ICF- Arbeitsgruppe Schaufling

Asklepios Klinik Schaufling

Evidenzbasierte Aphasietherapie: Was ist erreicht, was ist noch zu tun? Holger Grötzbach Asklepios Klinik Schaufling Abteilung Sprachtherapie D – 94571 Schaufling SAL Tagung Zürich 30.11.2012

Sanatorium Hausstein/Schaufling um 1930

Vielen Dank für die Einladung 

Evidenzbasierte Aphasietherapie Agenda  Effizienz und Effektivität

 Evidenzbasierte Medizin  Effektivität der Aphasietherapie

Anspruch an die Aphasietherapie Patienten, Angehörige, Therapeuten und Kostenträger haben den Anspruch, dass Aphasietherapie  effizient und  effektiv ist.

Effizienz und Effektivität1 Effizienz gibt als Maß die Wirtschaftlichkeit einer Therapie an: Mit einer gegebenen Therapie soll ein maximaler Nutzen erzielt werden (ökonomisches Maximalprinzip). Effektivität gibt als Maß die Wirksamkeit einer Therapie an: Dabei wird das Ergebnis, das durch eine Therapie erreicht worden ist, mit dem jeweils angestrebten Ziel verglichen. Ideal ist, wenn Ergebnis und Ziel übereinstimmen. 1nach:

Blanco, J. & Mäder, M. (1999). Dokumentation, Messung und Qualitätsmanagement. In Frommelt, P. & Grötzbach, H. (Hrsg.). NeuroRehabilitation. Berlin: Blackwell, 629 – 644.

Effektivität vs. Effizienz1 Effektivität ist wichtiger als Effizienz, da sie für die Richtigkeit einer Therapiemaßnahme steht. Unwirksame Therapien effizient durchzuführen, bedeutet immer eine Verschwendung von Ressourcen.

1nach:

Kolominsky-Rabas, P. (2005). Evidenzbasierung und Neurologie. In Wallesch, C.-W. (Hrsg.). Neurologie. München: Urban & Fischer, 1271 – 1281.

Evidenzbasierte Aphasietherapie Agenda  Effizienz und Effektivität

 Evidenzbasierte Medizin  Effektivität von Aphasietherapie

Effektivitätsnachweise Die evidenzbasierte Medizin (EBM) hat die Ziele,  Standards für die Durchführung von Wirksamkeitsstudien zu entwickeln;  aus den Studienergebnissen Empfehlungen für die Praxis abzuleiten;  die Empfehlungen allen interessierten Fachkräften und Laien gut verständlich und leicht auffindbar zugänglich zu machen.

Säulen der evidenzbasierten Medizin Evidenzbasierte Medizin (EBM)

Therapeut(in)

Wissenschaftliche Belege

Patient(in)

klinische Expertise

Studienergebnisse

Hoffnungen Erwartungen Ziele

Verankerung der EBM in den Berufsleitlinien1

„Logopädinnen und Logopäden orientieren ihr Vorgehen an Wirksamkeitsnachweisen. Dabei werden Patientenpräferenz, klinische Erfahrung und die beste verfügbare wissenschaftliche Evidenz gleichermaßen berücksichtigt.“

1Quelle:

dbl (2010): Berufsleitlinien, Punkt 7, S. 4.

Nutzen der evidenzbasierten Medizin Die Ergebnisse der evidenzbasierten Medizin ersetzen intuitiv getroffene Entscheidungen durch ein transparentes, für alle Beteiligen nachvollziehbares Vorgehen. Zur Beschäftigung mit der EBM gibt es daher keine Alternative.

Evidenzbasierte Aphasietherapie Agenda  Effizienz und Effektivität

 Evidenzbasierte Medizin  Effektivität von Aphasietherapie

3 Positionen zur Effektivität von Aphasietherapie 





Aphasietherapie ist uneffektiv, da im Vergleich zur Spontanremission keine signifikanten Verbesserungen erreicht werden. Aphasietherapie ist effektiv, da Erfolge erzielt werden, die signifikant über die Spontanremission hinausgehen. zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann Aphasietherapie weder als eindeutig effektiv noch als eindeutig uneffektiv beurteilt werden.

