Erlauben wir uns, anders zu sein. Jahrestagung 2013, Abschlussvortrag von Ute Krützmann, 1. Vorsitzende Berufsverband Hauswirtschaft, Dipl. Oecotrophologin, Coach (DGfC) (Es gilt das gesprochene Wort.)

Liebe Kolleginnen, liebe Tagungsteilnehmerinnen, es ist noch gar nicht lange her, da war ich zu einem Workshop im Rahmen eines EU-Projekts in Berlin eingeladen. Dreißig Menschen saßen in einem vor hölzernen Wandvertäfelungen strotzendem Sitzungsraum in einem Gebäude eines Bundeslandes, das von sich selbst sagt, nicht Hochdeutsch sprechen zu können. Dreißig Menschen, die beruflich alle etwas mit Ernährung oder Lebensmitteln im weitesten Sinne zu tun haben und deshalb als Stakeholder zu diesem Thema eingeladen waren. Da saß ich nun neben der Bundesvorsitzenden der Frauen nach Brustkrebs, neben dem Justitiar des Deutschen Kartoffelhandelsverbandes, der Pressesprecherin des Milchindustrieverbandes, der Abteilungsleiterin aus dem DIN-Institut, dem Geschäftsführer des Vegetarierbundes und vielen anderen mehr. Sie merken: eine illustre Runde, die da zusammengekommen war. Um es gleich vorweg zu nehmen: nach einem Tag gemeinsamen Nachdenkens über Lebensmittel 2020 waren an mein Ohr keine besonders innovative Erkenntnisse gelangt. Vieles lief darauf hinaus, dass Verbraucher mehr Kompetenzen im Umgang mit Nahrungsmittelverarbeitung sowie über das Wissen von Lebensmitteln benötigen. Och, dachte ich. Das kommt mir ja irgendwie bekannt vor. Eine Forderung, für die die hauswirtschaftliche Dienstleistungsbranche seit Jahrzehnten belächelt wird… Aber offensichtlich gibt es wieder Tendenzen, viel über das verlorengegangene Kulturgut „Für-sich-selbst-sorgen-können“ zu klagen, in Leuchtturmprojektchen kurzfristig was zu unternehmen und dann in hochtrabenden wissenschaftlichen Unternehmungen was an dem Zustand ändern zu wollen. Da muss erst wieder evaluiert, geforscht und gerätselt werden, statt einfach mal zu mit dem längst vorhandenen Wissen zu handeln und (jungen) Menschen den entsprechenden Raum und die Zeit zu geben, sich damit ausprobieren zu dürfen.

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Wissen Sie, da haben sich Leute zu Wort gemeldet, die redeten so kompliziert, dass bestimmt nicht nur ich das nicht ganz verstanden habe… Aber: Das habe ich da von vielen auch gelernt: einfach mal nicken und so tun als ob. Verstehen geht ja auch später - mit Google im Zug auf dem Rückweg… Und um Sie zu beruhigen und damit Sie nicht denken „Wofür schicken wir unsere Vorsitzende denn dahin?“: Zu allem, was ich verstanden habe, habe ich mich mit Redebeiträgen eingebracht. Kurz vor der Mittagspause brach es dann etwas gereizt aus einem Herrn raus: „Sie kommen doch da von dem Hausfrauenverband oder so. Woher wissen Sie denn das alles?“ „Ah, Männeken, pass up!“, dachte ich. Jetzt forderst du mich aber zum Tanz auf! Ich meine: Was würden SIE denn aus diesen zwei Sätzen heraushören? Denke ich jetzt an Schultz von Thun und sein Vier-Ohren-Modell (Sie wissen schon, das mit der Sach- und Beziehungsebene und diesem Kram), dann würde der Herr vermutlich folgendes meinen: Sachebene: Selbstoffenbarung: Beziehung: Appell:

Da ist eine Hausfrau oder etwas Ähnliches. Ich weiß nicht, was sie ist und ich weiß nicht, woher sie ihr Wissen nimmt. Sie wird es mir sagen können. Sagen Sie mir, wer Sie sind und woher Ihre Informationen stammen!

