ERZIEHUNG UND BILDUNG

Ulla Bracht, Bernd Fichtner, Thomas Mies, Georg Rückriem: Erziehung und Bildung. In: Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und Wissenschaften, 4 Bän...
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Ulla Bracht, Bernd Fichtner, Thomas Mies, Georg Rückriem: Erziehung und Bildung. In: Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und Wissenschaften, 4 Bände. Herausgegeben von Hansjörg Sandkühler u.a., Band 1, Hamburg 1990, 918-939. _______________________________________________________________________________ ERZIEHUNG UND BILDUNG E. und B. sind im deutschen Sprachraum weder in ihrem alltagssprachlichen Gebrauch noch als Begriffe der pädagogischen Fachsprache eindeutig bestimt. Als Verbalsubstantive bezeichnen sie zugleich Vorgang und Resultat von Handlungen. Die Vagheit und Inkonsistenz des gegenwärtig Begriffsgebrauchs führen zu einer kaum noch zu überblickenden Vielzahl und Vielfalt von Definitionsversuchen und Verwendungsweisen (Dolch 1961; Mühlbauer 1965; Rauhut/ Schaarschmidt 1965; Weber 1969). Häufig wird der Erziehungsbegriff als der weitere aufgefaßt und mit ihm das Insgesamt der Handlungen bezeichnet, die auf die Formung menschlicher Kräfte überhaupt gerichtet sind. B. wird dann für jenen Teilbereich von E. reserviert, der auf die Formung geistiger Kräfte zielt. Gelegentlich wird aber auch der Bildungsbegriff dem Erziehungsbegriff übergeordnet, woraus sich ein engeres Verständnis der E. als sittlicher Formung des Charakters ergibt. Ebenso unklar und strittig ist die Abgrenzung bzw. Zuordnung von E. und B. zum Unterricht sowie der Gebrauch der zahlreichen Komposita, in denen E. und B. als Grundwort vorkommen. In der Erziehungswissenschaft hat die Aufga- /919:/ be, diese Begriffe theoretisch zu klären, zu unterschiedlichen und gegensätzlichen Ansätzen geführt: In die begriffliche Bestimmung von E. und B. werden mehr oder weniger explizit Annahmen über die Realität und Möglichkeit von E. und B. eingeführt, die als Normen, Ziele und Ideale die Praxis anleiten sollen. Begriffe werden hier mit Handlungsprinzipien verwechselt (vgl. Hönigswald 1927; Heitger 1963; Petzelt 1964). E. und B. werden als Grundbegriffe eines theoretischen Systems wertfrei, deskriptiv und ahistorisch bestimmt. Grundbegriffe dieser Art benötigen jedoch letzte Fundamente entweder apriorischer oder empiristischer Herkunft (vgl. Lochner 1963; Brezinka 1974; Rösner 1979). Schließlich werden E. und B. in ihrer ideengeschichtlichen Entwicklung verstanden und rekonstruiert (vgl. Lichtenstein 1966). Der Zusammenhang von Fragen der Genese und Fragen der Geltung einer Begriffsauffassung wird bei dieser Rekonstruktion implizit unterstellt; die Prämissen idealistischer Geschichtsphilosophie, auf die der ideengeschichtliche Ansatz bei der Begründung eines solchen Zusammenhangs mehr oder weniger offen zurückzugreifen gezwungen ist, sind aber für die Anhänger dieses Ansatzes selbst fragwürdig geworden. Alle diese Positionen führen zu dezisionistischen und aporetischen Lösungsversuchen mit gleichwohl universellen Definitionsansprüchen. Eine materialistische Bestimmung der Begriffe geht dagegen von der gesellschaftlichen Wirklichkeit, von der historischen Entwicklung aus, in der E. und B. eine kategoriale Bedeutung erhalten haben. Begriffsgeschichte ist hier Teil der Gesellschaftsgeschichte. E. als Ermöglichung von Mündigkeit in der Gestaltung des persönlichen Lebensentwurfs und Handelns und B. als Vermittlung der Fähigkeit, die Subjektivität in der aktiven Teilhabe am kulturellen und wissenschaftlichen Fortschritt zu entfalten, werden in einem historischen Prozeß als relativ eigenständige, dialektisch aufeinander bezogene soziale Interaktionsund Bedeutungszusammenhänge entwickelt und kategorial fixiert. Der entscheidende Ausgangspunkt für die Genese der Kategorien E. und B. im heutigen Begriffsverständnis ist der Übergang vorn Mittelalter zur Neuzeit (vgl. zu den Vorstufen der Entwicklung: v. Stein 1883; Rugiu 1979; Dolch 1982). Dabei ist vor allem der Wandel des Wissens und seiner sozialen Funktionen, der mit den Veränderungen in Ökonomie, Verwaltung und Alltagsleben einhergeht, von ausschlaggebender Bedeutung (Fichtner 1989). Die Herausbildung des neuzeitlichen wissenschaftlichen Denkens hat einschneidende Konsequenzen für das Verhältnis von Subjekt und Objekt des Erkenntnisprozesses. Die unmittelbare Einheit beider, im Mittelalter durch die vorgegebene Ordnung eines allgemeingültigen religiösen Weltbildes als Selbstverständlichkeit verbürgt, bricht auseinander. Das Wissen erscheint als autonomes Produkt

des Menschen; daher kann die Übereinstimmung von Erkenntnissubjekt und -objekt nur garantiert werden, indem die Methoden der Wissensentwicklung wissenschaftlich begründet werden. Wissen wird selbst Gegenstand des Wissens; Wissenschaft verselbständigt sich als gesellschaftliches Bedeutungssystem, dessen Entwicklung sich nach einer eigenständigen Logik vollzieht. Diese epistemologischen Prozesse besitzen ihr soziales Subjekt zunächst in der sozio-kulturellen Gruppe der Gelehrten, die mit der Entstehung und Verbreitung des Humanismus seit dem 15. Jahrhundert zuerst in Italien und dann in West- und Mitteleuropa einen entscheidenden Schritt zu ihrer Autonomie vollzieht. Die wissenschaftlichen Gesellschaften des 17. Jahrhunderts, die im Unterschied zu den Humanisten nicht mehr die Rezeption des antiken Erbes von den Zwängen der mittelalterlichen Tradition befreien, sondern der neuen ´experimentellen Philosophie´ zum Durchbruch verhelfen wollen, stehen in dieser Hinsicht in der Kontinuität der humanistischen Bewegung (Bernal 1970; Wollgast 1980; Batkin 1981). Das Wissen begründet eine neue Sozialund Kommunikationsform, die dem Einfluß religiöser und politischer Mächte tendenziell entzogen ist und ein relativ autonomes Modell der Entfaltung von Humanität repräsentiert. Fortschritt des Wissens und Entwicklung der Individualität bilden hier eine unmittelbare Einheit. Aber diese unmittelbare Einheit kann sich nur in relativ kleinen, sozial exklusiven Gruppen realisieren. Die ,Republik der Gelehrten‘ findet ihren Platz in der Gesellschaft als ,nobilitas literaria‘, die aufgrund ihres Wissens einen dem Geburtsadel vergleichbaren Rang beansprucht. Überschritten wird dieser Rahmen nur dort, wo in den verschiedenen reformatorischen Strömungen die Verbreitung des neuen Wissens als Moment der religiösen Reform (Reformation) und als Beitrag zu der organischen Einheit von intellektuellen und den gläubigen Massen angesehen wird. Das neuzeitliche Wissen wird damit aber in ein religiöses Weltbild integriert, das nach wie vor die gesellschaftliche Ordnung und damit auch die individuelle Entwicklung in dieser Ordnung als unmittelbar durch göttliches Gebot /920:/ vorbestimmt auffaßt. Es ist als ein objektiv vorgegebener und wie die göttliche Weltordnung systematisch abgeschlossener Bestand zu vermitteln und wird als Gegenstand der Didaktik (didactica) pädagogisch thematisiert. Vorbereitet sowohl durch eine Kritik am Verbalismus überlieferter Lehrformen des Mittelalters wie auch dieForderung nach Realien (Durkheim 1977; Blankertz 1982) entstehen im 17. Jahrhundert eine Vielzahl oft spekulativer Didaktiksysteme, unter denen der utopische Entwurf von Komensky (1592 -1670) besonders hervorragt. E. und B. im Prozeß der Aufklärung Erst das 18. Jahrhundert setzt als Jahrhundert der Aufklärung die soziale Sprengkraft des wissenschaftlichen Wissens frei. In der Aufklärung wird Wissen universell nicht nur in dem Sinne, daß alles Gegenstand des Wissens werden kann, sondern auch in dem Sinn, daß die schon von Komensky erhobene Forderung, daß allen Menschen das vorhandene Wissen verfügbar gemacht werden muß, nicht mehr als utopisches Postulat aufgestellt, sondern in der gesellschaftlichen Bewegung selbst auf die Tagesordnung gesetzt wird. Wissen wird allgemein gültig. Damit wird aber zugleich und notwendig die Vermittlung des Wissens eigenständig. Das soziale Subjekt dieses Verallgemeinerungsprozesses ist nicht mehr die ,Republik der Gelehrten‘, sondern die bürgerliche Öffentlichkeit, die sich in unterschiedlichen nationalen Varianten seit der Wende zum 18. Jahrhundert in Europa konstituiert (Habermas 1968). Der Bürger emanzipiert sich nicht nur wirtschaftlich als kapitalistischer Privateigentümer, sondern auch kulturell. Er erringt seine Autonomie als Privatperson in Familie und Beruf, vor allem aber definiert er sich selbst zunehmend sozial durch die Fähigkeit zur Teilhabe am wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt und wendet sich mit Erfolg gegen die Reglementierung des geistigen und politischen Lebens durch Kirche und absolutistischen Staat. Damit beginnt er, sich nicht mehr bloß als Mitglied eines untergeordneten Standes innerhalb der spätfeudalen Gesellschaft zu artikulieren, sondern als Angehöriger einer Klasse, deren Interesse mit dem der gesamten Nation bzw. Menschheit tendenziell zusammenfällt. Er engagiert sich für den Fortschritt des Wissens und seine

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institutionelle Absicherung, um die Diskussion und Entscheidung der öffentlichen Angelegenheiten am Maßstab wissenschaftlicher Erkenntnis zu orientieren. Aus dem Postulat der in allen Menschen identisch ansprechbaren Vernunft ergibt sich als grundlegend neues Problem, wie die Eigenlogik individueller Entwicklung mit dem Allgemeinheitsanspruch wissenschaftlicher Rationalität zu vermitteln ist. Die Aufklärung entdeckt das ,Eigenrecht des Kindes‘; sie entwickelt aber auch die geschichtsphilosophische Idee eines durch die Entwicklung des menschlichen Geistes bedingten gesellschaftlichen Fortschritts. Im Spannungsfeld beider Konzepte wird E. zu einem zentralen Thema des 18. Jahrhunderts (Herrmann 1982). Empirisch und metaphysikfeindlich auf Nutzen und Glück des Menschen bedacht, setzt die Aufklärung ihre Leitideen vor allem zunächst praktisch um. Es entstehen zahlreiche unterschiedliche Projekte, neue Schul- und Unterrichtsformen von den Industrieschulen, Fach- und neuen Realschulen bis hin zu groß angelegten Schulversuchen, begleitet von einer umfangreichen pädagogischen Literatur (vgl. etwa Campe 1785 ff.). Dieser pragmatische Zugriff verbleibt aber im Rahmen der ständischen Gesellschaftsordnung und wird dem universellen Anspruch der Aufklärung nur begrenzt gerecht. Die Partikularität dieses Zugriffs wird aber nicht dort überwunden, wo die Konstitution der bürgerlichen Öffentlichkeit sich relativ organisch aus einer fortgeschrittenen Verselbständigung der bürgerlichen Gesellschaft gegenüber dem Staat ergibt, sondern dort, wo die Entwicklung dieser Öffentlichkeit auf massive politische Widerstände stößt und nur durch eine durchgreifende - sei es revolutionäre, sei es reformerische - Umgestaltung der staatlichen Institutionen zu einem vorläufigen Abschluß gebracht werden kann. Paradigmatisch für die erste Variante ist England, für die zweite Frankreich und Preußen. In seinem pädagogischen Hauptwerk ,Emile‘ stellt Rousseau (1712-1778) erstmals radikal die Frage nach der Autonomie des Individuums als Ziel von E. Dabei teilt er mit der gesamten Aufklärung die Überzeugung, daß die Vergesellschaftung aus dem Bestreben der Menschen hervorgeht, sich zu erhalten und die eigenen Anlagen zu verwirklichen, und darin allein ihre Rechtfertigung hat. Aber anders als viele Gesellschaftstheoretiker der Aufklärung bezweifelt er, daß das Individuum, wenn es von der Selbstliebe geleitet in einen sozialen Zusammenhang tritt, in Harmonie mit seinem eigenen Wesen bleibt. Im Blick auf die zeitgenössischen Zustände erscheint Vergesellschaftung ihm zugleich als Zwang zur sozialen Konformität und Selbstent- /921:/ fremdung, die natürliche ,Selbstliebe‘ (amour de soi) schlägt in der Gesellschaft um in die ,Eigenliebe‘ (amour propre), die aus der wechselseitigen Abhängigkeit aller Individuen in der Konkurrenz um Reichtum, gesellschaftliches Ansehen und Macht entsteht. Das zentrale Problem der geschichtsphilosophisch begründeten Erziehungstheorie Rousseaus ist es, wie, nachdem der Zustand eines prekären Gleichgewichts zwischen dem Selbsterhaltungsstreben des sozial isolierten Individuums und den Umweltbedingungen seiner Verwirklichung unwiederbringlich vergangen und der Übergang in die gesellschaftliche Existenzweise irreversibel geworden ist, die mit dieser Existenzweise verbundene Selbstentfremdung überwunden werden kann (Rang 1965; Buck 1984). Rousseau fragt ausdrücklich nach der Eigenstruktur des Sachverhalts E. und damit nach einem eigenen Ziel der E. selbst. Diese ist nicht mehr Mittel im Blick auf einen Endzweck. Der Mensch soll das, was er ist, durch sich selbst werden. E. muß den Menschen zur Mündigkeit, zur Selbständigkeit nach dem Maß des in ihm selbst liegenden Gesetzes führen. Für dieses Vorhaben ist die gesamte, das Kind umgebende Wirklichkeit unter dem Gesichtspunkt der pädagogischen Relevanz zu organisieren und in ein System von Erziehungsmaßnahmen zu integrieren, das auf das individuelle Eigenrecht und die individuelle Eigenwelt des Kindes verpflichtel ist. Der E. kommt eindeutig der Primat gegenüber der Wissensvermittlung zu. Diese ist unmittelbar auf die Bewältigung der Probleme der Lebenspraxis bezogen; sie basiert auf einem breiten vorreflexiven Fundament an Einstellungen und Fähigkeiten und vollzieht sich in engem Zusammenhang mit der Entwicklung der Emotionen und des Gewissens. Dabei wird das gesellschaftlich akkumulierte Wissen einer rigorosen Selektion untergeordnet: Der Zögling soll

