Ellinor-Holland-Haus

Ellinor-Holland-Haus Betreutes Wohnen für Menschen in Not „Die Not vor unserer Haustür geht uns alle an.“ Ellinor Holland Konzeption des Modellproje...
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Ellinor-Holland-Haus Betreutes Wohnen für Menschen in Not

„Die Not vor unserer Haustür geht uns alle an.“ Ellinor Holland

Konzeption des Modellprojekts Ellinor-Holland-Haus Ellinor-Holland-Haus gemeinnützige GmbH Curt-Frenzel-Str. 2, 86167 Augsburg, Tel. 0821/777 2120 Hausanschrift: Otto-Lindenmeyer-Str. 45 und 45 a, 86153 Augsburg, Tel. 0821/6502320, [email protected]

Inhalt 1.

Präambel .......................................................................................................................... 3

2.

Ellinor-Holland-Haus ...................................................................................................... 4

2.1

Selbstverständnis ............................................................................................................. 4

2.2

Vision .............................................................................................................................. 4

2.3

Zielgruppen ..................................................................................................................... 5

2.4

Ziele ................................................................................................................................. 7

2.5

Umsetzung ....................................................................................................................... 8

2.6

Module ............................................................................................................................ 8 2.6.1 Mehrgenerationenwohnen ......................................................................................... 9 2.6.2 Sozialarbeiterin / Kümmerer ..................................................................................... 9 2.6.2 Gemeinschaftsraum ................................................................................................. 10 2.6.3 Integrative Kindertagesstätte „Ellinor-Holland-Kinderhaus“ ................................. 11 2.6.4 Tante-Emma-Laden mit Café .................................................................................. 11 2.6.5 Beratungsangebote .................................................................................................. 12 2.6.6 Freundeskreis und Ehrenamtliche ........................................................................... 12

2.7

Wissenschaftliche Begleitung ....................................................................................... 12

2.8

Architektur .................................................................................................................... 13

2.9

Grundstück/Lage ........................................................................................................... 14

2.10 Rechtsform .................................................................................................................... 15 2.11 Zeitlicher Ablauf ........................................................................................................... 15 2.12 Finanzierung .................................................................................................................. 15 3.

Ausblick ........................................................................................................................ 15

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1. Präambel Menschen in Not brauchen Hilfe, rasche zielgerichtete passgenaue praktische Hilfe zur Selbsthilfe. Und sie brauchen jemanden, der an sie glaubt und ihnen hilft, die Schritte zu tun, die nötig sind, um wieder eigenständig leben zu können. Das Kuratorium der Stiftung Kartei der Not hat die Vision für das Modellprojekt EllinorHolland-Haus aus den Erfahrungen der täglichen Arbeit des Hilfswerks entwickelt. Die Erkenntnis, dass finanzielle Einzelfallhilfen oftmals nicht ausreichen, um Menschen aus existenziellen Notlagen herauszuhelfen, führte zu der Idee, ein Projekt zu unterstützen, welches passgenau auf die Zielgruppe der Kartei der Not zugeschnitten ist: Menschen in belastenden Lebenssituationen, die einen Schutz- und Erholungsraum brauchen, in welchem sie wieder Kraft schöpfen und die notwendigen Schritte in ein selbstbestimmtes besseres Leben wagen können. Ein solches Projekt fehlt bisher in Bayerisch-Schwaben. Deshalb haben die Verantwortlichen bei der Kartei der Not beschlossen, sich ergänzend zu den finanziellen Einzelfallhilfen der Stiftung noch stärker für notleidende Menschen in der Region zu engagieren und das Modellprojekt Ellinor-Holland-Haus zu schaffen. In Erinnerung an die verstorbene Kuratoriumsvorsitzende Ellinor Holland wurde in Augsburg ein Wohnhaus mit einem umfassenden Hilfeangebot für Menschen aus der Region errichtet, die unverschuldet in Not geraten sind. Bei der Planung stand dem Kuratorium ein Gremium von namhaften Persönlichkeiten aus dem Sozialbereich, der Wirtschaft und dem öffentlichen Leben beratend zur Seite. Ellinor Holland

Das Gemeinschafts- und Mehrgenerationenwohnen im Ellinor-Holland-Haus wird durch die Trägergesellschaft Ellinor-Holland-Haus gemeinnützige GmbH verwirklicht.

