1    

Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Wirtschaftsrecht, insb. Immaterialgüterrecht sowie Medienrecht Jun.-Prof. Dr. Christian Gomille (Lehrstuhlvertreter)

Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung mit Einführung in das Urheberrecht Kolloquium im Wintersemester 2017/2018

Fall 3 „Karsten Speck“ Sachverhalt Der Schauspieler und Moderator Karsten Speck wurde im November 2004 rechtskräftig wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. In der vom Axel Springer-Verlag herausgegebenen BILD-Zeitung wurde am 11. November 2005 auf Seite 3 unter der Überschrift „Hier schlendert Karsten Speck in die Freiheit” berichtet, dass Karsten Speck die Haftanstalt schon zwei Wochen nach Haftantritt für einen Tag wieder verlassen habe, um seine Familie zu besuchen. Der Artikel wurde eingeleitet mit dem fett gedruckten Satz „Hallo Knacki, warum bist du nicht mehr im Gefängnis?” und hatte folgenden Wortlaut: „Gestern, 11.39 Uhr vor der Haftanstalt Hakenfelde. Mit einer Reisetasche in der Hand verlässt TVStar Karsten Speck (45, „Hallo Robbie”) das Gefängnis. Dabei sitzt der Schauspieler erst seit zwei Wochen seine Haftstrafe (2 Jahre 10 Monate) ab. Warum darf er den Knast verlassen? Ein Justizsprecher: „Nach einer Prüfung hat er sich als geeignet für den Offenen Vollzug erwiesen. Als erste Lockerungsmaßnahme haben wir ihm deshalb Ausgang erteilt. Das wird gemacht, damit ein Häftling zum Beispiel seine sozialen Bindungen aufrechterhalten kann.” Nach Bild-Informationen besuchte Speck seine Ehefrau und seinen Sohn, führte auch Job-Gespräche. Die gute Nachricht für Speck. Das ZDF will ab nächsten April eine neue Staffel der Erfolgs-Serie „Hallo Robbie” (durchschnittlich fast 5 Mio. Zuschauer) drehen. Ein ZDF-Sprecher: „Wenn es die Umstände für Herrn Speck zulassen, planen wir mit ihm in der Hauptrolle.” Voraussetzung dafür: Speck muss Freigänger werden, dürfte dann tagsüber für das ZDF drehen. So weit ist es aber noch nicht: Gestern Abend musste Speck wieder zurück ins Gefängnis. Sein Ausgang galt nur bis 17.30 Uhr”. Illustriert ist der in der Sache zutreffende Artikel mit zwei Aufnahmen von Karsten Speck, die ihn mit einer Reisetasche auf der Straße gehend und beim Einsteigen in ein Auto zeigen und mit der Bildunterschrift „Knast-Ausgang für TV-Star Karsten Speck (45): Mit einer Reisetasche verlässt er das Gefängnis in Hakenfelde.” versehen sind. Die Fotos sind am 10. November 2005 vor der Haftanstalt in der beschriebenen Situation entstanden. Karsten Speck verlangt von der Axel Springer AG die Unterlassung der Veröffentlichung von ihn abbildenden Fotos wie in der „Bild”-Zeitung vom 11. November 2005 geschehen. Er ist der Auffassung, der Abdruck der Fotos stelle einen rechtswidrigen Eingriff in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar. Gegen die Wortberichterstattung wendet er sich nicht. Die Axel Springer AG beruft sich auf die Pressefreiheit und hält die Veröffentlichung der Fotos wegen des berechtigten Informationsinteresses der Öffentlichkeit für zulässig. Steht Karsten Speck (KS) der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Axel Springer AG (AS) zu? Auf Fragen nach einer möglichen Verjährung des Anspruchs ist nicht einzugehen.

Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Wirtschaftsrecht, insb. Immaterialgüterrecht sowie Medienrecht Jun.-Prof. Dr. Christian Gomille (Lehrstuhlvertreter)

2    

Lösungsvorschlag: KS könnte gegen AS einen Anspruch auf Unterlassung der Verbreitung von Bildnissen haben, die ihn beim Verlassen der Haftanstalt Hakenfelde zeigen. Solch ein Anspruch kann sich ergeben aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG. Er setzt voraus, dass (1.) das Recht von KS am eigenen Bild gem. §§ 22, 23 KUG beeinträchtigt ist, (2.) diese Beeinträchtigung durch ein haftungsbegründend kausales Verhalten der AS als Störerin verursacht wurde, (3.) KS nicht verpflichtet ist, diese Beeinträchtigung zu dulden (§ 1004 Abs. 2 BGB) sowie (4.) weitere Beeinträchtigungen zu besorgen sind. A.

Anwendbarkeit des § 1004 BGB auf das Recht am eigenen Bild? Zu klären ist zunächst die Anwendbarkeit des § 1004 BGB auf Beeinträchtigungen anderer Rechte als des Eigentums, auf das die Vorschrift sich ihrem Wortlaut nach ja nur bezieht. Es ist allerdings anerkannt, dass § 1004 BGB eine systemwidrige Regelungslücke enthält, wenn er von allen deliktisch geschützten Rechten und Rechtsgütern lediglich für die Beeinträchtigung des Eigentums einen vorbeugenden Rechtsschutz gewährt. Der § 1004 BGB zugrunde liegende Gedanke, wonach die Schadensvermeidung gegenüber der Schadensbehebung zu bevorzugen ist, gilt nämlich für alle weiteren Rechte und Rechtsgüter i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB wenigstens in gleicher Weise. Deshalb besteht zwischenzeitlich Einigkeit, dass § 1004 BGB über das Eigentum hinaus analog auf sämtliche deliktisch geschützten Rechte und Rechtsgüter Anwendung findet. Nachdem das Recht am eigenen Bild lediglich ein gesetzlich besonders geregelter Teil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist, handelt es sich auch insoweit um ein sonstiges Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB. Folglich ist § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB auf das Unterlassungsbegehren von KS gegen AS anwendbar.

B.

Beeinträchtigung von KS‘ Recht am eigenen Bild gem. §§ 22, 23 KUG Ob die Veröffentlichung der Fotografien von KS in der Bild-Zeitung vom 11. November 2005 zulässig sind oder sein Recht am eigenen Bild beeinträchtigen, beurteilt sich nach den §§ 22, 23 KUG und dem diesen Vorschriften zugrunde liegenden sog. abgestuften Schutzkonzept. I.

Bildnis Gegenständlich regeln §§ 22, 23 KUG nur die Veröffentlichung von Bildnissen einer Person. Unter einem Bildnis ist die Darstellung einer natürlichen Person (§ 1 BGB) in ihrer wirklichen, dem Leben entsprechenden Erscheinung zu verstehen. Auf die Art der technischen Wiedergabe kommt es dabei nicht an, so dass nicht nur Fotografien, sondern auch Zeichnungen, Portraitgemälde, Karikaturen, etc. unter den Bildnisbegriff fallen. Voraussetzung ist aber, dass die abgebildete Person erkennbar ist. Hier handelt es sich um eine um eine Fotografie, die KS für jedermann identifizierbar beim Verlassen der Haftanstalt Hakenfelde zeigt. Ein Bildnis liegt vor.

II.

Verbreiten/öffentlich zur Schau stellen Das Recht am eigenen Bild schützt den Einzelnen zunächst nur vor dem Verbreiten und dem öffentlichen Zur-Schau-Stellen seines Bildnisses. Das Anfertigen fällt nicht unter diese

Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Wirtschaftsrecht, insb. Immaterialgüterrecht sowie Medienrecht Jun.-Prof. Dr. Christian Gomille (Lehrstuhlvertreter)

3    

Bestimmungen. Hiervor schützt den Abgebildeten aber sein Allgemeines Persönlichkeitsrecht gem. § 823 Abs. 1 BGB. Verbreitung wird definiert als die Weitergabe des Originals oder von körperlichen Vervielfältigungsstücken, die das Risiko einer nicht mehr zu kontrollierenden Kenntnisnahme in sich birgt. Die öffentliche Zurschaustellung ist die Sichtbarmachung eines Bildnisses gegenüber einer nicht begrenzten Öffentlichkeit, was vor allem in Form der unkörperlichen Wiedergabe durch Massenmedien geschieht. Hier wurde das Bild von KS in der Printausgabe der Bild-Zeitung abgedruckt und damit jedenfalls verbreitet. III.