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sich nur solches Wissen aneignen, das er sich aufgrund der natürlich in ihm gewachsenen Fähigkeiten sowie aufgrund eigener Erfahrungs- und Urteilskraft erschließen kann; es geht weniger um die Kenntnis bestimmter Inhalte als um die Beherrschung der Methoden des Wissenserwerbs. Wissen, das sich nicht an dem Kriterium unmittelbarer persönlicher Relevanz bewährt, gilt lediglich als soziales Prestigeobjekt, dessen Erwerb die individuelle Autonomie des Zögling gefährdet. Die pädagogische Konzeption des ,Emile‘ ist auf die häusliche E. zugeschnitten. Öffentliche E. ist für Rousseau nur als Instrument einer sozialen und politischen Ordnung sinnvoll, in der der Wille des Individuums aufgrund des Gesellschaftsvertrags tendenziell in der kollektiven Einheit des ,allgemeinen Willens‘ aufgeht und die ,Eigenliebe‘ in die ,Vaterlandsliebe‘ transformiert wird. Von einer solchen Ordnung sind nach seinem Urteil die modernen europäischen Nationalstaaten extrem weit entfernt. In der öffentlichen wie in der häuslichen E. soll das Individuum in der Gesellschaft zur Übereinstimmung mit sich selbst, zu seiner Identität finden. Hier wie dort tritt E. in Gegensatz zur Konkurrenz der Privatinteressen und damit auch zum zivilisatorischen Fortschritt. Aus der Skepsis gegenüber dem emanzipatorischen Wert des zivilisatorischen Fortschritts ergibt sich eine ausgeprägte Ambivalenz gegenüber dem Fortschritt des Wissens. Einerseits drängt Rousseaus Pädagogik auf kritische Reflexion der Erziehungspraxis; andererseits trennt sie das anzueignende Wissen weitgehend vom geschichtlichen Prozeß und lehnt die Idee eines am Erkenntnisstand der Wissenschaften orientierten Bildungskanons ab. Rousseau erkennt schon in einer relativ frühen Phase der Genese der bürgerlichen Öffentlichkeit und vor der Institutionalisierung eines umfassenden öffentlichen Bildungs- und Wissenschaftssystems, daß die Verteilung des Wissens in einer Gesellschaft der sozialen und politischen Ungleichheit dazu beiträgt, diese Ungleichheit zu reproduzieren (vgl. Rousseau 1978). Aber das Prinzip der individuellen bzw. kollektiven Identität, die Selbstverwirklichung des ,Menschen‘ bzw. des ,citoyen‘ ist kein natürliches, sondern ein geschichtliches Prinzip. Weil es bei ihm in abstraktem Gegensatz zur Entwicklung der gesellschaftlichen Bedeutungssysteme gefaßt wird, bleiben die Pädagogik der individuellen Selbstbestimmung gegenüber der Gesellschaft und die Pädagogik derUnterordnung des Einzelnen unter den ,allgemeinen Willen‘ inhaltlich inkompatibel, so sehr sie auch formal im Identitätsprinzip übereinstimmen mögen. Nach der Logik des gleichen abstrakten Gegensatzes sind umgekehrt die zu Rousseau konträren pädagogischen Positionen der französischen Aufklärung, die die soziale Verallgemeinerung des Wissensfortschritts durch ein öffentliches Unterrichtswesen fordern, außerstande, das Prinzip der Entwicklung individueller Identität in ihr Konzept der Vermittlung von gesellschaftlich objektiviertem Wissen zu integrieren. Die von Diderot (1713-1784) und d‘Alembert (1717-1783) herausgegebene Enzyklopädie demon/922:/ strierte eindrucksvoll, daß die Vermittlung des Wissens auf seinem fortgeschrittensten Stand ein mächtiger Hebel zur Entwicklung der Öffentlichkeit sein kann. Diderot selbst zieht in seinem 1775/76 verfaßten ,Plan des gesamten Schulwesens für die russische Regierung‘ daraus die pädagogische Konsequenz: Die Forderung nach einem öffentlichen Unterricht, der ,,in die Elementarkenntnisse aller Wissenschaften einführen” soll (Diderot 1971, 129). Diese Forderung gehört zum Gemeingut der französischen Aufklärung in ihrer Spätphase (Drechsel 1969). Der erste Versuch ihrer Realisierung gehört zu den großen historischen Leistungen der Französischen Revolution. Die Erklärung der Menschenrechte fixiert nicht nur ein umfassendes System politischer Garantien für die Entfaltung bürgerlicher Öffentlichkeit, sondern auch in der vom Konvent 1793 verabschiedeten Fassung im Art. 22 das soziale Grundrecht auf Unterricht: ,,Der Unterricht ist für alle ein Bedürfnis. Die Gesellschaft soll mit aller Macht die Fortschritte der öffentlichen Aufklärung fördern und den Unterricht allen Staatsbürgern zugänglich machen” (s. Grab 1973, 152).

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Wissen, Bildung und Unterricht im Zeitalter der Französischen Revolution Condorcet (1743 -1794) begründet 1792 vor der Legislative einen Gesetzentwurf, der die Schaffung aller institutionellen und inhaltlichen Voraussetzungen zur Verwirklichung dieses Grundrechts vorsieht. In einer einheitlichen Organisation des Unterrichtswesens sollen Wissensvermittlung und Wissensentwicklung aufeinander bezogen sein und die Gelehrten die führende Rolle einnehmen: ,,Denn nicht nur um die E. der Kinder oder der Erwachsenen handelt es sich..., sondern um den Unterricht der gesamten Generation, um die Vervollkommnung der menschlichen Vernunft” (Condorcet 1949, 97 f.). In der institutionellen Autonomie von Unterricht und Wissenschaft wird die freie Entwicklung fortschreitender Aufklärung gesichert: ,,Nachdem wir den Unterricht von jeder Obrigkeit befreit haben, hüten wir uns davor, ihn der öffentlichen Meinung untertänig zu machen; er muß dieser vorangehen, sie verbessern, sie formen, nicht aber ihr folgen und gehorchen” (ebd. 92). Wissenschaft und Unterricht sind nicht mehr durch die Abhängigkeit von einzelnen sozialen Gruppen bzw. Praxisfeldern bestimmt, sondern stellen selbst einen universellen Bezug zur Gesellschaft her: Der soziale Fortschritt ist durch ihren Fortschritt bedingt (Condorcet 1976, 215). Damit ,,die durch das Gesetz zuerkannte politische Gleichheit zu einer wirklichen” (Condorcet 1949, 63) wird, bedarf es einer durchgreifenden Demokratisierung des Wissens, die neben den armen Klassen und Schichten auch die Frauen einbezieht, deren Zulassung zum Bürgerrecht Condorcet schon 1789 gefordert hatte. Für die Auswahl der Inhalte ergibt sich aus diesem Verhältnis von Wissen und Gesellschaft: ein eindeutiger Vorrang der theoretischen Kenntnisse als Mittel, um die Praxis, insbesondere auch die materielle Produktion, wissenschaftlich durchdringen und sich über die Grenzen der jeweiligen Praxisfelder hinweg auf Grundlage einheitlicher Prinzipien verständigen zu können; der Anspruch, daß der Unterricht auf allen Stufen in der jeweils angemessenen Form die enzyklopädische Ganzheit des Wissens umfassen soll; eine radikale Revision des Kanons der humanistischen Tradition zu Gunsten realistischer Unterrichtsinhalte, insbesondere von Mathematik und Naturwissenschaften; der Ausschluß der Religion aus den Lehrgegenständen; die Unterweisung in den Wissenschaften der Politik und des menschlichen Verhaltens, die die kritische Prüfung und Vervollkommnung der in vorreflexiver Erziehungspraxis erworbenen Einstellungen und Haltungen ermöglichen soll; (Condorcet 1949; vgl. Durkheim 1977, 270 ff.). Die skizzierte Auffassung von Unterricht und E. hat als entscheidende Prämisse die These, daß die Entwicklung der Gattung als Träger des wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschritts sich unmittelbar im Lernprozeß des Individuums reproduzieren läßt. Die Aneignung wird durch das gesellschaftlich objektivierte Wissen bestimmt; daß sie umgekehrt ihm eine spezifische Form verleiht und es inhaltlich transformiert, wird nicht reflektiert. Der schulisch organisierte Erwerb von Wissen stellt sich daher ausschließlich als Problem des Unterrichts (l‘instruction) dar, nicht als Problem der ,B.‘ im Sinne des sich etwa gleichzeitig in Deutschland etablierenden Begriffsverständnisses. Die objektivistische Tendenz in der Auffassung der Wissensvermittlung und der pädagogische Optimismus bedingen sich wechselseitig: Die objektive Allgemeingültigkeit wissenschaftlichen Wissens verbürgt die Möglichkeit des allgemeinen Unterrichts; umgekehrt soll diese den Widerspruch zwischen dem Universalitätsanspruch bürgerlicher Öffentlichkeit und der Borniertheit bzw. dem Antagonismus der Privatinteressen in der bürgerlichen Gesellschaft wenn nicht aufheben, so doch entschärfen. /923:/ Das revolutionäre Programm eines allgemeinen und wissenschaftlichen Unterrichts hinterläßt in öffentlichen Schulwesen, wie es nach dem Ende der Jakobinerherrschaft, vor allem während der Diktatur Napoleons, etabliert wird, zunächst keine tiefen Spuren. Es bleibt zwar für das ganze 19. Jahrhundert ein entscheidender Bezugspunk für die Bildungspolitik der progressiven Fraktionen des französischen Bürgertums, die sich schließlich mit den großen Schulreformen der Dritten Republik in wesentlichen Punkten durchsetzen (Durkheim 1977). Aber die Hoffnung, die Condorcet mit dem öffentlichen Unterricht als Mittel zur Herstellung sozialer Gleichheit verband, erfüllt sich nicht.

