Fiktive Nachzeichnung der beruflichen Entwicklung der Gleichstellungsbeauftragten

Fiktive Nachzeichnung der beruflichen Entwicklung der Gleichstellungsbeauftragten - Buchheim | Aufsätze ren muss die Hochschulleitung beim Abschluss ...
Author: Lorenz Frei
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Fiktive Nachzeichnung der beruflichen Entwicklung der Gleichstellungsbeauftragten - Buchheim | Aufsätze

ren muss die Hochschulleitung beim Abschluss von Zielvereinbarungen oder ähnlichen Planungsinstrumenten an diese Entwicklungsplanung gebunden sein („auf Grundlage“, „unter maßgeblicher Berücksichtigung“). Die vom BVerfG vertretene Kompensationsmöglichkeit wäre durch eine Veränderung der Mehrheitsverhältnisse in den abstimmenden Gremien zugunsten der Hochschullehrer zu erreichen, um ihnen insbesondere eine selbstbestimmte Trennung vom Leitungsorgan zu ermöglichen. Kontroll- und Informationsrechte würden nur in Form von Vetorechten beim Abschluss von Zielvereinbarungen den Maßstäben des BVerfG genügen. Zu bedenken ist jedoch, dass eine verfassungsmäßige Kompensation zwar die Rechtswidrigkeit des Eingriffs beseitigt, das grundlegende Problem des Hochschulrechts jedoch in der nicht ausreichenden Beteiligung an wissenschaftsrelevanten Entscheidungen liegt; dieses sollte zuvorderst behoben werden. Bis zu einer gesetzlichen Regelung ist zu überlegen, die entsprechenden Rechte direkt aus Art. 5 III GG zu entnehmen. Möglichkeiten sind insoweit, eine ungeschriebene Zuständigkeit des Senats zum Abschluss von Zielvereinbarungen anzunehmen oder zumindest ein Mitbestimmungsrecht aus der verfassungswidrigen Alleinzuständigkeit der Leitung abzuleiten. Auch auf Ebene der Kompensation wäre eine Senkung des Quorums für die Abwahl der Leitung oder ein ungeschriebenes Vetorecht des Senats denkbar.

2. Auswirkungen auf abgeschlossene Zielvereinbarungen Die bisher abgeschlossenen Zielvereinbarungen beruhen auf einer verfassungswidrigen Grundlage und könnten deshalb nichtig sein. Da es sich um öffentlich-rechtliche Verträge gem.

§ 54 S. 1 VwVfG handelt104, findet § 59 I VwVfG Anwendung, sodass sich die Nichtigkeit aus einem Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot gem. § 134 BGB ergeben könnte. Dabei führen jedoch nur Fälle qualifizierter Rechtswidrigkeit zur Nichtigkeit des Vertrags105. Die angestrebte Folge des Verstoßes muss nach Sinn und Zweck der Norm unbedingt missbilligt und untersagt sein. Außerdem muss der Vertrag öffentliche Belange oder Interessen von einigem Gewicht beeinträchtigen106. Zwar liegt eine Verletzung von Art. 5 III GG vor. Ein Verbotscharakter ist der Norm jedoch nicht ausdrücklich zu entnehmen107. Zudem beeinträchtigt der Vertrag keine gewichtigen öffentlichen Belange oder Interessen, sondern gewährleistet den Ländern und Hochschulen Planungssicherheit bezüglich der Mittelzuweisung über die festgelegte Laufzeit der Zielvereinbarung. Dies liegt regelmäßig auch im Interesse der Wissenschaftler. Damit liegt keine qualifizierte Rechtswidrigkeit und somit auch keine Nichtigkeit der Zielvereinbarung nach § 59 I VwVfG i.V.m. § 134 BGB vor. Eine Heilung kommt durch Neubeschluss unter ausreichender Beteiligung des Senats in Betracht. Alternativ wäre eine Bestätigung der wissenschaftsrelevanten Passus der Zielvereinbarung durch den Senat vor ihrer Umsetzung oder Anwendung möglich.

104 § 57 II 7 SachsAnhHSG; i.Ü. vgl. Schmuck (o.Fußn. 1), S. 151 ff., 209; für analoge Anwendung Kracht (o.Fußn. 1), S. 215 ff., 241; differenzierend Krausnick (o.Fußn. 1), S. 473 ff. 105 Bonk/Neumann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. (2014), § 59 Rn. 50 m.w.N. 106 Bonk/Neumann (o.Fußn. 105), Rn. 54. 107 Vgl. zur fehlenden Eindeutigkeit des Verbotscharakters von Grundrechten Bonk/Neumann (o.Fußn. 105), Rn. 58 c; OVG Münster, NVwZ 1984, 522 (524).

Fiktive Nachzeichnung der beruflichen Entwicklung der Gleichstellungsbeauftragten Christin Buchheim, Potsdam*

Mit dem am 1. 5. 2015 in Kraft getretenen „neuen“ Bundesgleichstellungsgesetz wurden u.a. die Vorschriften zu den Schutzrechten der Gleichstellungsbeauftragten überarbeitet. Freilich gilt nach wie vor das Gebot, die berufliche Entwicklung fiktiv nachzuzeichnen. Der folgende Beitrag beleuchtet die Maßstäbe, die die personalverwaltenden Stellen insoweit bei beamteten und angestellten Amtsinhaberinnen beachten müssen.

I.

