Erinnerungen an das Kriegsende im April 1945

Extrablatt Frühjahr 2005 Erinnerungen an das Kriegsende im April 1945 8 .Mai 1945, vor 60 Jahren, ist der Zweite Weltkrieg zu Ende gegangen. Die amt...
Author: Silke Heidrich
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Extrablatt

Frühjahr 2005

Erinnerungen an das Kriegsende im April 1945 8 .Mai 1945, vor 60 Jahren, ist der Zweite Weltkrieg zu Ende gegangen. Die amtierende Reichsregierung unter Hitlernachfolger Großadmiral Dönitz hatte tags zuvor die bedingungslose Kapitulation unterzeichnet. Der größte Teil des damaligen Deutschen Reiches war zu diesem Zeitpunkt bereits von feindlichen Truppen, Amerikanern, Engländern, Franzosen und Russen erobert und besetzt. Auch unser Heimatort stand zu diesem Zeitpunkt bereits 2 Wochen unter französischer Besatzung. Das Kriegsende war keineswegs mehr überraschend gekommen. Nachdem die amerikanischen, englischen und französischen Truppen am Ende des Jahres 1944 am Rhein standen und die Russen im Januar in Ostpreußen und Oberschlesien zum Angriff in Richtung Berlin ansetzten, konnte man das Ende absehen. Da nach dem missglückten Attentat auf Hitler am 20.Juli 1944 auch nicht mehr mit einem Waffenstillstand zu rechnen war, musste man davon ausgehen, dass der Feind ins Land und auch in unsere Heimat kam. Die bange Frage war, wie wird das ablaufen? Wird noch geschossen und gekämpft, Haus, Hof, das Dach über dem Kopf noch zerstört und zerschossen oder zerbombt werden? Dann standen ja noch viele Familienangehörige Väter, Brüder und Söhne an der Front. lebten sie überhaupt noch oder wie würden sie das Ende überleben. Eine große Zahl der bei den kämpfenden Truppen stehenden Soldaten, standen an der Ostfront den Russen gegenüber. Wie würde es ihnen ergehen?

Von Engländern, Amerikanern und auch den Franzosen wurde ein gütigeres Schicksal für unsere Soldaten erwartet. Im Frühjahr 1945 standen noch 81 Familienangehörige aus dem Ort bei der Wehrmacht oder deren Organisationen. Von 20 hatten bis dahin die Angehörigen die bittere amtliche Nachricht erhalten, dass sie gefallen waren. Vier waren amtlich als Vermisst gemeldet. Die Verbindungen zu den im Feld stehenden waren nur noch spärlich, denn Feldpost und Post funktionierten 1945 kaum mehr. Als Arbeitskräfte und Arbeitsersatz für die einberufenen Angehörigen waren sei t 1940 belgische und französische Kriegsgefangene auf verschiedenen Höfen und Anwesen eingesetzt. Diese mussten jeden Abend ins "Gefangenenlager" zum schlafen, von wo sie am anderen Morgen wieder zur Arbeit kamen. Für die meisten landw. Betriebe, 1945 waren es noch über 50 Anwesen im Ort, waren die Gefangenen unentbehrliche Arbeitskräfte und oftmals eine große Hilfe.

Zwangsarbeiter Als "Gefangenlager" diente das alte, 1963 abgebrochene "Meßmerhaus". Es stand in etwa dort, wo heute der Kindergarten steht. Ab 1942 waren polnische und später auch russische Landarbeiter und -arbeitrinnen als Arbeitskräfte in der Landwirtschaft hier im Ort eingesetzt. Bei Kriegsende waren etwa 20 belgische und französische und fast ebenso viele polnische und russische Arbeitskräfte im Ort beschäftigt. Das Verhältnis zu den Kriegsgefangenen und den Ostfremdarbeitern, wie Polen und Russen bezeichnet wurden, war meist familiär, oder zumindest nicht anders, als frührer zwischen Dienstboten und Arbeitgebern.

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Evakuierungen Weiter waren bei vielen Familien evakuierte aus den bombardierten Städten des Ruhrgebiets, Stuttgart, Ulm und Friedrichshafen untergebracht. Als zu Beginn des Jahres 1945 auf breiter Front am Rhein die Offensive begann, mussten dazu noch Flüchtlinge, vor allem Frauen und Kinder, vom Saarland Bruchsal, Rastatt und anderen Städten hier im Ort aufgenommen und untergebracht werden. Die Zahl der hier lebenden Personen war am Kriegsende fast doppelt so hoch als in den Vorkriegsjahren und der letzte bewohnbare Raum und das letzte Bett waren voll belegt. Der Frühling hatte 1945 schon früh seinen Einzug gehalten und bei schönem trockenem Wetter konnten schon Ende März Hafer und Gerste gesät und die Frühkartoffeln gepflanzt werden und man stellte sich die bange Frage, wie wird es sein, wenn man die Ernte einbringt? Dass bis dahin der Krieg auf irgendeine Weise zu Ende ging, zu Ende gehen musste, war sicher.

Bomben Der Ort selber hatte bis dahin den Krieg heil überstanden. Das Leid über die immer mehr ansteigende Zahl der jungen, hoffnungsvollen gefallenen Männer und der Vermissten teilte der Ort mit den Nachbarorten gleichermaßen. Berührungen mit dem Feind hatte man bis dahin lediglich aus der Luft gemacht. Schon seit dem Frühjahr 1944 zogen in steigendem Maße feindliche Bombergeschwader auch am hellen Tag und in großer Höhe, an manchen Tagen waren es über tausend, leicht erkennbar an den nachziehenden Kondensstreifen, über den Ort hinweg. Zunächst meist noch in Richtung München oder Augsburg. Nachts hatte es auch einige Male Fliegeralarm gegeben und manche suchten dann die als Luftschutzkeller ausgewiesenen Bierkeller an der Oberessendorferstraße auf. Einige Angst gab es, als einmal in der Nähe von Hochdorf und Degernau nachts Bomben im freien Feld einschlugen. Schon seit 1942 hatten feindliche Flugzeuge auch Flugblätter abgeworfen, die man dann in Wald und Feld fand und deren Inhalt man nicht verbreiten durfte und sofort abzuliefern waren. Am Sonntag, 16.Juli 1944 hörte man während des Gottesdienstes das zwar inzwischen bekannte Geräusch feindlicher Flugzeuge über den Wolken, das sich aber nicht wie sonst monoton fortsetzte, sondern durch seine Unterbrechungen Unruhe in der Kirche verursachte.

Als dann auch noch Bombeneinschläge zu hören waren, drängten die meisten Kirchgänger beunruhigt aus der Kirche hinaus, obwohl der Gottesdienst weiterging. Ein feindliches Flugzeug hatte über Steinhausen ein Bündel Sprengbomben abgeworfen, die am Ortsausgang Richtung Muttensweiler einschlugen. Einige Wohnhäuser erlitten kleinere Schäden. Verletzt wurde glücklicherweise niemand. Einen Eindruck vom Schrecken eines gezielten Bombenangriffes erhielt man als am 17.Dez.1944, dem 3.Adventsonntag gegen 21.00 Uhr Ulm bombardiert worden ist. Man hörte an diesem verhältnismäßig milden Sonntagabend die feindlichen Flugzeuge anfliegen und konnte erkennen, wie in der Ferne zunächst die so genannten "Christbäume", Zielmarkierungen für die nachfolgenden Bomberpulks in die Luft gesetzt wurden. Alsbald hörte man die Bombeneinschläge als fernes Rollen und darauf sah man auch den Feuerschein am Nachthimmel. Anderntags kamen von dort mit mehrere ausgebombte Familien hier im Ort bei Verwandten oder ein Obdach suchten.