Aphasietherapie: uneffektiv 





1Quelle:

Patienten mit einer Aphasie nach Schlaganfall wurden randomisiert einer Gruppe mit Aphasietherapie (n = 104) und einer Gruppe ohne Aphasietherapie (n = 87) zugewiesen.1 die Therapiegruppe erhielt 6 Monate lang zwei Mal pro Woche Sprachtherapie. Ergebnis: Zwischen der Therapiegruppe und der nicht-Therapiegruppe ergaben sich keine signifikanten Leistungsunterschiede.

Lincoln, N. et al. (1984). Effectiveness of speech therapy for aphasic stroke patients: a randomised controlled trial. Lancet, 1, 1197 – 1200.

Aphasietherapie: effektiv In einer Metaanalyse1, der 55 Therapiestudien zugrunde liegen, werden zwei Schlüsse gezogen:  1. Es gibt nach dem Ergebnis der Metaanalyse ausreichend Belege dafür, dass Aphasietherapie wirksam ist.  2. Eine Durchführung von weiteren Studien zum Nachweis der Effektivität von Aphasietherapie wäre eine Verschwendung von Ressourcen. 1Quelle:

Robey, R. (1998). A meta-analysis of clinical outcomes in the treatment of aphasia. Journal of Speech, Language and Hearing Research, 41, 172 – 187.

Aphasietherapie: weder effektiv noch uneffektiv In einer Metaanalyse1, der 12 randomisiert kontrollierte Therapiestudien zugrunde liegen, wird geschlossen, dass  Aphasietherapie für Patienten mit einem Schlaganfall weder eindeutig effektiv noch eindeutig uneffektiv ist.

1Quelle:

Greener, J. et al. (2002). Speech and language therapy for aphasia following stroke. Cochrane Library, Issue 3. Oxford: Update Software.

Grund für die widersprüchlichen Ergebnisse Die widersprüchlichen Schlussfolgerungen der Studien beruhen darauf, dass 

der Faktor „Therapieintensität“ in den Analysen nicht ausreichend berücksichtigt worden ist.

Therapieintensität (1)1 mittlere Reduktion der Fehlerzahl im Token Test in Abhängigkeit von der Anzahl der Therapiestunden pro Woche Fehler

25 20 15 10 5 0

1Quelle:

66 – 76.

2h/Woche

10h/Woche

Bhogal, S. et al. (2003). Rehabilitation of aphasia: More is better. Topics in Stroke Rehabilitation, 10,

Therapieintensität (2)1 Abhängigkeit negativer und positiver Therapiestudienergebnisse von der mittleren Anzahl der Therapiestunden pro Woche h/Woche

9 8 7 6 5 4 3 2 1 0

1Quelle:

66 – 76.

negativ

positiv

Bhogal, S. et al. (2003). Rehabilitation of aphasia: More is better. Topics in Stroke Rehabilitation, 10,

Therapieintensität (3)1 durchschnittliche Dauer (gemessen in Wochen) der negativen und positiven Therapiestudien Wochen 25

20

15

10

5

0

1Quelle:

76.

negativ

positiv

Bhogal, S. et al. (2003). Rehabilitation of aphasia: More is better. Topics in Stroke Rehabilitation, 10, 66 –

Therapieintensität (4) In einer Metaanalyse1, der 10 Therapiestudien zugrunde liegen, wird geschlossen, dass  Aphasietherapie dann effektiv ist, wenn eine Therapie mit ca. 9 Stunden pro Woche für einen Zeitraum von ca. 11 Wochen durchgeführt wird;  Aphasietherapie dann uneffektiv bleibt, wenn eine Therapie mit ca. 2 Stunden pro Woche für einen Zeitraum von ca. 23 Wochen durchgeführt wird. 1Quelle:

Bhogal, S. et al. (2003). Intensity of aphasia therapy, impact on recovery. Stroke, 34, 987 - 993.

