.S. V.A. PVK vom 12.09.2002 - Schlichtungsverfahren erfolglos - Klage wird demnächst beim Versicherungsgericht VD eingereicht Thema: - Pflegemassnahmen: « Evaluation des soins et mise en place des interventions nécessaires en collaboration avec le médecin/maintien à domicile" - HELSANA: Bei den erbrachten Leistungen der Psychiatriepflege handle es sich nicht um Massnahmen der Beratung i.S. von Art. 7 Abs. 2 Litt. a, sondern um solche der Grundpflege i.S. von Litt. c, weshalb statt 12 Taxpunkten/10 Minuten nur deren 6.5 vergütet werden.

19. Fabrizio BAGATELLA c. HELSANA i.S. M.E. PVK vom 12.09.2002 - Schlichtungsverfahren erfolglos - Klage wird demnächst beim Versicherungsgericht VD eingereicht Thema: - Pflegemassnahmen: Vorbeugung erneuter Klinikeinweisung - HELSANA: vgl. Fall 18

20. Fabrizio BAGATELLA c. HELSANA i.S, D.B. PVK vom 12.09.2002 - Schlichtungsverfahren erfolglos - Klage wird demnächst beim Versicherungsgericht VD eingereicht Thema: - Pflegemassnahmen: Vorbeugung erneuter Klinikeinweisung - HELSANA: vgl. Fall 18

21. Fabrizio BAGATELLA c. HELSANA i.S. D,B. PVK vom 12.09.2002 - Schlichtungsverfahren erfolglos - Klage wird demnächst beim Versicherungsgericht VD eingereicht Thema: - Pflegemassnahmen: Vorbeugung erneuter Klinikeinweisung - HELSANA: vgl. Fall 18

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22. Olivia HASLER c. HELSANA i.S. M.S.X. PVK vom 21.11.2002 - Schlichtungsvorschlag zugunsten der Krankenkasse - Klage wird Mitte Februar 2003 beim Verwaltungsgericht TG als Versicherungsgericht eingereicht Thema: - Ärztliche Diagnose: Posttraumatische Belastungsstörung, emotional instabile Persönlichkeit, rezidivierende depressive Störung - Pflegediagnose: Aktivitätsintoleranz, beeinträchtigte Haushaltsführung, hohes Selbstverstümmelungsrisiko, Vergewaltigungssyndrom, ungenügende Bewältigungsformen - Pflegemassnahmen: o Unterstützung in der Alltagsbewältigung, Erarbeitung von Copingstrategien in Bezug auf die Selbstverletzungen o Organisation der Wohnungsräumung (Müllentsorgung etc.) o Aufbau einer Tagesstruktur, Suche eines geschützten Arbeitsplatzes - HELSANA: weigert sich sogar die Abklärungen bei der Übernahme des Pat. zu bezahlen, da offensichtlich psychosoziale Krankenpflege vorliege.

23. Christine AMHERD c. HELSANA i.S. H.T. Vor PVK hängig Thema: - Pflegemassnahmen: Angsttraining - HELSANA: Bei den verrechneten Leistungen handelt es sich nicht um SpitexKrankenpflege-Leistungen, sondern um eine nicht kassenpflichtige Psychotherapie [...]"

24. Christine AMHERD c. HELSANA i.S. J.G. Vor PVK hängig Thema: - Pflegemassnahmen: Angsttraining - HELSANA: vgl. Fall 23

Wichtiger Hinweis Seit einiger Zeit wirft die überwältigende Mehrzahl der Paritätischen Vertrauenskommission unterbreiteten Fälle die Frage auf, wie Leistungen der Pflege an Menschen mit psychischer Krankheit zu qualifizieren und durch die Leistungserbringerlnnen zu verrechnen seien. Die Meinungen der Vertreterlnnen der Kostenträger einerseits, der Leistungserbringerlnnen andererseits, weichen fundamental voneinander ab. Die Paritätische Vertrauenskommission (PVK) SBK-santésuisse hat sich zu wiederholten Malen ausser Stande erklären müssen, den Parteien einen Schlichtungsvorschlag zu unterbreiten. Aufgrund der diametral entgegengesetzten Auslegungen der geltenden rechtlichen Grundlagen und der vorläufigen Unmöglichkeit, sich in dieser Frage zu einigen, beschloss die PVK am 12. September 2002 bis zur Klärung der

gesetzlichen Grundlagen folgendes

29

Hängige Verfahren nach Art. 89 KVG in Bearbeitung durch RA Kurath ohne schiedsgerichtsverfahren nach Art. 89 KVG vor PVK 25. Barbara Bietmann / GSS l.S. KA a) Stand: Klage vor Versicherungsgpricht SG in Vorbereitung b) Ärztliche Verordnung. Beratung mit dem Ziel, Patientin im Alltagsleben so zu unterstützen, dass sie selbständig leben kann und Dekompensationen vermieden werden können. Beratung: max. 1 mal pro Woche 90 Min, c) Pflegediagnose: Zuweisung durch Sozialpsychiatrischen Dienst SG. Schwere Angst- und Panikreaktionen, körperliche und soziale Verwahrlosung der Patientin und ihrer Kinder, meistert verhältnismässig tiefe Anforderungen an Alltagsleben nicht. d) Pflegemassnahmen: Beratung, Anleitung und Kontrolle bei der Bewältigung von Alltagsaktivitäten (Haushalt, Einkauf etc.), Hilfsnetz aufbauen durch Beizug von vormundschaftlichen Behörden, Ärzten und Helferinnen der Frauenzentrale. Bereitstellen und Überwachung der Medikation mit Floxyfral,

29. Barbara Bietmann / Helsana l.S. P.P. a) Stand: Klage vor Versicherungsgericht SG in Vorbereitung, b) Ärztliche Verordnung und Diagnose: Persönlichkeitsstörung bei Minderbegabung, Status nach Suizidversuch; Beratung, max. 1 mal pro Woche zu 80 Min. c) Pflegediagnose: Anpassungsstörungen, beeinträchtigte Haushaltsführung, Unfähigkeit, Alltagsaktivitäten selbständig zu bewältigen. d) Pflegemassnahmen: Klinikaufenthalt vermeiden, Stabilität im Alltag aufbauen durch Pflegeplanung. Erarbeiten einer Tagesstruktur, Eingliederung in ein Arbeitslosenprojekt, Zusammenarbeit mit Fürsorge- und Vormundschaftsbehörden, Bereitstellen und Überwachen der antidepressiven Medikation.

27. Barbara Bietmann / CSS, l,S. S.C. a) Stand: Klage vor Versicherungsgericht SG in Vorbereitung. b) Ärztliche Verordnung und Diagnose: Paranoide Schizophrenie, erhebliche Polymorbidität. Beratung 1 mal pro Woche ä 90 Min. c) Pflegediagnose: Schlafstörungen durch psychische Krankheit, lsolation und Beeinträchtigung in Haushaltsführung. Einschränkung in Kommunikation und Wahrnehmung. d) Pflegemassnahmen: Begleitung einmal wöchentlich für Alltagsaktivierung, Realitätskontrolle. Regelmässiges Überprüfen der Schlafzeiten, des Schlaf- und Wachrhythmus und des Schlafrituals. Anleitung und Unterstützung der freiwilligen Helferin in der Haushaltsführung.

28. Barbara Bietmann / Helsana l.S. l.S.B.C. a) Stand: Klage vor Versicherungsgericht SG in Vorbereitung. b) Ärztliche Verordnung und Diagnose: Suizidalität, Einstellung auf Antidepressiva, Angstund Panikattacken, beeinträchtigte Haushaltsführung, verbale Kommunikation und soziale Interaktion. Beratung einmal wochentlich à 80 Min. mit dem Ziel, Patientin in den Aktivitäten des Lebens so zu unterstützen, dass sie möglichst selbständig leben kann, Dekompensationen zu vermeiden versuchen. 30

c) Pflegediagnose: Drohende Klinikeinweisung vermeiden, Medikamentationen überwachen, Umgang mit Schlafstörungen vermitteln, Medikamentation überwachen, Anleitung der freiwilligen Helferin im Haushalt. Aktivieren sozialer Kontakte mit ltalienischsprechenden, Beratung im Umgang mit den erwachsenen Kindern der Patientin.

29. Barbara Bietmann / CSS l.S. L.Ch. a) Stand: Klage vor Versicherungsgericht SG in Vorbereitung. b) Ärztliche Verordnung und Diagnose: Schizophrenie. Antrieb, Energie und Entschlussfähigkeit massiv reduziert, Beziehungsfähigkeit reduziert. Hilfe und Unterstützung in den krankhaft eingeschränkten Bereichen. Beratung max. 2 mal pro Woche à 90 Min. c) Pflegediagnose: Antrieb, Energie und Entschlusskraft stark eingeschränkt, so dass Verlust der verbliebenen Selbständigkeit und Sozialkompetenz droht. d) Pflegemassnahmen: Beratung durch Hilfe und Unterstützung in den krankhaft eingeschränkten Bereichen. Aktuell ein bis zwei Stunden alle 14 Tage.

30. Barbara Bietmann / CSS l.S. S.E. a) Stand: Klage vor Versicherungsgerieht SG in Vorbereitung. b) Ärztliche Verordnung und Diagnose: Psychose. Nachbetreuung nach Klinik-aufenthalt, Beratung mit dem Ziel psychische Stabilität zu erhalten um arneute Dekompensationen zu vermeiden. Überwachung der Medikamentation. Beratung max. 1 mal pro Woche. c) Pflegediagnose: Realitätsüberprüfung, Hilfe bei Krankheitsbewältigung, Schlafstörungen, soziale lsolation. d) Pflegemassnahmen: Regelmässiges Überprüfen von Schlafzeiten, Schlafrhythmus und Schlafritual. Medikamente überwachen. Realität überprüfen, Unterstützung der Bestrebungen für Alltagsaktivitäten und Bewältigung der lsolation, Einmal wöchentlich Beratung mit Bereitstellung und Überwachung der Medikamente.