Organisation Todt Sicher zum Glück für unseren Ort und die nähere Umgebung hat sich ein Vorgang entwickelt, der sich bereits im Frühjahr 1943 abgespielt hatte. Im Frühjahr 1943 waren auf dem Bahnhof Essendorf große Mengen Baumaterial, Baugeräte und Teile für Baubaracken eingetroffen und dort ausgeladen worden. Zum Teil nagelneue Planierraupen und Raupenbagger, wie man sie bisher kaum zu Gesicht bekommen hatte standen bereit oder wurden durch den Ort Richtung Ingoldingen transportiert. Vom Bahnhof aus war mit Fluchtstäben eine Linie über das Schiggenfeld ebenfalls Richtung Ingoldingen aufgesteckt gewesen. Angeblich für den Bau eines Bahngleisanschlußes in Richtung Ingoldingen. Angehörige der OT.("Organisation Todt") waren ins Ort und die Häuser verlegt worden und es ging das Gerücht um vom Bau einer kriegswichtigen Fabrik, die im Bereich des heute dort abgebauten Kiesgeländes entstehen sollte. Etwa 3 Wochen später wurden Material und Menschen wieder verladen und abtransportiert , nachdem im Mai ein "FieseIer Storch" auf dem "Kreuzacker" von V. Zinser, heute unterhalb des Ränkle für einige Stunden lang gelandet und dann wieder abgeflogen war. Noch bevor mit direkten Bauarbeiten begonnen worden war, wurde das Unternehmen

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abgeblasen, angeblich wegen dem im Bereich des Kiesgeländes auftretenden Grundwassers. Der Standort einer größeren Fabrikanlage wäre im weiteren Verlauf des Krieges sicher das Ziel feindlicher Luftangriffe geworden. Gefährlich wurden einige Male die ab dem Herbst 1944 zunehmenden Tieffliegerangriffe, die vor allem der Eisenbahnlinie und den Zügen galten. Etwa Anfang Sept.1944 wurde um die Mittagszeit kurz vor dem Bahnhof Wattenweiler die Lokomotive eines Güterzuges angegriffen und beschossen. Der Heizer oder Lokführer fand dabei den Tod, der Andere wurde schwer verletzt. In den ersten Oktobertagen 1944 wurde der "Acht UhrPersonenzug" Richtung Friedrichshafen kurz nach dem Bahnwärterhaus im Bachlet angegriffen. Vor allem im ersten Personenwagen nach der Lokomotive gab es über zehn Tote und eine Anzahl Verletzte. Wie viele es genau waren, hat man nicht erfahren. Die Personenzüge waren damals stets ziemlich voll gewesen. Mehrere male, bis zum Frühjahr 1945 ist der Bahnhof Essendorf von Tieffliegern mit Bordwaffen angegriffen worden. Auf der Höhe des früheren Bahnhof-Holzlagerplatzes waren zwei ausgediente französische Lokomotiven abgestellt gewesen, auf die immer wieder mit Bordwaffen gefeuert worden ist. Passiert ist dort zwar nie etwas, aber es war nie angenehm, vor allem mit einem Pferdegespann in der Nähe eines Tieffliegerangriffes zu sein.

Der Volkssturm Nach dem 20.Juli 1944 ist ein Wach- und Streifendienst eingeführt worden, der hauptsächlich nachts von 2 Männern mit einem Gewehr ohne Munition ausgeführt werden musste. Die Eisenbahnlinie und die Brücken sollten dabei besonders kontrolliert werden. Im Herbst 1944 waren die noch übrigen Männer zwischen 16 bis 60 Jahren im "Volkssturm" erfasst worden. Die "Ausbildung" für dieses "letzte Aufgebot" fand an den Sonntagen statt, wobei der Umgang mit der Panzerfaust und Karabiner von meist verwundeten Offizieren vorgeführt wurde. Der Volkssturm hat neben den Straßen, die aus dem Ort führten, an verdeckten Stellen so genannte Schützenlöcher ausheben müssen. Wenige Wochen vor Kriegsende wurden noch zwei Volkssturmmänner, einer im Alter von 50 Jahren einberufen. Am 28. Januar 1945 sind die damals kaum 17 Jahre alten Jugendlichen des Jahrganges 1928 noch zum RAD einberufen worden. Ende Febr. oder Anfang März 1945 ist an der Schule der Unterricht ganz eingestellt worden.

Er war schon vorher nur noch dürftig aufrecht erhalten worden.

WehrmeIdeamt Ludwigsburg In das Schulhaus zog darauf hin das WehrmeIdeamt Ludwigsburg mit seiner Büroeinrichtung und seinen Wehrmachtsbediensteten und einigen dort angestellten Frauen ein, die ebenfalls im Ort bei den Familien untergebracht werden mussten. Am 12.April vormittags 9.30 Uhr konnte man vom freien Feld aus den schweren' Luftangriff auf Biberach beobachten. Man sah die Maschinen im Pulk zusammen und einzeln in niedriger Höhe fliegen. und hörte wie die Bomben einschlugen. Die Bomben waren zwischen Ulmer Tor und der Kirche niedergegangen und hatten noch über 60 Menschenleben gefordert. Auch davon erfuhr man nur von den Leuten, die dort zur Arbeit hingefahren sind. Auch die Zugverbindungen waren bis April immer unregelmäßiger geworden. Die meist überfüll ten Züge waren ungeheizt und bei Nacht ohne Licht und die Fenster großen Teils mit Brettern vernagelt. Am Do.19. April konnte man am Radio noch die den "Endsieg“ verkündende Rede von Dr. Göbbels aus Anlaß von Hitlers Geburtstag hören. Am 20. April vernahm man am Abend schon Kanonendonner und teilweise Maschinengewehrfeuer aus dem Raume Saulgau und dem Donautal, wohin die Franzosen vorgedrungen waren. An diesem Tag war auch die aus Papiermangel auf ein Blatt geschrumpfte letzte Ausgabe der Tageszeitung erschienen. Die Radios im Ort waren noch die einzige Verbindung nach draußen. Diese brach dann auch ab, als am So.22.April der Strom ausgefallen ist. Das man sehr wahrscheinlich von französischen Truppen besetzt werden würde, stand zu diesem Zeitpunkt schon ziemlich sicher fest. In den kommenden Tagen drängten sich dann die Ereignisse.

Deutsche Soldaten Hauptsächlich in den Nächten zogen neben einigen Truppenresten auch Angehörige der Wlassowarmee und zivile Flüchtlinge durch den Ort immer in Richtung Oberessendorf. Als letzte deutsche Wehrmachtseinheit kam am Vormittag des 23. April, mit einem Wehrmachtlastwagen von Grodt her ein Trupp deutscher Soldaten in Halders Hof, heute Fachwerkhaus, die sich aber nicht lange

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aufhielten sondern bald, wie sie angaben, sich in Richtung Iller abzusetzen versuchten. Im Gespräch mit den Soldaten dieser Gruppe meinte eine hier evakuierte junge Frau, sie, die Soldaten sollten doch nicht mehr weitermachen. Der die Gruppe befehlende Leutnant trat auf die Frau zu und rief sie an: "Verschwinden sie hier, oder ich bringe sie wegen Wehrkraftzersetzung vor ein Standgericht". Im übrigen tauchten deutschen Soldaten nur noch versprengt, und meist in der Nacht hier im oder um den Ort auf um essen und trinken zu können und um dann eilends weiter zu ziehen um möglichst der Gefangenschaft, vor allem der französischen, zu entgehen. Die bisher uniformierten Bediensten beim WehrrneIdeamt Ludwigsburg, niedere und höhere Dienstgrade, hatten sich ebenfalls in diesen Tagen abzusetzen begonnen. Während man diese zuvor noch in ihren Uniformen gesehen hatte, tauchten sie nun zum Teil in nagelneuer Zivilkleidung auf und versuchten durch die feindlichen Linien, zu Fuß, oder manchmal besaßen sie auch ein Fahrrad, in ihre Heimat, meist im Raum Stuttgart, zu gelangen.