Einwilligungserfordernis, § 22 Satz 1 KUG Gem. § 22 Satz 1 KUG ist das öffentliche Zur-Schau-Stellen grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten zulässig. Eine solche Einwilligung fehlt hier. KS wurde vor dem Abdruck in der Bild-Zeitung nicht einmal informiert.

IV. Ausnahmen gem. § 23 Abs. 1 KUG: Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte? Im Hinblick auf Bedürfnisse der öffentlichen Kommunikation und aus Achtung öffentlicher Informationsinteressen formuliert § 23 Abs. 1 KUG einige Ausnahmen von dem Grundsatz, dass die Verbreitung von Bildnissen der Einwilligung des Abgebildeten bedarf. Stets geht es um Situationen, in denen der Betroffene es wegen eines vorrangigen Öffentlichkeitsbezugs hinnehmen muss, dass Bildnisse von ihm gefertigt und verbreitet werden. Vorliegend könnte die Ausnahme des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zugunsten der AS eingreifen. Dazu muss das Foto von KS ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte sein. 1.

Ausgangspunkt: Definitionshoheit der Medien über Gegenstand und Umfang der Zeitgeschichte Zu den zentralen Gewährleistungen der Mediengrundrechte gehört es, dass die Medienbetreiber selbst über das Format und die inhaltliche Ausrichtung ihres jeweiligen Presse- oder Rundfunkerzeugnisses entscheiden. Deshalb ist der Begriff des zeitgeschichtlichen Ereignisses weit zu verstehen. Er umfasst nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung oder spektakuläre und ungewöhnliche Vorkommnisse, sondern alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse, einschließlich rein unterhaltender Beiträge. Die Presse darf nach publizistischen Kriterien entscheiden, was sie des öffentlichen Interesses für wert hält und was nicht. Ebenfalls entscheidet die Presse selbst über das Ob und ggf. Wie einer Bebilderung des jeweiligen Beitrags. Danach unterfällt die Verbreitung der Fotos von KS an sich schon deshalb unter § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, weil die Redaktion entschieden hat, dass es sich bei seinem Freigang um ein zeitgeschichtliches Ereignis handele, welches mit diesen Fotos zu bebildern sei.

2.

Aber: Berücksichtigung der Interessen des Abgebildeten im Rahmen einer Abwägung/legitimer Informationsanspruch der Öffentlichkeit a)

Grundsätze der Abwägungsentscheidung Allerdings kann diese Entscheidung der Redaktion nicht völlig ohne Berücksichtigung der Interessen des Abgebildeten erfolgen. Das zeigt bereits § 23 Abs. 2 KUG, wonach die Ausnahmen gem. § 23 Abs. 1 KUG unter dem Vorbehalt der entgegenstehenden berechtigten Interessen des Abgebildeten als Unterausnahmen stehen. Neuerdings wird § 23 Abs. 2 KUG aber nicht mehr

Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Wirtschaftsrecht, insb. Immaterialgüterrecht sowie Medienrecht Jun.-Prof. Dr. Christian Gomille (Lehrstuhlvertreter)

4    

selbständig geprüft. Vielmehr werden die Belange des Abgebildeten im Rahmen einer Abwägung bereits bei § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG berücksichtigt. Das Ergebnis dieser Abwägung hängt wesentlich davon ab, ob die Medien im konkreten Fall einen legitimen Informationsanspruch des Publikums erfüllen oder ob sie lediglich die Neugier der Leser nach privaten Angelegenheiten befriedigen. Ein solcher legitimer Informationsanspruch wird dabei dann bedient, wenn

b)



das Bild eine Person des öffentlichen Interesses mit hinreichendem Informationswert oder



eine Person zeigt, die in Zusammenhang mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis Bekanntheit erlangt (hat) und zwischen dem Bild und dem zeitgeschichtlichen Ereignis ein inhaltlicher Zusammenhang besteht.