Im Ellinor-Holland-Haus erarbeitet eine Sozialarbeiterin zusammen mit den Bewohnern des Hauses Ziele für deren Weg in ein selbstbestimmtes Leben und organisiert Gemeinschaftsangebote, damit sich die Bewohnerinnen und Bewohner kennenlernen und gegenseitig aushelfen. Eine integrative Kindertagesstätte mit Krippen-, Kindergarten- und Hortplätzen, die auch für die Nachbarschaft offen ist, stellt die Betreuung von Kindern mit und ohne Behinderung sicher und ermöglicht den Eltern, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Ein Tante-Emma-Laden und ein kleines Café im Ellinor-Holland-Haus sind gleichzeitig Qualifizierungsbetrieb und Treffpunkt für das Stadtviertel und stellen die Nahversorgung mit Dingen des täglichen Bedarfes sicher. In Kooperation mit anderen Trägern werden den Bewohnerinnen und Bewohnern weitere Beratungsangebote zur Verfügung gestellt. Das Ellinor-Holland-Haus wurde Anfang 2016 bezogen. Die geplanten Hauptzielgruppen sind inzwischen im Haus vertreten. Die Konzeption hat den ersten Praxistest bestanden und wird hiermit fortgeschrieben. „Die Not vor unserer Haustür geht uns alle an“ – das hat Ellinor Holland gesagt. In diesem Sinne öffnen wir die Türen und leisten Hilfe zur Selbsthilfe. Zusammen mit Partnern, die das gleiche Ziel haben – ganz nach dem Motto der Kartei der Not: „Gemeinsam geht’s“.

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2. Ellinor-Holland-Haus 2.1

Selbstverständnis

Das Ellinor-Holland-Haus ist ganz im Sinne des Selbstverständnisses der Stiftung Kartei der Not und ihrer Gründerin Ellinor Holland für Menschen errichtet worden, die sich in Krisensituationen befinden und sich in einer existenziell bedrohlichen Situation befinden. Wie bei der Stiftung Kartei der Not soll die Hilfe im Ellinor-Holland-Haus rasch, unbürokratisch, passgenau, zielgerichtet und praktisch sein. Die finanziellen Beihilfen der Stiftung Kartei der Not dienen seit der Gründung des Hilfswerkes im Jahre 1965 als Nothilfe und als Starthilfe für ein besseres Leben. Eingebettet in ein Hilfesystem und durch die Beratung durch Fachkräfte anderer Organisationen entfaltet die finanzielle Unterstützung ihre stärkende Wirkung. Bisher fehlten allerdings oftmals geeignete Strukturen, um die Nachhaltigkeit der Hilfen sicherzustellen. Genau hier setzt das Haus an und begleitet die Menschen ein Stück weiter, in ein selbstbestimmtes, finanziell abgesichertes und sicheres Leben. Das Ellinor-Holland-Haus bietet Raum für Sicherheit und Raum für Lösungen. So erhalten Menschen in Not Hilfe, um ihren Weg in ein selbstbestimmtes Leben finden zu können.

2.2

Vision

Das Ellinor-Holland-Haus bietet für eine begrenzte Zeit Wohnraum für in Not geratene Menschen, die den Rahmen eines betreuten Gemeinschaftswohnens für einen gewissen Zeitraum brauchen. Zentral ist hier die Rolle der Sozialarbeiterin, die sich um die Belange der Bewohnerinnen und Bewohner kümmert und ihnen hilft, den Weg in ein besseres Leben zu entwickeln und zu gehen. Wie in einer Dorfgemeinschaft unterstützen die Bewohnerinnen und Bewohner sich gegenseitig. Während ihres Aufenthalts im Ellinor-Holland-Haus entwickeln sie Strategien zur Überwindung ihrer Notlage und eine tragbare Lebensperspektive für sich selbst und ihre Familie. Dazu gehört die Erarbeitung einer realistischen Berufsperspektive, um den Lebensunterhalt selbst bestreiten zu können, sowie psychische Stabilität und die Fähigkeit, die eigene Familie zu managen und den Kindern gute Eltern zu sein. Die Einbindung in den Stadtteil und die Öffnung des Hauses für den Stadtteil beugt einer Gettoisierung vor. Begegnungen verändern Leben und Begegnungen mit Menschen, die Kraft geben und helfen, verändern Lebenswege. Raum für Begegnungen und Raum für Hilfe zu schaffen, ist die Hauptaufgabe der sozialen Arbeit im Ellinor-Holland-Haus.