31. Barbara Bietmann / Helsana i.S. E.J. a) Stand: Klage vor Versicherungsgericht SG in Vorbereitung. b) Ärztliche Verordnung und Diagnose: Schizophrenie. Soziale lsolation, erhöhte Vulnerabilität. Beratung einmal alle 14 Tage ä 1,5 Stunden. Ziel: Unterstützung im Alltag, um erneute Dekompensationen zu vermeiden, c) Pflegediagnose: Zurückgezogenheit, kaum soziale Kontakte und überstarke Fixierung auf Ehepartner infolge Schizophrenie. Übeforderung Ehepartner. d) Pflegemassnahmen: Zusammen mit Patientin Tagesstruktur erarbeiten, Motivation für Aussenaktivitäten, regelmässige Überprüfung der Realität, Koordination des Systems.

32. Annik Wallner / CSS i.S. H.J. a) Stand: Klage vor Versicherungsgericht SG in Vorbereitung. b) Ärztliche Verordnung und Diagnose: ICD-10 F 33.10, ICD-10 F 45.4; Erstgespräch 60 Min.; Abklärung und Beratung einmal wöchentlich à 15 Minuten. Grundpflege nach KLV 7 lit. c 1. Zwei- bis dreimal wöchentlich je 30 bis 45 Minuten. c) Pflegediagnose: Nachbetreuung nach Hospitalisation. Unterbrochener Familienprozess, unwirksames Coping, Aktivitätsintoleranz, Angst, Schlafstörungen, chronische Schmerzen. d) Pflegemassnahmen: Beratung und Kontrolle von Aktivitäten im Haushalt und sozialen Umfeld. Komplexe, wechselhafte instabile Betreuungssituation. Psychische und soziale Situation brüchig, Ressourcen massiv eingeschränkt. In Krisensituationen häufigere und längere Einsätze 31

vorhersehbar, Abklären der Pflegebedürfnisse. Gespräche zur Planung und Auswertung von Pflegebedürfnissen, Kompetenzen und Fähigkeiten, Verhaltensweisen, Massnahmen zur Verbesserung der sozialen Kompetenz, Unterstützung der Familie im Umgang mit der Situation. Entscheidungsfähigkeit bezüglich Aktivitäten verbessern. Schlafgewohnheiten und Schlafrhythmus etablieren.

33. Rita Lengsfeld / Helsana i.S. S.M. a) Stand: Klage vor Versicherungsgericht SG in Vorbereitung, b) Ärztliche Diagnose und Verordnung: Rezidivierende depressive Verstimmungen bei verminderter kognitiver Leistungsfähigkeit. Polytrauma nach Motorradunfall; Beratung alle 14 Tage 60 Minuten zur Stabilisierung des psychischen Zustandes und zur Erhöhung der Fähigkeiten bei der Alltagsbewältigung. c) Pflegemassnahmen: Ausarbeiten von Plänen und Strukturen für Haushalt und bewältigen Alltagsleben. Beratung zur Erweiterung des Aktionsradius. Grosse Fortschritte im Umgang mit der psychischen Behinderung, sinkender Betrauungsbedarf.

34. Rita Lengsfeld / Helsana i.S. F.T. a) Stand: Klage vor Versicherungsgericht SG in Vorbereitung. b) Ärztliche Verordnung und Diagnose: Klinikaufenthalt, psychische Erkrankung. Nachbetreuung nach Klinikaustritt, Abklärung psychiatrische Befindlichkeit, Beratung bei Alltagsbewältigung und Umgang mit Krankheitssymptomatik. Beratung wöchentlich 1 Stunde, 10 Stunden pro Monat, maximal 32 Stunden pro Quartal. c) Pflegemassnahmen: Pflegerische Diagnose: NANDA: 8.3., 8.1.1, 7.2., 5.1 ,1 .1 , Abklärung der psychischen Befindlichkeit, des höheren Stresserlebens, der Tragfähigkeit des betreuenden Netzes. Beratung im Umgang mit Angst und Stress, Aufzeigen verschiedener Bekämpfungsmöglichkeiten, Aufklärung und Zusammenarbeit mit Beiständin.

35. Rita Lengsfeld / Helsana I.S. Z.R. a) Stand: Klage vor Versicherungsgericht SG in Vorbereitung. b) Ärztliche Verordnung und Diagnose: Paranoide Schizophrenie mit unvollständiger Remission lCD 10 F20.04; Nachbetreuung, Unterstützung bezüglich Körperhygiene, Essen, Haushalt; überprüfen und Auffüllen Medibox; im Krisenfall Begleitung und Organisieren ärztlicher Hilfe; zweimal wöchentlich je zwei Stunden, Krisenbegleitung bei Bedarf, c) Pflegediagnose: Depressionen und Verwahrlosung; nach fast 1 Jahr stationärer Klinik Integration in Putzequipe bei geschütztem Arbeitsplatz; Familienstruktur: Starke Bindung, nicht förderlich, stark schwankende Stimmung, Copingstrategien ungenügend. d) Pflegemassnahmen: Beratung bei Alltagsbewältigung und Wiedereingliederung, Beratung und Erarbeitung von Strukturen im Haus und Strategien zur Symptombekämpfung; Medikation sicherstellen.

36. Rita Lengsfeld / Helsana l.S. M.M. a) Stand: Klage vor Versicherungsgericht SG in Vorbereitung. b) Ärztliche Verordnung und Diagnose: Depressive Episode mit Neigung zu manischen Phasen; Beraiung bei Alltagsbewältigung, Erhöhung Copingstrategien, Medikamentenverabreichung, eventuell Krisenbegleitung. Ein- bis zweimal wöchentlich je 60 Minuten. c) Pflegediagnose: Nachbetreuung nach Klinikaufenthalt, Soziale Interaktionen reduziert, schwere Sinnkrise, Schlafstörung infolge Medikation, chronisch geringes Selbstwertgefühl. 32

d) Pflegemassnahmen: Verabreichen der Medikament, Beratung zum Aufbau von Beziehungsstrukturen, genaues Beobachten der Symptomatik, schnelles Kippen von depressiven zu manischen Phasen.

37. Rita Lengsfeld / Helsana i.S. S.R. a) Stand: Klage vor Versicherungsgericht SG in Vorbereitung. b) Ärztliche Diagnose und Verordnung. Alkoholabhängigkeit Depression bei Suchterkrankung, Beratung bei begleitetem Wohnen, stützende Gespräche, Nachbetreuung Klinik, dreimal wöchentlich je 60 Minuten, total 14 Stunden monatlich, maximal 45 Stunden / Quartal. c) Pflegediagnose: Psychische und somatische Befindlichkeit abklären, Alkoholkonsum und Suizidalität periodisch abklären. Beratung im umgang mit Suchtmitteln, im Umgang mit Entzugserscheinungen, Beratung bei Aufbau eines sozialen Netzes.

33

595 263 davon

23 3417

* Dezimale im Hundersten

Total Hauswirtschaft / Total

Pflege (KLV, Art. 7, Abs. 2, lit. a+b) Grundpflege (KLV, Art. 7, Abs. 2, lit. c) Nur Hauswirtschaft

Leistungen pro Woche

68.51 103.10

104 164

323

30.86

Dauer pro Einsatz (Minuten)*

110

Anzahl Einsätze pro Woche

Mit mindestens 1 psychischen Problem*

40%

291.13

118.23 117.33

55.57

263

100 108

148

175.25

103.01

48%

366.6

105.09

86.26 63.15

35.78

Total StunAnzahl Dauer pro Total Stunden pro Einsätz pro Einsatz den pro Woche Woche (Minuten)* Woche

Ohne psychische Probleme*

-60

-57

-4

40

Anzahl Einsätze pro Woche

-5.36 -0.09

4.92

77%

75.47

-13.14 57.92

30.29

Dauer pro Total StunEinsatz den pro (Minuten)* Woche

Unterschied*

44% der untergesuchten Kundschaft 35% mit KLV-Leistungen (210) 26% nur KLV-Leistungen (155) 9% KLV- + hauswirtschaftliche Leistungen (55) 9% nur hauswirtschaftliche Leistungen (53)

Tabelle 1: Vergleich der Betreuungen der Kundschaft zu Hause ohne und mit psychischen Problem

Kundschaft mit psychischen Problem

Untergesuchte Kundschaft (26 KlientInne X 23 Spitex-Organisationen) Zufallprinzip

Kantone: SG + ZH Dauer: Juli 2002 ( 4 Wochen) Anzahl Organisationen: Gesamte Kundschaft

1.28

1.22 0.13

0.50

-5.22 -0.05

4.55

Stunden pro Woche Dauer pro (DurchEinsatz schnitt)

Unterschied in Stunden und Minuten

ABDERHALDEN Christoph, LÜTHI Regula, MAZZOLA Rosa, WOLFF Stefan: Häufigkeit, Art und Schweregrad psychiatrischer Probleme bei SpitexKlientInnen in den Kantonen Zürich und St. Gallen. WE’G, Zürich, Februar 2003.

EINIGE DATEN GEMÄSS DER STUDIE

Anhang lll

58% 10% 61%

63% 28%

Total 82% Schätzung der durchschnittlichen Überzeit : 50 %

51 46

2058 1852

12'735

2'207'478 382'064

60

40

Stunden pro KlientIn

119

291

132 113 19

Schätzung der KVG-Kosten (in Mio)

0%

-8%

16%

% Kundschaft mit psychischen Problem mit KLV-Leistungen % Kosten zu Lasten der Versicherer

(5) Nach Abzug des Selbstbehalts (10%).

35% 47%

(4) Spitex-Statistik BSV, Bern 2003, S. 69. Beteiligung der KlientInnen inbegriffen (Franchise und Selbstbehalt).

(3) Die Stundenverteilung zwischen Pflege- und hauswirtschaftlichen Leistungen wurde 50/50 geschätzt.

(1) Spitex-Statistik BSV, Bern 2003, S. 16. (2) Ausschluss der Personen mit nur hauswirtschaftlichen Leistungen. Studie Abderhalden et al.: detaillierte Daten, nicht publiziert.