Intensität von Aphasietherapie „Selbst bei chronischer Aphasie mit erhaltener Lernfähigkeit können sprachliche Verbesserungen erreicht werden, sofern die sprachliche Stimulierung wöchentlich 8 Stunden beträgt (...). Keine befriedigenden Erfolge sind bei niedrigfrequenter, nur 1- bis 2-mal wöchentlich stattfindender Sprachtherapie zu erwarten“.

1Quelle:

Huber, W. et al. (2006). Klinik und Rehabilitation der Aphasie. Stuttgart: Thieme, S. 102.

Therapieintensität in der dgn-Leitlinie

„[Aphasie]-Behandlungen mit einer Frequenz von zwei Wochenstunden oder weniger sind unwirksam.“

Quelle: www.dgn.org

Therapieintensität in der Aphasie-Leitlinie1 Zeit nach Insult

Intensität von Aphasietherapie

0 – 1 Monat

1 bis 2 Mal täglich zu je 30 Minuten

1 – 6 Monate

Stationär: 1 bis 2 Mal täglich zu je 60 Minuten für 6 bis 8 Wochen Ambulant: 3 bis 4 Mal pro Woche zu je 60 Minuten

6 – 12 Monate

Stationär: 1 bis 2 Mal täglich zu je 60 Minuten für 6 bis 8 Wochen Ambulant: Intervalltherapie mit täglicher Behandlung für 4 Wochen, danach Pause von mindestens 3 Monaten

nach 12 Monaten

Stationär und ambulant: Intervalltherapie mit täglicher Therapie zu je 60 Minuten für 6 bis 8 Wochen

1

Quelle: Bauer, A. et al. (2002). Qualitätskriterien und Standards für die Therapie von Patienten mit erworbenen Störungen der Sprache (Aphasie) und des Sprechens (Dysarthrie). Aktuelle Neurologie, 29, 63 – 75.

Was ist erreicht? Nachgewiesen ist, dass Aphasietherapie effektiv ist. Sie ist es jedoch nur dann, wenn  sie als hochfrequente Intervalltherapie durchgeführt wird.  Hochfrequent bedeutet eine tägliche Therapie mit 60 Minuten Dauer für vier Wochen, danach eine Pause von drei Monaten.

Therapiestandards der Deutschen Rentenversicherung1 Vorgaben nach dem ETM 05: Therapie kommunikativer Störungen

Mindestdauer Therapie

Mindestanteil zu behandelnder Patienten

mindestens 6 Stunden pro Woche

mindestens 10%

Patienten mit mindestens 3 Stunden normalem Bedarf pro Woche

mindestens 40%

Patienten mit hohem Bedarf

1nach:

Schönle, P. W. & Lorek, L. M. (2011). Entwicklung der Reha-Therapiestandards der Deutschen Rentenversicherung für die Rehabilitation von Patienten mit Schlaganfall in der Phase D. Neurologie & Rehabilitation, 17 (3), 125 – 140.

Was ist erreicht? mittlere Häufigkeit logopädischer Einzeltherapien pro Woche1 n = 27

n = 18

n = 22

1Quelle:

Lauer, N. (2010). Aphasie-Selbsthilfe. Konzepte, Strukturen und Empirie. Idstein: Schulz-Kirchner, S. 128.

Therapieergebnisse bei niederfrequenter Sprachtherapie in der chronischen Phase1 (n = 97 )

%

80 70 60 50 40 30 20 10 0 1Quelle:

verbessert

unverändert

verschlechtert

Schlenck, K. J. & Perleth, S. (2004). Langzeitverlauf bei Aphasie und der Effekt von Sprachtherapie in der chronischen Phase. Aphasie und verwandte Gebiete, 1, 9 – 20.

