FAIRTRADE in der BIO-KNOSPE

Fachhochschule Nordwestschweiz Hochschule für Wirtschaft - Weiterbildung Basel FAIRTRADE in der BIO-KNOSPE Strategische Optionen zur Erfüllung einer ...
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Fachhochschule Nordwestschweiz Hochschule für Wirtschaft - Weiterbildung Basel

FAIRTRADE in der BIO-KNOSPE Strategische Optionen zur Erfüllung einer Konsumentinnen- und Produzenten-Erwartung

Vorgelegt bei: Roland Fritsche (lic.rer.pol – Eidg. dipl. Marketingleiter)

Vorgelegt am 09. Dezember 2008 von: Staub Markus 4106 Therwil Staub02(ät)bluewin.ch

Ehrenwörtliche Erklärung Ich versichere, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne Benutzung anderer als der im Literaturverzeichnis angegebenen Quellen und Hilfsmittel angefertigt habe. Die wörtlich oder inhaltlich den im Literaturverzeichnis verzeichneten Quellen und Hilfsmittel entnommenen Stellen sind in der Arbeit als Zitate kenntlich gemacht.

Ort, Datum:

Unterschrift

________________

________________

I

Vorwort

Ich danke Monika Sina Rita Thomas und Adrian für das Verständnis und ihre bewundernswerte Geduld insbesondere in der Schlussphase dieser Arbeit

Danke auch an Markus Arbenz für die engagierte Betreuung

II

Management Summary Die Schweizer Landwirtschaft leidet unter dem Image einer teuren Produktion, aber Realität ist, dass der Bauer von einem Konsumentenfranken für Nahrungsmittel heute nur noch 26.3 Rappen erhält. Der Arbeitsverdienst pro Betrieb ist tiefer als die Summe aller erhaltenen Direktzahlungen. Daher ertönt die Forderung nach Fairen Preisen nicht nur von Seite der Bio-Bauern. Bio Suisse als Eigentümerin der Bio Knospe vertritt aktiv die Interessen der Schweizer Bio-Produzenten. Die Delegierten von Bio Suisse haben beschlossen, für den Bereich des Fairen Handels Anforderungen zu definieren. Die Knospe Lizenznehmer verpflichten sich in den Lizenzbedingungen, sich für eine faire und gerechte Preisgestaltung der Knospeprodukte einzusetzen. Es gibt jedoch keine eindeutige wirtschaftswissenschaftliche Definition für einen fairen, d.h. gerechten Wert. Die vorliegende Arbeit macht zuhanden des Vorstands von Bio Suisse Vorschläge, wie die Anforderungen des Fairen Handels unter der Maxime „Fair für Alle“ im Schweizer Kontext entwickelt werden sollen. Der Schweizer Markt für Bioprodukte ist faktisch geprägt durch ein weitgehendes Angebotsmonopol von Bio Suisse und ein Abnahme-Duopol (75% Umsatz) der Grossverteiler Coop und Migros. Die Einschätzungen befragter Produzenten, Handelspartner sowie Interessenvertreter werden analysiert und in Bezug gesetzt zu den zentralen Instrumenten von Fairtrade (FLO), langfristige Handelsbeziehungen, Marktentwicklung, Mindestpreis, Sozialprämie, Selbstorganisation und Empowerment. Elf regionale Fair Handels Projekte werden dokumentiert und Parallelen und Unterschiede herausgearbeitet. Es besteht ein allgemeiner Konsens, dass der Endverkaufspreis von Knospe-Produkten möglichst nicht mehr steigen soll. Unter dieser Prämisse impliziert „Fair für Alle“, eine Umverteilung der Margen zugunsten der Produzenten und erfordert eine Umsetzung mit möglichst geringen Transaktionskosten. Es besteht Einigkeit, dass langfristige Handelsbeziehungen und gemeinsame Visionen am wichtigsten sind. Aber, die Grossverteiler versprechen sich beide von Anforderungen zum Fairen Handel keinen Nutzen. Auf dieser Ausgangslage kommt die SWOT-Analyse zu folgendem Resultat: Die grössten Stärken von Bio Suisse sind •

Klares Leitbild für Knospe als Nachhaltigkeitslabel

III



Die Werte des Fairen Handels sind in den Richtlinien und Lizenzverträgen bereits heute grundsätzlich vereinbart



Eingespielte Marktkoordination mit Handelspartnern



Positives Image

Die Schwächen von Bio Suisse sind •

Keine homogene Mitgliedschaft, unterschiedliche Realitäten und Interessen der Produzenten



Hohe Erwartung der Produzenten bezüglich höheren, „gerechten“ Preisen



Sozialen Anforderungen noch schwach verankert



Hohe Kriteriendichte stört; Austritte, da Knospe zuwenig Mehrwert

Die grössten Chancen im Marktumfeld sind •

Die Zeit für nachhaltigen Handel ist reif (Klimabewusstsein, Preisschere), aber das Thema noch nicht breit lanciert



Überblickbare Zahl grösserer Lizenznehmern ( >1 Mio. Umsatz)



Langfristige Handelsbeziehungen und gemeinsame Visionen sind allen wichtig

Die grössten Bedrohungen im Marktumfeld sind •

Grossverteiler sehen keinen Nutzen in Richtlinien zum Fairen Handel



Duopol auf Abnehmerseite, das auch die wichtigsten Konkurrenz-Labels kontrolliert und kein nennenswerter Alternativmarkt für Knospe Produkte



Ablehnung zusätzlicher kostentreibender Elemente



Wahlfreiheit der Konsumentinnen



Verordnete Verwendung des EG-Ökosiegels auf allen Bioprodukten aus EU

Die wichtigsten zu lösenden Schlüsselprobleme, die sich daraus ergeben, sind: •

Was ist der Anspruch der Produzenten: Ein Mindestpreis oder ein fairer Anteil am Endverkaufspreis?



Inhaltliche Abklärung: Gibt es spezifische Muster der Benachteiligung, welche die Förderung der am meisten Benachteiligten nahelegt oder kann am generellen Prinzip „Fair für Alle“ festegehalten werden?



Die Grenzen der selbstbestimmten Richtlinien sind erreicht. Kriterien für den Fairen Handel müssen in einem partnerschaftlichen Prozess erarbeitet werden IV



Die Kundennachfrage ist als entscheidender Erfolgsfaktor erkannt. Wie können die Konsumentinnen besser eingebunden werden?



Die sozialen Anforderungen müssen unabhängig kontrolliert und inhaltlich weiterentwickelt werden. Sie sollten nicht wesentlich tiefer sein als bei Fairtrade.

Daraus leiten sich die folgenden strategischen Konsequenzen und Empfehlungen ab 1. Verbandsintern a) Verankerung des neuen Leitbilds und Stärken des Wir-Gefühls b) Abklären, welche Akteure wie benachteiligt werden (Produzenten und Kette) c) Erfassen der Bedürfnissen von Produzenten und Konsumentinnen d) Definieren der Ziele und Kommunikationsinhalte e) Preistransparenz erhöhen über den Lizenzgebührenmechanismus f) Weiterentwickeln der sozialen Anforderungen 2. Handel a) Von Fair zu Fairer, wissenschaftlich moderiert gemeinsam mit den Handelspartnern Standards für Faires Verhalten entwickeln b) Kurse, Unterlagen und Coaching zu Fairem Verhalten entwickeln 3. Konsumentinnen a) Konsumentenorganisationen werden Mitglied bei Bio Suisse und sind in den wichtigsten Gremien vertreten b) Regionale Konsumentinnen-Produzenten Informationsgruppen bilden sich c) Einrichten eines Produzentenfinders 4. Preismechanismus: Prämie statt Mindestpreis 5. Kurzfristig Erfahrungen sammeln aus angelaufenen Pilotprojekten: a) Unterstützung, Vernetzung und Auswertung durch Bio Suisse b) Integration in einer Definition von freiwilligen Standards 6. Mittelfristig Pilotprojekte um die Akzeptanz abzuklären von Aufpreisen für Projekte der Produzentenverbände: a) Bio-Regio Milch mit 5 Rappen Aufpreis pro Liter Milch b) Angebot von einzelnen Produkten mit Prämie (Ziel: Pro Montagna wird 100% Knospe)

V

VI

Inhaltsverzeichnis

Vorwort ...................................................................................................................... II Management Summary ........................................................................................... III Inhaltsverzeichnis .................................................................................................... 1 Verzeichnis der Abbildungen .................................................................................. 4 Verzeichnis der Tabellen.......................................................................................... 5 Verzeichnis der Abkürzungen ................................................................................. 6 1

Einleitung ........................................................................................................... 7

2

Ausgangslage .................................................................................................... 8

2.1 Ziel der Einführung von Richtlinien zum Fairen Handel...................................... 8 2.1.1

Erwartungen und Ziele .......................................................................... 8

2.1.2

Labelstrategische Überlegungen........................................................... 8

2.1.3

Zusammenhang mit den sozialen Anforderungen................................. 9

2.1.4

Kommunikation ..................................................................................... 9

2.1.5

Kontext: Schere Konsumentenpreis – Produktionspreis ..................... 10

2.1.6

Kontext: Abhängigkeit von Direktzahlungen........................................ 10

2.2 Fairtrade und Bio-Knospe: Parallelen und Unterschiede.................................. 12 2.2.1

Die Label-Organisationen ................................................................... 12

2.2.2

Die Richtlinien ..................................................................................... 13

2.2.3

Lizenzvereinbarung Bio Suisse ........................................................... 14

2.2.4

Der Faire Preis .................................................................................... 15

2.2.5

Bio Suisse mit Fairtrade-Augen gesehen ............................................ 16

2.3 Der Bio-Markt Schweiz ..................................................................................... 18

3

2.3.1

Marktdaten .......................................................................................... 18

2.3.2

Konkurrenten....................................................................................... 19

2.3.3

Zwischenhändler ................................................................................. 21

2.3.4

Externe Beeinflusser ........................................................................... 23

2.3.5

Rahmenbedingungen .......................................................................... 23

Analyse............................................................................................................. 26

3.1 Workshop Präsidentinnenkonferenz 11. Juni 2008 .......................................... 26 1

3.1.1

Mitgliedorganisationen mit gleichen Interessen................................... 26

3.1.2

Prioritäre Aspekte des Fairen Handels................................................ 27

3.1.3

Dringlichkeit für verschiedene Teilmärkte ........................................... 27

3.2 Umfrage bei wichtigen Akteuren Juli/August 2008 ........................................... 29 3.2.1

Welche Aspekte des Fairen Handels sollen geregelt werden? ........... 29

3.2.2

Welcher konkrete Nutzen wird erwartet? ............................................ 31

3.2.3

Welches sind die grössten Herausforderungen?................................. 32

3.2.4

Profilierungsmöglichkeiten mit Fairen Handel ..................................... 33

3.2.5

Akzeptanz bei Konsumentinnen.......................................................... 33

3.3 Expertenworkshop 21. August 2008................................................................. 34

4

3.3.1

„Fair für Alle“ oder „Fair für Produzenten“ ........................................... 35

3.3.2

Beurteilung von Instrumenten des Fairen Handels ............................. 35

3.3.3

Mindeststandard oder Code of Conduct.............................................. 36

3.3.4

Rating oder Punktesystem .................................................................. 38

3.3.5

Preistransparenz ................................................................................. 39

3.3.6

Empowerment ..................................................................................... 40

Praxisbeispiele ................................................................................................ 42

4.1 Zusammenfassung und Anregungen................................................................ 42

5

4.1.1

Auf Informationsvermittlung ausgerichtete Praxisbeispiel ................... 42

4.1.2

Von Fairtrade und regionaler Selbsthilfe geprägte Praxisbeispiele ..... 44

4.1.3

Projekte, die ein breiteres Echo ausgelöst haben ............................... 45

4.1.4

Der Faire Preis in der Praxis ............................................................... 46

Schlussfolgerungen ........................................................................................ 48

5.1 Voraussetzungen für „Fair für Alle“................................................................... 49 5.1.1

„Fair für Alle“ erfordert Umverteilung von Margen ............................... 49

5.1.2

„Fair für Alle“ erfordert neue Botschaften ............................................ 49

5.1.3

„Fair für Alle“ erfordert partnerschaftliche Richtlinienentwicklung........ 50

5.2 Grösste Stärken und Schwächen ..................................................................... 51 5.3 Grösste Chancen und Bedrohungen ................................................................ 52 5.4 Zu lösende Schlüsselprobleme......................................................................... 52 5.5 Strategische Konsequenzen und Empfehlungen.............................................. 52 5.5.1

Verbandsintern.................................................................................... 53

5.5.2

Handel................................................................................................. 57 2

5.5.3

Konsumentinnen ................................................................................. 58

5.5.4

Preismechanismus: Prämie statt Mindestpreis.................................... 60

5.5.5

Erfahrungen sammeln......................................................................... 61

5.5.6

Pilotprojekte ........................................................................................ 62

6

Literaturverzeichnis ........................................................................................ 63

7

Anhänge ........................................................................................................... 66

7.1 Leitbild Bio Suisse ............................................................................................ 67 7.2 Landwirtschaftliche Einkommenssituation 2007 ............................................... 69 7.3 Auszüge aus den Bio Suisse Lizenzbedingungen ............................................ 70 7.4 Befragung von Schlüsselakteuren (Fragebogen) ............................................. 71 7.4.1

Welche Aspekte sollen geregelt werden (Auswertung) ....................... 72

7.4.2

Welcher konkrete Nutzen wird erwartet (Auswertung) ........................ 74

7.4.3

Welches sind die grössten Herausforderungen (Auswertung) ........... 75

7.4.4

Welches sind die Profilierungsmöglichkeiten (Auswertung) ................ 76

7.4.5

Akzeptanz bei Konsumentinnen (Auswertung).................................... 77

7.5 Befragung von Schlüsselakteuren (vollständige Antworten)............................. 78 7.6 Anregungen aus Praxisprojekten...................................................................... 89 7.7 Auf Informationsvermittlung ausgerichtete Praxisbeispiele .............................. 91 7.7.1

Nature & more, Holland....................................................................... 91

7.7.2

Bio mit Gesicht, Brandenburg, Deutschland ....................................... 92

7.7.3

Repect inside, Schweiz ....................................................................... 93

7.8 Von Fairtrade (IFAT) geprägte Praxisbeispiele................................................. 94 7.8.1

Domestic Fair Trade Association, USA .............................................. 94

7.8.2

The Agricultural Justice Project (AJP), USA........................................ 95

7.8.3

Naturland Faire Partnerschaften, Deutschland ................................... 97

7.9 Von regionaler Selbsthilfe geprägte Praxisbeispiele......................................... 98 7.9.1

Fair & regional – Bio Berlin-Brandenburg, Deutschland...................... 98

7.9.2

Produzenten-Konsumenten Plattform Tagwerk, Deutschland............. 99

7.9.3

ErzeugerfairMilch der Upländer Molkerei, Deutschland .....................100

7.9.4

„Bestes Bio – Fair für alle“ Deutschland.............................................102

7.9.5

Genève Région – Terre Avenir, Schweiz ...........................................103

7.10 IFOAM-Verhaltenskodex für den ökologischen Handel ...................................107

3

Verzeichnis der Abbildungen Abbildung 1 Produzenten- und Konsumentenpreisindizes 1994 - 2006 ................... 10  Abbildung 2: Das Marktsystem ................................................................................. 18 

4

Verzeichnis der Tabellen Tabelle 1: Streuung des Landwirtschaftlichen Arbeitsverdienstes 2007 ................... 11  Tabelle 2: Bio Suisse und Max Havelaar in Stichworten .......................................... 13  Tabelle 3: Anteil Knospe-Produkte am Gesamtmarkt pro Kanal............................... 19  Tabelle 4: 3 Hauptgruppen strategischer Konkurrenzgruppen ................................. 20  Tabelle 5: Gesamtmarkt Bio nach Absatzkanälen .................................................... 21  Tabelle 6: Akzeptanz erhöhter Margentransparenz.................................................. 22  Tabelle 7: Cluster der Bio Suisse Mitgliedorganisationen......................................... 26  Tabelle 8: Preisdruck in verschiedenen Teilmärkten ................................................ 28  Tabelle 9: Präferenzen für verschiedene Instrumente des Fairen Handels .............. 30  Tabelle 10: Stärken und Schwächen von Mindeststandard und Code of Conduct ... 37  Tabelle 11: Stärken und Schwächen von Rating und Punktesystem........................ 38  Tabelle 12: Stärken und Schwächen von Preistransparenz ..................................... 40  Tabelle 13: Gemeinsame Elemente aller Praxisbeispiele......................................... 44  Tabelle 14: Grösste Stärken und Schwächen........................................................... 51  Tabelle 15: Grösste Chancen und Bedrohungen...................................................... 52  Tabelle 16: Zu lösende Schlüsselprobleme .............................................................. 52  Tabelle 17: Strategische Konsequenzen und Empfehlungen ................................... 53  Tabelle 18: Präferenzen für verschiedene Instrumente des Fairen Handels ............ 73  Tabelle 19: Chancen und Gefahren des Fairen Handels.......................................... 74  Tabelle 20: Herausforderungen bei der Einführung von Fairem Handel................... 75  Tabelle 21: Profilierungsmöglichkeiten mit Fairem Handel ....................................... 76  Tabelle 22: Akzeptanz bei Konsumentinnen............................................................. 77  Tabelle 23: Anregungen aus Praxisprojekten für die Bio-Knospe............................. 90  Tabelle 24: Die Kriterien der „Nature and more“ Qualitätsbeurteilung ...................... 92  Tabelle 25: Die Prinzipien der Domestic Fair Trade Association .............................. 95  Tabelle 26: Elemente aus dem Standard des Agricultural Justice Projects.............. 96  Tabelle 27: Die sechs Naturland Fairhandels Kriterien............................................. 97  Tabelle 28: Auszug aus den Handlungszielen von fair & regional ............................ 98  Tabelle 29: Zentrale Grundsätze und Kriterien von Bestes Bio – Fair für alle .........103  Tabelle 30: Auszug aus dem Labelreglement Genève Région – Terre Avenir ........105 5

Verzeichnis der Abkürzungen ART

Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon

AP

Agrar Politik

b2b

business to business

BLW

Bundesamt für Landwirtschaft

CoC

Code of Conduct

DFTA

Domestic Fair Trade Association

FLO

Fairtrade Labelling Organization International e.V.

FTF

Fair Trade Federation

FWF

Fair Wear Foundation

GAP

Good Agricultural Practice

IFAT

International Fair Trade Association

IFOAM

International Federation of Organic Agriculture Movements

ILO

International Labor Organisation

GR-TA

Genève Région – Terre Avenir

LOHAS

Lifestyle of Health and Sustainability

NGO

Non Governmental Organisation

MHCH

Max Havelaar Stiftung (Schweiz)

POS

Point of Sales

SKS

Stiftung für Konsumentenschutz

SWOT

Strenght, Weakness, Opportunities, Threats (Stärke, Schwäche, Chancen, Gefahren)

6

1 Einleitung Problemstellung Die Vereinigung Schweizer Biolandbau-Organisationen (Bio Suisse) ist die Inhaberin der Schutzmarke „Knospe“. An ihrer Delegiertenversammlung vom 19. April 2006 in Olten haben die 33 Mitgliederorganisationen der Einführung von Sozialen Anforderungen für Angestellte in den Richtlinien für die Erzeugung, Verarbeitung und den Handel von Knospe-Produkten zugestimmt. Gleichzeitig wurde beschlossen, im Anschluss an deren Einführung für den Bereich des Fairen Handels Anforderungen zu definieren. Die Sozialen Anforderungen traten für die Schweizer Produzenten per 2007 in Kraft. Mit der vorliegenden Arbeit sollen die Grundlagen geschaffen werden für den Entscheid, in welcher Form und Tiefe die Anforderungen des Kapitels 9 der Knospe-Richtlinien, Fairer Handel, entwickelt und umgesetzt werden sollen.

Ziel der Arbeit Die explorative Diplomarbeit dient als Grundlagenpapier für Geschäftsleitung und Vorstand von Bio Suisse in der Frage der Definition der Fairen Handels Kriterien. Sie •

zeigt, welche Ansätze über alle Produktebereiche angewendet werden können



schätzt die Auswirkungen der Ansätze auf zentrale Produktbereiche ein



zeigt, welche Fragen gelöst und welche Entscheide gefällt werden müssen



schlägt keine konkrete Standardformulierung vor

Methodik Da die Fragestellung theoretisch noch kaum bearbeitet ist, wurde die vorliegende Arbeit wesentlich basierend auf Workshops und Befragungen entwickelt. Die Erwartungen von Bio Suisse und seiner Partner an Richtlinien zum Fairen Handel wurde im Juni / Juli 2008 mittels einer Umfrage bei 15 Stakeholdern erhoben. An der Präsidentenkonferenz vom 11. Juni 2008 wurde in einem kurzen Workshop mit 5 Repräsentanten von Bio Suisse Mitgliedorganisationen erarbeitet, in welchen Bereichen erhöhter Bedarf für Fairen Handel besteht. An einem Eintagesworkshop am 21. August mit Experten aus Bio und Fairtrade wurden verschiedene theoretische Beurteilungsmodelle

diskutiert

und

bewertet.

Parallel

dazu

erfolgte

eine

Internetrecherche zu bestehenden Projekten. 7

2 Ausgangslage 2.1

Ziel der Einführung von Richtlinien zum Fairen Handel

Die vorliegende Arbeit untersucht, wie die Anforderungen an einen Fairen Handel mit Knospe-Produkten im gesamten Markt in der Schweiz eingeführt werden können. Die Einführung von Fairen Handelskriterien für importierte Knospe-Produkte wird nicht thematisiert. 2.1.1 Erwartungen und Ziele Bei der Suche nach gangbaren Wegen zur Umsetzung des Kapitel 9 der Knospe Richtlinien (Fairer Handel) ist zu berücksichtigen, dass ein erheblicher „egoistischer“ Druck von Seiten der rund 5600 in der Bio Suisse organisierten Produzenten besteht, dank spezifischer Handelsanforderungen bessere Preise zu erzielen. Für die Direktvermarkter scheint ein Fairer Preis direkt wenig Bedeutung zu haben, da sie die volle Handelsspanne erzielen und ihren Preis gegenüber den Konsumentinnen direkt begründen können. Es besteht eine starke Konsumentenerwartung, dass Bio-Knospenprodukte bereits heute unter korrekten sozialen Bedingungen produziert werden und dem Produzenten sowie seinen Angestellten eine lebenswerte Existenz ermöglichen, d.h. vom Handel „fair“ entschädigt werden. 2.1.2 Labelstrategische Überlegungen Die Anforderungen für Fairen Handel sind Teil einer übergeordneten Strategie zur Abdeckung aller Nachhaltigkeitsaspekte durch das Knospe-Label. Dies kommt in den neu entwickelten, noch nicht verabschiedeten Leitbild von Bio Suisse zum Ausdruck (Anhang A, S.67): Neben den traditionellen Leistungen für Natur, Ökologie und Tierwohl kommen andere Aspekte neu dazu oder erhalten mehr Gewicht: •

Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit bis zum Acker



Übernahme sozialer Verantwortung für Mitarbeitende



Einsatz für faire Erzeugerpreise für alle



Sorgsamer Umgang mit Energie und Wasser

Die Knospe wird zunehmend als Marke geführt und in Richtung Emotionalität und Werte weiterentwickelt. Für eine starke Marke braucht es zusätzlichen Inhalt. Die 8

Konsumentinnen müssen wissen: Knospe ist gleich Bio, aber Bio ist nicht gleich Knospe. Denn die Bio-Knospe interpretiert die Biologische Produktion – wie ihre Schwesterorganisationen im deutschsprachigen Raum und in Dänemark – in einem ganzheitlichen, gesamtbetrieblichen Sinn. 1 Die Positionierung baut auf der hohen Glaubwürdigkeit und den bisherigen Stärken auf: Prozessqualität, Gesundheit und Natürlichkeit. Zur zukünftigen Profilierung der Knospe sollen Geschmack, Genuss und Authentizität wesentlich beitragen: „Die Knospe bringt den Geschmack zurück.“ 2.1.3 Zusammenhang mit den sozialen Anforderungen Der Anspruch auf einen Fairen Handel (Preis) ist verknüpft mit fairen (sozialen) Arbeitsbedingungen für die Mitarbeitenden. Die mit der Bio Knospe ausgezeichneten Produkte stammen aus verschiedensten Regionen der Welt. Die sozialen Kriterien wurden 2007 in einem ersten Schritt nur für die schweizerischen Produzenten eingeführt. Die Einführung erfolgt zunächst ohne Sanktionen auf der Ebene einer Selbstdeklaration. Für die Umsetzung bei ausländischen Bio-Knospe Produzenten prüft die Markenkommission Import gegenwärtig mögliche Szenarien, z.B. die FLOZertifizierung als Voraussetzung für die Zertifizierung mit der Bio-Knospe für alle Produkte aus Entwicklungsländern. Wie die Umsetzung für Knospe-Produzenten in anderen Industrieländern erfolgen soll, ist noch nicht klar. Sie kann vermutlich aus dem Ansatz für die Schweiz abgeleitet werden. 2.1.4 Kommunikation Konsumentinnen assoziieren die Knospe-Produkte mit gesund, chemiefrei, gutem Tierschutz, zuverlässigen Kontrollen. Beim Image in Bezug auf den Geschmack / Genuss kommt die Knospe noch zu schlecht weg. An einer Aufwertung wird zurzeit gearbeitet. Die neue Markenarchitektur der Knospe würde theoretisch eine Auslobung von Fairem Handel möglich machen. Dies steht aber aus grundsätzlichen Überlegungen (zu viele parallele Botschaften) nicht im Vordergrund. Neben Fairem Handel sollen

1

Dies im Gegensatz zu den wichtigsten gesetzlichen Bio-Verordnungen in Europa oder den USA, die

von einem Produktedenken geprägt sind und daher teilbetriebliche Bioproduktion (Parzellen-Bio) anerkennen.

9

auch andere (aktuelle) Themen wie Klimaschutz oder Nicht-Kastration von Ferkeln integraler Bestandteil der Knospe werden. 2.1.5 Kontext: Schere Konsumentenpreis – Produktionspreis Aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen ertönt die Forderung nach Fairen Preisen nicht nur von Seite der Bio-Bauern. Nicht grundlos haben die Bauern und Bäuerinnen das Gefühl, immer weniger für ihr Produkt zu erhalten, während die Handelsmargen zunehmen: Gemäss dem Bundesamt für Statistik hat sich die Schere zwischen dem Rückgang der Produktionspreise (ca. -20%) und dem Anstieg der Konsumentenpreise für Nahrungsmittel (ca. +10%) seit 1994 kontinuierlich geöffnet. Die Landwirtschaft leidet unter dem Image einer teuren Produktion, obwohl gemäss der Statistischen Abteilung des Bauernverbandes der Bauer von einem Konsumentenfranken für Nahrungsmittel heute gerade noch 26.3 Rappen erhält.

Abbildung 1 Produzenten- und Konsumentenpreisindizes 1994 - 2006

2.1.6 Kontext: Abhängigkeit von Direktzahlungen Unbefriedigend ist die Tatsache, dass der Arbeitsverdienst der Landwirte heute wesentlich von Direktzahlungen abhängt und nicht vom Preis, der mit den erzeugten Lebensmitteln

erzielt

wird.

Gemäss

Ralph

Bucher,

Geschäftsführer

des

Bauernverbandes Aargau (BVA), tragen die Direktzahlungen „mittlerweile rund 50 10

Prozent“ zum bäuerlichen Einkommen bei. 2 Diese im Hinblick auf moderne Talbetriebe gemachte Aussage könnte auf Grund der jährlichen Auswertungen der Buchhaltungsergebnisse

von

rund

3328

Referenzbetrieben

durch

die

Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART (Anhang B, S.69) noch zugespitzt werden: Der Arbeitsverdienst pro Betrieb (Landwirtschaftliches Einkommen minus Zinsanspruch auf das im Betrieb investierte Eigenkapital) ist im Durchschnitt aller Betriebe tiefer als die Summe aller erhaltenen Direktzahlungen. Diese Ergebnisse bilden gemäss ART die wirtschaftliche Situation von rund 49‘200 (von total 61‘764) Landwirtschaftsbetrieben ab. Die Talbetriebe stehen wirtschaftlich klar besser da als Betriebe der Hügel- und Bergregion, die Streuung innerhalb der Regionen ist jedoch erheblich. 3

Tabelle 1: Streuung des Landwirtschaftlichen Arbeitsverdienstes 2007

Mit dem Verordnungspaket AP 2011 kommt es bei der Direktzahlungs-Berechtigung ab 2009 einmal mehr zu einer Verschiebung zu Gunsten grösserer Betriebe und einer relativen Schlechterstellung der Wettbewerbskraft des kleinen und mittleren Familienbetriebs.