Finanzierung durch die Krankenversicherer (5)

(4)

Total des KLV-Ertrags der Spitex-Organisationen

36'791

2'589'542

50'942

Schätzung mit psychichen Problem (35%) (2)

davon nur KLV-Leistungen (26%) davon KLV- + hauswirtsschaft. Leistungen. (9%)(3)

5'676'100

141'505

Stunden

Anzahl (1)

KlientInnen

Tabelle 3: 2002 - Schätzung der Kosten der psychiatrischen Pflege zu Hause

44%

Einsätze pro Wo- Stunden pro Woche Dauer pro Einche (Durchschnitt) (Durchschnitt) satz (Minuten) 25%

Pflege (KLV, Art. 7, Abs. 2, lit. a+b) Grundpflege (KLV, Art. 7, Abs. 2, lit. c) Nur Hauswirtschaft

Clientèle

Tabelle 2: Quantitativer Unterschied der Betreuungen der Kundschaft zu Hause ohne und mit psychischen Problem

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Beilage 1

Antrag des Schweizer Berufsverbandes der Krankenschwestern und Krankenpfleger (SBK) an die Eidgenössische Kommission für allgemeine Leistungen (ELK) zur Revision von Art. 7 KLV „Pflege psychisch kranker Menschen“

Ausgangslage Der Weltgesundheitsbericht 2001 fordert eine gemeindeorientierte psychiatrische Versorgung: „Bei chronischkranken Menschen sind gemeindeorientierte psychiatrische Dienste erfolgreicher als stationäre Behandlungen bezogen auf den Gesundheitszustand und Lebensqualität. Die Verlagerung der Patientinnen und Patienten von stationären Behandlungen zu ambulanten Diensten ist auch kosteneffektiv und respektiert die Würde der Menschen. Gemeindenahe Dienste ermöglichen frühzeitige Interventionen und reduzieren die Stigmatisierung durch psychiatrische Behandlungen. Verwahrende psychiatrische Kliniken sollten durch ambulante Dienste, Stützpunkte in allgemeinen Spitälern und in der Spitex ersetzt werden, welche den Bedürfnissen der Kranken verantwortungsvoll nachkommen können.“ 40 Entgegen dieser allgemein anerkannten Stossrichtung „ambulant vor stationär“ gilt in der Versorgung psychisch Kranker in der Schweiz noch immer „stationär vor ambulant“. Diese Tatsache steht im klaren Widerspruch zu den Erkenntnissen der psychiatrischen Versorgungsforschung. Der institutionalisierte Vorzug stationärer vor ambulanter Pflege führt zudem zu einer strukturbedingten Verschwendung von Ressourcen, in dem Sinn, dass die ambulante Versorgung der Maxime „so wenig wie möglich, soviel wie nötig“ folgt, während stationäre Versorgung automatisch viel Hilfe bedeutet. Dies führt dazu, dass Patienten, die mit relativ wenig Hilfe auskommen könnten, sich in stationäre Behandlung begeben und viel Hilfe in Anspruch nehmen müssen. In der Behandlung und Betreuung psychisch Kranker werden langfristige Therapiefortschritte jedoch nur im Alltag und im Lebensumfeld des Patienten erzielt und gefestigt. Dies setzt jedoch professionelle Angebote der ambulanten psychiatrischen Pflege voraus. In der Schweiz wird diese sinnvolle Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgung durch die mangelhafte Erfassung der psychiatrischen Pflegeleistungen in der Verordnung über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vom 29. September 1995 (KLV) blockiert.41 Gesetzliche Grundlagen In Art. 3 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000 (ATSG) 42 wird der Begriff Krankheit wie folgt umschrieben: „Krankheit ist jede Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit, die nicht Folge eines Unfalles ist und die eine medizinische Untersuchung oder Behandlung erfordert oder eine Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat.“43 Art. 25 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung vom 18. März 1994 (KVG)44 definiert die Leistungspflicht wie folgt: 1 Die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernimmt die Kosten für Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen. 2 Diese Leistungen umfassen: a. die Untersuchungen, Behandlungen und Pflegemassnahmen, die ambulant, bei Hausbesuchen, stationär, teilstationär oder in einem Pflegeheim durchgeführt werden von: World Health Organisation (WHO): “World Health Report 2001: New Understanding, New Hope,” zitiert bei Dr. med. B. Kägi SR 832.112.31. Prof. Dr. H.D. Brenner, unveröffentlichter Expertenbericht (2002), S. 1 42 SR 830.1 43 Hervorhebung durch den Antragsteller 44 SR 832.10 40 41

36

1. 2. 3. [...] e. f. [...]

Ärzten oder Ärztinnen, Chiropraktoren oder Chiropraktorinnen, Personen, die auf Anordnung oder im Auftrag eines Arztes oder einer Ärztin Leistungen erbringen;45

den Aufenthalt in der allgemeinen Abteilung eines Spitals; den Aufenthalt in einer teilstationären Einrichtung;

Sämtliche zitierten Bestimmungen unterscheiden in keiner Weise zwischen Erkrankungen psychischer oder somatischer Genese, vielmehr wird die Beeinträchtigung der geistigen Gesundheit in Art. 3 ATSG ausdrücklich aufgeführt. Auftrag der Pflege in der Gesellschaft

„Der gesellschaftliche Auftrag der Pflege ist es, dem einzelnen Menschen, der Familie und ganzen Gruppen dabei zu helfen, ihr physisches, psychisches und soziales Potential zu bestimmen und zu verwirklichen und zwar in dem für die Arbeit anspruchsvollen Kontext ihrer Lebens- und Arbeitsumwelt. Deshalb müssen die Pflegenden Funktionen aufbauen und erfüllen, welche die Gesundheit fördern, erhalten und Krankheit verhindern. Zur Pflege gehört auch die Planung und Betreuung bei Krankheit und während der Rehabilitation, und sie umfasst zudem die physischen, psychischen und sozialen Aspekte des Lebens in ihrer Auswirkung auf Gesundheit, Krankheit, Behinderung und Sterben. Pflegende gewährleisten, dass der einzelne und die Familie, seine Freunde, die soziale Bezugsgruppe und die Gemeinschaft gegebenenfalls in alle Aspekte der Gesundheitsversorgung einbezogen werden, und unterstützen damit Selbstvertrauen und Selbstbestimmung. Pflegende arbeiten auch partnerschaftlich mit Angehörigen anderer an der Erbringung gesundheitlicher und ähnlicher Dienstleistungen beteiligten Gruppen zusammen.“46 Obwohl sich die aufgezeigte Problematik auf die psychiatrische Pflege bezieht, so ist es unverzichtbar, sich über den generellen Auftrag der Pflege in der Gesellschaft Klarheit zu verschaffen. Die Definitionen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), des International Council of Nurses (ICN) und des Schweizer Berufsverbandes der Krankenschwestern und Krankenpfleger (SBK)47 machen deutlich, dass mit der vorgeschlagene Revision die Rahmenbedingungen geklärt werden, damit die Pflege ihren ganzheitlichen Auftrag, unabhängig von der Diagnose und dem Ort, wo Pflege stattfindet, wahrnehmen kann. Diese anerkannten Definitionen dienten übrigens als Grundlage zu den neuen Ausbildungsbestimmungen für den Diplomberuf Pflege.48 Erläuterungen zur ambulanten psychiatrischen Pflege

„ Die Aufgaben der Pflege in der gemeindenahen Psychiatrie sind vielfältig und anspruchsvoll. Von zentraler Bedeutung ist die Beziehungsgestaltung zu den Patienten. Diese Tatsache gewinnt an Bedeutung, wenn man bedenkt, dass die Pflegenden die Patienten oft über Jahre begleiten. Die Betreuung und Pflege von psychisch Kranken in der Gemeinde verlangt aber auch sehr viel Koordination mit den verschiedensten Personen und Diensten. Hier kann die Pflege eine wichtige Aufgabe im Sinne des Case-Management49 übernehmen. Die Pflegenden ermöglichen so eine Integration dieser Menschen in der Gemeinde.“ 50 Die Kernelemente der psychiatrischen Pflege zeigen grosse Parallelen zum Pflegekonzept nach Orem51. Orem definiert Hilfe als Pflegeintervention auch dort wo Menschen ihren Selbstpflegebedarf nicht alleine abdecken können und das pflegerische Handeln dazu dienen soll, die Waage zwischen

45 wie z.B. diplomiertes Pflegepersonal, vgl. Art. 46 und 49 der Verordnung über die Krankenversicherung vom 27. Juni 1995 (KVV), SR 832.102. 46 WHO: Definition Auftrag der Pflege 1993 47 Definition des Auftrages der Pflege von WHO, ICN und SBK 48 Schweizerisches Rotes Kreuz (SRK): „Ausbildungsbestimmungen Pflegefachfrau/-mann“ vom 6.6.2002 49 M. Ewers/D. Schaeffer (Hrsg.): „Case Management in Theorie und Praxis“, Hans Huber Bern/Göttingen/Toronto/Seattle 2000, S. 251 50 W. Zwemer: „Die Aufgabe der Pflege in der gemeindenahen Psychiatrie“, unveröffentlichte Diplomarbeit Höhere Fachausbildung Pflege Stufe II, Zürich 2002, S. 35 51 S.J. Cavanagh: „Pflege nach Orem“, Lambertus, Freiburg i.Br. 1995, zitiert bei Zwemer [Fn.9] S. 30