Überblick zu den amtsbezogenen Neuregelungen

Das Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG)1 wurde – neben dem neuen Bundesgremienbesetzungsgesetz – als zweite wesentliche Säule zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst des Bundes mit dem Ziel novelliert, die Erhöhung des Frauenanteils an Führungspositionen zu ermögLKV 11/2015

lichen2. Zugleich wurden die Regelungen über die Gleichstellungsbeauftragte, die Stellvertreterin und die Vertrauensfrauen überarbeitet. Die Vorschriften finden sich nunmehr im fünften, statt nach alter Rechtlage3 im vierten Abschnitt des Gesetzes. * Die Autorin ist Rechtsanwältin bei Dombert Rechtsanwälte Part mbB in Potsdam. Anregungen und Hinweise von Rechtsanwalt Prof. Dr. Klaus Herrmann sind eingeflossen. 1 Gesetz für die Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Unternehmen und Gerichten des Bundes, verkündet als Art. 2 des Gesetzes für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst v. 24. 4. 2015, BGBl I, S. 643 ff. 2 BT-Dr 18/3784, S. 73. 3 Vgl. Gesetz zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Bundesverwaltung und in den Gerichten des Bundes, verkündet als Art. 1 des G. zur Durchsetzung der Gleichstellung von Frauen und Männern v. 30. 11. 2001, BGBl I, S. 3234 ff., außer Kraft getreten am 30. 4. 2015 – BGleiG a.F.

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Neu ist etwa die Vorschrift in § 19 I BGleiG über die Wahlen für die Ämter der Gleichstellungsbeauftragten und der Stellvertreterin, die in getrennten Wahlgängen erfolgen müssen (§ 19 I 3 BGleiG). Nach Maßgabe des § 19 IV BGleiG können sogar bis zu drei Stellvertreterinnen gewählt werden. Neu ist auch die Regelung des § 30 I BGleiG, wonach Dienststellenleitung und Gleichstellungsbeauftragte zum Wohle der Beschäftigten und zur Erfüllung der Gesetzesziele eng zusammenarbeiten. Danach werden die genannten Beteiligten erstmalig ausdrücklich zur Kooperation verpflichtet. Der Gesetzgeber sah sich zu dieser Vorschrift veranlasst, da sich in der Praxis gezeigt hatte, „dass die Kooperation zwischen den genannten Gesetzesakteuren in der Praxis oftmals von Schwierigkeiten und Misstrauen geprägt ist“4. Künftig „soll nicht nur ein „Einzelkämpfertum“ – vor allem auf Seiten der Gleichstellungsbeauftragten – vermieden, sondern auch die Umsetzung der Ziele des Gesetzes erleichtert werden“5. Der praktische Erfolg dieses hehren Ziels bleibt freilich abzuwarten. Von größerem Interesse für die Dienststellenleitungen dürften andere Neuregelungen im fünften Abschnitt sein, nämlich § 29 BGleiG zur Ausstattung des Amtes der Gleichstellungsbeauftragten und § 28 BGleiG zu ihren persönlichen „Schutzrechten“. Die personelle Ausstattung der Gleichstellungsbeauftragten ist – wie schon nach § 18 III BGleiG a.F. – nach der Beschäftigtenzahl der Dienststelle gestaffelt. Stand es nach alter Rechtslage im Ermessen der Dienststellenleitung, ob der Gleichstellungsbeauftragten bei einer Beschäftigtenzahl von über 1.000 zusätzliche Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter zugeordnet werden, sieht § 29 II 1 BGleiG eine dahingehende Ermessenentscheidung nur noch bei einer regelmäßigen Beschäftigtenzahl von unter 600 vor. Im Übrigen muss der Gleichstellungsbeauftragten zwingend mindestens eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter zugeordnet werden (§ 29 II 2 BGleiG). Lediglich über die Frage, ob über die obligatorische Zuordnung einer bzw. eines weitere/n Beschäftigten eine weitere personelle Unterstützung gewährt wird, dürfen die Dienststellenleitungen – mit Blick auf ihren Haushalt – frei entscheiden6. In § 28 BGleiG wurden die Vorschriften über die persönliche Rechtsstellung der Gleichstellungsbeauftragten, die sich vormals aus § 18 I 1, V BGleiG a.F. ergaben, neu geordnet. Wie schon nach der alten Rechtslage sind zum persönlichen Schutz der Amtsträgerin und zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Ausübung ihres Amtes – neben dem Gebot zur fiktiven Nachzeichnung, auf das sogleich einzugehen ist – Regelungen vorgesehen, die eine Benachteiligung oder Begünstigung der Gleichstellungsbeauftragten wegen der Amtsausübung untersagen. Für die Ausübung ihres Amtes wird die Gleichstellungsbeauftragte jedoch künftig stärker entlastet. Anders als noch unter Geltung des § 18 II 2 BGleiG a.F. („Soll“-Vorschrift hinsichtlich einer Entlastung in Dienststellen mit weniger als in der Regel 600 Beschäftigten, die von den Dienststellen häufig wie eine Ermessensvorschrift angewandt wurde), muss die Gleichstellungsbeauftragte zwingend in dem jeweils erforderlichen Umfang von ihren dienstlichen Aufgaben entlastet werden (§ 28 II BGleiG)7. Bei seiner Entscheidung über den Umfang der Freistellung ist der Dienstherr nunmehr gebunden: In Dienststellen mit in der Regel weniger als 600 Beschäftigten beträgt die Entlastung mindestens die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit

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einer Vollzeitkraft, bei einer Beschäftigtenzahl von in der Regel mindestens 600 Beschäftigten erfolgt die Entlastung im Umfang der Regelarbeitszeit einer Vollzeitkraft (§ 28 II 2, 3 BGeiG).

II.