2

Aargauer Zeitung, Regionalausgabe Aarau, 3. Juli 2007

3

Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon (2007)

11

2.2

Fairtrade und Bio-Knospe: Parallelen und Unterschiede

2.2.1 Die Label-Organisationen Bio Suisse und Max Havelaar sind starke Organisationen, deren Label einen sehr hohen Bekanntheitsgrad und hohe Glaubwürdigkeit haben. Der Lebenszyklus der Labels befindet sich nach der Einführung und einer starken Wachstumsphase in der Reifephase. Die Erschliessung der Distribution im Lebensmitteleinzelhandel ist weitgehend abgeschlossen. Wachstum kann vor allem dann erzielt werden, wenn die Kaufintensität der Gelegenheitskäufer erhöht werden kann. Knospe und Max Havelaar wollen ihre Positionierung stärken, indem sie alle Aspekte der Nachhaltigkeit umfassend integrieren. Wie Max Havelaar betreibt Bio-Suisse keinen Handel und keine Verarbeitung von Label-Produkten. Aber im Gegensatz zu Max Havelaar ist Bio Suisse in der Marktgestaltung und -koordination aktiv, z.B. durch Organisation des Pooling bei Milch oder der Deklassierung von Produkten. Bio Suisse fördert die gemeinsamen Aktivitäten der Marktpartner zum Marktaufbau und zur Marktentwicklung. Dabei stehen auf den verschiedenen Stufen – je nach Produktmarktbereich sehr unterschiedliche – Instrumente im Vordergrund: •

Angebotsstufe: Angebotsbündelung und Mengentransparenz



Handelsstufe: Transparenz über die Nachfrage und die Absatzentwicklung



Detailhandel: Absatzprognosen und Marktentwicklung

Label Organisation Gründung Träger Ziele Das Label steht für

Bio - Knospe

Max Havelaar

Dachverband bäuerlicher BioSelbsthilfeorganisationen

Nationale Stiftung, Mitglied der weltweiten Dachorganisation FLO

1981 25 kantonale und 10 andere meist bäuerliche Mitgliedsorganisationen Biologische Produktion definieren, verbandsrechtlich schützen und fördern • Gesamtbetriebliche Bioproduktion, Ökoausgleich

1992 6 grosse Schweizer Hilfswerke Fair gehandelte Produkte aus der Nische in die Grossverteiler bringen • Empowerment • Würdige Arbeitsbedingungen

12

• •

Produkte Umsatz 2007 Umsatz Liz.Produkte Bio und Sozial

• • • • •

Artgerechte Nutztierhaltung Verzicht auf Gentechnik, chemischsynthetische Spritzmittel und Kunstdünger und unnötige Zusatzstoffe • Schonende Verarbeitung • Unabhängige Kontrollen Frischprodukte aus Übersee ausnahmsweise zugelassen 7.2 Mio. CHF

Garantierte Mindestpreise Langfristige Handelsbeziehungen Unabhängige Kontrollen Fairtrade-Prämienprojekte Umweltschonende Produktion

Ausschliesslich haltbare und frische Produkte aus Übersee 5.5 Mio. CHF

~1100 Mio CHF (EVP)

~260 Mio CHF (EVP)

Seit 2007 Selbstdeklaration der Bio Produktion keine Bedingung. BioProduzenten bezüglich der Prämie soll Produzenten ermuntern, die Arbeitsbedingungen Bio-Zertifizierung anzustreben. Tabelle 2: Bio Suisse und Max Havelaar in Stichworten

Max Havelaar unterstützt die Selbstorganisation marginalisierter Kleinproduzenten (und von Arbeitnehmern auf Plantagen) in Südländern und stärkt ihre Position im Handel. Bio-Knospe ist eine Selbsthilfeorganisation von Bio-Produzenten in der Schweiz, welche die gemeinsamen Interessen – auch im Handel – vertritt. Der durch Fairtrade vertretene Selbstorganisations-Ansatz wird von Bio-Suisse auf der Ebene der

Produzenten

(nicht

jedoch

hinsichtlich

der

[gewerkschaftlichen]

Selbstorganisation der Arbeitnehmer auf Grossbetrieben) bereits umgesetzt. Nicht verwendet werden insbesondere die Instrumente des Mindestpreises sowie der Prämie. Wie bei verschiedenen Produzentenorganisationen in Fairtrade auch, verfügt Bio Suisse über eine starke, professionelle Geschäftsstelle. Der für Fairtrade wichtige entwicklungspolitische Aspekt des Empowerments der Produzenten kommt auch bei Bio Suisse insbesondere bei denjenigen Bauern zum Ausdruck, die sich in den Gremien engagieren. Es gibt jedoch auch bei Bio Suisse keinen systematischen Ansatz zur Förderung aller Produzenten. Wie bei Fairtrade sind die Interessen der Produzenten durch Verband und Geschäftsstelle gut vertreten, aber bezüglich des Empowerments an der Basis besteht noch (grosses) Potential. 2.2.2 Die Richtlinien Im Unterschied zu den Fairtrade-Richtlinien regeln die Knospe-Richtlinien nicht nur die Produktion sondern auch die Verarbeitung der Label-Produkte. Die Bio-Knospe Richtlinien verwenden den Begriff „Fairen Handel“ in der engen Bedeutung des Wortes ausschliesslich für die ökonomischen Anforderungen. Analog wird der Begriff 13

„biologisch“ bei den Fairtrade-Standards ausschliesslich im Zusammenhang mit den ökologischen Anforderungen verwendet. Bei Max Havelaar wird „Fairtrade“ als Synonym für alle Aspekte der Nachhaltigkeit (sozial, ökonomisch und ökologisch) verwendet. Genauso möchte Bio Suisse in Zukunft ebenfalls alle Aspekte der Nachhaltigkeit in der Bio-Knospe vereinen. Die Sozialstandards bei Bio Suisse beruhen auf einer Selbstdeklaration, bei Fairtrade wird deren Einhaltung unabhängig kontrolliert. Ein wesentlicher Unterschied liegt in der

Arbeitszeitenregelung:

Fairtrade

schreibt

zum

Beispiel

eine

maximale

wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden vor sowie einen Überzeitzuschlag von 50100% (gemäss ILO). Dies ist für Produzenten mit einer erheblichen Anzahl Mitarbeitern (Plantagen) verbindlich, bei Kleinbauern bestehen (noch) keine Reglemente. Vielerorts sind dazu erst das Bewusstsein und die bildungsmässigen Voraussetzungen zu schaffen. 2.2.3 Lizenzvereinbarung Bio Suisse Bereits heute sind in den Lizenzbedingungen 4 , die einen Anhang zum Lizenzvertrag darstellen, auf vertragsrechtlicher Ebene allgemeine Handels-Prinzipien mit allen Lizenznehmern vereinbart. Dabei werden Aussagen der Präambel 5 zu den Richtlinien konkretisiert (Auszüge Anhang C, S.70): •

Bio Suisse verpflichtet sich darin, Markttransparenz zu schaffen, die Richtlinien laufend weiter zu entwickeln und die Lizenznehmer zu konsultieren, wenn sie von Richtlinien-Änderungen betroffen sind.



Der

Lizenznehmer

bekennt

sich

zur

Förderung

der

biologischen

Landwirtschaft und strebt eine kontinuierliche Umsatzausdehnung an. Er setzt sich für eine faire und gerechte Preisgestaltung bei Knospe Produkten ein, die sich langfristig an den Marktgegebenheiten, an den Produktionskosten sowie an den Konsumentenanliegen orientiert.

4

Bio Suisse (1999)

5

Bio Suisse Knospe-Richtlinien (2008), S.8 „…ist der biologische Landbau darauf angewiesen, dass

Konsumentinnen und Konsumenten … bereits sind, [dafür] einen angemessenen Mehrpreis zu bezahlen… Längerfristig überlebensfähig sind Betriebe nur

auf der

Basis

befriedigender

Lebensbedingungen und angemessener Arbeitsverdienste.“

14

Die Lizenzgebühr von 0.9% ab Fr. 100‘000.- Umsatz ist das Entgelt für den Gebrauch der Knospe und deckt im Wesentlichen die von Bio Suisse erbrachten Leistungen insbesondere in der Marktkoordination. Bei der Lizenzgebühr kann ähnlich wie bei der Mehrwertsteuer durch den Lizenznehmer ein Vorabzug (von 0.9%) geltend gemacht werden, wenn die Produkte von einem anderen Bio SuisseLizenznehmer zur weiteren Verarbeitung zugekauft wurden. 2.2.4 Der Faire Preis Die wörtliche Übersetzung von „fair“ bedeutet „gerecht“ 6 . Fair wird aber auch übersetzt

als

„anständig,

ehrlich,

ausreichend,

angemessen“,

oder,

im

versicherungstechnischen Zusammenhang als „risikogerecht“. Wie Kay Blaufus ausführt, gibt es keine eindeutige wirtschaftswissenschaftliche Definition für einen gerechten Wert, obwohl der Begriff „gerechter Preis“ verschiedentlich verwendet wurde: „So ist beispielsweise der ‚gerechte Preis‘ ein Grundbegriff der Preislehre der Scholastiker, wonach der Angebotspreis für ein Sachgut dessen Produktionskosten decken

soll.

Die

Produktionskosten

seien

dabei

auf

der

Grundlage

des

‚standesgemässen Unterhalts‘ der Produzenten zu kalkulieren. Die normative Lehre vom gerechten Preis ist somit eine Kostentheorie des Preises ohne Berücksichtigung der Nachfrageseite… Auch in der Lehre von Adam Smith, David Ricardo und Karl Marx existiert ein zumindest ähnlicher Begriff, nämlich der des ‚natürlichen Preises‘, der sich aus den eingesetzten Arbeitsmengen ergibt.“ 7 FLO Fairtrade legt den fairen Preis unter Berücksichtigung der Marktsituation fest. Der faire Preis ist definiert als der Mindestpreis, der für ein exportfähiges Produkt bezahlt werden muss. Steigt der Marktpreis über den Mindestpreis, so ist der (auszuhandelnde) Marktpreis zu bezahlen. Für Produkte aus biologischem Anbau wird ein separater Mindestpreis oder ein Bio-Zuschlag festgelegt, für ausserordentliche Qualität soll ein Qualitäts-Zuschlag verhandelt werden. Der Mindestpreis deckt per Definition alle Kosten einer nachhaltigen Produktion inklusive Investitionen in

6

Das Wort „fair“ wurde im 19. Jahrhundert aus dem Englischen ins Deutsche übernommen. Zuerst

auch als Qualitätsbezeichnung „ausgezeichnet, vorzüglich“ bei Warenangeboten üblich, wurde es dann vornehmlich ein Ausdruck der Sportsprache im Sinne von „anständig, den Bestimmungen gemäss“. 7

Blaufus Kay, (2005), S.7

15

Produktionsverbesserungen und ermöglicht dem Produzenten und seiner Familie ein menschenwürdiges

Leben.

Er

ist

eine

Versicherung

gegen

abstürzende

Weltmarktpreise. Bei der Festlegung des Mindestpreises werden auch Aspekte der Vermarktung berücksichtig. Insbesondere soll der Endverkaufspreis so hoch sein, dass das Produkt noch Käuferinnen findet. Neben dem Mindestpreis definiert Fairtrade für alle Produkte eine zusätzliche Sozialprämie, die der Genossenschaft (respektive der Arbeiterschaft auf Plantagen) zugute kommt für Projekte zur Verbesserung der kommunalen Dienstleistungen und Lebensbedingungen, der genossenschaftlichen Vermarktung und der Verarbeitung ihrer Produkte. Die Höhe der Fairtrade-Prämie orientiert sich am Anteil der inhärenten Arbeit. Sie ist bei allen Produkten unterschiedlich hoch und beträgt als Faustgrösse cirka 10% des Warenwertes. Der Warenwert eines in der Schweiz produzierten Bio Knospe-Produkts ist in Prozenten des Endverkaufspreises in der Regel höher als der Anteil des Warenwertes in einem Fairtrade-Produkt des Südens. Ein Mindestpreis für KnospenProdukte würde in Zeiten tiefer Marktpreise demzufolge stärker auf den Endverkaufspreis durchschlagen als dies bei Fairtrade-Produkten der Fall ist. 2.2.5 Bio Suisse mit Fairtrade-Augen gesehen Nach Fairtrade-Definition wäre Bio Suisse eine Organisation 2. Grades, das heisst ein Zusammenschluss verschiedener Organisationen 1. Grades, deren Mitglieder (Klein-) Bauern (Produzenten) sind. Eine Fairtrade Organisation 2. Grades vermarktet die Produkte ihrer Mitglieder. Sie tritt als Exporteurin auf bildet und zu diesem Zweck eine Geschäftsstelle, deren professionelles Personal für die Vermarktung der Produkte verantwortlich ist. Jüngere Organisationen beauftragen in einer ersten Phase eine lokale Exportfirma mit dieser Aufgabe. Vom Käufer erhält die Organisation 2. Grades den Warenwert sowie die Fairtrade-Prämie. Den Warenwert gibt sie nach Abzug ihrer Kosten an die Organisationen 1. Grades weiter, anteilig gemäss deren Liefermengen. Diese zahlen, wiederum nach Abzug ihrer Kosten, die Produzenten aus. Die Fairtrade Prämie ist eine Leistung zusätzlich zum kostendeckenden Mindestpreis. Sie wird gemäss gemeinsamem Beschluss des Vorstands

in

einer

ersten

Phase

vorwiegend

zur

Verbesserung

der

Geschäftsabläufe, der Produktqualität und der Infrastruktur verwendet. In einer zweiten Phase, wenn die Organisation 2. Grades und ihre Geschäftsstelle gut 16

etabliert sind, wird die Prämie vorwiegend zur Stärkung der Selbstorganisation und für Projekte der Organisationen 1. Grades zur Verbesserung der Produktions- und Lebensbedingungen verwendet. Wie bei Fairtrade tragen bei Bio Suisse die Produzenten durch aktive Mitarbeit und Mitgliederbeiträge einen Teil der Organisationskosten, ein anderer Teil wird über die Lizenzgebühren abgedeckt. Die Lizenzgebühr von Bio-Suisse könnte konzeptionell mit dem Teil des Mindestpreis verglichen werden, der die Kosten der Organisation 2. Grades und der Geschäftsstelle deckt: Es ist der Zuschlag, den die FairtradeProduzenten geltend machen können, weil sie organisiert sind und mit einer gewissen Macht am Markt auftreten. Der andere Teil des Mindestpreises erreicht die Produzenten in Form von bestmöglichen Preisen und Absatzmengen für ihre Produkte unter den aktuellen Marktbedingungen. Im Unterschied zum Fairtrade Mindestpreis existiert jedoch kein unteres Preisminimum (Sicherheitsnetz) bei schlechten Marktbedingungen. Es existiert auch keine Fairtrade-Prämie, die frei verwendet

werden

könnte

für

zusätzliche

Investitionen.

Als

gut

etablierte

Organisation 2. Grades hat Bio Suisse angesichts der durch die Lizenzgebühr gedeckten Aufwände dafür keinen dringenden Bedarf. Dies ist bezüglich der einzelnen Mitgliedorganisationen (Organisationen 1. Grades) anders zu beurteilen, da sie nicht direkt über die Lizenzeinnahmen gefördert werden. Wie oben für Fairtrade in einer zweiten Phase beschrieben, könnte eine Fairtrade-Prämie wesentlich dazu beitragen, die einzelnen Mitgliedverbände organisatorisch zu stärken und Selbsthilfemassnahmen in der jeweiligen Region zu finanzieren. Dabei ist sehr wichtig, dass die Mitgliederversammlung der einzelnen Organisation 1. Grades frei über die Verwendung der Mittel entscheiden kann (nicht so wie z.B. bei Pro Montagna, wo diese Entscheidung bei der Coop Patenschaft liegt). Unter diesen Rahmenbedingungen wird die Fairtrade-Prämie dort eingesetzt, wo basierend auf einer gemeinsamen Analyse regional das grösste Bedürfnis respektive der grösste Nutzen erwartet wird für alle oder für den Teil der Mitglieder, die unter den schwierigsten Bedingungen wirtschaften.

17

2.3

Der Bio-Markt Schweiz

Die Besprechung des Biomarktes Schweiz folgt der von Kühn 8 vorgeschlagenen und von Fritsche bearbeiteten Systematik, dem „Marketinggesicht“. Dabei werden die verschiedenen Marktakteure und das Umfeld beschrieben.

Abbildung 2: Das Marktsystem 9

2.3.1 Marktdaten Die Biobetriebe bewirtschaften 11.3% der landwirtschaftlichen Nutzfläche und stellen auch 11.3% aller Betriebe. Der Anteil der Bio-Lebensmittel am gesamten Lebensmittelmarkt beträgt 4.6% und generiert in der Schweiz einen jährlichen Umsatz von rund 1.3 Mia Franken, oder 170 Franken pro Kopf der Bevölkerung (Fairtrade:

35.-/Kopf).

Hauptumsatz-

und

Imageträger

sind

Frischprodukte.

Umsatzimpulse erzeugen neue Produkte, z.B. Bio-Regioprodukte (vor allem Käse), Convenience Produkte, Fische und Geflügel oder UHT-Milchprodukte. 8

Kühn Richard (2001), S.21

9

Fritsche Roland (2007), Arbeitspapier 2, S.14

18

Der Bio-Markt ist nach zwei Jahren der Stagnation im 2007 mit einem Plus von 7.7 % wieder

kräftig

gewachsen.

Überproportional

war

das

Wachstum

in

der

Direktvermarktung sowie im Biofachhandel. Die Westschweiz war mit 9% Umsatzzuwachs der eigentliche Wachstumsmotor. Gemüse legte mit 10.2% überdurchschnittlich

zu,

während

das

Wachstum

bei

den

beiden

andern

Hauptumsatzträgern, Getreide und Milch, mit 4.4% respektive 5% deutlich geringer aber immer noch klar höher als im konventionellen Lebensmittelhandel (+3%) lag.

Der Anteil der nach Knospe Richtlinien produzierten Produkte am Bio-Gesamtumsatz von rund 1.3 Mia. Franken beträgt nach Schätzungen der Bio Suisse 1.1 Mia. CHF. 200 Mio. CHF werden nach staatlichen Bio-Verordnungen 10 produziert. Auffallend ist, dass rund ¼ der nach Bio Suisse Richtlinien produzierten Nahrungsmittel den Konsumentinnen nicht unter dem Knospe-Label angeboten wird. Insbesondere Migros verkauft alle Knospe-Produkte unter seiner Eigenmarke bio-Engagement, aber

auch

im

Biofachhandel

und

bei

anderen

Anbietern

beträgt

die

Auszeichnungsquote nur geschätzte rund 50%. Die klaren Promotoren der Knospe sind Coop – allerdings immer in Kombination mit der Eigenmarke „naturaplan“ – und die Direktvermarkter.

COOP

Bio Total Mio CHF 660

Davon Inland Mio CHF 450

Migros

300

200

230

77%

0

0%

Bio Fachhandel

200

120

120

60%

70

58%

Direktvermarkter

70

70

65

93%

60

92%

Andere

70

40

35

50%

20

57%

Total

1300

880

1100

85%

800

73%

Verkaufskanal

Nach Knospe Standard Mio % CHF 98% 650

Davon mit Knospe Label Mio % CHF 100% 650

Schätzung Bio Suisse Tabelle 3: Anteil Knospe-Produkte am Gesamtmarkt pro Kanal

2.3.2 Konkurrenten Die wichtigsten Konkurrenten für das Knospe-Label können in drei Gruppen zusammengefasst werden: 10

überwiegend nach EU-Richtlinien, kleiner Teil nach CH-Richtlinien

19



Bio gemäss Gesetzesverordnung (EU, CH, USA, andere)



Pseudo-Bio



Bio-Dachmarken von Migros und Coop

Konkurrenzgruppen

Bedrohung

Sortiment

Teilmärkte

Hauptprodukte

Standard-Bio (Deutsches EG-Ökosiegel und offizielles EG-Ökosiegel)

Geringerer Anspruch und kostengünstige Erfüllung, Bio von Verwaltung definiert – wenig Einfluss darauf

EU-Bio nur ergänzend zu Inlandproduktion, Bundes-Bio identisch

In allen BioKanälen

Gemüse und Früchte im Winterhalbjahr, Getreide

„Pseudo-Bio“ z.B. IP-Suisse, Terra Suisse, Naturafarm,

Ähnliche Wortwahl und Anspruch aber tieferer Standard

Identisch, mehr Umsatz Æ frischer

Nicht in Biofachhandel IP-Suisse in Direktvermarktung

Identisch: Frischprodukte

Migros und Coop BioDachmarken Engagement Naturaplan

Dachmarke so stärken und bei Konsumentinnen verankern, dass Label verdrängt werden kann

Identisch, Migros mischt Knospe und Bundes-Bio

Ausschliesslich in Coop und Migros

Identisch: Frischprodukte

Tabelle 4: Wichtigste strategische Konkurrenzgruppen

Die grösste Herausforderung wird sicher die Auszeichnungspflicht für alle BioProdukte aus dem EU-Raum mit dem EG-Öko-Verordnungslabel, das sich so mit der Zeit in der Konsumentenwahrnehmung neben der Knospe etablieren kann. Mehr dazu im Abschnitt politisch/rechtliche Rahmenbedingungen. Vier der sieben strategischen Konkurrenzmarken gehören Coop und Migros. Dies unterstreicht deren grosse Marktmacht und macht klar, dass der Erfolg der Knospe wesentlich von der Konsumentennachfrage und der Haltung von externen Beeinflussern abhängt. Bezüglich der Dachmarken ist festzustellen, dass die Knospe im neuen Design von „Naturaplan“ zu einer Art Co-Branding aufwertet wurde. Auch „bioEngagement“ kann nicht als Konkurrenz im strengen Sinn bezeichnet werden, obwohl sich Migros am POS nicht zur Knospe bekennt, da die gesamte Inlandmenge aus Knospe-Betrieben stammt. 20

Im Hinblick auf einen Fairen Preis stellt auch die nicht Bio Marke „Pro Montagna“ von Coop mit ihrer Sozialprämie eine Herausforderung dar. Je nach Verkaufspreis gehen 5, 10, 20 oder 30 Rappen pro Produkteinheit an die Coop Patenschaft, die damit Selbsthilfeprojekte in Bergregionen unterstützt. Vermutlich liess sich Coop vom Erfolg der ErzeugerFairMilch der Upländer Molkerei inspirieren, die jeden Liter Milch mit einem 5 €-Cent Preiszuschlag zugunsten der Produzenten vermarktet (Anhang S.100). 2.3.3 Zwischenhändler Im Markt für Schweizer Bioprodukte besteht faktisch ein Abnahme-Duopol (Coop und Migros) sowie ein weitgehendes Angebotsmonopol (Bio Suisse), das teilweise über Importkontingentierung

geschützt

ist.

Die

gegenseitige

Abhängigkeit

ist

unterschiedlich gross: Die Zwischenhändler verfügen über Handlungsoptionen (Zukauf aus dem Ausland), während die Produzenten neben dem regulatorischen Schutz (Zollkontingente) kaum über Handlungsalternativen verfügen (kein Markt für grösseren Mengen im Ausland). Coop (~50%) und Migros (~25%) sind mit Abstand die wichtigsten Zwischenhändler für Bioprodukte. Die traditionellen Absatzkanäle Reform- und Bioläden sowie die Direktvermarktung haben einen Marktanteil von ~20% und weisen stark steigende Umsätze aus.

Tabelle 5: Gesamtmarkt Bio nach Absatzkanälen

Bionetz.ch

weisst

für

die

ganze

Schweiz

432

Biofachgeschäfte,

Reformhäuser/Drogerien, Weltläden und Warenhäuser sowie 38 Bio-Handelsbetriebe aus. 10 der 38 Bio-Handelsbetriebe bieten ein Vollsortiment an. Der wichtigste BioGrosshändler mit Vollsortiment ist die Bio Partner Schweiz AG, die Ende 2007 aus 21

der Fusion dreier Grosshändler entstanden ist. Bio-Partner erwirtschaftete 2007 einen Umsatz von ca. 90 Mio. Franken. Die Bio-Suisse hat zirka 770 Lizenznehmer. Mehr als 600 Lizenznehmer kommen auf einen Umsatz von weniger als 100'000 Franken. Nur rund 60 Lizenznehmer erzielen mehr als 1 Mio. Franken Umsatz. Das Key Account Management von Bio-Suisse umfasst rund 20 Handelspartner. Die mutmassliche Akzeptanz für mehr Preis- respektive Margentransparenz ist unterschiedlich. Es ist davon auszugehen, dass im Biofachhandel das Interesse grundsätzlich hoch ist (die Vermarktung läuft bereits heute teilweise unter dem Ansatz „Bio Plus“), aber im Einzelfall konkretisiert werden muss: Je regionaler und kürzer eine Vermarktungskette ist, desto grössere Umsetzungschancen. Auch bei neuen Discountern kann von einem grossen Interesse ausgegangen werden. Die folgende Tabelle zeigt die Akzeptanz für erhöhte Margentransparenz aus Sicht des Autors:

Akteur Direktvermarkter Regionale, kleinere Verarbeiter Neue Discounter (ALDI, Lidl) Detailhändler mit Regional- und BioAngebot (z.B. Spar, Volg) Biofachhandel

Situation Kein oder nur marginaler Bedarf Bio wesentlicher Geschäftsanteil Hoher Profilierungs- / Imagebedarf

Coop Migros Industrielle Verarbeiter (Emmi)

++ ++ ++ / +

Frischprodukte oft regionaler Direktbezug

+

Spezialisiert auf Bio

+

Biofachläden inklusive Drogerien Etablierte andere Detailhändler (Manor, Globus)

Einstellung

+/Je nach Strategie und Kundensegment

+/-

Gründe für Einstellung Aus grundsätzlichen Überlegungen Positionierung, oft strategische Allianz mit Produzenten Markteintritt: Erfolgszwang Kosten (Margenverluste) spielen untergeordnete Rolle Zusätzlicher Leistungsausweis, teilweise Produzentenkontakt Zusätzliche Positionierung, Zusatzkosten kritisch bereits hohe Kosten (Margen) bei geringem Umsatz, zahlungsbereite Konsumentinnen Verhalten tendenziell eher wie Grossverteiler

Profilierung über nachhaltige Produkteinien Bio Nebengeschäft ,als Margentransparenz, Kosten, „kein -„Migros“ positioniert Bedürfnis der Konsumentinnen“ Bio Nebengeschäft Aufwand, Umsetzbarkeit, -Convenience Prod. Tabelle 6: Akzeptanz erhöhter Margentransparenz

22

2.3.4 Externe Beeinflusser Zu den wichtigsten externen Beeinflussern gehören die Konsumentenorganisationen. Diese verfügen über erhebliche Ressourcen und arbeiten mit einem langfristigen Horizont. Sie unterstützen den Bio-Anbau und Fairtrade, fordern jedoch konsequent die Umsetzung von sozialen Kriterien. Kritische Konsumentenformate wie K-Tip, Saldo oder Kassensturz sind dem Bioanbau gegenüber durchaus positiv eingestellt. Es liegt jedoch in ihrer Natur, dass sie aufgrund von Testergebnissen mitunter auch Produkte aus biologischem Anbau kritisch beurteilen. Erhebliches Potential als externe Beeinflusser haben auch das Forschungsinstitut für biologischen Landbau, FiBL (mit hoher wissenschaftlicher Reputation) und Prominente oder Vorbilder aus Hauptkundengruppen, die als Botschafter für die BioKnospe angefragt werden könnten.

2.3.5 Rahmenbedingungen Die hier aufgeführten Trends sind teilweise im Experten Workshop vom 21. August erarbeitet worden.

Wirtschaftliche Es ist von einem weltwirtschaftlichen Konjunktureinbruch auszugehen, der über längere Zeit anhalten und die Kaufkraft der Konsumentinnen mindern wird. Dies wird den preislichen Spielraum für Bioprodukte eng halten. Ein Blick über die Grenze zeigt, dass in Deutschland die Discounter die Wachstumstreiber für das Umsatzwachstum der Bioprodukte von über 40 Prozent waren. 11

Soziale/Mediale Die Verfügbarkeit „aller“ Informationen ist selbstverständlich, das web entwickelt sich zum dominierenden Kommunikationsinstrument. Die Entfremdung nimmt zu und parallel dazu der Wunsch nach einfachen Botschaften. Dieses Bedürfnis wird unter anderem

durch

Skandaljournalismus

bedient:

Suchen

von

Fehlern

und

Schuldzuweisung. 11

ACNielsen (2008)

23

Die negativen Auswirkungen der Globalisierung werden verstärkt thematisiert, Ernährungssicherheit und –souveränität gewinnt an Bedeutung. Das Wissen und das Bewusstsein steigt, die Konsumentin entwickelt sich vom „homo oeconomicus“ zum „wertegesteuerten“

Menschen,

z.B.

zum

LOHAS

(Lifestyle

of

Health

and

Sustainability), einem auf Gesundheit und Nachhaltigkeit ausgerichteten Lebensstil.

Technologisch/ökologisch Die Klimaänderung wird das Bewusstsein für die Notwendigkeit nachhaltiger Produktion weiter steigen lassen. Trotzdem wird der Trend zu Convenience Food weitergehen. Der wirtschaftliche Druck, insbesondere durch internationalen Handel, führt zu •

Verbreitung von problematischen Techniken (GVO, Konservierung,…)



Trend zu hochtechnisiertem Grossbetrieb



Homogenisierung der Produkteigenschaften (erhöhte Austauschbarkeit)

Politisch/rechtlich Die ursprünglich ab dem ersten Januar 2009 vorgesehene Auszeichnungspflicht für alle Bio-Produkte aus dem EU-Raum mit dem EG-Öko-Verordnungslabel verzögert sich, da sich die Einigung auf ein neues Logo schwierig gestaltet. Bioprodukte aus dem Europäischen Ausland werden zukünftig also neben der Knospe auch das EGSiegel tragen, für das deutlich geringere Anforderungen erfüllt werden müssen. Insbesondere lässt es auch teilbetriebliche Umstellungen zu. Diese Vorschrift wird dazu

beitragen,

dass

sich

das

EG-Siegel

mit

der

Zeit

in

der

Konsumentenwahrnehmung neben der Knospe etablieren kann. Für Knospeprodukte aus Europa ergibt sich eine Doppelbelabellung, die zu einer Überprofilierung des EGSiegels („gleich gut wie Knospe“) führen könnte. Es ist mit

geeigneten

Kommunikationsmassnahmen dafür zu sorgen, dass die Wahrnehmung des durch die Knospe erbrachten Mehrwerts bei den Konsumentinnen aufrecht erhalten werden kann. Nachdem die im 2001 begonnene Doha-Runde wegen dem Agrardossier wiederholt nicht abgeschlossen werden konnte, begann die Schweiz mit wichtigen Ländern bilaterale Verhandlungen. Noch im 2008 beginnen solche Verhandlungen mit der EU. Falls

in

diesem

Zusammenhang

die

in

der

Schweiz

erreichten 24

Nahrungsmittelqualitätsstandards aufgeweicht werden, z.B. der Umwelt- und Tierschutz oder die Herkunftsbezeichnung, ergeben sich Profilierungschancen für Bio Suisse.

Durch

die

zu

erwartenden

Einkommensverluste

aufgrund

billiger

Nahrungsmittelimporte in den Hauptprodukten dürften insbesondere kleinere und mittlere Betriebe ohne Direktverkauf dürften unter Druck kommen. Es wird sich zeigen, ob die Qualitätsstrategie der Knospe (Profilierung der gesamten Schweizer Bioproduktion über hohe Standards) in Verbindung mit dem Schweizerkreuz im Logo die erforderlichen Märkte

in der EU eröffnen kann, um diese Ausfälle zu

kompensieren. Der Begriff „Fair“ kommt in allen möglichen Bereichen inflationär zur Anwendung. Er unterliegt einem Prozess der Entwertung. Die Anforderungen an ein faires Produkt können beinahe beliebig tief sein. Im Bereich der Landwirtschaft drängen verschiedene Label 12 in die Grossverteiler, deren Leistung unter FairtradeSchlüsselbegriffen vermarktet wird, auch wenn die Hauptleistung in einem anderen Bereich erbracht wird. Dadurch verliert der Begriff „Fair“ im Sinne von ökonomischer Gerechtigkeit langfristig an Wert und Profil. Andererseits zeichnet sich eine Art Grundkonsens bei all diesen Labeln ab: Alle Standards beziehen sich auf die ILOKernkonventionen für den Umgang mit Angestellten und auf gute Landwirtschaftliche Praxis 13 (GAP). Diese Basisanforderungen gleichen sich an. Auch wenn die daraus abgeleiteten expliziten Forderungen vorläufig noch sehr unterschiedlich sind, wird es langfristig zu einer Homogenisierung der grundlegenden Kriterien auf dem kleinsten gemeinsamen

Nenner

kommen.

Die

Labels

decken

auch

den

dritten

Nachhaltigkeitsbereich ab mit Standards, welche die ökonomische Stellung des Produzenten im Handel verbessern sollen. Selbst wenn die Qualität dieser FairtradeAnsätze noch schwach ist, zeichnet sich doch als Trend ab, dass zukünftige Label, die sich im Lebensmittelbereich auf Stufe Grossverteiler etablieren wollen, minimale Standards auf allen drei Ebenen der Nachhaltigkeit abdecken. Das heisst, die Einhaltung dieser Basisleistung wird vorausgesetzt und die Differenzierung der Mehrleistung des eigenen Labels im Vergleich zu Mitbewerbern wird immer wichtiger und aufwendiger. Ein klares Profil sollte jedoch weder die Richtlinien überladen noch die Produzenten überfordern. 12

Bekannteste Beispiele: Rain Forest Alliance und Utz Certified

13

Ohne GAP ist eine Vermarktung über Grossverteilern im Frischfruchtbereich kaum mehr möglich.

25

3 Analyse Workshop Präsidentinnenkonferenz 11. Juni 2008 14

3.1

„Fairtrade im Biolandbau“ war einer von sechs Workshops, die an der Präsidentenkonferenz zu Entwicklungsthemen angeboten wurden. Die Zeit war mit einer Stunde kurz bemessen. Sie wurde zur kollektiven Beurteilung von drei Fragen genutzt: •

Lassen sich die Mitgliedorganisationen in Gruppen gleicher Interessen ordnen?