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,,Man darf nicht vergessen, daß es Condorcet und die Enzyklopädisten waren, von denen St. Simon, Comte und die ganze positive Philosophie des 19. Jahrhunderts herkommen” (Durkheim 1977, 271). Keine Institution des französischen Bildungs- und Wissenschaftssystems hat für die Vermittlung dieser Kontinuität soviel geleistet wie die Ecole Polytechnique (Blankertz 1969; Shinn 1980; Ringer 1985). Sie entwickelt sich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu dem führenden mathematisch-naturwissenschaftlichen Zentrum in Frankreich, das seinen Absolventen Spitzenpositionen im militärischen und zivilen Staatsapparat erschließt; aus ihr gehen viele bedeutende Vertreter des französischen Positivismus hervor; darunter auch sein Begründer Comte (1798-1857). Sie avanciert im gleichen Zeitraum zu der nach der sozialen Herkunft ihrer Studenten und dem Sozialprestige ihrer Abschlüsse exklusivsten Hochschuleinrichtung Frankreichs und behauptet diese Stellung bis in die Gegenwart hinein (Ringer 1985). Die positive Philosophie Comtes trägt dieser Entwicklung ideologisch Rechnung; indem sie zwar an der Forderung der Aufklärung und der Französischen Revolution nach einer für alle zugänglichen Volksbildung festhält, gleichzeitig aber die Condorcetsche Dialektik von sozialer und inhaltlicher Verallgemeinerung des Wissens durch die technokratische Herrschaft der Wissenschaftler ersetzt und damit die soziale Ungleichheit der Wissensverteilung als unveränderliches Faktum rechtfertigt. Aus dem revolutionären Fortschritt wird der ,organisierte‘ Fortschritt, der die bestehende bürgerliche Ordnung als Ausgangspunkt und Ergebnis voraussetzt (vgl. Comte 1979; Sandkühler 1984). In Preußen (Deutschland) vollziehen sich die entscheidenden sozial- und begriffsgeschichtlichen Entwicklungen im Zeichen der kritischen Überwindung der Aufklärungspädagogik. Ein wichtiger Ausgangspunkt ist die Theorie der E. von Kant (1724-1804). Kant durchschneidet das bei Rousseau schon erheblich gelockerte Band zwischen Nützlichkeit der E. und Sittlichkeit als ihrem obersten Ziel. Er teilt Rousseaus Skepsis gegenüber dem zivilisatorischen Fortschritt; weil er aber eine Differenz zwischen Zivilisation und den höheren Formen der Kultur nachzuweisen versucht, kann er im Unterschied zu Rousseau deren grundsätzliche Unabhängigkeit vom sozialen Interessenkampf postulieren und gegen die herrschenden Verhältnisse an der Idee des geschichtlichen und pädagogischen Fortschritts festhalten. ,,Die moralische Kultur muß sich gründen auf Maximen, nicht auf Disziplin” (Kant, AA IX,480). Jede Begründung moralischen Handelns aber, die das ,,Prinzip der Selbstliebe” (KpV, AA V, 22) ins Spiel bringt, verhindert die Entwicklung des Individuums zur Mündigkeit, indem sie es von den Naturbedingungen seiner Existenz, von seiner Sinnlichkeit abhängig macht. Nur in der Pflicht kann es sich als ,,selbstgesetzgebend, und eben um deswillen allererst dem Gesetze (...) unterworfen” (Kant AA IV, 431) realisieren. Nicht seine empirische, sondern nur seine transzendentale Subjektivität, durch die es an der Vernunft als einem Gattungsvermögen teilhat, kann seine Autonomie begründen. Wie Freiheit der Natur, so ist die E., soweit sie der Moralisierung dient, der B. übergeordnet. Da aber der kategorische Imperativ nur ein formaler Grundsatz ist, bleibt die Selbstbestimmung als Ziel moralischer E. ohne Inhalt, während die Aneignung von Inhalten als Ziel von B. nur als fremdbestimmt aufgefaßt wird. Die Trennung von Autonomie und materiellem Interesse, die Kant in seiner praktischen Philosophie und Erziehungslehre vollzieht, spiegelt die Lage der Intellektuellen in Deutschland am Ende des 18. Jahrhunderts wider, die sich nicht wie in England und Frankreich auf eine entwickelte Bourgeoisie stützen können, und daher gezwungen sind, aus einer Position der sozialen Isolierung die politische und ideologische Konstitution des modernen Bürgertums voranzutreiben. Sie ist wegweisend für die Auffassung, die sich in Deutschland zum Verhältnis von Gelehrten und Öffentlichkeit, zur sozialen Rolle von B. und E. durchsetzt Zwar ist ihr idealistischer Charakter unverkennbar; sie ermöglicht es aber, die Probleme der kulturellen Hegemonie des Bürgertums ohne praktische Voreingenommenheit zu durchdenken und anzugehen. /924:/ Aber solange das Prinzip der Autonomie einer inhaltlichen Bestimmung entbehrt, bleibt seine Wirksamkeit im geschichtlichen und pädagogischen Prozeß ihm äußerlich. Der Versuch, diese Äußerlichkeit aufzuheben, befreit den Bildungsbegriff aus der untergeordneten Stellung, die Kant

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ihm noch zuweist, und wertet ihn zu der Schlüsselkategorie der pädagogischen Theorie auf. Er wird vorbereitet durch Herder (1774-1839), der vom Standpunkt einer ,,Geschichte zur B. der Menschheit” (Herder, SW 5) die natürliche, gesellschaftliche und persönliche Entwicklung in einen organischen Zusammenhang bringt. B. des Menschen wird kategorial bei Herder jedoch nur als Selbstverwirklichung, nicht als Selbstbestimmung gefaßt. Sie vollzieht sich nach einem organologischen Modell, in dem der Naturtrieb der Selbsterhaltung das bewegende Prinzip ist (vgl. Herder, SW 13, 155 und 167-201). Kant und Herder gemeinsam ist der Zweifel an der Geschichtsmächtigkeit der Vernunft als einem individuellen Vermögen. Als pädagogische Aufgabe gestellt, scheitert die ,Erziehung des Menschengeschlechts‘ (Lessing 1887) am Problem der ,Erziehung des Erziehers‘. Sie bedarf der Leitung durch den verborgenen Plan der Vorsehung, die sich zur Erreichung ihres Ziels durchaus unpädagogischer Mittel bedient (Kant AA VII, 328 und VIII, 23; Herder, SW 14, 244-252). Erst in der kritischen Auseinandersetzung mit der Französischen Revolution und ihren Folgen wird in Deutschland der Weg frei für geschichtsphilosophische und pädagogische Entwürfe, die der schulisch organisierten E. und B. eine Schlüsselrolle in einem Reformprogramm für die Emanzipation des Bürgertums zuweisen. Das Werk von Fichte (1762-1814) ist in dieser Hinsicht exemplarisch. Für ihn setzt die Französische Revolution die Aufhebung des Kant‘schen Gegensatzes von Sittlichkeit und Sinnlichkeit, Moral und gesellschaftlicher Praxis auf die Tagesordnung. Der Mensch soll sich im Erkennen und im Leben selbst zu dem machen, was er zu sein vermag. Seine Freiheit als Vernunftwesen soll durch Kultur, durch zweckmäßige Bearbeitung der Sinnenwelt, der äußeren Natur ebenso wie des Menschen als Naturwesen, zur Erscheinung gelangen: ,,Alles bloss leidende Verhalten ist das gerade Gegentheil der Cultur. Bildung geschieht durch Selbstthätigkeit und zweckt auf Selbstthätigkeit ab” (Fichte, SW VI, 90). Nun werden unter Kant‘schen Prämissen im Bildungsbegriff geschichtsphilosophische und pädagogische Perspektiven so aufeinander bezogen, daß die Bedeutungen von E. und B. weitgehend zur Deckung kommen; zur Thematisierung des Lehr-Lernprozesses als sozialer Interaktion und seines institutionellen Rahmens dient allerdings vornehmlich der Erziehungsbegriff. Aber erst nachdem Napoleon in Frankreich die Republik beseitigt hat und Preußen, durch die Napoleonische Armee militärisch unterworfen, zu einer forcierten Modernisierung seiner gesellschaftlichen und politischen Strukturen gezwungen ist, werden öffentliche E. und B. zu einem Schwerpunkt in Fichtes theoretischer Arbeit. Unter den neuen historischen Bedingungen fällt für Fichte der deutschen Nation bei der Verwirklichung der Freiheit eine Avantgarderolle zu. Die damit einhergehende Kritik an den Konzepten der Französischen Revolution, insbesondere an Rousseau, bedeutet jedoch keineswegs die Abwendung von ihren Zielen. Die historische Einheit der Nation ist von außen, vor allem aber von innen bedroht. Die Individuen reklamieren ihr legitimes Recht auf persönliches Interesse und Urteil gegen tradierte Weltbilder und Autoritäten. Im Zeitalter der Verwissenschaftlichung kann sich die geschichtliche Kontinuität der Nation nicht mehr spontan herstellen, sondern sie bedarf des allgemeinen, bewußten Konsenses, der kulturellen Organisation vom Standpunkt des fortgeschrittenen Wissens. ,Wissenschaftslehre‘ als Hauptaufgabe der Epoche drängt sowohl die Theorie als auch die Praxis zur Selbstreflexion. In Fichtes pädagogischen Programmschriften sind schon die Grundlinien der 1808 in Preußen in Ansatz genommenen Bildungsreform erkennbar ( Fichte, SW VII, 257 ff. u. VIII, 95 ff.): der Aufbau eines Elementarschulwesens, das sich an der Methode des Schweizer Pädagogen Pestalozzi (1746-1827) orientiert; die Umgestaltung des Gelehrtenschulwesens im Geiste des Neuhumanismus; die Neuorganisation der Universität, die den Primat der philosophischen Fakultät etabliert, durch die Philosophie die Heterogenität der einzelwissenschaftlichen Disziplinen zur Ganzheit des Wissens vermitteln und die Einheit von Forschung und Lehre durchsetzen soll. B. hat die freie Wechselwirkung zwischen Erzieher und Zögling zur Bedingung. Der Lehrstoff ist nicht in seiner unmittelbaren Gegebenheit, sondern primär hinsichtlich der Prinzipien seiner Erzeugung von Bedeutung, die die Lernenden durch eigene Tätigkeit nachvollziehen. Nicht das Lernen, sondern das Lernen des Lernens steht im Mittelpunkt.

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Auf allen Stufen der B. geht es um die Übereinstimmung von Vernunft und Leben. Die Sinnlichkeit muß vom Prinzip der geistigen Selbsttätigkeit her durchdrungen werden: durch das /925:/ ABC der Empfindung und Anschauung, durch Übung des Körpers, durch Arbeitserziehung. Die Pädagogik der Selbsttätigkeit, in der das Lernen um des Lernens willen geschieht, ist der Pädagogik der Selbstliebe, in der das Interesse für der Gegenstand nur durch ihm äußerliche Beweggründe geweckt werden kann, diametral entgegengesetzt. Für Fichte ist die Dominanz des Eigennutzes die Folge mangelnder Verbindung zwischen Wissenschaft und Leben, zwischen Gelehrten und arbeitenden Ständen. Nur das in der Sinnlichkeit befangene Bewußtsein ist auf das Ich zentriert und begreift es nicht als freies Mitglied einer politischen und sittlichen Ordnung, deren Vervollkommnung seine Bestimmung ist. Privater Egoismus und ,Zwangsstaat´ sind komplementär; der ,Vernunftstaat‘ setzt dagegen bei allen Individuen das Vermögen zur Einsicht und Konsens voraus. In ihm muß wissenschaftliche B. prinzipiell allen zugänglich seit und ihr Fortschritt durch die Befreiung der Öffentlichkeit von obrigkeitlicher Kontrolle gesichert werden. Ökonomisch basiert die Nationalerziehung auf dem ,geschlossenen Handelsstaat‘, in dem die Individuen in ihrer Arbeit unmittelbar den kollektiven Vernunftzweck der Herrschaft über die Natur als den Rechtsgrund ihres Eigentums verfolgen (vgl. Fichte SW III). Der Staat, der die Nationalerziehung etabliert, leitet damit seine eigene Aufhebung als Zwangsstaat ein. Politik und Pädagogik werden identisch: ,,Der Erziehungsplan und Regierungsplan ist ganz derselbe” (Fichte SW VII, 583). Der moderne Staat hat nur als ,Kulturstaat‘ gesicherten Bestand. Die ökonomische und politische Macht des Bürgertums erscheint als direkte Folge seiner kulturellen Hegemonie: Die Gelehrten verankern sich durch Wissenschafts- und Bildungsorganisation im Volk und werden so zur Avantgarde bei der Herausbildung der Öffentlichkeit und der Modernisierung der politischen Strukturen. Diese Sichtweise harmoniert mit den Selbstverständnis einer Reformbeamtenschaft, die stellvertretend für eine allererst zu entfaltende bürgerliche Öffentlichkeit handelt und sich gegen Kirche und Adel auf ihren wissenschaftlichen Sachverstand beruft. Sie hat Fichtes Forderung, Nationalerziehung und wissenschaftliche Forschung als Selbstzweck zu institutionalisieren, mit einem Erfolg verwirklicht, der dem preußischen bzw. deutschen Bildungswesen und Wissenschaftssystem im 19. Jahrhundert in europäischen Vergleich eine Führungsrolle sichert. Zugleich geht sein Entwurf einer bürgerlichen kulturellen Hegemonie weit über das hinaus, was von einem selbstbewußten Bürgertum an bildungs- und wissenschaftspolitischer Initiative zu erwarten wäre. Bildung in Konzepten des Neuhumanismus Als Leiter der Sektion für Kultus und Unterricht ist Humboldt (1767-1835) von 1808 bis 1810 unmittelbar und an maßgeblicher Stelle in den Prozeß der preußischen Bildungsreform einbezogen (Menze 1975). Diese Reform soll ,,auf die ganze Masse der Nation” berechnet sein und ,,sucht diejenige Entwickelung der menschlichen Kräfte zu befördern, welche allen Ständen gleich nothwendig ist und an welche die zu jedem einzelnen Beruf nöthigen Fertigkeiten und Kenntnisse leicht angeknüpft werden können” (Humboldt, W IV, 217). Wissenschaft und B. gelten als Mittel, um bürgerliche Gesellschaft und Nation zu entwickeln. Der höchste Grundsatz staatlicher Bildungspolitik besteht für Humboldt darin, ,,die tiefste und reinste Ansicht der Wissenschaft an sich hervorzubringen, indem man die ganze Nation möglichst, mit Beibehaltung aller individuellen Verschiedenheiten, auf den Weg bringt, der, weiter verfolgt, zu ihr führt, und zu dem Punkte, wo sie und ihre Resultate nach Verschiedenheit der Talente und Lagen, verschieden geahndet, begriffen, angeschaut und geübt werden können” (ebd. 191 f.). In dieser Sicht ist das öffentliche Bildungswesen - von der Elementarschule bis zur Universität - der wichtigste Bereich der Anwendung und Entwicklung der Wissenschaft und ihre wichtigste Triebkraft. Begründet wird ,allgemeine Menschenbildung‘ von der Zukunft, d. h. von der zu entwickelnden bürgerlichen Gesellschaft her; gesichert wird sie in der Entfaltung der Individualität der Subjekte. Die Struktur ,allgemeiner Menschenbildung‘ ergibt sich aus der Problemstellung, wie