KS als Person des öffentlichen Interesses? Danach könnte der Informationsanspruch der Öffentlichkeit bereits daraus ergeben, dass KS eine Person des öffentlichen Interesses ist. •

Personen des öffentlichen Interesses sind Menschen, die aufgrund ihrer hervorgehobenen Stellung in Staat und Gesellschaft oder durch außergewöhnliches Verhalten oder besondere Leistungen aus der Masse der Mitmenschen herausragen. Zu ihnen zählen hohe politische Funktionäre, Angehörige regierender Königs- und Fürstenhäuser, bekannte Schauspieler und Fernsehmoderatoren, hohe Repräsentanten der Wirtschaft, berühmte Musiker oder auch bestimmte Spitzensportler.



Sie müssen Bildnisveröffentlichungen in größerem Umfang dulden als gewöhnliche Privatpersonen. Das folgt daraus, dass solchen Persönlichkeiten und ihren Handlungen bereits per se ein gewisser Nachrichtenwert zukommt. Daraus resultiert ein legitimes öffentliches Interesse, sich über diese Personen und ihr Leben zu unterrichten. In gewisser Weise kann man also sagen, dass die Person des öffentlichen Interesses selbst das zeitgeschichtliche Ereignis ist. Nach diesen Grundsätzen ist KS auf Grund seiner langjährigen Tätigkeit als Schauspieler und Moderator als Person des öffentlichen Interesses anzusehen.

c)

Informationswert des Bildnisses Doch ist nicht schlechthin jede Bildberichterstattung über eine Person des öffentlichen Interesses als Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte zulässig. Vielmehr muss das Bildnis darüber hinaus einen eigenen Informationswert haben. Dieser kann sich ergeben entweder unmittelbar aus dem Bildnis selbst oder aus der Kombination des Bildnisses mit dem Text. aa) Unmittelbar eigener Informationswert des Bildnisses Die Aufnahmen, die KS mit einer Reisetasche auf offener Straße gehend und beim Einsteigen in einen Pkw zeigen, können für sich keinen besonderen Informationswert beanspruchen. bb) Informationswert der Text-/Bild-Kombination Doch ist der Informationsgehalt eines Bildnisses in Zusammenschau mit der sie begleitenden Wortberichterstattung zu bewerten. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der nebenstehende Text sich mit den Haftbedingungen

5    

Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Wirtschaftsrecht, insb. Immaterialgüterrecht sowie Medienrecht Jun.-Prof. Dr. Christian Gomille (Lehrstuhlvertreter)

von KS und der auseinandersetzt.

vermeintlich

frühen

Gewährung

von

Freigang



Der Strafvollzug gehört wie das Strafverfahren zum Zeitgeschehen in dem oben dargelegten Sinn.



Der Bericht über den Freigang eines Gefängnisinsassen ist auch kein alltägliches Ereignis, dass nur deshalb die Neugierde der Öffentlich hervorruft, weil es gerade KS ist, der den Freigang enthält. Vielmehr bildet der Freigang jedenfalls zu diesem frühen Zeitpunkt in der Praxis tatsächlich die Ausnahme. An dem Umstand, dass gerade ein prominenter Schauspieler in den Genuss dieser Ausnahme kommt, ist ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegeben.