Welche Aspekte des Fairen Handels haben für den Bio-Anbau Priorität?



Ist die Einführung von Fairen Handelsrichtlinien in verschiedenen Teilmärkten unterschiedlich dringend?

3.1.1 Mitgliedorganisationen mit gleichen Interessen Thematische Schwerpunkte in Bezug auf Fairen Handel •

• •

(gesellschaftlicher) Stellenwert von Arbeit und deren Resultate Ökonomische „Ghettoisierung“ führt zu gesellschaftlicher „Ghettoisierung“

ABV (AG) BBB (BE) Bio FR Bio Glarus Bio Genève Bio Grischun Bio Jura Bio Luzern Bio-NE

14

Gerechtigkeit um die Produktionskapazitäten (auch in marginalisierten Regionen) zu erhalten • Sicherstellen einer kompletten Handelskette mit finanzieller Gerechtigkeit für alle Stufen Biofarm Bio-Gemüse AV-AG Bio Anbau Tägerwilen Demeter Progana VBKB (Kräuter)

• •





Randregionen stärken Stärken von bäuerlichen Landwirtschaftsbetrieben Leistungsgerechte Entlöhnung „gerechtes Einkommen“ Ländliche Entwicklung sozial und kulturell

Bio-Ring (AI/AR) Bergheimat Bio Ticino Bioforum Bio Uri Bio OW / NW Biovalais Bioterra Bio-Vaud FiBL bioZug VOB (SG / TG) Bio ZH-SH Nordwestschw. BB (BL/BS/SO) Schwyzer Bio Verein Bio (Lichtenstein) Tabelle 7: Cluster der Bio Suisse Mitgliedorganisationen

Teilnehmende: Delay Dominique, Präsident Progana; Devenoge François Philippe, Vizepräsident

Progana und Vorstand Bio Suisse; Heinis Valerie, Bio Suisse; Köchli Martin, Präsident Biofarm; Lang Felix, Co-Präsident Bio Nordwestschweiz; Probst Helfenstein Maya, Präsidentin Bio Luzern.

26

Es fiel der Arbeitgruppe nicht einfach, die Bio Suisse-Mitglieder zu Gruppen (Clustern) zu ordnen und ihre zentralen Interessen in Bezug auf Fairen Handel anschliessend in Zweiergruppen zu formulieren. Die Formulierungen der Interessen zeigen, dass es zwischen den Clustern eine grundsätzliche Übereinstimmung gibt, jedoch mit etwas unterschiedlichen Schwerpunkten. Die Unterscheidung ist nicht so klar möglich, wie Sie in der Tabelle erscheint. Es drängt sich in Bezug auf Fairen Handel keine Fokussierung auf eine der Gruppen auf. 3.1.2 Prioritäre Aspekte des Fairen Handels Der Gruppe wurden die vier klassischen Fairtrade-Instrumente vorgestellt: •

Marktöffnung und Marktenwicklung



Garantierter Mindestpreis zur Absicherung der Nachhaltigkeit



Prämie für Entwicklungsprojekte (lokal und Stärkung der Organisation)



Langfristige Handelsbeziehung

Danach wurde gefragt, welche(s) Element(e) die höchste Priorität habe. Die Arbeitsgruppe war sich relativ schnell einig, dass langfristige Handelsbeziehungen und gemeinsame Visionen am wichtigsten sind, Bereiche die Bio Suisse bereits seit langem aktiv bearbeitet. Der Begriff „Kunde“ sollte zugunsten des Begriffs „Partner“ überwunden werden nach dem Motto: Vom schnellen Käufer zum verlässlichen Partner! Die anderen drei Elemente wurden ohne vertiefte Diskussion ebenfalls als wichtig, aber im Vergleich zu langfristigen Handelsbeziehungen als zweitrangig eingestuft. Zum garantierten Mindestpreis wurde kritisch angemerkt, dass dies zwar wünschenswert sei, aber möglicherweise Überproduktion nach sich ziehe. 3.1.3 Dringlichkeit für verschiedene Teilmärkte Für die vier Hauptprodukte Milch, Getreide, Fleisch und Obst/Gemüse wurde erarbeitet, in welchen Situationen Produzentengruppen dem grössten (Preis-) Druck ausgesetzt sind, am ehesten an Fairen Handelsbeziehungen interessiert sein könnten.

Es wurde bezüglich Standort, Absatzkanal, Betriebsgrösse, Endprodukt

und Arbeitskräfte gefragt, wo Fairer Handel grosse (+++) oder keine (∅) Auswirkung haben könnte.

27

Kategorien Standort

Absatzkanal

Betriebsgrösse

Endprodukt

Arbeitskräfte

Milch

Getreide

Fleisch

Obst/Gemüse

Berg

++



++

+

Tal

+

++

+

+++

Direktvermarkter

+







Verarbeiter Detailhandel

++ +++

+++ ++

++ +++

++ +++

Gross

++

+

++

+++

Mittel Klein

++ +++

++ ∅

++ +++

+++ ∅

Frisch

+

+

+

+

Verarbeitet Convenience

++ +++

++ +++

++ +++

++ +++

Nur Familie

n.a.

+

n.a.

+

n.a. ∅ n.a. ∅ Tabelle 8: Preisdruck in verschiedenen Teilmärkten

1-2 externe MA 3< externe MA

n.a. n.a.

+++ ++

Die Aufgabe löste intensive Diskussionen aus. Die Teilnehmenden hatten grosse Mühe, Beurteilungen entlang der vorgegebenen Kategorien vorzunehmen, weil die Betriebe innerhalb ein und derselben Kategorie sehr unterschiedlich seien – „…es kommt darauf an…“. Schliesslich gelang es dann doch noch, Tendenzen festzuhalten, die aber aufgrund der knappen verfügbaren Zeit nicht als gesichert angesehen werden können. Einigkeit herrschte, dass über alle Kategorien hinweg die Mittelbetriebe mit 1-2 Angestellten am stärksten unter Druck sind, da sie zu gross sind für die Direktvermarktung eines signifikanten Teils ihrer Produktion und zu klein, um aus der Belieferung des Handels ihre relativ hohen Kosten decken zu können. Dies akzentuiert sich je abgelegener der Betrieb und je anspruchsvoller die Topographie. Deutlich ebenfalls, dass der Schuh drückt bei der Lieferung an Verarbeiter, insbesondere an Convenience-food Hersteller und in den Detailhandel.

28

3.2

Umfrage bei wichtigen Akteuren Juli/August 2008 15

Mitte Juni 2008 wurden 15 wichtige Akteure zu ihrer Haltung und Einschätzung bezüglich der Einführung von Knospe-Richtlinien zum Fairen Handel befragt (Fragebogen im Anhang D, S.71, vollständige Antworten im Anhang K, ab S.78f). Es wurden fünf offene Fragen gestellt und zusätzlich die Möglichkeit gegeben, Bemerkungen anzubringen. Die Befragung beschränkte sich auf die spezifischen ökonomischen Instrumente von Fairtrade. Andere zentrale Inhalte, Selbstorganisation und Empowerment der Produzenten sowie Arbeitsbedingungen für Mitarbeiter, wurden nicht thematisiert. Die Stakeholder-Umfrage gibt einen Eindruck über die persönlichen Einschätzungen der befragten Personen. Sie zeigt, dass faires Verhalten sehr relativ wahrgenommen wird. Die Selbst- und Fremdwahrnehmung des eigenen Verhaltens kann sehr unterschiedlich sein. An faires Handeln werden, je nach Position (der relativen Stärke oder Schwäche), unterschiedliche Erwartungen geknüpft. In der Stellungnahme der Grossverteiler wird bereits der heutige Umgang als fair und an langfristigen Beziehungen orientiert beschrieben. Aus Produzentensicht sind die Margen im Zwischen- und Detailhandel zu hoch. Kleinster gemeinsamer Nenner scheint die Aussage, dass gegen fairen Handel sicher niemand etwas einzuwenden hat. 3.2.1 Welche Aspekte des Fairen Handels sollen geregelt werden? Begriffsklärung: Fairer Handel – wie wir ihn unter dem Label Max Havelaar kennen kennzeichnet sich aus durch •

langfristige Handelsbeziehungen



Marktöffnung und / oder Marktentwicklung



existenzsicherndes Einkommen für die Produzenten



zusätzliche Sozial-Prämie zur Förderung der regionalen Entwicklung

Frage: Welche dieser Aspekte sollten im Kapitel 9, Fairer Handel, der Bio Knospe Richtlinien geregelt werden?

Bei der Beurteilung der Antworten gilt es zu berücksichtigen, dass die befragten Begriffe nicht definiert wurden, also von den Befragten aus ihrem jeweiligen Kontext 15

Die Auswahl der zu befragenden Personen erfolgte durch den Geschäftsführer von Bio Suisse. 8

der 15 Akteure sind aus den Reihen von Bio Suisse, 7 sind externe Partner: Je eine RepräsentantIn von Coop, Migros des Bio Fachhandels, der Stiftung für Konsumentenschutz und des Bundesamts für Landwirtschaft sowie 2 Verarbeiter.

29

heraus interpretiert wurden. Dies war für die ersten drei Elemente sicher leistbar und macht Positionen und Denkmuster sichtbar. Das Fairtrade Instrument der SozialPrämie und die damit verknüpften Impulse zur Selbstorganisation im Verband und zu selbstbestimmter Entwicklung war den Befragten im Detail jedoch nicht vertraut. Die Antworten sind entsprechend vorsichtig zu interpretieren. Allein schon auf der quantitativen Ebene der Anzahl Nennungen in den Antworten zeichnen sich klar zwei Schwerpunkte ab: Es besteht Konsens über alle Handelsstufen bezüglich langfristiger Handelsbeziehungen und Dissens bezüglich eines existenzsichernden Einkommens. Zu letzterem fällt die einhellige kritische Haltung der Vertreter des Detailhandels und die ebenso einhellige Zustimmung der Bio Suisse-Vertreter auf. Ebenfalls deuten sich mögliche Allianzpartner an.

Langfr. Handelsb. 4 2 1 2 1

Marktentw./-öff 1 2

Existenzs. Eink. 8 -2 1

Sozialprämie 0

8 Bio Suisse 2 Detailhandel 1 Fachhandel 1 2 Verarbeiter 1 1 SKS 1 1 BLW 1 TOTAL von 15 10 4 8 2 Stakeholders Tabelle 9: Präferenzen für verschiedene Instrumente des Fairen Handels

Zusammenfassung der Stellungnahmen (Auswertung Anhang E, S.71): Langfristige und faire Handelsbeziehungen Diesem Punkt wird von allen eine hohe Bedeutung zugeschrieben. Insbesondere die Planungssicherheit in Bezug auf langfristige Investitionen stehen für Produzenten aber auch Verarbeiter im Vordergrund. Aber, während die Vertreter des Detailhandels finden, dies sei bereits heute weitgehend realisiert, sehen Produzenten und Verarbeiter Verbesserungspotential. Die Meinungen gehen ebenfalls deutlich auseinander, ob der Markterfolg oder ein existenzsichernder Preis Voraussetzung für eine langfristige Handelsbeziehung ist. Existenzsicherndes Einkommen Die Deckung der Vollkosten steht für die Produzenten klar im Vordergrund. Sie wird vom Handel deutlich kritisch bis ablehnend beurteilt, da damit der Wettbewerb, sinnvolle Rationalisierungen und Produktivitätssteigerungen behindert und so der 30

langfristige

Erfolg

der

Knospeprodukte

in

Frage

gestellt

werde.

Von

Konsumentenseite wird das Anliegen eines existenzsichernden Einkommens für den Produzenten und seine Angestellten unterstützt. Marktentwicklung In der Marktentwicklung sehen die Detailhändler den zentralen Ansatzpunkt, während dies für die Produzenten eher der Ausdruck einer guten Handelsbeziehung und existenzsichernder Preisen ist. Ist dies eine Huhn/Ei-Fragestellung oder kann gemeinsam definiert werden, in welchen Schritten diese Elemente entwickelt werden sollen? Prämie: Spielt in den Antworten eine untergeordnete Rolle, da die Hauptwirkung über andere Kanäle erwartet wird. Der Begriff „Fairer Handel“ spricht am ehesten die soziale Dimension an, daher könnte eine Prämie Sinn machen, falls sie dort eingesetzt wird, wo offensichtliche Bedürfnisse bestehen. In zukunftsorientierten Prämienprojekten wird auch eine Chance für die Kommunikation gegenüber den Konsumentinnen gesehen. Die „Förderung der regionalen Entwicklung“ sollte jedoch anderen (Bund) überlassen werden. 3.2.2 Welcher konkrete Nutzen wird erwartet? Frage: Welchen konkreten Nutzen erwarten Sie?

In der Auswertung (Anhang F, S.74) werden die in den Antworten genannten Chancen und Gefahren aller Befragten den verschiedenen Stufen zugeordnet. Auf eine Aufschlüsselung der Antworten nach Stakeholdern wird verzichtet. Aufhorchen lässt jedoch die klare Rückmeldung beider Grossverteiler. Für sie ist Fairer Handel primär ein Anliegen der Bio Suisse-Produzenten, von dem sie sich (punkto Vermarktung) keinen Nutzen versprechen. Auch einer der Verarbeiter, der im Fairen Handel

eine starke Aufwertung des Biogedankens sieht,

erwartet für seine

Geschäftstätigkeit aufgrund der Konkurrenzsituation keinen Nutzen. Selbst die Produzenten beurteilen den Nutzen eher skeptisch und jemand meint explizit, die einseitige Einführung von Richtlinien sei nutzlos. Der Boden für eine Einführung muss also noch gut vorbereitet werden, wenn das Pflänzchen Fairer Handel anwachsen und grossflächig gedeihen soll. Drei allgemeine Überlegungen aus den Antworten sind noch hervorzuheben: 31



Richtlinien schaffen die Möglichkeit, das Thema Fairness und Transparenz anzusprechen und einzufordern. Engagierte Bio-Vermarkter müssen sich beteiligen, wenn sie die Glaubwürdigkeit nicht verlieren wollen, schlechte Praktiken werden leichter identifizierbar.



Je nach Ausgestaltung und Auswirkung könnte die Einführung des Fairen Handels die Produzenten stärken (Zufriedenheit, Wir-Gefühl) oder vergraulen (weitere bürokratische Massnahme).



Nach allgemeiner Einschätzung wird es schwierig sein, den Konsumentinnen den Mehrwert des Fairen Handels aufzuzeigen. Die Konsumentinnen würden heute bereits davon ausgehen, dass im Biobereich der Faire Handel realisiert ist, der Produzent also eine anständige Entschädigung für seine Produkte enthält. Die Gefahr, dass sich ein Teil der Konsumentinnen getäuscht fühlt und generell von Bio abwendet, steht der Chance gegenüber, dass sie über vermehrte Nachfrage Druck auf den Handel ausüben.

3.2.3 Welches sind die grössten Herausforderungen? Frage: Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen in der Umsetzung?

In der Auswertung (Anhang G, S.75) werden die Antworten der Ebene zugeordnet, auf der eine Herausforderung gesehen wird. Dabei wird nicht unterschieden danach, welcher Stakeholder die Herausforderung genannt hat. Fünf Aspekte aus den Antworten sind hervorzuheben: •

Zusätzliche kostentreibende Elemente (Vorschriften, Kontrollen, Prämien, Mindestpreise und geringere Effizienzsteigerung im Vergleich zu Konkurrenzprodukten) können die Akzeptanz im Handel reduzieren. Mögliche Folge: Sobald dies der Zollschutz zulässt, umgehen Abnehmer (verstärkt) SchweizerKnospe Produkte um die Preise tief halten zu können.



Bleibt

Fairer

Handel

ein

regionaler

Nischenansatz

für

spezielle

Produktsegmente und/oder überschaubare Vermarktungsketten oder kann Coop und Migros zur Teilnahme motiviert und eine kritische Masse für Fair gehandelte Produkte erreicht werden? •

Das Image der Schweizer Produzenten (viel jammern auf hohem Niveau) könnte es schwierig machen, die Konsumentinnen von der Notwendigkeit des fairen Handels zu überzeugen. 32



Auf Stufe Produzent wird ebenfalls ein faires Verhalten gegenüber zugekauften Dienstleistungen und Arbeit erwartet. Die Sozialstandards sollten bei Einführung von fairen Handelskriterien kontrolliert und dadurch klar kommunizierbar

werden,

z.B.

Einhaltung

von

Normal-

oder

Gesamtarbeitsvertrag. Selbstdeklaration genügt nicht. •

Auch mit einem echten Mehrwert wird es schwierig, diesen zu kommunizieren, da die Knospe bereits (zu) viele Botschaften hat.

3.2.4 Profilierungsmöglichkeiten mit Fairen Handel Frage: Welche Profilierungsmöglichkeiten sehen Sie, diese zusätzliche Leistung zu kommunizieren und in Wert zu setzen? (in welchen Bereichen)

In

der

Auswertung

(Anhang

H,

S.76)

wird

die

Einschätzung

der

Profilierungsmöglichkeiten durch die befragten Stakeholder jeder Handelsstufe gezeigt. Es fällt auf, dass die Hauptpartner Coop und Migros keine (grossen) Vermarktungs-

und

Profilierungsmöglichkeiten

sehen.

Die

Stiftung

für

Konsumentenschutz ihrerseits ortet in der Ausweitung der sozialen Kriterien – nicht im Fairen Handel – eine gute Profilierungsmöglichkeit. Drei Gedanken aus den Antworten sind hervorzuheben: •

Profilierung ist am einfachsten zu realisierenden in Bereichen mit relativ ruhigem Marktgang, in denen die Bio-Produzenten schon gut mit den Verarbeitern im Inland organisiert sind, z.B. Milch, Fleisch, Getreide, …



Zusätzliche Einnahmen sollten zielgerichtet in zukunftsorientierte Projekte investiert werden und nicht nur (direkt) das Einkommen der Produzenten erhöhen. Wenn spezifische Verbindungen zu Menschen (in Projekten, Regionen, Organisationen und Programmen) herstellt werden können, dann dürfte der Nutzen am ehesten kommunizierbar sein.



Was „Bio“ für den Anbau, ist „Fair“ für den Handel: Höchstmöglicher Respekt im Umgang miteinander (b2b) führt dazu, dass alle Gewinner sind.

3.2.5 Akzeptanz bei Konsumentinnen Frage: Wie schätzen Sie die Akzeptanz bei den Konsumenten ein?

In

der

Auswertung

(Anhang

I,

S.77)

wird

die

Einschätzung

der

Profilierungsmöglichkeiten durch die befragten Stakeholder jeder Handelsstufe gezeigt. Die Einschätzungen, ob die Konsumentinnen bereit sind, einen Mehrpreis zu 33

bezahlen, sind sehr geteilt, vermutlich je nachdem, ob sie mit Blick auf das Segment der regelmässigen Biokonsumentinnen oder mit Blick auf die Wechselkäuferinnen im Gesamtmarkt erfolgen. Auch gibt es auf jeder Handelsstufe und in jeder Handelskette unterschiedliche, aus der Praxis abgeleitete Ansichten, warum Bio erfolgreich ist. Die jeweilige Sicht prägt dann auch die Aussagen zur Akzeptanz, z.B.: Wenn der Erfolg von Bio in erster Linie darauf beruht, dass Bio eine Antwort auf Verunsicherung

und

Besorgnis

bezüglich

Lebensmittelqualität

und

Umwelt-

entwicklung ist, dann wird auch das Engagement für faire Austauschverhältnisse im Biohandel das Konsumentenvertrauen erhalten. Vier genannte Voraussetzungen für hohe Akzeptanz sind hervorzuheben: •

Ein regionaler oder kantonaler Bezug



Die Sicherheit, dass ein allfälliger Mehrpreis dem Produzent zugute kommt



Ein glaubwürdiges Versprechen



Einführung begleitet mit gezielten Infokampagnen und klaren Botschaften

3.3

Expertenworkshop 21. August 2008 16

An einem ganztägigen Workshop auf der Geschäftsstelle der Bio Suisse wurden die generellen Voraussetzung zur Einführung von Kriterien zum Fairen Handel für Schweizer Produzenten sowie mögliche Handlungsansätze vertieft diskutiert und bearbeitet. Die folgenden Kapitel sind eine Zusammenfassung und Systematisierung des Workshops, in welchem sechs verschiedene Bereiche bearbeitet wurden:

16

- Mindeststandards

- Punktesystem

- Code of Conduct

- Preistransparenz

- Rating

- Empowerment

Teilnehmende: Arbenz Markus, Geschäftsführer Bio-Suisse; Matter Konrad, freischaffender

Konsulent mit langjähriger praktischer Tätigkeit in Bioanbau und Fairtrade; Ramseier Hans, Leiter QS und Entwicklung bei Bio Suisse; Ramseier Ueli, Leiter Qualität und Internationale Zusammenarbeit, Max

Havelaar;

Staub

Markus,

Verantwortlicher

Standards

und

Projektleiter

Internationale

Zusammenarbeit, Max Havelaar; Stolze Matthias, Leiter Fachgruppe Sozio-Ökonomie des FiBL; van den Berge Paolo, Beratungsdienst FiBL, Fachgruppe International und Richtlinienexperte; Probst Helfenstein Maya, Präsidentin Bio Luzern, eingeladen aber verhindert.

34

3.3.1

„Fair für Alle“ oder „Fair für Produzenten“

Die strategischen Vorgaben für die Arbeitsgruppe – die Bio-Knospe entwickelt sich zum Nachhaltigkeitslabel – sind gegeben (Kapitel 2.1.2).

Zu klären war jedoch

insbesondere, unter welchen Prämissen und unter welcher Definition von Fairem Handel gearbeitet werden soll: Wer ist das Subjekt, wer das Objekt? Der klassische Fairtrade geht von einer Benachteiligung marginalisierter Produzenten aus, die keinen direkten Marktzugang und keinen Einfluss auf die Preisgestaltung haben. Später wurde Fairtrade dann auf „ausgebeutete“ Arbeiter in Plantagen ausgeweitet. Generell gesprochen zielt Fairtrade damit auf die Stärkung der schwächsten Glieder in der Produktionskette ab. Subjekt bei FLO waren die Fairtrade-Organisationen der Nordländer, Objekt die begünstigten Produzenten (und Arbeiter) der Südländer. Erst vor zwei Jahren hat sich FLO geöffnet, wurden die Produzentennetzwerke Miteigentümer und damit Subjekte im System des Fairen Handels. Ausgehend von diesem Ansatz stellt sich die Frage: Wer sind die Benachteiligten im Fall der Knospe Schweiz? Ist es der familiäre Bauernbetrieb, der Arbeiter beim Grossbauer oder auch noch andere Benachteiligte in der Handelskette? Kann man ein Prinzip (Fairer Handel) einführen, ohne die Benachteiligten zu nennen? Nach längerer – und während dem Tag wiederholter – Diskussion besteht Einigkeit, dass unter der Prämisse „Fair für Alle“ gearbeitet wird, weil ökonomische Nachhaltigkeit (=Fairer Handel) erst dann erreicht ist, wenn eine Win-Win Situation geschaffen wird nicht nur die Produzenten (existenzsicherndes Einkommen) und alle Handelsstufen (angemessene Margen), sondern auch für die Konsumentinnen (zahlbarer Preis) und die Arbeiter (gute Arbeitsbedingungen). Innerhalb dieser Prämisse wird als Subjekt primär der bäuerliche Familienbetrieb mit bis zu zwei Angestellten gesehen. Er ist der am meisten Benachteiligte in der anhaltenden landwirtschaftlichen

Strukturbereinigung.

Allseitig

anerkannte

Kriterien

und

Mechanismen sollen insbesondere seine Situation verbessern. 3.3.2 Beurteilung von Instrumenten des Fairen Handels Wichtigste Voraussetzung für die Einführung von Instrumenten des Fairen Handels ist sicher die Akzeptanz bei den Handelspartnern. Ausserdem sollen die Systemkosten

für

Kontrolle

und

Administration

möglichst

gering

sein.

Wünschenswert ist zudem eine liberale, nicht obligatorische Lösung, die den Teilnehmenden

die

Möglichkeit

bietet,

sich

von

Mitbewerbern

positiv

zu 35

differenzieren.

Fairer

Handel

soll

mit

wenigen,

aussagekräftigen

Kriterien

beschrieben werden. Die Kriterien sollten inhaltlich konsistent sein, auf anerkannten und allgemein akzeptierten Werten basieren und gewichtet werden. Sie müssen mit Indikatoren hinterlegt werden, die eine möglichst transparente und objektive Prüfung ermöglichen. Besonders wichtige Kriterien 17 könnten als Ausschlusskriterien definiert werden. Instrumente zur praktischen Umsetzung sind zusätzlich anhand folgender Elemente zu beurteilen: - Erhöhung der Transparenz

- Ausschlusskriterien (unfaire bleiben draussen)

- Kommunizierbarkeit

- Überprüfbarkeit (Glaubwürdigkeit)

- Umsetzbarkeit (Etappen)

- Niederschwelliger Einstieg

- Entwicklungsorientierung

- Neutraler Beschwerdemechanismus

- Differenzierungsmöglichkeit

- Anwendbarkeit (alle Produkte, gesamte Kette)

Es

ist

zu

beschreiben,

wie

sich

die

Einführung

auf

die

existierenden

Handelsbeziehungen und die verschiedenen Akteure auswirken wird: Wen fördern die Kriterien und wen schränken sie ein. 3.3.3 Mindeststandard oder Code of Conduct Sowohl der Mindeststandard als auch Code of Conduct (CoC) definieren, was unter Fairem Handel zu verstehen ist. Der Aufwand zur Erarbeitung der Kriterien ist bei beiden derselbe. Die Kriterien können ebenfalls dieselben sein, aber der CoC kann allgemeiner gehalten werden (Definition von Prozessen und Verhaltensweisen). Beide werden aufgrund einer freiwilligen Verpflichtung eingehalten. Der Unterschied liegt insbesondere darin, dass ein Mindeststandard in der Regel einer externen Kontrolle unterliegt, während ein CoC intern verifiziert wird. Bei einem CoC wird oft von einem sehr tiefen, allgemein akzeptierten Mindestkodex (in der Regel der aktuelle Ist-Zustand) ausgegangen: Mit Zielvereinbarungen über Etappen für z.B. die folgenden 10 Jahre wird das Anspruchsniveau nach und nach erhöht. Beim Mindeststandard besteht eine Eintrittshürde, da ab Beginn das „Minimum“ eingehalten werden muss. Daher kann ein Mindeststandard klarer kommuniziert werden und hat höhere Glaubwürdigkeit. Allerdings stellt sich die grundsätzliche Frage, ob z.B. Migros oder Coop überhaupt rausfallen könnten, wenn sie die

17

Bei FLO (14 Kriterien) oder Utz (71) Major genannt, bei Rainforest Alliance (14) Critical Criterion

36

Anforderungen nicht erfüllen. Die technischen Stärken und Schwächen der beiden Modelle sind über weite Strecken vergleichbar: Mindeststandard Für alle Beteiligten anwendbar Passt ins Bio Suisse Regelwerksystem Klar und verbindlich für Alle Durchsetzbar (Zertifizierung)

Stärken

Schwächen

Code of Conduct Flexibel anwendbar (Produzenten / Kette) Ist nicht systemfremd (Teil Lizenzvertrag) Bekenntnis erforderlich

Nicht entwicklungsorientiert Nur einklagbar, nicht durchsetzbar Starr, wenn keine Progress-Kriterien Papiertiger, wenn nicht aktiv bearbeitet Bewertung von Abweichungen / Glaubwürdigkeit abhängig von Sanktionierung Beschwerde-Mechanismus Systemabgrenzung Betroffene ÅÆ Akteure Komplexität der Wertschöpfungskette Verschiedenartigkeit der Produkte

Einfaches System mit wenigen Kriterien und klaren Indikatoren Vernünftiger Kontrollaufwand Schiedsgericht Akzeptanz bei allen Akteuren, insbesondere bei nachgelagerten Stufen Tabelle 10: Stärken und Schwächen von Mindeststandard und Code of Conduct

Voraussetzungen

Jede Definition von Fairem Handel muss die Position der schwächsten Glieder stärken und gleichzeitig helfen unfaire Praktiken zu lokalisieren und verbessern. Das heisst auch, dass die schwächsten Glieder benannt werden müssen. Was Fairness bedeutet, sollte durch Indikatoren messbar gemacht werden. Kann zum Beispiel ein Produzent mit seiner sechsköpfigen Familie davon leben, oder kann sich eine sechsköpfige Familie einen Bioeinkauf leisten? Mindestanforderungen sollten definieren, wann von Fairen Handelsbeziehungen gesprochen werden kann. Zusätzliche

Verbesserungen

in

den

Handelsbeziehungen,

über

den

Mindeststandard hinaus, können in Progresskriterien oder als Best Practice beschrieben werden. Die Konsumentinnen sind insofern ein Spezialfall, als sie – im Gegensatz zu den Produzenten und den Akteuren in der Wertschöpfungskette – in jeder Situation die Wahl haben für ein anderes, billigeres Produkt. Inhaltlich sollten folgende Punkte geregelt werden: - Kosten- /Preis-Transparenz

- Verbindlichkeit von Branchenverhandlungen

- Einhaltung von Abmachungen

- Langfristige Handelsbeziehungen

- Abnahmegarantien

- Risikoausgleich in Abnahmeverträgen geregelt

- Rückverfolgbarkeit (transparent?) - Unabhängige Schiedsgerichtsstelle - Aushandlung von Mindestpreisen / Preisbändern / Maximalmargen 37

3.3.4 Rating oder Punktesystem Rating oder Punktesystem sind liberale Möglichkeiten, wie Faire Handelskriterien um- und durchgesetzt respektive kontrolliert werden könnten. Sie setzen voraus, dass sich die Teilnehmer auf ein Regelwerk (Standards oder CoC) geeinigt haben und bewerten den Grad der Einhaltung. Zusätzlich zu klaren Indikatoren ist ein Bewertungsschema zu erarbeiten, das eine Gewichtung erlaubt. Beide Systeme machen Leistungen oder Verhalten vergleichbar. Das Punktesystem eignet sich speziell, um überobligatorische Leistungen sichtbar und für sehr unterschiedliche Kontexte vergleichbar zu machen 18 . Die Qualifizierung können sowohl im Rating als auch im Punktesystem auf drei verschiedene Arten durchgeführt werden: -

Selbsteinschätzung Æ Glaubwürdigkeit

-

Fremdeinschätzung durch Handelspartner Æ anspruchsvoll und brisant

-

Fremdeinschätzung durch unabhängige Instanz Æ Kosten

Die Resultate beider Systeme können sowohl zur Profilierung (wer ist der Beste) als auch zur Diffamierung („name and shame“) genutzt werden, wenn sie intern oder allgemein zugänglich gemacht werden. Die Stärken und Schwächen der beiden Modelle sind über weite Strecken vergleichbar: Rating

Punktesystem Fördert Verbesserungsprozess Flexibles System Schaft Transparenz, erlaubt Selbsteinschätzung Möglichkeit des Benchmarking Nutzung für Beratung möglich System der Partnerschaft nicht förderlich Völlig neues System für Bio Suisse Aufwand / Kosten

Stärken

Schwächen

Unverbindlichkeit Vergleichbarkeit bei Selbsteinschätzung fraglich Veröffentlichung / Zugänglichkeit Objektiv bewertbare Kriterien und Indikatoren, die für alle, die damit arbeiten klar sind Finanzielle und personelle Ressourcen Akzeptanz bei Akteuren Technische Machbarkeit Tabelle 11: Stärken und Schwächen von Rating und Punktesystem Völlige Subjektivität

Voraussetzungen

18

Beim Punktsystem wird für jedes Kriterium ein Minimum definiert. Es besteht die Möglichkeit,

weitere Punkte zu erzielen für zusätzliche Leistungen. Es kann eine bestimmte Mindestanzahl Punkte vorgegeben werden.