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wissenschaftliches Wissen als Subjektivität bzw. wie Allgemeines im Individuum real werden kann. Inhaltlich strukturierendes Prinzip des Bildungswesens ist auf je unterschiedlichem Niveau das Wissen, das den höchsten Grad an Reflexivität aufweist, das philosophisch begründete Wissen. Die explizite Aneignung eines philosophischen Standpunkts zum Wissen bleibt dem Studium an der Universität vorbehalten. Der neuhumanistische Fächerkanon, in dem Griechisch, Latein und Mathematik dominieren, soll auf diese Aneignung vorbereiten. Dem entspricht auf der subjektiven Seite als Ziel, die allgemeine Fähigkeit, selbsttätig lernen zu können: das ,,Lernen des Lernens” (ebd. 170). B. ist selbsttätige Erzeugung des Allgemeinen. Sie /926:/ zielt auf ,,vollständige Einsicht der streng aufgezählten Gründe”, auf die ,,Erhebung zu einer allgemein gültigen Anschauung”, auf die Erhöhung der ,,Denk- und Einbildungskraft” und schließlich des ,,Gemüths” (ebd. 188). In der ,,Bildung des Gemüths” (Humboldt, W IV, 190) kommen bei Humboldt Wissen als dem Subjekt verfügbare Totalität und ganzheitliche Haltung zum Wissen zusammen. Wissen wird durch diese ganzheitliche Haltung auf den Kontext der Gesellschaft bezogen. ,Allgemeine Menschenbildung‘ ist der alleinige Zweck von Schule und Unterricht, die damit zu einem Sachverhalt sui generis werden, der seinen eigenen Rechtsgrund in sich hat ,,Einheit und Continuität des Unterrichts in seinen natürlichen Stadien” sind ,,das erste und wichtigste Prinzip” (ebd. 190). Lediglich im Elementarschulwesen, das als Propädeutik für die Höhere Schule konzipiert ist, thematisiert Humboldt explizit den Erziehungsbegriff. Hier sind ,,Erziehung und Unterricht durchaus und schlechterdings immer miteinander verbunden” (ebd. 222). Aus dem Primat der Subjektwerdung in der Aneignung wissenschaftlichen Wissens, dem der Primat der Höheren Schule und der Universität in Humboldts Bildungspolitik entsprechen, ergibt sich die Unterordnung der E. gegenüber der B. Im Begriff ,allgemeiner Menschenbildung‘ ist E. als Moment aufgehoben und integriert. ,Allgemeine Menschenbildung‘ steht nicht in einem absoluten Gegensatz zu beruflicher B., sie ist vielmehr deren wesentliche Voraussetzung. Das Individuum soll nicht auf die Borniertheit seiner Stellung in der ständischen Ordnung festgelegt, sondern durch Wissen zum Subjekt ihrer Transformation werden. Es geht um die Entwicklung bürgerlicher Gesellschaft und Öffentlichkeit. Die reiche Entfaltung empirischer Individualität wird zum Maßstab geschichtlichen Fortschritts. Es ist ein Fehler, ,,dass man fast nur auf Cultur und Civilisation sieht, schlechterdings eine fortschreitende Vervollkommnung im Kopfe hat, daher sich willkührlich Stufen dieser Vervollkommnung bildet, (...), dass man die Vollendung des Menschengeschlechts in Erreichung einer allgemeinen, abstract gedachten Vervollkommenheit, nicht in der Entwicklung eines Reichthums grosser individueller Formen sucht” (Humboldt, W I, 575 f.). Als Direktor der Berliner wissenschaftlichen Deputation und Mitglied der Sektion für Kultus und Unterricht hat Schleiermacher (1768-1834) wie Humboldt in einer entscheidenden Phase die Entwicklung des preußischen Bildungswesens mitbestimmt (Lohmann 1984). Schleiermacher begründet das Allgemeine in E. und B. nicht mehr allein von den Wissenschaften, sondern von der Totalität der ,sittlichen Gemeinschaften‘ her, zu denen neben der ,Wissenschaft‘ ,Staat‘, ,Kirche‘ und ,Geselligkeit‘ gehören. ,,Die Erziehung (...) soll den Menschen abliefern als ihr Werk an das Gesamtleben im Staate, in der Kirche, im allgemeinen freien geselligen Verkehr und im Erkennen oder Wissen” (Schleiermacher 1957, Bd. 1, 28 f.). Dem ,realistischen‘ Verständnis von bürgerlicher Öffentlichkeit entspricht bei Schleiermacher seine Bestimmung des Verhältnisses von Individuum und Menschheit. Während alle anderen Lebewesen nur als Exemplare ihrer Gattung existieren, erfordert die Menschheit zwingend die Eigentümlichkeit der Individuen und die unendliche Vielfalt ihrer Unterschiede. Menschheit wird bei Schleiermacher immer im Neben- und Nacheinander von Generationen und Einzelwesen gedacht. Einerseits trägt jedes Individuum als ,eigentümliches‘ historisch-konkretes Wesen ,,den hinreichenden Grund seiner Entwicklung” in sich selbst (Schleiermacher 1957, Bd. 1, 9). Andererseits entwickelt das Individuum seine Individualität nur in der Teilhabe am geschichtlichen und gesellschaftlichen Zusammenhang der

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Gattung. E. und B. werden bei Schleiermacher prinzipiell voneinander unterschieden und komplementär aufeinander bezogen. Auf der einen Seite wird aus dem ,Gattungsbewußtsein‘ das ,Selbstbewußtsein‘ hervorgebracht, worin die Möglichkeit von E. angelegt ist, auf der anderen Seite geht aus dem ,Selbstbewußtsein‘ das ,Gattungsbewußtsein‘ hervor, worin alle B. des Menschen enthalten ist. Alle erziehende Tätigkeit der ,äusseren Einwirkung‘ ist nur insofern pädagogisch, als ihr der Charakter des Bildens als ,Entwicklung der geistigen Kraft‘ zugesprochen wird und umgekehrt. Bei der organisatorischen und inhaltlichen Strukturierung des Bildungswesens konzipiert Schleiermacher E. im engeren Sinn als ,Entwicklung der Gesinnung‘ und B. als Herausbilden von ,Fertigkeit‘ im Sinne der Formung intellektueller Verstandeskräfte. ,Gesinnung‘ ist bei Schleiermacher als ,,innere konstante Lebenstätigkeit” (Schleiermacher 1957, Bd. 1, 102) ,,das Prinzip des gemeinsamen Lebens” (ebd. 142). Sie kann nur durch E. als unterstützend entwickelnde Tätigkeit erweckt und modifiziert werden. ,Fertigkeit‘ dagegen steht für Wissen, Kenntnisse, Fähigkeiten, für intellektuelle Verstandeskräfte, die ,methodisch-technisch‘ zu entwickeln sind. Weil ,Gesinnung‘ und ,Fertigkeit‘ gegenseitig /927:/ durcheinander bestimmt sind, verbinden beide von unterschiedlichen Ausgangspunkten aus zwei Forderungen an das Individuum: ,,Erstens, daß der Gemeingeist in ihm lebendig geworden sei, ohne welchen er kein selbsttätiges Glied sein kann. (...) Zweitens, daß der Einzelne irgendeinen Teil der Aufgabe der ganzen Gesellschaft lösen könne (ebd. 105). Bei Schleiermacher wird erstmals explizit reflektiert, daß öffentlicher Unterricht eine eigenständige pädagogische Form der Organisation von Wissen erfordert, die nicht unmittelbar aus der Organisation wissenschaftlichen Wissens abgeleitet werden kann. ,Lehren‘ ist die allgemeine pädagogische Form aller Tätigkeiten in ihr, die gewährleistet, daß Kenntniserwerb zu einem Moment der Gesinnung wird. ,,Auf die Gesinnung zu wirken kann aber niemals ein unmittelbares Objekt für die Schule sein” (Schleiermacher 1957, Bd. 2, 143). Die Einwirkung auf die Gesinnung ist notwendig als Bildungsprozeß zu organisieren, d. h. über die Jahrgangsklasse und ihre in Bildungsstufen gegliederte Abfolge. Sie erzwingt den Übergang von einem Konglomerat isolierter Lektionen zu einem System von Schulfächern als einer eigenständigen gesellschaftlichen Wissensform. Diese Wissensform hat die Funktion, das Alltagswissen der Schüler in der Heterogenität ihrer sozialen Kontexte und Lebenswelten einerseits und das wissenschaftliche Wissen andererseits im Unterricht überhaupt aufeinander beziehbar zu machen. Daraus ergibt sich die Schlüsselstellung des ,Deutschen Unterrichts‘ (ebd. 145 ff.) als Unterrichtsfach und integrierendes Prinzip des Fächerkanons. Die Autonomie des pädagogischen Raumes setzt den Bezug auf die Gesellschaft voraus. Das allgemeine Schulwesen dient nicht nur der Befähigung zu staatlicher Leitung, sondern auch zur Teilhabe an der Öffentlichkeit, durch die der Gegensatz von Regierenden und Regierten reguliert wird. Schleiermacher ordnet insbesondere das Gymnasium nicht dem Staat, sondern der gebildeten Gesellschaft zu. Die Funktion öffentlicher E. ist nur zur Beschleunigung des Übergangs zur bürgerlichen Gesellschaft staatlich zu organisieren, und nach deren Etablierung dieser zu übergeben (Schleiermacher 1957, Bd. 2, 166 ff.). Schleiermacher sieht realistisch, daß sich in der Gliederung des allgemeinen Schulwesens die Sozialstruktur reproduziert. Die Verwissenschaftlichung der Praxis durch E. und B. ist nur in dem Maße möglich, in welchem in der jeweiligen Praxis selbst schon wissenschaftliche Momente angelegt sind. Mit seiner Forderung nach Komplementarität von E. und B. steht Schleiermacher in der Kontinuität der idealistischen Bildungstheorie, die die Aneignung von Wissen als Entwicklung des Subjekts begreift. Durch die explizite Differenzierung und Aufwertung des Erziehungsbegriffs wie durch die Hervorhebung der Lehrfunktion der Schule bricht er zugleich mit dieser Kontinuität. Subjekt und Objekt treten auseinander. In seiner ,Hermeneutik‘ bleiben die Eigentümlichkeiten des Individuums wie auch die vorreflexive Gegebenheit seines Gegenstandes unhintergehbare Voraussetzung (vgl.

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Schleiermacher 1959). Wissen als Prozeß und Resultat des Verstehens setzt immer das gesellschaftlich objektivierte Wissen voraus. Ihre Vermittlung findet diese Differenz in der Idee eines sittlichen Progresses des Menschengeschlechts. Im Werk von Hegel (1770-1831) kommen Geschichtsphilosophie, politische Theorie und Bildungsreflexion noch einmal unter idealistischen Denkvoraussetzungen zur Einheit. In der Kontinuität des von Fichte formulierten Programms ist B. als historischer und pädagogischer Prozeß bei Hegel auf die Identität von Subjekt und Gegenstand bezogen. Durch sie gewinnt das Subjekt die Form der Allgemeinheit, ohne die es sich nicht im Begriff zu seiner Freiheit und Selbstbestimmung erheben kann. E. ist der B. untergeordnet bzw. in sie integriert. Hegel gibt dem deutschen Idealismus eine prinzipiell neue Wendung, indem er zu demonstrieren versucht, daß die Vereinigung einer zur Selbstverwirklichung bestimmten Vernunft und einer zur Vernunft bestimmten Wirklichkeit sich in der Gegenwart schon vollzieht und durch ein angemessenes Wissen davon zur Vollendung gebracht werden kann. Dem subjektiven Geist steht nicht nur die Natur, sondern auch der objektive Geist gegenüber, in dem jener seine eigene Substanz und Allgemeinheit findet. Auch für Hegel wird die Objektivierung des Wissens zu einem zentralen Thema, wenn er sie auch im Gegensatz zu Schleiermacher für ein im Entwicklungsgang des Weltgeistes dialektisch aufzuhebendes Moment hält. Aus dem Konzept des ,objektiven Geistes‘ ergeben sich für die Auffassung von E. und B. wichtige neue Gesichtspunkte: Gegenüber einer formalen Theorie der B., die sie lediglich als Selbsttätigkeit betrachtet, der der Gegenstand an sich gleichgültig ist, insistiert Hegel auf der Notwendigkeit des Selbstverlustes in der Entäußerung, um ,,sein Meinen mit der Arbeit des Studiums zu bezwingen und sein Wollen der Zucht zu unterwerfen und es dadurch zum freien Gehorsam zu /928:/ erheben” (Hegel 7, 419 f.). Das Objekt der Tätigkeit ist nicht bloß als ihr Material, sondern als ihr Inhalt und Maßstab aufzufassen. B. vollzieht sich über den schulischen und universitären Raum hinaus überall dort, wo die Individuen sich vergegenständlichen: In der materiellen wie in der geistigen Produktion, in der Positivität rechtlicher und politischer Institutionen wie in der intellektuellen Aneignung ihrer inneren Gesetze. Praktische und theoretische B., ,,Gewöhnung an wirkliche Verhältnisse” (Hegel 4, 348) und Befähigung zur freien Einsicht schließen sich als Momente einer höheren Einheit zusammen. Das Bildungswesen vermittelt den Übergang des Heranwachsenden von dem persönlichen Verhältnis der Familie, dem Ort der pädagogisch unentbehrlichen häuslichen E., zur Welt des öffentlichen Lebens. Es ist nicht mehr der Hebel, um diese Welt umzugestalten, sondern ihrer Reproduktion untergeordnet. Seine Allgemeinheit erscheint als abstrakt, weil sie die Privatinteressen ausgrenzt; die wirkliche Allgemeinheit ist in der ,bürgerlichen Gesellschaft‘, dem ,,System allseitiger Abhängigkeit” (Hegel 7, 340) verankert; das Bildungswesen hat insofern nur noch propädeutische Funktion. Individuelle B. findet daher ihre Erfüllung erst im Beruf, durch dessen konkrete Besonderheit sich die Einzelnen als Glieder der sozialen Totalität bestimmen und dadurch erst real an ihrer Allgemeinheit teilhaben. Die einzelnen Schultypen sind einer berufsständischen Ordnung unterworfen. Hegel argumentiert für ein dreigliedriges Schulwesen, wie es erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Preußen (Deutschland) endgültig etabliert wird. Die ,Volksschule‘, an der er sich etwa im Vergleich zu Fichte kaum interessiert zeigt, ist den unteren Berufsgruppen vorbehalten und zielt auf die Vermittlung praktisch nützlicher Kenntnisse und die ,Zucht der Sitten‘. Die Realschule und ,Realinstitute‘, in denen der mathematisch-naturwissenschaftliche Unterricht dominiert, dienen der Vorbereitung für die höheren Gruppen des Gewerbestandes. Allgemeinbildung kann allein im Gymnasium als ,,Pflanzschule für Staatsdiener” (Hegel 4, 362) erworben werden, weil seine Schüler als zukünftige Mitglieder des ,,allgemeinen Standes” ,,die allgemeinen Interessen des gesellschaftlichen Zustands” (HW 7, 357) zu ihrem Geschäft haben und sich unmittelbar dem Staat unterordnen, in dem die objektive Vernunft von Institutionen und Gesetzen sich mit dem Selbstbewußtsein und den Interessen des Einzelnen durchdringen.

