Erfahrungsbericht Tallinn SoSe15

Tallinn, Estland

Bewerbung/Warum ausgerechnet Estland?

Tallinn in Estland, nicht unbedingt die 1. Wahl auf dem Formular zur Anmeldung für einen Erasmus Studienplatz im Ausland. Auch ich wollte vor meiner Bewerbung eigentlich nach Finnland oder Schweden gehen, da die Kurswahl und Finanzierung sich aber schwierig gestaltete, fiel meine Wahl schließlich auf Estland und es war das Beste was mir passieren konnte. Die Formalien in Bremen waren umfangreich und eine frühe Organisation ist sicherlich ein Vorteil, dann ist es aber kein Problem einen Platz zu bekommen. Ich persönlich wollte mal etwas anderes erleben, den Süden Europas habe ich schon bereist und die klassischen Urlaubsländer wie Spanien und Italien haben mich nicht gereizt. Mein Umfeld hat positiv reagiert und war verwundert über meine finale Entscheidung nach Estland zu gehen. Tallinn ist eine Hansestadt mit bester Lage zwischen Skandinavien und dem Baltikum und ist mit rund 400 000 Einwohnern gar nicht mal so klein, jedoch merkt man ihr das nicht an. Tallinn hat viel zu bieten und ist eine kulturelle Studentenstadt, in der man immer wieder etwas Neues entdeckt. Die grauen Wohnblocks und etwas heruntergekommenen Wohngebiete außerhalb des Zentrums dürfen einen nicht abschrecken, Tallinn ist sehr sicher und hat eine wunderschöne Altstadt und lange Strände, die zum Grillen einladen. Vor allem im Sommersemester werden die Tage immer länger bis die Sonne im Juni/Juli gar nicht mehr untergeht. Nach den meist sehr kalten Wintern kommt ein kurzer, aber schöner Sommer. Das Winterwunderland wird dann zu einem schönen, grünen Fleck Erde und man merkt wie die Menschen das schöne Wetter in vollen Zügen genießen.

Anreise und Unterkunft Von Tallinn nach Bremen gelangt man direkt innerhalb von 2 Stunden mit günstigen Airlines, allerdings nur in der Saison, auf dem Hinweg (Ende Januar) musste ich einen Stopp in Oslo machen und dann ging es weiter mit Baltic Air, allerdings war dies auch kein Problem und hat nicht viel länger gedauert.

Der Flughafen in Tallinn in sehr übersichtlich und so war es kein Problem gleich meine Tutorin am Ausgang zu finden. Didem, meine persönliche Tutorin habe ich dem Erasmus Programm zu verdanken, ich würde jedem empfehlen sich bei der Anmeldung für einen Tutor zu entscheiden. Didem hat mich abgeholt und gleich sehr herzlich begrüßt, sie hat mir die ersten wichtigen Dinge erklärt, worauf ich achten muss, mir die Uni gezeigt und mich den ersten Leuten vorgestellt. Ich war ihr sehr dankbar dafür.

Ich hatte mich im Voraus bei der Anmeldung für einen Platz im „Academic Hostel“ beworben, als die Info Mail des Hostels kam , habe ich keine zwei Stunden später die Kaution überwiesen, welches mir zum Glück einen Platz gesichert hatte. Das Academic Hostel hat zwei Häuser, eins auf dem Campus und eins direkt in der Stadt (20 Minuten von der Technischen Universität entfernt). Ich habe mich bewusst für das Haus in der Stadt entschieden, da sämtliche Clubs in der Altstadt liegen (5 Minuten zu Fuß) und die Einkaufsmöglichkeiten einfach überzeugen. Das Hostel hat dort einen Flur in einem Bürogebäude, der 60 Leuten in Doppel- und Einzelzimmern beherbergt und ich kann sagen, man wird zu einer großen Familie, in der jeder jeden kennt und man sehr schnell Anschluss findet. Es gibt eine Gemeinschaftsküche und ein Esszimmer, in dem man sich regelmäßig trifft, um dann gemeinsam auszugehen oder einfach nur zu Quatschen. Natürlich findet man in Tallinn auch schöne, bezahlbare Apartments, die sich für eine WG eigenen, allerdings war mit der besondere Kontakt zu den anderen Erasmus Studenten sehr wichtig.