38

Beide Ansätze sind systemfremd, erfordern eine hohe Investition und verursachen erhebliche Unterhaltskosten. Es stellen sich aber auch grundsätzliche Fragen: •

Sind Punkte- und Ratingsysteme ein geeignetes Instrument, um eine Partnerschaft in der Handelskette zu fördern, insbesondere wenn die Einschätzung durch den Handelspartner erfolgt?



Wie wird mit unterschiedlichen Bonitäten umgegangen, damit es mit dem Handel oder den Konsumentinnen keine Probleme gibt?



Was passiert, wenn weder Coop noch Migros die Profilierungsmöglichkeit nutzen möchten? Selbst wenn der Bio Fachhandel die Chance packen würde und seinen Umsatz verdoppeln könnte, würde er erst einen Anteil von ~20% der Knospe-Produktion vermarkten. Das Ziel, den Gesamtmarkt zu bewegen würde verfehlt.



Die interne oder öffentliche Abrufbarkeit trägt zur grösseren Transparenz bei, aber wer ist wirklich an dieser Information interessiert? Die Konsumentinnen, die Handelspartner? Ist der Aufwand gerechtfertigt?



Könnte der angestrebte Effekt – die Verbesserung der Handelsbeziehungen vom „Kunden“ zum „Partner“ – allenfalls mit viel weniger Aufwand über einen effizienten Beschwerdemechanismus und Entscheidungen durch ein allseitig anerkanntes Gremium erreicht werden?



Es könnte die Erwartung entstehen, dass auch die Leistungen der Produzenten im ökologischen Bereich und im Bereich der Arbeitsbedingungen einem Rating unterworfen werden. Wie würde das Produzentenseitig aufgenommen?

3.3.5 Preistransparenz Preistransparenz beschränkt sich auf den monetären Aspekt der Handelsbeziehung. Sie kann begrenzt (gegenüber Bio Suisse) oder öffentlich sein. Öffentlich bedeutet es eine Deklaration auf jedem Produkt 19 (zum Beispiel analog der Deklaration der Inhaltsstoffe oder der Nährwerttabelle), die den Anteil des Produzenten oder jeder Stufee am Endverkaufspreis ausweisst. Der Preisanteil kann in Prozenten (Margenanteil) oder in absolutem Wert (Preisanteil) angegeben werden. Der absolute 19

oder über Internet abrufbar

39

Wert ist für Konsumentinnen einfacher zu verstehen. Die Zusammenstellung der Stärken und Schwächen zeigt, dass eine Umsetzung sehr schwierig ist. Stärken Klare, eindeutige Zahl Nur eine Botschaft Standardinformation für Interessierte

Schwächen Völlig neues System für Bio Suisse Hoher Aufwand für verarbeitete Produkte Keine Aussage über Gewinnmargen, da Preistransparenz z.B. Skaleneffekte nicht ausgewiesen Kaum realisierbar für Frischprodukte mit Möglichkeit des Vergleichs stark schwankenden Preisen Finanzielle und personelle Ressourcen Voraussetzungen Bedarf und Akzeptanz bei Akteuren Technische Machbarkeit Tabelle 12: Stärken und Schwächen von Preistransparenz

Eine andere Möglichkeit, die Bindung zwischen Produzenten und Konsumentinnen zu stärken, wäre die Einrichtung eines Produzenten-Finders auf der Homepage, in den die Nummer des Produzenten (oder des Lizenznehmers) eingegeben wird und so ein Portrait jedes Knospe-Betriebes und seiner Familie abgerufen werden kann (vergleiche Beispiele im Anhang ab S.91). Diese kommunikative Massnahme bringt den Produzenten keine direkten Vorteile und ist auch nicht spezifisch für Fairen Handel. 3.3.6 Empowerment Empowerment heisst auf Deutsch Befähigung oder Ermächtigung. Dies macht klar, dass Empowerment nicht von oben sondern von unten geschieht: Aus einer Position der Schwäche wird die Macht oder Fähigkeit zur Mitwirkung und Mitgestaltung entwickelt. Sophie Charlier 20 unterscheidet in einer Arbeit drei Wirkungsebenen von Empowerment: •

Der kollektive Organisationsprozess. Gruppen nehmen als Resultat eines Bewusstseinsprozesses mit gemeinsamen Aktivitäten Einfluss.



Die Aneignung von Fähigkeiten (Können und Wissen). Sie erlauben dem Einzelnen, seine bisherige Position zu hinterfragen und zu verändern.



Das wachsende Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen. Es spiegelt sich zum Beispiel in steigender Anerkennung durch andere.

20

Charlier Sophie (2006) entwickelte eine partizipatorische Methode, um das durch Fairtrade-

Aktivitäten angeregte Empowerment abschätzen zu können.

40

Empowerment in der Selbstorganisation: Das Empowerment der Schweizer Bio Suisse-Bauern ist bereits stark. Diese Stärke wird weitgehend dadurch bestimmt, wie überzeugt jeder einzelne Produzent ist vom eingeschlagenen Weg (gemeinsame Vision Bio Suisse) und sich auch aktiv einbringt. Dies setzt den systematischen Einbezug der Mitglieder und kontinuierliche Informations- und Weiterbildungsarbeit sowie Erfahrungsaustausch von Seite der Vereinigung voraus. Mit dem Empowerment der einzelnen Bauern, welche sich mit der Strategie von Bio Suisse vertieft auseinandergesetzt haben und diese aus Überzeugung

mittragen

wollen,

wird

die

tragfähige

Basis

für

zukünftiges

solidarischen Handeln gelegt. Empowerment im Markt: Der Anspruch der Knospe-Produzenten ist es, eigenständig gute Verträge auszuhandeln.

Dem

sind

real

Grenzen

gesetzt

durch

den

Willen

des

Handelspartners. Es war eines der AHA-Erlebnisse des Workshops, dass Empowerment zur Verbesserung der Verhandlungsposition für Bio als exklusive Strategie im Widerspruch steht zum Anspruch „Fair für Alle“. Eine geeinte Verhandlungsposition ist auch nur begrenzt wirksam, da für gute Resultate im vom Duopool geprägten Schweizer Bio-Markt eine wesentliche Grundvoraussetzung fehlt: Die Handlungs- (Markt-)alternative. Als Teil einer Gesamtstrategie muss die Position der Produzenten jedoch weiter gestärkt werden durch Weiterbildung, Pooling, Professionalisierung und Allianzen. Dabei spielt die Verfügbarkeit von Information (intern und über Marktpartner), das Vertrauen in die Repräsentanten und die Höhe der verfügbaren Mittel eine wesentliche Rolle. Ausschlaggebend für den Erfolg im Markt ist jedoch die Bereitschaft der einzelnen Mitglieder, entschlossen und solidarisch die Entscheide des Vorstandes und der Geschäftsstelle mitzutragen. Empowerment der Konsumentinnen: Konsumentinnen sind im Fairen Handel dann die verlässlichsten Partner der Produzenten, wenn sie ein emotionales Bewusstsein für die Situation entwickeln. Konsumentinnen müssen informiert, sensibilisiert und insbesondere mit einbezogen werden. Die Zusammenarbeitarbeit mit Konsumentenorganisationen sollte daher strategisch und langfristig gestärkt werden.

41

4 Praxisbeispiele Die Thematik des Fairen Handels ist als Angelpunkt für Nachhaltigkeit brandaktuell. Dies zeigt sich an der Vielzahl der erst in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden schiessenden regionalen Projekte. Die hier besprochene Auswahl erhebt nicht den Anspruch, vollständig zu sein. Sie will einen Überblick über verschiedene Ansätze vermitteln und auf inhaltliche Aspekte hinweisen, die für das Projekt Fairer Handel in der Bio-Knospe interessant sein könnten. Die Projekte verfolgen übereinstimmend das Ziel, sich dank nachhaltiger Wirtschaftsbeziehungen am Markt langfristig erfolgreicher zu positionieren. Mit Ausnahme von „Respect inside“ und „Genève Région – Terre Avenir“ stammen alle Beispiele aus dem Bio- oder Fairtrade Sektor.

4.1

Zusammenfassung und Anregungen

Einen schnellen Überblick über eine Auswahl der vielfältigen Anregungen aus der Auseinandersetzung mit den Praxisprojekten erlaubt die Zusammenstellung in Anhang L, auf Seite 89. Die Initiativen werden inhaltlich im Anhang M, ab Seite 91, in drei Gruppen vorgestellt. 4.1.1 Auf Informationsvermittlung ausgerichtete Praxisbeispiel Diese Projekte wollen über die transparente, positive Positionierung eines Unternehmens, einer Wertschöpfungskette oder einer Branche auf indirektem Weg einen Mehrwert (auch für den Produzenten) generieren. Transparente, vielfältige oder umfassende Information soll die Konsumentin in ihrer Kaufentscheidung beeinflussen oder bestärken, ihr Glaubwürdigkeit vermitteln. Ein Rating-, Punkteoder Preistransparenzsystem könnte auf vergleichbare Weise umgesetzt werden. Die auf Informationsvermittlung ausgerichteten Label (Anhang M ab S.91) schaffen mit zum Teil erheblichem Ressourcenaufwand eine virtuelle Verbindung zur Konsumentin, die dieser – a là carte – Proximität zum Produzenten suggeriert. Die Empfindung von Nähe wird gefördert, indem neben technischer Information (Betriebsspiegel) auch Fotos oder Interviews, z. B. mit dem Betriebsleiter, verfügbar gemacht werden. Noch persönlicher – beinahe wie eine Betriebsführung für die Lesende – wirkt die freie Erzählung in der Ich-Form (Bio mit Gesicht). Bisher werden 42

noch

keine

Kurzvideos,

Blogs

oder

andere

modernere

IT-

Kommunikationsinstrumente eingesetzt. Eine Herausforderung ist der Entscheid, wie viel Information in welcher Qualität angeboten werden soll. Dazu ist es wichtig, das Zielpublikum und dessen mutmasslichen Ansprüche sehr genau zu definieren. Wird (zu) wenig Information zur Verfügung gestellt, könnte der Auftritt mager wirken und gar der Eindruck entstehen, man habe nicht viel zu erzählen. Wird (zu) viel Information zur Verfügung gestellt, ist es schwierig, diese aktualisiert und konsistent zu halten und nicht noch höhere Erwartungen zu schüren. Bei „nature & more“ (S.91) möchte man zum Beispiel gerne wissen, wie sich eine tiefe Qualifikation im Verlaufe der Zeit verändert (hat), oder was konkret hinter einer hohen Bewertung für Innovation & Forschung steckt. Der Ansatz von „Bio mit Gesicht“ (S.92) ist interessant: Mit dem Rahmenangebot von generellen Zusatzinformationen und Links kann unterschiedlich umfangreiche Produzenteninformation ausgeglichen werden. Ausserdem wird die surfende Konsumentin animiert, abzuschweifen und sich vertieft mit einer Thematik oder einem Produkt auseinander zu setzen. Insbesondere für Kleinbetriebe könnte das einheitlich gestaltete Portrait nicht nur ein Portrait, sondern die reale, selbst gepflegte Homepage sein. Dem einheitlichen Auftritt der Bio-Knospe im Feld, auf dem Hof sowie in der Vermarktung fehlt bisher eine Entsprechung auf der Ebene des Internets. Einheitliche Elemente in der Gestaltung der Homepage würden auch im Internet dazu beitragen, die Widererkennbarkeit und Wahrnehmung zu erhöhen. Die Verantwortlichen von Switcher zeigen Mut, indem sie mit „Respect inside“ (S.93) kein fertiges Produkt aufschalten, sondern die interessierte Konsumentin am „Work in Progress“ teilnehmen lassen. Dies ist so ehrlich wie aussergewöhnlich, setzt aber voraus, dass man sehr überzeugt ist vom kontinuierlichen Fortschritt und dieser für die Benutzerin sicht- und nachvollziehbar ist. Die Wirkung von Selbstbeurteilung (Respect inside) und Fremdbeurteilung (Nature & more) auf die Betrachterin ist im ersten Moment vergleichbar: Da wird etwas gemacht, da kümmert man sich ums Detail und macht es transparent. Erst bei vertieftem Interesse, insbesondere von Fachpersonen, können Frage auftauchen, wie akkurat eine Information ist oder was sie genau bedeutet. Der Aufwand, solche Beurteilungen zu erstellen und aktualisiert zu halten, ist allerdings erheblich. Der Ansatz von „Respect inside“ überzeugt, weil er vom Anspruch ausgeht, dass jeder 43

Akteur aktiv und affirmativ Verantwortung übernimmt (Ownership), die von ihm anerkannten

Werte

immer

besser

umzusetzen,

den

aktuellen

Status

zu

kommunizieren und sich daran messen zu lassen. Dazu braucht es allerdings Unterstützung und Motivation durch die Geschäftspartner oder den Verband 21 . 4.1.2 Von Fairtrade und regionaler Selbsthilfe geprägte Praxisbeispiele Die von Fairtrade (IFAT) geprägten Projekte (S. 94ff) sind komplexer als die von regionaler Selbsthilfe geprägten. Die Ansprüche sind eher von theoretischen Konzepten hergeleitet und umfassender definiert, insbesondere in Bezug auf die Respektierung der Arbeitsrechte. Zu den treibenden Kräften zählen auch engagierte zivilgesellschaftliche Gruppen, Eine Welt-Netzwerke oder Fairtrade Händler. Sie beteiligen sich – unterschiedlich stark – auch an der Debatte um den IFOAM Verhaltenskodex für den ökologischen Handel (Anhang P, S.107). Die von regionaler Selbsthilfe geprägten Projekte (S.98ff) sind schlanker. Die Ansprüche sind eher auf Umsetzung ausgerichtet und widerspiegeln den kleinsten gemeinsamen Nenner. Treibende Kräfte sind neben den Produzenten die Verarbeiter und Händler aus spezifischen Wertschöpfungsketten, unterstützt durch vielfältige staatliche Forschungs- und Promotionsprojekte. Die von Fairtrade und regionaler Selbsthilfe geprägten Projekte haben viele Gemeinsamkeiten: • • •

• •

21

Die Erhaltung und Stärkung der bäuerlichen Familienbetriebe und der regionalen Wirtschaftskreisläufe stehen im Fokus. Sie sind das Resultat der Zusammenarbeit aller Akteure der Wertschöpfungskette von der Produktion bis zum Endverkäufer. Vertrauen, basierend auf persönlicher Beziehung, aktiver Partizipation und Transparenz, ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Die Vermarktung ist überblickbar und erfolgt meist über kleinere bis mittlere und alternative Absatzkanäle, die ein klares Engagement für biologische, faire oder allgemein nachhaltige Produktion aufweisen. Bestes Bio fasst dies etwas weiter und verwendet dafür den Begriff „qualitätsorientierter Lebensmittelhandel“. Es erfolgt kein Verkauf über konventionelle Discounter. Der Anspruch auf einen fairen Preis ist verknüpft mit dem Anspruch an faire Anstellungsbedingungen und – in den meisten Fällen – an aktives ökologisches Verhalten. Der Sensibilisierungs- und Kommunikationsarbeit wird eine grosse Bedeutung zugemessen. Bei vielen Projekten gibt es neben der operativen Geschäftseinheit einen unabhängigen Verein oder Klub, der die Kommunikations- und Vernetzungsarbeit leistet. Hier können sich alle Interessierten ehrenamtlich für das Projekt einsetzen. Tabelle 13: Gemeinsame Elemente aller Praxisbeispiele

Ein interessantes Beispiel von Verbandsunterstützung ist das vom Verband Schweizer

Druckindustrie unter Federführung der Druckerei Feldegg AG entwickelte „Öko Rating“, bei dem interessierte Mitglieder stark unterstützt werden.

44

Über alle Projekte gesehen fällt auf, dass… •

bei Projekten, die erfolgreich zu laufen scheinen, alle Stakeholder von Beginn weg beteiligt waren, je nach Ausrichtung auch Gewerkschaften aus Verarbeitung und Handel.



Weiterbildung

und

Bewusstseinsbildung

auf

allen

Stufen

der

Wertschöpfungskette, auch bei den Produzenten, ein hoher Stellenwert beigemessen wird (Erfolgsfaktor). •

die Idee einer Fairtradeprämie zur Verwirklichung von Projekten nur einmal auftaucht. Dies ist erstaunlich, fehlen doch auf Stufe der Produzentenorganisation in der Regel nicht die guten Ideen, sondern die finanziellen Ressourcen zu deren Umsetzung.



in einem Projekt auch definiert wird, dass Importware, die in einem Labelprodukt allenfalls verwendet wird, aus Fairem Handel stammen muss.



kein Projekt mit Progress-Kriterien arbeitet.



Konfliktregelungsmechanismen nur in einigen Projekten vorgesehen oder beschrieben sind.



nur ein Projekt explizit von Rechten (der Produzenten, Verarbeiter, Händler und Arbeiter) spricht.

4.1.3 Projekte, die ein breiteres Echo ausgelöst haben Die meisten Projekte befinden sich in der Pionierphase. Noch lässt sich nicht abschätzen, wie erfolgreich sie sein werden. Wichtige Hinweise für Bio-Suisse ergeben sich aus drei schon seit Jahren erfolgreich laufenden Projekten: Staatliche Unterstützung, klare Botschaft und Verankerung bei den Konsumenten sind bei allen dreien kritische Erfolgsfaktoren. Eines dieser Projekte ist die ErzeugerfairMilch der Upländer Molkerei (S.100). Erfolgsfaktoren waren die seriöse Abklärung durch ein staatlich gefördertes Forschungsprojekt, die breite Trägerschaft der Upländer Molkerei, die klare Botschaft, und der vergleichsweise geringe Aufpreis, der direkt an die Produzenten geht. Die Idee eines direkten 5 €-Cents Aufschlags pro Liter Milch für die Produzenten wurde inzwischen von verschiedenen Vermarktern für Milch und andere Produkte aufgegriffen. Unter dem Label „Bestes Bio – Fair für alle“ (S.102) wird nun 45

versucht, produktspezifische und regionale Initiativen in einem landesweiten Projekt zusammenzuführen. Mit einem Zertifizierungszusatz zur üblichen Biokontrolle soll die Voraussetzung

geschaffen

werden,

dass

auch

Teile

des

normalen

Lebensmitteldetailhandels angesprochen werden können. Ein anderes Projekt, das nach Aussagen des Geschäftsführers innerhalb weniger Jahre regional einen Bekanntheitsgrad von über 80% erreicht hat, ist „Genève Région – Terre Avenir“ (S.103). Auch hier hat sich der Staat (Kanton Genf) – mit dem Argument der Sicherstellung der regionalen Ernährungssouveränität – massgeblich an der Entwicklung beteiligt, stellt die Personalressourcen für die Geschäftsstelle und finanziert über das Gesetz zur Promotion der Landwirtschaft einen grossen Teil der Umsetzung. Im Unterschied zu den anderen Projekten sind alle regionalen Grossverteiler beteiligt. Aber: Unter demselben Label werden neben Bio- auch IPund Hors-sol-Produkte vermarktet, selbstverständlich klar deklariert. Interessantes Detail: Neue Produkte werden erst nach einem sensorischen Test zugelassen. Das dritte Projekt mit „nur“ lokaler Bedeutung aber beeindruckendem Wachstum ist die Produzenten-Konsumenten Plattform „Tagwerk“ (S.99). Sie gibt einen Hinweis auf die Dynamik, die erzielt werden kann, wenn es gelingt, Unterstützung durch Nichtlandwirte zu erschliessen, sei dies in Form von zeitlichem Engagement, Einbringen von komplementärem, professionellem Know-how oder zur Finanzierung von grösseren Projekten. Aufgrund des hohen Vertrauens können sogar ergänzende nichtlandwirtschaftliche Angebote für nachhaltigen Konsum entwickelt werden. 4.1.4 Der Faire Preis in der Praxis Die Beschreibung des fairen, gerechten oder existenzsichernden Preises fällt sehr unterschiedlich aus, von einem Preis „im oberen Drittel des marktüblichen Durchschnittspreises“ (Fair®ional, S.98) bis zu einem Mindestpreis, der 5-15% über dem Marktpreis liegt (Agricultural Justice Project, S.95). Interessant ist der Ansatz von „Bestes Bio – Fair für alle“ (S.102), jährlich Mindestpreise aufgrund der Kostenrechnungen des Landwirtschaftlichen Beratungsdienstes festzulegen, aber auch eine Obergrenze des Produzentenpreises zu verhandeln. Voraussetzung dazu ist natürlich, dass Kosten und Margen transparent gemacht werden. Kosten- und Margentransparenz ist eine grosse Herausforderung überall dort, wo keine intensive Zusammenarbeit besteht. Sie würde aber theoretisch die Möglichkeit eröffnen, dass Mindestpreise bei nachgewiesenen ökonomischen Problemen in gegenseitigem 46

Einverständnis unterschritten werden können, wie das im Agricultural Justice Project (S. 95) vorgesehen ist. Einen inneren Zusammenhang mit Preisüberlegungen haben folgende Kriterien: •

Anbaurisiko soll nicht allein beim Produzenten liegen



Listungs-Pflicht für Händler 22



Bereitschaft zur gegenseitigen Unterstützung in Notsituationen



Produktentwicklungspläne über einen längerfristigen Zeitraum



(Vor-) Finanzierung

Kein Projekt schliesst explizit die Konsumentinnen mit ein im Sinn von „Bioprodukte sind zahlbar“, obwohl davon auszugehen ist, dass diese Fragestellung überall mit im Zentrum der Überlegungen steht. „Fair für alle“ wird verstanden als Fair von der Produktion bis auf den Ladentisch.

22

Produkte, die von den Produzenten angeboten werden, müssen vom Zwischenhändler in seine

Angebotslisten aufgenommen werden – der Käufer, nicht der Zwischenhändler, soll die Wahl haben.

47

5 Schlussfolgerungen Die erfolgreiche Einführung von fairen Handelsbeziehungen erfolgte bisher für spezifische Produkte in Fachhandelsketten. Es ist stets ein regionaler Bezug gegeben. In der Regel profiliert sich damit der Fachhandel über eine zusätzliche Leistung gegenüber dem Gesamtmarkt. Diese Praxis übernimmt den Kerngedanken von Fairtrade, lokalisierbare Benachteiligte zu fördern. Richtlinien zum Fairen Handel im Gesamtmarkt und unter der Maxime „Fair für Alle“ einzuführen, ist daher ein hoher Anspruch. Er zeigt auch die Grenzen von Empowerment auf: Selbst wenn die Produzenten in Bio Suisse gut organisiert sind und über die Fachkommissionen klar an einer eigenständigen Preisbildung in Verhandlung mit den Marktpartnern arbeiten, werden sie ihre schwächere Verhandlungsposition zwar verbessern, jedoch nicht überwinden können. Die Produzenten bleiben benachteiligt. Richtlinien zum Fairen Handel sollen ihre Position stärken. Die vorgenommene Auslegeordnung bildet eine ausreichende Grundlage für strategische Empfehlungen, welche konkreten Fragestellungen bearbeitet und welche Abklärungen getroffen werden sollen auf dem Weg zu einem Handel, der „Fair für Alle“ ist. Ob die Anforderungen schlussendlich in Standards oder in einem Code of Conduct formuliert sind, in den Knospe Richtlinien oder andernorts geregelt werden,

in

welchen

Etappen

die

Umsetzung

erfolgt

und

welche

Verifizierungsmechanismen gewählt werden, wird Resultat dieser Abklärungen sein. Es wäre verfrüht, bereits heute einen Ansatz zur Verifizierung und Durchsetzung zu empfehlen. Dazu ist eine breite Abklärung unter allen Produzenten nötig, die aufzeigt,

welche

unfairen

Handelsbeziehungen

und

Benachteiligungen

die

Produzenten konkret wahrnehmen und welche Bedürfnisse sie haben? Erst auf einer solchen Basis können die spezifischen Ziele definiert und mit den grundsätzlichen Erwartungen 23 abgestimmt werden. Die Benennung des Handlungsbedarfs und die Definition der Zielgruppen wird auch zeigen, ob und wie die Ziele erreicht werden können mit dem Ansatz „Fair für Alle“, der dieser Arbeit zugrunde liegt. 23

Möglichst geringer Aufwand, breit akzeptiert und anwendbar, lieber liberal als bürokratisch,

Differenzierung zu anderen Labeln ermöglichend

48

5.1

Voraussetzungen für „Fair für Alle“

5.1.1 „Fair für Alle“ erfordert Umverteilung von Margen Es besteht ein allgemeiner Konsens, dass der Endverkaufspreis von KnospeProdukten möglichst nicht mehr steigen soll. Unter dieser Prämisse impliziert jegliche Veränderung hin zu Fairem (oder Fairerem) Handel, auch „Fair für Alle“, eine Umverteilung der Margen zugunsten der Produzenten, die bisher nicht nur das volle Produktionsrisiko alleine tragen, sondern für ihre Produkte einen immer geringeren Anteil am Konsumentenfranken lösen können. Ein solcher Margenausgleich ist ohne Auseinandersetzungen mit den Handelspartnern nicht erreichbar. Es ist daher alles daran zu setzen, die Fragestellung so sachlich und neutral moderiert wie möglich zu diskutieren, ausgehend von generell anerkannten Grundsätzen. Strategischen Allianzen

mit

anderen

Benachteiligten

in

der

Handelskette

sowie

mit

Konsumentenorganisationen kommt eine wichtige Rolle zu, weil dann das Anliegen nicht als ein Partikulärinteresse der Produzenten zur Seite geschoben werden kann. 5.1.2

„Fair für Alle“ erfordert neue Botschaften

„Fair für Alle“ als Teil des Knospe Labels stellt eine grosse Herausforderung dar, da eine von den Fairtrade-Botschaften geprägte Konsumentenerwartung besteht: Fairtrade ist auf die am meisten benachteiligten Produzenten, auf die Bedürftigsten in der Handelskette, ausgerichtet. Die so geprägte Konsumentenwahrnehmung kann in der Schweiz bedient werden durch Zielgruppen wie Bergbauer und Kleinbauer, oder – weniger spezifisch – mit Umschreibungen wie „bäuerlicher Familienbetrieb“ und „Bauer aus der Region“. Mit dem Anspruch, „Fair für Alle“ im Gesamtmarkt einzuführen, ergeben sich grosse Herausforderungen: 1. Durch Umsetzung im Bio-Gesamtmarkt wird Fairer Handel zum Prinzip erhoben. Dies entspricht zwar der Vision von Fairtrade („Fairtrade wird selbstverständlich“), führt aber dazu, dass „Bedürfnis und Benachteiligung“ als zentrale Botschaften ersetzt respektive ergänzt werden müssen. Damit wird die Rechtfertigung für einen direkten Mehrpreis schwieriger, da alle, insbesondere „die Grossen“ Produzenten mit hohen Produktionsvolumen und hoher Produktivität, die es aus Konsumentensicht ja nicht besonders nötig haben, von einem solchen profitieren.

49

2. Durch den Anspruch „Fair für Alle“ wird die Zielgruppe über den Kreis der Produzenten hinaus ausgeweitet. Damit wird die Botschaft gegenüber den Konsumentinnen unschärfer. 3. Es ist unklar, welche Akteure der anderen Handelsstufen benachteiligt und an einer strategischen Partnerschaft mit den Produzenten interessiert sind. Die sozialen Anforderungen von Bio Suisse müssten konsequenterweise dann auch auf allen anderen Handelsstufen zur Anwendung kommen. Im Unterschied zu den Bio Produzenten werden die nachgelagerten Handelsund Verarbeitungsstufen damit kaum Probleme haben, da sie bereits heute höhere gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen haben. 4. Solange die sozialen Anforderungen sich inhaltlich auf die Umsetzung gesetzlicher Vorgaben beschränken, können sie nicht als zusätzliche Leistung beworben werden. Damit ergibt sich für die zukünftige Kommunikation einer nachhaltig

positionierten

Knospe

ein

Problem:

Im

sozialen

Nachhaltigkeitsbereich werden nur die obligatorischen Minimalbedingungen eingehalten,

während

im

ökologischen

(Gesamtbetrieblichkeit,

Verarbeitung,…) und im ökonomischen Bereich (Fairer Handel) klare Mehrwerte ausgewiesen werden können. 5.1.3 „Fair für Alle“ erfordert partnerschaftliche Richtlinienentwicklung Die Knospe gehört der Bio-Suisse, den Produzenten. Diese beschliessen über Richtlinienänderungen unter Anhörung der Handelspartner. Die vorliegende Arbeit enthält eine reiche Sammlung von konkrete Hinweise und Anregungen, worauf bei der Definition und Einführung von Kriterien des Fairen Handels zu achten ist. Aus drei wird Gründen empfohlen, diese Kriterien von Grund auf zusammen mit den Handelspartnern zu entwickeln: 1. Bisher regeln die Knospe Richtlinien die Produktionsbedingungen und stellen die schonende Verarbeitung der Produkte durch technische Vorschriften sicher. Das heisst, die Produzenten haben im Wesentlichen Anforderungen an sich selbst beschlossen. Mit Kriterien zum Fairen Handel wird die ganze Handelskette in die Pflicht genommen. Dies kann nicht gegen den Willen der (wichtigsten)

Handelspartner

respektive

nur

mit

der

nachhaltigen

Unterstützung durch die Konsumentinnen (Nachfrage) erfolgreich sein. Wenn die Kriterien des Fairen Handels breit akzeptiert werden sollen, können sie 50

nicht einseitig durch Bio Suisse definiert, sondern müssen in einem Prozess gemeinsam mit den Schlüsselakteuren erarbeitet werden. Eine Orientierung an den Kategorien des IFOAM-Verhaltenskodex (Anhang S.107) für den ökologischen Handel ist zu prüfen. 2. Das klar geäusserte gemeinsame Interesse aller Handelspartner ist eine langfristige Partnerschaft 24 . Die Spielregeln für eine Partnerschaft können nur in einem gemeinsamen Prozess erarbeitet werden. Fairer Handel lässt sich nur realisieren, wenn die wichtigsten Handelspartner „ownership“ entwickeln, das heisst, sich zu Prinzipien und Regeln bekennen und für deren Umsetzung Verantwortung übernehmen. Es ist sorgfältig abzuwägen, wie die Partner zur Teilnahme an diesem Prozess „motiviert“ werden. 3. Soziale Anforderungen und Fairer Handel sind wie zwei Seiten derselben Medaille verbunden. Daher muss „Fair für Alle“ idealerweise auch die Rechte und Ansprüche der Angestellten über die gesamte Kette mit einbeziehen. Konkret sollten auch Interessenvertreter der Arbeiterschaft in die Ausarbeitung von Kriterien miteinbezogen werden, damit ihre Anliegen nicht auf der Strecke bleiben.