„Kriegsbeute“ Unser Ort lag zu diesem Zeitpunkt gewissermaßen im Niemandsland und in diesen Tagen öffneten sich auch die im Ort oder in der Umgebung bisher verdeckt gehaltenen Lager. Die teils nagelneue Kleidung der Wehrmeldeamtsbediensteten, so erfuhr man, stammte aus Unteressendorf aus einem dort ausgelagerten Depot eines Bekleidungshauses, das dort einen Teil seiner Herrenbekleidung ausgelagert hatte. Vom Bahnhof Essendorf kam die Nachricht, daß auf dem Bahnhofgelände ein Waggon Hochzucht-Futtersaaterbsen stehen geblieben sei. Am späten Abend, bei Dunkelheit fuhr ein Pferdefuhrwerk dahin, belud den Brückenwagen mit Erbsensäcken und - fuhr zurück ins Ort. Die Futtererbsen wurden an die Landwirte im Ort verteilt. Die Schreinerei Zinser ist während des Krieges stillgelegt gewesen. Alle dort Beschäftigten waren zur Wehrmacht eingezogen worden. Dort in der Werkstatt hatte die württ. Schuhmacheru. Sattlereinkaufsgenossenschaft mit Sitz in oder bei Stuttgart ihre bis dahin zwangsbewirtschafteten Vorräte an Leder, Zwilch und Nähgarn ausgelagert. Die Materialien dort sind in diesen Tagen wiederum auf mehrere Anwesen ausgelagert worden, um sie nicht in Feindeshand fallen zu lassen, wobei sie diesmal in Empfang genommen und versteckt wurden in der leisen

Hoffnung, daß sie vielleicht auch vergessen werden könnten. Ebenfalls noch am Vormittag des Mo. 23. April wurde in Oberessendorf beim "Hirsch" aus Beständen der "Organisation Todt" ein Pferdefuhrwerk von hier mit Holzschuhen, Handschuhen, Lederschuhen und -Stiefeln, Uniformteilen, eine größere Menge Regenschutzumhängen und anderen Kleidungsstücken beladen und hierher gefahren, und dann hinter dem "Lamm" mit dort eingelagerten Pelzwesten aus Kaninchen- und Katzenfellen und wattierten Westen und Hosen an die Leute hier verteilt. Alles Dinge die man nötig brauchen konnte und äußerst rar waren. Die Verteilung dieser "OT-Sachen" unterstand einem höheren OT.-Mann namens Knobel. Dieser besaß auch immer noch ein Motorrad und trug ab dem Abend des 23.April eine weiße Armbinde mit dem Aufdruck "Süddeutsche Freiheitsbewegung". Eine Anzahl nagelneuer Kradmäntel, damals äußerst wertvoll, war ebenfalls bei dieser Fuhre gewesen. Diese sollen angeblich die hiesigen französischen und belgischen Gefangenen erhalten haben. An diesem Mo.23. April hatte vormittags noch deutsche Artillerie die Straße von Muttensweiler nach Grodt beschossen. Am Abend erfuhr man dann, daß am Vormittag und Mittag in Steinhausen und Ingoldingen französische Panzer und Panzerspähwagen aufgetaucht waren und Ingoldingen bereits übergeben worden sei. Am Abend konnte man vom "Linseler" aus französische Panzer beobachten und rasseln hören, die von Degernau Richtung Biberach fuhren.

Der Einmarsch Am Mi.25.April war vormittags dann ein Trupp französischer Kriegsgefangener, der sich irgendwie bewaffnet hatte, auf einem gummibereiften Leiterwagen, der von einem Lanz-Aulendorf-Schlepper, mit einem zivilen deutschen Fahrer, gezogen worden ist, von Winterstettendorf her zum Stadelhof unterwegs. Im Stadelhof saßen zur gleichen Zeit noch einige deutsche Soldaten die ein pferdebespanntes Fahrzeug im Hof stehen hatten, in der Stube beim Vespern. Die Franzosen drangen in die Stube ein. Einer der deutschen Soldaten soll nach seinem Karabiner gegriffen haben. Sicher ist, daß die Franzosen in der Stube auf die Deutschen geschossen haben und einer davon getroffen wurde und schwer verletzt darauf gestorben ist. Es war dies der Soldat Karl Schwarz, der hier auf dem Friedhof vor der Friedhofkappelle seine letzte Ruhestatt gefunden hat.

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Ein weiterer hatte einen Armdurchschuss erhalten. Die Franzosen nahmen die Deutschen als Gefangene mit und fuhren mit ihnen weiter bis zu unserem Ortseingang, dort wo die Straße von Ingoldingen her einmündet. Von dort aus jagte der Anführer eine Maschinenpistolensalve durch den Ort, die im "Adler" eingeschlagen hat.

Die Übergabe Teilweise hingen im Ort schon weiße Fahnen aus den Fenstern. Im Schulhof blieb das Fahrzeug mit den Gefangenen unter Bewachung stehen und die anderen unter ihrem Anführer, mit der Maschinenpistole bewaffnet, gingen weiter zum Rathaus. Im Rathaus wurde der Ort dann den Franzosen übergeben. Der Hergang dieser Übergabe ließ sich nicht mehr im Einzelnen rekonstruieren. Sicher ist, daß die im Rathaussaal aufgestellte Hitlerbüste vorn Sockel geholt und auf die Straße geworfen wurde. wo der bronzierte Gipskopf zerbrochen neben der Straße lag. Die hinter der Büste aufgestellten Hackenkreuzflaggen wurden ebenfalls zusammengerollt aus dem Rathaus getragen und in den damals gemeindeeigenen Bräuhauskeller, heute Haus Meseck, geworfen. Herr Georg Mohr (Vater von Eugen Mohr) war stellv. Bürgermeister und mußte Bürgermeister Scheffold aus Oberessendorf vertreten. Schon einige Tage vor der Übergabe ist bei Familie Mohr ein Übergabe-Schreiben der Landkreisverwaltung gelegen, auf welchem die Übergabe des Ortes gemäß der "Haager Landkriegsordnung" formuliert war. Herr Mohr u. Sebastian Zinser haben das Rathaus im Rathaus den Franzosen übergeben. Sebastian Zinser musste die Übergabe Ausschellen. Bei diesem Vorgang hat ihn einer der bewaffneten Franzosen mit Gewehr begleitet. Einer der hiesigen Kriegsgefangenen hat nach dieser Übergabe an die Eingangstür vorn "Adler" die Trikolore genagelt Der verwundete deutsche Soldat bei der Schule durfte von einer hier evakuierten Krankenschwester ordentlich verbunden werden. Als erster Befehl der Franzosen wurde durch Ausschellen im Ort bekannt gegeben, daß sämtliche Waffen, Munition, Fotoapparate, Ferngläser und Radios sofort auf dem Rathaus abzuliefern seien. Deutsche Soldaten dürften nicht mehr aufgenommen oder Verpflegt werden. Wer dem Befehl zuwiderhandelt wird erschossen. Für die Bevölkerung wurde eine nächtliche