Therapieergebnisse bei intensiver Sprachtherapie in der chronischen Phase1 Anteil von Patienten mit Verbesserungen in % % 60

50 40 30 20 10 0

1. 2. 3. 4. 5. Aufenth. Aufenth. Aufenth. Aufenth. Aufenth. n = 97

1Quelle:

n = 97

n = 64

n = 20

n = 13

Schlenck, K. J. & Perleth, S. (2004). Langzeitverlauf bei Aphasie und der Effekt von Sprachtherapie in der chronischen Phase. Aphasie und verwandte Gebiete, 1, 9 – 20.

Evidenzbasierte Aphasietherapie Agenda  Evidenznachweise für Aphasietherapie-Methoden

 Zielsetzungsprozess  Dokumentation

Was ist zu tun? (1) Voraussetzungen1 für eine hohe Frequenz in der ambulanten Versorgung sind: 





eine entsprechende Verordnungsweise der zuweisenden Ärztinnen und Ärzte eine Terminorganisation der Praxen, die eine hochfrequente Therapie ermöglicht die Bereitschaft der Betroffenen, an einer hochfrequenten Therapie teilzunehmen

Grötzbach, H. (2011). Leitlinienorientierte Aphasietherapie – Widerspruch zum Heilmittelkatalog. In KrätschSievert, P. et al. (Hrsg.). Qualitätsbericht Logopädie in Baden-Württemberg. dbl: Köln, 22 – 25. 1nach:

Was ist zu tun? (2) Eine hohe Frequenz kann erreicht werden durch:  Einzeltherapien  Eigenübungsaufgaben  Gruppentherapien  computerbasierte Therapien  supervidierte Laientherapien  Anbindung an Selbsthilfegruppen

Einzeltherapie: Methoden Alternative Kommunikation; Audiovisuelles Stimulationsprogramm; Auditory Language Comprehension Program; Auditory Stimulation Program; Augmentative Kommunikation; Automatisiertes Training; Agrammatismustherapie; Benennen; Behavioral Treatment of Verbal Interaction Skills; Bliss-Symbole; Cognitive Intervention; Compensatory Strategies; Computer-generated Phonemic Cues; Deblockierung; Dialogtraining; Direct Production Treatment; Erlanger Programm zur Aphasietherapie; Empathetic Approach; Familientherapie; Filmed Language Instruction; Functional Communication Therapy; Globalaphasietherapie; Gruppentherapie; Hypnotherapie; Innovative Therapeutic Program; Intensive Language Treatment; Laientherapie; Language/Context Centered Program; Language Enrichment Therapy; Language Oriented Therapy; Laughter Therapy; Linguistisches Rollenspiel; Loose Training; Mapping Thematic Relatives; Melodic Intonation Therapy; Metalinguistische Therapie; Mikrocomputertherapie; Nonverbale Kommunikation; Operantes Syntaxkonditionieren; Pharmakotherapie; Phonological Treatment; PICA-Therapie; Präventive Methode; Pragmatische Therapie; Promoting Aphasics‘ Communicative Effectiveness; Programmed Instruction in Picture-Sound Association; Reduzierte Syntax-Therapie; Response-Contingent Small-Step Treatment; Schreibtherapie; SelfAdjustment Therapie; Self-Cueing; Semantic Treatment; Sentence Construction Board; Sentence-Level Auditory Comprehension Treatment Program; Sentence Repetition; Sign Language; Sprechapraxietherapie; Stimulationstherapie; Syntax Stimulation Program HELPSS; Systematic Therapy Program for Auditory Comprehension Disorders of Aphasics; Training Formal Structure of Language; Treatment of Aphasic Perseveration; Visual Action Therapy; Visuospatial Therapy; Vertikal Horizontale Therapie Quelle: Lang, C. (1996). Rehabilitation bei Aphasien. Nervenheilkunde, 15, 202 – 208.