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Fähigkeiten und Erfordernissen, die es braucht, um für sich zu sorgen und um die bestmögliche Lebenssituation zu erlangen, in die Balance zu bringen und zu halten sind. Ein weiteres zentrales Ziel der ambulanten psychiatrischen Pflege ist die Integration psychisch Kranker in der Gesellschaft. Psychisch kranke Menschen sollen nicht nur in der Gemeinde sondern mit der Gemeinde leben können. Die fachlich kompetente Unterstützung und Begleitung ermöglicht es ihnen, in ihrem Lebensraum zu bleiben, die drohende Isolation zu verhindern, Krisensituationen frühzeitig zu erkennen und so werden letztlich Klinikeintritte oder -wiedereintritte vermieden. Die wesentlichen Aspekte der Pflege liegen hier im Bereich des Case-Management wie: • Assessment = Einschätzung und Bedarfsplanung • Planning = Zielvereinbarung und Hilfeplanung • Intervention und Monitoring = Koordination und Kontrolle • Evaluation und Accountability = Überprüfung und Rechenschaftsablegung Nicht zu unterschätzen ist zudem der präventive Beitrag der ambulanten psychiatrischen Pflege. Dies ist nicht nur für die Patienten, sondern vor allem auch für deren Angehörige von Bedeutung.52 Wie wirksam und zweckmässig diese Pflege ist, zeigen auch Erfahrungsberichte von Betroffenen.53 Problemanalyse Wie wertvoll und notwendig psychiatrische Pflegeleistungen im ambulanten Sektor sind, wird von keiner Seite ernsthaft bestritten. Vielmehr fordern namhafte Psychiater mit Nachdruck den Ausbau von ambulanten psychiatrischen Pflegeteams, da jeder dritte Klinikpatient gar keiner stationären Behandlung bedürfe.54 Wie erwähnt unterscheidet auch das Gesetz nicht zwischen psychischen und somatischen Erkrankungen. Das Problem liegt vielmehr in der Krankenpflege-Leistungsverordnung. In Art. 7 derselben wird der Leistungsbereich der Krankenpflege zu Hause, ambulant oder im Pflegeheim umschrieben. Aufgrund ihrer Interpretation dieses Artikels weigern sich Krankenversicherer generell, Pflegeleistungen der Abklärung und Beratung bei psychisch Kranken im ambulanten Sektor zu übernehmen.55 Sie berufen sich dabei u.a. auf eine (nicht präjudizierende) Meinungsäusserung des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV) aus dem Jahre 2000, wonach eine Vergütung der psychiatrischen Krankenpflege zu Hause eine Änderung von Artikel 7 KLV erfordern würde.56 Diese Interpretation von Art. 7 KLV bedeutet in der Praxis, dass Patienten mit psychischen Krankheitsbildern entweder hospitalisiert werden oder ihre ambulante psychiatrische Pflege selber bezahlen müssen, was eine krasse Diskriminierung psychisch kranker Menschen darstellt. Diese diskriminierende Praxis ist aus unserer Sicht darauf zurückzuführen, dass die Krankenversicherer vielfach nicht verstehen, worum es bei spezifisch psychiatrischen Pflegemassnahmen geht. Es ist für sie klar, dass Menschen mit einer körperlichen Erkrankung, wie beispielsweise mit einer Halbseitenlähmung, in der Bewältigung des Alltags zu Hause unterstützt, angeleitet und beraten werden müssen, dass es sich dabei um Aufgaben der Pflege handelt und dass die entsprechenden Leistungen obligatorisch versichert sind. Offensichtlich weniger klar ist ihnen, dass das gleiche Recht auch einem Patienten mit einer Depression zusteht, der zur Bewältigung seines Alltags ebenfalls professionell unterstützt, angeleitet und beraten werden muss. Handlungsbedarf Die Problembeschreibung zeigt deutlich, dass sich eine Revision von Art. 7 der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV) aufdrängt, mit dem Ziel, die Leistungspflicht der Krankenversicherer für ambulante Leistungen auf dem Gebiet der Pflege psychisch kranker Menschen sicherzustellen. Wie dringend der Klärungsbedarf ist, zeigen die 31 Beschwerdefälle, die bei den uständigen kantonalen Schiedsgerichten gemäss Art. 89 KVG hängig sind. Zum Schluss, dass es in der politischen Verantwortung liegt, den Leistungskatalog bezüglich psychiatrischen Pflegeleistungen zu klären, gelangte auch das Versicherungsgericht des Kantons Neuenburg, das in einem einschlägigen Entscheid folVereinigung der Angehörigen Schizophrenie/Psychisch-Kranken VASK, Stellungnahme [...] Erfahrungsbericht einer betroffenen Patientin (Beilage 6) 54 Prof. Dr. H.D. Brenner, zit. in „Der Bund“ vom 8.11.2002 S. 6 („Umdenken in der Psychiatrie?“) (Beilage 1) 55 Exemplarisch: zwei Ablehnungsschreiben Helsana vom 22.11.2002; Zirkular 28/2001 der santésuisse-Sektion St. Gallen/Thurgau 56 Schreiben vom BSV an die Paritätische Vertrauenskommission SBK-santésuisse, datiert vom 16. 03.2000 52 53

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genden Aufruf an die zuständigen politischen Instanzen richtete: “[...] c’est à l’autorité politique chargée de définir les prestations obligatoires qu’il appartiendrait de spécifier un éventuel statut particulier des soins de santé mentale [...]. 57 Konkret stellt der SBK den Antrag, Art. 7 Abs. 2 KLV wie folgt zu ändern: (Die vorgeschlagenen Änderungen werden in Fettschrift hervorgehoben; die Änderungen werden im Anschluss an den Textantrag sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht einzeln begründet).

Abs. 2 Leistungen im Sinne von Absatz 1 sind: a.

Massnahmen der Abklärung und Beratung: 1. Abklärung des Pflegebedarfs und des Umfeldes des Patienten und Planung der notwendigen Massnahmen zusammen mit Arzt (Ärztin) und Patient (Patientin), 2. Beratung des Patienten oder der Patientin sowie gegebenenfalls der nichtberuflich an der Krankenpflege Mitwirkenden bei der Durchführung der Krankenpflege, insbesondere bei der Einnahme von Medikamenten oder beim Gebrauch medizinischer Geräte, und Vornahme der notwendigen Kontrollen;

b.

Massnahmen der Leistungskoordination (case management);

c.

Spezifische Massnahmen der somatischen Pflege: 1. Messung der Vitalzeichen (Puls, Blutdruck, Temperatur, Atem, Gewicht), 2. einfache Bestimmung des Zuckers in Blut und Urin, 3. Entnahme von Untersuchungsmaterial zu Laborzwecken, 4. Massnahmen zur Atemtherapie (wie O2-Verabreichung, Inhalation, einfache Atemübungen, Absaugen), 5. Einführen von Sonden oder Kathetern und die damit verbundenen pflegerischen Massnahmen, 6. Massnahmen bei Hämo- oder Peritonealdialyse, 7. Verabreichung von Medikamenten, insbesondere durch Injektion oder Infusion, 8. enterale oder parenterale Verabreichung von Nährlösungen, 9. Massnahmen zur Überwachung von Infusionen, Transfusionen und Geräten, die der Behandlung oder der Kontrolle und Erhaltung von vitalen Funktionen dienen, 10. Spülen, Reinigen und Versorgen von Wunden (inkl. Dekubitus- und Ulcuscruris-Pflege) und von Körperhöhlen (inkl. Stoma- und Tracheostomiepflege) sowie Fusspflege bei Diabetikern, 11. pflegerische Massnahmen bei Störungen der Blasen- oder Darmentleerung, inkl. Rehabilitationsgymnastik bei Inkontinenz, 12. Hilfe bei Medizinal-Teil- oder –Vollbädern; Anwendung von Wickeln, Packungen und Fangopackungen, 13. [geltende Fassung litt. c Ziff. 1; Streichen: Allgemeine] Grundpflege bei Patienten oder Patientinnen, welche die Tätigkeiten nicht selber ausführen können, wie Beine einbinden, Kompressionsstrümpfe anlegen; Betten, Lagern; Bewegungsübungen, Mobilisieren; Dekubitusprophylaxe, Massnahmen zur Verhütung oder Behebung von behandlungsbedingten Schädigungen der Haut; Hilfe bei der Mund- und Körperpflege, beim An- und Auskleiden, beim Essen und Trinken; [Streichen: geltende Fassung litt. c Ziff. 2, „psychiatrische oder psychogeriatrische Grundpflege]

d.

Spezifische Massnahmen der psychiatrischen Pflege: 1. Fortlaufende Einschätzung der Patientensituation (einschliesslich Tests mit Skalen und Fragebogen) und Festlegung der erforderlichen Pflegeinterventionen, 2. Begleitung und Anleitung bei der Alltags- und Krankheitsbewältigung, 3. Massnahmen zur Förderung der sozialen Integration, 4. Massnahmen zur Förderung der Selbstpflege,

57 Tribunal cantonal/Tribunal arbitral de l’assurance-maladie (art. 89 LAMal), arrêt du 28 juin 2002 [TARB.2001.1], cons. 3.c., p. 8

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Erläuterungen zum vorgeschlagenen Text Allgemeines Die gewählte Struktur verfolgt folgende Ziele: Grösstmögliche Anlehnung an den Aufbau des geltenden Artikels; Systematischer Aufbau bei grösstmöglicher Übersichtlichkeit; Erschöpfende Erfassung aller Massnahmen, die die psychiatrische Pflege im Wesentlichen ausmachen; Klare Abgrenzungen. Jede pflegerische Massnahme soll eindeutig zugeordnet werden können (Vermeidung von Überschneidungen). Es wird einerseits davon ausgegangen, dass die Krankenpflege grundsätzlich ein integriertes Ganzes darstellt; so kommen Situationen, in denen der gleiche Patient sowohl körperliche als auch psychiatrische Pflege benötigt, denn auch überaus häufig vor. Andererseits hat die Praxis für beide Bereiche eine z.T. erheblich unterschiedliche Begrifflichkeit entwickelt. Bei der Formulierung des vorliegenden Antrages musste berücksichtigt werden, dass das die geltende Fassung von Art. 7 kennzeichnende Begriffspaar „Behandlungs-„ bzw. „Grundpflege“ einseitig auf die somatische Pflege gemünzt ist. Das dem vorliegenden Antrag zugrunde liegende Konzept stellt m.a.W. nicht auf die Art der Krankheit, sondern auf die Art der Leistungen ab. Deshalb unterscheidet der vorgeschlagene Text zwischen Massnahmen, die einen spezifisch somatischen (litt. c) und solchen, die einen spezifisch psychiatrischen (litt. d) Ansatz haben, und stellt ihnen solche, die einen übergreifenden Charakter aufweisen und bei jeder Art von Pflege vorkommen können, voran. Sowohl litt. c als auch litt. d enthalten einen abschliessenden Leistungskatalog. Litt. a Wir erlauben uns den Hinweis, dass die deutsche und die französische Fassung des geltenden Artikels nicht kongruent sind. So werden im deutschen Text in den Ziff. 1 und 2 lediglich die im Titel der litt. a verwendeten Begriffe aufgegriffen („Abklärung“ und „Beratung“); im französischen Text hingegen werden unter litt. a „instructions“ und „conseils“, unter den Ziff. 1 und 2 indessen „évaluation“ und „conseils“ aufgeführt. Wir bitten, diese Unstimmigkeit im Zuge der beantragten Revision zu beheben. Im Übrigen bleibt der Text unverändert. Die darin aufgeführten Leistungen kommen sowohl in der somatischen als auch in der psychiatrischen Pflege vor. Litt. b Die zunehmende Komplexität des Gesundheits- und Sozialwesens in der Schweiz, insbesondere die Ausdifferenzierung des Leistungsangebots und die Vielfalt der Kostenträger, verlangt, aufgrund der Gebote der Wirksamkeit, der Zweckmässigkeit und der Wirtschaftlichkeit nach einer effizienten Koordination. Diese bildet, wie bereits ausgeführt, Bestandteil des pflegerischen Auftrags. Litt. c Der bestehende Katalog (Ziff. 1-12) bleibt unverändert, wird aber durch eine Ziff. 13 ergänzt, die die Grundpflege erfasst. Damit ist die problematische, weil einseitig auf die somatische Pflege ausgerichtete (und auch auf diesem Gebiet in Fachkreisen sehr umstrittene) Dichotomie Behandlungs/Grundpflege aufgehoben; andererseits bleibt klar, dass die Grundpflege - nicht anders als etwa eine Injektion i.S. von Ziff. 7 - eine typisch somatische Verrichtung darstellt, die aber durchaus auch bei psychisch kranken Menschen indiziert sein kann. Ziff. 2 der geltenden Fassung von litt. c kann ersatzlos gestrichen werden, da damit nach (leider) herrschender Meinung sowieso nur der zeitliche Mehraufwand bei der somatischen Grundpflege psychisch kranker Menschen berücksichtigt werden soll; dem kann auf der Ebene der Tarifgestaltung hinreichend Rechnung getragen werden. Das lediglich der Unterscheidung zwischen den Ziff. 1 und 2 dienende Adjektiv „allgemeine“ in Ziff. 1 der geltenden Fassung von litt. c kann dementsprechend ebenfalls gestrichen werden. Die dort definierten Leistungen erfassen die Grundpflege, derer Patienten - unabhängig von der Genese ihres Leidens -, bedürfen. Litt. d 1. Fortlaufende Einschätzung der Patientensituation (einschliesslich Tests mit Skalen und Fragebogen) und Festlegung der erforderlichen Pflegeinterventionen. Diese Massnahme trägt dem Umstand Rechnung, dass eine psychische Krankheit je nach dem bei jedem Kontakt neu beurteilt werden muss, um zum Beispiel Gewaltpotential sofort zu erkennen. Kann eine Klinikein40