Ausgangsperre befohlen. Zuerst von abends 18.00 Uhr bis morgens 7.00 Uhr und später von 20.00 Uhr bis 6.00 Uhr. Die bisher Kriegsgefangenen Franzosen hatten Waffen erhalten und bildeten für einige Tage die Besatzung hier. Nach einigen Tagen kamen sie nach Biberach, von wo sie dann heimkehren konnten. Zumindest an diesem Übergabetag hatte sich das gute Verhältnis, das schon in den Kriegsjahren zwischen den Gefangenen und der Bevölkerung geherrscht hatte bewährt. Die von den Besatzern geforderten Dinge wurden großen Teils auf dem Rathaus abgegeben. Einige deutsche Soldaten, die sich ebenfalls noch im Ort befanden, suchten durch Obstgärten hindurch weiterzukommen. Zu Widerstand oder zu einem aufeinander treffen zwischen deutschen Soldaten und den Franzosen kam es glücklicherweise nicht. Es fanden glücklicherweise auch keine weiteren Gefechte mehr außerhalb des Ortes statt. Man hoffte, dass damit dieser letzte Teil des Krieges für den Ort glimpflich abgelaufen sei. Am Donnerstag 26. April ist der gefallene Karl Schwarz beerdigt worden. Weil kein Schreiner im Ort war, mußte Wagnermeister Paul Strobel für ihn einen Sarg anfertigen. Am Frei.27.April kamen am späten Nachmittag von Ingoldingen her französische Panzer angerollt. Die erste Kolonne fuhr weiter in Richtung Winterstettendorf und die zweite Kolonne fuhr durch den Ort weiter in Richtung Oberessendorf. Die Leute standen an der Straße und sahen mehr oder weniger beeindruckt zu. Passiert ist nichts, außer daß die Nachhut im Mühlekanal einige Enten zur Bereicherung ihres Speisezettels geschossen hatte. Am Sa. 28. April kam französische Infanterie, durchweg junge Franzosen, hier ins Quartier. Sie verhielten sich ziemlich korrekt und verlangten von den Quartierleuten neben Betten hauptsächlich warmes Essen und Trinken, Eier mit Speck und Most. Schnaps wurde auch verlangt, aber dieser war, wenn man solchen besaß, meist irgendwo vergraben worden. Am Sonntag sah man einige der Soldaten und einen der Offizier beim Gottesdienst in der Kirche. Bevor diese Truppe abzog kam der Befehl, daß alle Fahrräder und Motorräder beim Bräuhaus abgeliefert werden müssen. Die Soldaten suchten sich davon die besten aus und fuhren auf ihnen davon. In der Woche nach So. 29. April zog dann französische Artillerie mit Fahrzeugen und

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mehreren Geschützen hier ein. Darunter waren auch pechschwarze Afrikaner. Diese Truppe schlief nicht in den Häusern, aber sie kamen tags über ins Haus und verlangten Essen und Most. Man gab den Franzosen was sie begehrten, zumeist in der Hoffnung, daß auch die eigenen Angehörigen draußen in einem ungewissen Schicksal irgendwo her ein Stück Brot bekommen würden. Diese Truppe war ebenfalls nur wenige Tage hier und als sie mit ihren Fahrzeugen aus dem Ort weg zogen, schwenkte ein Soldat von einem der Fahrzeuge aus die Fahne des hiesigen Kriegervereins, die 1910 geweiht worden war und die auf einer Seite das eingestickte Bild von St.Michael und auf der anderen das Gemeindewappen trug. Die Fahne hatte sich vermutlich in der Schule befunden und dort waren Soldaten dieser Truppe einquartiert gewesen. Der Musikverein besaß vor dem Krieg für die Fasnetsumzüge verschiedene Tierköpfe, Hennen, Hahn, Esel, Enten und anderes. Diese Köpfe hatten sich ebenfalls in der Schule befunden und die Soldaten hatten sich dieselben aufgesetzt als sie aus dem Ort abzogen und von ihren Lastwagen winkten. Diese Truppe hatte sich in ihrem Auftreten wesentlich mehr Freiheiten erlaubt als die erste Einquartierung, aber direkte Übergriffe sind nicht bekannt geworden. Von diesen, oder schon von den vorhergehenden Truppen war der 1937 in Zwangsruhestand versetzte Bürgermeister F.J. Müller als ziviler Bevollmächtigter für die Gemeinde eingesetzt worden. Auch dieser Vorgang ließ sich nicht mehr genau rekonstruieren.

Die Marrokaner Am Sa.05. und So.6.Mai kamen von Schussenried und Muttensweiler her durch Karreswald und Schwende marokkanische Truppen gezogen. Es waren fremd anmutende dunkelbraune Männer in langen gelbbraun gestreiften Kapuzenmänteln und meist den Turban auf dem Kopf. Andere waren bis auf ein kleines Haarbüschel am Hinterkopf kahl geschoren. Diese Soldaten führten Eselskarren und voll bepackte Maulesel und zum Teil auch Pferde in ihrem Tross mit. Die Vorhut lagerte im "Wolfsgarten" im zu der Zeit schon hohen Gras und in den Rotkleeäckern. Die anderen zogen weiter ins Dorf. Befehligt wurden sie von französischen Offizieren. Die niederen Dienstgrade waren ebenfalls Farbige.

Diese Truppe zog mit ihren Zug- u. Lasttieren in den Scheuern und Schöpfen im Ort ein und sie schliefen und lagerten auch dort und in den Höfen und Gärten. In den Wohnungen durften die Farbigen kein Quartier nehmen. Die Offiziere waren im "Lamm" und teils auch anderen Privathäusern einquartiert und im Rathaus befand sich eine Ortskommandantur. Bei ihrem Einzug hatten sie einige Kühe mitgebracht und eine davon geschlachtet, die sie dann am Bach bei der Mühle einfach liegen ließen, als sie sich mit den besten Stücken bedient hatten. Das restliche Fleisch, es war Notzeit, wurde von Bürgermeister Müller dann an die Leute ohne Landwirtschaft, damals hieß es auch „ohne Selbstversorgung“, verteilt. Eine kleine Schafherde hatten sie ebenfalls mitgebracht, aus der sie sich auch mit Frischfleisch versorgten. Daneben passte insbesondere Geflügel in ihren Speisezettel und dasselbe konnte in der Regel nicht mehr frei laufen, weil es sonst schnell gefehlt hat. Hühner und Schaffleisch wurde von den Marokkanern an offenen Feuern gebraten, das sie nicht nur im Freien sondern zum Entsetzen einiger Hausbesitzer auch in den Scheuern unterhalten haben. Schweineställe wurden fast furchtsam gemieden. Dagegen war frische Milch ebenfalls gefragt. Milch konnte seit den Tagen der Besetzung nicht mehr an die Molkerei abgeliefert werden, weil der dort anfallende Rahm nicht mehr abgeholt worden ist und so wurde in diesen Wochen die täglich anfallende Milch in den Haushalten selbst verwertet. Kindern gegenüber waren die Marokkaner freundlich und freigebig. Einige der Männer hatten auch eine Violine dabei, auf denen sie stundenlang fremde eintönige Melodien fiedelten. Wie aus einem langen Schal geradezu zeremoniell um den Kopf ein Turban entstand, konnte man auch sehen. Ihr Ausspruch "la Querre nix gut" war eines der wenigen Wörter auf die man sich verständigen konnte und mit ihnen auch einer Meinung war. Alleinstehende Frauen und Mädchen sind vor Gewalttätigkeiten gewarnt worden und konnten sich nachts in eine bewachte Sammelunterkunft bei Bürgermeister Müller begeben. Insgesamt dürften es mindestens 700 Mann gewesen sein, die in diesen Tagen mit ihrem Tross im Ort gelagert haben. Außer den fehlenden Hühnern sind im Ort keine Übergriffe oder Gewalttätigkeiten bekannt geworden. Von dieser Truppe erfuhr man dann am 8.Mai auch "la guerre est fini" – „Der Krieg ist aus". Am Abend des 8.Mai feierten die Marokkaner den Sieg hauptsächlich mit einer länger anhaltenden Knallerei in die Luft. Neben einer