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2.3

Zielgruppen

Die Zielgruppe des Ellinor-Holland-Hauses sind Menschen mit Wohnsitz in der Region, die bedürftig und unverschuldet in Not geraten sind und die den Rahmen des Betreuten Gemeinschaftswohnens für einen gewissen Zeitraum als Stütze benötigen. Menschen in Krisensituationen verlieren manchmal die Kontrolle über Teile ihres Lebens, Schicksalsschläge werfen sie aus dem Gleichgewicht. Jeder versucht, so lange wie möglich alles alleine zu regeln. Erst wenn es gar nicht mehr geht, wird Hilfe in Anspruch genommen. Dann sind die betroffenen Menschen jedoch häufig bereits so tief im Unglück, dass es schwierig ist, den Weg hinaus wieder zu finden. Wer einmal ganz unten ist, kann kein selbstbestimmtes Leben mehr führen. Es fehlen Wahlmöglichkeiten, man kann nicht mehr selbst agieren, nur noch reagieren, um noch schlimmeres Unheil abzuwenden. Und selbst das ist oft sehr schwierig oder scheint gar unmöglich zu sein. An den Blick nach vorne ist in einer solchen Situation kaum mehr zu denken. Meist ist professionelle Hilfe, wie z. B. medizinische und pflegerische Unterstützung, Schuldnerberatung, Jugendhilfe u. v. m. nötig um den Kreislauf zu durchbrechen. Das Ellinor-Holland-Haus hilft den Menschen, die mehr brauchen als nur eine finanzielle Beihilfe, die aber zu selbstständig für den engen Rahmen eines Wohnheimes oder einer betreuten Wohnform sind. Das betreute Mehrgenerationenwohnen bietet Halt und Unterstützung, Schutz und Rückhalt ohne einengenden Rahmen, aber mit viel Raum für Eigeninitiative und Selbsthilfe und hilft, Kraft zu schöpfen für einen gelingenden Neuanfang. Wie bei der Stiftung Kartei der Not werden im Ellinor-Holland-Haus ausschließlich Menschen unterstützt, die auf Dauer im Verbreitungsgebiet der Augsburger Allgemeinen, des Allgäuer Zeitungsverlags und deren Heimatzeitungen leben, und bedürftig sowie unverschuldet in Not geraten sind.