ICH jedoch hörte: Sachebene: Selbstoffenbarung: Beziehung: Appell:

Da ist eine Hausfrau oder etwas Ähnliches. Hausfrauen sind dumm. Dir traue ich nichts zu! Studieren Sie erst mal, bevor Sie den Mund aufmachen!

Nun hätte ich ja genervt sagen können: „Wenn ich unter Ihrem Niveau bin, sagen Sie’s doch!“ Doch, ich hatte es mir anders überlegt. Und da sind wir bei unserem Ursprungsthema: Erlauben wir uns, anders zu sein. Ich tat es folgendermaßen und sagte laut und deutlich in die Runde: „Danke. Es freut mich, wenn unsere Fachexpertise für Sie in dieser Runde interessant ist. Es macht übrigens nichts, dass Sie dachten, ich käme vom Netzwerk Haushalt oder dem Deutschen Landfrauenverband. Möglicherweise habe ich mich in der Vorstellungsrunde nicht klar ausgedrückt. Aber dafür sitzen wir ja hier heute 2

zusammen, um sich kennenzulernen und die Gelegenheit zu nutzen, das noch mal klarzustellen. Das tue ich gerne. Denn ich stehe hier heute als Vorsitzende des Berufsverbandes Hauswirtschaft. Es ist DIE berufsständische Vertretung von Menschen, die im hauswirtschaftlichen Dienstleistungsmanagement Führungskräfte sind. Von Zeit zu Zeit finden wir uns alle auch als Hausfrau oder –mann wieder. Aber wer tut das nicht?“ „Ich würd mich gerne mal mit Ihnen in der Pause unterhalten.“, erwiderte mir der Herr gegenüber. Soweit meine Erlebnisse von vor fünf Wochen. Vielleicht eine Situation, die jeder schon mal erlebt hat? Viele berichten noch immer von Kämpfen um Anerkennung, Augenhöhe und Selbstwertgefühl als jemand aus der HW. Wenn es denn so wäre, dass dieses Image der Hauswirtschaft tatsächlich von außen käme – und nicht von uns selbst käme und uns in den Mund gelegt würde – quasi als Zuschreibung - : Was hindert uns daran, unser Gegenüber einfach mal zu erstaunen, den aufrechten Gang anzunehmen und die gleiche Augenhöhe einfach mal zu spüren? Was heißt denn überhaupt „anders sein“ in diesem Zusammenhang? Woran denken Sie ganz persönlich, wenn ich von anders spreche? An welche Situationen erinnern Sie sich, wo Sie sich im positiven Sinne ganz anders erlebt haben als sonst? Als Coach würde ich fragen: Was müsste ich von Ihnen wissen, um Sie als anderen Menschen zu erleben? Wo waren Sie da? Was passierte da drum herum? Gab es noch andere Personen dabei…“ Und: „Was für Fähigkeiten und was für ein Können setzten Sie in diesem Moment ein?“ Nach meiner Erfahrung gelingt es auf diesem Weg Vielen aus dem Gefühl herauszukommen: „NIE nehmen die mich als Expertin wahr.“ oder aus dem Gefühl herauszukommen: „ Für die bleibe ich IMMER die bessere Hausfrau.“. NIE passiert etwas NIEMALS. Und IMMER passiert auch nicht IMMER was. Es gibt Ausnahmen von der Regel. Aus meiner Beobachtung heraus neigen wir leider dazu, sie zu vergessen. Schade, denn diese Zeiten des Gelingens könnten uns Kraft geben, unserer inneren Stimme zu glauben, die sagt: „Ich höre mit dem Träumen nicht auf! Ich weiß doch, was ich kann.“ Gut so, würde vermutlich Gerald Hüther (Neurobiologe aus Göttingen) sagen. Jetzt kommt nämlich der Mandelkern unseres Hirns ins Spiel. Eben dieser Cortex bildet unsere positiv eingefärbten Gedächtnisinhalte ab. Erinnern wir