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berechtigten Furcht vor dem Geknalle, teilweise mit Leuchtspurmunition, entstand Schaden dadurch, dass eine Stromleitung abgeschossen wurde und auf dem Boden lag. Dieselbe ist dann schon bereits am Tag darauf von Monteuren der damaligen OEW wieder instand gesetzt worden. Zu dieser Siegesfeier am Abend musste auch die einzige noch auf dem Kirchturm verbliebene alte Glocke aus dem Jahre 1490 geläutet werden.

Adolf Stern Am Abend dieses Tages war dann noch ein weiteres Todesopfer zu beklagen. Der 14 Jahre alte Adolf Stern hatte bei den im elterlichen Hof lagernden Marokkanern eine Eierhandgranate gefunden und sicher aus Unkenntnis an ihr herumhantiert und dabei den Tod gefunden. Diese marokkanischen Truppen sind dann bereits ab 8.Mai laufend auf dem Bahnhof Essendorf auf Züge verladen und abtransportiert worden. Wenn es auch im Ort selber zu keinen Gewalttätigkeiten gekommen ist, so atmete die ganze Bevölkerung nach dem Abzug erleichtert auf und war recht froh, daß man unbefangen seiner Arbeit nachgehen konnte. Es war dies die letzte reguläre Besatzung im Ort gewesen.

Nochmals: „Kriegsbeute“ In den Tagen, nachdem diese Truppen abgezogen waren, der Zeitpunkt konnte auch nicht mehr genau ermittelt werden, gab es eine neue Überraschung im Ort, vor allem für die Häuser, in denen Leder und andere Materialien aus der Schreinerei Zinser eingelagert worden waren. Von Winterstettendorf kamen unter Deckung franz. Militärpolizei der ehemalige OT.Chargierte Knobel mit zivilen Helfern und diese suchten gezielt nach den Häusern, in die solches Material verbracht worden war. Als diese Kunde durch den Ort ging, versuchte noch mancher "Lederaufbewahrer" aus den großen Lederrollen einige Häute für seinen Bedarf herauszuziehen. Als man versuchte von den Zwilchrollen einen "Eigenbedarf" abzurollen, entdeckte man darin ein mit aufgewickeltes Maßband, von dem man unschwer die Menge des abgerollten Materials abzulesen vermochte. Doch trotzdem wurde verschiedentlich "abgewickelt" und die Rollen wieder sauber verpackt abgegeben. Die dann zurückgegebenen Materialien wurden auf ein Pferdefuhrwerk aus Winterstettendorf verladen. Da nach berechtigter Meinung von

Herrn Knobel dann ziemlich Material fehlte, tobte dieser zwar, aber zu weiteren Durchsuchungen oder gar Repressalien kam es deswegen nicht. Die Militärpolizei hatte sich verhältnismäßig passiv verhalten und es wußte auch niemand, woher dieselbe gekommen war. Das Fuhrwerk fuhr nach Winterstettendorf zurück, und was dort mit dem Material geschah weiß niemand. Im Jahre 1953 hat Bürgermeister A. Harsch zu den Ereignissen zum Kriegsende hier in einem Fragebogen folgende Anmerkung gemacht: "Von der OT.(Organisation Todt) waren versprengte im Ort u.a. einer namens Knobel, welcher sich mit einem Nichtarier Jakobs, einem Müller aus Waldsee zusammentat, bildeten den Schrecken der Umgebung. Dieselben legten sich den Namen "Deutsche Freiheitskämpfer" bei und verübten unter Deckung der Besatzungstruppen Erpressungen und Plünderungen". Vor allem in den Nächten, aber auch am Tage wenn man auf dem Feld oder im Wald arbeitete, tauchten im ganzen Monat Mai über, und vereinzelt bis Mitte Juni immer noch deutsche Soldaten auf. Manche noch bewaffnet, andere ohne Waffen. Sie wollten nach Hause und der Gefangenschaft entgehen. Die Eisenbahnlinie diente oftmals als Orientierungspunkt und unser Ort und die Häuser direkt daran liegend wurden als Stützund Versorgungspunkt genutzt. Franzosen begegnete man draußen in Feld und Wald ebenfalls manchmal, aber die machten vorrangig Jagd auf Rehe.

Warten auf Angehörige Auch wenn man in Gefahr stand, große Schwierigkeiten und Repressalien mit der Besatzung oder wenn keine solche da war, mit deren Dienststellen zubekommen, teilte man auch die hier im Dorf knapp werdenden Lebensmittel mit den auftauchenden Soldaten. Wartete doch fast jede Familie auf ein Lebenszeichen oder die Heimkehr eines oder mehrer Angehöriger. Bereits in den letzten Tagen vor und in den Tagen nach Kriegsende hatten sich einige wenige Soldaten von hier bis in die Heimat durchschlagen können. Manche waren in der Nähe im Lazarett gelegen und kamen noch nicht ausgeheilt nach Hause. Andere waren mit ihrer Einheit in der näheren oder weiteren Umgebung gelandet und vermochten sich abzusetzen. Einigen gelang es aus den Eisenbahnwaggons abzuspringen, als sie als Gefangene auf der Bahn am Ort vorbei transportiert worden sind.

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Wieder andere gerieten noch kurz vor ihrem Heimatort in Gefangenschaft, die bei den Franzosen noch Jahre dauern konnte. Die Wenigen, die schon in den April u. Maitagen bis nach Hause durchgekommen waren, durften sich kaum aus dem Haus wagen und mußten sich über Wochen hin in den Häusern oder draußen in Feldscheuern verstecken, bis die Luft im Ort rein, von Besatzung frei, war. Nach dem Abzug der Marokkaner hat es im Ort keine ständige Besatzung mehr gegeben, aber die Aufnahme deutscher Soldaten stand bei den Franzosen weiterhin unter schwerer Strafe und nicht nur die Heimgekehrten, sondern auch die Angehörigen konnten in große Schwierigkeiten kommen weil die Heimgekehrten meist immer noch als Wehrmachtsangehörige galten und in den wenigsten Fällen von ihren letzten deutschen Einheiten; Entlassungspapiere erhalten hatten. Dazu soll festgehalten sein, daß es während dieser schweren Zeit weder aus solchem noch aus anderem Anlass im Ort nie zu Denunziationen gekommen ist.