Fiktive Nachzeichnung der beruflichen Entwicklung

In Konkretisierung des „allgemeinen“ Benachteiligungsverbots gem. § 28 I 1 BGleiG haben die Dienststellen die berufliche Entwicklung8 der Gleichstellungsbeauftragten ungeachtet des Entlastungsumfangs von Amts wegen fiktiv nachzuzeichnen9 (§ 28 III 1, 2 BGleiG). Dieses positive Gleichstellungsgebot resultiert daraus, dass die Gleichstellungsbeauftragte in ihrer amtlichen Tätigkeit nicht dienstlich beurteilt werden darf, so dass es an Leistungsnachweisen als Grundlage für Personalauswahlentscheidungen fehlt. Auch eine Befähigungsbeurteilung kommt nicht in Betracht, da Amtshandlungen, die die freigestellte Beamtin vornimmt, keinen Erkenntniswert im Hinblick auf verwendungsrelevante Eigenschaften haben10. Damit die Amtsinhaberin gleichwohl nicht in ihrem beruflichen Aufstieg (Beförderungen, Höhergruppierungen, Höherreihungen und Übertragung höherwertiger Dienstposten bzw. Arbeitsplätze, § 3 Nr. 3 BGleiG) ausgeschlossen wird11, muss ihr der Dienstherr bzw. öffentliche Arbeitgeber mit der Nachzeichnungspflicht eine berufliche Entwicklung angedeihen lassen, wie sie ohne die Übernahme des Amtes eingetreten wäre (vgl. § 28 I 2 BGleiG). Ein Antrag der Gleichstellungsbeauftragten wird nicht vorausgesetzt. Vielmehr hat die Dienststelle bei einer konkret anstehenden, die Gleichstellungsbeauftragte als Verwaltungsmitarbeiterin betreffenden Personalmaßnahme die fiktive Nachzeichnung von sich aus vorzunehmen12.

1.

Beförderungen, Erprobung auf höherwertigen Dienstposten

Steht die Vergabe von Beförderungsämtern an, ist der berufliche Werdegang einer freigestellten Gleichstellungsbeauftragten anhand dienstlicher Beurteilungen fiktiv nachzuzeichnen. Hierdurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass während der Freistellung keine dienstlichen Leistungen erbracht wurden, die Gegenstand einer dienstlichen Beurteilung hätten sein können13. Zugleich wird sichergestellt, dass die Gleichstellungsbeauftragte in ihrem beruflichen Fortkommen nicht beeinträchtigt wird14. Bedenken im Hinblick auf das Leistungsprinzip nach Art. 33 II GG sollen dabei nicht bestehen. Der Grundsatz 4 BT-Dr 18/3784, S. 109 mit Verweis auf den Zweiten Erfahrungsbericht zum Bundesgleichstellungsgesetz v. 16. 12. 2010, BT-Dr 17/4307, S. 73. 5 BT-Dr 18/3784, S. 109. 6 BT-Dr 18/3784, S. 108. 7 BT-Dr 18/3784, S. 105. 8 Der Begriff „Entwicklung“ meint inhaltlich nichts anderes als der Begriff „Werdegang“ in § 18 V 2 BGleiG a.F., BT-Dr. 18/3784, S. 106. 9 Der im Gesetz gewählte Begriff der „fiktiven Nachzeichnung der beruflichen Entwicklung“ ist insoweit irreführend, als nicht die Nachzeichnung, sondern die berufliche Entwicklung fingiert wird. 10 Vgl. VGH München, Beschl. v. 28. 7. 2014 – 3 ZB 13.1642, juris, Rn. 14. 11 BT-Dr 18/3784, S. 105. 12 BT-Dr 18/3784, S. 106. 13 Vgl. BVerwG, Beschl. v. 7. 11. 1991 – 1 WB 160/90, BVerwGE 93, 188, juris, Rn. 12; Urt. v. 21. 9. 2006 – 2 C 13/05, BVerwGE 126, 333, juris, Rn. 17. 14 Vgl. BVerwG, Urt. v. 16. 12. 2010 – 2 C 11.09, juris, Rn. 9 zu freigestellten Personalratsmitgliedern.

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der Bestenauslese fordert zwar, dass Auswahlentscheidungen aktuelle und vergleichbare dienstliche Beurteilungen über die tatsächlich erbrachten dienstlichen Leistungen zugrunde gelegt werden. Bei den freigestellten Interessenvertretern wird dieses Erfordernis ersetzt und die Einbeziehung in das Auswahlverfahren ermöglicht durch eine Prognose der Leistungsentwicklung15. Die sachliche Rechtfertigung hierfür soll gerade darin liegen, dass während der Freistellung keine beurteilungsfähigen dienstlichen Leistungen erbracht werden und zudem ein (einfach-) gesetzliches Benachteiligungsverbot normiert ist16. Die Gleichstellungsbeauftragte hat einen Anspruch auf ermessenfehlerfreie Berücksichtigung im Auswahlverfahren auf der Grundlage der (nachgezeichneten) dienstlichen Beurteilung. Der Umstand der Freistellung oder Amtsausübung stellt jedenfalls kein zulässiges (leistungsbezogenes) Auswahlkriterium dar (vgl. Art. 33 II GG) und kann mithin eine Ablehnung der Bewerbung der freigestellten Gleichstellungsbeauftragten nicht rechtfertigen17. Setzt eine Beförderung die vorherige Erprobung auf einem höherwertigen Dienstposten voraus (§ 22 II BBG), gebietet das Benachteiligungsverbot die Prognose, ob die freigestellte Gleichstellungsbeauftragte den Anforderungen der Erprobung aller Voraussicht nach gerecht werden würde18. a) Dienstliche Beurteilung. Der Erstellung der dienstlichen Beurteilung erfolgt durch fiktive Fortschreibung vergangener dienstlicher Beurteilungen. Die Fortschreibungspflicht findet allerdings ihre Grenze dort, wo es an einer belastbaren Tatsachengrundlage fehlt, an die die Fortschreibung anknüpfen könnte: Regelmäßig ist von der letzten Regelbeurteilung auszugehen (vgl. § 33 III 1 Nr. 3 BLV). Diese darf indes – je nach den Umständen des Einzelfalls – noch nicht zu lange zurückliegen19, da anderenfalls ein Vergleich mit Beamten, die anhand aktueller (tatsächlicher) Leistungen beurteilt werden, nicht mehr möglich wäre. Im Fall (zu) lange zurückliegender dienstlicher Beurteilungen dürfte eine aktuelle dienstliche Beurteilung nur auf der Grundlage tatsächlicher Leistungen erstellt werden20. Praktisch kann das dazu führen, dass für die freigestellte Gleichstellungsbeauftragte während ihrer Amtszeit beurteilungsfreie Zeiträume entstehen. Das Fehlen einer fiktiv nachgezeichneten dienstlichen Beurteilung schließt die freigestellte Gleichstellungsbeauftragte jedoch nicht von Auswahlentscheidungen aus: Der Dienstherr muss in diesen Fällen besondere Sorgfalt darauf zu verwenden, die Gleichstellungsbeauftragte anhand von Hilfskriterien (vgl. auch § 33 I 2 LVO) in den Bewerbervergleich einzubeziehen. Hierzu zählen etwa systematisierte Personalauswahlgespräche, strukturierte Interviews oder Assessment-Center. Dass dabei – entgegen den üblichen Grundsätzen21 – ausschließlich das aus „Momentaufnahmen“ gewonnene Leistungs- und Befähigungsbild der Beamtin Grundlage der Auswahlentscheidung wird, ist zwingende und hinzunehmende Folge der Konkurrenz zwischen einer langjährig freigestellten Interessenvertreterin und „aktiven“ Beamten, des Umstands, dass die letzte Regelbeurteilung „zu lange“ zurückliegt und daher nicht fortgeschrieben werden konnte und sich die Tätigkeit einer freigestellten Interessenvertreterin einer dienstlichen Beurteilung entzieht. Diese Vorgehensweise soll auch keinen Bedenken im Hinblick auf eine UngleichbehandLKV 11/2015