Die Abläufe im Strafvollzug sind zudem der öffentlichen Verwaltung zugeordnet, also einem Bereich, in dem die Presse ihre wichtige Funktion als „öffentlicher Wachhund” wahrnimmt. Wird einem Prominenten, der zu einer erheblichen Freiheitsstrafe verurteilt ist, schon alsbald nach Haftantritt die Unterbringung im offenen Vollzug genehmigt und Ausgang gewährt, ist dieser Vorgang wegen des faktischen Ausnahmecharakters des offenen Vollzugs geeignet, ein besonderes Interesse und womöglich sogar Misstrauen zu erwecken. Im Hinblick auf eine etwaige Sonderbehandlung Prominenter im Strafvollzug stellt sich der Vorgang deshalb auch unter dem Aspekt der „Wachhundfunktion” der Presse als berichtenswertes Ereignis dar. An dieser Beurteilung ändert nichts, dass die Abläufe gesetzmäßig waren und in der Presse auch so dargestellt wurden.



An der bildlichen Darstellung gerade von KS bestand ein durch ein echtes Informationsbedürfnis hervorgerufenes Interesse der Allgemeinheit. Die Berichterstattung befasst sich nämlich konkret mit der Person des KS im Strafvollzug und mit der Frage, ob er als Prominenter eine Sonderbehandlung erfahre.

cc) Verhältnismäßigkeit der Bildberichterstattung Auch bei einem gegebenen Informationswert kann die Veröffentlichung gleichwohl wegen einer unzulässigen Vorführung des Betroffenen unverhältnismäßig sein. Im Falle einer solchen, allzu reißerischen Berichterstattung steht dann doch wieder die Befriedigung von Voyeurismus und sonstiger niederer Instinkte im Vordergrund. (1) Gegen die Verhältnismäßigkeit der Bildberichterstattung spricht Zwar stellt die identifizierende Bildberichterstattung über eine Verurteilung und den Strafvollzug ebenso wie über eine Straftat oder ein Strafverfahren einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des Betroffenen dar, da auch hierdurch sein Fehlverhalten öffentlich bekannt gemacht und seine Person in den Augen des Publikums negativ qualifiziert wird. (2) Für die Verhältnismäßigkeit der Berichterstattung spricht •

Die mit den Aufnahmen visualisierte Wortberichterstattung setzt sich sachlich mit der Gesetzmäßigkeit der Genehmigung von Ausgang und offenem Vollzug auseinander und enthält weder Informationen über die bereits abgeurteilte Straftat noch gewährt sie Einblicke in Einzelheiten des Privatlebens von KS. Sie ist keine bloße Unterhaltung der

6    

Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Wirtschaftsrecht, insb. Immaterialgüterrecht sowie Medienrecht Jun.-Prof. Dr. Christian Gomille (Lehrstuhlvertreter)

Leserschaft zur Befriedigung von Neugier, sondern kann zur öffentlichen Diskussion über den offenen Strafvollzug beitragen. •

Angesichts der Schwere der Tat und der Person des KS war die Genehmigung des offenen Vollzugs ausreichender Anlass für eine Berichterstattung über Verurteilung und Haftantritt. Die Presse durfte hier ihre Funktion als „Wachhund” wahrnehmen und die Öffentlichkeit über das Geschehen und dessen Vorgeschichte angemessen informieren. Dieses tagesaktuelle Informationsinteresse ging über den von der abgeurteilten Straftat vormals geschaffenen Berichterstattungsanlass hinaus.



Die Berichterstattung unter namentlicher Nennung des KS war durch den Zweck der Berichterstattung unabweisbar geboten und überschreitet die Grenze der Verhältnismäßigkeit nicht. Durch eine anonymisierte Berichterstattung hätte die Presse das konkrete Informationsinteresse an der Frage, ob KS als Prominenter im Strafvollzug bevorzugt werde, nicht befriedigen und insoweit ihre meinungsbildenden Aufgaben nicht erfüllen können.



Die Veröffentlichung der Fotos bewirkte keinen weitergehenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht von KS als die Wortberichterstattung, denn KS ist als Prominenter – anders als Strafgefangene sonst – weithin im Bild bekannt. Danach liegt bereits keine Beeinträchtigung des KS in seinem Recht am eigenen Bild vor. KS hat gegen AS keinen Anspruch auf Unterlassung der Verbreitung seiner Bildnisse wie geschehen in der Ausgabe der Bild-Zeitung vom 11. November 2005.