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Konzepte zur Forderung nach Verwissenschaftlichung und Demokratismus von E. und B. im 19. Jh. Der Realismus in der Bestimmung der sozialen Funktion von E. und B. in der sich formierenden kapitalistischen Gesellschaft wird erkauft durch eine Reduktion ihres emanzipatorischen Potentials. Entsprechend seiner zwiespältigen Bewertung der öffentlichen Meinung (vgl. ebd. 482 ff.) hält Hegel nur formal an dem Grundsatz fest, daß der moderne Staat nur mit der freiwilligen Zustimmung und der Einsicht aller Individuen zu regieren ist. Die inhaltliche Qualität des Konsenses zwischen Regierung und Bürgern, Gelehrten und Volk ist zweitrangig. Die soziale Ungleichheit produziert zwangsläufig eine ,,Ungleichheit ...der intellektuellen und moralischen B.” (ebd. 354). Die Aufhebung der empirischen Subjekte in der immanenten Logik des objektiven Geistes schließt für ihre überwiegende Mehrheit eine tatsächliche Einlösung ihres Autonomieanspruchs aus. Wie kein anderer hat Diesterweg (1790-1866) die Schlüsselrolle der Volksschule für die Zukunft des preußischen Bildungswesens erkannt. Er hat seit 1832 als Direktor des Stadtschullehrerseminars in Berlin eine Reform der Volksschullehrerausbildung mit dem Ziel ihrer Verwissenschaftlichung und Demokratisierung angestrebt. Im Kontext der 48er Revolution wurde er seines Amtes enthoben. Diesterweg sieht die Industrialisierung und fortschreitende ökonomische Emanzipation des deutschen Bürgertums als wesentliche Entwicklungstendenzen seiner Zeit. In einer Epoche, in der ,,die Beherrschung der Naturkräfte ... das Fundament und die Basis des Lebens im Staate ausmacht”, müssen die Naturwissenschaften und ihre Anwendung ,,zu der gesellschaftlichen Kultur” (Diesterweg. SW III, 204) gerechnet und zum Mittelpunkt der Bildung werden. Diesterweg sieht die Zuspitzung des Gegensatzes zwischen bürgerlicher Gesellschaft und der preußischen Tradition des bürokratischen Absolutismus und erklärt die bürgerliche Revolution zum Garanten der Verwirklichung des Bildungsprinzips. Er stellt sein Werk bewußt in den geschichtlichen Zusammenhang der ,Pädagogik der modernen Schule‘, die für ihn vor allem durch Rousseau, Pestalozzi, Fichte und Schleiermacher begründet wurde und das ,Prinzip der freien Entwicklung von innen‘ heraus und ,von unten nach oben‘ zum Programm erhebt. B. muß ,,allgemeines Menschenrecht” werden (Diesterweg, VIII, 113). ,,Die Schule ist Staatsanstalt; sie ist von der Kirche unabhängig” (Diesterweg. VII,419). Nicht /929:/ Militär- und Beamtenapparat machen für Diesterweg den Staat aus, sondern das Volk. Aufgabe der Volksschule ist die Erziehung der Nation ,,auf einer einheitlichen, gemeinsamen Grundlage” (ebd., 477). Im Zentrum seines bildungspolitischen Wirkens steht daher der Kampf gegen die Tendenz, die Volksschule von allen weiterführenden Schulen sozial und organisatorisch abzuschotten. Bei der Definition von B. greift Diesterweg explizit auf Fichte zurück (vgl. Diesterweg 1962, 61 f.). ,,Alles Lernen geschieht um der Bildung der Subjekte willen” (ebd., 121). Kultur und B. sind die höchsten Zwecke in Gesellschaft und Staat und ,,wollen um ihrer selbst willen erstrebt sein” (ebd., 65). Für Diesterweg als Vertreter der idealistischen Bildungstheorie ergibt sich aus seiner Erkenntnis der gesellschaftlichen Rolle von Naturwissenschaft und Technik keineswegs eine Geringschätzung des neuhumanistischen Bildungskanons. In der Humanismus-RealismusKontroverse, in der sich die gewerblichen Interessen gegen die Bevormundung durch das Beamtentum und gegen das akademische Berechtigungswesen schulpolitisch artikulieren (Kell 1982) und die Vorrangstellung des Gymnasiums in Frage stellen, ergreift Diesterweg für einen neuen Realismus Partei. Der Mensch darf nicht dem Bürger untergeordnet werden: ,,...die ganze Tätigkeit der Schule ist nichts anderes als Erziehung für den ganzen Beruf des Zöglings, für den menschlichen und bürgerlichen, die nicht nebeneinander liegen, sondern ineinander, indem sie eine volle, ungeteilte Einheit bilden” (Diesterweg, V, 446). Der Bezug der Volksschule auf das ,Leben‘, auf die ,Praxis‘ als Inbegriff der gesellschaftlichen Bedürfnisse der Gegenwart, bestimmt bei Diesterweg das Verhältnis von E. und B. Hieraus ergibt sich als Prinzip des modernen Unterrichts, daß er E. durch B. vermittelt (vgl. Diesterweg 1962, 97).

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Bei Diesterweg wird Selbsttätigkeit zur Schlüsselkategorie der Didaktik: ,,Die Erziehung erstreckt sich soweit und nur soweit als diese Selbsttätigkeit; nur soweit als diese reicht, ist der Mensch biegsam durch andere oder durch sich selbst” (ebd., 62). Im Gegensatz zu allen traditionellen Formen unmittelbarer Unterweisung und Belehrung schließen sich in Diesterwegs Didaktik Unterrichtsinhalte, Lehrer, Lehrverfahren und Medien zu einem System zusammen, das der Entwicklung der Selbsttätigkeit der Schüler dient. Das Prinzip der modernen Schule kann der gesellschaftlichen Emanzipation nur vorarbeiten, wenn sich die Schule ihrer pädagogischen Autonomie bewußt ist. Als Schulpraktiker treibt Diesterweg diese Autonomie voran, indem er zusammen mit seinen didaktischen Schriften ein Schulbuchwerk schafft, das zu den Pionierleistungen der klassisch-bürgerlichen Pädagogik zählt. In ihnen gewinnen Unterrichtsinhalte und Schulfächer als neue gesellschaftliche Wissensformen materielle Gestalt und werden damit auf quantitativ neuem Niveau sozial verallgemeinert. Das Scheitern der Revolution von 1848 determiniert nachhaltig in Deutschland die begriffsgeschichtliche Entwicklung. Theoretisch explizit reflektiert dies allerdings nur L. v. Stein (1815-1890): Der deutsche Kulturstaatsgedanke hat sich am aufbrechenden Klassengegensatz zwischen Bourgeoisie und Proletariat zu bewähren (Stein 1856). L. v. Stein thematisiert den Zusammenhang von Klassenherrschaft und Staat, Besitz und B. Mit seinen Konzepten der sozialen Demokratie und der Bildungstheorie als ,Verwaltungslehre‘ (Stein, 1865 ff.) macht er jedoch trotz seines Konservatismus zu weitgehende Zugeständnisse an die Forderung nach sozialer Gleichheit und den Materialismus, um in die Haupttendenz seiner Zeit integriert zu sein. Nach 1848 wird die Spaltung von niederem und höherem Schulwesen endgültig fixiert (Jeismann/ Lundgreen 1988). Die Stiehlschen Regulative von 1854 negieren für die Volksschule jeden Anspruch auf Einheit von E. und B. E. erhält die Bedeutung von direkter Beeinflussung und Zwang. Erst in diesem Kontext kommt das pädagogische System von Herbart (1776-1841) zu großer Wirksamkeit. Es ist bildungspolitisch funktional, weil es E. und B. vom Problem bürgerlicher Öffentlichkeit trennt. Seiner Kritik des transzendentalen Subjekts entspricht die Psychologisierung der Selbsttätigkeit des ,Zöglings‘ und die Eliminierung der sozialen Objektivität des Unterrichtsinhalts. Deshalb kann E. nur als einseitiger Einwirkungs- und Instruktionsprozeß aufgefaßt werden. Mit der endgültigen Abspaltung des Volksschulwesens verliert die Bildungstheorie in Deutschland ihren sozialen Gestaltungsanspruch; der Idealismus wird apologetisch. Während naturwissenschaftlich-technisches Wissen in der Gesellschaft an Bedeutung gewinnt, wird sein Stellenwert in den Lehrplänen des humanistischen Gymnasiums weiter vermindert. Es wird im höheren Schulwesen nicht in seiner kulturellen Bedeutung, sondern nur in seiner praktischen Relevanz akzeptiert. Seine Vermittlung bleibt spezifischen Institutionen (Oberrealschule, Realgymnasium, Technische Hochschule) vorbehalten, die im Bildungswesen /930:/ nicht über eine subalterne Stellung hinauskommen. Die ,Teilung der Vernunft‘ (Hahn/ Sandkühler, 1982) bedeutet in Deutschland nicht nur den Zerfall des Zusammenhangs von Philosophie und Einzelwissenschaften, sondern auch eine besonders tiefe Spaltung von Natur- und Geisteswissenschaften. In einer schulpolitischen Stellungnahme spricht Dilthey (1833-1911) das soziale Motiv dieser Spaltung offen an, indem er einen Zusammenhang zwischen Naturwissenschaft, Französischer Revolution und Gleichheitsforderung herstellt: ,,In dem Gegensatz gegen die Propaganda der Revolution ist die historische Schule entstanden. (...) So kämpfen wir für die Monarchie, indem wir die Entwicklung des geschichtlichen Bewußtseins als die Vorschule des Juristen und des Beamten zur Geltung bringen” (Dilthey 1963, 86 f.). Indem B. zunehmend den Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Praxis und der Wissenschaftsentwicklung verliert, erstarrt ihr Wissen zum ,Bildungsgut‘; es wird aus den Gründen des Sozialprestiges, aber nicht mehr als Moment der Entwicklung der Persönlichkeit angeeignet. Aus einer elitären Sicht reflektiert Nietzsche (1844-1900) diese Krise öffentlicher B. (Nietzsche 1966).

