Ermittlung psychischer Belastung

Hessische Arbeitsschutzverwaltung Psychische Belastungen am Arbeitsplatz Ermittlung psychischer Belastung Dipl.-Psych. Dipl.-Arb.-Wiss. Claudia Fla...
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Hessische Arbeitsschutzverwaltung

Psychische Belastungen am Arbeitsplatz

Ermittlung psychischer Belastung

Dipl.-Psych. Dipl.-Arb.-Wiss. Claudia Flake Fachzentrum für systemischen Arbeitsschutz und Arbeitsgestaltung Regierungspräsidium Gießen

Hessische Arbeitsschutzverwaltung

Begriffsbestimmung Anforderungen

• Aufgaben

Psychische Belastung (DIN EN ISO 10075)

• Arbeitszeit, -organisation,

Die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken.

• Arbeitsumwelt

• Interaktion mit Kunden, Kollegen, Vorgesetzen • Arbeitsmittel

… auf die Wahrnehmung, das Denken, Fühlen und Verhalten

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BELASTUNGS-BEANSPRUCHUNGS-MODELL Häufigkeit Intensität

Anforderungen/ Belastungen

Dauer

Vorhersagbarkeit

• Aufgaben und Tätigkeitsinhalte • Arbeitsorganisation, Arbeitszeit • Sozialer Umgang mit Kunden, Kollegen, Vorgesetzen • Arbeitsumwelt, physikalische Bedingungen • Arbeitsmittel

Individuelle Merkmale •Anspruchsniveau •Bewältigungsstrategien •Fähigkeiten, Kenntnisse, Erfahrung •Allgemeinzustand •Aktuelle Verfassung

Kurz- und langfristige Beanspruchung

Anregung, Lerneffekte, Weiterentwicklung

Ermüdung, Sättigung, Monotonieerleben, Stresserleben, (Psychosomatische) Beschwerden & Erkrankungen)

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Psychische Fehlbelastungen Anforderungen und Belastungen, die in ihrer Ausprägung mit einer hohen Wahrscheinlichkeit bei Beschäftigten zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen.

(LV 28)

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Typische Risikofaktoren psychischer Fehlbelastung Häufigkeit

 Zeitdruck, hohe Arbeitsverdichtung

Intensität

 Widersprüchliche Aufgabenziele  Arbeitsorganisatorische Mängel, Arbeitsunterbrechungen

Dauer Vorhersagbarkeit

 Geringe Abwechslung

 Geringer Handlungsspielraum  Hohe emotionale Inanspruchnahme  Fehlende Qualifikation und Erfahrungen  Fehlende soziale Unterstützung  Verkürzte oder fehlende Pause  Überlange Arbeitszeiten 5

Risikofaktoren psychischer Fehlbelastung und ihre Wirkung

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3 Wie können psychische Belastungen ermittelt werden?

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Hinweise auf psychische Fehlbelastungen Fehlzeiten

Verhalten Arbeitsklima Ablauf

Qualität

• • • • • • • • • • • •

Berufswechsel, Ausstieg, Fluktuation Krankenstand (Beinah-)Unfallzahlen Nervosität, Gereiztheit, Erschöpfung Rauchen, Medikamenten- /Alkoholkonsum Ständige Konflikte, Streit Beschwerden, Klagen Unterbrechungen Terminabweichungen Leistungsschwankungen Unklare Informationen Beschwerden der zu Pflegenden, der Angehörigen und Dritter 8

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Gefährdungsbeurteilung- Rechtliche Grundlage Ein wichtiger Prozess im betrieblichen Arbeitsschutz ist die systematische Gefährdungsbeurteilung, wobei u.a. Gefährdungen und Risiken zu berücksichtigten sind, die sich ergeben aus: „… Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken

„… unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten“ „… Gestaltung und (…) Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes ( § 5 Abs. 3 ArbSchG)  Alle diese Faktoren beschreiben die psychische Belastung an Arbeitsplätzen.

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Methoden zur Ermittlung psychischer Belastung •

Mitarbeiterbefragung (per Fragebogen) hoher Grad an Anonymität kann gewahrt werden



Einzelgespräch (z.B. des Betriebsarztes) Schweigepflicht ist einzuhalten



Gruppeninterview (z.B. Arbeitssituationsanalyse) Vertraulichkeit ist zu vereinbaren



Arbeitsanalytische Verfahren

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Ermittlungstiefe

Stufe 3 Arbeitswissen schaftliche Analyseverfahren

Stufe2 Ursachenanalytische Verfahren z.B. Arbeitssituationsanalyse

Stufe1 Untersuchung der Belastungssituation z.B. Impulstest

Feinanalyse

vertiefend

orientie rend 11

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Mitarbeiterbefragung: Beispiel IMPULS-TEST Betriebliche Analyse der Arbeitsbedingungen www.impulstest.at Erkennen von Stressfaktoren und Optimieren von Ressourcen im Betrieb Handlungsspielraum