lung der übrigen Bewerber, für die dienstliche Beurteilungen vorliegen, begegnen22. Wie der Dienstherr das Gebot, freigestellte Gleichstellungsbeauftragte nicht zu benachteiligen, umsetzt, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen23. Selbst auferlegte Bindungen aufgrund gleichförmiger Verwaltungspraxis oder Verwaltungsrichtlinien sind allerdings einzuhalten. Daher ist auch die Bestimmung des Personenkreises, der als Vergleichsgruppe für die fiktive Beurteilungsfortschreibung herangezogen wird, gerichtlich nur beschränkt überprüfbar. Verfahrensfehlerfrei handelt der Dienstherr regelmäßig, wenn er insoweit auf Beamte zurückgreift, die – bei etwa gleichem Geburts- und Anstellungsdatum – zum Stichtag der letzten Regelbeurteilung in der gleichen Besoldungsgruppe wie die Gleichstellungsbeauftragte eingruppiert waren und eine vergleichbare Beurteilungsnote erhielten. Gegebenenfalls ist eine weitere Differenzierung danach vorzunehmen, ob die Gleichstellungsbeauftragte eine Amtszulage erhalten hat. Unschädlich ist, wenn es sich bei den nach diesem Maßstab ausgewählten Vergleichsbeamten um eine zahlenmäßig kleine Gruppe handelt24. Die Vergleichsgruppe darf wegen des Benachteiligungsverbots jedenfalls nicht so zusammengestellt sein, dass eine Beförderung der freigestellten Interessenvertreterin unabhängig von dem durchschnittlichen beruflichen Werdegang der anderen Gruppenmitglieder ausgeschlossen ist, es sei denn, dem Dienstherrn gelingt die plausible Darlegung, weshalb auch ohne die Freistellung eine Beförderung unterblieben wäre25. Wie auch sonst bei der Erstellung dienstlicher Beurteilungen steht dem Dienstherrn bei der fiktiven Nachzeichnung im Rahmen dienstlicher Beurteilungen ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Ermessensspielraum zu26. Bei der Leistungsbeurteilung darf er in Ausübung seines weiten verfahrensmäßigen Gestaltungsspielraums in typisierender Weise vorgehen und den Verwaltungsaufwand zur Ermittlung einer fiktiven Laufbahnentwicklung in praktikablen Grenzen halten. Die Erörterung von Personalangelegenheiten anderer Beamter darf

15 OVG Koblenz, Urt. v. 17. 3. 2015 – 2 A 11131/13, juris, Rn. 36. 16 Vgl. OVG Magdeburg, Beschl. v. 14. 11. 2014 – 1 M 125/14, juris, Rn. 23 f. 17 Vgl. VG München, Urt. v. 29. 12. 2009 – M 21 K 09.2214, juris, Rn. 23 zu freigestellten Personalratsmitgliedern. 18 Vgl. BVerwG, Urt. v. 21. 9. 2006 – 2 C 13/05, BVerwGE 126, 333, juris, Rn. 18 zu freigestellten Personalratsmitgliedern. 19 Vgl. jeweils zu freigestellten Personalratsmitgliedern BVerwG, Urt. v. 16. 12. 2010 – 2 C 11.09, juris, Rn. 8: Zeitraum zwischen der letzten beurteilten Dienstleistung und dem Stichtag für die Fortschreibung von 16 Jahren; OVG Magdeburg, Beschl. v. 14. 11. 2014 – 1 M 125/14, juris, Rn. 25: 9 Jahre. 20 BVerwG, Urt. v. 16. 12. 2010 – 2 C 11.09, juris, Rn. 10 f. 21 BVerwG, Urt. v. 4. 11. 2010 – 2 C 16/09, BVerwGE 138, 102, juris, Rn. 45 f.; Urt. v. 30. 6. 2011 – 2 C 19.10, BVerwGE 140, 83, juris, Rn. 16 f.; Urt. v. 25. 10. 2011 – 2 VR 4.11, juris, Rn. 16: Auswahlgrundlage grds. Gesamturteile der dienstlichen Beurteilungen, Heranziehung weiterer Erkenntnisquellen nur ergänzend bei Gleichstand. 22 VGH München, Beschl. v. 28. 7. 2014 – 3 ZB 13.1642, juris, Rn. 18 zu freigestellten Personalratsmitgliedern. 23 Vgl. BVerwG, Urt. v. 10. 4. 1997 – 2 C 38/95, juris, Rn. 28 zu freigestellten Soldatenvertretern. 24 VG München, Beschl. v. 25. 3. 2014 – M 21 E 13.5890, juris, Rn. 84 m.w.N. 25 BVerwG, Beschl. v. 30. 6. 2014 – 2 B 11/14, juris, Rn. 15 zu freigestellten Personalratsmitgliedern. 26 VG München, Beschl. v. 25. 3. 2014 – M 21 E 13.5890, juris, Rn. 82.