Einzugsgebiet Ellinor-Holland-Haus

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Im Folgenden werden die Hauptzielgruppen beschrieben: Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten Menschen in besonderen sozialen Lebensverhältnissen und in besonderen sozialen Schwierigkeiten sind die Hauptzielgruppe für das Ellinor-Holland-Haus. Das können vielfältige Problemlagen sein. Die Erkenntnisse aus der Einzelfallhilfe der Stiftung Kartei der Not zeigen jedoch, dass das betreute Übergangswohnen besonders für Menschen aus wenig unterstützenden und teils gewaltgeprägten Lebensumständen und für Menschen, die den Übergang von einer Heimeinrichtung, einem Mutter-Kind-Heim oder einem Frauenhaus in die eigene Wohnung schaffen wollen, eine große Hilfe darstellt. Auch Menschen, die ihre Wohnung verloren haben und ihr Leben wieder ordnen müssen, finden Aufnahme im EllinorHolland-Haus. Alleinerziehende Mütter und Väter mit ihren Kindern Bei den Einzelfallhilfen der Stiftung Kartei der Not fällt die große Zahl von alleinerziehenden Müttern auf. Viele von ihnen befinden sich mit ihren Kindern in einer besonderen Notlage und brauchen ein Übergangswohnen, um in dieser Zeit Strategien erlernen zu können, das eigene Leben selbstständig zu meistern. Das Ellinor-Holland-Haus deckt hier eine Versorgungslücke zwischen den engen Strukturen stationärer Angebote, wie beispielsweise Mutter-Kind-Einrichtungen und Frauenhäuser, und dem selbst organisierten Leben. Außerdem soll der Rahmen des Betreuten Wohnens im Ellinor-Holland-Haus helfen, nach Trennung oder Tod des Partners mit der neuen Situation als alleinerziehender Elternteil zurechtzukommen. Menschen mit Behinderung und kranke Menschen Eine weitere Hauptzielgruppe für das Haus ergibt sich ebenfalls aus der Einzelfallhilfe, nämlich Familien mit einem kranken oder behinderten Familienmitglied, wobei es für die Aufnahme im Ellinor-Holland-Haus unerheblich ist, ob es sich um ein krankes Kind oder ein krankes Elternteil handelt. Das Ellinor-Holland-Haus bietet einen unterstützenden Rahmen, um die psychischen, körperlichen und finanziellen Belastungen auch für die gesunden Familienmitglieder abzufangen und dafür zu sorgen, dass ein angemessener Umgang mit der Belastung entwickelt und Überforderungen vorgebeugt werden. Kinder und Jugendliche Im Ellinor-Holland-Haus werden überdurchschnittlich viele Kinder und Jugendliche mit ihren Eltern bzw. einem Elternteil leben. Kinder und Jugendliche leiden meist sehr darunter, wenn das Gleichgewicht in ihrer Familie erschüttert wurde. Sie leiden unter der Trennung ihrer Eltern, unter der Einsamkeit ihres alleinerziehenden Elternteils, unter Gewalt in der Familie, unter der Erkrankung eines Familienmitgliedes. Kinder belasteter Eltern übernehmen bereits früh sehr viel Verantwortung für die Geschwister und auch für die Eltern. Die Kinder können nichts für ihre Situation, sind ihr aber vollständig und oftmals auch schutzlos ausgeliefert. Deshalb gilt den jungen Bewohnern im Ellinor-Holland-Haus eine ganz besondere Aufmerksamkeit, und in Kooperation mit anderen Einrichtungen werden Freizeit-, aber auch Therapieangebote organisiert, um gesundes Aufwachsen zu ermöglichen, die Lebensbedingungen von Kindern nachhaltig zu verbessern und ihre Entwicklung zu eigenverantwortlichen und sozial stabilen Persönlichkeiten zu unterstützen. Die Stärkung ihrer Eltern bedeutet zugleich auch eine beständige Lebenssituation für die Kinder und ist damit ein zentraler Bestandteil der Arbeit im Ellinor-Holland-Haus. 6

