Erfahrungsbericht zum Aufenthalt in Kanada

Erfahrungsbericht zum Aufenthalt in Kanada Heimathochschule: Ruprecht-Karls Universität Heidelberg Gasthochschule: Carleton University, Ottawa Studie...
Author: Axel Berg
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Erfahrungsbericht zum Aufenthalt in Kanada

Heimathochschule: Ruprecht-Karls Universität Heidelberg Gasthochschule: Carleton University, Ottawa Studienfach: molekulare Biotechnologie, Biochemie Studienziel: Master of Science Zeitpunkt: 1. Fachsemester Zeitraum: August 2102- April 2013

Erfahrungsbericht Kanada Mithilfe des Ontario-Baden-Württemberg- Austauschprogramm sowie der finanziellen Unterstützung des Baden-Württemberg Stipendiums war es mir möglich von August 2012 bis April 2013 für 8 Monate an der Carleton University in Ottawa zu studieren und einen einmaligen Einblick in das Leben, die Kultur und den Unialltag in Kanada zu erhalten. Auf den folgenden Seiten möchte ich meine Erfahrungen schildern. Organisatorisches Austauschprogramm und Stipendium Das OBW-Austauschprogramm ist ein seit 23 Jahren bestehender universitärer Austausch zwischen Deutschland und Kanada. Über dieses wird jedes Jahr aus 9 teilnehmenden Universitäten in Baden-Württemberg sowie 13 Universitäten in Ontario Studenten ein Austauschsemester ermöglicht. Nach der Bewerbung im November, welche bei der Heimatuniversität erfolgte, wurden alle Bewerber im Dezember zu einem Auswahlgespräch eingeladen, welches über die Aufnahme ins Programm entschied. Anschließend erfolgte im März die Zuteilung zur jeweiligen Gastuniversität. Mit dieser freudig-entgegengenommenen Zusage konnte die Auslandsvorbereitung beginnen! Zunächst bewarb ich mich für das Baden-Württemberg Stipendium. Auch diese Bewerbung erfolgte über die Heimatuniversität und stellte sich als sehr unkompliziert heraus. Die Zusage für diese finanzielle Unterstützung erhielt ich einige Monate später. Visum In der nächsten großen Etappe der Auslandsvorbereitung musste das Studentenvisum für Kanada in der kanadischen Botschaft in Wien beantragt werden. Es steht ein online-Portal zur Verfügung, in dem auch die notwendigen Unterlagen hochgeladen werden. Dazu zählen unter anderem ein Finanznachweis, die Kopie des Reisepasses sowie die Aufnahmebestätigung der Gastuniversität. Das Visum habe ich ungefähr 2 Monate vor Abreise, mit Eintreffen meiner Aufnahmebestätigung an die Carleton University, beantragt. Die Bearbeitungszeit betrug ungefähr 6 Wochen, sodass einige Wochen vor Abreise alles geklärt war (also keine Panik, wenn das Visum erst ein paar Wochen vor Abreise eintrudelt). Wohnung Bei der Wohnungssuche stellt sich die generelle Frage zwischen dem Wohnen on-campus im Wohnheim oder off-campus in einer Wg. Die Wohnheime sind anders als in Deutschland vergleichsweise teuer, liegen aber direkt auf dem Campus und sind meistens mit einem Verpflegungsplan verbunden. Dort zu wohnen ist sehr einfach, da man sehr schnell Mitstudenten kennenlernt, sich nicht um Einrichtung und Kaution kümmern muss und