5.2

Grösste Stärken und Schwächen

Bio Suisse

• •

• •

24

Grösste Stärken Grösste Schwächen Klares Leitbild Æ Positionierung Knospe • Keine homogene Mitgliedschaft Æ unterals Nachhaltigkeitslabel schiedliche Realitäten und Interessen Werte des Fairen Handels sind in den • Hohe Erwartung der Produzenten Richtlinien und Lizenzverträgen bereits bezüglich höheren, „gerechten“ Preisen heute grundsätzlich vereinbart • sozialen Anforderungen noch schwach verankert eingespielte Marktkoordination mit Handelspartnern • hohe Kriteriendichte stört Produzenten Æ Austritte, da Knospe zuwenig Mehrwert Positives Image Tabelle 14: Grösste Stärken und Schwächen

Auf die hohe Bedeutung einer langfristigen Partnerschaft weist auch wird auch Ruben (2008, S.43)

in einer neuen Impact-Analyse von Fairtrade hin. Er mutmasst sogar, dass langfristige Lieferverträge und die Sicherheit dauerhafter Absatzmöglichkeiten für grosse Produktvolumen möglicherweise wichtigere Instrumente des Fairen Handels sind als die direkten Preisvorteile, da erhöhte Einkommenssicherheit

unternehmerisches

Verhalten

fördere

(erhöhte

Risiko-

und

Investitionsbereitschaft, langfristiger Horizont).

51

5.3

Grösste Chancen und Bedrohungen Grösste Chancen

Grösste Bedrohungen Grossverteiler sehen keinen Nutzen in Richtlinien zum Fairen Handel Zeit für nachhaltigen Handel ist reif • Duopol auf Abnehmerseite, das auch die (Klimabewusstsein, Preisschere), aber wichtigsten Konkurrenz-Labels kontrolliert das Thema noch nicht breit lanciert und kein nennenswerter Alternativmarkt überblickbare Zahl grösserer Lizenzneh• Ablehnung zusätzlicher kostentreibender mern ( >1 Mio. Umsatz) Elemente Langfristige Handelsbeziehungen und • Wahlfreiheit der Konsumentinnen gemeinsame Visionen sind allen wichtig • Verordnete Verwendung des EGÖkosiegels auf allen Bioprodukten aus EU Tabelle 15: Grösste Chancen und Bedrohungen •

Marktumfeld



• •

5.4

Zu lösende Schlüsselprobleme

Der aktuelle Kontext, insbesondere die düsteren Konjunkturaussichten sowie die Bedeutung von Migros und Coop als Partner von Bio Suisse aber auch als Eigentümer der meisten direkten Konkurrenzlabel, macht deutlich, dass eine erfolgreiche, breite Einführung wesentlich von der Nachfrage der Konsumentinnen und von externen Beeinflussern abhängt. •

Zu lösende Schlüsselprobleme Was ist der Anspruch der Produzenten: Ein Mindestpreis oder ein fairer Anteil am Endverkaufspreis?



Inhaltliche Abklärung: Gibt es spezifische Muster der Benachteiligung, welche die Förderung der am meisten Benachteiligten nahelegt oder kann am generellen Prinzip „Fair für Alle“ festgehalten werden?



Die Grenzen der selbstbestimmten Richtlinien sind erreicht. Kriterien für den Fairen Handel müssen in einem partnerschaftlichen Prozess erarbeitet werden



Die Kundennachfrage ist als entscheidender Erfolgsfaktor erkannt. Wie können die Konsumentinnen besser eingebunden werden?



Die sozialen Anforderungen müssen unabhängig kontrolliert und inhaltlich weiterentwickelt werden. Sie sollten nicht wesentlich tiefer sein als die sozialen Kriterien bei Fairtrade. Tabelle 16: Zu lösende Schlüsselprobleme

5.5

Strategische Konsequenzen und Empfehlungen

Heute sind für eine breite Einführung von Fairen Handelskriterien mit dem Ziel „Fair für Alle“ im Gesamtmarkt die Voraussetzungen (noch) nicht gegeben. Folgende Aktivitäten sind zu planen: 52

1. Verbandsintern a) Verankern des neuen Leitbilds und stärken des Wir-Gefühls b) Abklären, welche Akteure wie benachteiligt werden (Produzenten und Kette) c) Erfassen der Bedürfnissen von Produzenten und Konsumentinnen d) Definieren der Ziele und Kommunikationsinhalte e) Preistransparenz erhöhen über den Lizenzgebührenmechanismus f) Weiterentwickeln der sozialen Anforderungen 2. Handel a) Von Fair zu Fairer, wissenschaftlich moderiert gemeinsam mit den Handelspartnern Standards für Faires Verhalten entwickeln b) Kurse, Unterlagen und Coaching zu Fairem Verhalten entwickeln 3. Konsumentinnen a) Konsumentenorganisationen werden Mitglied bei Bio Suisse und sind in den wichtigsten Gremien vertreten b) Regionale Konsumentinnen-Produzenten Informationsgruppen bilden sich c) Einrichten eines Produzentenfinders 4. Preismechanismus: Prämie statt Mindestpreis 5. Kurzfristig Erfahrungen sammeln aus angelaufenen Pilotprojekten: a) Unterstützung, Vernetzung und Auswertung durch Bio Suisse b) Integration in einer Definition von freiwilligen Standards 6. Mittelfristig Pilotprojekte um die Akzeptanz von Aufpreisen für Projekte der Produzentenverbände abzuklären: a) Bio-Regio Milch mit 5 Rappen Aufpreis pro Liter Milch b) Angebot von einzelnen Produkten mit Prämie (Ziel: Pro Montagna wird 100% Knospe) Tabelle 17: Strategische Konsequenzen und Empfehlungen

5.5.1 Verbandsintern a) Verankerung des neuen Leitbilds •

Das neu entwickelte Leitbild verankert die Nachhaltigkeitsaspekte in der Knospe. Es bildet die Basis zur Einführung des Fairen Handels, kann seine Wirkung jedoch erst voll entfalten, wenn es auch beim einzelnen Produzenten ankommt, verstanden und aktiv mitgetragen wird. Die Informations- und Bewusstseinsarbeit zu Fairem Handel ist dabei vorrangig. Dies ist ein wesentlicher

Prozess

zur

entwickeln).

Er

mit

ist

Stärkung

der

ausreichend

Organisation Ressourcen

(Wir-Gefühl und

klaren

Verantwortlichkeiten zu planen.

b) Abklären, welche Akteure wie benachteiligt werden •

Erst wenn breit abgeklärt ist, welche Produzentengruppen wie konkret benachteiligt werden, kann der wirtschaftliche „Mindererlös“ definiert und Prioritäten für die Erarbeitung von Kriterien definiert werden. Sollten sich krasse

Benachteiligungen

bei

spezifischen

Produzenten-

oder 53

Produktgruppen zeigen, muss Bio Suisse entscheiden, ob am Prinzip „Fair für Alle“ festgehalten werden soll, oder ob Fairer Handel (wie bei Fairtrade) spezifisch die Situation besonders Benachteiligter verbessern soll. •

Durch den Anspruch „Fair für Alle“ wird die Zielgruppe über den Kreis der Produzenten hinaus ausgeweitet. Daher muss a) abgeklärt werden, welche Akteure aus anderen Handelsstufen wie konkret benachteiligt sind und b) ob sie an einer strategischen Partnerschaft mit den Produzenten interessiert sind.

c) Bedürfnisse von Produzenten und Konsumentinnen erfassen •

Ausgehend von den konkreten Benachteiligungen müssen die Bedürfnisse und Erwartungen der Produzenten an Fairen Handel müssen breit abgeklärt werden. Folgende Fragen sind danach zu beantworten: − Welche Rolle spielt ein Mindestpreis angesichts der Bedeutung der Direktzahlungen? Oder, zugespitzt: Ist Einkommenssicherung in der Landwirtschaft Aufgabe des Staates oder von Bio Suisse? − Ist ein Mindestpreis nötig? Falls Ja: Für welche Produzentengruppen oder in welchen Produktgruppen. Falls Nein: Welche anderen Instrumente sind geeigneter? − Kann ein realistischer Mindestpreis für spezifische (alle) Rohprodukte auf

der

Basis

von

Produktionskostenberechnungen

der

landwirtschaftlichen Schulen oder Branchenorganisationen festgelegt werden? Welche Rolle können bio-spezifische Auswertungen der Buchhaltungsergebnisse

der

Referenzbetriebe

durch

die

Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART spielen? − Unter welchen Bedingungen macht eine Prämie Sinn, die von den Mitgliedorganisationen

verwaltet

und

gemäss

Beschlüssen

der

jeweiligen Generalversammlung für Projekte eingesetzt wird? •

Durchführen einer repräsentativen Befragung von Konsumentinnen zu ihren Erwartungen an eine Fair Handels Knospe und ihre damit verbundenen Assoziationen.

54

d) Definieren der Ziele und Kommunikationsinhalte •

Basierend auf den Abklärungen in Abschnitt b) und c) kann die Definition von Zielen

und

Kommunikationsinhalten

(Botschaften)

erfolgen.

Unter

anderem ist dann zu klären, welche Rolle den neuen Discounter (Aldi, Lidl) zukommen soll: Sind sie für die Knospe tabu oder sind sie der Hebel, um überhöhte Margen zu knacken (wie einst Duttweiler mit Migros)? 25 Werner Lampert, Österreichischer Biopionier und Entwickler der unlängst beim Discounter Hofer eingeführten Marke „Zurück zum Ursprung“, ist der Meinung, dass eine Qualitätsarbeit nur noch mit einem Discounter zu machen sei, da dieser mit geringeren Spannen fährt und daher der Endverkaufspreis trotz höheren Einstandspreisen im Rahmen bleibt. 26 •

Wenn die Einführung in Etappen – über einzelne Produkte oder über den Fachmarkt – erfolgt, ist eine Kennzeichnung für fair gehandelte KnospeProdukte zu entwickeln.

e) Preistransparenz erhöhen über Lizenzgebührenmechanismus •

Bio Suisse sollte den Überblick haben über die effektiv bezahlten Preise an der Schnittstelle Produzent – Lizenznehmer. Es ist zu prüfen, ob dies über das neue Lizenzsystem technisch realisierbar ist: Wer einen Vorabzug geltend machen will, gibt nicht nur den Namen des liefernden Lizenznehmers und den Rechnungsbetrag sondern auch noch das Produkt und die Liefermenge an. Analog sollte ein Lizenznehmer nicht nur seinen Umsatz melden, sondern von allen

Produzenten

ebenfalls

Name,

Rechnungsbetrag,

Produkt

und

Liefermenge. Diese Daten erfasst der Lizenznehmer sowieso in seinem System, vielleicht würde er sie gegen eine Aufwandentschädigung (Rabatt auf Lizenzgebühr) ebenfalls liefern. Mit diesen Daten können Best und Worst

25

Aldi trägt in Deutschland überproportional zum Wachstum des Bio Marktes bei. Alexander Gerber,

Geschäftsführer des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft sagt: „Für uns zählt, ob die Produktqualität und die Handelsbeziehungen stimmen. Es gibt Discounter, die sehr gute Verträge mit unseren

Landwirten

machen.

Sie

sind

fair,

langfristig,

und

die

Preise

stimmen….“

http://www.zeit.de/zeit-wissen/2007/04/Aepfel-Interview-Gerber 26

Interview mit Werner Lampert vom 21.11.2008 in medianet:

http://www.medianet.at/retail/companies/werner-lampert-geht-zur-ck-zum-ursprung.html

55

Practices identifiziert werden, beides wichtige Informationen zur gezielten Stärkung von Bio Suisse. •

Bio Suisse sollte prüfen, einseitig die realisierten Produzentenpreise transparent zu machen. Hierzu gibt es eine interessante Erfahrung bei GREEN TRADE NET (http://www.green-tradenet.de).

27

f) Weiterentwicklung der sozialen Anforderungen •

Fremd- und Eigenanspruch muss stimmen: Die Forderung nach einem fairen Preis muss ihre Entsprechung haben in fairen Arbeitsbedingungen für Angestellte, insbesondere auf grösseren Betrieben. Daher müssen die sozialen Anforderungen weiter entwickelt werden. Sie sind wesentliche Voraussetzung

einer

tragfähigen

Partnerschaft

mit

Konsumenten-

organisationen und einer glaubwürdigen Kommunikation von Fairem Handel. Unter anderem ist abzuklären, − ob respektive wie die von der ILO für die Industrie geforderte und in Fairtrade für Plantagen umgesetzte maximale Arbeitszeit von 48 Stunden eingeführt werden kann 28 − wie

die

Situation

von

Angestellten

auf

Grossbetrieben

durch

Weiterbildung in Bezug auf ihre gesetzlichen Rechten und Pflichten, Selbstorganisation oder gewerkschaftliche Organisation gefördert werden kann − in welcher Form Prämienprojekte die Umsetzung der vorgenannten Punkte unterstützen könnten

27

GREEN TRADE NET ist spezialisiert auf Vermittlung von südlichem Bio-Angebot und nördlicher

Nachfrage. Sie wollten für eine bessere Übersicht im Gesamtmarkt über das qualitätsspezifische Preisniveau und Volumen die Produzentenpreise allen transparent machen. Dies wurde von Produzenten und Handel begrüsst, stiess aber auf Widerstand bei den Importeuren, deren Spielraum für Importeursspannen sich verringerte. Die Einführung war letztendlich kein grosses Problem, da der Endpreis noch direkt verhandelt werden konnte und die Transparenz auch für die Importeure im Vergleich wichtig war. Einzig ihr Einkaufsverhalten mussten sie ändern von „on spot“ zu langfristigen Lieferantenbeziehungen. (Gemäss Mitteilung von Andrea Richert, ehemalige Geschäftsführerin GREEN TRADE NET, 29. August 2008) 28

Vergleiche dazu auch die Überlegungen zu politisch/rechtlichen Rahmenbedingungen S.23f

56

− unter welchen Bedingungen Bauern, die weniger als den Mindestlohn erwirtschaften, Sonderregelungen mit ihren Angestellten treffen können (interessanter Ansatz bei „The Agricultural Justice Project“, Anhang S.95) 5.5.2 Handel a) Von Fair zu Fairer, wissenschaftlich moderiert Standards entwickeln •

Ein Grundkonsens zu Prinzipien des Fairen Handels ist mit allen Lizenznehmern durch die Unterzeichnung des Lizenzvertrags erfolgt. Es geht also nicht darum, Faires Verhalten von Grund auf neu einzuführen, sondern den existierende Konsens weiterzuentwickeln, von Fair zu Fairer sozusagen. Bio Suisse kann alle Partner zu einer Konkretisierung mit dem Ziel einer verbesserten Umsetzung einladen, ja sogar auffordern. Dies ist ein schwieriger

Prozess,

da

ethisch-moralische

Wertvorstellungen

in

Übereinstimmung zu bringen sind. Es wird daher empfohlen, die Moderation und Bearbeitung dieser Aufgabe einer als sachlich und neutralen anerkannten Stelle anzuvertrauen, z.B. durch Eingabe eines Nationalfondsprojektes, als Forschungsprojekt eines renommierten Instituts (nicht des FiBL, das Partei ist) oder allenfalls auch in Form einer Dissertation. Eine solche wissenschaftlich abgestützte und moderierte Definition von Kriterien des Fairen Handels könnte vermutlich weitgehend über staatliche Fördergelder finanziert werden (Grundlagenforschung). Die Resultate und Empfehlungen haben hohe Glaubwürdigkeit und werden von allen Handelspartnern eher akzeptiert als bei anderen denkbaren Vorgehensweisen zur Kriterienentwicklung. Falls die Grossverteiler nicht mitmachen (Plan B), könnten die Kriterien aufgrund der neutralen Entstehungsgeschichte durch Bio Suisse problemlos als freiwillige Richtlinien eingeführt werden. Dies würde dem Biofachhandel und – je nach strategischer Entscheidung von Bio Suisse – auch den Discountern die Möglichkeit geben, sich zu profilieren und die Grossverteiler allenfalls zum Nachziehen zu bewegen. •

Die Indikatoren und Kontrollmechanismen müssen als Teil des skizzierten Forschungsprojekts festgelegt werden. Es wird empfohlen, die Kriterien

57

einzuführen in Form eines Mindeststandards 29 mit Progresskriterien, die zum Beispiel in Dreijahresschritten dazukommen. Ein Code of Conduct bringt keinen Vorteil. •

Von Bedeutung wird in der Umsetzung auch ein effektiver Beschwerdemechanismus sein. Ein allseitig anerkanntes, paritätisches Gremium mit aussenstehenden Fach- und Vertrauenspersonen sollte basierend auf Standards Entscheide treffen und allenfalls sogar Massnahmen anordnen können.

b) Kurse, Unterlagen und Coaching zu Fairem Verhalten entwickeln •

Eine Verhaltensänderung ergibt sich nicht automatisch nach dem Erstellen von Regeln (Standards), sondern erst durch Erlernen und einüben dieser neuen Regeln. Dazu braucht es für kleinere Akteure Kursangebote und unterlagen sowie ein Coaching im Praxisumfeld 30 . Schulung und Coaching könnte durch die Produktverantwortlichen von Bio Suisse erfolgen. Bei grösseren Lizenznehmern könnte dieses Ziel durch periodische, extern moderierte Evaluations-Meetings erreicht werden, an denen die Beteiligten gemeinsam das Erreichte auswerten und neue Ziele (Benchmarks) festlegen.

5.5.3 Konsumentinnen a) Konsumentenorganisationen werden Mitglied bei Bio Suisse •

Der Schlüssel zum Erfolg wird allseits in den Konsumentinnen respektive deren Nachfrage gesehen. Dies gilt bereits für den Einkauf von Bio-Produkten, aber es akzentuiert sich in Bezug auf Fairen Handel. Mit der Einführung des neuen Leitbildes sollte das Verhältnis zu den Konsumentenorganisationen grundsätzlich überdacht werden. Fairer Handel verbindet die Interessen der Konsumentinnen und der Produzenten. Dies sollte nicht nur theoretisch sondern auch praktisch zum Ausdruck kommen: Als Grundlage einer

29

Es ist auch denkbar, dass die Kriterien in vertraglicher Form vereinbart werden (wie heute die

Prinzipien als Teil des Lizenzvertrages) oder dass von Seite des Marktes ein Bedürfnis entsteht, mit der Umsetzung eine neu zu gründende Organisation zu beauftragen, damit die Fair Handels Prinzipien auch in nicht Knospe-Bereichen einfach angewendet werden können. 30

Dies kann verglichen werden mit dem Autofahren lernen, wo Theorie und Fahrstunden (~Coaching)

sowie neu auch Wiederholungskurse obligatorisch sind.

58

langfristigen Allianz sollte sich Bio Suisse für eine Mitgliedschaft von Konsumentenorganisationen öffnen und diese auch aktiv anstreben 31 . FLO-Fairtrade hat diese Entwicklung – in der anderen Richtung – vor zwei Jahren in die Wege geleitet, indem die Produzentennetzwerke als Mitglieder aufgenommen wurden. Seither sind sie in den wichtigsten Gremien vertreten. Strategien und Massnahmen werden gemeinsam entworfen und umgesetzt.

b) Bildung von regionalen Konsumentinnen-Produzenten Informationsgruppen •

Initialisierung von regionalen Konsumenten-Produzenten Informationsgruppen, die zu den Mitgliedorganisationen von Bio Suisse assoziiert sind. Überzeugte Biokonsumentinnen setzen sich gemeinsam mit Produzenten freiwillig ein für den biologischen Anbau, leisten lokale oder regionale Informations- und Bewusstseinsarbeit, organisieren Besichtigungen oder Degustationen. Dieses kostengünstige Instrument scheint bei den meisten Praxisbeispielen eine wichtige Rolle zu spielen, denn alleine das Wissen um die Möglichkeit, bei Hofführungen und anderen Anlässen mit eigenen Augen die Leistung der Bioproduzenten beurteilen zu können, erhöht die Glaubwürdigkeit eines Labels signifikant.

c) Einrichtung eines Produzentenfinders •

Die neuen technologischen Möglichkeiten sollten genutzt werden, um die Distanz

zwischen

Konsumentin

und

Produzent

zu

verkürzen.

Die

Konsumentin sollte jederzeit die Möglichkeit haben, ihr Bioprodukt per Internet „emotional aufzuladen“, wenn sie sich spontan dafür interessiert, wer es produziert hat. Die notwendige technische Voraussetzung ist über die Herkunftsdeklaration bereits gegeben. Diese müsste noch mit einem Code versehen werden. Dieser kann dann auf der Homepage von Bio Suisse eingeben werden, von wo man dann z.B. auf die Homepage des Produzenten weitergeleitet wird. Eine minimale Vereinheitlichung der ProduzentenHomepages durch Verwendung gleicher graphischer Elemente (analog

31

Die Frage der zugewiesenen Stimmkraft ist dabei weniger zentral als die Einbindung in den

wichtigsten Gremien.

59

der Hoftafeln im Feld) sollte als Ziel gesetzt werden. (Weitere Anregungen siehe Praxisbeispiele S.91ff) 5.5.4 Preismechanismus: Prämie statt Mindestpreis •

Der Mindestpreis definiert keinen fairen Marktpreis und ist daher in normalen Zeiten kein taugliches Instrument, um einen fairen Anteil am Endkonsumentenpreis

durchzusetzen 32 .

Der

Mindestpreis

ist

eine

Absicherung für Zeiten mit schlechten Marktbedingungen. Er ist äusserst schwierig

zu

definieren,

unterschiedliche

da

er

als

Produktionsrealitäten

Durchschnittspreis

Gültigkeit

haben

für

sehr

muss

(z.B.

Rationalisierungsgrad oder Topographie). Ausserdem spielen in der Schweiz die Direktzahlungen eine wesentliche Rolle für das landwirtschaftliche Einkommen.

Als

Durchschnittswert

wird

der

Mindestpreis

daher

im

Eintretensfall für effiziente Produzenten oder Produzenten mit einem überdurchschnittlich hohen Direktzahlungsertrag relativ zu hoch und für strukturschwache Betriebe nicht kostendeckend sein. Das heisst, Betriebe, denen es bereits relativ besser geht, profitieren von einem MindestpreisMechanismus mehr als diejenigen Betriebe, die am meisten benachteiligt sind. Zudem hängt der Nutzen des Mindestpreises vom Absatzvolumen ab, ertragsstarke Talbetriebe erzielen also einen relativ grösseren Nutzen als Bergbetriebe.

Angesichts

der

hohen

Transaktionskosten

und

der

unspezifischen Wirkung in Bezug auf die am meisten benachteiligten Betriebe, sollte der Mindestpreis nicht im Zentrum der Überlegungen stehen. Er ist ausserdem schwierig kommunizierbar und wird von den Grossverteilern rundweg abgelehnt. •

Der Ausgleichsmechanismus über eine Prämie bietet für die Schweizer Realität

verschiedene

Vorteile:

Ein

bescheidener

Aufschlag,

der

vollumfänglich der Förderung von Produzenten (oder Angestellten) zugute kommt, hat gute Chancen, sowohl von den Konsumenten als auch den Grossverteilern

akzeptiert

Konsumentenerwartung 32

im

zu Bereich

werden. Fairtrade.

Er Die

entspricht

der

Steuerung

der

Der Marktpreis wird auch in Fairtrade verhandelt und sollte sich insbesondere an Qualitäten,

verfügbaren Volumen und angestrebten Absatzzielen orientieren.

60

Prämienverwendung über die kantonale Mitgliedorganisation stellt sicher, dass in guter Kenntnis der regionalen Sachlage in bedürfnisorientierte Projekte investiert wird. Die Projekte unterstützen die am meisten benachteiligten Betriebe direkt oder schaffen Rahmenbedingungen, welche z.B. die Vermarktung aus der Region oder die Selbstorganisation der Angestellten fördern. Die Transaktionskosten sind gering, da die ganze Verwaltung der Prämiengelder über bestehende Strukturen abgewickelt werden

kann.

Der

Prämienzufluss

erfordert

von

der

kantonalen

Mitgliedorganisation möglicherweise Struktur- und Prozessanpassungen, gibt ihr aber gleichzeitig die Mittel für verstärkte Eigeninitiative in die Hand. Über die Umsetzung von Projekten wird die regionale Wahrnehmung der Bioverbände insgesamt gestärkt und ihr innerer Zusammenhalt gefördert. Starke Mitgliederverbände stärken auch Bio Suisse. Die Kommunikation über die Auswirkungen der Prämienprojekte ist im Vergleich zum Mindestpreis einfach. Last but not least: Eine Prämie zur Förderung von benachteiligten Produzenten (und Angestellten) kann jederzeit auf allen Produkten erhoben werden und kommt nicht wie ein Mindestpreis nur bei schlechten Marktbedingungen zum Tragen. Eine Prämie könnte theoretisch auch eingeführt werden, ohne dass Richtlinien für Fairen Handel existieren. 5.5.5 Erfahrungen sammeln Da kurzfristig keine Gesamteinführung von Kriterien zum Fairen Handel erfolgt, sollten Erfahrungen gesammelt werden aus angelaufenen, konkreten Pilotprojekten in einzelnen Regionen oder in überblickbaren (Fach-) Handelsketten. Diese können Hinweise auf Fehler und Best Practices geben und sind als Fallbeispiele auf dem Weg zu einer allgemeinen Einführung wichtig. Es wird daher empfohlen: •

Systematische Unterstützung, Vernetzung und Auswertung von lokalen oder regionalen Fairen Handelsprojekten der Mitglieder durch Bio Suisse



Integration der verschiedenen Ansätze in einer Definition von freiwilligen Standards. Dies als Instrument der Vernetzung und Blueprint zur Förderung weiterer Projekte sowie im Sinne einer Fall-back-Strategie, falls der gemeinsame Prozess der Standardentwicklung ins Stocken geraten sollte.

61

5.5.6 Pilotprojekte Sofort begonnen werden können die Vorbereitungen für Pilotprojekte auf Stufe Grossverteiler zur Abklärung der Akzeptanz eines Aufpreises (Prämie) für die Realisierung von Projekten. Die Prämie kommt nicht allen Produzenten gleichmässig zu gut, sondern wird innerhalb der jeweiligen Mitgliedorganisation dort eingesetzt, wo das grösste Bedürfnis festgestellt wurde. Um allfälligen zukünftigen Widersprüchen

vorzubeugen,

müssen

vor

Beginn

der

Pilotversuche

die

Hauptbotschaften für die zukünftige nachhaltige Knospe definiert sein. •

Bio-Regio Milch mit 5 Rappen Aufpreis pro Liter Milch (analog ErzeugerFairMilch, Anhang S.100). Dieses Projekt könnte in der gegebenen Verarbeitungsstruktur

ohne

erheblichen

logistischen

Mehraufwand

schweizweit ausgerollt werden. •

Angebot von einzelnen Produkten mit einem Aufpreis (Prämie) für die Realisierung von Projekten. Dabei sollte abgeklärt werden, wie wichtig es ist, dass das Produkt aus einer benachteiligten (Berg-)Region stammt.



Bei Pro Montagna werden die Prämien paternalistisch

durch die Coop

Patenschaft verwaltet und die Produzenten sind von der Entscheidung über ihre Verwendung ausgeschlossen. Dies ist ein guter Grund, sich zum Ziel zu setzen, Pro Montagna als Bio und Fair neu zu positionieren, zumal Pro Montagna nicht ausschliesslich Bioprodukte anbietet und damit nicht betont nachhaltig ist.

62

6 Literaturverzeichnis Bio Suisse Bio Suisse: Grundsätze des biologischen Landbaus, Bio Suisse Richtlinien, 1.1.2008

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Kühn Richard: Marketing; Analyse und Strategie, 6. Auflage, Werd Verlag, Zürich, 2001

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Charlier Sophie: "L'empowerment des femmes dans les organisations de commerce équitable: une proposition méthodologique" in “Hrsg” Auroi C. et Yepez I., Economie solidaire et commerce équitable. Acteurs et actrices d'Europe et d'Amérique latine, 1. Auflage, IUED-PUL, Genève, 2006, S. 87-109

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Justice

Project

(AJP),

USA,

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farmworkers.org/ajp/index.html

63

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ErzeugerfairMilch, Deutschland, http://www.bauernmolkerei.de

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Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART (2007), Medienrohstoff zur Medienmitteilung „Landwirtschaftliche Einkommen steigen 2007“, http://www.art.admin.ch/aktuell/index.html?lang=de

Genève Région – Terre Avenir, Schweiz, http://www.opage.ch/DE/accueil.htm

Genève Région – Terre Avenir (2008), Genève Région – Terre Avenir, Règlement general, http://www.opage.ch/label/DE/documents/ReglementMarqueVFinale_30-052008.pdf

Nature & more, Holland, http://www.natureandmore.com/German.cmt

Naturland Faire Partnerschaften, Deutschland, http://www.faire-partnerschaften.de

Medianet: Interview mit Werner Lampert, Wien 21.11.2008, http://www.medianet.at/retail/companies/werner-lampert-geht-zur-ck-zumursprung.html 64

Produzenten-Konsumenten Plattform Tagwerk, Deutschland, http://www.tagwerk.net

Respect inside, Schweiz, http://www.respect-inside.org/default.aspx

Widmer Toni: Bauern sind nicht nur Nahrungsmittel-Produzenten, in: Aargauer Zeitung, Regionalausgabe Aarau, 3. Juli 2007, http://www.azonline.ch

65

7 Anhänge

66

Anhang A 7.1

Leitbild Bio Suisse

DIE GRUNDSÄTZE DER KNOSPE-BÄUERINNEN UND Knospe-Bauern, –GärtnerINNEN und -Gärtner Wir sind uns unserer Verantwortung gegenüber der Natur und den darin arbeitenden Menschen bewusst. Wir wollen unsere Arbeit mit den natürlichen Kreisläufen und den wirtschaftlichen

Wir tragen dem Boden

Rahmenbedingungen in Einklang bringen. Wir

Sorge, damit er

arbeiten mit Kopf, Herz und Hand täglich an

fruchtbar und lebendig

unserer gemeinsamen Vision.

bleibt.

Wir gehen sorgsam mit

Wir pflegen robuste Pflanzen und Tiere.

Wir setzen natürliche

Energie und Wasser

Mittel ein.

um.

Wir setzen uns für faire

Wir fördern die Vielfalt

Erzeugerpreise für alle

der Flora und Fauna

ein.

sowie ein lebendiges Ökosystem.

Wir übernehmen

Wir gewährleisten

Wir stellen schonend

Wir respektieren das

soziale

Rückverfolgbarkeit bis

verarbeitete,

Tierwohl durch

Verantwortung für

zum Acker.

wahrhaftige Produkte

artgerechte Haltung

her.

und Fütterung.

Mitarbeitende.

Aus diesem ganzheitlichen Kreislauf entstehen authentische und gesunde Bioprodukte, die den Konsumierenden Geschmack und Genuss bieten. *Das Leitbild ist geschrieben für Knospe-Bäuerinnen und –Bauern, für Gärtnerinnen und –Gärtner, für alle Frauen und Männer, die im Biolandbau tätig sind. Im Text beschränken wir uns aus Gründen der Lesbarkeit auf die männliche Form.

67

LEITBILD BIO SUISSE - DER DACHVERBAND DER SCHWEIZER KNOSPE-BETRIEBE DAS WOLLEN WIR Unsere Vision

„ Wir bewohnen einen nachhaltigen, bäuerlich geprägten landwirtschaftlichen Lebensraum für Mensch, Tier, Pflanze und Umwelt. Im Bioland Schweiz steht ein ganzheitlicher Landbau im Zentrum, der über Generationen lebensfähig ist und authentische und gesunde Produkte erzeugt, die den Konsumierenden Geschmack und Genuss bieten.

SO ARBEITEN WIR „ Die Knospe steht für eine ganzheitliche Definition des Biolandbaus. Bio Suisse schafft einen hohen Wert für die Marke Knospe und hilft dadurch, die Zukunft der Schweizer Knospe-Betriebe zu sichern. Unsere Arbeit und unsere Kommunikation orientieren sich an ambitionierten Standards und an hohen ethischen Ansprüchen.