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uns also doch öfter mal an dieses Organ, das uns eigentlich so freundlich gesinnt ist. Sie möchten eine Marke in der Branche sein? Eine Marke, an die man sich im Betrieb erinnert? Die man sich gezielt aussucht, weil man sich von ihr einen Mehrwert erhofft? Gut, dann setzen Sie Ihre Duftmarke. Senden Sie Signale! Ich will Ihnen dazu ein Beispiel geben. In der letzten Zeit ist Ihnen vielleicht auch schon ein Phänomen namens Boshi begegnet. Nein? Ein klassischer Fall von Markenbildung. Eigentlich handelt es sich um ordinäre Häkelware. Handgemacht versteht sich. Bis vor kurzem hätte ich mir nie im Leben eine Boshi zugelegt, weil sie mich an kratzende, gut gemachte Tantenteile aus meiner frühesten Kindheit erinnerte. Viel schlimmer: manchmal wurden die auch für Klopapierrollenhalter zweckentfremdet. Na, können Sie sich jetzt vorstellen, wovon ich rede? Von diesem hier: Boshi! Heute ist die Wolle, mit der sie gehäkelt werden, auch noch nicht wirklich weicher. Aber: Boshi-Mützen wurden von zwei gut aussehenden Langzeitstudenten „erfunden“. Die waren nämlich während eines JapanAufenthaltes durch Zufall Opfer einer älteren Japanerin, die ihnen das Häkel beibrachte. Die beiden fanden das zunächst reichlich altmodisch, ließen sich aber zu einem Versuch hinreißen. Und siehe da, das erste Stück wurde in der Heimat zurück bewundernd angeschaut. Und bald folgten Wünsche von Freunden und Verwandten. Ja, Retro ist ja wieder in. Cocooning war schon lange von den Zukunftsforschern vorhergesagt worden. Und in diesem Zusammenhang hat die Nation auch das Handarbeiten wieder entdeckt. Schlau wie die beiden waren, haben sie flugs eine Geschäftsidee daraus entwickelt. Omas stricken die Mützen auf Bestellung, wenn man sie vorher online mit dem Mützenkonfigurator kreiert hat. Farbe, Modell, klick… Und schon hat man sein individuelles Mützchen. Sie können auch ein BoshiHäkelmützen-Buch inklusivere aller Anleitungen, online bestellter Boshi-Wolle von Schachenmayr sowie fünf aufnähbaren Boshi-Labels erstehen. Um mal wieder auf uns selbst zurückzukommen: Ich kann beschließen, ein Mützchen für die Hutablage zu bleiben, obwohl ich sehe, dass die Menschheit lieber in gut ausgestattete Autobahnraststätten geht statt in die Büsche. Dann bleib ich halt im Auto, bin wenig in Aktion und tu niemandem weh. Fehlt nur noch, dass ein Wackeldackel daneben mein Bedauern in jeder Kurve abnickt. Ich kann aber auch beschließen, ´ne Boshi zu werden. Da nehme ich meine Vermarktung mit der Hoffnung, dass es eines Tages was abwirft, selbst in die Hand.

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In der Überschrift: „Erlauben wir uns, anders zu sein“, steckt der Zukunftsblick (zu sein). BIS jetzt habe ich meine Rolle als ordentlicher Abarbeiter von Pflichtaufgaben wahrgenommen. AB jetzt stehe ich als Marke der Hauswirtschaft zur Verfügung und setze Trends. Und sagen Sie jetzt nicht, diese Entwicklung schaffe ich nicht mehr! Da bin ich ja ein unerschütterlicher Optimist. Und die Hirnforschung ebenso. Kommen wir noch mal auf dieses Modell zurück. Denn ich will Ihnen kurz erklären, wieso ich hier keinen Hokuspokus erzähle. Wenn Sie wollen, können Sie das auch bei besagtem Herrn Hüther nachlesen. Sie merken schon, der imponiert mir irgendwie…. Die gute Nachricht am Anfang, wenn Sie diesen Weg wirklich gehen möchten: Das Leben erfindet sich immer wieder neu. Nehmen Sie an, Sie fühlen sich als Mensch eigentlich ganz wohl in Ihrer Haut. Dann werden Sie alles dafür tun, Ihr inneres Beziehungsgefüge aufrecht zu erhalten, damit das auch so bleibt. Schade nur, dass von außen so oft Störungen kommen. Z.B. in Gestalt von Menschen, die Ihnen einreden wollen, dass Ihre Erwerbsarbeit eigentlich ein besseres Hobby sei. Warum machen die das? Denen geht’s genauso wie Ihnen: die wollen IHR inneres Beziehungsgeflecht AUCH aufrecht erhalten. Würden sie das nicht tun, geriete ihr Denkmuster vielleicht in ein Ungleichgewicht. Das Gehirn hält also für diese Fälle an einigen Stellen Haustüren offen, durch die Eindringliche rein kommen können. Das finden wir dann nicht so dolle. Positiv ausgedrückt: An diesen offenen Stellen kann und darf etwas Neues in Ihr Leben eintreten. Nehmen wir also noch mal an, der Eindringling mit seinen ewigen Klischees über Sie wäre bereits in Ihrem Haus, dann gerät bei Ihnen was aus dem Lot. Vielleicht fühlen Sie sogar Bedrohung oder Angst, Stress. Um Ihr Gleichgewicht wieder zu erlangen, greifen Sie als Erwachsener auf BEWÄHRTE Lösungsstrategien zurück. Das Motto dabei: Mehr vom Alten. Was könnte das sein? Sie wissen es für sich selbst besser. Aggression? Verweigerung? Anpassung? Wir erahnen in solchen Momenten nur zu gut, wer wir sein könnten. Wir erlauben uns den Blick in die Zukunft. Was aus uns werden könnte. ABER: eine Vielzahl aus der Vergangenheit mitgebrachter und fest im Gehirn verankerter Vorstellungen verhindern, dass zu werden, was wir sein könnten.