Grenze in Oberschwaben Zeitgleich mit den Franzosen in unseren Raum, waren auch die Amerikaner nach Ulm und ins Illertal vorgestoßen und diese hielten ihre eroberten Räume besetzt. Schon mitte Mai war zwischen Franzosen und Amerikanern eine Grenze als amerikanische und französische Besatzungszonen vereinbart worden, die dann im Juli in etwa Deckungsgleich mit den Oberamtsgrenzen geworden war. Die Amerikaner waren insgesamt großzügiger mit der Entlassung der gefangenen deutschen Soldaten verfahren. Die amerikanischen Entlassungspapiere sind aber von den Franzosen erst zögernd anerkannt worden und vor allem jüngere Soldaten die von den "Amis" entlassen wurden, standen noch bis Ende 1945 in Gefahr, in französische Gefangenschaft zu kommen. Bis August 1945 saßen mehrere Soldaten von hier im Raum Laupheim an der „Grenze“ zur französischen Besatzungszone fest und konnten erst nach Hause, als die Franzosen dann die amerikanischen Entlassungspapiere akzeptierten.

Polen und Russen Im Gegensatz zu den hier im Krieg eingesetzten Kriegsgefangenen Franzosen und Belgier sind die Ostarbeiter, vor allem die Polen nach der Besetzung nicht immer in angenehmer Erinnerung geblieben. Die Russen und Ukrainer fielen hier weniger auf. Dieselben sind auch ziemlich früh zurückgeführt worden.

In Unteressendorf war in den ersten Kriegsjahren auf dem Gelände wo sich heute die Fa. Schott befindet, ein Barackenlager für den weiblichen RAD (Reichsarbeitsdienst) eingerichtet worden, das dann bei Kriegsende leerstand. Dort zogen bald nach der Besetzung der größte Teil der Polen und Polinnen aus der Umgebung ein. Die Polen hatten sich bewaffnet und holten vor allem in den ersten Wochen nach Kriegsende gewaltätigerweise auf Einzelhöfen und Weilern das was sie brauchten. Zu Recht oder Unrecht, danach zu fragen wäre zumindest in den ersten Wochen müßig gewesen. Hier im Ort selber kam es zu nächtlichen Überfällen auf das hiesige Pfarrhaus und das "Lamm". Beim Lammwirt Sproll holten sie dessen bis dahin stehen gebliebenes Auto, einen DKW. Was im Pfarrhaus gesucht wurde, wo außer Pfarrpensionär Jakob Düchs noch ein evakuiertes Ehepaar(Erwin Stiefel, Rechts- u. Erziehungsberater) aus Stuttgart wohnten, ist nicht bekannt. Im ganzen Ort in nicht angenehmer Erinnerung geblieben ist der 30. Mai, der Mittwoch vor dem Fronleichnamsfest 1945. Am späten Nachmittag waren im Ort auf französischen Lastwagen eine größere Anzahl Polen, gedeckt von Franzosen erschienen und begannen Haus für Haus zu durchsuchen, angeblich nach den von den OT.-Leuten ausgegebenen Kleidungsstücken. Bei diesen Durchsuchungen ist mehrmals aus geringfügigem Anlass Personen gegenüber ziemlich rücksichtslos vorgegangen worden. Außerdem wurden in den Häusern Schränke und Kästen aufgerissen und oftmals Kleider und Wäsche auf den Boden geworfen und zertrampelt. Was als brauchbar angesehen wurde, teilweise auch Uhren und Schmuck, wurde mitgenommen und dann abtransportiert. Woher die Polen mit ihrer französischen Deckung kamen, aus dem Lager in Unteressendorf oder sonst wo hat man nie erfahren. Man hatte den Eindruck, daß die Franzosen den Polen diese rigorose Durchsuchung erlaubt hatten, damit diese sich gewissermaßen schadlos halten konnten. Polen die hier im Ort gearbeitet hatten, waren bei dieser Aktion nicht dabei gewesen. Das Auftreten der Polen gegenüber ihren ehemaligen Dienstherren und gegenüber der Bevölkerung war unterschiedlich. Während sich Einzelne noch längere Zeit nach Kriegsende bei ihren früheren Arbeitgebern aufhielten und dort auch arbeiteten, war der große Teil ins Polenlager nach Unteressendorf umgezogen.

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Wieder andere, vor allem Frauen, wurden von ihren Landsleuten mehr oder weniger genötigt, dorthin ins "Lager" zu gehen.

Flüchtlingshilfsorganisation Ab Frühherbst 1945 sind die Polen von der "UNRRA" versorgt worden, einer Flüchtlingshilfsorganisation für nichtdeutsche Flüchtlinge der im Juni 1945 neu entstandenen UN. In Biberach befand sich eine UNRRA-Stelle und Bauern von Unteressendorf mussten noch bis Ende 1946 jede Woche Fuhrwerke stellen um nach Biberach zufahren und dort für die Polen die Verpflegung holen.

Passierscheine Seit der Ortsübergabe hat neben der nächtlichen Ausgehsperre auch das Verbot, sich nicht außerhalb des Gemeindebereichs zu begeben, außer zu Feldarbeiten, bestanden. Wer nach auswärts, etwa nach Biberach wollte, brauchte einen Passierschein dazu. Passierscheine für auswärtige Besorgungen stellte auch Bürgermeister Müller aus. Ob er dazu befugt war weiß man nicht mehr. Jedenfalls geschah dies in der Absicht, Einwohnern zu helfen und das hatte für ihn ein böses Nachspiel. Mitte Juni wurde er von den Franzosen verhaftet und ins Lager Birkendorf verbracht, wo er mit den dort inhaftierten politischen Häftlingen bis November 1945 festgehalten und dort gleich "gut" wie diese behandelt worden ist. In einer Gerichtsverhandlung am 29.Juni vor dem damaligen franz. Militärgericht in Biberach war ihm vorgeworfen worden, mit den ausgestellten Passierscheinen den Widerstand gegen die Besatzungsmacht begünstigt zu haben. Bei dem Urteil hatte auch (der spätere SPD-Politiker Fritz Erler (gest. 1964) mitgewirkt. Er war damals von den Franzosen als Landrat in Biberach eingesetzt gewesen. Für eine Begnadigung von BM Müller hatte sich der damalige Pfarrer Rothmund eingesetzt. Die Kirche und die Pfarrer waren damals die einzigen Instanzen, die in solchen Fällen noch etwas zu erreichen vermochten. Durch die Haftzeit gesundheitlich sehr angeschlagen ist BM. F.J. Müller im Nov. 1945 entlassen worden. Nach der Verhaftung von BM Müller war Anton Marx als Bürgermeister eingesetzt worden, der dieses damals äußerst schwierige Amt bis Juli 1945 versah. Ab August amtierte dann der spätere BM. Anton Harsch im Rathaus. Verhältnismäßig früh verkehrten auf der Bahnlinie Ulm-