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Konzepte zur Bildungsreform Im Rahmen bürgerlicher Emanzipationsbewegung hat nach 1850 die klassische deutsche Bildungstheorie ihre wichtigste Weiterentwicklung in den USA erfahren, und zwar im Werk des Philosophen und Pädagogen Dewey (1859-1952). Er thematisiert E. und B. vom Standpunkt der Wissenschaftsauffassung des Pragmatismus, den er in kritischer Auseinandersetzung mit dem deutschen Idealismus ausarbeitet. Er ist zugleich zentrale Leitfigur des ,Progressivism‘, in dem um die Jahrhundertwende in den USA die liberalen Intellektuellen den gesellschaftlichen Protest gegen den Übergang zum Monopolkapitalismus, gegen Konzentration ökonomischer und politischer Macht artikulieren (vgl. Hofstadter 1955; Feuer 1959). Bildungsreform ist für Dewey der Schlüssel zur Gesellschaftsreform. Er versucht die demokratische Tradition lokaler Selbstverwaltung, die in den USA die Organisation des Bildungswesens bestimmt, unter den Bedingungen fortschreitender Verwissenschaftlichung und Vergesellschaftung fortzuführen (vgl. Mills 1966). Gegen den Zerfall der Öffentlichkeit durch Spezialisierung und Bürokratisierung setzt Dewey auf das Prinzip der Demokratie. Diese sichert durch soziale Verallgemeinerung des wissenschaftlichen Sachverstands und die gesellschaftliche Kontrolle der Großproduktion die herrschaftsfreie Kommunikation, den Garanten des gesellschaftlichen Fortschritts. Zum Paradigma der Öffentlichkeit wird das wissenschaftliche Experiment (Dewey 1927). In ihm bewährt sich nur das Wissen, das aus der Praxis hervorgeht und sie reorganisiert; in ihm zeigt sich exemplarisch, daß nur im sozialen Verkehr das Wissen objektiviert werden kann und das wissende Subjekt sich entwickelt: ,,Das Ich erwirbt Geist in dem Maße, in dem Erkenntnis der Dinge in das Leben um es eingewoben ist” (Dewey 1949, 383). Das experimentelle Wissen erweist sich als produktive, eingreifende Tätigkeit, die nicht wie die geistige Tätigkeit des deutschen Idealismus den praktischen Beziehungen der Menschen untereinander und zur Natur übergeordnet ist. Die experimentelle Einstellung verknüpft die Wissenschaft als höchste Form des Wissens mit der sozialen Erfahrung. Die Aufhebung bornierter Praxisformen ist die Voraussetzung für eine wirkliche Einheit des Wissens (Dewey 1929 b, 312 f.). Unter dem Eindruck einer enormen Expansion des Bildungswesens (Jarausch 1983) wird der Schule die Aufgabe einer Avantgarde demokratischer Öffentlichkeit zugeschrieben. Für Dewey vollzieht sich ,education‘ grundsätzlich indirekt, vermittelt durch eine gemeinsame Tätigkeit, die Schüler wie Lehrer verbindet: ,,In solcher gemeinsamen Arbeit ist der Lehrer zugleich Lernender und der Lernende zugleich (...) Lehrer” (Dewey 1949, 214). ,Education‘ als ,Rekonstruktion und Reorganisation der Erfahrung‘ soll Wissenserwerb und Sozialisation, Entfaltung kultureller Interessen und Aneignung praktischer Kompetenz, humanistische und naturwissenschaftliche Studien, Allgemeinbildung und Berufsbildung zu einer organischen Einheit verbinden. In diesem Dualismus der pädagogischen Organisation von Wissen drücken sich soziale Widersprüche aus. Als Reflexion dieses Zusammenhangs ist Philosophie ,theory of education‘, ebenso wie umgekehrt ,education‘ ,,die planmäßige Durchführung der Philosophie in der Praxis” ist (ebd. 427). Die bildungspolitische und pädagogische Entwicklung in den USA hat die ,progressive education‘ integriert, ohne Deweys Postulat der führenden Rolle von Wissenschaft und Schule zu bestätigen (Bohnsack 1976, 530 ff.; Cremin 1962, 179 ff.). Dewey teilt dieses Postulat mit den großen bürgerlichen Bildungsreformern. Keiner unter ihnen hat jedoch so klar erkannt wie er, daß die Verwirklichung dieses Postulats an den Widersprüchen der bürgerlichen Gesellschaft /931:/ scheitert: ,,Ich sehe nicht, wie irgendein ehrlicher pädagogischer Reformer in den westlichen Ländern leugnen kann, daß das größte praktische Hindernis für die von ihm angestrebte Verbindung der Schule mit dem sozialen Leben das Konkurrenzdenken und der Wunsch nach privatem Profit in unserem Wirtschaftsleben darstellt” (Dewey 1929, 84; übers. n. Röhrs 1977, 50). Die Französische Revolution ist nicht nur die entscheidende Wende zur Etablierung des bürgerlichen Bildungswesens; von ihr nimmt auch der moderne Sozialismus und Kommunismus

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seinen Ausgang, der sich gegen die Rückschritte und Inkonsequenzen in diesem Etablierungsprozeß wendet und eine grundsätzliche Alternative zum herrschenden Bildungssystem entwickelt. Als internationalistische Bewegung, die den bürgerlichen Nationalismus kritisiert und die vereinigte Aktion der zivilisatorisch fortgeschrittenen Länder anstrebt, abstrahiert er zunächst weitgehend von den spezifischen nationalen Rahmenbedingungen pädagogischer Theoriebildung und bildungstheoretischer Intervention. Er sieht sehr scharf den Zusammenhang von Klassenherrschaft und Bildungsprivileg. Unter ,,den gegenwärtigen Verhältnissen (...), die nur in einem systematischen Krieg der einzelnen sozialen Schichten gegeneinander bestehen” (Fourier 1958,130), dient die E. der Reproduktion der Klassen. Im Ausschluß der Arbeiterklasse und der Bauern aus dem geistigen und politischen Leben erweist sich der Universalitätsanspruch bürgerlicher Öffentlichkeit und B. als ideologischer Schein. Die kognitive Allgemeinheit der Wissenschaften, auf die sich dieser Anspruch beruft, kann nicht wirklich zu einer sozialen werden, solange in der Gesellschaft die Privatinteressen dominieren. Die sozialistische Pädagogik hält am Ziel der allseitig entwickelten Persönlichkeit fest, aber sie bestimmt dieses Ziel und den Weg zu ihm aus der Perspektive des Proletariats. In ihr ist die Forderung, daß die arbeitenden Massen zu Subjekten von Kultur und Politik werden, untrennbar verbunden mit dem Postulat, daß ihre Arbeit selbst ihnen die Entfaltung ihrer Persönlichkeit ermöglichen muß. Dazu bedarf es der Aufhebung des Privateigentums und des herrschenden Systems der Arbeitsteilung, die bei den Produzenten zu Fremdbestimmung und extremer Vereinseitigung führen und die Unterdrückung der Frauen hervorbringen. Ein neuer Typ der Öffentlichkeit soll zum entscheidenden Bezugspunkt von E. und B. werden. Die Öffentlichkeit der neuen Gesellschaft soll auch die Leitung und Organisation der Produktion umfassen, die die bürgerliche Öffentlichkeit als Privatsphäre gerade ausgrenzt. Sie soll durch die Vergesellschaftung von Familienerziehung und Hausarbeit die Abhängigkeit der E. und B. vom Besitz aufheben und das entscheidende Hindernis für die Emanzipation der Frauen beseitigen. Indem sie die Trennung zwischen Ökonomie, Politik und Kultur überwindet, vermittelt sie eine neue Einheit der Wissenschaften: Das kognitive System ihrer Methoden und Erkenntnisse erhält seine adäquate soziale Grundlage und praktische Umsetzung, indem die Individuen gemeinsam den von ihnen selbst geschaffenen gesellschaftlichen Zusammenhang bewußt beherrschen. Die sozialistische Pädagogik läßt sich von der materialistischen Überzeugung leiten, daß der Ausbildung der Sinne, des körperlichen Geschicks, der Arbeitsfähigkeit und sozialen Kompetenz eine ausschlaggebende Bedeutung für die gesamte Entwicklung des Kindes zukommt. Sie sieht die pädagogische Beziehung als praktisches Verhältnis. Obwohl sie die emanzipatorische Bedeutung der Aneignung wissenschaftlichen Wissens hervorhebt, hat daher in ihr die E. den Primat. E. ist Kollektiverziehung. Sie hat reale Übereinstimmung persönlicher und sozialer Interessen in der Gesellschaft zur Voraussetzung und zum Resultat. Die sozialistische Pädagogik rückt jene Sektoren des öffentlichen Bildungswesens in den Mittelpunkt des Interesses, die die bürgerlichen Reformer eher vernachlässigt haben: die vorschulische E., das niedere Schulwesen, die Berufsausbildung. Sie entwirft einen alternativen Typ öffentlicher E. und B., der gemäß ihrer neuen Auffassung von der Einheit der Wissenschaften den Unterricht mit einem systematisch organisierten Lernprozeß in der Arbeitswelt verbindet; dieser soll Produktion und Sozialisation, deren naturwüchsige Einheit in der Familie durch die kapitalistische Vergesellschaftung mehr und mehr zerfällt, unter dem Primat der E. außerhalb der Familie wieder vereinen. Er soll den Schülern neben vielfältigen praktischen Fertigkeiten und Erfahrungen eine Übersicht über den gesellschaftlichen Produktionsprozeß und seine theoretischen Prinzipien vermitteln; er soll ihnen den Zusammenhang zwischen Produktion und Konsumtion augenfällig machen und sie so zum Wissenserwerb motivieren. Diese Konzeption, die als Kernbestand sozialistischer Pädagogik auf ihre Begründer Fourier (1772-1837) und Owen (1771-1858) zurückgeht, unterstellt eine neue Qualität der Arbeit in der zukünftigen Gesellschaftsordnung: Die universelle /932:/ praktische Betätigung soll an die Stelle von Selbstentfremdung und Vereinseitigung treten. Der Gegensatz von Allgemeinbildung und

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Berufsausbildung, in dem sich in der bürgerlichen Gesellschaft der Gegensatz von Citoyen und Bourgeois reproduziert, ist aufzuheben. Es erscheint nur noch als Frage der organisatorischen Zweckmäßigkeit, wieweit über die in der allgemeinen Schule erworbenen praktischen und theoretischen Kompetenzen hinaus noch spezielle Ausbildungsgänge notwendig sind (Blankertz 1969, 113-118; Ahrbeck 1984, 226-233). Die Differenz zwischen der Pädagogik des vormarxistischen und des marxistischen Sozialismus (Hahn/ Sandkühler 1984) besteht nicht so sehr hinsichtlich der inhaltlichen Forderungen als vielmehr der Begründung und Ableitung ihres Stellenwerts innerhalb der jeweiligen Theorie der sozialistischen Umgestaltung. So sehr der vormarxistische Sozialismus sich polemisch von der Aufklärung absetzt, so sehr bleibt er doch deren Konzept einer vorgegebenen Menschennatur, der die Verfassung der Gesellschaft anzupassen sei, und deren materialistischer Milieutheorie verpflichtet. Auch die Gesellschaftslehre des vormarxistischen Sozialismus basiert auf der Selbstliebe, einer Selbstliebe freilich, die im persönlichen unmittelbar das gesellschaftliche Interesse anstrebt. Ihr Utilitarismus und Psychologismus sind unübersehbar, und daher vermag ihre Pädagogik, auch wenn sie den Zusammenhang von Bedürfnissen und Fähigkeiten und die Rolle der Tätigkeit im Lernprozeß betont, nicht die Selbstentäußerung der Individuen zu thematisieren, die der deutsche Idealismus als konstitutives Moment von B. herausarbeitet. Als oberste Maxime gilt in der Pädagogik des vormarxistischen Sozialismus der Satz: ,,Wenn der Mensch von den Umständen gebildet wird, so muß man die Umstände menschlich bilden” (MEW 2, 138). Tendenziell ist die ganze Gesellschaft unter erzieherischen Gesichtspunkten zu organisieren. Auch der überschwengliche pädagogische Optimismus verbindet vormarxistischen Sozialismus und Aufklärung und führt zu enormen Anstrengungen auf dem Gebiet der Arbeiterbildung (Höppner/ Seidel-Höppner 1975, Bd. 1, Kap. 5; vgl. MEW Ergbd. 1, 553 f. u. MEW 2, 88 f., 453 ff.). Aber die geforderte Allmacht dieser Pädagogik steht in einem extremen Widerspruch zu ihrer realen Ohnmacht in der bestehenden Gesellschaft. Das Problem der ,E. des Erziehers‘, das schon die Aufklärungspädagogik beunruhigte, kehrt in zugespitzter Form in der politischen und pädagogischen Theorie des vormarxistischen Sozialismus wieder. Wie soll in der bürgerlichen Gesellschaft, die als Totalität verkehrt und inhuman ist, ein Standpunkt gefunden und durchgesetzt werden, der ihren Zwängen enthoben ist? Wie soll verhindert werden, daß die Intellektuellen aufgrund ihrer sozialen Herkunft und ihres Wissensvorsprungs die Arbeiterklasse in die herrschende Ordnung integrieren und ideologisch bevormunden? Wie soll die organisierte ideologische und politische Vorhut der Arbeiterklasse mit ihren pädagogischen Initiativen die Massen erreichen, die durch ihre Lebensbedingungen und das Bildungsprivileg in Unwissenheit gehalten werden? Die sozialistische Pädagogik gerät in einen circulus vitiosus, wenn sie allein auf pädagogische Mittel zur Verwirklichung ihrer Ziele vertraut. Die radikale Umgestaltung des Bildungswesens ist notwendig, um die Gesellschaft umzuwälzen; umgekehrt kann diese Umgestaltung aber erst nach einer solchen Umwälzung erfolgreich in Angriff genommen werden. Der vormarxistische Sozialismus sucht diesem circulus vitiosus durch Verdrängung seiner eigenen Zugehörigkeit zu dem von ihm abgelehnten System zu entkommen. Er muß daher ,,die Gesellschaft in zwei Teile von denen der eine über ihr erhaben ist - sondieren” (MEW 3, 6; vgl. Seidel-Höppner 1987). In den Feuerbach-Thesen entdeckt Marx (1818-1883), wie dieser Mangel an Selbstreflexivität zu beheben ist, ohne sich theoretisch und praktisch den Zwängen der kapitalistischen Gesellschaft zu unterwerfen: ,,Die materialistische Lehre von der Veränderung der Umstände und der E. vergißt, daß die Umstände von den Menschen verändert und der Erzieher selbst erzogen werden muß ... das Zusammenfallen des Änderns der Umstände und der menschlichen Tätigkeit oder Selbstveränderung kann nur als revolutionäre Praxis gefaßt und rational verstanden werden” (MEW 3, 5 ff.). Die politische und ideologische Vorhut der Arbeiterklasse und ihre Intellektuellen gehen selbst aus einer praktischen sozialen Bewegung hervor, die zu revolutionären Veränderungen treibt, und ihre Intervention fördert den gesellschaftlichen Fortschritt um so mehr, je mehr sie sich auf diese Bewegung und die Erfahrungen stützen, die die Massen dabei gewinnen. Es kommt darauf an, der Arbeiterklasse von ihrem Alltagswissen aus den Zugang zum wissenschaftlichen