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Das kollektive Gedächtnis von Sippen, Branchen, Kollegien wird von Glaubenssätzen und Verhaltensregeln festgelegt. („Die Hauswirtschaft macht das schon.“ „Kochen, Putzen, Waschen.“). SIE fühlen, dass sie keinen Platz am großen Tisch dieser Sippe hätten. Sie fühlen, dass Sie woanders hin gehörten: Jede Sippe an ihrem Tisch, die Tür eher zu als auf. SIE und DIE ANDEREN. Und in diesem hirntechnischen Zustand ist die gemeinsame Suche nach neuen Lösungen schon sehr erschwert. Nun sitzt da also jeder in seinem Häuschen und brutschelt so vor sich hin. Jeder kennt sein Rezept für Erfolg. Aber wie das Leben so spielt: sobald man aus seinem Häuschen tritt, umgeben einen meist neue Eindrücke. Die wollen verarbeitet werden. (inneres Beziehungsgefüge). So könnten DIE ANDEREN z.B. nach einem langen Winter 2013 beim ersten Spaziergang feststellen: „Mist, die Welt um uns herum hat sich nicht nur weitergedreht, sondern weiterentwickelt. Und das auch noch schneller als wir dachten. Da kommen wir ja mit dem Staunen hinterher. Wo hat die aus der Hauswirtschaft denn die ganzen Kunden her? Zu der grauen Maus wollte doch bisher keiner.“ Kurz gesagt: neue Eindrücke treffen auf tradierte Vorstellungen. Sie - als die aus der Hauswirtschaft -könnten beim ersten Spaziergang vielleicht feststellen, dass Ihr Nachbar - im Gegensatz zu Ihnen - kaum Brennholz trotz der niedrigen Temperaturen verbraucht hat. Was könnte die zwei Sippen mit ihren tradierten Glaubensmustern also tun? Lösung eins: Sie lenken sich jeder in ihrem Haus mit neuen Feindbildern ab („Blöd bleibt blöd. In spätestens zwei Wochen wird keiner mehr bei ihr auftauchen. Oder: „Schnacker bleibt Schnacker. Vom Haushalten verstehe nur ich was. Wahrscheinlich mussten die in seiner Hütte frieren, damit er jetzt einen auf Umweltschützer machen kann.“ Lösung zwei: Jeder gibt in seiner Hütte das Kommando aus: „Strengt euer Hirn an. In zwei Tagen will ich das gleiche Ergebnis hier sehen. “ Man erhofft sich also mehr Ressourcen für die Lösungsfindung, wenn man nur mehr Menschen daran beteiligt. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt… Sie ahnen, es gäbe vielleicht auch was NOCH besseres, denn jetzt kommen die Haustüren wieder ins Spiel: Ich sehe den ANDEREN nicht als Eindringling, sondern als die Tür zu was Neuem (Sie erinnern sich an eben?).