Gesundheit/Bürokratie/Finanzielles Dank der European Health Insurance Card ist ein Arztbesuch in Estland kein Problem, die Ärztin, die auf der Seite der Universität angegeben ist akzeptiert die Karte ohne weitere Extrazahlungen, im Krankenhaus kostet es lediglich 5 Euro, wenn man in die Notaufnehme geht. Bevor ich abgereist bin, habe ich eine zusätzliche Auslandskrankenversicherung abgeschlossen, da sich die normale Versicherung auf einen Aufenthalt von maximal 3 Monaten bezieht. Nach Ankunft in Tallinn und den ersten Tagen an der Uni soll man bei der Polizei seinen Wohnsitz in Estland anmelden. Bevor man seinen estnischen Ausweis dort abholen kann, muss man einige Unterlagen ausfüllen und beim Bürgeramt in der Innenstadt abgeben. Dies dauert ein bis zwei Wochen, ist aber relativ unkompliziert und die Unterlagen werden gemeinsam an den Orientierungstagen in der Universität ausgefüllt. Mit dem Ausweis schließlich kann man online seine Buskarte personalisieren und kostenfrei das gesamte Transportnetz in Tallinn nutzen, da für Einwohner der Stadt öffentliche Verkehrsmittel umsonst sind. Insgesamt ist Tallinn kein teures Pflaster, allerdings auch nicht so günstig wie durch Erasmus kategorisiert. Die Preise für Transportmittel (Taxi fahren ist sehr günstig) sind zwar niedrig, dafür habe ich für Lebensmittel deutlich mehr ausgegeben, es gibt keine Discounter oder Drogerieläden, man kauft alles in den großen Supermarktketten, dessen Preise teilweise doch recht hoch sind. Die Clubs in der Stadt kosten zwischen 5-14 Euro Eintritt, allerdings gibt es immer noch den legendären Mynt Club in der Altstadt, der 5 Euro Eintritt kostet und jedes Getränk für einen Euro verkauft, wodurch man dort jede Woche sämtliche Austausch-Studenten der Stadt antrifft. Ins Kino kann man für 5 Euro und für 10-15 Euro kann man sehr gut auch mal auswärts essen gehen.

Die TUT Die Technische Universität Tallinn (www.ttu.ee) hat etwa 13.000 Studenten und ist ein moderner Campus ca. 20 Minuten vom Zentrum entfernt. Meine Kurse fanden fast ausschließlich in Klassenzimmern statt mit allerhöchstens 20-30 Leuten statt, meist weniger. Die Atmosphäre war sehr entspannt und man hatte eine gute Beziehung zu den Dozenten. Jede Frage konnte in den Vorlesungen gestellt werden und die Emails wurden schnell beantwortet. Die Koordinatorin Kerti Sönmez hat sich sehr gut um uns gekümmert und war jederzeit erreichbar für sämtliche Fragen. Zu Beginn des Semesters haben engagierte Studenten zwei hilfreiche Orientierungstage organisiert, an denen man wichtige Orte, die Mensa, das Studentenhaus und viele neue Leute kennenlernen konnte. Spiele und Partys wurden gut organisiert und man fühlte sich schnell integriert. Die Bibliothek ist modern und bietet auf drei Ebenen genügend Platz zum Lernen. Insgesamt hat man in Tallinn nie das Gefühl, dass es zu voll ist und nur selten muss man einen Platz lange suchen oder ewig anstehen. Das ist sehr entspannt und ein schöner Gegensatz zu vollen Großstädten in Deutschland.

Das Studentenleben Die Stadt hat viel zu bieten, viele kleine Cafes, alternative Viertel, Kunst und Kultur, Festivals und Konzerte. Neben dem Studieren bleibt genug Zeit zum Feiern und besonders fürs Reisen! Ich kann jedem nur raten, die günstige Lage von Tallinn auszunutzen und Europa zu bereisen. Helsinki ist nur 2 Stunden entfernt, Flüge nach Oslo kosten rund 20 Euro, ein Bus nach Riga oder Vilnius nicht mehr als 10 Euro und die Fähre nach Stockholm für einen Tagestrip bloß 15 Euro in der Viererkabine. Ich war fast jedes Wochenende unterwegs, wir haben in knapp 5 Monaten 8 Länder und 10 verschiedene Städte bereist, auch Estland hat einiges zu bieten und viele wunderschöne Inseln vor der Küste sind ein Besuch wert. Dafür mietet man sich am besten ein Auto und macht mit Freunden einen Road Trip durch das Land. Besonders lohnt sich ein

Wochenende in einem der Nationalparks, dessen Landschaft im Frühjahr super zum Auspannen in der Natur einlädt. Aber auch ESN (http://ic.tipikas.ee/) organisiert viele lohnenswerte Fahrten zu den Inseln, aber auch nach Lappland (Finnland) und Sankt Petersburg in Russland. Für die Trips meldet man sich online an (am besten tritt man der Gruppe auf Facebook bei) und dann geht’s mit einer kleinen Reisegruppe von Studenten zu Besuch zum Weihnachtsmann, fährt einen Husky Schlitten und erkundet die beeindruckenden Städte Russlands. Ist man dann doch mal ein paar Tage länger in Tallinn gibt es genug Clubs und Bars, in denen man sich auch in der Woche abends aufhalten kann. Im Wohnheim, in dem ich gelebt habe wurde viel zusammen gekocht und gespielt. Man war nie alleine, wenn man nicht wollte.

Fazit Mein Auslandssemester war die beste Entscheidung meines Lebens und Tallinn war absolut die richtige Stadt dafür. Ich habe Leute aus der ganzen Welt kennengelernt und neue Freunde gefunden. Es war halbes Jahr voller Erlebnisse, die ich nie vergessen werde. Neben dem Studium, das natürlich auch seine Aufmerksamkeit benötigte, durfte ich so viele Länder sehen und Städte bereisen. Ich kann nur empfehlen mal etwas Neues auszuprobieren und sich auf das Abenteuer Baltikum einzulassen. Natürlich macht man auch negative Erfahrungen und die Esten sind ein gewöhnungsbedürftiges Volk, sehr langsam und recht zurückhaltend. Das Wetter macht hier was es will und die Winter können sehr dunkel und kalt werden, aber es ist eine ganz besondere Zeit, die das Leben für immer prägt.