Ausflüge vom Wohnheim aus organisiert werden. Die Bewerbung für einen Wohnheimsplatz sollte man so früh wie möglich abschicken, da die Plätze begrenzt sind. Ich allerdings habe mich für die etwas kostengünstigere Variante entschieden und mir eine Wg außerhalb des Campus gesucht. Dafür muss man vor Abreise eigentlich nichts tun, außer sich schon einmal etwas über die Preise und Wohngegenden informieren. Ich bin ungefähr 2 Wochen vor Unibeginn nach Kanada geflogen und habe die ersten Tage mit der Zimmersuche verbracht. Zugegebenermaßen war es etwas beängstigend ohne Zimmer in einem fremden Land anzukommen, aber an sich war die Wohnungssuche danach nicht schwer. Auf der Carleton University Internetseite gibt es Wohnungsinserate und außerdem waren mir auch die Internetseiten kijiji.ca und craiglist.ca (die Seiten für alles, was das Herz begehrt) sehr hilfreich. Insgesamt habe ich mir 8 verschiedene Zimmer angeguckt und mich schließlich für das am nächsten an der Uni liegende entschieden und habe dann in einer geräumigen Wohnung mit 3 Kanadierinnen gewohnt. Die Mieten in Ottawa sind im Vergleich zu anderen Universitätsstädten in Ontario, wie Hamilton oder Guelph relativ hoch. Mit einer guten Lage zur Uni muss man mit 450 – 600 C$ rechnen. Dieser Preis beinhaltet neben der Miete meist schon Internet, Strom und Heizkosten. Die meisten Vermieter wollen gern einen Mietvertrag über 12 Monate abschließen, dies würde ich allerdings nicht empfehlen, da Herbst und Wintersemester zusammen nur insgesamt 8 Monate gehen und man dann im Sommer schwer einen Nachmieter findet. Die Carleton University liegt ungefähr 20 Busminuten außerhalb des Stadtzentrums und ist sehr gut ans Busnetz angebunden. Als gute Wohngegenden würden sich deswegen Gegenden, die zwischen der Innensadt und der Universität liegen, anbieten. Dazu gehören the Glebe, Centretown sowie Chinatown. Etwas günstiger wohnt man noch in Hog’s back aber dies ist etwas weiter von der Innenstadt entfernt. Handy Um gleich wieder im 21. Jahrhundert anzugelangen, ging mit kurzem Zwischenstopp im Hostel gleich vom Flughafen zum nächsten Handyshop. Die wichtigsten Anbieter in Kanada sind Rogers, Wind, Virgin und Fido. Dabei ist Rogers der teuerste Anbieter. Wind und Virgin bieten gute Verträge an, sind aber nur mit Smartphones kompatibel, sodass ich gleich Fido ansteuerte. Im Allgemeinen ist telefonieren in Kanada teurer als in Deutschland, besonders da man auch bezahlen muss, wenn man angerufen wird. Aus diesem Grund wird in Kanada eigentlich alles per SMS geregelt und fast jeder besitzt eine SMS Flat. Ein weiterer großer Unterschied zu Deutschland ist, dass Prepaid-Karten wesentlich teurer sind als Verträge. Aus diesem Grund sind eher monatliche Verträge zu