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Sie könnten gemeinsam eine nachbarschaftliche Vision von Kundenorientierung und ökologisch, ökonomischen Ideen entwickeln, um mal im Bild von eben zu bleiben. Das brächte am Anfang zwar auch Ihr inneres Beziehungsgefüge ins Ungleichgewicht, aber hier haben Sie sich dafür bewusst entschieden, es zuzulassen. Ihre innere Haltung ist auf Neugierde, Begeisterungsfähigkeit und Gestaltungslust ausgelegt. – und nicht mehr auf Verteidigung. Denn wenn SIE die Fahne hissen und für eine gemeinsame Strategie plädieren, dann ist das vielleicht die schwierigste Mission, aber auch eine Strategie, die langfristiger Stabilität, Wachstum und Weiterentwicklung in unserem Hirn ermöglicht. Und zwar zu Gunsten von Beziehungen, die von Vertrauen, wechselseitiger Anerkennung, Wertschätzung, einem Wechselspiel aus Gefühl und Wissen geprägt sind. Man ist aufeinander angewiesen, voneinander abhängig und füreinander verantwortlich. So wäre der Idealfall. Für die Entwicklung dieser Fähigkeiten brauche ich keine engen Erfahrungsräume, sondern vor allem Begegnung und Austausch mit den großen Dielentüren in meinem Gehirn. Soweit der Exkurs in die Hirnforschung. Ich bin mir sicher, dass die Mehrheit von Ihnen hier etwas Gutes für die Menschen tun will. Sie möchten sich entwickeln können, über sich hinauswachsen. Doch manche schämen sich zu sagen, dass sie täglich verschmutzte Wäsche managen. Warum eigentlich? Der andere macht vielleicht den ganzen Tag nichts anderes als Papier zu beschriften. Wie langweilig. Jedenfalls dann, wenn man nichts weiter darüber weiß. Hissen Sie die Flagge für den gemeinsamen Austausch und die daraus neu entstehenden Ideen! Es könnte sein, dass sich Ihr Gegenüber verweigert, wenn Sie mit derartiger Offenheit neue Akzente setzen. Die GARANTIE des Gelingens kann Ihnen niemand geben. Aber ich wette, nach einem Moment des Argwohns wird er sich die Augen reiben und die Haustüre nicht zuschlagen. Bevor Sie am gemeinsamen Tisch platznehmen, vergeht vielleicht auch eine Zeit. Je unangestrengter, je stressund konkurrenzfreier Ihre Zusammentreffen im Laufe der Zeit werden, desto günstiger für die Anbahnungen im Gehirn, neue Beziehungsmuster anzulegen. Ergreifen Sie deshalb ruhig die Chance, ein Signalträger der Hauswirtschaft zu sein. Mit Ihren bisherigen und Ihren zukünftigen Möglichkeiten. Geradeso wie wir heute Nachmittag schon viel zur Markenbildung dazugelernt haben. Wenn