weisung sorgfältig begleitet oder, noch besser, vermieden werden, zahlt sich dieser Mehraufwand anschliessend durch einen günstigeren Krankheitsverlauf aus. 2. Begleitung und Anleitung bei der Alltags- und Krankheitsbewältigung. Hierunter sind stützende Interventionen zu verstehen, die eine Lebenssituation mit mildernden Auswirkungen auf psychische Erkrankungen und deren physische Auswirkungen herbeiführen. 3. Massnahmen zur Förderung der sozialen Integration. Gezieltes Einüben der grundlegenden gesellschaftlichen Funktionen, die eine wichtige Voraussetzung eines Heilungsprozesses bilden. 4. Massnahmen zur Förderung der Selbstpflege. Verwahrlosung und Selbstvernachlässigung ziehen grosse Folgekosten nach sich. Nachhaltige Besserung der psychischen und physischen Situation kann nur durch gezielte Förderung und nicht durch langfristige Übernahme durch das Betreuungspersonal erzielt werden. Information, Anleitung, Führung, Kontrolle im Bereich Köperpflege, Ernährung usw. Die aufgelisteten Massnahmen sind auf die verbreiteten Leistungserfassungsinstrumente wie LEP (Leistungserfassung Pflege) und PRN (Projet de Recherche en Nursing)abgestimmt 58

Zielsetzung der Revision Mit der vorgeschlagenen Revision werden drei Ziele erreicht: 1. Die Gleichstellung der psychisch und der somatisch kranken Menschen. 2. Die Anerkennung der ambulanten psychiatrischen Pflegeleistungen als Leistungen der obligatorischen Krankenversicherung. 3. Die Stärkung der ambulanten psychiatrischen Pflege Der SBK ist überzeugt, dass es nicht der Absicht des Gesetzgebers entsprach, Menschen mit psychischen Erkrankungen schlechter zu behandeln als Menschen mit körperlichen Krankheitsbildern. Die vorgeschlagene Lösung strebt in erster Linie die Gleichberechtigung von Menschen mit somatischen und solchen mit psychischen Erkrankungen an. Die psychiatrische Therapie und Pflege darf nicht mehr vom Finanzierungssystem abhängig sein; den Ausschlag dürfen vielmehr nur medizinische und pflegerische Kriterien im Interesse einer zweckmässigen, wirtschaftlichen und menschlichen Versorgung psychisch kranker Menschen geben. Fakten und Zahlen Die folgenden Berechnungen zeigen auf, dass mit der ambulanten psychiatrischen Pflege ein äusserst kostengünstiges Angebot gefördert wird, was nicht zuletzt im Interesse der Kosteneindämmung im Gesundheitswesen liegt. Erfahrungswerte der in der ambulanten Psychiatrie tätigen Pflegefachpersonen belegen, dass mit ein bis zwei Besuchen pro Woche à je 1 bis 1 1/2 Stunden ein Klinik-(Wieder)eintritt verhindert und die Integration eines Langzeitpatienten in die Gesellschaft erreicht werden kann.59 Es sei hier daran erinnert, dass die Ein- und Austrittstage in den Kliniken mit den höchsten Kosten zu Buche schlagen.

Berechnungsbeispiel im ambulanten Sektor: Als Berechnungsgrundlage dient der Vertrag zwischen santésuisse (vormals Konkordat der Schweizer Krankenversicherer) und dem Schweizer Berufsverband der Krankenschwestern und Krankenpfleger SBK, der am 1. August 1998 in Kraft getreten ist und den Tarif für die Leistungen der freiberuflich tätigen Krankenschwestern und Krankenpfleger regelt.60 Aufgrund dieses Tarifes sind Massnahmen der Abklärung und Beratung mit 13 Taxpunkten pro 10 Minuten zu verrechnen. Bei einem Richtwert von 1 Franken pro Taxpunkt ergibt dies einen Stundentarif von Franken 78.--. Bei einer monatlichen Betreuung von 8 Stunden durch eine freiberuflich tätige Pflegefachperson entstehen somit Kosten von Franken 624.--.

Schlussbericht SBK Arbeitgruppe Pflegeleistungen Psychiatrie, Nov. 2001 Fallbeispiele zum Zeitbedarf 60 „Vertrag zwischen dem Konkordat der Schweizerischen Krankenversicherer und dem Schweizer Berufsverband der Krankenschwestern und Krankenpfleger betreffend Leistungen und Tarife in der spitalexternen Kranken- und Gesundheitspflege ambulant und zu Hause im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung“, vom 1. August 1998 58 59

41

Berechnungsbeispiel im stationären Bereich: Für die Berechnung der stationären Kosten wurde von einem Durchschnittswert der Tarife in öffentlichen Institutionen ausgegangen.61 Bei einer stationären Betreuung von einer Woche und einem Durchschnittswert von Franken 250.-- pro Tag entstehen Kosten von Franken 1750.-- oder im Monat Franken 7500.--. Diese Berechnungen berücksichtigen jedoch nur die der Krankenkasse belasteten Kosten; hinzu kommen selbstverständlich die Beiträge der öffentlichen Hand, die bekanntlich zwischen 40 bis 50% der Gesamtkosten übernimmt.

Schlussbemerkungen Die Ausführungen belegen, dass die Leistungen der ambulanten psychiatrischen Pflege durchaus dem Gebot der Wissenschaftlichkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmässigkeit nach Art. 32 KVG gerecht werden. Nebst all den aufgeführten Argumenten unterstreichen auch die jüngsten Alarmzeichen aus den psychiatrischen Kliniken, die auf einen akuten Bettennotstand und einen gravierenden Personalmangel aufmerksam machen, dass dringlicher Handlungsbedarf besteht. Eine wirksame Massnahme, um diese Situation zu entschärfen, liegt in der Stärkung der ambulanten Versorgung. Der SBK ist überzeugt, dass die Verantwortlichen der Leistungskommission das Anliegen erkennen, die Stossrichtung unterstützen und dazu beitragen, den aktuellen Notstand zu beheben.

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Tarifgrundlagen öffentlicher Institutionen

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Beilage 2 Teilnehmer „runder Tisch“

Bundesamt für Sozialversicherung BSV: Gesundheitsdirektorenkonferenz GDK Santésuisse Krankenversicherung CSS Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Männer SBK Spitexverband Schweiz Pro Mente Sana Universitäre Psychiatrische Dienste Bern UPD Schweiz. Gesellschaft für Sozialpsychiatrie SGSP Schweiz. Gesellschaft für Alterspsychiatrie und Psychotherapie SGAP Schweiz. Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie SGPP Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte FMH

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Beilage 3 Gemeinsame Analyse der Problematik ambulanter psychiatrischer Pflege Datum: 26. September 2003 Ort: Schwarztorstrasse 96, Bern Zeit: 09.30 – 11.00 Uhr Anwesend: Herr F. Britt, Vizedirektor BSV Herr P. Koch, Leiter Medizinische Leistungen BSV Frau S. Geissberger, CSS Versicherung Frau E. Wandeler und Herr U. Weyermann, SBK Frau Dr. S. Mörikofer Frau M. Dubois, Spitex-Verband Schweiz, SVS Frau Dr. med. U. Steiner, FMH Frau Dr. med. E. Krebs-Roubicek, SGAPP Herr Dr. med. H. Kurt, FMPP und SGP Frau R. Lüthi, Weiterbildungszentrum für die Gesundheitsberufe Herr Dr. med. H. Heise, Chefarzt / Vizedirektor, Universitätsklinik für Sozial- und Gemeindepsychiatrie, UPD Bern Entschuldigt: Herr J. Gassmann, Präsident Pro Mente Sana Herr F. Wyss, SDK Herr R. Unternährer, SDK Frau V. Bucher, Santésuisse Herr Prof. Dr. med H.-D. Brenner, Direktion Sozial- und Gemeindepsychiatrie, Universitäre Psychiatrische Dienste Bern (UPD) Herr Dr. phil. N. Baer, Kantonale Psychiatrische Dienste Baselland Herr C. Abderhalden, Weiterbildungszentrum für die Gesundheitsberufe Herr Dr. med. Raggenbass, FMPP Herr Dr. med. H. Lachenmeier, FMPP Vorsitz: Herr Philippe Lehmann, Nationale Gesundheitspolitik Schweiz Protokoll: Regula Rička, Nationale Gesundheitspolitik Schweiz

