Faszination Tierfotografie

Digital ProLine Faszination Tierfotografie Ingo Gerlach DATA BECKER  Manchmal ist auch das Einbeinstativ eher hinderlich, z. B. wenn man schnell ...
Author: Hilko Graf
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Digital ProLine

Faszination Tierfotografie Ingo Gerlach

DATA BECKER

 Manchmal ist auch das Einbeinstativ eher hinderlich, z. B. wenn man schnell fliegende Vögel ablichten möchte, dann geht das freihändig oft besser (Foto: Brigitte Gerlach).

3.3 Stativsysteme im Vergleich Der Markt für Stative und Stativköpfe ist riesig, daher werde ich im Folgenden über die Stative schrei-

ben und berichten, die ich kenne und seit Jahren mehr oder weniger erfolgreich einsetze. Eine gute Übersicht aller Angebote bietet die Homepage www.stativfreak.de.

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Sinnvolles Zubehör und praktische Hilfsmittel

Das Einbeinstativ Das Einbeinstativ wird von mir häufig beim Fotografieren in Zoos und Wildparks genutzt, denn ich bin mit einem Einbeinstativ wesentlich flexibler, speziell in den oft engen Bereichen, in denen sich die Fotografen aufhalten können. Im Zoo kann es Ihnen passieren, dass Sie, wenn viel Betrieb ist, mit einem Dreibeinstativ auf Missmut und Ärger bei den anderen „normalen“ Zoobesuchern stoßen. Zudem laufen Sie Gefahr, dass kleine, quirlige Kinder zwischen den drei Beinen Ihres Stativs herumkrabbeln.

Aluminium oder Karbon

 Kämpfende Rothirsche im Wildwald Vosswinkel (APS-CKamera mit 200-400mm bei 400 mm, ISO 400, 1⁄500 Sek., f5.6).

Deshalb nenne ich zwei Einbeinstative mein Eigen. So habe ich seit über 20 Jahren ein Monostat RS16 im Einsatz.

Mit diesem Einbeinstativ bin ich bisher immer gut gefahren. Bis ich glaubte, dass ich für eine Flugreise wegen der Gewichtsersparnis auf ein Monostat RS16 in Karbonausführung zurückgreifen müsste.

Dieses Einbeinstativ ist aus Aluminium, hat einen gummierten Griff, der mit der Zeit abfärbt, und einen sensationellen Schwenkfuß aus Hartgummi, der dem Stativ selbst bei unebenen Flächen stabilen Halt gibt. Auf das Monostat (www.monostat.com) habe ich eine Schnellwechselplatte von Markins (www.photopro shop.com) gesetzt. Dies ist nicht zwingend nötig, erleichtert aber den schnellen Wechsel der Kamera-Objektiv-Kombination.

Allerdings bin ich mit diesem Einbeinstativ nicht so richtig glücklich, da das Monostat aus Karbon einen vierteiligen Beinauszug hat im Vergleich zur Aluvariante mit einem dreiteiligen Auszug. Durch den vierteiligen Auszug ist das Karbon-Monostat in sich recht instabil und bringt mir nicht die gewünschte stabile Lösung. Wer sein Einbeinstativ gern über Kopf nutzen möchte, also z. B. fliegende Vögel fotografieren will, dem empfehle ich den kleinen Neiger von Manfrotto, den MA 234.

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 Multifunktionaler Tierfotograf. Selbst beim Fotografieren gibt es noch was zu telefonieren. Achten Sie auf die Stabilisierungsmaßnahme mit dem kleinen Finger.

Das Einbeinstativ ist schnell Eine kleine Geschichte über den Vorteil eines Einbeinstativs im Einsatz: Ich war zur Hirschbrunft in einem großen Wildpark unterwegs. Insgesamt waren wir fünf Fotografen, die sich um die besten Plätze rangelten. Es war Mittagszeit, wir hatten unsere Pausenbrote und die Thermoskannen ausgepackt. Ich hatte meine Kamera mit dem 200-400mm-Zoomobjektiv und dem Monostat RS16 auf den Waldboden gelegt. Meine Mitstreiter hatten ihre Dreibeinstative zusammengeschoben und die Kameras und die Linsen in die Rucksäcke gepackt. Plötzlich hörten wir in der Nähe das laute Aufeinanderschlagen von Geweihen. Uns allen war sofort klar: Hier ist ein echter und heftiger Hirschkampf im Gange. Ich nahm mein Einbeinstativ mit der Kamera und hetzte zu den kämpfenden Hirschen. Noch im Laufen stellte ich die Kamera auf einen höheren ISO-Wert ein, um schnellere Zeiten zu erzielen,

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denn Hirschkampf heißt schnelle Bewegung. Ich fotografierte schon, da bauten die Kollegen erst noch ihre Kameras und Stative auf. Nach rund fünf Minuten war die Show vorüber und ich hatte deutlich mehr Fotos im Kasten als meine Kollegen.

