Erziehungswissenschaftliche Forschung

Technische Universität Chemnitz Philosophische Fakultät Professur Allgemeine Erziehungswissenschaft Seminar: Arbeitsfelder der Pädagogik, SoSe 2007 Do...
Author: Nora Hauer
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Technische Universität Chemnitz Philosophische Fakultät Professur Allgemeine Erziehungswissenschaft Seminar: Arbeitsfelder der Pädagogik, SoSe 2007 Dozentin: Katja Lieber, M.A. Referenten: Tanja Müller, Denise Winkler

04.07.2007

Erziehungswissenschaftliche Forschung 1. Grundbegriffe Klassifikation: 1) Art des Forschungsinteresses a) grundlagenbezogen: theoretische Forschung (Lernforschung, Bildungstheorie) b) anwendungsorientiert: praxisorientierte Forschung entwicklungsorientierte Forschung 2) Art der Forschungsmethoden a) Quantitative Forschung: empirisch analytische Forschung, b) Qualitative Methoden: offenes Interview, teilnehmende Beobachtung c) Aktions- Handlungsforschung: Forschung und Praxis verknüpfen 3. Art der untersuchten Themengebiete a) Bildungsforschung: gesamtes Bildungssystem, inkl. außerschulische Bildungsprozesse Æ alle Bereiche des Bildungswesens b) Wissenschaftsforschung: empirische Betrachtung der Wirklichkeit der Erziehungswissenschaften

2. Geschichte pädagogischer Forschung Æ Vor den 20er Jahren: Gründung pädagogischer Forschungsinstitute: - Leipzig, Gelsenkirchen, Bremen: pädagogisch-psychologische Institute - 1910 pädagogisch-psychologisches Institut München - 1913 Institut für Jugendkunde Hamburg - vom „Bund für Schulreform“ initiiert - 1914 preußisches Zentralinstitut zur Erziehung und Unterricht Æ Nachkriegszeit: - Universitätspädagogik vor allem durch Vertreter der geisteswissenschaftlichen Pädagogik -1960: außeruniversitäre Forschungsinstitutionen: - Deut. Institut für internationale Pädagogik - Unsesco Institut für Pädagogik Hamburg - Comenius Institut Münster - Pädagogische Arbeitsstelle des deutschen Volkshochschulverbandes - „Debatte um Bildungskatastrophe“ - organisatorische Reform des Bildungswesens Æ Mitte der 60er Jahre - neue Beartungs- und Planungsinstanzen

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Æ 1970 - Bund und Länderkommission für Bildungsberatung - „Gemeinschaftsaufgaben“ im Grundgesetzt im Bildungsbereich verankert - Umsetzung: bis Ende 1972 Æ 22 weitere außeruniversitäre Institute Æ1966 bis 1980: 5x höherer Hochschullehrerbestand

3. Institutionen erziehungswissenschaftlicher Forschung Erziehungswissenschaftliche Forschung: institutioneller Form Æ wissenschaftlichen Hochschulen Æ außeruniversitäre Forschungseinrichtungen 3.1. Hochschulen Praxisforschung: Fachbereiche für Sozialwesen an Fachhochschulen als Stätte pädagogischer Forschung anerkannt - 1/3 aller Fachhochschulprofessoren im Bereich Sozialwesen mit dem Selbstverständnis als forschungsorientiert Spezielle Institute an Universitäten ÆIPN - Leipnitz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften der Uni Kiel - Grundlagenforschung in der Pädagogik des naturwissenschaftlichen Unterrichts - Entwicklung und Erprobung naturwissenschaftlicher Unterrichtsmaterialien ÆInstitut für Schulenentwicklung der Uni Dortmund - wissenschaftliche Begleitung von Modellversuchen im Bildungswesen - alle 2 Jahre repräsentative Umfragen zur Schulenentwicklung Æ Zentrum für empirische pädagogische Universität Koblenz-Landau Pädagogische Diagnostik 3.2. Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen Klassifikation: -

wissenschaftsorientierte Institute serviceorientierte Institute verbandsabhängige Institute verbandsunabhängige Institute kommerzielle Forschungsinstitute (z.B. Psydata/Frankfurt, Emnid/Bielefeld) „grauer Markt“: Æ selbstorganisierte kleine Forschungsinstitute, die sich auf der Basis von Mittelzuwendungen der Agentur für Arbeit, der Kommunen oder Ministerien finanzieren Æ meist praxisorientierte Forschung (v. a. im Bereich Jugendhilfe)

