Es gilt das gesprochene Wort!

Rede von Herrn Oberbürgermeister Fritz Schramma anlässlich des Empfangs für jüdische ehemalige Kölnerinnen und Kölner am 20. August 2008, 18.30 Uhr, Hansasaal

Verehrte Damen, meine Herren, herzlich willkommen in Köln - herzlich willkommen in Ihrer ehemaligen Heimatstadt. Sie, liebe Gäste, sind nun bereits die 23. Besuchergruppe, die die Stadt Köln eingeladen hat, an den Ort ihrer Jugend zurückzukehren. Ich freue mich sehr, dass Sie dieser – von Herzen kommenden – Einladung gefolgt sind. In den nächsten Tagen werden Sie Köln wiederentdecken. Ihnen wird Vertrautes und Altbekanntes begegnen, aber eben auch viel Neues und Unbekanntes. Ich kann nur erahnen, was Sie in diesen Stunden und Tagen fühlen werden, wenn Sie sich daran erinnern, unter welchen Umständen Sie Köln - während der Zeit des Nationalsozialismus - verlassen mussten. Und ich kann nur vermuten, welche Gedanken Ihnen auf Ihrer Anreise gekommen sind und welche Gefühle Sie heute hier bewegen. Mit Trauer und Scham denken wir an die Opfer des NS-Regimes, die wegen ihrer Herkunft, ihres Glaubens und ihrer Überzeugung diskriminiert und verfolgt, vertrieben, in Konzentrationslager verschleppt und ermordet worden sind. Mit welcher Brutalität und mit welcher Konsequenz die Nationalsozialisten ihren Antisemitismus realisierten, zeigte sich – wie allerorts in Deutschland – auch in Köln. Tausende der jüdischen Kölnerinnen und Kölner wurden deportiert und in den Vernichtungslagern ermordet. Das Gedenkbuch für die jüdischen Opfer des Nationalsozialismus aus Köln führt mehr als 7.000 Namen von Ermordeten auf. Es wäre gewiss der falsche Weg, meine Damen und Herren, das schwere, fast erdrückende Erbe, das uns die Nationalsozialisten hinterlassen haben, einfach beiseite zu schieben. Vergangenheit kann nicht durch Vergessen aus der Welt geschafft oder gar bewältigt werden. Und durch Vergessen kann kein Fundament für ein friedliches und freundschaftliches Zusammenleben von Juden und Nichtjuden gelegt

2 werden. Erinnerung ist eine bleibende Aufgabe. Denn unter Geschichte lässt sich kein Schlussstrich ziehen.

Aber nicht nur Dunkelheit und Schatten, nicht nur Schmerz und Tod beschreiben die Geschichte der Juden in Köln. Die Geschichte der Juden reicht weit in die Vergangenheit Kölns zurück. Auf vielfältige Weise haben die jüdischen Kölnerinnen und Kölner in den Jahrhunderten zuvor zur Entwicklung der Stadt beigetragen. Von vielen gingen ganz entscheidende Impulse im Bereich von Kunst und Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft aus. Während der NS-Diktatur wurde das jüdische Leben in unserer Stadt, das sich bis dahin so positiv entwickelt hatte, brutal vernichtet. Bei Kriegsende war es kaum vorstellbar, dass sich in Köln jemals wieder eine so große jüdische Gemeinde entwickeln würde, wie sie heute erfreulicherweise existiert. Meine Anerkennung und mein Respekt gehören jenen rund 100 jüdischen Bürgerinnen und Bürgern, die nach 1945 wieder die erste jüdische Gemeinde in unserer Stadt bildeten. Der Mut zum Neuanfang trug Früchte. Ich bin froh, sagen zu können: Jüdische und Nicht-Jüdische Kölner Bürgerinnen und Bürger leben seit Jahrzehnten friedlich miteinander, achten und respektieren sich gegenseitig. Köln hat heute ein vielfältiges jüdisches Leben, auf das wir stolz sind und das wir mit all unseren Möglichkeiten fördern. Sowohl die Synagogen-Gemeinde als auch die Kölnische Gesellschaft für ChristlichJüdische Zusammenarbeit, die in diesem Jahr ihr 50jähriges Bestehen feiert, haben in den vergangenen Jahren viel für ein gutes Zusammenleben von Juden und Nichtjuden getan. Heute zählt allein die Synagogen-Gemeinde Köln etwa 5000 Mitglieder und unterhält zahlreiche soziale und kulturelle Einrichtungen. Ich möchte in diesem Zusammenhang hervorheben, dass sich die Stadt der enormen Anstrengungen bewusst ist, die die Gemeinde insbesondere zur Integration der vielen aus Osteuropa zugewanderten Neukölner leistet. Und ich möchte zugleich die Gelegenheit nutzen, Ihnen einige Aspekte vorzustellen, die das besondere Engagement der Stadt Köln und ihrer Partner deutlich machen: Am 8. Mai fand in Köln anlässlich des 60. Geburtstages des Staates Israel zum dritten Mal der Israel-Tag statt. Dieses Großereignis wurde im Herzen Kölns, auf dem Rudolfplatz, eindrucksvoll gefeiert und hat sich mittlerweile als kölsche Tradition