1. Position von Herrn F. Britt, Vizedirektor BSV Herr Britt stellt fest, dass es sich bei den ambulanten psychiatrischen Pflegeleistungen um eine umstrittene Leistung handle und damit der EKL unterbreitet werden muss. Herr Britt erläutert, dass die Frage der Pflichtleistung im Einzelfall auf dem Rechtsweg über richterliche Entscheide beurteilt werden muss. Für eine Revision des Artikels 7, Absatz 2c braucht es eine ordentliche Eingabe eines Dossiers beim BSV. Ein eingereichter Vorschlag muss begründet sein und eine Prognose betreffend Kostenentwicklung enthalten. Es muss ersichtlich sein, wer in den Genuss der Leistung kommt, mit welchen Kosten bzw. welchen Einsparungen zu rechnen ist. Das BSV bietet Unterstützung an für eine Revision des zuvor genannten Artikels in Form von direkter Beratung und der Abgabe eines Handbuchs. Eine Verordnungsänderung wird frühestens für 1.1. 2005 in Kraft treten können. 2. Suche nach einer konstruktiven Lösung Gemäss Frau Mörikofer macht eine Eingabe allerdings nur Sinn, wenn das BSV auf folgende Sachverhalte eingeht: • Das BSV überprüft, ob der eingereichte Vorschlag auch auf Stufe Departement bearbeitet werden kann. • Das BSV stellt keine unrealistischen Erwartungen an die Prognose mangels vorhandener Daten. Erste Abklärungen haben gezeigt, dass die Datenlage für eine repräsentative Kosten-Nutzenanalyse gar nicht vorhanden sind.

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Das BSV bezieht Stellung zum Brief von 16. März 2000. Dieser Brief hat in der Praxis zu Fehlinterpretationen geführt, so dass weiter Kassen die ambulanten psychiatrischen Pflegeleistungen nicht mehr bezahlten.

Aus Sicht von Herrn Britt ist das Schreiben korrekt und benötigt keine Richtigstellung seitens BSV. Eine Weisung an die Kassen, die Abrechnungen besser zu kontrollieren, sei wenig sinnvoll. Er zeigt jedoch Bereitschaft, in angemessener Form allfällige Fehlinterpretationen zu korrigieren. Herr Weyermann wünscht die Protokollauszüge zur Begründung Art. 7.c der KLV zur Verfügung. Regula Lüthi berichtet über positive Erfahrungen. Gute Dokumentation und das Gespräch haben zur Verständigung beigetragen und die gegenseitige Handlungsverpflichtung (Abrechnung / Auszahlung) verbessert.

3. Vorgehen zur Problemlösung der umstrittenen Leistungen der KLV Art. 7, Absatz 2c Es werden folgende Massnahmen eingeleitet: a) Leistungserbringer und Kostenträger legen fest, wie bis zum Zeitpunkt der Verordnungsänderung strittige Fälle gelöst werden können (Status vivendi). Unnötige Diskriminierung soll in der ungeklärten Zeit vermieden werden. b) Die Leistungserbringer werden bis spätestens 28. Februar 04 das Dossier für den Antrag zur Verordnungsänderung für die umstrittene Leistung einreichen. Das BSV bietet die entsprechende Unterstützung. Für eine Eingabe gibt es verschiedene Varianten: • • •

Definition von psychiatrischen und geronto-psychiatrischen ambulanten Pflegeleistungen, die krankheitsbedingt sind; Festlegung von Ausschlusskriterien als Abgrenzung gegenüber anderen Leistungsträgern; Festlegung der beruflichen Qualifikationen als Voraussetzung für die Leistungserbringung;

Jede Variante hat Vor- und Nachteile. Einzelfälle können jedoch nie gesetzlich geregelt werden. Der Schweizerische Spitex Verband übernimmt die Initiative für die nächste Arbeitssitzung. Sie bittet, dass Regula Lüthi, die Fachexpertise einbringen wird. Die Leitung der Nationalen Gesundheitspolitik beteiligt sich nicht an der Erstellung des Dossiers für die Eingabe. Im Rahmen der Strategieentwicklung „psychische Gesundheit“ möchte sie gerne über den Fortgang der Entwicklung informiert werden, bzw. wird sich die Informationen einholen. Philippe Lehmann bedankt sich für Mitarbeit.

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Beilage 4

santésuisse

Rundschreiben

Nr. 07/2004 An alle santésuisse angeschlossenen Krankenversicherer

Für Rückfragen: Verena Bucher Direktwahl: 032 625 42 28 [email protected]

Solothurn, 26. Januar 2004

Psychiatrische Spitexleistungen - Positionierung santésuisse Sehr geehrte Damen und Herren Psychiatrische Spitexleistungen geben immer wieder Anlass zu Differenzen zwischen Leistungserbringern und Versicherern. Die Leistungserbringer berufen sich jeweils auf KLV Artikel 7 Absatz 2 litera c Ziffer 2 (psychiatrische oder psychogeriatrische Grundpflege). Bislang konnte niemand umschreiben, was die psychiatrische respektive psychogeriatrische Grundpflege beinhaltet! In einer schriftlichen Stellungnahme hat das BSV den Leistungskatalog in KLV 7 als abschliessend bezeichnet. Massnahmen im Bereiche der psychiatrischen Krankenpflege zu Hause sehe das Gesetz nur in litera c Ziffer 2 vor. Dies eröffne indessen kein neues Leistungsspektrum, sondern sei einzig mit dem erhöhten zeitlichen Aufwand in der Grundpflege (gemäss KLV 7 litera c Ziffer 2) begründet. Eine weitergehende Vergütung der psychiatrischen Krankenpflege zu Hause bedürfe einer Gesetzesanpassung. Die Arbeitsgruppe Pflege von santésuisse versuchte mit den Leistungserbringern (Spitexverband, SBK, Curaviva und pro mente sana als Vertreter der Psychischkranken) verschiedentlich zu definieren, welche konkreten Leistungen im Bereich der psychiatrischen Krankenpflege zu Hause für die Krankenversicherer kostenpflichtig seien. Eine Einigung konnte nie erreicht werden, weil die Leistungserbringer die Vorschläge der Arbeitsgruppe Pflege als zu restriktiv und einschränkend bezeichneten! Zwei der wesentlichen Forderungen der Arbeitsgruppe Pflege waren, dass psychiatrische Krankenpflege zu Hause ausschliesslich von Pflegefachpersonen mit einer Grundausbildung in einer psychiatrischen Klinik auszuführen sei und diese Leistungen an gewisse ICD 10 Diagnosen gebunden sind.

Römerstrasse 20 Postfach CH-4502 Solothum Tel. 032 625 4141 Fax 032 625 4151 [email protected] www.santesuisse.ch 1:\12_Rundschreiben_Homepage\RS-Krarikenversicherer\2004\deutsch\RS 07 2004 d.doc

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Mittlerweilen ist die Abgeltung der nicht ärztlichen, ambulanten psychiatrischen Leistungen in Institutionen mit Leistungsauftrag für gemeindenahe Versorgung im Tarmed geregelt. Die Leistungserbringung erfolgt aber nur ausnahmsweise zu Hause oder am Arbeitsplatz (vgl. Tarmed 02.04 KI Wegentschädigung). In einem Gespräch unter der Führung der Nationalen Gesundheitspolitik, die sich inzwischen als Vermittler einschaltete, forderte F. Britt die Leistungserbringer auf, bis Ende Februar 2004 eine Eingabe für einen Antrag zur Verordnungsänderung für die umstrittenen Leistungen einzureichen. Ferner sollten Leistungserbringer und Kostenträger gemeinsam nach einer konstruktiven Lösung suchen, wie bis zum Zeitpunkt der Verordnungsänderung strittige Fälle gelöst werden können. Weil die langwierigen Verhandlungen mit den Leistungserbringern zu keinem Resultat führten, distanziert sich santésuisse von weiteren Verhandlungen. Wir empfehlen Ihnen, jede eingehende Kostengutsprache im Bereich psychiatrische Krankenpflege zu Hause zu überprüfen und abzuklären, ob eine Leistungspflicht gegeben ist!

Wir hoffen, Ihnen mit diesen Angaben zu dienen. Für weitergehende Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Freundliche Grüsse santésuisse Der stv. Direktor

Stefan Kaufmann

Abteilung Tarife und Preise Der Abteilungsleiter

Beat Schläfli

Römerstrasse 20 Postfach CH-4502 Solothum Tel. 032 625 4141 Fax 032 625 4151 [email protected] www.santesuisse.ch IM2 Rundschreiberi-Homepage\RS-Krankenversicherer\2004\deutsch\RS-07 2004 d.doc

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Beilage 5

Kranken- und Unfallversicherung

Ihr Zeichen Ihre Nachricht vom Unser Zeichen Telefon direkt Fax direkt E-Mail

santésuisse Römerstrasse 20 4502 Solothurn

Verena Bucher 26. Januar 2004 280/Hdo +41 (0)31 322 90 48 +41 (0)31 322 90 20 Doris.Hierling@bag,admin.ch

Bern, - 3 MRZ. 2004

Psychiatrische Spitexleistungen - Positionierung santésuisse; Ihr Rundschreiben Nr. 07/2004 vom 26. Januar 2004 Sehr geehrter Herr Kaufmann Sehr geehrter Herr Schläfli Mit einem gemeinsamen Schreiben haben der Schweizerische Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) und der Spitex Verband Schweiz uns auf Ihr Rundschreiben aufmerksam gemacht und um eine Richtigstellung gebeten. In einer Stellungnahme an das EVG haben wir das Thema der ambulanten psychiatrischen Pflege ausführlich behandelt, weshalb wir Ihnen nachfolgend diese Ausführungen schildern: l.

Allgemeine Ausführungen

1.

Nach Artikel 32 Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 18, März 1994 über die Krankenversicherung (KVG) besteht ein Anspruch auf Leistungen bei Krankheit nur dann, wenn diese wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sind. Um dieser gesundheitsökonomischen Zielsetzung zu entsprechen, ist der ergebnisorientierte Einsatz der Ressourcen unabdingbar.

2. Im Bereich der psychiatrischen Leistungen ist die Abgrenzung zwischen krankheitsbedingten Massnahmen und Sozialdienstleistungen nicht immer eindeutig. Jedoch können aufgrund der restriktiven Auslegung der Leistungen im Rahmen des KVG jene Leistungen, die im Aufgabenbereich der Sozialdienste liegen bzw. der Betreuung von Personen in ihrem täglichen Leben dienen, nicht zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung verrechnet werden. 3.

