EU-Fiskalpolitik Zwischen Wunsch und Wirklichkeit Georg Feigl, Markus Marterbauer Kautsky-Kocheler-Kreis, Berlin, 29.6.2012
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Überblick Makroökonomische Ausgangslage Europäische fiskalpolitische Vorgaben Anforderungen ÜD-Verfahren, SWP, Fiskalpakt Abschätzung Konsolidierungsvolumina Wirtschaftspolitische Einbettung Finanzierungssalden Politikmaßnahmen
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Ausgangslage Finanz- und Wirtschaftskrise verschärft sich neuerlich Europäischer Desintegrationsprozess mit Finanzierungsproblemen für einzelne Staaten Beschleunigung und Verstärkung durch Finanzmärkte Soziale Krise (Arbeitslosigkeit, Abbau Sozialstaat) Streit über Rolle des Staates in Politik & Wissenschaft Position 1: Beschränkung der nationalen politischen Spielräume auf Umsetzung europ. Reformvorgaben Position 2: Stärkung Handlungsfähigkeit der Staaten um aktiv gegen Wirtschaftskrise vorzugehen wien.arbeiterkammer.at
Europäische Desintegration: Reale Wirtschaftsleistung, 2007-2012 25,0% 19,0%
20,0% 15,0% 10,0% 5,0%
3,7%
3,1%
2,2% 2,6% ‐0,6%‐1,0% ‐3,3% 0,0%
‐4,0%
0,8%
0,1%
4,4% 2,4% ‐1,2% ‐2,3%
‐5,0% ‐5,8% ‐10,0%
‐6,3%
‐9,0%
‐15,0% ‐20,0%
‐17,3%
Datenquelle: EU-Kommission (Mai 2012).
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Arbeitslosenrekord in der Eurozone 25 20 15 10 5 0 2005
2006
2007
Euroraum 17
2008
Griechenland
2009
Spanien
2010
2011
2012
Österreich
Datenquelle: EUROSTAT wien.arbeiterkammer.at
Arbeitslosenquote der unter 25-Jährigen (in %) 55 50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 2005
2006
2007
Griechenland
2008 Spanien
2009
2010
Österreich
2011
2012
Euroraum
Datenquelle: EUROSTAT wien.arbeiterkammer.at
Staatsschuldenquote 2011 180 160 140 120 100 80 60 40 20 0
Zuwachs in der Krise Stand Ende 2007
Datenquelle: EU-Kommission (Mai 2012).
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Staatsverschuldung vor/in der Krise jeweils relativ zur Wirtschaftsleistung 90,0
1996‐2007 2007‐2011
70,0 50,0 30,0 10,0 ‐10,0 ‐30,0 ‐50,0
Datenquelle: EU-Kommission (Mai 2012).
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Maastricht-Saldo Eurozone, in % des BIP
Quelle: EZB-Monatsbericht 6/2012.
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Messproblem Konsolidierungserfolg Beschlüsse/Ankündigungen Geschätzter Impuls Veränderung Maastricht-Defizit Veränderung strukturelles Defizit Zeitrahmen Darstellung (kumuliert, Abweichung von Basislösung od. jährlicher zusätzlicher Impuls) Einmaleffekte wien.arbeiterkammer.at
Europäische Konsolidierungspakete* 2009-2011 jeweils relativ zur Wirtschaftsleistung; 8% 7% 6%
vor 2011
2011
Vorgabe
5% 4% 3% 2% 1% 0%
Quelle: eigene Berechnung ausgehend von OECD- sowie ferner EK-Daten. *ex-ante geschätzter Konsolidierungsimpuls
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Multiplikatoren als große Unbekannte Keine systematische Berücksichtigung – weder bei Vorgaben noch bei Implementierungsmonitoring Damit kaum Möglichkeit für seriöse Diskussion über Erfolg und Wirkung der Konsolidierung
Quelle: IMF Fiscal Monitor Apr. 12
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Konsolidierung und Wachstum 2009-2011 15,0
SWE 10,0
DE AT
y = ‐1,2633x + 5,2716 R² = 0,6321 Polen
5,0
PT 0,0 ‐2,0
0,0
2,0 ES 4,0
6,0
8,0
10,0
12,0
‐5,0 ‐10,0 ‐15,0
Δ reales BIP
‐4,0
Δ struktureller Budgetsaldo in % des BIP
Datenquelle: EU-Kommission (Mai 2012).