Das Dreibeinstativ Ein gutes Dreibeinstativ gehört zur Grundausstattung eines jeden Tierfotografen. Jetzt werden Sie vielleicht einräumen, dass Sie auch ohne Stativ gute Fotos machen können, denn die Sportfotografen z. B. arbeiten auch nicht immer mit einem Stativ. Das ist zwar grundsätzlich richtig, aber die Sportfotografen setzen wiederum liebend gern ein Einbeinstativ ein, weil sie etwa bei einem Fußballspiel mit einem Dreibein nicht flexibel genug wären. Ständig müsste die Kamera-Objektiv-Kombination gewechselt werden, mal arbeitete der Fotograf mit

 Die Nikon D300 mit dem 4.0/200-400mm am WimberleyHead-Schwenkkopf auf dem schweren Gitzo-Stativ.

seinem 600er Tele, mal mit dem 300er, dann wieder mit einem kleinen Zoom, da wäre ein sperriges Stativ nur im Weg. Braucht man mehrere Stative? Für uns Tierfotografen allerdings sieht die Situation meistens viel günstiger für den Einsatz eines Stativs, speziell eines Dreibeinstativs, aus. Ich benutze insgesamt gern zwei verschiedene Dreibeinstative. Einmal ein großes Gitzo-Karbonstativ (www.bogen imaging.de), ähnlich dem Modell GT5541LS, für schwere Objektive ab 400 mm.

GT2540

GT5541

Dieses Stativ zeichnet sich durch eine enorme Robustheit aus, ist schwingungsarm und trotzdem vom Gesamtgewicht von ca. 2,5 kg noch tragbar. Ausgerüstet habe ich dieses Stativ mit einer

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 Abfliegender Birkhahn, fotografiert im Hamra Nationalpark in Schweden (APS-C-Kamera mit 4 MP, 500 mm, f4, 1⁄750 Sek., ISO 200).

Nivellierkalotte, dem Schwenkkopf Wimberley Head (www.tripodhead.com) und einer Markins-Schnellwechselplatte. Dieses robuste, von Tierfotografen weltweit geschätzte Gitzo-Stativ lässt sich auf Mannshöhe  – rund 2 m – ausziehen. So können Sie, ohne sich den Rücken zu verbiegen, Ihre Kamera und alle wichtigen Funktionen ständig auf Augenhöhe kontrollieren. Allerdings eignet sich diese Kombination aus Stativ, Kalotte und Neiger weniger für den Rucksacktouristen, da sie Ihnen früher oder später bei einem Gesamtgewicht von 4,4 kg einfach zu schwer werden dürfte.

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Besser ohne Mittelsäule Dieses Gitzo-Stativ wurde seinerzeit mit einer Mittelsäule ausgeliefert. Diese habe ich umgehend ent-

fernt, da eine ausgezogene Mittelsäule an einem Dreibeinstativ die Stabilität senkt. Die Verwacklungsgefahr ist durch diese Instabilität einfach zu groß. Lassen Sie, wenn Sie bessere Fotos wollen, die Mittelsäule weg. Dies gilt zumindest beim Einsatz von Teleobjektiven ab 200 mm. Leichtes Reisestativ Für Reisen mit dem Flugzeug habe ich mir ein leichtes Gitzo-Stativ, das Modell GT2540 – ebenfalls aus Karbon, angeschafft. Die Mittelsäule wurde

wiederum entfernt und das Stativ mit einer Markins-TB-20-Adapterplatte bestückt. Darauf habe ich den Ballhead M10 von Markins als Stativkopf mit Schnellwechselplatte geschraubt. Das Ganze hat ein Gewicht von 2 kg und ist somit sehr stabil im Verhältnis zum Gesamtgewicht. Sicherlich ist es nicht ideal für ein 500er Tele mit Konverter. Da sind die Eigenschwingungen beim Auslösen der Kamera doch etwas zu stark. Aber für den Einsatz bis 400 mm ist es durchaus geeignet. Sie können unter die Adapterplatte noch

Günstig Stative erstehen Das schwere Heiler-Stativ mit Videokopf habe ich vor einigen Jahren beim ZDF in Mainz zu sehr günstigen Konditionen gekauft. Ab und zu verkauft der öffentlich-rechtliche Sender alte und abgeschriebene Dinge. Einfach mal dort anrufen und fragen.

ein Gewicht, z. B. Ihren Kamerarucksack, hängen. Dies erhöht die Stabilität noch einmal. Schweres Videostativ Wenn ich aus dem Tarnzelt fotografiere, bin ich meist über Stunden mit einem langen Teleobjektiv im Einsatz. Dann nutze ich auch gern ein sehr schweres Heiler-Filmstativ mit Hydroneiger. Dieses Stativ hatte ich mir vor einigen Jahren für wenig Geld gebraucht gekauft. Mit dem Hydroneiger können Sie exakt und weich schwenken. Diese Kombination ist allerdings extrem schwer und in der Tat am besten aus dem Tarnversteck heraus zu benutzen. Eine kleine Anekdote Vor einigen Jahren war ich im Hamra Nationalpark in Mittelschweden, um die Balz der Birkhähne zu fotografieren. Holzansitzhüt-

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ten, gemacht für zwei Fotografen, waren aufgebaut und bezugsfertig. Da ich bereits am Morgen, besser gesagt in der Nacht, um 02:00 Uhr im Versteck sein musste, hatte ich am Abend vorher mein großes Gitzo-Stativ aufgebaut. Ich steckte die Stativbeine leicht in den moorigen Boden. Als ich in der Nacht meine Hütte bezog, stand das Stativ bombenfest und unverrückbar. Denn in der Nacht wurde es bitterkalt, –15 °C, und der weiche Moorboden gefror und hielt das Stativ mit eiserner Hand.