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Wissen zu erschließen. Eine Pädagogik, die sich vom Primat der sozialen Bewegung gegenüber E. und B. leiten läßt und auf die Selbstveränderung in revolutionärer Praxis orientiert, steht der Verstaatlichung des Bildungswesens skeptisch gegenüber, weil sie die Trennung von Erzieher und zu Erziehendem /933:/ sozial verfestigt und ideologisch legitimiert. Marx differenziert sehr strikt zwischen einer Schulbildung, die öffentlich und obligatorisch ist, und einem Bildungswesen, das der bürokratischen Kontrolle durch die Exekutive untergeordnet ist. ,,Ganz verwerflich ist eine ,Volkserziehung durch den Staat‘ (...) Regierung und Kirche (sind) gleichmäßig von jedem Einfluß auf die Schule auszuschließen. Im preußisch-deutschen Reich nun gar (...) bedarf umgekehrt der Staat einer sehr rauhen Erziehung durch das Volk” (MEW 19,30 f.; vgl. MEW 16, 562 f.). Der Formwandel, dem der Materialismus beim Übergang vom vormarxistischen zum marxistischen Sozialismus unterliegt, hat zur Folge, daß auch theoretisch die zu erziehenden Individuen als Subjekte der pädagogischen Beziehung vollständig anerkannt werden. War die Bildungstheorie des deutschen Idealismus eine Pädagogik vom Standpunkt des Primats der geistigen Tätigkeit, so entwirft Marx eine Pädagogik vom Standpunkt der materiell-gegenständlichen Tätigkeit, der zugleich eine neue Sichtweise der geistigen Tätigkeiten eröffnet. Dieser Standpunkt bestimmt die im Zusammenwirken der Menschen geschaffenen materiellen sozialen Gegenstände - Werkzeuge und Maschinen, Kommunikationsmedien, Erkenntnisinstrumente usw. -und die durch sie vermittelten objektiven gesellschaftlichen Beziehungen, nicht mehr nur als untergeordnetes Moment. Vielmehr sind sie als Ergebnis und als Grundlage der Tätigkeit der Individuen die Verkörperung der sozialhistorischen Erfahrung der Menschheit, ihres allgemeinen Wesens auf einer bestimmten geschichtlichen Entwicklungsstufe. Der Widerspruch zwischen dem empirischen Subjekt und dem Gattungssubjekt wird nicht wie im Idealismus tendenziell zu Gunsten des letzteren aufgehoben; zwischen den einzelnen und dem ,,Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse” (MEW 3, 6), durch dessen Aneignung und Verinnerlichung sie zu Persönlichkeiten werden, bleibt eine unauflösliche Spannung bestehen, die nach der Aufhebung des Antagonismus von privatem und gesellschaftlichem Interesse erst ihre Produktivität voll entfaltet (vgl. Lektorskij 1985). Diese Spannung wird aber auch nicht wie im Materialismus des vormarxistischen Sozialismus, der das Individuum in seiner natürlichen Gegebenheit unmittelbar mit dem Gattungswesen identifiziert, zu Gunsten des empirischen Subjekts und seiner jeweiligen Bedürfnisse aufgelöst. Bedürfnisse entwickeln sich wie die Fähigkeiten im Zusammenhang mit den sozialen Mitteln und Strukturen ihrer Realisierung. ,,Die universal entwickelten Individuen, deren gesellschaftliche Verhältnisse als ihre eignen gemeinschaftlichen Beziehungen auch ihrer eignen gemeinschaftlichen Kontrolle unterworfen sind, sind kein Produkt der Natur, sondern der Geschichte” (Marx 1953, 79). Marx leitet seine Konzeption der ,,polytechnischen Ausbildung” (MEW 16, 563 f.) aus den historischen Tendenzen der kapitalistischen Arbeitsorganisation ab: dem revolutionären Charakter der großen Industrie, der Verwissenschaftlichung, dem Heraustreten des Menschen aus dem unmittelbaren Produktionsprozeß (MEW 23, 509-512; Marx 1953, 582 ff.). Auch wenn Marx die Unterordnung der E. unter die B., wie sie der deutsche Idealismus vornimmt, nicht teilt, stimmt er mit dessen Bildungstheorie überein in dem Bruch mit utilitaristischen und psychologistischen Auffassungen des pädagogischen Prozesses, die von seinem gegenständlichen Inhalt abstrahieren. Sein pädagogischer Ansatz ist ökonomistisch mißverstanden worden. Aber er verwechselte nicht die politische Ökonomie des Kapitalismus, die sich für ihn aus seinem auf einen langen historischen Prozeß angelegten Forschungsprogramm als vorrangige Aufgabe ergab, mit der vollständigen Ausführung dieses Programms. Die Betonung der materiellen gesellschaftlichen Bedingungen, denen E. und B. in der kapitalistischen Klassengesellschaft unterworfen sind, zielt keineswegs darauf, die pädagogische Autonomie der Schule, wie sie sich aus der Stellung der Wissenschaften im modernen Leben ergibt, aufzuheben. Ebensowenig soll die B., die geistige Tätigkeit als Selbstzweck, aus der Schule verbannt und die durch sie ermöglichte aktive Teilnahme

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an der kulturellen und wissenschaftlichen Entwicklung dem pragmatischen Nutzen für die Arbeitswelt unterworfen werden. Die materielle Produktion bleibt für Marx nach ihrer bewußten Vergesellschaftung ein ,,Reich der Notwendigkeit. Jenseits desselben beginnt die menschliche Kraftentwicklung, die sich als Selbstzweck gilt, das wahre Reich der Freiheit, das aber nur auf jenem Reich der Notwendigkeit als seiner Basis aufblühn kann. Die Verkürzung des Arbeitstags ist die Grundbedingung” (MEW 25, 828). Gemessen an dieser Perspektive befindet sich die marxistische Pädagogik trotz ihres großen geschichtlichen Einflusses auf die pädagogische Theorie und Praxis noch in einem relativ frühen Stadium ihrer Entwicklung. Mit der Oktoberrevolution wird die sozialistische Pädagogik erstmals zur staatlichen Bildungspolitik. Zwischen dem zivilisatorischen Niveau des /934:/ neuen Staates und den Zielen der sozialistischer Revolution besteht aber ein zugespitzter Widerspruch. Zur Lösung dieses Widerspruchs entwickelt Lenin (1870-1924) das Konzept der Kulturrevolution. Für die ,,friedliche organisatorische ,Kultur‘arbeit” (LW 33,460), die nach dem Ende des Bürgerkriegs die Beziehungen zwischen Partei und Arbeiterklasse, zwischen der Arbeiterklasse und der Bauernschaft als der überwältigenden Bevölkerungsmehrheit bestimmen sollte, erhalten E. (Vospitanie) und B. (Obrazovanie) eine Schlüsselrolle. Schule und Gesellschaft durchdringen sich mit einer Intensität, die in der Geschichte des Bildungswesens ohne Beispiel ist: durch die Versuche zur Realisierung der polytechnischen B. im Rahmen der 1918 gesetzlich eingeführten ,Einheitsarbeitsschule‘ (Krupskaja 1966, 399 ff); durch die Brechung des Bildungsprivilegs; durch die Demokratisierung der Schul- und Unterrichtsorganisation; durch ein ausgedehntes System außerschulischer Erziehungs- und Bildungsaktivitäten. Aufgrund des Gegensatzes zwischen den politischen Machtverhältnissen und dem zivilisatorischen Entwicklungsstand wird die E. im Sinne der zu errichtenden Gesellschaftsordnung zu einer besonders vordringlichen Aufgabe. Vor allem das Werk von Makarenko (1888- 1939) stellt diese Aufgabe in den Mittelpunkt; es entsteht in der unmittelbaren Konfrontation mit der massenhaften Kinderverwahrlosung als Folge des Bürgerkriegs. Bei Makarenko kommen Anspruch und Methode der Kollektiverziehung zur Übereinstimmung. Der Erzieher kann die Persönlichkeitsentwicklung des Einzelnen nur vermittelt über die Entwicklung des Kollektivs als einer Lebens- und Arbeitsgemeinschaft fördern. ,,Das Kollektiv ist der Erzieher der Persönlichkeit” (Makarenko 1960, Bd. II, 414). Indem Makarenko aber den sozialistischen Kollektivismus unmittelbar zum Bezugspunkt pädagogischen Handelns macht, wird für ihn dessen gegenständlicher Inhalt und konkret historische Erscheinungsform zweitrangig. Weil er sich mit konsequenter Einseitigkeit vom Primat der E. leiten läßt, ist für ihn das Problem marginal, daß die sozialistische Pädagogik ihre Perspektive aus kulturellen Voraussetzungen begründet, die in der Sowjetunion allererst zu schaffen sind. An diesem Problem entzünden sich vor allem die Debatten über die Neugestaltung von Schule und Unterricht (Anweiler/ Meyer 1961; Günther u. a., 1987; Krüger-Potratz 1988; Manacorda 1966): Wie war die Forderung der führenden sowjetischen Pädagogen Krupskaja (1869-1939), Lunatscharski (1875-1933), Blonski(1884-1941) und Schazki (1878-1934), daß die Kinder als zukünftige Staatsbürger ,,sich möglichst frühzeitig als Bürger ihrer Schule fühlen” (Krupskaja 1966, Bd. II, 399 f.), mit den dringenden Imperativen des sozialistischen Aufbaus und der Sicherung der neuen politischen Ordnung in Übereinstimmung zu bringen? Die ,Einheitsarbeitsschule‘ sollte ein polytechnisches Programm zur Grundlage haben. Aber war es mit den praktischen Zwängen einer rückständigen Ökonomie verträglich? War nicht vielmehr eine Reduzierung seines Allgemeinbildungsanspruchs zu Gunsten der Berufsausbildung notwendig? Ihr Materialismus machte die Begründer des sowjetischen Bildungswesens mißtrauisch gegenüber einer von der Praxis losgelösten Wissenschaft und einer B., die die arbeitenden Klassen durch die Intellektuellen erhalten und die nicht aus ihrer eigenen Selbsttätigkeit hervorgeht (vgl.

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Lunatscharski 1961). Stark beeinflußt durch die ,progressive education‘, befürworteten sie daher die weitgehende Ersetzung des Fachunterrichts durch eine Wissensvermittlung anhand praktischer Aufgabenstellungen (Komplex- und Projektmethode). Aber barg dieser Ansatz nicht die von Lenin beschworene Gefahr einer kurzschlüssigen Politisierung, die den Unterricht vom wissenschaftlichen und kulturellen Erbe abschneidet (LW 31, 272-290), und trug er der realen Autonomie der Wissenschaften gegenüber der Praxis Rechnung? Ergab sich in der Perspektive aus ihm nicht die unter anderen von Schulgin (1891-1963) erhobene Forderung, die Schule so mit der Produktion und dem öffentlichen Leben zu verschmelzen, daß sie aufhört als selbständige Institution zu existieren? Die Kontroversen um diese Probleme und die abrupten Wechsel der jeweils vorherrschenden Position zeigen, daß die sowjetische Bildungspolitik sich in weitgehend unerforschtem Neuland bewegte. Die verhängnisvolle Abkehr Stalins von der Leninschen Linie der Kulturrevolution setzte diesen Kontroversen schließlich administrativ ein Ende. Die unmittelbaren Ziele der Kulturrevolution (Industrialisierung; Kollektivierung der Landwirtschaft; Beseitigung des Analphabetentums und allgemeine Schulpflicht) werden unter Einsatz von Zwang und Terror erreicht; alle weitergehenden emanzipatorischen Perspektiven, darunter auch das polytechnische Programm, werden dagegen preisgegeben. Der ,Einheitsarbeitsschule‘ lag ein materialistisches Konzept der Einheit von E. und B. zugrunde; nun geht es nur noch darum, durch Denkverbote und /935:/ Repression das Bewußtsein des faktischen Zerfalls dieser Einheit zu verdrängen. Die administrative Bevormundung der Forschung hat nicht zuletzt die Rezeption der kulturhistorischen Schule der sowjetischen Psychologie massiv behindert, die der marxistischen Theorie der E. und B. wichtige neue Gesichtspunkte erschließt (Wygotski 1964; Rissom 1985). Erst die Beseitigung der politischen Strukturen der Stalinzeit ermöglicht es der sowjetischen Pädagogik, ihre gewaltsam unterbrochene geschichtliche Kontinuität vollständig wiederherzustellen (Krüger-Potratz 1988; Glowka 1988). In dem Maße wie die Einheit des Wissens und der Zusammenhang zwischen seiner sozialen Objektivität und der Subjektivität der Individuen zum Problem wird (vgl. Husserl 1962; Adorno 1971 u. 1975; v. Hentig 1974; Heydorn 1980), verselbständigen sich E. und B. gegeneinander. Gegenwärtige Diskussionslinien In der gegenwärtigen nichtmarxistischen pädagogischen Forschung führt diese Dissoziation zu einer Verselbständigung scheinbar naturwüchsig gegebener Forschungsbereiche, zur objektivistischen und subjektivistischen Auflösung des Erziehungs- und Bildungsbegriffs und zum Verlust von ,Öffentlichkeit‘ als einem pädagogischen Forschungsthema. Zwar liegen zur Wort-, Begriffs-, Ideen- und Sozialgeschichte umfangreiche Monographien vor (Lichtenstein 1966 u. 1971; Froese 1967; Roeder 1969; Vierhaus 1972; Buck 1984; Conze/ Kocka 1985; Engelhardt 1986; Jeismann/ Lundgreen 1988). Die Kategoriengenese im Zusammenhang ihrer begriffs- und sozialgeschichtlichen Dimensionen selbst ist jedoch kein Forschungsthema. Losgelöst von B. wird E. Gegenstand der Sozialisationsforschung und pädagogischen Soziologie (Fend 1969; Hurrelmann/ Ulich 1980; Treml 1982), der Sozialpsychologie (Wellendorf 1973; Bronfenbrenner 1981), der Entwicklungspsychologie und Pädagogischen Psychologie (Oerter/ Montada 1982; Dollase 1985), der Sozial- und Moralphilosophie (Kohlberg 1981). Getrennt von E. erfährt B. einerseits eine inflationäre Begriffserweiterung (vgl. Lennert 1981) und wird andererseits zunehmend durch andere Begriffe wie ,Lernen‘, ,Qualifikation‘, ,Identität‘, ,Handlungsfähigkeit‘ u.a.m. ersetzt. In der Folge dieser Dissoziation stehen sich theoretische Ansätze, die die Subjekte des pädagogischen Prozesses thematisieren, und Konzeptionen, die von der sozialen bzw. kognitiven Objektivität des pädagogischen Wissens ausgehen, unvermittelt gegenüber. Obwohl so wertvolle neue Einsichten in die psychische bzw. gesellschaftliche Vermittlung von E. und B. gewonnen werden können (vgl. etwa Bourdieu/ Passeron 1971; Bernstein 1977; Lippitz 1981; Bourdieu 1982; Lippitz/ Meyer-Drawe 1984), ist darin die Tendenz zur psychologistischen, soziologistischen oder