Vielseitiges Arbeiten

Ganzheitliches Arbeiten

Soziale Rückendeckung

Zusammenarbeit

Passende inhaltliche Arbeitsanforderungen

Passende mengenmäßige Arbeit

Passende Arbeitsabläufe

Passende Arbeitsumgebung

Information und Mitsprache

Entwicklungsmöglichkeiten

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IMPULS – TEST / Fragebogen

x x x

x x x 9

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3

4

12

15

4

x x

x x

x

x 5

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Bsp. Ergebnisse

A) Handlungsspielraum

K) Entwicklungsmöglichkeiten

5,0 4,5 4,0

B) Vielseitiges Arbeiten

3,5 3,0 2,5

J) Information und Mitsprache

2,0

C) Ganzheitliches Arbeiten

1,5

1,0 0,5 0,0

I) Passende Arbeitsumgebung

H) Passende Arbeitsabläufe

D) Soziale Rückendeckung

E) Zusammenarbeit

F) Passende inhaltliche Arbeitsanforderung G) Passende mengenmäßige Arbeit

Real-Zahl

Wert < 2,5

Wunsch-Zahl

: Es liegen Stressfaktoren vor. Dringender Handlungsbedarf !

Wert > 2,5 < 3,5 : Es gibt Entwicklungspotentiale, erforderlich Stress vermindernde Maßnahmen durchzuführen !

Wert > 3,5

: Es gibt Ressourcen, die es zu pflegen und zu erhalten gilt

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Arbeitssituationsanalyse • Gruppeninterview im Mitarbeiterkreis einer Arbeitseinheit (8 – 15 TeilnehmerInnen) vorzugsweise mit externer Moderation • vorgegebenes Moderationsschema • beeinträchtigende Faktoren werden ermittelt, gewichtet und praxisnahe Lösungsvorschläge erarbeitet • Vertraulichkeit im Teilnehmerkreis vereinbaren

• Dauer ca. 2 -3 Stunden

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Nr.

Ansatzpunkt

Verbesserungsmöglichkeit (was?)

Personalstärke

• Aufgaben- und Zeitanalyse: Überprüfung des Aufgabenzuschnitts und der Aufgabenverteilung, Bearbeitungszeit berücksichtigen • Springer



• Dokumentation verfahrenstechnischer Veränderungen und/oder Erweiterung des Schichtbuches für PLS-Änderungen • Analyse der bisherigen Nutzung und Unsicherheit bei Einträgen, Verfahrensregeln aufstellen, Einweisung in die Führung des Schichtbuches • BL organisiert zeitnah die Informationen und Schulungen zu Neuerungen (Technik, Betriebsablauf) über die Schichten hinweg • Schulungsbedarf durch IST-Soll-Vergleich ermitteln



Kürzungen

Abwarten, Verhandlungen laufen



wenig beeinflussbar

Anerkennung und Akzeptanz der Mitarbeiter

Schulung der Schichtmeister in Menschenführung, Coaching



Ex. Berat er

Infofluss, Doku,

Ein/Unterweisung

Wer?

Wann?









3./4. Quartal 2008 16

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1) Flächendeckende fragebogengestützte Mitarbeiterbefragung

Behördenleitung

Abteilung x

Dezernat x.1

Dezernat x.2

Abteilung y

Dezernat y.1

2) Moderierte Gruppeninterviews

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Psychische Belastungen verändern Häufigkeit Arbeitsbedingte Anforderungen (Belastungen)

Intensität Dauer

Vorhersagbarkeit • Aufgaben und Tätigkeitsinhalte Individuelle Merkmale • Arbeitsorganisation, Arbeitszeit •Anspruchsniveau • Sozialer Umgang mit •Bewältigungsstrategien Kunden, Kollegen, •Fähigkeiten, Kenntnisse, Vorgesetzen Erfahrung •Allgemeinzustand • Arbeitsumwelt, •Aktuelle Verfassung physikalische Bedingungen

Kurz- und langfristige Beanspruchung Anregung, Lerneffekte, Weiterentwicklung Ermüdung, Sättigung, Monotonieerleben, Stresserleben, (Psychosomatische) Beschwerden & Erkrankungen)

• Arbeitsmittel

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Belastungsprävention Gefährdungsbeurteilung

Belastungsbewältigung

+

+

vorher Ziel: Fehlbelastungen vorzubeugen oder verringern

Beanspruchungsabbau

während Ziel: Umgang mit Belastung/ Beanspruchung erleichtern

nachher Ziel: Ausgleichsaktivi-täten und Entspannung

Sicherheit + Gesundheit als Wert etablieren

fachliche + soziale Unterstützung suchen + nutzen

Sport, körperliche Tätigkeit

Führungskräfte und Mitarbeiter schulen

Gestaltungsspielraum

Gezielte Entspannung, Erholung

Strukturen aufbauen, um Belastungen zu erkennen + zu verändern

Erfahrungen, kommunikative Kompetenzen

Pausen, Kurzentspannung, Zeit für Besinnung

Arbeitsbedingungen optimieren

positive Umwertung von Anforderungen

Ressourcen fördern …



Unternehmungen mit der Familie, Freunde treffen

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Ergänzung

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TIPPS für Führungskräfte

Soziale Unterstützung

Handlungsund

Gestaltung der Arbeitsbedingungen

Entscheidungsspielraum Information

betriebliche

Anerkennung Kommunikation Wertschätzung Konfliktlösung

Gesundheitsförderung

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Psychische Fehlbelastung verringern •