Unsere Werte

„ Die Knospe-Bauern steuern Bio Suisse demokratisch und legen mit den Richtlinien den Biolandbau für KnospeProdukte fest. „ Bio Suisse pflegt Bewährtes, verbessert Bestehendes, kreiert Neues und verpflichtet sich dem Fortschritt und der Entwicklung des Biolandbaus. Dazu gehören auch der verantwortungsvolle, selbst bestimmte Import und Export von Knospe-Produkten.

DAS SIND WIR Unsere Organisation

„ Bio Suisse ist der Dachverband der Schweizer KnospeBetriebe und Eigentümerin der eingetragenen Marke Knospe. „ Bio Suisse organisiert und führt die Entwicklung der Knospe und des biologischen Landbaus in der Schweiz.. „ Die Träger sind die Schweizer Knospe-Bauern und Knospe-Gärtner, die in den Mitgliedorganisationen organisiert sind.

Fragen und Rückmeldungen an: BIO SUISSE Vereinigung Schweizer Biolandbau-Organisationen Margarethenstrasse 87, CH-4053 Basel Tel. 061385 96 10, Fax 061385 96 11 [email protected], www.bio-suisse.ch

68

Anhang B 7.2

Landwirtschaftliche Einkommenssituation 2007

69

Anhang C 7.3

Auszüge aus den Bio Suisse Lizenzbedingungen

In Abschnitt A der Bio Suisse Lizenzbedingungen (Pflichten und Leistungen der Bio Suisse) ist im Paragraph „Weiterentwicklung der Richtlinien“ (S.1) festgehalten: „Die Bio Suisse entwickelt ihre Richtlinien laufend weiter. Werden Lizenzprodukte von anstehenden Richtlinienänderungen berührt, werden die betroffenen Lizenznehmer konsultiert.“

Im Paragraph „Öffentlichkeitsarbeit und Koordination des Biomarktes“ (S.1) heisst es: „…Die Bio Suisse koordiniert die Marktaktivitäten der Produzenten und Lizenznehmer.

Sie

schafft

Markttransparenz

und

informiert

die

Marktteilnehmer periodisch über die Marktsituation…“

Im Paragraph „Geschäftspolitik bezüglich Knospe Produkten“ (S.3) schliesslich: „Der Lizenznehmer bekennt sich ausdrücklich zur Förderung der biologischen Landwirtschaft

in

der

Schweiz

und



strebt

eine

kontinuierliche

Umsatzausdehnung mit Knospe Produkten an. Der Lizenznehmer setzt sich für eine faire und gerechte Preisgestaltung bei Knospe Produkten ein, die sich langfristig an den Marktgegebenheiten, an den Produktionskosten sowie an den Konsumentenanliegen orientiert. Er beachtet die von der Bio Suisse Fachkommission

mit

dem

Handel

einvernehmlich

ausgehandelten

Produzentenpreise und unterlässt das dauerhafte Anbieten von Knospe Produkten zu Dumpingpreisen. Er informiert die Bio Suisse und von ihr beauftragte Organisationen unter Zusicherung von absoluter Vertraulichkeit auf Wunsch über abgesetzte Mengen und unterstützt Aktivitäten der Bio Suisse zur Marktkoordination.“

Paragraph „Datenschutz“ (S.3): „…Die

Bio

Suisse

verpflichtet

ihre

MitarbeiterInnen

zur

strengsten

Verschwiegenheit bezüglich aller im Zusammenhang mit dem Lizenzvertrag eingeforderten Daten…“ 70

Anhang D 7.4

Befragung von Schlüsselakteuren (Fragebogen)

Sehr geehrte Damen und Herren

Per 1. Januar 2007 wurden die Sozialen Anforderungen in den Bio-Knospe Richtlinien in einem ersten Schritt für die Schweizer Produzenten in Kraft gesetzt. Damit konnte ein weiterer wichtiger Aspekt einer nachhaltigen Produktion in der Bio-Knospe integrieren werden. Unsere Richtlinien definieren im Kapitel 9, Fairer Handel: „Anforderungen im Bereich des fairen Handels werden von Bio Suisse im Anschluss an die Einführung der sozialen Anforderungen geregelt werden.“ Im Rahmen einer Diplomarbeit an der Fachhochschule Nordwestschweiz ergibt sich nun die Möglichkeit, erste konzeptionelle Abklärungen zur Definition dieser Anforderungen anzustellen. Es ist uns wichtig, Ihre Anliegen und Überlegungen von Beginn weg zu kennen.

Wir laden Sie daher herzlich ein zur Beantwortung der nachstehenden Fragen: Begriffsklärung: Fairer Handel – wie wir ihn unter dem Label Max Havelaar kennen - kennzeichnet sich aus durch • • • •

langfristige Handelsbeziehungen Marktöffnung Æ Marktentwicklung existenzsicherndes Einkommen für die Produzenten zusätzliche Sozial-Prämie zur Förderung der regionalen Entwicklung

1) Welche dieser Aspekte sollten im Kapitel 9, Fairer Handel, der Bio Knospe Richtlinien geregelt werden? … 2) Welchen konkreten Nutzen erwarten Sie? … 3) Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen in der Umsetzung? … 4) Welche Profilierungsmöglichkeiten sehen Sie, diese zusätzliche Leistung zu kommunizieren und in Wert zu setzen? (in welchen Bereichen) … 5) Wie schätzen Sie die Akzeptanz bei den Konsumentinnen ein? (Können sie MaFo-Resultate oder Mitgliederbefragungen zur Verfügung stellen, auf denen Ihre Einschätzung beruht oder die mögliche Auswirkungen aufzeigen können?) … Weitere Hinweise / Bemerkungen: …

Besten Dank für ihre Unterstützung. Gerne erwarten wir Ihre Rückmeldung innerhalb der nächsten 14 Tage.

71

Anhang E

1

1 1

Sozial-Prämie

Marktöff/entw.

1

Existenzs. Eink.

Langfr. Handelsb.

7.4.1 Welche Aspekte sollen geregelt werden (Auswertung)

1

1 1

1

-1 Vorstand Bio Suisse

1

1 1

1

MarkenKommission Mitgliedorg. Bio Suisse

1 1

1

Detailhandel Coop Migros

-1 +/1 1 -1 1 1

Fachhandel Bio Plus 1

Kommentar

ƒ Kein Kommentar ƒ Sonst langfristig Einstellung der Produktion ƒ Verlässlicher Handelspartner ist wichtig ƒ Verlässliche langfr. Handelsb bei öffnenden Märkten zunehmend wichtig. Æ Partnerschaften über ganze Handelskette wichtig ƒ Marktöff/entw. bereits heute (ohne FT) in Bio Suisse wichtig ƒ Sollte über andere Kanäle laufen (z.B. Bund) ƒ Gewährleistete Kostendeckung fördert langfr. Handelsb. Æ mit gewährleisteter langfristiger Handelsbeziehung kann Markt gesichert und weiterentwickelt werden ƒ Sichert und entwickelt regionale Arbeitsplätze ƒ Daraus erfolgt Erfüllung aller anderen Punkte ƒ Damit Produzenten mit der Zeit selber entscheiden, wie sie langfr. Handelsb., Marktöff/entw. und regionale Entwicklung fördern. Das Ideal wäre die Ernährungssouveränität. Wir sollten in diese Richtung arbeiten ƒ Ursprung für nachhaltige Entwicklung, alle anderen Punkte sind auch wichtig ƒ Basis für nachhaltiges Wirtschaften. Sollte biopolitisch gesehen leicht über demjenigen der Nicht-Biobetriebe liegen. ƒ Planungssicherheit für notwendige Investitionen (z.B. für Umstellung) erreicht durch langfr. Handelsb., freien Marktzugang und gemeinsame Marktentwicklung (Prod., Verband, DH). Vermeidet langfristig nicht existenzsichernde Löhne. ƒ Für CH und EU nicht sinnvoll, da sinnvolle Rationalisierung und Produktivitätssteigerung verhindert ƒ Macht z.B. in Berggebiet Sinn, aber nicht grundsätzlich (insb. wenn Grossbetriebe Empfänger sind) ƒ Hauptfokus ƒ Generell wichtig und auch so gelebt ƒ Muss über Markt erwirtschaftet werden ƒ Wertschöpfungskette werden offen kommuniziert und respektiert ƒ Priorität 1: Preis muss die Vollkosten decken; Priorität 2: Preispolitische Entscheidungen unter den Marktpartnern einer Wertschöpfungskette transparent kommuniziert ƒ zusätzlich

72

ƒ Man ist nicht auf kurzfristige Gewinne aus und denkt nachhaltig Æ Voraussetzung für ehrliche & seriöse Geschäftsbeziehung 1 ƒ auch nachgelagerte Stufe muss langfristig planen können 1 ƒ Bedingung für wirtschaftliches Überleben, Marktöffnung wünschenswert, Grenzen gesetzt 1 1 ƒ Diesen beiden das grösste Gewicht beimessen ƒ Marktöff. kann für CH Produzenten Vorteile haben wenn begleitet mit Qualitäts-Strategie Æ Marke „Schweiz“ = Natürlichkeit ƒ Langf. Handelsb. sind mit dem existenzs. Eink. verknüpft Æ Garantie, dass Produkte in Handel kommen Æ Invest.-Planung z.B. Umstellungen Æ Auswahl für Konsumentinnen steigt ƒ existenzs. Eink. muss auf existenzs. Löhne ausgeweitet werden 1 ƒ Im Nachhaltigkeitsdreieck spricht Fairtrade im Inland am ehesten die soziale Dimension an. Vermutung: Berglabels werden bereits heute als Sozial- und nicht als Herkunftslabel verstanden Tabelle 18: Präferenzen für verschiedene Instrumente des Fairen Handels 1

Verarbeiter Mühle Milch

SKS

BLW

73

Anhang F 7.4.2 Welcher konkrete Nutzen wird erwartet (Auswertung) Stufe

Chance •

Produzent / Verband

• •

Handel / Verarbeitung

Konsumentinnen

Könnte Wir-Gefühl der Produzenten stärken (vgl. Fairer Milchpreis) vor allem bio-intern Æ Produzentenzufriedenheit steigt. Preissprünge besser abgefedert

Gefahr ƒ Wird als weitere bürokratische Richtlinie aufgefasst ƒ Ungenügendes Wissen zur Marktsituation limitiert die Möglichkeiten eines Preisbildungsprozesses auf Augenhöhe

ƒ Schafft die Möglichkeit Fairness anzusprechen und auch einzufordern ƒ transparente Preisbildungsprozesse gemeinsam und auf gleicher Augenhöhe ƒ Konkurrenzsituation könnte Æ kein Diktat von wenigen Abnehmern Umsatz reduzieren ƒ strukturierte partnerschaftliche ƒ kein Anliegen der Vermarkter Æ Zusammenarbeit aller Akteure der Sie finden, fairer Umgang ist Wertschöpfungskette bereits verankert, bringt für ƒ Gesamte Kette wird für CH Bio-Erfolg Vermarktung keinen Nutzen. verantwortlich ƒ einseitige Einführung von RL für ƒ Engagierte Bio-Vermarkter müssen sich Produzentenseite nutzlos. beteiligen, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit „Händler“ sind Schlüsselrollen mit im Markt nicht verlieren möchten Brückenfunktion und sollen im ƒ Schwarze Schafe im Sinne eines unfairen Prozess von Anfang an vertreten Handels leichter identifizierbar sein. ƒ Abnahme des „Immer-Billiger-Druckes“ Druck auf eine umweltschonende Produktion verringert, man kann es sich leisten ƒ Gibt die Möglichkeit, über dieses Anliegen ƒ Konsumentinnen erwarten schon zu sprechen und zu informieren jetzt, dass „Bio = fair" ƒ Thema Fairness vom Konsumentinnen ƒ Kein verstehbarer Mehrwert für stärker auch in Bezug auf heimische Konsumentinnen Ware beachtet ƒ Fehlende Leitplanken welche garantieren, dass auch die ƒ Starke Aufwertung des Biogedankens Angestellten von FT in der Bioƒ Als Nachhaltigkeitslabel vereinfacht es Produktion profitieren den Einkauf von CH-Produkten Tabelle 19: Chancen und Gefahren des Fairen Handels

74

Anhang G 7.4.3

Welches sind die grössten Herausforderungen (Auswertung)

Ebene ƒ Mitglieder

ƒ

ƒ ƒ

ƒ Marktpartner

ƒ ƒ ƒ ƒ

Konkurrenz / Akzeptanz

ƒ ƒ ƒ

Kommunikation

ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

Konsumentinnen

ƒ ƒ

Herausforderungen Auch auf Stufe Bauernhof würde eine gewisse Fairness gegenüber zugekauften Dienstleitungen und Arbeitsressourcen erwartet Ein wirkliches "soziales Versprechen" braucht Kontrolle und gut kommunizierbare Inhalte. Selbstdeklaration ist zu wenig Æ z.B. Verpflichtung auf Gesamtarbeitsvertrag mit landw. Angestellten oder Anstellung von Leuten am Rande der Gesellschaft als Beitrag zur Verbesserung ihrer Situation Keine falsche Erwartungen unter Produzenten schüren Institutionalisierung der langfristigen Handelsbeziehungen mit Gross-Abnehmer im Bereich der Nischenprodukte oder bezüglich des Kundenangebot (Produktpalette) bei absatzschwächeren Produkten Verarbeiter und den Handels zu überzeugen, sich in ein System des fairen Handels einzubinden, bei dem alle die gleichen Ziele verfolgen Ohne kritische Masse teilnehmender Akteure bleibt es eine (regionale) Nischeninitiative überschaubarer Vermarktungsketten. Konzerne (z.B. Emmi), welche Bio als Nebengeschäft betreiben werden sich kaum an FT Bestimmungen halten (Bsp Kostenwahrheit) Einfache Worte (inkl. geeignete Kapitelbezeichnung) zu finden, die das gegenseitige Vertrauen und Engagement aller Marktpartner fördern Notwendigkeit des fairen Handels auch für CH ProduzentInnen ist für viele Konsumentinnen nicht nachvollziehbar. Image: Jammern viel und dies erst noch auf hohem Niveau - erhalten bereits (zu viele) Direktzahlungen, trotzdem CH Produkte oft teurer als importierte Konsumentinnen gehen schon heute davon aus, dass alles ziemlich fair von statten geht, bis sie durch ein persönliches Erlebnis aus dem Traum erwachen Verteuerung der Bio-Produkte direkt (Mindestpreis/Prämien) und mittelfristig (mangelnde Effizienzsteigerung) öffnet Schere zu IP, reduziert Kundenakzeptanz durch weitere kostentreibende Vorschriften sinkt die Konkurrenzkraft Æ die CHKnospe wird von Abnehmern umgangen, um die Preise tiefer zu halten Kommunikationspotential von langfristigen Handelsbeziehungen ist gering „Fairer Handel“ wird mit Fairtrade-Produkten aus Übersee gleichgesetzt Ein glaubwürdiges, nicht irritierendes Label für fairen Bio-Handel zu schaffen, welches die Konsumentinnen verstehen Auch mit echtem Mehrwert schwierig, diesen (auch noch) zu kommunizieren Æ "Bio" hat schon (zu) viele Botschaften Mit viel Aufwand um noch eine hohe Anforderungen erfüllen (neben z.B. Flugverbot und Verarbeitung) und die Konsumentin weiss nichts davon Die Marktmacht der Abnehmer ist nur mit Hilfe der Konsumentinnen zu kacken. Konsumentinnen sollten Eigeninteresse hinter faires landw. Einkommens stellen

ƒ Klären, was mit einer solchen Richtlinie gemeint ist Æ Verhältnis Fairer Handel zu Sozialauflagen ƒ Wie spielt die Konkurrenz in einem „freien aber transparenten Markt“? Grundsätzliches ƒ Sehr viele Gefühle und Meinungen involviert – Richtlinien sind ebenso klar und konkret zu definieren wie z.B. in der Tierhaltung ƒ Wie schafft man Mehrwert, aber möglichst ohne Kostenfolge? Tabelle 20: Herausforderungen bei der Einführung von Fairem Handel

75

Anhang H 7.4.4 Welches sind die Profilierungsmöglichkeiten (Auswertung) ƒ

ƒ

Bio Suisse

ƒ

ƒ ƒ ƒ ƒ Detailhandel

ƒ

ƒ Fachhandel

Verarbeiter SKS

ƒ

ƒ ƒ ƒ ƒ

BLW

ƒ

Einschätzung der Profilierungsmöglichkeiten Fairer Handel hat nur Gewinner und zwar in allen Bereichen, nur dann ist er fair, sonst trägt ein Teil (Produzenten) die Kosten und Arbeit und die andern profitieren Æ Die Leistung darf nicht als zusätzlich aufgefasst werden Was Bio für den Anbau, das ist Fair für die Handelskette Æ höchst möglicher Respekt vor der Natur bzw. den Anstrengungen aller Marktpartner. Fair sein ist ein gutes Ding, einfach zu kommunizieren Stärksten Profilierungsmöglichkeiten bestehen in Bereichen, in denen wir schon gut mit den Verarbeitern im Inland organisiert sind und einen relativ ruhigen Marktgang haben (Milch, Fleisch, Getreide, …) Umweltschonende Nahrungsmittelproduktion ist auch in Zukunft gewährleistet, kein Raubbau an der Natur Nachhaltigkeit stärkt unsere Dynamik und damit unser Image Wert der Knospe wird erhöht, da noch umfassender bis hin zum Umgang mit den Menschen Keine grossen Profilierungsmöglichkeiten. In der Schweiz haben wir gute Gesetze welche auch eingehalten werden Die Konsumentinnen erwarten von einem Bio-Produkt auch jetzt schon, dass es "fair" ist - das ist für sie selbstverständlich. Zusätzlich Richtlinien bringen daher punkto Vermarktung keinen Nutzen Bio Suisse und alle teilnehmenden Organisationen müssten Label für fairen Handel in CH massiv bewerben Zusätzliche Einnahmen durch Fairness-Siegel dürfte nicht nur das Einkommen der Produzenten erhöhen. Es müsste zielgerichtet in zukunftsorientierte Projekte investiert werden, die Bioproduzenten in ihrer Marktstellung stärken Nicht immer nur Jammern sondern durch positives Auftreten überzeugen Mit unseren Geschäftspartnern die Endkonsumenten erreichen Eine Aufwertung der Bio-Produktion durch Ausweitung auf soziale Kriterien ist notwendig und bietet eine gute Profilierungsmöglichkeit Sehr schwierig! Die Kommunikation zur Fairness sollte nicht noch auf die generelle Knospenkommunikation aufladen werden, wo sich bereits die Botschaften zur Umwelt- und Tiergerechtigkeit, zum Geschmack etc finden. Spezifische Verbindung herstellen zu "Bio-Berglandwirtschaft" oder "BioRegionalität", oder zu spezifischen Programmen / Projekten mit einer sozialen Komponente. Dann dürfte der Nutzen eher verstanden werden Tabelle 21: Profilierungsmöglichkeiten mit Fairem Handel

76

Anhang I 7.4.5 Akzeptanz bei Konsumentinnen (Auswertung)

Stufe ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ Bio Suisse ƒ

ƒ

ƒ

Detailhandel Fachhandel Verarbeiter

ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ ƒ

SKS BLW

ƒ ƒ

Einschätzung der Akzeptanz Unsicher, hängt sicher von allgemeiner Wirtschaftslage ab Grosses Potential, wenn es mit der Gegend oder dem Kanton zu tun hat Kunde ist wohl am ehesten an der Margenfrage interessiert Æ Mehrpreis soll dem Produzenten zugute kommen Viele Konsumentinnen empfinden zu hohe Margen im Zwischenhandel als störend und kaufen darum direkt ein. Kommunikation Æ Fairen Handel = Faire Margen Biokonsumentinnen werden aufgeschlossen sein, Rest gilt es zu überzeugen Æ „Fair vom Boden bis in den Teller“ - Alle möchten fair behandelt werden umfassende und breite Information der Konsumentin wird nötig sein, damit „fairer Handel“ nicht falsch verstanden wird Æ zu vermeiden sind Negativreaktionen z.B. „ warum haben die CH Bauern dies nötig?“ Der Markt der Zukunft ist derjenige, welcher den Konsumentinnen eine Antwort gibt angesichts der Übernutzung seiner Umwelt. Bio war immer in erster Linie eine Antwort auf Verunsicherung oder Besorgnis bezüglich Lebensmittelqualität oder Umweltentwicklung. Die Wahrheit bezüglich der Kosten und der Austauschverhältnisse in der Kette fördert das Vertrauen Die Impulse müssen von den Produzenten mit Unterstützung aus Handel und Verarbeitung kommen, aber nur die Gesamtschau (nicht isoliert die Richtlinien für die Produzenten) kann die Konsumentinnen animieren Richtlinien binden bisher den Produzenten; Handel und Verarbeitung etwas weniger, die Konsumentinnen sind frei… Bereitschaft zu weiterem Aufpreis gering –Erwartung bereits heute, dass Bio = Fair Gegen fairen Handel hat sicher niemand etwas einzuwenden, aber CH Produzenten sind ja in der Regel nicht die schwächsten Glieder der Gesellschaft Hoch – wird aber bereits heute erwartet, dass Produzent ausreichend profitiert Sehr gross Schlechte Akzeptanz falls Überzeugungsarbeit nur als Imagewerbung einer Unternehmung betrieben wird Fairtrade Label sind sehr glaubwürdig und werden gerne unterstützt. Haben keine Marktforschungs-Resultate zur Beurteilung der Akzeptanz eines Aufpreises Einführung muss unbedingt mit einer Info-Kampagne begleitet werden Grundsätzliche Akzeptanz gegeben, aber Versprechen muss glaubwürdig sein Tabelle 22: Akzeptanz bei Konsumentinnen

77

Anhang K 7.5

Befragung von Schlüsselakteuren (vollständige Antworten) Frage 1: Welchen der obgenannten Aspekte sollte im Kapitel Fairer Handel der Knospe Richtlinien das grösste Gewicht beigemessen werden? Warum?

TR

AL

ƒ langfristige Handelsbeziehungen (auf gleicher Augenhöhe, d.h. die Bedürfnisse aller Mitglieder der jeweiligen Wertschöpfungskette werden offen kommuniziert und von den anderen Akteuren der Wertschöpfungskette als Interessen eines Marktpartners respektiert) ƒ existenzsicherndes Einkommen für die Produzenten (Priorität 1: Preis muss die Vollkosten decken; Priorität 2: Preispolitische Entscheidungen werden unter den Marktpartnern einer Wertschöpfungskette in einer transparenten Weise kommuniziert) ƒ zusätzliche Sozial-Prämie zur Förderung der regionalen Entwicklung Langfristige Handelsbeziehungen, wenn langfristig zusammen gearbeitet wird, ist man nicht auf kurzfristige Gewinne aus und denkt nachhaltig, so kann eine ehrliche und seriöse Geschäftsbeziehung aufgebaut werden

AS

"Existenzsicherndes Einkommen für die Produzenten" ist am stärksten zu gewichten. Es ist die Basis für nachhaltiges Wirtschaften. Aus biopolitischer Sicht muss das Einkommen der Biobetriebe nicht nur einkommenssichernd sein, sondern auch leicht über jemjenigen der Nicht-Biobetriebe liegen.

CW

Der Schwerpunkt beim Thema fairer Handel für BioProduzenten in der Schweiz (oder in Europa) sehe ich bei der Marktöffnung/Marktentwicklung und bei den langfristigen Handelsbeziehungen. Aus meiner Sicht braucht es für die Bio-Bauern v.a. eine gewisse Planungssicherheit so dass notwendige Investitionen getätigt werden können oder gar der Schritt von der konventionellen LW in die Bio-LW gewagt werden

Frage 2: Welchen konkreten Nutzen erwarten Sie von der Einführung von Richtlinien zum fairen Handel? ƒ das Thema Fairness würde vom Konsumenten stärker auch in Bezug auf heimische Ware beachtet. ƒ Engagierte Bio-Vermarkter müssten sich beteiligen, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit im Markt nicht verlieren möchten ƒ Schwarze Schafe im Sinne eines unfairen Handels wären leichter identifizierbar.

Gegenüber den Konsumentinnen ist es eine starke Aufwertung des Biogedankens. Leider erwarte ich für unsere Geschäftstätigkeit keinen Nutzen aufgrund der Konkurrenzsituation Ich habe keine allzu grossen Erwartungen. Es besteht sogar die Gefahr, dass die Sache von den Bioproduzenten als weitere "Richtlinie" aufgefasst wird, welche die Bürokratie fördert. Die Art und Weise der Kommunikation wird sehr wichtig sein. Schön wäre, wenn damit das WirGefühl der Bioproduzenten gestärkt würde, wie es mit den überall platzierten Schildern "Wir wollen einen fairen Milchpreis" geschehen ist. Für mich ist das primär ein Anliegen der Bio Suisse-Produzenten und kein Anliegen der Vermarkter. Die Konsumenten erwarten von einem Bio-Produkt auch jetzt schon, dass es "fair" ist - das ist für sie selbstverständlich. Zusätzlich Richtlinien bringen aus meiner Sicht

78

RB

kann. Diese Planungssicherheit wird erreicht durch langfristige, partnerschaftliche Handelsbeziehungen, dem freien Marktzugang und einer gemeinsamen Marktentwicklung mit den Produzenten, Bio Suisse und dem Vermarkter (Coop). Existenzsichernde Einkommen sind aus meiner Sicht für die Bio-Bauern in Europa kein sinnvolles INstrument, da dadurch unter Umständen eine sinnvolle Rationalisierung und Produktivitätssteigerung, welche zu einem gewissen Grad sicher auch in der Bio-Landwirtschaft möglich und sinnvoll ist, verhindert wird. Aus meiner Sicht funktioniert hier weitgehend der Markt (Angbot/Nachfrage). Wenn der obige Punkt (langfristige, partnerschafltiche Handelsbeziehungen) sichergestellt ist, dann können auch langfristig nicht existenzsichernde Löhne vermieden werden. Beispiel Überangebot Bio-Milch: Coop hat in dieser Phase nicht die Preise gedrückt sondern Hand geboten zu neuen Vermarktungsanstrengungen, um das Überangebot vermarkten zu können. Eine Sozialprämie macht in einzelnen Regionen wie z.B. dem Schweizer Berggebiet Sinn. Aber eine Sozialprämie grundsätzlich an alle Schweizer BioBauern, z.B. auch an eine Fa. Rathgeb mit einer hochprofessionellen Gemüseproduktion und mehr als 100 Angestellten, auszuzahlen, macht aus meiner Sicht keinen Sinn. Existenzsicherndes Einkommen für die Produzenten. Alle Punkte sind wichtig. Aber dort liegt der Ursprung für eine nachhaltige Entwicklung.

MR

ƒ ƒ ƒ ƒ

KG

Uns scheint es wichtig, dass der Hauptfokus auf den Bereich Marktöffnung / Marktentwicklung gelegt wird. Die Pflege langfristiger Handelsbeziehungen ist uns generell wichtig und wird von uns auch so gelebt. Normalerweise zum Vorteil beider Parteien. Ein existenzsicherndes Einkommen muss in unseren Augen über den Markt erwirtschaftet werden.

Existenzsicherndes Einkommen für Produzenten langfristige Handelsbeziehungen Marktöffnung/Marktenwicklung zusätzliche Sozialprämie

daher punkto Vermarktung keinen Nutzen.

Der Druck auf eine umweltschonende Produktion verringert sich, da man es sich leisten kann, sorgfältig mit der Umwelt umzugehen. Rundum eine vermehrte Sensibilisierung für diese Anliegen. Es gibt uns auch die Möglichkeit darüber zu sprechen und zu informieren. So haben wir auch die Möglichkeit Fairness auch einzufordern. Wir erwarten keinen konkreten Nutzen. Der faire Umgang mit Kundinnen und Kunden, mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, mit Genossenschafterinnen und Genossenschaftern sowie mit Lieferanten ist Teil der Migros-Kultur und tief verankert. So ist es nicht erstaunlich, dass die Migros den erstmals verliehenen Fairness-Preis gewonnen hat. Die Migros steht für den respektvollen und weitsichtigen

79

SS

JR

RF

Wir sind der Meinung, dass den langfristigen Handelsbeziehungen und dem existenzsichernden Einkommen das grösste Gewicht beigemessen werden sollte. Die Marktöffnung kann -wenn mit einer "Qualitätsstrategie" begleitetfür Schweizer Produzenten Vorteile haben (Ziel: Marke "Schweiz" steht im In- und Ausland für Natürlichkeit und Qualität). Die langfristigen Handelsbeziehungen sind mit dem existenzsichernden Einkommen verknüpft: So können Investitionen längerfristig geplant werden mit der Garantie, dass die Produkte in den Handel kommen. Dieser Aspekt bewegt Bauernbetriebe dazu, ihre Produktionsweise umzustellen oder sich auf Gebiete zu spezialisieren. Es ist damit zu erwarten, dass sich der Markt mit den Knospe-Produkten vergrössert und diese Produkte grossflächiger verkauft werden. Somit haben KonsumentInnen mehr Möglichkeiten und eine grössere Wahl, gesunde, nach ethischen und ökologischen Richtlinien produzierte Lebensmittel oder weitere Produkte zu kaufen. Das existenzsicherende Einkommen für die Produzenten muss für Bio-Richtlinie aus unserer Sicht ausgeweitet werden auf existenzsicherndes Einkommen/existenzsichernde Löhne. Für Produzenten und Angestellte muss ein menschenwürdiges Auskommen in der Bio-Produktion ein fester Bestand sein. Wir sind zudem überzeugt, dass Negativ-Schlagzeilen über ausbeuterische Löhne von Saisonarbeitern auf Bio-Betrieben dem Ansehen des ganzen Bio-Zweiges sehr schaden. Wer Bio kauft, will nicht nur eine umweltschonende und gesunde Produktion, sondern auch, dass es den ArbeiterInnen und Produzenten „gut“ geht. Existenzsicherndes Einkommen für die Produzenten, weil eine Produktion ohne Existenzsicherung irgendwann eingestellt wird. Langfristige Handelsbeziehungen, weil ein bekannter, verlässlicher Handelspartner wichtig ist. Das grösste Gewicht sollte den Aspekten „langfristige Handelsbeziehungen“ und „existenzsicherndes Einkommen für Produzenten“ beigemessen werden. Der Aspekt „Marktöffnung und Marktentwicklung“ ist bereits heute eine wichtige Aufgabe der Bio Suisse, als Verband der CH Knospe-Bauernbetriebe. Die „ Förderung der regionalen Entwicklung“ sollte in der Schweiz über andere Kanäle wie z.B. Förderprogramme des Bundes zur

Umgang mit Mensch, Tier und Natur ein. In der Schweiz und auf der ganzen Welt. Ein Grossteil der KonsumentInnen wünscht sich natürliche, ethisch und ökologisch korrekt produzierte Lebensmittel und Gebrauchswaren. Sie wollen mithelfen, durch ihre Kaufentscheide nachhaltig (=Umwelt und soziale Verantwortung in Zusammenspiel mit der Wirtschaft) zu wirken. Mit dem Label, welches dies garantiert, wäre der Einkauf von Schweizerprodukten vereinfacht. Den Nutzen sehen wir also darin, dass die KonsumentInnen, die nachhaltig handeln wollen und Produkte aus der Schweiz bevorzugen, eine verlässliche Entscheidungshilfe mit dem Label haben. Zudem ist die Landwirtschaft insgesamt bekannt für tiefe Löhne/eher tiefes Einkommen bei einer zeitintensiven und anstrengenden Arbeit. Leitplanken für Bio-Betriebe, welche den KonsumentInnen garantieren, dass auch die Beschäftigten von der BioProduktion profitieren, vervollständigen das Image von Bio und schaffen zusätzliches Vertrauen.