Im 3. Abschnitt der Verordnung über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung vom 29. September 1995 (Krankenpflege-Leistungsverordnung, KLV) wird die Krankenpflege zu Hause, ambulant oder im Pflegeheim geregelt. Nach Artikel 7 Absatz 1 übernimmt die Versicherung die Kosten der Untersuchungen, Behandlungen und Pflegemassnahmen (Leistungen).

4.

Um die Kosten der Krankenpflege nicht übermässig anwachsen zu lassen, wird eine Abklärung des Bedarfs an Leistungen verlangt (Art. 7 Abs. 2 Bst. a und 8 KLV). In Absatz 2 folgt sodann eine Aufzählung derjenigen Leistungen, welche die in Absatz 1 erwähnten Leistungserbringer zu Lasten des KVG erbringen können. Sie betreffen Massnahmen der Abklärung und Beratung, der

Telefon: +41 (0)31 322 91 12 Fax: +41 (0)31 322 90 20 Internet: www.bag.admin.ch Postadresse: CH-3003 Bern Büro: Effingerstrasse 20, 3011 Bern

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Untersuchung und der Behandlung sowie Massnahmen der Grundpflege. Artikel 7 Absatz 2 KLV 1 enthält einen abschiiessenden Katalog der Leistungen zur spitalexternen Krankenpflege.

ll

Konkrete Fragestellungen

1.

Was ist unter dem Begriff der psychiatrischen oder psychogeriatrischen Grundpflege gemäss Artikel 7 Absatz 2 lit. c Ziffer 2 KLV zu verstehen? Der Leistungsbereich der obligatorischen Krankenpflegeversicherung wird im Krankenversicherungsgesetz (KVG) vom 18. März 1994 klar umschrieben. Gemäss Artikel 25 KVG übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen. Bei der Umschreibung des Leistungsbereiches der Krankenpflege zu Hause, ambulant oder im Pflegeheim werden Massnahmen im Bereich der psychiatrischen Krankenpflege in Artikel 7 KLV - explizit - nur in Buchstabe c Ziffer 2, welche die psychiatrische oder psychogeriatrische Grundpflege betreffen, erwähnt. Die Behandlung einer Krankheit bezieht sich jedoch auf alle Krankheiten, d.h. es sind sowohl psychische als auch körperliche Erkrankungen eingeschlossen. Es war zweifellos das Ziel des KVG eine Gleichbehandlung der Krankheiten sicherzustellen. Dies hat der Bundesrat in seiner Antwort vom 29. Januar 2003 auf die einfache Anfrage zur ambulanten psychiatrischen Pflege von NR Baumann Stephanie vom 25. November 2002 (02.1130) bestätigt: eine Praxis, wonach die Krankenversicherer psychisch kranke Personen systematisch diskriminieren und die Übernahme von Spitalleistungen der Kostenübernahme ambulanter Leistung vorziehen, würde dem Grundgedanken des Krankenversicherungsgesetzes zuwider laufen. Die Massnahmen der allgemeinen Grundpflege werden in Buchstabe c Ziffer 1 nicht namentlich aufgelistet, sondern als Beispiele: "allgemeine Grundpflege bei Patienten oder Patientinnen, welche die Tätigkeiten nicht selber ausführen können, wie Beine einbinden,..". Da die Massnahmen der psychiatrischen oder psychogeriatrischen Grundpflege in Artikel 7 Absatz 2 unter Ziffer 2 des Buchstaben c unter dem Titel Massnahmen zur Grundpflege erwähnt werden, ist die Auslegung im Sinne einer Grundpflege zu verstehen, die infolge der psychischen Erkrankung etwas anders aussieht als bei anderen Krankheiten. Die separate Erwähnung der psychiatrischen oder psychogeriatrischen Grundpflege eröffnet daher kein neues Leistungsspektrum, sondern berücksichtigt den erhöhten zeitlichen Aufwand in der Grundpflege, der im psychischen Zustand des Patienten, der Patientin (z.B. wiederholter Erklärungsbedarf) begründet liegt. Die Bestimmung ist daher nicht extensiv auszulegen, vielmehr ist sie grundsätzlich im engen Sinne zu verstehen. In diesem Sinne hat sich der Bundesrat in seinem Entscheid zum Pflegeheinntarif im Kanton 2 Waadt vom 20. Dezember 2000 geäussert, wo er folgendes festhält: A I’instar de I’OFAS, le Conseil fédéral est d'avis que la notion de soins de base relatifs aux maladies psychiatriques et psychogériatriques recouvre effectivement celle des soins de base généraux avec une composante supplémentaire en terme de temes de soins. Toutefois, le Conseil fédéral considère que la portée de l'article 7, 2e alinéa lettre c chiffre 2 OPAS est plus étendue, car refuser de l'admettre -..

1 1 Rechtsprechung der Kranken- und Unfallversicherung, RKUV 2/3/1998 KV 28 S. 184 E 113. 2 Rechtsprechung der Kranken- und Unfallversicherung, RKUV 5/2001 KV 186 S. 471 E 119.4. publiziert

im Volltext unter

http://www.bsv.admin.ch/publikat/rkuv/dfindex.htm

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empêcherait toute prise en compte des prestations de nature psychiatriques ou psycho-gériatriques dispensées dans les EMS. En effet, le catalogue des prestations de l'article 7, 2e alinéa lettre b chiffres 1 à 12 et lettre c chiffre 1 (soins de base généraux) OPAS comprend exclusivement des prestations d'ordre somatique. Or, on ne saurait raisonnablement admettre que les soins à dispenser aux patients affectés de maladies psychiatriques et psycho-gériatriques peuvent se résumer uniquement à des soins de nature somatique, à la seule différence que ces soins demanderaient plus de temps que pour les patients atteints exclusivement dans leur santé physique. ll est évident que l'état de santé mentale des patients concernés requiert des soins appropriés dispensés dans le cadre d'un séjour de longue durée, soins qui ne peuvent entrer dans le catalogue des prestations de soins de l'article 7, 2e alinéa OPAS que par la lettre c, chiffre 2 de cette disposition. ... " Aus unserer Sicht ist die Grenze wie bereits erwähnt dort zu ziehen, wo der Betreuungscharakter der Leistungen überwiegt, um z.B. Hilfestellungen im Alltag zu geben.

2.

Zielvorstellungen des Verordnungsgebers beim Erlass von Artikel 7 Absatz 2 lit. c Ziffer 2 KLV

Bezüglich dem Erlass der KL\/ wurde 1995 einerseits ein Vernehmlassungsverfahren durchgeführt, andererseits die Eidgenössische Fachkommission für allgemeine Leistungen (ELK) begrüsst. In der Unterlage zum Traktandum 3.1 "Spitex" der Kommissionssitzung vom 31. August 1995 wird die hier interessierende Zif i er 2 des Buchstaben c wie folgt erwähnt: Da in zahlreichen Vernehmlassungen zum Ausdruck gekommen sei, dass die Verordnungssprache zu grosse Zurückhaltung übe, indem die (hier interessierende) Ziffer 2 als mitenthalten gedacht werden konnte - seien die Bereiche psychiatrische und psychogeriatrische Grundpflege direkt angesprochen worden. Es gehe vor allem um helfende, beratende und überwachende Präsenz bei Patientinnen oder Patienten, bei denen dadurch eine Versorgung teilstationär oder zu Hause oder allenfalls beides in Abstimmung aufeinander möglich und ein permanentes Interniertsein in der Klinik vermeidbar ist. In der Kommissionssitzung vom 31. August 1995 wird festgehalten, dass im VernehmIassungsverfahren immer wieder geltend gemacht worden sei, dass es Personen gebe, die nicht so sehr "medizinisch-technische" Leistungen benötigen, sondern eine psychiatrische oder psychogeriatrische Grundpflege, d.h. vor allem eine beratende und führende Präsenz, die gerade durch ausgebildete Krankenschwestern und Krankenpfleger geleistet werden könne und die dazu beitrage, dass solche Personen teilstationär oder ambulant versorgt werden könnten, was eine kostengünstigere Versorgung als eine stationäre Institution darstelle. In der vom Eidgenössischen Departement des Innern verabschiedeten Fassung der KLV vom 29. September 1995 wurden die Leistungen der Krankenpflege wie eingangs festgehalten umschrieben. Seither haben die in der KLV aufgeführten Leistungen an sich keine Änderung erfahren. Hingegen wurde auf den 1. Januar 1998 unter anderem die Pflicht zur Bedarfsabklärung sowie die Rahmentarife eingeführt. Eine Änderung bezüglich des Leistungsspektrums wurde nicht als notwendig erachtet. ii

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3.

Abgrenzung der psychiatrischen oder psychogeriatrischen Grundpflege gemäss Artikel 7 Absatz 2 lit. c Ziffer 2 KLV von der allgemeinen Grundpflege nach Ziffer 1 und den Massnahmen nach lit. a und b, insbesondere der Beratung nach lit. a Ziffer 2

3.1

Zu Ziffer 1 Buchstabe c wird in der erwähnten Unterlage für die ELK vom 31. August 1995 festgehalten, dass die Kostenübernahme durch die soziale Krankenversicherung voraussetze, dass die Patienten, Patientinnen die erforderlichen Handlungen nicht vornehmen können. Was eine krankenversicherungsrechtlich zwar absolute Selbstverständlichkeit darstellt, sollte der Klarstellung und Beruhigung dienen, nachdem gerade bezüglich des Grundpflegebereiches häufig Besorgnis der Gefahr einer ausufernden Mengenausweitung geäussert würden. In diesem Sinne ist u.E. auch die systematisch anschliessende Ziffer 2 über die psychiatrische und psychogeriatrische Grundpflege zu verstehen, d.h. dass auch für diesen Bereich nur eine enge Auslegung möglich ist.