Anzahl Methoden 1996: 50 Methoden geschätzt: jedes Jahr Publikation von 10 neuen Methoden 2012: ca. 210 Methoden Wie effektiv sind die Methoden?

Wirksamkeit der Methoden Nach den Qualitätskriterien der American Academy of Neurology gilt bislang nur 

die Melodic Intonation Therapy (MIT) als vielversprechende Therapieform.

Einige Gütekriterien  









liegen Effektivitätsnachweise vor? für wen ist die Methode geeignet? welches Ziel wird verfolgt? (Funktions/Teilhabeverbesserung?) in welcher Phase des Krankheitsverlaufs verwendbar? Material nach Schwierigkeitsgraden aufgebaut? Verlaufskontrolle möglich?

Cave Aus einem fehlenden Effektivitätsnachweis kann nicht darauf geschlossen werden, dass eine Methode unwirksam ist. Vielmehr ist über ihre Wirksamkeit (noch) nichts bekannt. Dies gibt dem Anwender die Freiheit, an die Wirksamkeit zu glauben. vgl. Beushausen, U. & Grötzbach, H. (2011). Evidenzbasierte Sprachtherapie. München: Elsevier, S. 8.

Was ist zu tun? Statt zehn neue Therapie-Methoden pro Jahr zu den bereits vorhandenen hinzuzufügen, muss es in Zukunft darum gehen,  die bisherigen Methoden zu evaluieren, um  wirksame Methoden von unwirksamen unterscheiden zu können.

Effektivität Gruppentherapie Gruppentherapien führen zwar zu funktionellen Verbesserungen bei Personen mit einer chronischen Aphasie1, wahrscheinlich jedoch nicht zu Verbesserungen in Unterhaltungen2.

1Masoud,

V. (2007). Gruppentherapie bei Aphasie: aktueller Überblick und Praxisbeispiel eines Stufenmodells. Forum Logopädie, 21 (6), 14 – 21. 2Teasell,

R. et al. (2012). Evidence-based review of stroke rehabilitation. Module 14: Aphasia. www.ebrsr.com

Effektivität Computertherapie

Es liegen inzwischen Effektivitätsnachweise sowohl für englischsprachige Computerprogramme1 als auch erste Nachweise für deutschsprachige Programme2 vor.

1Teasell,

R. et al. (2012). Evidence-based review of stroke rehabilitation. Module 14: Aphasia. www.ebrsr.com

2Nobis-Busch,

R. (2006); Lange et al., (2008); Sünderhauf et al. (2008); Bilda et al. (2008)

Effektivität Laientherapie Unter Anleitung und Supervision von Sprachtherapeuten erzielen angelernte Laien oder Assistenten beachtliche Therapieerfolge.1

1David,

R. et al. (1982). Treatment of acquired aphasia: speech therapists and volunteers compared. Journal of Neurology, Neurosurgery, and Psychiatry, 45, 957 – 961.

Effektivität geschulte Familienangehörige1 Belege sprechen dafür, dass sich geschulte Angehörige besser mit Betroffenen unterhalten können. Dadurch wird einer sozialen Isolation vorgebeugt (Steigerung der Teilhabe).

1Quelle:

Teasell, R. et al. (2012). Evidence-based review of stroke rehabilitation. Module 14: Aphasia. www.ebrsr.com

Evidenzbasierte Aphasietherapie Agenda  Evidenznachweise für Aphasietherapie-Methoden

 Zielsetzungsprozess  Dokumentation

Zielsetzungsprozess „Der Verlauf der Behandlung wird im interdisziplinären Team (…) besprochen und bewertet. Der Patient und seine Angehörigen müssen dabei so einbezogen werden, dass über Ziele (…) der Rehabilitation gemeinsam entschieden werden kann1.“

1Quelle:

Huber, W. et al. (2006). Klinik und Rehabilitation der Aphasie. Stuttgart: Thieme, S. 9.