Friedrichshafen wieder Züge. Die Lokomotiven sind aus Mangel an Kohle großenteils mit dem Papierholz, welches vielfach auf den Bahnhöfen lagerte, beheizt worden. Mit den ersten Zügen die am Bahnhof Essendorf zunächst noch unregelmäßig halt machten, versuchten die Evakuierten aus dem Rhein- u. Ruhrgebiet, Saarland und Oberrhein wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Diese Heimkehr in eine oft zerstörte Heimat, in überfüllten Personen- und Viehwaggons dauerte oft mehrere Tage und war mit allerlei Schwierigkeiten verbunden. Aber diese Leute konnten zumindest wieder in ihre Heimat zurückkehren. In der Landwirtschaft fehlten vor allem in der sommerlichen Erntezeit vielfach noch Arbeitskräfte. Im August durften vorn Kriegsgefangenenlager in Biberach gefangene. deutsche Soldaten in den umliegenden Dörfern für sechs Wochen bei den Bauern zur Arbeit eingesetzt werden. Etwa 15 kamen auch hierher. Mit einem Pferdefuhrwerk von hier sind sie am Lager in Biberach abgeholt worden. Sie aßen und schliefen bei ihren Arbeitgebern. Daß diese Situation, Gefangener im eigenen Land zu sein, bei manchen Soldaten Fluchtgedanken weckte ist verständlich. Doch die von den Franzosen festgesetzten Strafen für einen entwichenen Gefangenen waren für die gesamte Bevölkerung so hoch, daß es zumindest hier im Ort zu keiner Flucht gekommen ist. Nach diesem Arbeitseinsatz mußten sie wieder ins Lager nach Biberach gefahren werden. Von dort wurden sie nach wenigen Tagen weiter nach Frankreich transportiert von wo sie oft erst in den Jahren 1947/48 entlassen wurden.

Hamster Die Versorgungslage mit Lebensmitteln, Kleidung und anderen Dingen des täglichen Lebens war schon in den letzten Kriegsjahren schlecht gewesen. Nach der Besetzung wurde sie noch schlechter. Hier auf dem Land brauchte zwar selten jemand direkten Hunger leiden, aber nun forderte auch die Besatzungsmacht ihren Anteil. Zu den festgelegten Ablieferungen an Schlachtvieh, Schweinen, Milch, Getreide und Kartoffeln kamen oft noch zusätzliche Forderungen, die von den Kommandanturen auf die örtlichen Rathäuser weitergegeben wurden und von diesen unter Androhung von Zwangsmaßnahmen zu erfüllen waren. Eier und Geflügel mußten oftmals kurzfristig beschafft werden und auch Kleidungsstücke und Wäsche mußten bereitgestellt werden.

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Neben Schlachtvieh ist auch Nutzvieh, trächtige Jungkühe und Kalbinnen von einer franz. Kommission ausgesucht und beschlagnahmt worden. Im November war in Schussenried eine Pferdemusterung bei welcher von dem schon durch den Krieg dezimierten Pferdebestand die Besten ausgesucht und abgeliefert werden mußten. Im Winter 1945/46 mußte jedes 10. Bienenvolk abgeliefert werden. Die Abgaben waren oft drückend, aber eine unzerstörte Heimat war uns geblieben. In unseren vom Krieg wenig betroffenen Raum sind in den Nachkriegsjahren hauptsächlich mit der Bahn bis 1948 viele hungrige Menschen aus den Städten gekommen, um Essbares, Fett, Kartoffeln, Mehl, oder auch Futtererbsen zu ergattern oder einzutauschen. Mit diesen Gütern im Rucksack oder Handgepäck fuhren sie, oft von weit her gekommen, wieder nach Hause. Dieses so genannte "Hamstern" war aber verboten und mancher oder manche "Hamsterin" büßte auf der Heimfahrt bei einer Kontrolle das mühselig Erworbene wieder ein.

Kriegsgefangenschaft und Tod Die unterschiedlichen Schicksale der Angehörigen die den Zusammenbruch im Felde erlebt hatten klärten sich nur zögernd auf. Die Sorge um sie war groß. Ende Sept.1945 konnte die Post wieder den Dienst aufnehmen und mit ihr kamen dann. vermehrt Lebenszeichen, vor allem aus den Gefangenenlagern der Briten, Amerikanern und Franzosen. Aus russischer Gefangenschaft waren bis Ende des Jahres 1945 auch einige Angehörige, teils verwundet und krank, heimgekehrt. Andere konnten erst im laufe der Jahre 1946-49 heimkehren. Als letzter aus unserem Dorf ist Hubert Hopp am 31.Mai 1949 aus Rußland heimgekehrt. Von sechs Angehörigen kam kein Lebenszeichen und keine Nachricht mehr. Sie gelten als vermisst. Außer den 6 Vermissten mit ungeklärtem Schicksal hatte der Krieg 22 Gefallene Väter und Männer, Brüder und Söhne aus unserem Ort gefordert. Die meisten davon starben in Rußland. Der Jüngste, Franz Harsch war 20 Jahre alt als er in Rußland gefallen ist. Der Älteste, Otto Müller blieb mit 48 Jahren als Volkssturmmann in Ostpreußen vermißt. Laut Standesamt ist als letzter Kriegsteilnehmer Josef Zinser (Schlossers) noch am 28.April 1945 in Berlin gefallen. Die Schicksale der nahezu hundert heimgekehrten Kriegsteilnehmer, die als Jugendliche oder Männer oft zehn und mehr

Jahre ihres Lebens in Krieg und Gefangenschaft zugebracht haben, das ist ein weiteres Kapitel aus dieser Zeit, an das am Ende dieses Berichtes auch erinnert sein soll.

Zigeuner Nach so langer Zeit noch wirklichkeitsgetreu über einen Vorgang zu berichten ist nicht leicht. Aber es ist mir während meiner Dienstzeit im Rathaus ein Vorgang aus den Kriegsjahren ins Gedächtnis gerufen worden, dessen Zusammenhänge mir erst nachträglich klar geworden sind. Unter den Geschehnissen der Kriegsjahre darf man ihn wohl auch deshalb als denkwürdigen betrachten, weil das schwere Schicksal der Betroffenen eigentlich erst nachträglich ins Bewusstsein gerufen worden ist. Im Juni 1969 erging vom "Landesamt für Wiedergutmachunng Baden Württemberg" an das hiesige Bürgermeisteramt eine Anfrage wegen der hier wohnhaften Emilie Christina Reinhardt geb. Kreuzer, geb.am 28.Febr.1913 in Heideren/Elsass. 1913 war das Elsass deutsches Staatsgebiet gewesen. In dem Schreiben wurde angeführt, daß Frau Reinhardt 1942 hier wohnhaft gewesen sei. Am 12.März 1943 sei sie hier verhaftet und anschließend in ein Konzentrationslager verbracht worden. Am 11.Apri1945 sei aus dem KZ Buchenwald entlassen worden. Außer den Fragen nach polizeilicher Anmeldung in W. und nach der Staatsangehörigkeit war am Schluss noch vermerkt, die Antragstellerin gehöre zum Volksstamm der Zigeuner. Bei der Suche nach Unterlagen zu diesem Vorgang fiel mir ein Schriftstück aus dem Jahre 1943 in die Hände, das Erinnerung an zwei Zigeunerfamilien weckte, die zumindest im Herbst 1942 beim Bahnhof Essendorf in einer Holzbaracke, ca. 6x4 m in der Grundfläche, gewohnt haben. Die Baracke hat auf dem ehemaligen Holzlagerplatz beim Bahnhof gestanden. Die Leute in der Baracke, Männer, Frauen und Kinder mußten mit der Handsäge das dort lagernde Stangenholz zu Grubenholz, 3 m lang aufbereiten und in Eisenbahnwaggon verladen. Mit den Menschen im Ort hatten die Leute eigentlich keinen Kontakt und waren auch vorher hier nicht bekannt gewesen.. Es kamen lediglich, meist gegen Abend einige Mädchen, etwa 12 bis 14 Jahre alt in einige Häuser. Die Mädchen bettelten nicht, aber sie sangen in den Häusern und spielten dazu auf ihren Gitarren und waren schon für ein Stück Brot recht dankbar. Diese Kinder sind noch einigen Personen hier in Erinnerung.