3 etabliert. Wir wollen damit ein Zeichen setzen für Demokratie und Toleranz. Darüber hinaus werden im Laufe des Jahres zahlreiche Veranstaltungen angeboten, um Bürgerinnen und Bürgern einen Einblick in die Geschichte und Gegenwart Israels zu vermitteln. Ich möchte zudem an den 9. November letzen Jahres, den Gedenktag für den Pogrom im Jahr 1938, der sich in diesem Jahr zum 70. Mal jährt, erinnern. Hier wurde eine Thorarolle aus der Synagoge in der Glockengasse, die damals durch einen katholischen Priester gerettet werden konnte, in die Gemeinde zurückgeführt. Die Restaurierung der Thorarolle in Israel wurde erst mit finanzieller Unterstützung durch das Kölner Erzbistum möglich und daher war dies auch ein historischer Moment für das Verhältnis von Juden und Christen in Köln und weit darüber hinaus. Oder nehmen wir die Städtepartnerschaft zwischen Tel Aviv und Köln, die seit 1979 besteht, nachdem bereits seit den späten 50er Jahren freundschaftliche Beziehungen durch viele gegenseitige Besuche von Schülern und Lehrern ausgebaut worden waren. Von Anfang an war und ist unsere Städtepartnerschaft für beide Seiten eine Bereicherung gewesen. Sie sehen, meine Damen und Herren, Verständigung ist für uns in Köln keine leere Formel, sondern eine Aufgabe, der wir uns stellen. Erinnerung und Lernen aus der Geschichte ist dabei unumgänglich. In Köln befasst sich deshalb seit 1988 das NSDokumentationszentrum, dessen ausgezeichnete Arbeit Sie im Laufe Ihres Besuches hier in Köln noch kennenlernen werden, intensiv mit der Geschichte der jüdischen Bevölkerung während des nationalsozialistischen Regimes. Darüber hinaus besitzt die Domstadt mit der „Germania Judaica“ eine der größten Spezialbibliotheken zur Geschichte des Judentums und mit dem Martin-Buber-Institut eine herausragende Forschungseinrichtung für Judaistik an der Universität zu Köln. Aber auch die Stadt Köln selbst erforscht und achtet die lange und vielfältige jüdische Geschichte in Köln. Lassen Sie mich deshalb kurz etwas zur Umgebung des Kölner Rathauses sagen. Im Bereich rund um das historische Rathaus fokussieren sich historische Ereignisse und Monumente in beeindruckender Art und Weise. Hier liegen die Reste des antiken Statthalterpalastes, hier hielten die Merowinger Hof, hier stehen noch heute die eindrucksvollen Bauten des mittelalterlichen Rathauses und hier lag eines der bedeutendsten jüdischen Stadtviertel Europas. Sie, liebe Gäste, haben eben ja sicher schon auf dem Weg ins Rathaus viel Wissenswertes darüber erfahren und einen Einblick in die Grabungsarbeiten erhalten.

4 Zurzeit werden die mittelalterliche Synagoge sowie die Reste des Jüdischen Viertels und der vorhergehenden römischen Bebauung freigelegt. Ich möchte noch einmal betonen: Die geplante „Archäologische Zone“ wird der Öffentlichkeit ein einzigartiges und spektakuläres unterirdisches Museum zur Geschichte Kölns von der Antike bis zum Spätmittelalter bieten, in dem die Geschichte der Juden in dieser Zeit eine herausragende Rolle einnehmen wird. Damit unterstreichen wir einmal mehr die große Bedeutung der ältesten jüdischen Gemeinde nördlich der Alpen, die 321 erstmal dokumentiert wird. Und genau deshalb befürworte ich auch ein weiteres bedeutendes Museumsprojekt. Genauer gesagt das Projekt des Fördervereins für ein „Haus der jüdischen Geschichte und Kultur“, das die lange jüdische Geschichte Kölns und der Region bis zur Gegenwart zum Thema haben wird. Die Ergebnisse eines Architektenwettbewerbes wurden bis vor kurzen in einer großen Ausstellung im Rathaus vorgestellt und fanden in der Bürgerschaft lebhaftes Interesse. Ich hoffe sehr, dass dieses für Köln wichtige Vorhaben in naher Zukunft in Angriff genommen werden kann, so dass zu den vielen Kölner Museen auch ein spezielles Museum zur jüdischen Kultur und Geschichte hinzukommen wird. Meine Damen und Herren, in den nächsten Tagen werden Sie nunmehr die Gelegenheit haben, das zu sehen, was Köln heute berühmt macht. Sie werden darüber hinaus mit Kölnerinnen und Kölnern sprechen. Und besonders dankbar bin ich, das Sie bereit sind, an Kölner Schulen über Ihre Erlebnisse, über Ihre Biographien zu berichten. Wenn Sie Köln wieder verlassen, dann wünsche ich mir, dass Sie einen positiven Eindruck von unserer Stadt mitnehmen. Dass Sie die Kontakte, die Sie hier knüpfen konnten, festigen und dass Sie Köln vielleicht wieder besuchen werden. Und ich hoffe sehr, dass Sie feststellen werden, dass sich ein grundlegender Wandel in unserem Land vollzogen hat. Und dass dieser Wandel nicht nur den materiellen Wiederaufbau der Stadt nach der Zerstörung umfasst. Ich wünsche mir, dass Sie spüren werden, dass sich dieses Land auch politisch verändert hat. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen angenehmen und interessanten Aufenthalt in Köln! Mögen zu den Erinnerungen des Schreckens neue, gute Erinnerungen an Köln hinzukommen. (Dankworte eines Gastes)

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Und nun, liebe Gäste, darf ich Sie bitten, sich ins Gästebuch unserer Stadt einzutragen.