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a) Wissenschaftliche Institute - renommiertesten wissenschaftlichen Institute im Bereich Bildungsforschung: Æ Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (MPI) in Berlin Æ Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) in Frankfurt (+ Außenstelle in Berlin) - Institute in öffentlicher Trägerschaft - Arbeit auf der Basis verschiedenartiger theoretischer Ansätze und methodischer Konzepte (vorrangig im Bereich der Grundlagenforschung) Max-Planck-Institut für Bildungsforschung (MPI) soziologische Untersuchungen zu Bildungs- und Entwicklungsprozessen im gesamten Lebenslauf psychologische Studien zur Entwicklung kognitiver und geistiger Fähigkeiten über die Lebensspanne stärker erziehungswissenschaftlich akzentuierte Projekte (z.B. zur Entwicklung des Bildungswesens in den alten und neuen Bundesländern) Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) Langzeitaufgaben Forschungen zur deutschen Bildungsgeschichte & Bildungspolitik Forschungen zur Entwicklung computergestützten Unterrichts Dauerbeobachtung ausgewählter ausländischer Bildungssysteme Aktuelle Forschungsarbeiten (1994) Analyse von Bildung und Erziehung im soziokulturellen Wandel Steuerungsprobleme im Bildungswesen Probleme der Erziehung im multikulturellen Gesellschaften - Außerschulische Bildungsforschung: Æ z.B.: Deutsches Jugendinstitut (DJI) in München Beschäftigung mit Fragen anwendungsorientierter Grundlagenforschung im Spektrum von Jugendhilfe-, Jugend- und Familienforschung (1994) b) Seviceorientierte Einrichtungen z.B. Pädagogische Arbeitsstelle des Deutschen Volksschul-Verbandes (PAV) in Frankfurt - eigene Studien z.B. zur Methodik der Lehrtätigkeit in der Weiterbildung - Hauptaufgabe: Dokumentation der Grundlageninformationen über die Methodik und Didaktik in allen Weiterbildungsbereichen + Bereitstellung für Forschung und Praxis c) Verbandsabhängige Institute Æ Comensius-Institut in Münster & Berlin - von der evangelischen Kirche finanziert - Beschäftigung mit Fragen der Religionspädagogik und kirchlicher Bildungsarbeit Æ Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS) in Frankfurt - von der Arbeiterwohlfahrt finanziell unterstützt - Durchführung der wissenschaftlichen Begleitung von Modellversuchen und neuen Handlungsansätzen in der Jugendhilfe d) Staatsabhängige/Verwaltungsabhängige Institute - größter Anteil unter den Instituten der außeruniversitären Bildungsforschung Æ Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) in Berlin 3

- gehört direkt zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft - Auseinandersetzung mit aktuellen Fragestellungen und Problemlagen der Arbeitsmarktsituation und der beruflichen Bildung - weitere verwaltungsabhängige Institute in den meisten alten Bundesländern und in einigen neuen Bundesländern Æ i. d. R. nachgeordnete Dienststellen der Kultusministerien der Länder Æ Aufgabe: regionale Schulentwicklung praxisnah unterstützen und /oder die Fort- und Weiterbildung von Lehrern organisieren & durchführen