GR
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Sparen führt kurzfr. eher zu Anstieg der Schulden
Quelle: IWF Fiscal Monitor Apr. 12
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Überblick numerische Vorgaben aktuell Defizit max. 3 % des BIP Bei Überschreitung Korrektur bis zum Jahr X (zB IRL 2015)
Schuldenquote max. 60 % Überschreitung: Reduktion des überschüssigen Anteils um mind. Ø 1/20 pro Jahr im Zeitraum t-3 bis t-1 (Übergangsfristen; keine Sanktion wenn Bedingung in t+2 erfüllt und …)
MTO = länderspezifisches max. strukturelles Defizit, das mittelfristig Schulden unter 60 % d. BIP stabilisiert und Alterungskosten berücksichtigt (Eurozone max. -1,0 % d. BIP; praktisch: +1,0 bis -0,5 % des BIP; Ø -0,2 pp.) Bei Überschreitung: Verbesserung um 0,5 % d. BIP/Jahr „as a benchmark“ sowie Einhaltung der Ausgabenregel wien.arbeiterkammer.at
Anwendung der Regeln konfus Unterschiedliche Zeithorizonte der ÜD-Verfahren Moderate strukturelle Vorgaben letztlich nicht berücksichtigt -> insbesondere 2012 ist „dumme“ 3%-Grenze dominierend Vorgaben-Änderungen (Spanien) jederzeit möglich Troika-Vorgaben außerhalb der ÜD-Verfahren Statistische Revisionen werden nicht berücksichtigt -> jeder Messfehler ist fiskalpolitisch zu korrigieren
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Schätzverfahren bestimmt politischen Spielraum 2016: Schuldenbremsen-Spielraum WIFO: Schuldenbremsen-Konsolidierungsbedarf BMF:
ca. 900 Mio Euro ca. 350 Mio Euro
Abweichung Prognosen WIFO und EU-Kommission 2011-2013 -> Unterschied für strukturelles Defizit 2013 ca. 1,3 Mrd Euro 280
Reales BIP EK Potential EK Reales BIP WIFO Potential WIFO 275
270 2011
2012
2013
Datenquellen: EU-Kommission (Nov. 2011), WIFO (Jan. 2012).
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Wie stabil ist das strukturelle Defizite 2012? 2 1 0 ‐1 ‐2 ‐3 ‐4 ‐5 ‐6 ‐7
SD basierend auf PO Nov. 2010 revisionsbedingtes SD
‐8 Datenquelle: EU-Kommission (Nov. 2010/Mai 2012).
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Überblick Fiskalpakt Einklagbarer völkerrechtlicher Vertrag außerhalb des EU-Rechts – trotzdem von EU-Institutionen überwacht Grundlage: reformierter Stabilitäts- und Wachstumspakt (+ der vor Beschlussfassung stehenden Änderungen) Soll haushaltspolitische Disziplin weiter verschärfen: Nationale Verfassungsänderungen Verschärfungen bei MTO (max. -0,5 pp., Korrektur > 0,5 pp./J.) Zusätzliche Strafen Neue Automatismen wien.arbeiterkammer.at
Zentrale offene Punkte Rechtliche Möglichkeiten von EuGH u. Kommission Korrekturmechanismus bei Abweichungen Ausgestaltung nationaler Überwachungsgremien Fristen, binnen derer ausgeglichene Haushalte erreicht werden müssen Anpassungsgeschwindigkeit Handhabung Ausnahmeregelungen … und damit wann und wie stark Probleme auftreten. -> Konkretisierung erst später durch EK wien.arbeiterkammer.at
Aktuelles „Ampelsystem“ der Vorgaben Troika-Vorgaben: GR, PT, RO, IR, (CY, ES?) Spezielle ÜD-Verfahren: (ES) ÜD-Verfahren mit 3%-Deadline 2012: BE, IT, PL, LT, LV, HU, MT, (CY) ÜD-Verfahren mit späterer Deadline: FR, UK, AT, CZ, DK, NL, SK, SL Mittelfristige Ziele: SE, FI, BG, LU, EE Grün: DE wien.arbeiterkammer.at
Maastricht-Saldo-Zerlegung 2012 2,0 1,0 0,0 ‐1,0 ‐2,0 ‐3,0 ‐4,0 ‐5,0 ‐6,0
Einmalmaßnahmen
‐7,0 ‐8,0 ‐9,0
konjunkt. bedingtes Defizit Strukt. Defizit Quelle: EU-Kommission (Mai 2012), eigene Berechnungen.