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er auf das unvermeidliche Maß beschränken27. Insbesondere ist es nicht grundsätzlich rechtsfehlerhaft, wenn er die fiktive Nachzeichnung der Leistungsbewertung der Gleichstellungsbeauftragten nicht strikt anhand eines arithmetischen Mittels durchführt. Es genügt, wenn der Dienstherr die Entwicklung lediglich der Gesamtbeurteilungen in den Blick nimmt, nicht indes konkret auf die einzelnen Leistungsmerkmale abstellt28. War die Gleichstellungsbeauftragte nicht vollständig freigestellt, ist eine fiktive Nachzeichnung der letzten dienstlichen Beurteilung ausgeschlossen, wenn die verbliebene dienstliche Tätigkeit in einem Umfang von mehr als 25 Prozent der Arbeitszeit ausgeübt wurde29. In diesem Fall ist eine sachgerechte Bewertung der dienstlichen Leistungen noch möglich. Mit anderen Worten: Erst wenn die Freistellung mehr als 75 Prozent der Arbeitszeit ausmacht, ist eine fiktive Nachzeichnung geboten. Diese Wertung lässt sich § 33 III 1 Nr. 3 BLV entnehmen, wonach Fortschreibungen der dienstlichen Beurteilungen vorzunehmen sind bei Freistellungen von der dienstlichen Tätigkeit wegen einer Mitgliedschaft im Personalrat, als Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen oder als Gleichstellungsbeauftragte, wenn die dienstliche Tätigkeit weniger als 25 Prozent der Arbeitszeit beansprucht. b) Eignungsprognose. Die Ableistung der Erprobungszeit ist lediglich einfachgesetzlich in § 22 II BBG, nicht aber gem. Art. 33 II GG vorgeschrieben30. Demnach kann das Erfordernis einer tatsächlichen Erprobung durch die freigestellte Gleichstellungsbeauftragte grundsätzlich durch eine nachgezeichnete Eignungsprognose ersetzt werden. Dieser sind sämtliche Erkenntnisse zugrunde zu legen, die auch für dienstliche Beurteilungen verwertet werden31. Lässt sich eine belastbare Prognose indes nicht treffen, darf von der tatsächlichen Erprobung nicht abgesehen werden. Das Prinzip der Bestenauslese geht dem Benachteiligungsverbot vor, das keinen Anspruch verschafft, von zwingenden Qualifikationsanforderungen freigestellt zu werden32. Dies wäre mit dem Gebot der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung nicht vereinbar. Zudem käme es zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung der freigestellten Interessenvertreterin. Die für die Wahrnehmung der höherwertigen Funktion zwingend erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen muss die freigestellte Gleichstellungsbeauftragte mithin tatsächlich vorweisen. Zweifel an der Eignung gehen zu ihren Lasten und können nur durch eine tatsächliche Bewährung auf dem Erprobungsdienstposten ausgeräumt werden33.

2. Höhergruppierungsanspruch Die Arbeitsgerichte leiten aus der Pflicht des öffentlichen Arbeitgebers zur fiktiven Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs einen verschuldensunabhängigen Anspruch der aufgrund privatrechtlichen Arbeitsvertrags beschäftigten Gleichstellungsbeauftragten auf Vergütung aus einer höheren Vergütungsgruppe ab, wenn sie ohne ihre Freistellung mit Aufgaben betraut worden wäre, die die Eingruppierung in die höhere Vergütungsgruppe rechtfertigen34. Eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf beamtete freigestellte Gleichstellungsbeauftragte mit der Folge eines unmittelbaren Zahlungsanspruchs gemäß der nächsthöheren Besoldungsgruppe kommt allerdings nicht in Betracht. Für die Beamten richtet sich der Besoldungs-