Das Vierbeinstativ Dieser Stativtyp soll noch mehr Standfestigkeit liefern als ein Dreibeinstativ, so der Erfinder dieses neuen Stativsystems. Die Firma Novoflex (www. neu.novoflex.de) hat ein komplettes Baukastensystem entwickelt, das sicherlich keine Wünsche der Tierfotografen offenlässt.

Wer jetzt die Neuanschaffung eines Stativs plant, sollte sich die Lösung der bayerischen Schwaben genauer anschauen. Ich durfte dieses System testen und war von dem ganzen Konzept sehr angetan.

Das Autoscheibenstativ Dieses Stativ ist, wie der Name schon sagt, für die Verwendung im Auto gedacht. Für Tierfotografen ist das Auto eines der am meisten benutzten „Zubehörteile“. Gerade in der freien Wildbahn werden Sie das Auto zur Annäherung an die Tiere häufig einsetzen. Von vielen Tieren – ob nun in Deutschland oder etwa in Afrika – wird das Auto als weniger gefährlich eingestuft als der sich frei bewegende Mensch. Häufig wird das Auto von den Tieren le-

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diglich als großer (ungefährlicher) Umriss, als Felsen oder Ähnliches wahrgenommen. Sie werden an einen Feldhasen im Auto näher herankommen, als wenn Sie es zu Fuß versuchen. Auch in freier Wildbahn in der Savanne Ostafrikas werden Sie Ihr Auto nicht verlassen, da es schlicht verboten ist und natürlich auch viel zu gefährlich, aus dem Auto auszusteigen. Für solche Zwecke habe ich ein Autoscheibenstativ von Rainer Burzynski, einem liebenswerten Tüftler, der für uns Tierfotografen immer eine Lösung parat hat. Leider hat Burzynski keine Website, sondern nur eine Telefonnummer (+49-3 30 80-4 05 70). Scheuen Sie sich nicht, ihn anzurufen. Er kennt das und will das auch so. Aber seien Sie nett und rufen Sie morgens nicht vor 08:00 Uhr und abends nicht nach 20:00 Uhr an. Die Produkte von Burzynski können Sie auch über Isarfoto (www.isarfoto.com) beziehen. Das Autoscheibenstativ ist ideal geeignet, wenn Sie für längere Zeit an einem Ort verbleiben und Ihre Kamera auf ein Ziel gerichtet haben. Sie müssen nicht ständig Ihr Auge am Okular lassen und die Kamera mit den Händen festhalten. Haben Sie einen Fernauslöser an Ihrem Body angebracht, können Sie bequem und ohne zu verwackeln auslösen. Selbst gemächliche Fahrten übersteht das Stativ mit Kamera und Objektiv darauf ganz gut. Trotzdem sollten Sie in diesem Fall für eine zusätzliche Sicherung Ihrer Ausrüstung sorgen.

 Manchmal kommt das Motiv schon zu nahe und man braucht weder Bohnensack noch Autoscheibenstativ. Gepardin Princess in der Massai Mara.

Der Bohnensack Als Ersatz für ein Autoscheibenstativ ist der Bohnen­ sack eine äußerst praktikable Alternative. Preiswert und leicht, erfüllt er seinen Zweck voll und ganz, eine Kamera mit ihrem Objektiv zu stabilisieren. Aktive Tierfotografen werden sich gleich mehrere von diesen Bohnensäcken zulegen, in die auch Erbsen oder Popcorn oder Styroporkügelchen oder Ähnliches gefüllt werden können. So hat man ein oder zwei Bohnensäcke immer im Auto parat, einen Bohnensack zu Hause für das schnelle Foto zwischendurch und einen leeren Bohnensack, den Sie mit auf Ihre Reisen nehmen, um ihn dann vor Ort mit Bohnen oder Erbsen zu füllen. Dies spart Gewicht und Volumen im Reisegepäck. So einen Beanbag können Sie mit etwas Geschick sogar selbst nähen. Meinen Bohnensack aus Wildleder hat mir netterweise meine Frau genäht, da ich für so etwas zwei linke Hände habe.

Der Luxusbohnensack Wie bei allen Zubehörteilen für Tierfotografen gibt es auch für den Bohnensack eine Luxusversion für den anspruchsvollen Nutzer. Der sogenannte Double Beanbag oder auch Wildlife Beanbag ist das Nonplusultra als Ersatz eines Autoscheibenstativs. Bezugsquelle: entweder wieder über den bayerischen Spezialanbieter Isarfoto

(www.isarfoto.de) oder direkt über www.wildlife watchingsupplies.co.uk oder auch über den bekannten amerikanischen Naturfotografen Arthur Morris (www.birdsasart.com/blubb.htm).

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