Ein Umdenken der verschiedenen Handelspartner in Bezug auf die Beziehungen untereinander.

Ich erwarte, dass alle Teilnehmer der Wertschöpfungskette in die Verantwortung für CH BioLebensmittel eingebunden werden. Voraussetzung dafür ist, dass transparente Preisbildungsprozesse gemeinsam auf gleicher Augenhöhe geführt werden. Die Produzentenpreise werden nicht von

80

Regionalentwicklung finanziert werden. Langfristige Handelsbeziehungen werden bei sich öffnenden Grenzen, sich öffnenden Märkten zunehmend wichtiger für die CH Knospe-Produzenten. „Fairer Handel“ beinhaltet auch, dass man sich gegenseitig aufeinander verlassen kann. Partnerschaften über die ganze Wertschöpfungskette sind nötig. Die Frage der Preisbildung ist das zweite zentrale Element des fairen Handels.

FPD

ƒ le 3eme point me semble le plus important: sécurité du revenu pour les producteurs" ƒ le producteur doit assurer ses coûts de production ƒ celà favorise les relations de commerce à long terme ƒ ces relations assurées, on peut assurer et développer des marchés. ƒ c'est une sécurité et un déveoppement pour la main d'oeuvre régionale.

CB

-Langfristige Handelsbeziehungen - Aus dieser erfolgen, nach meiner Einschätzung die Erfüllung der anderen Punkte d.h. der Markt kann sich erst so entwickeln / die Einkommen der Produzenten stabilisieren sich / regionale Märkte können dadurch entwickelt werden

DR

existenzsicherndes Einkommen für die Produzenten, damit können die Produzenten selber, mit der Zeit (und mit Unterstüzung vielleicht), Handelsbeziehungen Marktentwicklung und regionale Entwicklung fördern wie sie beschliessen. Langfristige Handelsbeziehungen, Marktentwicklung In der Landwirtschaft und auch in der nachgelagerten Stufe muss über längere Zeitperioden geplant werden können. Die nachgelagerte Stufe muss diese Handlungsweise aber auch von der Urproduktion erwarten können. Um überleben zu können ist Bedingung, dass eine Marktentwicklung stattfindet. Eine Marktöffnung wäre wünschenswert, ihr sind

PB

oben herab diktiert, werden nicht von einigen wenigen Abnehmern den Produzenten vorgeschrieben sondern miteinander ausgehandelt. Bedingung dazu ist, dass Produzentenvertreter das dazu nötige Wissen zur Marktsituation haben. Ich erwarte eine Abnahme des Preisdruckes, eine Abnahme des „Immer-Billiger-Druckes“ auf die Produzenten. Il est indispensable dans un marché libre (libéral) d'avoir en parallèle la clarté du marché: comment se construit un prix, l'influance de l'offre et de la demande, le poids de la transformation, la qualité de la distribution. Assurer une agriculture durable nécessite un travail de partenariat entre tous les acteurs de la filière. Les règles pour un marché équitable sont là pour structurer ce partenariat. Die einseitige Einführung von RL auf der Produzentenseite halte ich für nutzlos. Die Bio-Suisse hat aber durch ihre Beziehung zu diversen Verarbeitern und Händlern die Möglichkeit in diesem Bereich einen Schritt nach vorne zu machen. Die „ Händler“ oder anders genannt Makler haben in der Ausübung ihres Berufes die Aufgabe alle Beteiligten, Produzenten Konsumenten und Verarbeiter in richtiger Weise zu Positionieren. Es sollen alle im Prozess des fairen Handels von Anfang an Vertreten sein. Dass Bio produkten ethisch sind auch im Sozialbereich, nicht nur ökologisch.

Keine Erwartungen.

81

PA

TR

AL

AS

CW

jedoch Grenzen gesetzt. Wenn wir im Nachhaltigkeitsdreieck Ökologie Ökonomie - Soziales denken, dann spricht "Fairer Handel" im Inland aus meiner Sicht am ehesten die soziale Dimension an. Somit halte ich den letzten Punkt (Sozialprämie") für den Wichtigsten. Ich kann mir gut vorstellen (wir wollen das demnächst mal demoskopisch erfragen) dass z.B. ein "Berglabel" wie Heidi oder pro Montagna eigentlich als Soziallabel (/und nicht als Herkunftslabel) verstanden wird. Frage 3: Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen in der Umsetzung?

ƒ ein Label für fairen Bio-Handel zu schaffen, welches vom Konsumenten verstanden wird, welches glaubwürdig ist und den Konsumenten nicht irritiert. ƒ auch auf Stufe Bauernhof würde eine gewisse Fairness gegenüber zugekauften Dienstleitungen und Arbeitsressourcen erwartet. es braucht ein intensives Marketing / Kommunikation, so dass ein Pull-Effekt unter den Marktakteuren im Biomarkt ausgelöst wird. Wird eine kritische Masse teilnehmender Akteure nicht erreicht, bleibt es ggf. eine Nischeninitiative kleiner und überschaubarer Vermarktungsketten. Konzerne, welche Bio als Nebengeschäft betreiben (Emmi, fenaco usw.), können und werden sich kaum an solche Bestimmungen halten. Daher müssten rigorose Bestimmungen aufgenommen werden, wie keine Quersubventionierung, Kostenwahrheit usw. Die Bestimmungen müssten als integrierender Bestandteil in den Lizenzvertrag aufgenommen werden. Die grösste Herausforderung ist, zu verhindern, dass ein "Papiertiger" entsteht. Statt neue Standards zu schaffen wäre momentan z. B. wichtiger, dass der Biorindfleisch-Absatz in Schwung kommt und die oben erwähnte Preisdifferenz zu Nicht-Bioprodukten kostendeckend ist (Stichwort Bio-Naturabeef). Sollte die Umsetzung in Richtung existenzsichernde Mindesteinkommen oder Sozial-Prämie gehen, würde dies neben einer direkten Verteuerung der BioProdukte durch die Prämien/Peise auch mittelfristig eine weitere Verteuerung bedeuten, da die Marktkräfte teilweise ausser Kraft gesetzt werden (keine Effizienzsteigerungen). Hier sehe ich eine grosse Gefahr für die Kundenakzeptanz für Bio-Produkte, wenn die Preisschere zwischen Bio und konventionell weiter auseinander geht. Sollte die Umsetzung in Richtung Marktöffnung/Marktentwicklung und langfristige

Ein Nutzen kann nur dann enstehen, wenn für den Konsumenten ein (verstehbarer) Mehrwert da ist

Frage 4: Welche Profilierungsmöglichkeiten sehen Sie, diese zusätzliche Leistung zu kommunizieren und in Wert zu setzen? (in welchen Bereichen) ƒ Bio Suisse und alle teilnehmenden Organisationen müssten massiv ein Label für fairen Handel in Schweiz bewerben. Zusätzliche Einnahmen durch Fairness-Siegel, dürfte nicht einfach nur das Sackgeld der Produzenten erhöhen. Es müsste zielgerichtet in zukunftsorientierte Projekte investiert werden, die die Bioproduzenten in ihrer Marktstellung stärken. Unsere Geschäftspartner sind Bio Bauern und Bio Bäcker. Unsere Aufgabe würde darin bestehen mit diesen Partnern zusammen zu versuchen, den Endkonsumenten zu erreichen. Aufs Inland bezogen sehe ich den Nutzen vor allem bio-intern, indem die Produzentenzufriedenheit steigt.

Siehe oben Nr 3

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Handelsbeziehungen gehen, so würde das bedeuten, den bisher eingeschlagenen Weg weiter zu intensivieren und evtl. stärker zu institutionalisieren. Wichtig sind direkte Kontakte/Beziehungen zwischen Produzenten und Handel, z.B. auch in Form von längerfristigen Abnahmevereinbarungen mit Rechten und Pflichten für beide Seiten. Dies sind Massnahmen, welche den Produzenten viel bringen, die jedoch kein grosses Kommunikationspotenzial gegenüber den Konsumenten haben. Die Knospe wird von Abnehmern umgangen, um die Preise tiefer zu halten. Konkurrenzfähigkeit sinkt. Noch eine Vorschrift mehr, die kontrolliert werden muss. Die Marktmacht der Abnehmer auf Stufe Handel ist nur mit Hilfe der Konsumenten zu kacken. Ich denke, dass die Konsumenten schon heute davon ausgehen dass eigentlich alles schon ziemlich fair von statten geht, bis der eine oder andere durch ein persönliches Erlebnis aus dem Traum erwacht J. Hier ist die gezielte nicht überfordernde Kommunikation beim Konsumenten eine der vielen Schwierigkeiten. Es besteht die Gefahr, dass durch weitere Auflagen die Prämien noch mehr ansteigen und Schweizer Bio Produkte an Konkurrenzkraft verlieren. Eine grosse Herausforderung wird unseres Erachtens sein, dass Gross-Abnehmer eine langfristige Handelsbeziehung eingehen wollen im Bereich der Nischenprodukte. Es wäre wünschenswert, dass die Produktepalette bei absatzschwächeren Produkten vergrössert werden könnte. Dies ermöglichte den KonsumentInnen, ihre Haltung ("Kaufentscheid prägt die Zukunft mit") konsequenter umzusetzen. Der Begriff „Fairer Handel“ wird mit Fair TradeProdukten aus Übersee und nicht mit der InlandProduktion gleichgesetzt. Hier wäre Informationsarbeit zu leisten, was mit einer solchen Richtlinie gemeint ist. Wie diese Richtlinie/Vorgaben genannt werden (Fairer Handel oder Sozial-Auflagen etc.) wird bis zur Einführung sicher auch noch diskutiert. In der Akzeptanz bei den Handelspartnern, dass sie überhaupt gewillt sind, diese Richtlinien umzusetzen.

Fairer Handel wird von den KonsumentInnen vor allem mit Produkten aus dem Süden in Verbindung gebracht, die Konsumentin will mit dem Kauf von fair gehandelten Produkten die ProduzentInnen des Südens unterstützen.

Umweltschonende Nahrungsmittelproduktion ist auch in Zukunft gewährleistet, kein Raubbau an der Natur Fair sein ist ein gutes Ding, das sollte eigentlich nicht schwer zu kommunizieren sein. Wir sind ja gegenüber der Natur schon überaus fair. Das muss man in in der Linie auf alle Bereiche transportieren können. Wir sehen eigentlich keine grossen Profilierungsmöglichkeiten. In der Schweiz haben wir gute Gesetze welche auch eingehalten werden. Wie bereits erwähnt, erwarten wir eine Aufwertung der Bio-Produktion. Eine Ausweitung auf soziale Kriterien ist notwendig und wird von uns seit längerem erwartet. Angesichts des Images der Landwirtschaft in diesem Bereich sehen wir zudem eine gute Profilierungsmöglichkeit.

Mit einer längerfristigen partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den Handelspartnern können Preissprünge besser abgefedert werden. Die Profilierungsmöglichkeit besteht darin, dass die Knospe noch umfassender wird. Die Knospe vom Feld bis zum Teller beinhaltet nicht nur den Umgang mit dem Boden,

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Die CH Landwirtschaft wird mit den Direktzahlungen auch mit Steuergeldern unterstützt, dazu kommt, dass die CH Lebensmittel für die KonsumentIn oft auch teurer sind als die importierten Produkte. Deshalb ist Notwendigkeit des fairen Handels auch für CH ProduzentInnen für viele Leute nicht nachvollziehbar. Im Weitern haben die CH Bauern auch das Image, dass sie viel jammern und dies dazu auf hohem Niveau. Es ist eine Herausforderung, den KonsumentInnen die Notwendigkeit des fairen Handels auch für CH Produkte zu erklären. Eine weitere Herausforderung sehe ich darin die Verarbeiter und den Handels zu überzeugen, sich in ein System des fairen Handels einzubinden.

FPD

La "confiance entre les partenaires" ! Quelle place pour la concurrence dans un "marché libre mais clair". Trouver les mots simples favorisant l'engagement de tous.

CB

Dass alle Beteiligten die eigenen Interessen und Verdienstmöglichkeiten hinter das gemeinsame Erreichen eines fairen Wahrenflusses stellen, inkl. der von der Sparwut befallenen Konsumenten.

den Pflanzen, den Tieren, der Verarbeitung bis hin zur Verpackung, sondern auch der Umgang mit den Menschen ( soziale Richtlinien und fairer Handel) ist geregelt. Diese umfassende Nachhaltigkeit muss bis hin zur Konsumentin kommuniziert werden, muss auch auf den Produkten ersichtlich sein. Die Gefahr besteht, dass wir mit viel Aufwand sehr hohe Anforderungen erfüllen, wie zum Beispiel Flugverbot, möglichst schonende Verarbeitung, und die Konsumentin weiss nichts davon. Diese zusätzlichen Leistungen erhöhen den Wert der Knospe, den Wert der Knospe-Produkte. L'agriculture bio est basée sur: " le (meilleur) respect de la vie (possible)" , des règles pour un marché équitable sont le meilleur moyen de respecter l'effort de tous les acteurs de la filière. - nous travaillons dans le secteur primaire qui est à la base de tous les autres ... ...notre démarche peut donc inspirer les autres. - la durabilité renforce notre dynamique donc notre image. - dans tous les domaines. Die Leistung darf nicht als zusätzlich aufgefasst werden. Das ist sie nur wenn nur durch ein Teil (ProduzentInnen) geleistet wird uns so zur Richtlinienphrase verkommt. Der faire Handel hat nur Gewinner und zwar in allen Bereichen dann ist er fair , sonst trägt ein Teil die Kosten und Arbeit und die andern profitieren Wo aus meiner Sicht die stärksten Profilierungsmöglichkeiten bestehen ist in Bereichen in denen wir .schon gut mit den Verarbeitern im Inland organisiert sind und ein relativ ruhiger marktgang haben, ich denke da an Milch ,Fleisch, Getreide … Gemüse währe sicher auch möglich ist aber derart lebendig in der Preisgestaltung daher eher Lagergemüse.

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PA

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Es ist immer schwierig, von aussen, zu sagen was ist ein wirklicher Projekt, was lohnt sich. Wer kann das wirklich beurteilen. Diese Richtlinien sind klar zu definieren, wie zum Beispiel wieviel Tagen sind die Kühe auf dem Laufplatz, oder sind die Samen auch bio oder nicht... Es geht mehr über Gefühle und Meinungen! Schwierig zu regulieren. Es wäre gut mit anderen Partner zu arbeiten wie NGO's oder Gemeinde... (Agrisodu,...) die schon damit arbeiten. Arbeiten im Collaboation mit Leute die sich damit schon beschäftigen. Dass bei der Basis keine falschen Erwartungen geschürt werden. Dass mit Überzeugungsarbeit alle die gleichen Ziele verfolgen. Natürlich ist der grosse Spagat zwischen der Ökonomie (Kosten) und dem sozialen Inhalten (Anforderungen) das Hauptproblem. Wie schafft man Anforderungen mit Mehrwert (aber möglichst ohne Kostenfolge)? Es braucht in jedem Fall konkrete Anforderungen und schliesslich auch eine Kontrolle, wenn man wirklich ein "soziales Versprechen" abgeben will. Der jetzige Ansatz mit Selbstdeklaration ist dann zu wenig. Soviel ich weiss hat z.B. das Label "Genève Région - Terre Avenir" die Landwirte auf einen Gesamtarbeitsvertrag mit den landw. Angestellten verpflichtet. Das sind dann gut kommunizierbare Inhalte. Ich halte es für aber auch mit echten Inhalten für recht schwierig, den Mehrwert (auch noch) zu kommunizieren. Provokativ gefragt: Hat "Bio" nicht schon zu viele Botschaften? Frage 5: Wie schätzen Sie die Akzeptanz bei den Konsumenten ein? (Können sie MarktforschungsResultate oder Mitgliederbefragungen zur Verfügung stellen, auf denen Ihre Einschätzung beruht oder welche die mögliche Auswirkungen aufzeigen können?) glaube die Akzeptanz ist hoch. Allerdings wird beim Bio-Käufer heute schon erwartet, dass bei der Knospe auch der Produzent ausreichend profitiert.

Es ist immer das gleiche für mich: Auf unseren Land wie überall, man muss für die Nachhaltigkeit arbeiten. Das bedeutet für mich das Ideal wäre die Ernährungssouverainität. Wir sollten in diese Richtung arbeiten. Es ist eine sehr politische Arbeit.

Nicht immer nur Jammern sondern durch positives Auftreten überzeugen. Ja, eben, dazu schon meine Bemerkungen unter 3). Sehr schwierig! Ich tendiere zur Aussage, dass man die Kommunikation zur Fairness nicht noch auf die generelle Knospenkommunikation aufladen sollte, wo sich bereits die Botschaften zur Umweltund Tiergerechtigkeit, zum Geschmack etc finden. Also am ehesten eine spezifische Verbindung herstellen zu "BioBerglandwirtschaft" oder "BioRegionalität", oder zu spezifischen Programmen / Projekten mit einer sozialen Komponente. Dann dürfte das eher verstanden werden. 6: Weitere Hinweise / Bemerkungen

Wir werden mit den Zentralschweizer Biovereinen beim Aufbau der Vermarktungsplattform „Marktplatz BioRegio Zentralschweiz“ (siehe Anhang) die Richtlinien und dass Logo fair®ional einer deutschen Initiative in Berlin-Brandenburg nutzen // http://www.fairregional.de/index.html und haben mit diesen Organisationen eine enge Zusammenarbeit vereinbart. Es wäre deshalb gut, wenn Andi Lieberherr von Agrovision (als Träger der

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Vermarktungsplattform) oder ich (als Coach der Vermarktungsplattform) in den Arbeitsprozess der Bio Suisse eingebunden würden, um keine Doppelspurigkeiten zu produzieren. AL AS

CW

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JR

Die Akzeptanz schätze ich sehr gross ein bei den Konsumenten. vgl. 4. Am ehesten ist der Kunde wohl an der Margenfrage interessiert, d. h. wenn er schon mehr für ein Bioprodukt bezahlt, soll es auch dem Bioproduzenten zu Gute kommen Siehe Antwort 1. Die Konsumenten erwarten bereits jetzt, dass Bio-Produkte auch "fair" sind. Ich schätze die die Bereitschaft der Konsumenten, für zusätzliche Massnahmen einen weiteren Aufpreis auf BioProdukte zu zahlen, als gering ein. Kann ich schlecht beurteilen. Wird sicher von der allgemeinen Wirtschaftslage abhängen Wie schon unter 4 erwähnt: Fair sein ist ein gutes Ding, gleich um was das es geht. Jeder/Jede möchte fair behandelt werden. Natürlich auch bei Preisen. Die Biokonsumenten werden dem Thema gegenüber aufgeschlossen sein und werden gut mitmachen. Den Rest gilt es zu überzeugen mit unserem Argumenten: Fair vom Boden bis auf den Teller J. Gegen fairen Handel hat sicher niemand etwas einzuwenden. Dies hat bei Geschäftsbeziehungen mit Lieferanten aus der Dritten Welt oder aus Schwellenländern aber eine viel grössere Bedeutung. Im Gegensatz zu diesen Ländern sind in der Schweiz die Produzenten ja in der Regel auch nicht die schwächsten Glieder in der Gesellschaft. Ohne Marktforschungs-Resultate zur Hand zu haben: Wir beziehen uns auf Meldungen, die an unsere Geschäftsstelle gelangen. Die Fair Trade Label sind für die Konsumenten sehr glaubwürdig und werdennach mündlichen Aussagen- gerne unterstützt. Aufgrund von fehlenden Zahlen/Schätzungen können wir jedoch nicht beurteilen, wie weit eine Verteuerung der Bio-Produktion aufgrund einer solchen Richtlinie von den KonsumentInnen akzeptiert wird. Eine Einführung muss unbedingt mit einer Informationskampagne begleitet werden. Aus meiner Erfahrung im Direktverkauf denke ich, dass dies vom Konsumenten sicher positiv aufgenommen wird. Viele Konsumenten empfinden die teilweise zu hohen Margen im Zwischenhandel als störend und kaufen darum direkt ein. Dies könnte mit dem fairen Handel besser kommuniziert werden und darum vom Konsumenten geschätzt werden.

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RF

FPD

CB

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Ich bin unsicher, was die Akzeptanz der KonsumentInnen betrifft. Ich denke aber, dass eine umfassende und breite Information der Konsumentin nötig sein wird, damit „fairer Handel“ nicht falsch verstanden wird. Unbedingt zu vermeiden sind Negativreaktionen im Stile von: „ was haben die CH Bauern dies nötig, es geht ihnen doch viel besser als z. B. den südamerikanischen Kaffeebauern.“ L'agriculture bio a toujours été d'abord une réponse à l'inquiétude, au doute du consommateur sur la qualité de sa nourriture quotidienne et de l'avenir de son environnement. La vérité sur les coûts, la qualité des échanges dans la filière, ne peut que rassurer le consommateur qui doute de plus en plus d'un systhème économique qui devrait lui donner les moyens de se nourrir. je n'ai pas fait d'étude de marché mais je sais que le marché du futur est celui qui rassure et stabilise le consommateur face à la surexploitation de son environnement! j'ai assez de contacts avec mes collègues bioproducteurs pour savoir qu'ils sont intiméments persuadés qu'ils oeuvrent dans le concept d'une agriculture durable. Des règles pour un marché équitable enlèvera leur doutes sur la qualité de leur action et celles-ci permettront une meilleure communication de cette action. il faudra parallèlement innover dans les possibilités d'emploi afin d'aider et améliorer la situation de ceux qui en ont besoin... Das ist die grösste Hürde. Die schärfsten RL ohne Paralellproduktion und mit Schranken bei der schrittweisen Umstellung haben die Produzenten. Handel und Verarbeitung ist da schon etwas freier und der Konsument ist sich den Gemischtwarenladen gewohnt. Die Impulse müssen von den Produzenten mit Unterstützung aus Handel und Verarbeitung kommen aber nur die Gesamtschau kann die Konsumenten animieren und nicht die RL für die Produzenten. Bei Demeter arbeiten wir seit 2005 an einem Entwurf „ soziale Charta“ der von Demeter-International erarbeitet wurde und den Mitgliedländern zur Beurteilung in Arbeit gegeben wurde. In der Schweiz schreibt eine Studentin der Umweltwissenschaften der ETH Zürich eine Semesterarbeit zum Thema. In die Romandie kann es vielleicht gut kommen. Wenn es etwas mit der Gegend oder Kanton zu tun hat. Ich habe von fairen Milch in Austria gehört, es sieht gut aus aber ich kenne nicht genau. Für uns sehe ich ein grosses Potenzial. Wenn die Werbung und Überzeugungsarbeit nur als Marketing von einer Unternehmung als Imagewerbung betrieben wird, sehe

Fairer Handel in der Schweiz ist für mich verbindliche Partnerschaften entlang der ganzen Wertschöpfungskette bis hin zur Konsumentin.

Voilà, pas d'autres remarques particulière, mais l'art de savoir comment être équitable a débuté, je dois vous dire que celà me réjouis particulièrement!

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PA

ich langfristig eine schlechte Akzeptanz. Siehe dazu meine obigen Bemerkungen. Grundsätzlich ist sicher Akzeptanz vorhanden, aber es muss ein glaubwürdiges Versprechen da sein.

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Anhang L 7.6

Anregungen aus Praxisprojekten

Genève Région – Terre Avenir

Bestes Bio – Fair für alle

Erzeugerfair Milch

Tagwerk

Fair & regional

Faire Partnerschaften

The Agricultural Justice Project

Domestic Fair Trade

Projekt

Anregungen für die Fragestellung von Fairem Handel in der Bio-Knospe Fokussiert auf bäuerliche Landwirtschaft Involviert Gewerkschaften Integriert Frage des Risikos und der (Vor-) Finanzierung Hoher Stellenwert von Partizipation/Kontrolle und Weiterbildung/Bewusstseinsbildung Fokussiert auf kleinbäuerliche Landwirtschaft Zusammenarbeit mit lokaler, gut verankerter Initiative für Umsetzung Recht-basierter Ansatz Fairer Preis und gerechte Arbeitsbedingungen sind komplementäre Elemente. Mindestpreis 5-15% höher als Marktpreis. Bei nachweislichen ökonomischen Problemen können Mindestanforderungen unterschritten werden. Anspruch, dass Käufer seine Kosten und Kalkulationen transparent macht Freiwillige Richtlinienbefolgung – Auszeichnung von zertifizierter Einhaltung Förderung von Projekten, ausgewählt vom Spender (Handelspartner) Tiefer Preis „im oberen Drittel des marktüblichen Durchschnittspreises“ Listungs-Pflicht für Grosshändler Bereitschaft zur gegenseitigen Unterstützung in Notsituationen Produktentwicklungspläne über längerfristigen Zeitraum Intensive, eigenständige Informations- und Bewusstseinsarbeit Geschäftsmodell, das dank starker lokaler Verankerung und hoher Glaubwürdigkeit über Vernetzung in der Wertschöpfungskette hinausgeht und auch nicht-landwirtschaftliche Angebote für nachhaltigen Konsum entwickelt (Reise, Reinigungsmittel) Fundierte Abklärung durch staatlich subventioniertes Forschungsprojekt Klare Botschaft und Angebot, mit einem bescheidenen absoluten Aufschlag einen wichtigen Beitrag zu leisten, stossen bei überzeugten (!) Konsumenten auf gute Resonanz Selbsthilfe als Ausgangspunkt, Unterstützung durch nicht Landwirte über GmbH oder AG zur Finanzierung von grösseren Projekten Öffentliche Förderung durch (Forschungs-) Projekte und Promotion Regionalität wird sehr stark ausgeweitet auf „aus Deutschland“ Preis Ober- und Untergrenze Kontrolle kombiniert mit Bio-Kontrolle durch bisherige Zertifizierungsstelle Qualitätsorientierte Positionierung - Kein Verkauf über konventionelle Discounter Importware in Labelprodukt muss aus Fairem Handel stammen Fair für alle vom Acker bis auf den Ladentisch (ohne Konsumentinnen?) Interessantes Modell für Beteiligung/Moderation des Kantons Alle Stakeholder von Beginn weg beteiligt Spezielles Finanzierungsmodell Aktuell Entwicklung eines Marktbeobachtungsinstrumentes Intensive Promotionsarbeit und Bewusstseinsarbeit Klub für Bewusstseins- und Vernetzungsarbeit Kosteneffiziente zentrale Vergabe und Abrechnung des Zertifizierungsauftrags

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Natur e& more Bio mit Gesicht, Repect inside

Produzentenportraits verbinden Herkunftsdeklaration mit emotionalem Mehrwert Aufwendige Bewertung von Soft-Factors (ohne Vergleich über die Zeit) Interessanter Mix von Information (cross-selling) zu Produzent, Bioanbau generell, Produkten und wie sie verwendet werden können (Rezepte) Einfaches Zurechtfinden durch einheitlichen Aufbau und Graphik der verschiedenen Produzentenportraits (könnten Homepages der Betriebe sein) Selbstbewertung mit der Möglichkeit, auch nicht abgefragte Leistungen aufzuführen (z.B. erfüllen anderer spezifischer Normen oder Standards) Auch an einer Selbstbewertung kann man gemessen werden Tabelle 23: Anregungen aus Praxisprojekten für die Bio-Knospe

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Anhang M

7.7

Auf Informationsvermittlung ausgerichtete Praxisbeispiele

7.7.1 Nature & more, Holland http://www.natureandmore.com/German.cmt Das Konzept und das Label wurden vom holländischen Fair Handels Importeur Eosta gegründet. Heute wird es über eine Stiftung geführt. Ziel ist es, den Konsumentinnen Informationen über die Produzenten der eingekauften Produkte zu vermitteln, denen der Faire Preis zugute kommt. Damit soll das Vertrauen und die Kundenbindung erhöht werden. Jedes Produkt wird mit einer Zahl ausgezeichnet, die auf der „Nature & more“-Homepage eingegeben werden kann. Der Betrieb wir vorgestellt, meistens mit einer Betriebsbeschreibung, einem Interview mit einer leitenden Person und Bildern. Speziell ist die dreifache Qualitäts-Bewertung (Rating) der Produzenten. Die Beurteilung wird durch „Nature and more“-Mitarbeiter oder Beauftrage, zum Beispiel in Deutschland die Zertifizierungsorganisationen ABCERT, vorgenommen. Beurteilt wird die Produktqualität, die ökologische Qualität und die soziale Qualität. Bewertet wird in einer 5-teiligen Skala, von einem bis fünf Sternen: nicht zutreffend (0), ungenügend (1), ausreichend (2), gut (3), sehr gut (4), hervorragend. Die Beurteilung gibt den Ist-Zustand wieder. Sie zeigt keine Entwicklung im Verlaufe der Zeit. Beurteilungskriterien:

91



• • • • • • • • • • •

• •

Produktqualität Sensorische Bewertung

Nährstoffanalyse Vitalitätsbestimmung

Soziale Qualität Ökologische Qualität Motivation & Ziele • Stimulation der Bio-Diversität Arbeitszeiten • Nachhaltige Bewässerung Aus- und Weiterbidlungs-möglichkeiten • Krankheits- und Schädlingsvorbeugung Unternehmensstruktur • Umweltfreundliche Massnahmen Gemeinschaftsentwicklung • Besondere Aspekte Befürchtungen (Concerns) • Motivation & Ziele Verträge & Vereinbarungen • Bodenfruchtbarkeit und –pflege Lohne & Gehälter • Instandhaltung, Sauberkeit + Hygiene Sicherheit am Arbeitsplatz • Schonendes Nachernteverfahren Respekt und Anerkennung • Innovation + Forschung Besondere Aspekte Tabelle 24: Die Kriterien der „Nature and more“ Qualitätsbeurteilung

Anregung für die Fragestellung von Fairem Handel in der Bio-Knospe → Produzentenportraits

verbinden

Herkunftsdeklaration

mit

emotionalem

Mehrwert → Aufwendige Bewertung von Soft-Factors (ohne Vergleich über die Zeit)

7.7.2 Bio mit Gesicht, Brandenburg, Deutschland http://www.bio-mit-gesicht.de Eine Initiative von FiBl, Tegut, Naturland, und neuerdings Feneberg, Ökoinform Wie bei „Nature & more“ kann dank einem Code am gekauften Produkt ein Produzentenportrait aufgerufen werden. Mit der Eingabe der Code-Zahl gelangt man auf die Startseite des jeweiligen Betriebs und kann verschiedene Kapitel (Unser Hof, unsere Produkte, Kontakt) aufrufen. Im Umfeld werden grundsätzliche Informationen zum Bioanbau, Rezepte zu den vorgestellten Produkten und themenspezifisch Links zu Bio Landbauorganisationen angeboten.