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anspruch ausschließlich nach dem innegehabten Statusamt und ist der Höhe nach abschließend im Besoldungsgesetz geregelt (§§ 2 I, 19 I BBesG)35. Die freigestellte Beamtin mag insoweit einen Beförderungsanspruch geltend machen36. Der von den Arbeitsgerichten angenommene Vergütungsanspruch unterliegt engen Voraussetzungen. a) Konkretes Stellenbesetzungsverfahren. Der Höhergruppierungsanspruch einer freigestellten Gleichstellungsbeauftragten kann sich aus einer erfolglosen Bewerbung um einen bestimmten freien Arbeitsplatz ergeben. Die Anspruchsvoraussetzungen knüpfen an den Grund für die Nichtauswahl an. aa) Freistellung und/oder Amt. Die Ablehnung der Bewerbung der Gleichstellungsbeauftragten um einen höher dotierten Arbeitsplatz mit einer Begründung, die gerade auf die Freistellung und/oder die Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte abstellt, verstößt gegen Art. 33 II GG, wonach die Vergabe öffentlicher Ämter allein nach den Kriterien von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung der Bewerber vorzunehmen ist. Das Prinzip der Bestenauslese und die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Überprüfung einer Auswahlentscheidung, insbesondere der Beurteilungsspielraum des öffentlichen Arbeitgebers bei der Eignungsprognose, der den Gerichten lediglich eine zurückgezogene (Fehler-) Prüfung erlaubt, gilt auch bei der Entscheidung über die Bewerbung einer Gleichstellungsbeauftragten37. Zur Geltendmachung eines Höhergruppierungsanspruchs trifft die Gleichstellungsbeauftragte allerdings die Beweis- und Darlegungslast, dass der öffentliche Arbeitgeber ihre Bewerbung gerade aus Gründen ihrer Amtstätigkeit bzw. wegen der Freistellung abgelehnt hat. Hierzu muss sie den Nachweis führen, dass sie nach den Maßstäben der Bestenauslese unter allen Bewerbern als Bestgeeignete hervorgegangen wäre oder – falls dies nicht der Fall gewesen wäre – sie nur aus dem Grund nicht ausgewählt wurde, weil ihr die maßgeblichen fachlichen oder beruflichen Qualifikationen gerade wegen ihrer Freistellung aufgrund der Amtstätigkeit fehlten38. Während abgelehnte Bewerber allgemein in einstweiligen Verfügungsverfahren im Rahmen arbeitsrechtlicher Konkurrentenklagen regelmäßig 27 Vgl. BVerwG, Urt. v. 10. 4. 1997 – 2 C 38/95, juris, Rn. 28 zu freigestellten Soldatenvertretern. 28 VG München, Beschl. v. 25. 3. 2014 – M 21 E 13.5890, juris, Rn. 86. 29 VG München, Beschl. v. 25. 3. 2014 – M 21 E 13.5890, juris, Rn. 87; VG Frankfurt a.M., Urt. v. 13. 1. 2010 – 9 K 1394/09.F, juris, Rn. 16. 30 Vgl. BVerwG, Urt. v. 21. 9. 2006 – 2 C 13/05, BVerwGE 126, 333, juris, Rn. 15. 31 Vgl. zu freigestellten Personalratsmitgliedern BVerwG, Urt. v. 21. 9. 2006 – 2 C 13/05, BVerwGE 126, 333, juris, Rn. 18 f. zu den Kriterien im Einzelnen. 32 Vgl. BVerwG, Urt. v. 21. 9. 2006 – 2 C 13/05, BVerwGE 126, 333, juris, Rn. 19 zu freigestellten Personalratsmitgliedern. 33 Vgl. BVerwG, Urt. v. 21. 9. 2006 – 2 C 13/05, BVerwGE 126, 333, juris, Rn. 19 zu freigestellten Personalratsmitgliedern. 34 LAG Hannover , Urt. v. 22. 3. 2007 – 7 Sa 105/06 E, juris, Rn. 45 ff.; vgl. BAG, Urt. v. 27. 1. 2001 – 7 AZR 496/99, BAGE 98, 164, juris, Rn. 19 m.w.N. zum Anspruch freigestellter Personalratsmitglieder. 35 Vgl. BVerwG, Urt. v. 10. 4. 1997 – 2 C 38/95, juris, Rn. 20 zu freigestellten Soldatenvertretern. 36 VG München, Urt. v. 29. 12. 2009 – M 21 K 09.2214, juris, zu freigestellten Personalratsmitgliedern. 37 Vgl. BAG, Urt. v. 27. 6. 2001 – 7 AZR 496/99, BAGE 98, 164, juris, Rn. 22 zu freigestellten Personalratsmitgliedern. 38 LAG Hannover, Urt. v. 22. 3. 2007 – 7 SA 105/06 E, juris, Rn. 69.

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Fiktive Nachzeichnung der beruflichen Entwicklung der Gleichstellungsbeauftragten - Buchheim | Aufsätze

die Fehlerhaftigkeit der Auswahlerwägungen des öffentlichen Arbeitgebers und die Möglichkeit darlegen und glaubhaft machen müssen, dass sie ausgewählt werden könnten39, bestehen im Streit der Gleichstellungsbeauftragten um eine Höhergruppierung im Wege fiktiver Nachzeichnung der beruflichen Entwicklung strengere Anforderungen. Hier muss die Gleichstellungsbeauftragte (positiv) ihre Besteignung für den ausgeschriebenen Arbeitsplatz darlegen und beweisen. Dazu bedarf es einer eingehenden Auseinandersetzung mit der Bewerbung und den Leistungen des ausgewählten Konkurrenten. bb) Mangelnde Qualifikation oder Beurteilungsgrundlage. Mit dem Prinzip der Bestenauslese vereinbar ist indes die Ablehnung der Bewerbung einer Gleichstellungsbeauftragten für einen höherwertigen Arbeitsplatz, der die erforderlichen fachlichen oder beruflichen Qualifikationen tatsächlich fehlen oder wenn sich der öffentliche Arbeitgeber zu deren Beurteilung wegen der Freistellung nicht imstande sieht. Anderenfalls wäre eine Stellenbesetzung entgegen den Vorgaben des Art. 33 II GG zu treffen40. Von notwendigen tatsächlichen Erfahrungen kann sich die freigestellte Gleichstellungsbeauftragte nicht unter Berufung auf das Benachteiligungsverbot befreien lassen41. Ein Höhergruppierungsanspruch kommt insoweit nur in Betracht, wenn das feststellbare aktuelle Fachwissen gerade aufgrund der Freistellung für die Tätigkeit als Gleichstellungsbeauftragte fehlt und der Arbeitgeber es versäumt hat, der freigestellten Gleichstellungsbeauftragten hierfür einen Ausgleich zu ermöglichen42. Wiederum ist die Gleichstellungsbeauftragte beweis- und darlegungsbelastet. cc) Fehlende Bewerbung. Macht die Gleichstellungsbeauftragte geltend, sich gerade wegen ihrer Freistellung erst gar nicht auf eine freie höherwertige Stelle beworben zu haben, kann sie eine Höhergruppierung nur beanspruchen, wenn sie darüber hinaus darlegt und beweist, dass eine Bewerbung ohne die Freistellung erfolgreich gewesen wäre oder wegen des Prinzips der Bestenauslese erfolgreich hätte sein müssen43. Es ist auch hier erforderlich, dass die Gleichstellungsbeauftragte ihre Leistungen und Qualifikation zu denjenigen des ausgewählten Konkurrenten ins Verhältnis setzt. b) Betriebsüblicher beruflicher Aufstieg. Ein Höhergruppierungsanspruch einer freigestellten Gleichstellungsbeauftragten kann sich auch daraus ergeben, dass ihr beruflicher Werdegang anhand der betriebsüblichen beruflichen Entwicklung nicht freigestellter Kollegen fiktiv nachgezeichnet wird. Besetzt ein öffentlicher Arbeitgeber freiwerdende oder neu geschaffene Stellen einer höheren Vergütungsgruppe mit Angestellten mit bestimmten Laufbahnvoraussetzungen nach feststehenden Maßstäben und/oder Zeitabläufen und nimmt hiervon freigestellte Interessenvertreter aus, so können diese verlangen, wie ihre Kollegen eingruppiert zu werden44. Schwierigkeiten dürfte der Gleichstellungsbeauftragten insbesondere die Darlegung der Voraussetzung der Betriebsüblichkeit der Höhergruppierungspraxis bereiten45: Eine Betriebsüblichkeit im Sinne der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte entsteht (erst) aufgrund eines gleichförmigen Verhaltens des Arbeitgebers und einer von ihm aufgestellten Regel. Hiervon kann nicht schon dann ausgegangen werden, wenn lediglich einige andere Arbeitnehmer einen entsprechenden beruflichen LKV 11/2015