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szientistischen Destruktion des spezifischen Gegenstandes der Pädagogik angelegt. Eine auf die abstrakte Identität des Einzelnen fixierte Sichtweise von öffentlicher E. und B. (vgl. Krappmann 1979; Buck 1984), die ihre Kategorien wie Kritikfähigkeit, Emanzipation, Ichstärke, Handlungsfähigkeit weitgehend formal definiert, kontrastiert mit einer Soziologisierung, die E. und B. nur noch als gesellschaftliche Funktionen der Qualifikation, Selektion und Legitimation erforscht (vgl. Fend 1980; Grimm 1987), und mit dieser wiederum ebensowenig vereinbar ist es, wenn die Curriculumforschung Logik und Struktur wissenschaftlichen Wissens spiegelbildlich auf das Lernen projiziert (vgl. Frey 1975), Wissen positivistisch als Realität an sich und Schule als Produktionsstätte von Qualifikation auffaßt. Da diese Perspektiven komplementäre Unzulänglichkeiten haben, liegt der Versuch nahe, sie zu kombinieren; er scheitert aber an ihrer Unvereinbarkeit und führt nur zu eklektizistischen Verlegenheitslösungen (vgl. etwa Rolff 1980 u. 1982; Klemm/ Rolff/ Tillmann 1985). Die Objektivität des Wissens wird sozial und kognitiv in dem Maße entwertet, wie die epistemologische Dimension der Subjektivität nicht mehr thematisiert wird und das Allgemeine als Bezugspunkt individueller und gesellschaftlicher Praxis verlorengeht. Allgemeine Sinnorientierung wird nur noch ideologisch im Rahmen konservativer Wertepädagogik voluntaristisch gesetzt (vgl. Mut zur Erziehung 1978; Böhm 1986) oder als ,nicht-affirmative‘, ,nicht-hierarchische‘ Praxis lediglich abstrakt postuliert (Benner 1987). ,Öffentlichkeit‘ ist nur noch Raum des gleichgültigen Nebeneinanders disparater Wahrheiten, von Erkenntnis und Manipulation im kommerziellen bzw. politischen Interesse und nicht die Sphäre bewußter Gestaltung gesellschaftlicher und kultureller Verhältnisse (Habermas 1968; Sennett 1983; Oelkers 1988). Die zunehmende Verflechtung von Wissenschaft und gesellschaftlicher Praxis, von Politik und Ökonomie macht die traditionelle Entgegensetzung von Allgemeinbildung und Berufsbildung immer mehr obsolet. Ansätze einer Überwindung dieser Trennung wie das Kollegschulmodell (Blankertz 1982a; vgl. Landesinstitut für /936:/ Schule und Weiterbildung 1988) sowie Konzepte einer neuen Allgemeinbildung (v. Hentig 1981; Klafki 1985) stoßen an die sozialen und ideologischen Grenzen, die einer demokratischen Kontrolle der wissenschaftlich-technischen und ökonomischen Entwicklung und damit der praktischen Verallgemeinerung des verfügbaren Wissens gesetzt sind. Der Marxismus bietet als selbstreflexive Theorie, die sich selbst als Moment des Untersuchungsgegenstandes begreift, die Möglichkeit, E. und B. historisch im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Entwicklung und ihren Widersprüchen zu begreifen, ohne einem historizistischen bzw. soziologistischen Reduktionismus zu verfallen. Dieses Potential ist in der marxistischen Historiographie freilich sehr unterschiedlich entfaltet worden (vgl. Alt 1956; Hofmann 1973; Schmied-Kowarzik 1974; Rugiu 1979; Ahrbeck 1984; Gamm 1983 u. 1988). Als Grundkategorien werden E. und B. oft unvermittelt von der jeweiligen Gesellschaftsformation abgeleitet und historische Epochen von einer fixierten Gegenwart her bewertet. Die historische Dialektik von E. und B., die als relativ eigenständige Bedeutungs- und Handlungszusammenhänge auch eine immanente Entwicklungslogik aufweisen, kann in der Einheit von Sozialgeschichte und Kategoriengenese keineswegs als geklärt gelten, wenn auch am Zusammenhang von E. und B. grundsätzlich festgehalten wird. In der marxistischen Diskussion steht gegenwärtig die Frage nach den Konsequenzen der wissenschaftlich-technischen Revolution für öffentliche E. und B. im Vordergrund. Das Problem der sozialen Beherrschbarkeit des wissenschaftlich-technischen Fortschritts wird pädagogisch vor allem im Rahmen veränderter Konzepte polytechnischer Bildung reflektiert (Autorenkollektiv 1987; Neuner 1987; Drefenstedt 1988). Dabei wird großer Wert auf die Ausbildung einer ,,theoretischen Einstellung zur Wirklichkeit” gelegt (vgl. Davydov 1977; Lompscher 1988). Die wichtigsten Desiderate der marxistischen Forschung liegen auf dem Feld der pädagogischen Theorie des Subjekts, wobei auf Vorarbeiten zurückgegriffen werden kann, die bis in die 20er Jahre

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unseres Jahrhunderts zurückreichen. Hinsichtlich des Zusammenhangs von Wissen und individuellem Aneignungsprozeß ist das dialektische Begriffspaar ,persönlicher Sinn‘ und ,objektive Bedeutung‘, das Leontjew (1903-1979) im Kontext der allgemeinen Tätigkeitstheorie der kulturhistorischen Schule (Wygotski 1985; Lektorskij 1989) entwickelt hat, von großer, weitgehend unerschlossener Bedeutung für die pädagogische Theoriebildung. Die Wiederentdeckung der Öffentlichkeit als einer mit dem Staat zwar verbundenen, aber von ihm streng zu unterscheidenden Sphäre des gesellschaftlichen Lebens, die sich gegenwärtig in den sozialistischen Ländern vollzieht, bietet neue, bisher kaum genutzte Möglichkeiten, die von dem bedeutenden italienischen Marxisten Gramsci (1891-1937) erarbeiteten Einsichten zum Zusammenhang von Hegemonie und E. und B. weiterzuentwickeln. Das Bildungswesen gehört zur ,zivilen Gesellschaft‘, der nicht-staatlichen Sphäre des öffentlichen Lebens. Als Moment der Öffentlichkeit stellt es einen Hegemonieapparat mit eigener Logik und Gesetzmäßigkeit dar, dessen Wirkungen in einer funktionellen, nur auf den Aspekt der Reproduktion der sozialen Verhältnisse fixierten Analyse nicht adäquat erfaßt werden. Es zielt auf den Konsens, die freiwillige Zustimmung der beteiligten Subjekte. Für Gramsei wird die pädagogische Beziehung, in der Schüler und Lehrer wechselseitig verbunden sind und in der grundsätzlich ,,jeder Lehrer immer Schüler und jeder Schüler Lehrer” (Gramsci 1971, 30; Übers. d. V.) ist, zum Modell jeder hegemonialen Beziehung zwischen führenden und untergeordneten sozialen Klassen und Gruppen (Broccoli 1972). Die Theorie der Hegemonie zeigt, daß die marxistische Auffassung öffentlicher E. und B. ihre subjekttheoretischen Defizite nur im Zusammenhang mit der konzeptionellen und praktischen Entwicklung sozialistischer Demokratie überwinden kann. In der öffentlichen E. und B. hat das Programm der Aufklärung, daß Wissen zur Autonomie befähigt und alle an seinem Fortschritt teilhaben sollen, institutionelle Gestalt gewonnen. Daß im gegenwärtigen Verständnis von E. und B. dieser Zusammenhang auf unterschiedliche Weise verkürzt und verdrängt wird, ist Zeichen für eine ,Krise des Wissens‘ (Sandkühler 1988). Wie in ihrer Genese sind E. und B. gegenwärtig auf eine Philosophie verwiesen, die den Zusammenhang von Wissenschaft und gesellschaftlicher Praxis zu ihrem Gegenstand macht. Die klassische, philosophisch begründete Theorie wußte, daß wissenschaftlicher Fortschritt der Einheit und allgemeinen sozialen Verfügbarkeit des Wissens bedarf, um zum gesellschaftlichen Fortschritt zu werden. In einer Zeit, in der die demokratische Kontrolle wissenschaftlich-technischer Entwicklung zur Uberlebensfrage der Menschheit geworden ist, ist diese Einsicht aktueller denn je. /937:/ ADORNO, Th.W.1971, Erziehung zur Mündigkeit, Frankfurt/M. ADORNO, Th.W., 1975, Theorie der Halbbildung. In: ders., Gesellschaft und Kulturkritik, Frankfurt/M. AHRBECK, R., 1984, Die allseitig entwickelte Persönlichkeit, Berlin. ALT, R. (Hg.), 1949, Erziehungsprogramme der Französischen Revolution, Berlin/ Leipzig. ALT, R., 1956, Die Erziehung auf frühen Stufen der Menschheitsentwicklung. Vorlesungen, Berlin. ANWEILER, O., 1964, Geschichte der Schule und Pädagogik in Rußland, Berlin. ANWEILER, O. / K. Meyer, 1961, Die sowjetische Bildungspolitik seit 1917, Heidelberg. AUTORENKOLLEKTIV, 1987, Allgemeinbildung und Lehrplanwerk, Berlin. BATKIN, L.M., 1981, Die italienische Renaissance. Versuch einer Charakterisierung eines Kulturtyps, Frankfurt/M. BENNER, D., 1987, Allgemeine Pädagogik, Weinheim/ München. BERGER, P.L. / Th. Luckmann, 1970, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, Frankfurt/ M. BERNAL, J.D., 1970, Wissenschaft. Science in History, Bd. 2: Die wissenschaftliche und die gesellschaftliche Revolution, Reinbek. BERNSTEIN, B., 1977, Beiträge zu einer Theorie des pädagogischen Prozesses, Frankfurt/M. BLANKERTZ, H., 1969, Bildung im Zeitalter der großen Industrie, Berlin / Darmstadt/ Dortmund. BLANKERTZ, H., 1982, Die Geschichte der Erziehung, Wetzlar. BLANKERTZ, H., 1982a, Die Sekundarstufe II. In: Enzyklopädie Erziehungswissenschaft, Bd. 9. BLOTH, H.G., 1966, Adolph Diesterweg, Heidelberg. BÖHM, M., 1986, Konservative Werterziehung, Weinheim. BOHNSACK, F., 1976, Erziehung zur Demokratie. John Deweys Pädagogik und ihre Bedeutung für die Reform der Schule, Ravensburg. BOURDIEU, P., 1982, Die feinen Unterschiede, Frankfurt/M. BOURDIEU, P./ J.-C. Passeron, 1971, Die Illusion der Chancengleichheit, Stuttgart. BREZINKA, W., 1974, Grundbegriffe der Erziehungswissenschaft, München/ Basel. BREZINKA, W., 1986, Erziehung in einer wertverunsicherten Gesellschaft, München. BROCCOLI, A., 1972, Antonio Gramsci e l‘educatione come egemonia, Firenze. BRONFENBRENNER, U., 1981, Die Ökologie menschlicher Entwicklung, Stuttgart. BUCI-GLUCKSMANN, Chr., 1981, Gramsci und der Staat, Köln.

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