Vorteile einer gemeinsamen Entscheidungsfindung „Die Beteiligung von Patient(inn)en nach dem Behandlungsmodell der Partizipativen Entscheidungsfindung trägt zu höherer Therapietreue, verbesserten Behandlungsergebnissen und zu höherer Zufriedenheit von Patient(inn)en und Ärzt(inn)en bei1.“

1Quelle:

Bundesministerium für Gesundheit (2008). Patientenbeteiligung bei medizinischen Entscheidungen. Kurzbericht vom 13.10.2008. www.bmg.bund.de

Gemeinsame Entscheidungen? „Heutzutage nehmen die meisten neurologischen Rehabilitationsprogramme für sich in Anspruch, patientenzentriert zu sein. Oft bedeutet das lediglich, dass das Behandlungsteam über ein Set von Rehabilitationszielen entscheidet und dann den Patienten und seine Familie fragt, ob diese akzeptabel sind1.“

1Quelle:

Collicut McGrath, J. & Kischka, U. (2010). Interdisziplinäre Teamarbeit und Zielsetzung in der Rehabilitation. In Frommelt, P. & Lösslein, H. (Hrsg.) NeuroRehabilitation. Heidelberg: Springer, 107 – 113.

Hypothese Die Ziele einer Rehabilitationsmaßnahme werden nicht von den Patienten, sondern von den medizinischen Professionellen definiert. Dies geschieht in dem Bewusstsein, aufgrund der Ausbildung schon zu wissen, was für einen Patienten gut ist (paternalistische Haltung).1

1Quelle:

Grötzbach, H. & Iven, C. (2009). Umsetzung der ICF in den klinischen Alltag. In Grötzbach, H. & Iven, C. (Hrsg.). ICF in der Sprachtherapie. Idstein: Schulz-Kirchner, 23 – 37.

Zielsetzung in der Praxis (1) Anzahl Berichte

Analyse von 20 Aphasie-Therapieberichten1

18 16 14 12 10 8 6 4 2 0

paternal.

partizipativ

Dallmeier, P. & Thies, C. (2009). Logopädische Berichte in der Aphasietherapie – Einbindung alltagsrelevanter klientenzentrierter Ziele. Bachelor-Arbeit: HAWK Hildesheim. 1Quelle:

Zielsetzungsmethoden: paternalistisch vs. partizipativ1 paternalistisch

partizipativ

Definition der Therapieziele durch

Fachkräfte

Patienten und Fachkräfte gemeinsam

Grundlage der Definition

klinische Expertise der Fachkräfte

geteiltes Wissen von Patienten und Fachkräften

Aufwand

gering, da zeitökonomisch

hoch, da Zielsetzungsgespräche notwendig

Vorteil

für alle Patienten in jeder Krankheitsphase durchführbar

hohe Identifikation aller Beteiligten mit den Zielen

Nachteil

in der Regel nur gering ausgeprägte Akzeptanz der Patienten für die Ziele

setzt aktive Teilnahme der Patienten am Ziesetzungsprozess voraus

1nach:

Grötzbach, H. (2010). Therapieziele definieren: paternalistisch oder partizipativ? L.O.G.O.S. interdisziplinär, 18 (2), 119 – 126.

Übergang von der paternalistischen zur partizipativen Zielsetzung

paternalistisch ….. partizipativ Akutbehandlung

Frühreha

Rehabilitation

zunehmende Genesung

Ambulanz

Zeit

Zielsetzung in der Praxis (2) Analyse von 24 Aphasie-Therapieberichten1

20 18 16 14 12 10 8 6 4 2 0 1Quelle:

Ziele vor.

Ziele fehl.

Dallmeier, P. et al. (2011). Zielsetzung in der Aphasietherapie. Forum Logopädie, 25 (2), 24 – 27.

Maßnahme vor dem Ziel?