Aufstieg genommen haben. Vielmehr ist erforderlich, dass aufgrund der Gepflogenheiten und Gesetzmäßigkeiten in der Dienststelle grundsätzlich, d.h. wenigstens in der überwiegenden Mehrheit der vergleichbaren Fälle, mit dem Aufstieg gerechnet werden kann46. Mithin müssen vergleichbare Beschäftigte tatsächlich einen beruflichen Aufstieg absolviert haben, während die Gleichstellungsbeauftragte ihr Amt wahrgenommen hat. Eine fiktive Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs der Gleichstellungsbeauftragten anhand eines Vergleichs mit Kollegen ist insbesondere nur gerechtfertigt, wenn es sich hierbei um Beschäftigte handelt, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeführt haben wie die Gleichstellungsbeauftragte und dafür in gleicher Weise wie diese fachlich und persönlich qualifiziert waren47.

3. Keine fiktive Nachzeichnung bei rangwahrender Umsetzung Geht es allein um die Besetzung eines „ranggleichen“ Dienstpostens oder Arbeitsplatzes, d.h. steht eine bloße Umsetzung im Raum, ohne dass damit eine Beförderung oder Höhergruppierung vorweggenommen wird, ist eine fiktive Nachzeichnung des beruflichen Werdegangs gem. § 28 III BGleiG nicht angezeigt. Die Ablehnung einer Gleichstellungsbeauftragten bei der bloßen Besetzung eines Arbeitsplatzes oder Dienstpostens ist nicht anhand des Benachteiligungsverbotes (§ 28 I 1 BGleiG) zu messen, wenn hiermit nicht zugleich deren beruflicher Aufstieg berührt wird. § 28 III 1 BGleiG gebietet lediglich, die „berufliche Entwicklung“ fiktiv nachzuzeichnen. Die Übertragung ranggleicher Arbeitsplätze und Dienstposten berührt den beruflichen Werdegang der Gleichstellungsbeauftragten regelmäßig nicht in dem Sinne, dass hierdurch eine Benachteiligung zu befürchten ist, die mit einer fiktiven Nachzeichnung verhindert werden müsste48.

39 Vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 28. 6. 2012 – 25 SaGa 863/12, juris, Rn. 38 m.w.N.; vgl. zu den gleichgelagerten Anforderungen im beamtenrechtlichen Konkurrenteneilverfahren BVerwG, Urt. v. 4. 11. 2010 – 2 C 16/09, BVerwGE 138, 102, juris, Rn. 32 m.w.N. 40 OVG Bautzen, Beschl. v. 26. 2. 2013 – 2 A 948/10, juris, Rn. 17. 41 Vgl. BVerwG, Urt. v. 21. 9. 2006 – 2 C 13/05, BVerwGE 126, 333, juris, Rn. 19 zu freigestellten Personalratsmitgliedern. 42 Vgl. jeweils zu freigestellten Personalratsmitgliedern BAG, Urt. v. 27. 6. 2001 – 7 AZR 496/99, BAGE 98, 164, juris, Rn. 22; vgl. BAG, Urt. v. 29. 10. 1998 – 7 AZR 676/96, BAGE 90, 106, juris, Rn. 26. 43 LAG Hannover, Urt. v. 22. 3. 2007 – 7 SA 105/06 E, juris, Rn. 47; vgl. BAG, Urt. v. 27. 6. 2001 – 7 AZR 496/99, BAGE 98, 164, juris, Rn. 23 zu freigestellten Personalratsmitgliedern. 44 LAG Hannover, Urt. v. 22. 3. 2007 – 7 SA 105/06 E, juris, Rn. 47; BAG, Urt. v. 27. 6. 2001 – 7 AZR 496/99, BAGE 98, 164, juris, Rn. 24 zu freigestellten Personalratsmitgliedern. 45 Vgl. BAG, Urt. v. 29. 4. 1998 – 7 AZR 202/97, juris, Rn. 15 zu freigestellten Personalratsmitgliedern. 46 BAG, Urt. v. 27. 6. 2001 – 7 AZR 496/99, BAGE 98, 164, juris, Rn. 24; Urt. v. 14. 7. 2010 – 7 AZR 359/09, juris, Rn. 30. 47 BAG, Urt. v. 14. 7. 2010 – 7 AZR 359/09, juris, Rn. 30 zu freigestellten Personalratsmitgliedern; vgl. BT-Dr 18/3784, S. 106. 48 Vgl. auch BAG, Urt. v. 9. 6. 1982 – BAGE 39, 118 zur arbeitsrechtlichen Versetzung; OVG Bautzen, Beschl. v. 26. 2. 2013 – 2 A 948/10, juris, Rn. 16.