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Als das Holz hier auf dem Bahnhof aufbereitet war, mußten die Leute täglich mit dem Zug in der Frühe nach Wolfegg fahren und dort ebenfalls Grubenholz aufbereiten. Darüber kann ich aus eigenem Erleben berichten, weil ich im Winter 1942/43 in Waldsee die Landwirtschaftsschule besucht habe und auch mit dem Zug nach Waldsee gefahren bin. Die Leute sind am Morgen mit mir in den Zug gestiegen und fuhren am Abend zur gleichen Zeit zurück. Auf der Fahrt in der Eisenbahn sind die Leute besonders deshalb aufgefallen, weil sie auf ihren Musikinstrumenten, Violinen, Mandolinen und Gitarren, während der ganzen Fahrt, Musik gemacht haben. Die Musik hat mich angezogen und ich saß meist in der Nähe der Leute und kam mit ihnen ab zu auch ins Gespräch. Die Musikinstrumente haben sie neben ihren Handsägen, Beilen, Zapis u.a. immer auch mitgeführt und Musik gemacht. Ob sie schon von einem schlimmen Schicksal eine Ahnung hatten, vermag ich nicht zu beurteilen. Die Zigeuner, seit eh und je ein fahrendes Volk, mussten schon einige Jahre vor dem Krieg einen festen Wohnsitz haben. Der Holzlagerplatz auf dem die Baracke stand, ist noch hiesige Markung. Sie dürfte den Leuten zwangsweise als Wohnung zugewiesen worden sein. Es muß einige Zeit vor dem 12.März 1943 gewesen sein, als die zwei Familienväter gefesselt, die Hände auf dem Rücken und jeder von zwei Polizisten an einem Strick dahinter geruhet, an einem Sonntagmittag von der Baracke weg in Richtung Bahnhof abgeführt worden sind. An diesem Sonntagnachmittag war ich und Paul Maucher hinter den Bahngeleisen übers "Schiggenfeid" vom Lindenweiher zurück nach Hause gegangen. Wir waren dort beim fischen gewesen. Zufällig wurden wir von der Verhaftung der beiden Männer Augenzeuge, die mir auch in der Eisenbahn begegnet waren. In der Baracke haben zwei Familien, Reinhardt und Winter zusammen gewohnt. Wie aus dem genannten Schreiben hervorgeht, sind am 12.März 1943 dann die übrigen Familienmitglieder, Frauen und Kinder abgeholt worden. Auf Anordnung einer nicht bekannten, übergeordneten Dienststelle muß darauf an den damals zuständigen Gendarmerieeinzelposten, damals Gendarmeriemeister Dempel in Ingoldingen, die Anweisung ergangen, das in der Baracke zurückgelassene Eigentum der Familien sicherzustellen. Über diese Sicherstellung ist von Herrn Dempel ein Verzeichnis erstellt worden, das noch im Archiv im hiesigen Rathaus liegt. Es war vor allem

dieses Verzeichnis, das mich an die Zigeunerfamilien erinnert hat. Es sind darin nämlich außer den Musikinstrumenten auch die Werkzeuge, Handsäge, Beil u.a. aufgeführt, die sie auch im Zug mitgeführt haben. Die übrigen Habseligkeiten sind ebenfalls genau aufgeführt. Alles zusammen ist nach hier ins damals gemeindeeigene alte "Bräuhaus", heute Haus Meseck verbracht worden. Einige Zeit später erschien in der damaligen Tageszeitung eine Anzeige über die öffentliche Versteigerung der im Verzeichnis aufgeführten Gegenstände in Winterstettenstadt beim "Bräuhaus". Dieser Versteigerung habe ich auch beigewohnt, weil ich mich für eine Gitarre interessiert habe. Die Musikinstrumente haben dabei das größte Käuferinteresse gefunden und ich ging ohne Gitarre heim. Wer diese Versteigerung durchgeführt hat ist nicht bekannt. Es gibt auch auf dem Rathaus hier keine Unterlagen darüber. Man darf jedoch als sicher annehmen, daß auch über diese Versteigerung ein Verzeichnis angelegt wurde und noch irgendwo existiert. Nach einiger Zeit war dann auch die Baracke auf dem Bahnhofgelände verschwunden. Aus dem Schriftverkehr mit dem "Landesamt für Wiedergutmachung" und aus eigenen Erkundigungen konnte ich in Erfahrung bringen, daß nicht nur die Emilie Christina Reinhardt das KZ. Buchenwald überlebt hat, sondern auch ihre Schwester Karolina. Diese ist 1918 geboren und bestätigt in einem Schreiben, daß sie "mit ihrer Mutter 1943 in Essendorf am Bahnhof bei der Verladestation für Grubenholz der Wehrmacht gearbeitet habe und von dort mit der Mutter und Geschwistern abtransportiert worden sei", Nach ihrer Befreiung aus dem KZ. und nach Aufenthalten in Singen und Freiburg/Brsg. wohnte Karoline Reinhardt seit 1957 in Pfullendorf. Ihre Schwester Emilie Chrstina ist schon vor einigen Jahren gestorben. Von KaroIine Reinhardt konnte ich erfahren, daß damals auf dem Bahnhof Essendorf insgesamt 11 Personen verhaftet worden seien. 4 Frauen hätten überlebt. Über das Schicksal der Männer konnte sie keine Auskunft mehr geben. Sie und ihre Mutter und Schwestern sind zunächst in verschiedene Lager bei Stuttgart verbracht worden. Später arbeitete sie in einem Rüstungsbetrieb bis sie nach Buchenwald gekommen ist. Karotine Reinhardt ist inzwischen auch bettlägerig. Ihre Tochter Maria ist nun die Kontaktperson und gibt nur noch überlieferte Auskünfte. Auch daß das jüngste der Geschwister, die Tochter Sofie in Ulm überlebt habe.

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Außer in Essendorf hätten auch Angehörige der Sippe 1942 in Otterswang in einer Kiesgrube gelebt. Andere in Leutkirch. Als dort die Männer abgeholt wurden, sei einer geflohen, aber auf der Flucht erschossen worden. Es ist zwar nur wenig, was mir über das Schicksal der beiden Familien Reinhardt und Winter bekannt ist. Aber schlimm genug, um es vor dem Vergessen zu bewahren. Im Anschluss ist eine Kopie des Verzeichnisses der Habseligkeiten der beiden Familien beigefügt, die hier dann versteigert worden sind. Nachtrag. Es war nicht ganz einfach, nach 60 Jahren die damaligen Ereignisse in Erinnerung zu rufen. Der Bericht ist das Ergebnis vieler Gespräche und Befragungen mit Personen die diese Zeit als Kinder, Jugendliche oder Erwachsene miterlebt haben. Das hier Aufgezeichnete erfüllt auch keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit sondern ist nur ein Teil des Erinnerns. Auf Namensnennungen oder persönliche Erlebnisse ist außer in notwendigen Einzelfällen bewusst verzichtet worden. Allen die mitgeholfen haben, diesen Bericht zusammenzustellen, danke ich für ihre immer bereitwillige Auskunft, ohne die er nicht möglich gewesen wäre. E. Mohr.

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