Optimierung von Arbeitsabläufen, klare Arbeitsaufteilung und –zuweisung, Analyse von Schnittstellen zwischen Funktionen und Abteilungen



Handlung- und Entscheidungsspielräume einräumen besonders im Hinblick auf zeitliche Elemente (z.B. Bearbeitungsfolge, Arbeitszeit, Dienstplan), Beschäftigte beteiligen, Aufgaben unter Berücksichtigung der individuelle Voraussetzungen delegieren



Leistung und Bedeutung der Arbeit anerkennen, Unterstützung anbieten und gewährleisten, Kritik konstruktiv äußern



offene Gesprächskultur, vertrauensbildende Maßnahmen



Kooperation und Kommunikation fördern und unterstützen



Arbeitszeiten einhalten, zeitnahe Erholungspausen nach intensiven Arbeitsphasen vereinbaren 22

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Führungskräfteschulung Grundlegende Schulungen zu allgemeinen Führungsaufgaben z.B. Mitarbeiterführung, gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung, Themaentwicklung, Wiedereingliederungsmanagement Spezielle Schulungen zur • Früherkennung von und Umgang mit Überforderung und psychischen Störungen • Gesprächsführung in sensiblen Situationen • Reflektion über die eigene Betroffenheit, Vorbehalte und Grenzen Kenntnisse über unterstützenden Strukturen 23

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Beschäftigte Viele Beschäftigte fühlen sich der Situation am Arbeitsplatz hilflos ausgeliefert. Auch wenn die Einflussmöglichkeiten eingeschränkt sind, können sie einiges tun. •

Situationen an der Arbeit und im Privatleben stressfreier gestalten



Veränderungen im Wahrnehmen, Denken und Bewerten



Körperliche – geistige Entspannung / Ausgleich schaffen

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Die Beweggründe, sich mit „psychischen Belastungen“ auseinander zu setzen, sind vielfältig.



Psychische Belastungen sind an jedem Arbeitsplatz zu finden; teilweise stellen sie eine Gefährdung der dort Beschäftigen dar.



Trotz Maßnahmen der Arbeitssicherheit häufen sich Unfälle, zahlreiche Erkrankungen und damit verbundene hohe Fehlzeiten, aber auch Arbeitsunzufriedenheit. Dies kann durch psychische Belastungen verursacht sein.



Psychische Belastungen stehen im engen Zusammenhang mit der Qualität und Quantität von Produkten oder Dienstleistungen sowie der Gesundheit und Zufriedenheit der Beschäftigten.



Veränderungen in den Arbeitsabläufen und Aufgaben stehen an, damit verbundene psychische und soziale Belastungen sollen vorgebeugt werden.



Das Unternehmen will Rechtssicherheit haben und die Vorgaben zur Gefährdungsbeurteilung erfüllen.

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Unterschiedliche Kontexte und Einwirkungen

Lebensweltbezogen

- Partnerschaftskonflikte - Suchtmittelmissbrauch Arbeitsweltbezogen - ungünstiges Freizeitverhalten - erschwerter Zugang zu Arbeitsplatzbezogen medizinischer Versorgung - drohende Arbeitslosigkeit - ungleiche - fehlende Vereinbarkeit - Über-/Unterforderung Bildungschancen von Beruf und Familie - Monotonie - …. - Diskriminierung - Entscheidungsspielraum - Flexible Biographien - Arbeitszeit - …. - Zeitdruck - Soziale Unterstützung - ….

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Prozess „Ermittlung psychischer Belastung“ Planung

„Wer macht was wie/womit?“

Nachhaltigkeit

Überprüfung

Maßnahmendurchführung

Ermittlung & Bewertung

Maßnahmenfestlegung Mitarbeiter beteiligen Dokumentieren

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Prozess „Ermittlung psychischer Belastung“ • • • • • • • • • •

Unterstützung durch die Führungsebene Geplantes, systematisches Vorgehen Berücksichtigung wesentlichen Risikofaktoren Beteiligung der Führungskräfte Beteiligung der Beschäftigten Beurteilung aller Arbeitsbereiche, Arbeitsplatztypen Maßnahmenfestlegung und –umsetzung Prüfung der Wirksamkeit Dokumentation Fortführung und Prävention 28

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Aufgabe der Steuerungsgruppe

• Auswahl und Festlegung der Analyseverfahren • Personelle Festlegung des/der Analyse- und Beurteilungsteams • Auswahl zu untersuchenden Arbeitsbereiche • Beschreiben und Zusammenfassen von Tätigkeitsbereichen • Zusammentragen relevanter betrieblicher Daten • Entwicklung eines Ablauf- und Zeitplan • Planung, Ankündigung und Durchführung des Befragungskonzeptes • Treffen von Entscheidungen bzgl. (Holm & Geray, BAuA 2006) Arbeitsschutzmaßnahmen

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