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Kurze Beiträge | Daehre/Koehler - Wasserrecht des Landes Sachsen-Anhalt teilweise verfassungswidrig

III. Fazit Allein die Wahrnehmung des Amtes der Gleichstellungsbeauftragten führt nicht dazu, dass die Amtsinhaberin bei Personalmaßnahmen, die mit einem beruflichen Aufstieg verbunden sind, zu berücksichtigen ist. Vielmehr bedarf es hierzu regelmäßig insbesondere einer fiktiven Nachzeichnung dienstlicher

Beurteilungen bei einer Beamtin bzw. der Darlegung durch die angestellte Gleichstellungsbeauftragte, dass vergleichbare und nicht freigestellte Kollegen den von ihr angestrebten Karriereweg tatsächlich beschritten haben. Dabei muss der Dienstherr bzw. der öffentliche Arbeitgeber stets im Blick behalten, dass er die Gleichstellungsbeauftragte wegen ihres Amtes weder benachteiligt noch bevorzugt. In jedem Fall bedarf es einer aufmerksamen Prüfung des Einzelfalls.

Wasserrecht des Landes Sachsen-Anhalt teilweise verfassungswidrig Anne Daehre und Ulrich Koehler, Magdeburg*

I.

Einleitung

§ 56 I SachsAnhWG, der mit Art 2 Nr. 17 der Änderung des Gesetzes zur Änderung wasserrechtlicher Vorschriften vom 21. 3. 2013 (SachsAnhGVBl. S. 116) eingeführt worden ist, ist mit Art. 87 III der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, dem Konnexitätsprinzip, insoweit unvereinbar, als er hinsichtlich der Verwaltungskosten keine Kostendeckungsregelung für die den betreffenden Gemeinden übertragene Aufgabe der vermittelnden Veranlagung enthält1.

II.

Sachverhalt

Der sachsen-anhaltische Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zur Änderung wasserrechtlicher Vorschriften vom 21. 3. 20132 u.a. das Ausführungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt zum Abwasserabgabengesetz geändert (Art. 1 des Gesetzes) und das Wassergesetz für das Land Sachsen-Anhalt (Art. 2 des Gesetzes) neu strukturiert. Die Novellierung des Wassergesetzes ist im Wesentlichen bereits am 31. 3. 2013 in Kraft getreten. Mit der erst am 1. 1. 2015 in Kraft tretenden Änderung des § 56 I SachsAnhWG werden den Gemeinden zusätzliche finanzielle Lasten auferlegt, ohne eine Regelung in das Wassergesetz einzuführen, die einen finanziellen Ausgleich für die Gemeinden ermöglichen würde. Hintergrund dieser Änderung war die Föderalismusreform I von 2006, bei der das Grundgesetz geändert wurde. Im Zuge dessen wurde die Möglichkeit der Rahmengesetzgebung des Art. 75 GG a.F. abgeschafft. Die Gesetzgebungskompetenzen werden nun in konkurrierende (Art. 72 GG) und abschließende (Art. 71 GG) Kompetenzen eingeteilt. Im Zuge dessen wurde das Wasserrecht der konkurrierenden Gesetzgebung zugeordnet. Der Bundesgesetzgeber machte von seiner Befugnis Gebrauch und regelte das Wasserrecht durch die Neufassung des Wasserhaushaltsgesetz (WHG) vom 31. 7. 20093 mit Wirkung zum 1. 3. 2010 abschließend neu, sodass die Länder keine hundertprozentigen Regelungsbefugnisse mehr hatten. Dennoch konnten die Bundesländer gem. Art. 72 III Nr. 5 GG von die-

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sem Bundesgesetz teilweise abweichende Regelungen treffen und somit von den Öffnungsklauseln des neu gefassten WHG Gebrauch machen. Aufgrund dieser Entwicklungen erließ der Landesgesetzgeber das SachsAnhWG vom 16. 3. 20114, allerdings mit einem viel kleineren Regelungsgehalt als es davor der Fall war. Eine Novellierung des SachsAnhWG wurde dann im Frühjahr 2013 notwendig, weil das bisherige Gesetz zeitlich befristet war und am 1. 4. 2013 außer Kraft treten sollte. Mit dem Gesetz zur Änderung der wasserrechtlichen Vorschriften vom 21. 3. 20135 wurden die Änderungen des WHG und des Abwasserabgabengesetzes des Bundes auf Länderebene umgesetzt. Nach § 53 I SachsAnhWG ist die Unterhaltung der Gewässer erster Ordnung dem Land übertragen, soweit nicht Bundeswasserstraßen betroffen sind, wie die z.B. die Elbe und soweit nicht in § 62 II SachsAnhWG etwas anderes geregelt ist. Die Unterhaltung der Gewässer zweiter Ordnung obliegt nach § 54 I 1 SachsAnhWG den in der Anlage 2 zum Wassergesetz genannten Unterhaltungsverbänden, soweit sich nicht aus den §§ 58, 61 und 62 I SachsAnhWG oder nach einer Entscheidung nach § 62 II SachsAnhWG etwas anderes ergibt. Mitglieder dieser Verbände sind nach § 54 III 1 SachsAnhWG die Gemeinden im jeweiligen Niederschlagsgebiet, die nicht einer Verbandsgemeinde angehören, und die Verbandsgemeinden. Gemäß § 4 I SachsAnhWG sind Gewässer erster Ordnung die Gewässer, die entweder Binnenwasserstraßen im Sinne des Bundeswasserstraßengesetzes sind (Nr. 1) oder wegen ihrer * Ulrich Koehler ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht und Fachanwalt für Verwaltungsrecht in Magdeburg; die Autorin Anne Daehre ist Referendarin am LG Magdeburg und arbeitet in der Kanzlei des Co-Autors. 1 SachsAnhVerfG, Urt. v. 30. 6. 2015 – LVG 3/14. 2 GVBl S. 116. 3 BGBl I, 2585, zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. 8. 2013, BGBl I, 3154. 4 GVBl S. 492. 5 GVBl S. 116.

LKV 11/2015