Zielsetzung in der Praxis (3) ICF-Komponente

Beispiele

Funktion

Verbesserung des Zugriffs auf Repräsentationen im phonologischen Output-Lexikon Verbesserung der Sprachverständnisleistungen Verbesserung des auditiven Sprachverständnisses Förderung der schriftsprachlichen Leistungsfähigkeit Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit

Aktivität

Kommunikation über etwaige Schmerzen

Partizipation

Eingliederung in die familiäre Umgebung trotz schwerer Kommunikationsstörungen

Quelle: Dallmeier, P. & Thies, C. (2009). Logopädische Berichte in der Aphasietherapie – Einbindung alltagsrelevanter klientenzentrierter Ziele. Bachelor-Arbeit: HAWK Hildesheim.

Zielsetzung in der Praxis (4) Prüfbarkeit der Ziele (n = 63)1 % 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

1Quelle:

prüf. Ziele

n. prüf. Ziele

Dallmeier, P. et al. (2011). Zielsetzung in der Aphasietherapie. Forum Logopädie, 25 (2), 24 – 27.

Was ist zu tun? Bei der Definition von Therapiezielen ist darauf zu achten, dass sie  partizipativ erarbeitet werden,  messbar sind und  sich auf die ICF-Komponenten Partizipation, Aktivität und Funktion beziehen. vgl. Beushausen, U. & Grötzbach, H. (2011). Evidenzbasierte Sprachtherapie, S. 101ff.

Evidenzbasierte Aphasietherapie Agenda  Evidenznachweise für Aphasietherapie-Methoden

 Zielsetzungsprozess  Dokumentation

Dokumentation „Logopädinnen und Logopäden können die eigene Leistung gegenüber Kostenträgern darstellen (…)“. 1

1Quelle:

Berufsleitlinien dbl vom 04.06.2010, Punkt 19

Dokumentation in der Praxis (1)

Dokumentation in der Praxis (2)

Dokumentation (3)

Dokumentation in der Praxis (3) Leitsymptomatik: Wortfindungsstörungen und Probleme, beim Sprechen die richtigen Laute zu finden Behandlungsstand: Der Patient zeigt ein deutlich gebessertes Sprachverständnis. Auch seine Wortfindung ist massiv besser geworden. Durch gemeinsames Üben ist Herr X. nunmehr in der Lage, ganze Sätze nachzusprechen.

Quelle: ambulanter Therapiebericht 28.10.2010

Dokumentation (4)

Dokumentation in der Praxis (4) Leitsymptomatik: Wortfindungsstörungen und Probleme, beim Sprechen die richtigen Laute zu finden Behandlungsstand: Der Patient zeigt sich sehr motiviert. Entsprechend sind seine sprech- bzw. sprachlichen Leistungen deutlich besser geworden. Bei Übungen zur semantischen Zuordnung macht er kaum noch Fehler. Auch kann er Begriffe mit Hilfe vom Mundbild bzw. Anlaufhilfe überwiegend korrekt sprechen. Quelle: ambulanter Therapiebericht 07.02.2011

Dokumentation in der Praxis (5)

Quelle: stationärer Therapiebericht vom 02.12.2005

Fazit Eine Reihe von logopädischen Dokumentationen erfüllt qualitative Mindestanforderungen nicht. Dies ist mehr als erstaunlich, da sowohl in der Ausbildung als auch in der Berufsleitlinie Wert auf eine sorgfältige Dokumentation gelegt wird.

vgl. Beushausen, U. & Grötzbach, H. (2011). Evidenzbasierte Sprachtherapie, S. 101ff.

Was ist zu tun? Die Dokumentation stellt die „Visitenkarte“ der Behandelnden dar. Denn sie gibt Auskunft über  das Wissen und die Sorgfalt der Verfasserin/des Verfassers  und trägt dadurch zum Renommee der Sprachtherapie bei.

 Eine qualitativ hochwertige Dokumentation sollte daher selbstverständlich sein!

Schluss (1)

Asklepios-Klinik Schaufling

Vielen Dank für Ihr Interesse und Ihre Aufmerksamkeit 

Schluss (2)

Bei Fragen: e-Mail genügt! [email protected]