empfehlen. Diese sind jederzeit kündigbar und die Preise liegen so ungefähr bei 25 C$, inklusive SMS-Flat. Ich persönlich war bei Fido sehr zufrieden, auch wenn man extra bezahlen muss, wenn man die Nummer von Anrufenden sehen möchte. Konto Der nächste Schritt zum Projekt, ich werde ein Kanadier, war das eigene kanadische Konto. Das empfiehlt sich besonders, wenn man vorhat neben dem Studium zu arbeiten. Kontos für Studenten sind eigentlich bei allen Banken kostenlos und können einfach wieder gekündigt werden. Scotia Bank empfiehlt sich für Kunden der Deutschen Bank, weil man kostenlos Geld von der deutschen Girocard abheben kann und es dann auf das kanadische Konto einzahlen kann. Kurswahl Mit Aufnahmebestätigung konnte man sich auch an meiner Gastuniversität, der Carleton Universität, auch schon in das Kurssystem einloggen und überprüfen in welche Kurse man eingetragen wurde. Diese vorzeitige Kurszuordnung basierte auf den Angaben, die ich während des Bewerbungsverfahrens für das OBW-Programm gemacht hatte und erfüllten in meinem Fall ganz gut meine Vorstellungen. Es lohnt sich aber dennoch einen Blick in das Vorlesungsverzeichnis zu werfen und nachzuschauen, ob noch andere interessante Kurse angeboten werden. Für diese kann man sich dann online über einen Einschreibungsantrag registrieren. Dies ist aber auch gut in den ersten zwei Uniwochen möglich. In dieser „Add and drop“ Phase kann man sich in jeden Kurs setzen und mit den Professoren über die Teilnahme am Kurs reden. Nebenjob Um mein Reisebudget etwas aufzustocken, habe ich mich in der ersten Uniwoche auf die Suche nach einem Nebenjob gemacht. Mit einem Studentenvisum darf man auf dem Campus arbeiten. Dadurch sind die Möglichkeiten recht vielfältig und reichen vom Kellnern in der Studentenbar, über HiWi Jobs bishin zum Arbeiten bei Starbucks, Tim Hortons und in der Universitätsbibliothek. Man sollte sich allerdings gleich in der ersten Uniwoche darum kümmern, sonst sind die meisten Anstellungen schon vergeben. Ich persönlich habe in der Universitätsbibliothek gearbeitet und neben den 10,50C$ pro Stunde, die ich verdient habe, habe ich auch sehr viele kanadische Freunde beim Sortieren von Büchern und während der Schichten am Informationsschalter gefunden. Projekt: Wie werde ich eine Kanadierin Der typische Kanadier Bevor man nach Kanada geht, hört man von vielen Menschen wie offen und freundlich Kanadier sind, doch wie zutreffend diese Aussage ist, wird einem

erst bewusst, wenn man das erste Mal im Bus mit wildfremden Menschen ins Gespräch kommt oder man, wenn man nach dem Weg fragt, gleich bis ans Ziel begleitet wird, damit man sich auch nicht noch einmal verläuft. Neben ihrer Hilfsbereitschaft sind Kanadier auch sehr interessiert an anderen Kulturen und freuen sich generell über jeden, der aus einem anderen Land kommt. Von Parlament bis Beavertail Ottawa ist nicht die typische, trubelige, laute Hauptstadt die man sich als Europäer vorstellt, sondern hat seinen Charme eher als Mischung aus Kulturzentrum und verträumter Kleinstadt. Nach den ersten Tagen denkt man schon fast alles entdeckt zu haben, wenn die einen plötzlich Stadt in den Bann reißt und man merkt, dass es noch mehr gibt als das Parlament und den ByWard Market, der in allen Reiseführern als das Stadtzentrum aufgelistet ist und sich nachts in die Partyregion der Stadt verwandelt. Das besondere an Ottawa für mich sind zum Einen die vielen kleinen Stadtteile, wie the Glebe, Hintonbourg und Westboro, die gespickt sind mit kleinen Boutiquen, Second Hand Läden und Cafés. Zum anderen sind es die vielen wöchentlichen Aktivitäten, die mich Ottawa vermissen lassen. Aus diesem Grund kann ich nur empfehlen, montags einmal zum „Beats and Boards“ im Raw Sugar Café zu gehen, wo man sich trifft um mit anderen bei entspannter elektronischer Musik Brettspiele zu spielen. Außerdem gibt es jeden Freitag in Umis Café das „Open Mic“, bei dem man kanadische Künstler improvisieren sehen kann. Alle zwei Wochen findet außerdem im Café „The Wild Oat“ das Science Café statt, bei dem eine kurzer interessant gestalteter Vortrag über aktuelle Entdeckungen der Wissenschaft gehalten wird. Und wenn man doch einmal etwas Heimweh nach Deutschland hat, kann man am Dienstag in Pup Italia gehen, in dem sich einmal die Woche ein deutscher Männerchor trifft um alte deutsche Volkslieder zu singen. Es ist sehr interessant mit ihnen zusammenzusitzen und sich die Geschichten anzuhören, wie diese deutschen Immigranten vor vielen Jahren nach Kanada gekommen sind. Der Unialltag Die Universität ist vollkommen anders als in Deutschland organisiert, was zum großen Teil daran liegt, dass die Klassen wesentlich kleiner sind. Dadurch entsteht mehr Kontakt zum Professor. Ein weiterer großer Unterschied ist, dass während des Semesters Hausaufgaben eingereicht werden müssen und es ab und zu sogar Überraschungstests gibt. Es erinnert etwas an Schule, bewirkt aber, dass man nicht ganz so sehr in den altbekannten VorKlausur-Stress fällt. Im Allgemeinen muss man als Bachelorstudent mindestens 3 und maximal 5 Fächer belegen. Ich persönlich habe je 4 Vorlesungen pro Semester belegt und war damit gut ausgelastet. Die meisten Kurse gehen über ein Semester, einige sind jedoch auch