3.2

Hingegen enthält Absatz 2 Buchstabe a Ziffer 2 Massnahmen der Beratung des Patienten oder der Patientin, Diese Leistungen sind der eigentlichen Erbringung der Pflegemassnahmen vorgelagert bzw. sind bei Bedarf auch parallel dazu durchzuführen, um Bedarf und Notwendigkeit von Pflegemassnahmen stetig abzuklären und damit eine geeignete, aber auch wirtschaftliche Leistungserbringung zu garantieren. Diese Massnahmen sind sowohl bei psychisch erkrankten Personen als auch bei körperlich erkrankten Patienten, Patientinnen angezeigt. Bei psychisch erkrankten Patienten und Patientinnen ergeben sich zudem enorme Tagesschwankungen, die beträchtlich grösser und weniger voraussehbar sind, als dies bei körperlichen Krankheiten, deren Krankheitsbild im Normalfall schematischer abläuft. Infolge dieser Schwankungen dürfte die Beratungsleistung nach Absatz 2 Buchstabe a Ziffer 2 KLV in einzelnen Fällen gegenüber der eigentlichen Grundpflege im Vergleich zu somatisch erkrankten Personen aufwändiger und höher sein.

4.

Anforderungen an die ärztliche Anordnung von Massnahmen gemäss Artikel 7 Absatz 2 lit. c Ziffer 2 KLV; Anordnung durch Spezialarzt der Psychiatrie und Psychotherapie, Erfordernis einer gleichzeitigen psychotherapeutischen Behandlung?

4.1

Wie vorstehend erwähnt, hat nach Artikel 7 Absatz 1 KLV eine Bedarfsabklärung zu erfolgen, um die Kosten der Krankenpflege nicht übermässig anwachsen zu lassen. Diese Bedarfsabklärung wird aufgrund einer ärztlichen Anordnung hin oder im ärztlichen Auftrag erbracht. Nach Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe a Ziffer 1 erfolgt diese Abklärung des Pflegebedarfs und der notwendigen Massnahmen der Patientinnen und Patienten des durchführenden Leistungserbringers nach Absatz 1 (d.h. Krankenschwestern, Krankenpfleger, Organisationen der Krankenpflege und Hilfe zu Hause, Pflegeheimen) zusammen mit Arzt, Ärztin und Patient, Patientin. Im Protokoll der ELK-Sitzung vom 31. August 1995 wird der Unterschied zwischen der ärztlichen Anordnung und dem ärztlichen Auftrag mit dem Detaillierungsgrad begründet. Die ärztliche Anordnung beziehe sich eher auf medizinisch-technische Leistungen (Frequenz und Dosierung), der ärztliche Auftrag sei dagegen weiter gefasst und beziehe sich eher auf den Bereich der Grundpflege. Die beiden Begriffe werden auch im Gesetz (Art. 25 Abs. 2 Bst. a und Art. 35 Abs. 2 Bst. e KVG) verwendet.

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4.2 Zur Frage, ob die ärztliche Anordnung durch eine Spezialärztin, einen Spezialarzt der Psychiatrie und der Psychotherapie erfolgen müsse, können wir festhalten, dass Artikel 7 KLV keine Bestimmungen bezüglich der Qualifikation des verschreibenden Arztes, der Ärztin enthält. Üblicherweise handelt es sich jedoch in Spezialgebieten um die entsprechenden Fachärztinnen und -Ärzte. Welche Leistungen die ärztliche Anordnung umfasst, liegt im Ermessen der ausstellenden Person, d.h. es betrifft eine materielle Frage, ob eine gleichzeitige psychotherapeutische Behandlung erforderlich ist. Sie hat sich dabei einerseits an die Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit der Leistungen nach Artikel 32 KVG wie an die Auflage zu halten, dass sich der Leistungserbringer bei der Behandlung auf das Mass beschränken muss, das im Interesse der Versicherten liegt und für den Behandlungszweck erforderlich ist (Art. 56 KVG).

5.

Voraussetzungen an Pflegepersonen, die Massnahmen der psychiatrischen und psychogeriatrischen Grundpflege durchführen

5.1 Die in Artikel 7 Absatz 1 erwähnten Personen, die den zur Diskussion stehenden ambulanten Leistungsbereich erbringen können, sind einerseits Krankenschwestern und Krankenpfleger (Art. 49 KVV) sowie Organisationen der Krankenpflege und Hilfe zu Hause (Art. 51 KVV). Dabei sind die in Artikel 49 der Verordnung über die Krankenversicherung vom 27. Juni 1995 (KVV) festgelegten Anforderungen zu erfüllen, weiche ein Diplom einer anerkannten Schule für Gesundheitsund Krankenpflege sowie eine praktische zweijährige Tätigkeit beinhalten. In dieser Bestimmung wird bezüglich Qualifikation nicht unterschieden, ob psychisch und körperlich erkrankte Personen durch die Leistungserbringenden betreut werden. Hingegen wird in Artikel 51 Buchstabe c KVV präzisiert, dass die Organisationen der Krankenpflege und Hilfe zu Hause über das erforderliche Fachpersonal verfügen müssen, das eine dem Tätigkeitsbereich entsprechende Ausbildung hat. 5.2 Bei der Frage zu den Voraussetzungen an das Pflegepersonal ist rein formell ein nach Artikel 49 KVV erwähntes Diplom ausreichend, hingegen dürfte es nach Sinn und Zweck wohl angezeigt sein, zu differenzieren, welche Art von Leistungen erbracht werden: Für die Grundpflege im engsten Sinne dürfte dabei eine pflegerische Grundausbildung ausreichen, hingegen steigt mit zunehmender Beratungsleistung (die jedoch immer noch im Rahmen von Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe a liegen muss) auch die Anforderung an den Ausbildungstand der Leistungserbringenden. Anzumerken ist, dass auch die Tarifunterschiede bei den Leistungen nach Artikel 9 Absatz 3 und 9a Absatz 1 KLV sich mit der Notwendigkeit unterschiedlicher Leistungen und den damit verbundenen unterschiedlichen Anforderungen an die Qualifikation des Personals erklären lassen. Damit soll nicht zuletzt das Wirtschaftlichkeitsgebot des KVG zur Anwendung kommen, in dem das für die Leistungserbringung geeignete Personal zum Einsatz kommen soll. Bei psychotherapeutischen Leistungen handelt es sich hingegen um ärztliche Leistungen, die eine entsprechende Qualifikation der Leistungserbringenden erfordern.

lll.

Zusammenfassung Für die psychiatrische Krankenpflege besteht eine Leistungspflicht, die sich nicht zuletzt aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Krankenversicherungsgesetzes ergibt. Ob die Kosten der Leis-

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tungen gestützt auf Artikel 7 KLV durch die Krankenversicherung übernommen werden können, ist im Einzelfall genau abzuklären. Insbesondere ist zu klären, inwieweit die erbrachten Leistungen effektiv krankheitsbedingte Pflegeleistungen darstellen. Leistungen, die weitere, z.B. sozialdienstliche Leistungen umfassen, fallen nicht unter die heute geltende Bestimmung, weshalb keine Leistungspflicht im Rahmen des KVG besteht. Hingegen können Leistungserbringende nach Artikel 7 KLV keine psychiatrische, ärztliche Leistungen erbringen - hierfür ist eine Zulassung als Arzt, Ärztin erforderlich.

Wir bitten Sie, die vorstehenden Ausführungen auch bei Ihren Beurteilungen dieses Themas zu' berücksichtigen, und verbleiben

Beilage: unser heutiges Schreiben an SBK/Spitex Verband Schweiz

Kopie an: -

SBK -Schweizerischer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner z.Hd. Herrn U. Weyermann, Postfach, 3001 Bern

-

Spitex Verband Schweiz z.Hd. Frau Dr. S. Mörikofer-Zwez, Belpstrasse 24, 3007 Bern

Beilage 6

KST

SG/TG/GL

V E R B A N D KRANKENVERSICHERER ST.GALLEN-THURGAU

SG 15-2001; TG 17-2001; GL 5-2001

SELBSTSTÄNDIG TÄTIGE KRANKENSCHWESTERN UND KRANKENPFLEGER

Seit einiger Zeit stellen wir fest, dass vor allem in den Kantonen St. Gallen und Thurgau durch selbstständig tätige (Psychiatrie-)Krankenschwestern und Krankenpfleger so genannte „Ambulante psychiatrische Betreuungsdienste" aufgebaut und angeboten werden. Dabei werden unter anderem „Begleitende und unterstützende Gespräche zu Hause", „Begleitung zu Aerzten, RAV und anderem", „Kurzfristige Krisenintervention“, Information und Unterstützung zur Freizeitgestaltung“, „Hilfe - bei alltäglicher Funktion, Einkäufe, Kochen, Waschen etc." angeboten. Den Patienten wird in einzelnen Fällen suggeriert, die Kosten seien „mit ärztlicher Zuweisung über die Krankenkassen abrechenbar“. Wir bitten Sie, im Zusammenhang mit Leistung= zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung von Psychiatriekrankenschwestern und -pfleger folgende Punkte zu beachten: •

• • • •

Die erbrachten Leistungen sind gemäss Tarifstruktur (vgl. Anhang 2 zum Tarifvertrag} aufzuteilen und abzurechnen. Hierbei ist zwischen den Massnahmen der Abklärung und Beratung (KLV Art. 7 Abs. 2 lit. a), den Massnahmen der Untersuchung und der Behandlung (KLV Art. 7 Abs. 2 lit b) und den Massnahmen der Grundpflege (KLV Art. 7 Abs. 2 it. c) strikte zu unterscheiden. Die psychiatrische und psychogeriatrische Grundpflege fällt unter die Massnahmen der Grundpflege (KLV Art.7 Abs. 2 lit. c). Die Anleitung beim An- und Auskleiden, bei der Körperpflege und beim Essen und Trinken sind Leistungen der Grundpflege. Kochen und andere Tätigkeiten Im Haushalt d.h. für den Patienten, aber nicht direkt am Patienten, sind keine Spitex-Leistungen gemäss KLV Art. 7 und somit keine Pflichtleistungen zulasten der OKP. . Die Lebensbegleitung und -beratung ist keine Pflichtleistung der OKP, da sie nicht der Definition der Abklärung und Beratung gemäss Art 7 Abs. 2 it. a entspricht Psychotherapien psychiatrische Behandlungen ("Krisenintervention") oder z.B. Maltherapien können nicht über KLV Art. 7 als Spitex-Leistungen abgerechnet werden. Diese Leistungen sind nur im Rahmen der ärztlichen Psychotherapie (durch den Arzt oder in Form da delegierten Psychotherapie) eine Pflichtleistung zu Lasten der OKP.

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