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Geplante strukturelle Budgetkorrekturen 2012 jeweils relativ zur Wirtschaftsleistung 7,0
7,0
strukturelle Verbesserung 2012 6,0
5,0
6,0
Vorgabe 2012
5,0
4,0
4,0
3,0
3,0
2,0
2,0
1,0
1,0
0,0
0,0
-1,0
-1,0
-2,0
-2,0
Quelle: EU-Kommission 2012, eigene Berechnungen. *GR diskretionäre Maßnahmen statt strukt. Änderung. **Vorgabe = Maastricht-Defizit-Ziel umgerechnet in strukturelle Vorgabe (SD 2011 + Konjunktur + Einmalmn. – MDZ)
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Finanzierungssalden
Finanzierungsdefizit des Staates kann sich nur verringern, wenn sich
Unternehmenssektor stärker verschuldet (mehr investiert)
Ausland stärker verschuldet (mehr importiert)
Private Haushalte weniger sparen (mehr konsumieren)
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Finanzierungssalden Eurozone
Saldo Auslandssektor ausgeglichen
Überschuss der privaten Haushalte entspricht Defizit des Staates und der nicht-finanziellen Unternehmen
Krise: „balance sheet recession“ – Einbruch Haushaltskredite, Rückgang Investitionstätigkeit und Budgetverschlechterung
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Finanzierungssalden Eurozone in % des BIP 7,0
3,5
0,0
‐3,5
‐7,0
Nichtfinanz. Kapitalges. Staat Übrige Welt Abteilung Wirtschaftwissenschaft und Statistik
Finanz. Kapitalges. Private HH
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Finanzierungssalden Deutschland
Hoher, struktureller Überschuss der privaten Haushalte (keine Kreditaufnahme)
Überschuss des Unternehmenssektors, Anstieg in der Krise (höhere Finanzanlagen als kreditfin. Investitionen)
Tendenziell ausgeglichener Saldo Staat
Hohes Defizit des Auslandssektors
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Finanzierungssalden Deutschland in % des BIP 9,0
6,0
3,0
0,0
‐3,0
‐6,0
‐9,0
Kapitalgesellschaften
Abteilung Wirtschaftwissenschaft und Statistik
Staat
Private HH
Übrige Welt
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Finanzierungssalden Österreich
Überschuss der privaten Haushalte steigt vor und fällt in der Krise
Geringes Defizit des Unternehmenssektors, Überschuss in der Krise
Prozyklische Entwicklung Saldo Staat
Finanzierungsdefizit des Auslandssektors
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Finanzierungssalden Österreich in % des BIP 6,0
3,0
0,0 2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
‐3,0
‐6,0
Kapitalgesellschaften Private Haushalte; pOoE Abteilung Wirtschaftwissenschaft und Statistik
Staat Übrige Welt wien.arbeiterkammer.at
Finanzierungssalden Spanien
Private Haushalte: Verschuldung im Immobilienboom, sparen in der Krise
Unternehmen: Verschuldung im Boom, sparen in der Krise
Staat: Überschuss im Boom, Defizit in der Krise
Überschuss des Auslandssektors
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Finanzierungssalden Spanien in % des BIP 12,0 9,0 6,0 3,0 0,0 ‐3,0 ‐6,0 ‐9,0 ‐12,0
Kapitalgesellschaften
Abteilung Wirtschaftwissenschaft und Statistik
Staat
Private HH
Übrige Welt wien.arbeiterkammer.at
Erfolgreiche Fiskalpolitik
Verbesserung der Leistungsbilanz: keine Option für Eurozone („geschlossenen Volkswirtschaft“)
Verbesserung LB Spanien: Rahmenbedingungen
Austeritätspolitik: Rückgang der Importe
Abwertung nicht mehr möglich
Budgetkonsolidierung bei Handelspartnern bremst Export
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Nachfrageentzug schadet Wirtschaft Zusammensetzung Gesamtnachfrage 2010 100% 90% 80% 70% 60% 50%
Extra-EU-Exp. Intra-EU Exp. inländ. N.
40% 30% 20% 10% 0%
Datenquelle: EK (Ameco-DB 2011).
Über Export lässt sich eine negative EUEntwicklung nicht kompensieren! wien.arbeiterkammer.at
Erfolgreiche Fiskalpolitik
Verbesserung der Leistungsbilanz: Politikoptionen
Defizitländer: Produktive Exportwirtschaft entwickeln, Blasen auf Vermögensmärkten vermeiden
Überschussländer: Überschuss für Wohlstandssteigerung verwenden Produktivitätsorientierte Lohnpolitik, Ausweitung der Binnennachfrage
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Erfolgreiche Fiskalpolitik
Kreditfinanzierte Investitionen der Unternehmen: Rahmenbedingungen
Niedrige Kapazitätsauslastung
Kreditklemme
Hohe Zinssätze für Staat und Unternehmen (Krisenländer)
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Erfolgreiche Fiskalpolitik
Kreditfinanzierte Investitionen der Unternehmen: Politikoptionen
Wachstumsinitiativen
EIB-Mittel Investitionsförderung
ESM, EZB, Eurobonds zur Zinssatzsenkung
Real- gegenüber Finanzinvestitionen fördern: Steuerpolitik, Regulierung wien.arbeiterkammer.at
Erfolgreiche Fiskalpolitik
Verringerung Ersparnisse der privaten Haushalte: Rahmenbedingungen
Platzen der kreditfinanzierten Blase (Krisenländer)
Zunehmende Ungleichheit
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Erfolgreiche Fiskalpolitik
Verringerung Ersparnisse der privaten Haushalte: Politikoptionen
Verteilungspolitik
Lohn- und Beschäftigungspolitik
Vermögensverteilung und -besteuerung
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Schlussfolgerungen Stabilisierung der Staatsfinanzen setzt Stabilisierung der Konjunktur voraus. Derzeitige EU-Politik: Konsolidierung gelingt nicht. Alternativen: Regulierung Finanzmärkte, Senkung Zinssätze Aktive Wachstums- und Beschäftigungspolitik Reduktion der Ungleichheit (Vermögenssteuern) Finanzierung sozialen Ausgleichs und Fortschritts
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