4. Erziehungswissenschaftliche Fachbereiche und Forschungsinstitutionen als Beschäftigungsfeld für Pädagogen 1) Chancen für eine Lebenszeit-Professur Æ Voraussetzung: Erwerb der Promotion & einer erfolgreichen Habilitation - späte 80er Jahre: als eher schlecht eingeschätzt - gravierende Veränderung der Situation seit Anfang der 90er Jahre: 1990 – 1993 + wissenschaftliche Hochschulen: 257 Stellen ausgeschrieben (143 in Westdeutschland und 114 in Ostdeutschland) + Fachhochschulen im Bereich Sozialwesen: 160 Professurenstellen 2) Mittelbaustellen - Trend: zeitlich befristete Stellen statt unbefristeten Stellen - Verbesserung der Situation der Frauen: Æ30% der neu besetzten Assistentenstellen & > 40% der neu besetzten Mitarbeiterstellen - Mittelbaustellen an wissenschaftlichen Hochschulen: + neue BL: 350 + alte BL: über 1000 3) Stellenvolumen der außeruniversitären Institute für Bildungsforschung - Stellenvolumen etwa bei 1000 Stellen - ca. 80% unbefristet - 1/3 der Stellen von diplomierten oder promovierten Hauptfach-Pädagogen besetzt bzw. können wieder besetzt werden Æ Rest: in Staatsinstituten: v. a. abgeordnete Lehrer; in wisschenschaftsorientierten Forschungseinrichtungen: Soziologen, Psychologen) 4) Drittmittelstellen - mehr als die Hälfte der ca. 500 zeitlich befristeten Drittmittelstellen immer noch durch Nachwuchswissenschaftler aus Nachbardisziplinen (v. a. Soziologie, Psychologie) besetzt - Grund: oft bessere Methodenausbildung Æ Etwa 10% der Diplom-Pädagogen bekommen nach Studienabschluss i. d. R. befristete Stellen im Bereich von universitärer oder außeruniversitärer Forschung. (Regionalstudien zur Berufseinmündung, Bahnmüller, 1988)

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5. Bilanz und Perspektiven a) Erfolgsbilanz der empirischen Schulforschung: - zahlreiche quantitative Studien: + zur Bildungsbeteiligung + zum Schulklima + zu somatischen Problemen bei Schülern - umfangreiche Bedarfsprognosen zur Bildungsentwicklung in neuen und alten BL - Deutsche Forschungsgemeinschaft: Einrichtung eines Forschungsprogramms mit dem Ziel, berufsrelevante Bildungsprozesse im Kontext technischer, ökonomischer und gesellschaftlicher Bedingungen zu untersuchen - zunehmende Bedeutung der qualitativen Forschung in vielfältigen Bereichen der Pädagogik (z.B. Biographieforschung, Jugend- Frauenforschung) b) Defizite - Rücklauf staatlichen Mittelzuwendungen für die erziehungswissenschaftliche Grundlagenforschung - Einräumung konzeptioneller und methodischer Schwächen bei den bislang durchgeführten Untersuchungen (bei quantitativ empirisch-analytischem Forschungsansatz) Æ z.B.: Theoriearmut, Mangel an repräsentativen Querschnittsuntersuchungen & quantitativen Längsschnittuntersuchungen c) Zukünftige Aufgaben - verstärkte Realisierung von repräsentativen Querschnitts- & Längsschnittuntersuchungen Æ Voraussetzung: finanzielle Förderung der erziehungswissenschaftlichen Grundlagenforschung - bessere Methodenausbildung & Vermittlung von Forschungskompetenzen in der Hauptfachausbildung - Realisierung der Diplomrahmenprüfungsordnung: + Ausbildung in qualitativen und quantitativen Forschungsmethoden im Gesamtvolumen von 20 SWS + Einführung eines Wahlpflichtfaches erziehungswissenschaftlicher Forschung + Forschungspraktika + Forschungswerkstätte + kasuistische Fallseminare Æ bessere Berufschancen im Beschäftigungssegment der universitären und außer~ Forschung Fazit: Es ist in den nächsten Jahren wieder mit einem verstärkten Interesse und einer zunehmenden Nachfrage nach problemlösungsrelevanten Wissensbeständen der erziehungswissenschaftlichen Forschung zu rechnen! Quellen: - Krüger, H.-H. (1997). Erziehungswissenschaftliche Forschung: Hochschulen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, Praxisforschung. In: Krüger, H.-H. & Rauschenbach, T. (1997). Einführung in die Arbeitsfelder der Erziehungswissenschaft. Opladen: Leske + Budrich Verlag. - www.bibb.de www.dipf.de www.dji.de www.ifs-dortmund.de/index.html www.ipn.uni-kiel.de www.iss-ffm.de www.mpib-berlin.mpg.de www.zepf.uni-landau.de

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