auf zwei Semester aufgeteilt, dies sollte man dann vermeiden, wenn man nur ein Semester in Kanada studiert. Im ersten Semester habe ich die Kurse „Advanced Metabolism“, „Biochemistry of disease“, „Fundamentals of neuroscience“ sowie „Toxicology“ belegt. Alle Kurse waren aus dem Kursplan für das 4. Jahr des Studiums Biochemistry und haben zwischen einer Größe von 6-20 Studenten variiert. Im zweiten Semester habe ich anschließend den zweiten Teil von „Fundamentals of neuroscience“ zusammen mit den Fächern „Immunology“ und „Cell cycle and cell dynamcis“ belegt. Außerdem habe ich im zweiten Semester auch einen Spanisch-Intensivkurs absolviert. Der sportbewusste Student Das Sportangebot in den kanadischen Unis ist sehr vielfältig und im Allgemeinen hatte ich –mit leichtem schlechtem Gewissen- das Gefühl, Kanadier seien sehr viel sportlicher als der durchschnittliche Austauschstudent. Aus diesem Grund spielt sich viel nach der Uni in der Gym ab. An der Carleton University gab es für Volleyball, Basketball, Fußball und Ultimate Frisbee universitätsinterne Ligen, für die man sich einfach eintragen konnte und dann der Spielstärke nach auf die einzelnen Mannschaften verteilt wurde. Außerdem waren der Fitnessraum sowie die Schwimmhalle frei zugänglich, Tanzkurse und einige Fitnesskurse waren dahingegen kostenpflichtig, haben sich aber trotzdem gelohnt. Die geheime Leidenschaft eines Austauschstudenten: Reisen Neben Studium und den Ausflügen rundum Ottawa sind an den Wochenenden und in den Semester-/Weihnachtsferien tausende Reisen zu empfehlen. Eines meiner Highlights war der Algonquin Park. Als einer der bekanntesten Nationalparks Ontarios, lädt er nicht nur zum Kanufahren (typisch kanadisch) ein sondern ist auch im Herbst während des Indian Summers unglaublich schön. Außerdem ist auch Quebec sehr schön und wenn man Zeit hat, lohnt sich auch ein Ausflug in das nördlich von Quebec gelegene Tadoussac zu machen, in dem man Wale beobachten kann. Mit 6 bzw. 2 Stunden Entfernung sind auch Toronto und Montreal von Ottawa leicht zu erreichen. Man kann dafür Autos mieten, jedoch ist dies relativ teuer, da man unter 25 Jahren eine „Young drivers fee“ von 25 CAD$ pro Tag bezahlen muss. Um etwas preiswerter zu Reisen, kann man den Greyhound Bus nehmen, der mehrmals am Tag fährt. Die Lesewoche im Februar ist auch ein guter Zeitpunkt zum Verreisen und viele Kanadier zieht es in der Zeit nach Kuba. Nicht zu vergessen ist auch, dass Ottawa sehr nah an der amerikanischen Grenze liegt und in schon 12 Stunden ist man mit dem Bus in New York.