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es Sie interessiert, und es Ihnen nützt, dann entscheiden Sie vielleicht, an DER Stelle weiterzumachen. Mag sein, dass noch einige Zeit über die Hauswirtschaft gelächelt wird. Bald nicht mehr. Wenn man Matthias Horx, einem der bekanntesten Zukunftsforscher glauben darf, dann hat er schon vor fünf Jahren Aussagen zu unserer Arbeitswelt des 22. Jahrhunderts gemacht. Service Class nennt er all diejenigen, die sich um die Herrscharen von gut verdiendenden Frauen, gestressten Männern und mobilen Newcomern, die ununterbrochen mobil sind, kümmern. Diese neuen „Serviceler“ wie er sie nennt, können zur aufstrebenden, aufsteigenden Schicht gehören. Ihr Erfolg verdanken sie dem klugen Einsatz von Technologie und Netzwerken. „Der globale Markt der Services, welcher Art auch immer, ist tendenziell unendlich. [..]. Leute, die es können, die es wollen, die es draufhaben.“, so Horx in seinem Buch „Wie wir arbeiten werden“. (1) (1) Quelle: Horx, Matthias, Wie wir arbeiten werden, Piper-Verlag, 2008, S. 123 ff Wenn tatsächlich seine Voraussagen für unser Arbeitsleben wahrwerden sollten - und sei es nur tendentiell - dann wird zukünftig jeder Arbeitsvertrag individuell ausgehandelt. Es gibt keine Normverträge mehr. Grundlohnmodelle werden um Erfolgstantiemen ergänzt. Individuelle Arbeitszeitsmodelle werden am Ende in eine Altersversorgung umgerechnet. Aus den Gewerkschaften wird eine sog. Gildenbewegung, die Weiterbildung, Empowerment und Portfolio-Beratung anbietet. Die Mitglieder entscheiden über Grund-, Voll- oder Premiummitgliedschaften, wobei letztere gleich eine Arbeitslosenversicherung mit anbieten würde. Nur noch 30 – 40 Prozent der Arbeitnehmer haben regulierte Arbeitszeiten, unbefristete Verträge. Von den anderen werden 25 Selbstständige und Einzelunternehmer sein, vierzig Prozent mit prekären Arbeitsverhältnissen leben. (2) (2) Quelle: Horx, Matthias, Wie wir arbeiten werden, Piper-Verlag, 2008, S. 140 Spätestens jetzt wird klar: Wenn ich nicht Flagge zeige und ein Signalträger in meiner Branche, sprich im hauswirtschaftlichen Dienstleistungsmanagement, werden will, dann habe ich viele Chancen verpasst, mein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Die heute oftmals bemängelte fehlende Freiheit, Entscheidungen selbst treffen zu dürfen, wird uns spätestens dann einholen. Wir werden die Entscheidungen stärker denn je SELBST treffen müssen, das ist auch meine feste Überzeugung. Scheitern, aufstehen, weitermachen, verändern: das werden in stärkerem Maße die Berufsbiographien der nachwachsenden Generation beeinflussen. 8

Der Gründungspräsident der Zeppelin Universität Friedrichshafen – Stephan Jansen - hat dieses Jahr in einem Interview gesagt, dass diese Generation – sie wird übrigens in zwölf Jahren bereits 75 Prozent der Erwerbstätigen ausmachen – manche Personalabteilung auf die Probe stellen wird. Denn sie, die im digitalen Netz aufgewachsen sind, haben „frühere und genauere Selbstbeobachtung gelernt und achten stärker auf Selbstwirksamkeit, also: Was kommt bei dem, was ich tue, raus?“ (3) Ich persönlich glaube, das ist wahrscheinlich das Entwicklungsfeld, auf dem wir uns in der hauswirtschaftlichen Branche auch tummeln sollten, auf dem Feld der Selbstwirksamkeit. (3) Brand eins, 02/2013, S. 99, Auszug aus dem Artikel von Anne Morgenstern „Was glaubt der Nachwuchs“ Auch Jansen plädiert deshalb für veränderte Arbeitsräume, in denen Stichworte wie Sinnstiftung, Flexicurity (ein Mix aus Sicherheit und flexiblen Arbeitsrhythmen) , neue Formen der beruflichen Entwicklung außerhalb der klassischen Hierarchien und das Lernen in Netzwerken zu finden sind. Es klingt fast, als hätten sich Horx und Jansen abgesprochen, denn in einem sind sie sich einig: Mitarbeiter von Unternehmen werden ihre Aufgaben stärker selbst definieren wollen und können. Und das wiederum bedeutet, sich seiner Selbstwirksamkeit bewusst zu werden. Beginnen wir die Zukunft deshalb heute: Lassen Sie uns alle hier Signalträger der Hauswirtschaft werden, falls wir es noch nicht sein sollten. Horchen wir mal in uns hinein… Zum Abschluss unserer Tagung wollen wir mit Ihnen allen ein sichtbares Signal dieses tollen Netzwerkes setzen und haben dafür extra die Erlaubnis der Flugsicherheit eingeholt. Draußen im sog. Apfelhof erhält jeder von Ihnen einen roten Gasluftballon. Schreiben Sie kurz Ihren Namen aufs Kärtchen. Anonym wollten wir ja nicht mehr bleiben. Und dann zählen wir von zehn rückwärts und lassen alles gen Himmel aufsteigen. Ihnen allen wünsche ich eine gute Zeit bis zur nächsten Jahrestagung in Eisenach 2014. Wir werden uns immer wieder sehen. Sie sind ja jetzt nicht mehr zu übersehen: als Signalträger der Hauswirtschaft!

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