Anregung für die Fragestellung von Fairem Handel in der Bio-Knospe → Interessanter Mix von Information (cross-selling) zu Produzent, Bioanbau generell, Produkten und wie sie verwendet werden können (Rezepte) → Einfaches Zurechtfinden durch einheitlichen Aufbau und Graphik der verschiedenen Produzentenportraits (könnten Homepages der Betriebe sein) 92

7.7.3 Repect inside, Schweiz http://www.respect-inside.org/default.aspx Respect inside ist eine Initiative der Textilhandelsfirma Switcher welche durch die Firma Product DNA SA betrieben wird. Ziel ist die vollständige Transparenz und Rückverfolgbarkeit eines Produktes über alle Produktions- und Handelsstufen. Es ist ein hoch anspruchsvolles Projekt, das sich seit 2005 im Aufbau befindet. Mitglieder sind Handelsfirmen. Die Mitglieder verpflichten die Partner in ihrer Handelskette auf die Teilnahme an diesem Projekt. Basis der Vereinbarung bildet der Switcher Verhaltenskodex, welcher sich auf den Arbeitsstandard der Fair Wear Foundation FWF (http://en.fairwear.nl/), die Erklärung der Menschenrechte und das Übereinkommen der ILO abstützt. Die Unternehmensleitungen der Verarbeitungoder Handelspartner in der Kette verpflichten sich per Unterschrift, diese Richtlinie einzuhalten (für alle Switcher Produkte) und sich angemeldet oder unangemeldet darauf kontrollieren zu lassen. Jährlich füllt jeder Partner einen Selbstbewertungstest auf der Respect-inside Compliance Website (R-ICW) aus. Die Auswertung (Spinnengraphik und Tabelle) ist öffentlich abrufbar und zeigt die Entwicklung der Selbsteinschätzung über die Zeit. Switcher verpflichtet sich als Mitglied, Massnahmen zu treffen, falls ein Partner nachweislich einen oder mehrere Standards nicht einhält, falls nötig bis hin zur Vertragsauflösung. Switcher ist mit einer unabhängigen Verifikation der Kodexeinhaltung (durch die Fair Wear Foundation) einverstanden und wirkt darauf hin, dass die Einhaltung der Standards auf allen Stufen der Produktion mit der Zeit einem Verifikationsprozess unterstellt wird.

Anregung für die Fragestellung von Fairem Handel in der Bio-Knospe → Selbstbewertung mit der Möglichkeit, auch nicht abgefragte Leistungen aufzuführen (z.B. erfüllen anderer spezifischer Normen oder Standards) → Auch an einer Selbstbewertung kann man gemessen werden

93

Anhang N 7.8

Von Fairtrade (IFAT) geprägte Praxisbeispiele

7.8.1

Domestic Fair Trade Association, USA

http://www.dftassociation.com/index.html Im 2005 wurde die Domestic Fair Trade Association (DFTA) gegründet von Fair Trade Organization Equal Exchange, Farmer Direct Co-operative und Organic Valley/CROPP Co-operative. Die Initiative versteht sich als Teil der internationalen Bewegung für Gerechtigkeit im Handel. Die Gründung erfolgte aufgrund der Erkenntnis, dass viele der Herausforderungen für benachteiligte Produzenten im Süden ähnlich sind wie jene, welche Familienbetriebe im Norden erleben, oft als Resultat derselben globalen ökonomischen Kräfte. Im Zentrum steht die Unterstützung für Familienbetriebe, die Bildung von Produzentenkooperativen und nachhaltiger (IP- oder Bio-) Anbau. Ziel ist es, die organisierten Produzenten mit Händlern und Detaillisten zusammen zu bringen, die von Fairtrade überzeugt sind (mission-based) und auch mit interessierten Konsumentinnen zu verknüpfen. Im 2007 wurden Farmgewerkschaften in die Organisation aufgenommen, da der Anspruch auf faire Löhne und das Recht sich frei und ungehindert organisieren zu können als zentrale Themen erkannt wurden. DFTA ist aktuell dabei, auch Gewerkschaften aus dem Bereich der Verarbeitung und des Handels aufzunehmen. DFTA

vereinigt

aktuell

35

Produzentenorganisationen,

Anbaukooperativen,

Landarbeiterorganisationen, Zwischenhändler, Detaillisten und NGOs. Die Prinzipien für Domestic Fair Trade sollen beitragen zu einem ganzheitlicheren Handelsmodell, das konsistent ist mit den elementaren Werten der internationalen Fairtradebewegung und auf den Werten der Organisationen der Biologischen und nachhaltigen Landwirtschaft aufbaut. Sie sind wesentlich geprägt durch die Fair Trade Federation (FTF), Mitglied der International Fair Trade Association (IFAT).

94

• • • • • • •

Bäuerlicher Familienbetrieb Weiterbildung und Entwicklung für Produzenten und Arbeiter Demokratische und partizipative Organisation & Kontrolle Arbeitsrechte Gleichberechtigung & Chancengleichheit

• •

Geteiltes Risiko & tragbare Kredite Langfristige Handelsbeziehungen



Nachhaltige Landwirtschaft

• •

Angepasste Technologie Rechte der einheimischen (indigenen) Bevölkerung Direkte Handelsbeziehung • Transparenz & Rechenschaftspflicht Faire & stabile Preise • Bewusstseinsbildung & Interessenvertretung Tabelle 25: Die Prinzipien der Domestic Fair Trade Association

Anregung für die Fragestellung von Fairem Handel in der Bio-Knospe → Fokussiert auf bäuerliche Landwirtschaft → Involviert Gewerkschaften → Integriert Frage des Risikos und der (Vor-) Finanzierung → Hoher Stellenwert von Partizipation/Kontrolle und Weiterbildung/Bewusstseinsbildung

7.8.2 The Agricultural Justice Project (AJP), USA http://www.cata-farmworkers.org/ajp/index.html Das Projekt wurde 1999 initiiert unter dem Eindruck der zunehmenden Konzentration infolge des Markterfolges des nationalen USDA Biostandards und der Fairtrade Labelprogramme: Wie kann sichergestellt werden, dass die „early adaptors“, insbesondere die kleineren Landwirtschaftsbetriebe sowohl im Süden als auch im Norden, ebenfalls von diesem Wachstumsmarkt für Bio- und Fairtrade-Produkte profitieren können? Ziel ist ein Konsumentenlabel für Nahrungsmittel, das für soziale Gerechtigkeit (und ökonomische Fairness) steht und auf dynamischen Familienbetrieben beruht. Das Agricultural Justice Project will auch die weitere Entwicklung der sozialen Richtlinien des International Federation of Organic Agriculture Movements IFOAM prägen. Nach ersten kleineren Praxistests in drei Regionen wurde Mitte 2007 im Upper Midwest (Gebiet von der Grösse Frankreichs westlich und südlich der Great Lakes 95

gelegen mit ca. 40 Mio. Einwohnern) in Zusammenarbeit mit dem regionalen Partner Local Fair Trade 33 das Label lanciert. Der Pilot soll zeigen, ob und wie die sehr hohen Ansprüche an soziale Gerechtigkeit in diesem Projekt auch pragmatisch umgesetzt werden können. Die ausführlichen Standards (aktuell im 5. Entwurf) beschreiben die komplementären Prinzipien der ökonomischen Fairness für den Landwirt und von gerechten Arbeitsbedingungen für die landwirtschaftlichen Mitarbeiterinnen. Sie wurden breit konsultiert und haben den Anspruch, konsistent zu sein mit den Prinzipien von IFOAM und der International Labor Organisation ILO. Die Standards gehen von einem rechtsorientierten Ansatz aus und definieren schwergewichtig die Rechte des Produzenten im Verhältnis zum Käufer sowie die Richtlinien für die Farmangestellten. • • • •



Mechanismen zur Konfliktlösung Volle Transparenz von Seite des Käufers bezüglich seiner Kosten und Kalkulationen. Auf Begehren gewährt er dem Produzenten Einblick in seine Verträge. Investitionen, die der Produzent im Hinblick auf einen Vertrag macht, werden für den Fall frühzeitiger Vertragsauflösung abgesichert. Mindestpreise orientieren sich an aktuellen regionalen oder internationalen Preisen und den schriftlich vorliegenden Kostenrechnungen beider Parteien. Sie werden zwischen Produzenten und Käufern ausgehandelt, sind aber mindestens 5% (konventionell) bis 15% (Bio) höher anzusetzen als der aktuelle Marktpreis. Preise werden erhöht, wenn die Rentabilität eines Produktes steigt. Wenn keine Mindestlöhne/Mindestpreise bezahlt werden können hat der Produzent/Käufer dies gegenüber dem Arbeitnehmer/Produzenten nachzuweisen. Unter dieser Voraussetzung können tiefere Entschädigungsansätze/Preise vereinbart werden. Tabelle 26: Elemente aus dem Standard des Agricultural Justice Projects

→ Anregung für die Fragestellung von Fairem Handel in der Bio-Knospe → Fokussiert auf kleinbäuerliche Landwirtschaft → Zusammenarbeit mit lokaler, gut verankerter Initiative für Umsetzung → Recht-basierter Ansatz → Fairer Preis und gerechte Arbeitsbedingungen sind komplementäre Elemente. Mindestpreis 5-15% höher als Marktpreis. Bei nachweislichen ökonomischen Problemen können Mindestanforderungen unterschritten werden. → Anspruch, dass Käufer seine Kosten und Kalkulationen transparent macht

33

http://www.localfairtrade.org

96

7.8.3 Naturland Faire Partnerschaften, Deutschland http://www.faire-partnerschaften.de Nach dem Vorbild des gepa Fair Handelshauses, IFAT-Mitglied, sollen auch für Bioproduzenten und Mitglieder von Naturland in Deutschland faire Preise realisiert werden. Damit soll der sich immer stärker öffnenden Schere von steigenden Kosten und

sinkenden

Produktpreisen

entgegengewirkt

werden.

Ziel

ist

es,

zur

Existenzsicherung von Biobetrieben und damit der Lebensgrundlagen generell beizutragen. Denn die Verantwortung der Natur gegenüber kann nur wahrgenommen werden, wenn ein fairer Preis realisiert werden kann. Den Verarbeitern und Händlern von Naturland Produkten wird vorgeschlagen, optional die sechs Naturland-Fairhandelskriterien einzuhalten. Angesprochen werden also Handelspartner, die in der Regel bereits nachhaltig wirtschaften und sich aus Überzeugung auch noch zusätzlich überobligatorisch engagieren. Handelspartner, die alle Kriterien einhalten, werden mit dem Naturland Diplom „Faire Partnerschaften ausgezeichnet (Organisationslabel). Gemäss Webpage sind bisher vier Unternehmen ausgezeichnet worden. • • • • • •

Soziale Verantwortung gegenüber den Menschen, die in Produktion und Verarbeitung leben und arbeiten. Langfristige Handelsbeziehungen in Form einer gemeinsamen Jahres- und Mengenplanung Faire Erzeugerpreise welche die Produktionskosten abdecken und einen angemessenen Gewinn beinhalten. mindestens 80% der landwirtschaftlichen Erzeugnisse stammen – soweit verfügbar – aus der Region Gemeinsame Qualitätssicherung in intensiver Absprache und zu beidseitigem Nutzen Förderung von Projekten, die ein funktionierendes Sozialwesen vor Ort unterstützen. (Nicht in Form von Prämie pro Verkaufseinheit) Tabelle 27: Die sechs Naturland Fairhandels Kriterien

Anregung für die Fragestellung von Fairem Handel in der Bio-Knospe → Freiwillige Richtlinienbefolgung – Auszeichnung von zertifizierter Einhaltung → Förderung von Projekten, ausgewählt vom Spender (Handelspartner)

97

Anhang O 7.9

Von regionaler Selbsthilfe geprägte Praxisbeispiele

7.9.1 Fair & regional – Bio Berlin-Brandenburg, Deutschland http://www.fair-regional.de Fair & regional ist eine Aktionsgemeinschaft von 18 Produzenten, mehrheitlich Demeter Betriebe, und kleineren Verarbeitern und Händlern, gegründet am 15. März 2007. Kernelement ist die publik gemachte Selbstverpflichtung der Mitglieder zur Umsetzung der Fair-Regio-Charta. Ziel

ist

eine

Partnerschaft

auf

gleicher

Augenhöhe

über

die

ganze

Wertschöpfungskette, welche die nachhaltige Weiterentwicklung einer sozial- und umweltverträglichen Bio-Branche in der Region ermöglicht. Die Charta umfasst Soziale

Kriterien

für

Angestellte

sowie

die

Verpflichtung

zu

konkretem

Umweltengagement und aktiver Kommunikation gegenüber den Konsumentinnen. Jährlich wird durch die an der Herstellung und am Handel massgeblich beteiligen Partner sowie dem fair-regio-Ausschuss der Aktionsgemeinschaft festgelegt, welche Produkte das Label tragen dürfen, d.h. welche Wertschöpfungsketten die verbindlich festgelegten Handlungsziele einhalten, u.a.: • • • • • • •

34

Verbindliche Abnahme- und Lieferverträge sowie gemeinsame Anbau-, Mengen-, und Produktentwicklungs-Pläne über einen längerfristigen Zeitraum Verbindliche und für alle nachvollziehbare Absprachen über zu zahlende Preise, die „im oberen Drittel des marktüblichen Durchschnittspreises“ 34 liegen müssen Grosshändler verpflichten sich, verfügbare fair & regional-Produkte generell zu listen Wiederverkäufer verpflichten sich, fair & regional-Produkte bei gleicher Qualität und Preis zu bevorzugen 100% Lokale Produktion und lokale Verarbeitung (In Ausnahmefällen 80%) Der fair-regio-Ausschuss ist Beschwerde und Konfliktregelungsinstanz Bereitschaft, Vertragspartner und andere Lizenznehmer in betrieblichen und wirtschaftlichen Notsituationen zu unterstützen. Tabelle 28: Auszug aus den Handlungszielen von fair & regional

Aktionsgemeinschaft fair & regional Charta ( 2007), S.4

98

Anregung für die Fragestellung von Fairem Handel in der Bio-Knospe → Tiefer Preis „im oberen Drittel des marktüblichen Durchschnittspreises“ → Listungs-Pflicht für Grosshändler → Bereitschaft zur gegenseitigen Unterstützung in Notsituationen → Produktentwicklungspläne über längerfristigen Zeitraum

7.9.2 Produzenten-Konsumenten

Plattform

Tagwerk,

Deutschland http://www.tagwerk.net Es gibt verschiedenste Produzenten-Konsumenten Plattformen, die regionale BioWirtschaftskreisläufe fördern. Beispielhaft wird die grösste und erfolgreichste deutsche Plattform, die Genossenschaft Tagwerk vorgestellt. Tagwerk wurde 1984 von 4 Produzenten gegründet und hat sein Zentrum in Dorfen, einer rund 13‘000 Einwohner zählenden Kleinstadt 50 km nordöstlich von München. Heute zählt die Genossenschaft über 100 Mitglieder, (Produzenten, Bäckereien, Metzgereien, Käsereien, Imker und auch eine Mühle), beschäftigt mehr als 90 Mitarbeitende und erzielte 2007 einen Umsatz von rund 2.7 Mio. €. Die Bioland zertifizierten Produkte werden mehrheitlich über 7 Tagwerk Läden und Märkte in der Region verkauft. Neben der Genossenschaft gibt es einen gemeinnützigen „Tagwerk-Förderverein für ökologische Landwirtschaft, Landschaftspflege und naturgemässes Leben e.V.“, der sich der Bewusstseinsbildung verschrieben hat und die politischen Ziele von Tagwerk nach

aussen

trägt.

Konkret

organisiert

er

Hoffeste,

Besichtigungen,

Feldbegehungen, Heckenpflanzungen und –pflege, Diskussionsforen und weitere Aktivitäten, welche die Vernetzung und das Vertrauen zwischen Konsumentinnen und Produzenten fördern. Daneben sensibilisiert er das Bewusstsein von Jugendlichen, Produzenten und Konsumentinnen für biologische Landwirtschaft und regionale Warenflüsse. Drei sehr verschiedene Beispiele von Konsumenten-Produzenten-Plattformen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz:

99

NEST (Network for Ecological and Social Trade) http://verein-nest.at Vor allem Bewusstseinsarbeit, daneben betreiben von Plattformen.

Fair Handeln Bayern, http://fairhandeln-bayern.de; getragen vom „eine welt netzwerk bayern“, Plattform für regional-bio-fair Forum

Agrico,

Genossenschaft

für

biologischen

Anbau,

http://www.birsmattehof.ch, Initiative von Konsumentinnen, seit 1980

Anregung für die Fragestellung von Fairem Handel in der Bio-Knospe → Intensive, eigenständige Informations- und Bewusstseinsarbeit → Geschäftsmodell,

das

dank

starker

lokaler

Verankerung

und

hoher

Glaubwürdigkeit über Vernetzung in der Wertschöpfungskette hinausgeht und auch nicht-landwirtschaftliche Angebote für nachhaltigen Konsum entwickelt (Reise, Reinigungsmittel)

7.9.3 ErzeugerfairMilch der Upländer Molkerei, Deutschland http://www.bauernmolkerei.de Die Upländer Bauernmolkerei GmbH wurde 1996 als Selbsthilfeprojekt von 18 hessischen Bio-Landwirten gegründet zur selbstständigen Aufbereitung und Vermarktung ihrer Milch. Mit Unterstützung von Privatpersonen – über die „BioBauernBeteiligungsAG“ – konnten sie die im Vorjahr geschlossene Usselner Molkerei im Bundesland Hessen übernehmen. Heute wird Milch von 130 Mitgliedern der Bioland-Erzeugergemeinschaften von Hessen und Westfalen verarbeitet und vermarktet. Das Label „ErzeugerfairMilch“ steht für einen Zuschlag von 5 Cents pro Liter, der auf den Endverkaufspreis geschlagen und direkt den Landwirten ausbezahlt wird. Geworben wird mit der Hauptbotschaft „5 Cent mehr pro Liter Biomilch – direkt vom 100

Verbraucher an den Erzeuger!“ und verschiedenen Nebenbotschaften: „Damit heimische Bio-Betriebe überleben können!“ oder „Heimische Bio-Lebensmittel geniessen, die Umwelt schützen und Arbeitsplätze erhalten.“ Dies auf dem Hintergrund des dramatischen Preiszerfalls für Bio-Milch zu Beginn des zweiten Jahrtausends. Die Aktion Erzeugerfair-Milch wurde entwickelt im Rahmen des Forschungsprojekts „Preispolitische Spielräume für regional erzeugte ökologische Produkte: Analyse und Umsetzung einer Marketingstrategie“ der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel. Unter anderem wurde eine Befragung von mehr als 500 Kunden in 12

Naturkostläden

durchgeführt,

um

die

wichtigsten

Einflüsse

auf

die

Zahlungsbereitschaft zu ermitteln. Es zeigte sich, dass über 85% der Kunden bereit waren, einen Mehrpreis von 5 Cents/Liter zu bezahlen. Bei einem ersten Praxisversuch im 2005 kam es jedoch nicht zum erwarteten Umsatzrückgang von 10-20%. Im Gegenteil, der Absatz konnte um über 20% gesteigert werden. Dies ermutigte die Initiative per 1. Oktober die gesamte damalige Milchmenge, rund 15 Mio Liter, unter dem Label mit 5 Cents Zuschlag zu vermarkten. Heute werden rund 35 Mio Liter Milch verarbeitet. Die Produkte werden über 59 Naturkostläden und -Vertriebsorganisationen vermarktet –bis nach Hannover, Frankfurt und Berlin.

Anregung für die Fragestellung von Fairem Handel in der Bio-Knospe → Fundierte Abklärung durch staatlich subventioniertes Forschungsprojekt → Klare Botschaft und Angebot, mit einem bescheidenen absoluten Aufschlag einen

wichtigen

Beitrag

zu

leisten,

stossen

bei

überzeugten

(!)

Konsumentinnen auf gute Resonanz → Selbsthilfe als Ausgangspunkt, Unterstützung durch nicht Landwirte über GmbH oder AG zur Finanzierung von grösseren Projekten

101

7.9.4 „Bestes Bio – Fair für alle“ Deutschland http://www.biofairverein.de/home.0.html

Der Verein „Bestes Bio – Fair für alle“ ist eine Initiative von verschiedenen Unternehmen der Bio-Lebensmittelbranche, die sich gebildet hat im Anschluss an einen Workshop im September 2007 zum Thema "Faire Preise für die Bauern Wofür zahlen Verbraucher mehr?" Er bringt verschiedene regionale ErzeugerfairInitiativen, die nach dem Upländer Vorbild der ErzeugerfairMilch für weitere Produkte entstanden sind oder am Entstehen sind zusammen. Der Verein befindet sich im Aufbau. Dem Vorstand ist ein ethischer Beirat zur Seite gestellt. Die Grundsätze sind definiert und die Prüfkriterien beschrieben. Das Zertifizierungskonzept

wird

gegenwärtig

erarbeitet.

Die

Prüfung

der

Kriterieneinhaltung soll durch die unabhängige Kontrollstelle erfolgen können, welche bereits heute die jährliche Inspektion der EG-ÖKO-Vereinbarung respektive der Verarbeitungsvorschriften beim Unternehmen durchführt. Ziel ist die „Förderung von landwirtschaftlichen Wirtschafts- und Handelssystemen, die den ländlichen Raum und die bäuerliche Landwirtschaft stärken sowie weltweit die Unabhängigkeit der Erzeuger von landwirtschaftlichen Rohstoffen unterstützen und deren Existenz und Menschenwürde sichern.“ 35 Damit wird die Verbundenheit mit marginalisierten Produzenten des globalen Südens sowie mit Anliegen des Umweltschutzes namentlich im Energiebereich. Der Name „Bestes Bio – Fair für alle“ bringt den programmatischen Ansatz auf den Punkt: Positionierung über qualitätsorientierte Rückbesinnung auf die originären (Fairness-) Werte der Biobewegung (umfassende, auch soziale, Nachhaltigkeit sowie umweltschonende, (energie-)effiziente Produktionsverfahren) und die Überzeugung, dass ein existenzsicherndes Einkommen für alle Akteure vom Acker bis zur Ladentheke der Schlüssel zum Erfolg ist. Im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau wurde durch ein Projekt bereits der erwähnte Workshop sowie der Aufbau des Vereins unterstützt. Der 35

Verein Bestes Bio –Fair für alle (2007)

102

Projektleiterin, Dr. Anke Schekahn vom Kasseler Institut für ländliche Entwicklung, ist heute Geschäftsführerin des Vereins. Bis September 2010 wird nun auch die Öffentlichkeitsarbeit für die Kampagne „Bestes Bio – Fair für alle“ gefördert, damit Dokumentationen,

Point

of

sale

Aktionen,

Schulungen

und

öffentlichen

Veranstaltungen erarbeitet und durchgeführt werden können. • • • • • • •

Produzenten-Preise werden jährlich festgelegt, die Untergrenze aufgrund der Berechnungen des Landwirtschaftlichen Beratungsdienstes, die Obergrenze durch Verhandlungen Produkte mit dem Logo werden nur über den qualitätsorientierten Handel verkauft. Dazu gehört auch der „konventionelle Lebensmitteleinzelhandel mit Qualitätsausrichtung“. Kein Verkauf erfolgt über konventionelle Discounter. Persönliche und berufliche Förderung/Weiterbildung der Mitarbeiter Langfristige Liefer-& Abnahmeverträge Offenlegung des Rohstoffbezug (Name und Betriebssitz des Lieferanten) Hauptbestandteile (80%) müssen aus der Region (=Deutschland) stammen Internationale Importware in Labelprodukt muss aus Fairem Handel stammen Tabelle 29: Zentrale Grundsätze und Kriterien von Bestes Bio – Fair für alle

Anregung für die Fragestellung von Fairem Handel in der Bio-Knospe → Öffentliche Förderung durch (Forschungs-) Projekte und Promotion → Regionalität wird sehr stark ausgeweitet auf „aus Deutschland“ → Preis Ober- und Untergrenze → Kontrolle kombiniert mit Bio-Kontrolle durch bisherige Zertifizierungsstelle → Qualitätsorientierte Positionierung - Kein Verkauf über konventionelle Discounter → Importware in Labelprodukt muss aus Fairem Handel stammen → Fair für alle vom Acker bis auf den Ladentisch (ohne Konsumentinnen?)

7.9.5 Genève Région – Terre Avenir, Schweiz http://www.opage.ch/DE/accueil.htm

Der Kanton Genf ist Besitzer des Labels. Das Label ist Resultat eines Grossratsbeschlusses von 2002 zur Einführung von dringenden Massnahmen für die Landwirtschaft. Das Engagement des Kantons wird begründet mit dem Auftrag, 103

regionale Ernährungs-Souveränität zu gewährleisten, abgeleitet aus Artikel 104 der Verfassung

(Erhaltung

der

natürlichen

Ressourcen

und

Landschaftspflege).

Insbesondere soll die landwirtschaftliche Produktion auf Kantonsgebiet und der Zugang zu regional erzeugten Produkten sicher gestellt werden. Die Region umfasst auch die französische Freihandelszone. Das Ziel des Labelprogramms ist es, regional hergestellten und verarbeiteten Produkten den Markteintritt zu erleichtern. Nach zwei Jahren Vorarbeit wurde es im Jahr 2004 eingeführt. Heute hat es in der Region einen Bekanntheitsgrad von 80%. Es werden rund 70 verschiedene Produkte (~15‘000 Tonnen/Jahr), vor allem Gemüse, Früchte und (Brot (Getreide) aber auch Milch- und Fleischprodukte, Getränke und Blumen/Pflanzen unter dem Label vermarktet. Es werden Produkte aller Herstellungsverfahren (von hors-sol bis bio) unter dem Label vermarktet. Über die Deklarationsvorschriften wird sichergestellt, dass für die Konsumentinnen beim Kauf nicht nur die Produktionsmethode sondern auch der Name des Produzenten ersichtlich ist. Der Label-Verbund zählt rund 200 Mitglieder aus Produktion und Gewerkschaften, Verarbeitung

und

Handel,

Konsumentenorganisationen

sind

darunter

auch

ebenfalls

vertreten.

Coop

und

Verantwortlich

Migros. für

die

Umsetzung ist der vom Kanton angestellte Geschäftsführer in Zusammenarbeit mit den 5 internen Kommissionen. Die Kontrolle nach EN45011 erfolgt durch die externe Interkantonale Zertifizierungsstelle (OIC), die auf landwirtschaftliche Produkte spezialisierte ist. Unabhängig vom Label-Verbund arbeitet der Club „Genève Région – Terre Avenir“. Dieser fördert durch Betriebsbesichtigungen, Kurse und Degustationen die Beziehungen

und

das

Vertrauensverhältnis

zwischen

Konsumentinnen

und

Produzenten. Die Finanzierung des Labels wird durch das Gesetz Loi sur la promotion de l'agriculture (LPromAgr) sichergestellt, das einen Fonds für die Landwirtschaftliche Verkaufsförderung einrichtet. Der Fonds unterstützt unter neben anderen Aktivitäten auch die Durchführung des Labelprogramms. Unter anderem werden daraus auch die

jährlichen

Zertifizierungskosten

beglichen).

Gemäss

den

Ausführungs-

bestimmungen, dem Règlement d’application de la loi sur la promotion de l’agriculture (RPromAgr), zahlen alle Landwirte im Kanton Genf einen Flächenbeitrag 104

zwischen Franken 10 und 100.- pro Hektare und Jahr. Zusätzlich kann der Kanton noch Subventionen bewilligen. Die Teilnahme an diesem oder anderen Programmen ist den Landwirten freigestellt. Das Labelreglement 36 definiert unter anderem folgende Punkte: • • • • • • •

Bessere Arbeitsbedingungen (die jeweiligen GAV-Regelungen (Stufe Produktion oder Verarbeitung/Aufbereitung) sind einzuhalten) Transparente Information – alle Handelstufen melden die realisierten Preise an den Labelinhaber – diese Information ist für alle Handelspartner zugänglich und wird als Zusammenfassung regelmässig veröffentlicht Produzentenpreis wird jährlich in Verhandlungen innerhalb der Kette (ProduzentenZwischenhandel-Detailhandel) festgelegt. Dabei werden definiert: Produktqualität, Volumen, Anbauplanung, gerechte Mindestpreise Minimaler Transportaufwand dank 100% regionaler Produktion (Ausnahmeregelungen bis 10% für verarbeitete Produkte) Rückverfolgbarkeit (u.a. Produktionsmethode) bis zum Produzenten Geschmackliche Qualitätsanforderungen – Nur Produkte, die an einer Degustation bestehen, dürfen unter dem Label vermarktet werden Vertrauen der Konsumentinnen durch regionale Nähe Tabelle 30: Auszug aus dem Labelreglement Genève Région – Terre Avenir

Gemäss

telefonischer

Auskunft

des

Programmverantwortlichen,

Francisco

Fernandez, konnte das Ziel eines gerechten Preises basierend auf Preis- und Margentransparenz bisher nicht im angestrebten Umfang realisiert werden. Die realisierten Preise auf allen Stufen würden ihm gegenüber in Einhaltung des Lizenzvertrages

auf

Nachfrage

zwar

offengelegt,

könnten

aber

in

Preisverhandlungen nicht genutzt werden, da sie der Vertraulichkeit unterliegen. Daher ist der Verband derzeit an der Entwicklung eines Marktbeobachtungsinstruments, das zukünftig die Verfügbarkeit von anonymisierten Daten sicherstellen soll. Für Frischprodukte werden aber Preisvereinbarungen schwierig handhabbar bleiben, da die Preise wetterbedingt und saisonal sehr stark und schnell schwanken können und auch die Importbewirtschaftungsphasen eine erhebliche Rolle spielen. Bei haltbaren Produkten, insbesondere Getreide, erzielen die Mitglieder offenbar bereits heute in den Preisverhandlungen einen Mehrerlös. Das Verhältnis zum Label „Aus der Region“ der Migros ist gemäss Francisco Fernandez so geregelt, dass alle Produkte, die in Genf unter dem Label „Aus der

36

Genève Région – Terre Avenir (2008)

105

Region“ verkauft werden, die Anforderungen von GR-TA erfüllen und das Label von GR-TA tragen müssen.

Anregung für die Fragestellung von Fairem Handel in der Bio-Knospe → Interessantes Modell für Beteiligung/Moderation des Kantons → Alle Stakeholder von Beginn weg beteiligt → Spezielles Finanzierungsmodell → Aktuell Entwicklung eines Marktbeobachtungsinstrumentes → Intensive Promotionsarbeit und Bewusstseinsarbeit → Klub für Bewusstseins- und Vernetzungsarbeit → Kosteneffiziente zentrale Vergabe und Abrechnung des Zertifizierungsauftrags

106

Anhang P 7.10 IFOAM-Verhaltenskodex für den ökologischen Handel 1. Transparenz und Verantwortlichkeit in Vertragsverhandlungen. Das bedeutet: •

Orientierung der Preisfindung an den realen Kosten von Produktion, Verarbeitung, Transport und Vermarktung



Klare Definition von Qualität und Quantität, die von beiden Seiten verstanden und akzeptiert wird



Aufführung der Lieferzeiten und Abrechnungsmodalitäten in den Verträgen



Festlegung, wie bei Meinungsverschiedenheiten und Vertragsbeendigung vorgegangen wird.

2. Mechanismen zum Risikoausgleich Bei Ernteausfällen oder grossen Preisschwankungen sollten die Verluste nicht allein den Produzenten aufgebürdet, sondern eine Vereinbarung getroffen werden, wie die andere Seite einen angemessenen Teil zum Verlustausgleich beitragen kann.

3. Mechanismen zum Profitausgleich Ein definierter Prozentsatz der Gewinne (z.B. fünf Prozent) sollte weitergegeben werden für soziale Entwicklungsprojekte der Produzenten.

4. Präferenz für langfristige Handelsbeziehungen Längere Vertragsdauern sind im Interesse aller Beteiligten und führen langfristig zu Planungssicherheit und damit auch zu persönlicher Sicherheit.

5. Sicherstellung eines Informationsaustausches zwischen allen Beteiligten Kommunikation schafft Vertrauen und langfristigere Bindung.

6. Verantwortung für Bildung und Ausbildung auf allen Produktions- und Handelsstufen Eine Verbesserung der Bildung und Ausbildung ist im Interesse aller Beteiligten und vor allem für die Qualitäts- und Liefersicherheit wichtig.

7. Vorzug für direkte Handelsbeziehungen zwischen Produzent und Käufer Zumindest sollten die Kosten von Zwischenhändlern offen gelegt werden.

107