Senioren und erwerbsgeminderte Personen Eine weitere Hauptzielgruppe sind bedürftige Senioren und Frührentner. Einige der von der Kartei der Not betreuten Personen im Alter von 50 plus, die wegen Erkrankung, Behinderung oder aus Altersgründen aus dem Arbeitsleben ausgeschieden, aber noch fit genug sind, sich ehrenamtlich einzubringen, werden eine Bereicherung für das Mehrgenerationenwohnen im Ellinor-Holland-Haus sein. Sie können ihre Lebenserfahrung und ihre Kompetenzen in die Hausgemeinschaft einbringen und im Gegenzug praktische Unterstützung erhalten. Bei dieser Altersgruppe ist es wenig sinnvoll, Übergangswohnen für ein bis drei Jahre anzubieten. Daher stellt das Ellinor-Holland-Haus für diesen Personenkreis barrierefreie Wohnungen zur Dauernutzung zur Verfügung. Bei eintretender Pflegebedürftigkeit wird eine Kooperation mit Pflegeeinrichtungen angestrebt. Etwa drei bis fünf Wohnungen sollen für diesen Personenkreis vorgehalten werden. Weitere unverschuldet in Not geratene Personen Selbstverständlich können weitere Personen aufgenommen werden, die nicht zu den genannten Hauptzielgruppen gehören, sich aber ebenfalls unverschuldet in Not befinden. Auswahlverfahren Die Menschen, die nun tatsächlich im Ellinor-Holland-Haus leben, lassen sich alle in oben genannte Zielgruppen einordnen. Die Bewerbungsphase für einen Wohnplatz im EllinorHolland-Haus begann im Frühjahr 2015. Es wurden alle Partner im Sozialbereich angeschrieben und über die Konzeption des Ellinor-Holland-Hauses und das Bewerbungsverfahren informiert. Wie bei den Beihilfeanträgen der Stiftung Kartei der Not sind auch für ein Aufnahmegesuch für das Ellinor-Holland-Haus Angaben zum Einkommen, zur Notlage und zu den Möglichkeiten der Selbsthilfe nötig. Eine Bestätigung einer Beratungsstelle muss ebenfalls beiliegen. Die Bewerberinnen und Bewerber wurden dann zum Gespräch eingeladen und über die Konzeption des Hauses informiert. Wer motiviert war, an seiner Situation zu arbeiten und an einer aktiven Hausgemeinschaft mitarbeiten wollte, bekam vom Kuratorium der Kartei der Not eine Aufnahmebewilligung und unterzeichnete seinen auf drei Jahre befristeten Betreuungsvertrag. Bewohnerstruktur seit Januar 2016 In der Praxis wurden die geplanten Zielgruppen inzwischen bestätigt. Nun sind sie auch genauer gefasst. Anfangs war nicht so klar, das psychische Erkrankung eine so große Rolle bei der Bewohnerschaft des Ellinor-Holland-Hauses spielen würde. Auch haben wir drei alleinerziehende Flüchtlingsmütter mit ihren Kindern aufgenommen, die schon länger hier leben und aus den Gemeinschaftsunterkünften ausziehen durften. Diese Zielgruppe trat erst im Jahr 2015 stärker in den Focus. Die allgemein große Wohnungsnot und die Tatsache, dass günstiger Wohnraum knapp ist, führte dazu, dass sich einige Familien um einen Wohnplatz bewarben, bei denen erst im Gespräch klar wurde, dass sie eigentlich nur eine günstige Wohnung, nicht aber eine Betreuung oder eine Gemeinschaft möchten. Die Auswahl war nicht leicht, es ist aber eine gute bunte Mischung von Menschen aus Deutschland und der Welt gelungen. Das jüngste Kind ist ein paar Wochen alt, die älteste Bewohnerin ist 65 Jahre alt. Es gibt gesunde und gesundheitlich angeschlagene Bewohnerinnen und Bewohner, die sich gegenseitig helfen, wie wir uns das gewünscht haben. Die gemeinsamen Treffpunkte werden genutzt und das Wissen, dass man nicht der einzige mit Problemen ist, entlastet alle. 2.4

Ziele

Das Ziel des Ellinor-Holland-Hauses ist ein selbstbestimmtes Leben für Menschen mit und ohne Behinderung und für Menschen in schwierigen Lebenssituationen. 7

Das Ellinor-Holland-Haus ist keine dauerhafte betreute Wohnanlage, sondern ein Übergangswohnen für Krisenzeiten. Nach ein bis drei Jahren Aufenthalt im Ellinor-HollandHaus sollen die Bewohnerinnen und Bewohner in der Lage sein, ihr Leben vor allem in folgenden Bereichen selbstständig zu meistern: Die Bewohnerinnen und Bewohner sollen eine stabile finanzielle Lebensgrundlage aufbauen. Dazu gehört die Entwicklung einer realistischen Berufsperspektive und ein Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatz, um weitgehend unabhängig von staatlichen Leistungen zu sein. Ein dazu passender Kinderbetreuungsplatz ist die Grundvoraussetzung, dass dies auch gelingen kann. Menschen in Not sind häufig auch psychisch belastet. Während des Aufenthaltes im EllinorHolland-Haus sollen die Bewohnerinnen und Bewohner lernen, sich selbst Hilfe zu holen und diese auch anzunehmen, um psychische Stabilität zu entwickeln und in kritischen Lebenssituationen handlungsfähig zu bleiben. Wer psychotherapeutische Unterstützung benötigt, soll während des Aufenthaltes im Ellinor-Holland-Haus einen passenden Therapieplatz suchen und mit der Therapie zumindest beginnen bzw. eine bereits begonnene Therapie fortsetzen und abschließen. Eltern sollen nach dem Aufenthalt im Ellinor-Holland-Haus ihre Elternrolle noch besser wahrnehmen und ihren Kindern Sicherheit und einen verlässlichen Rahmen für eine gesunde Entwicklung bieten. Dazu gehört Selbstsicherheit bei einer liebevollen gewaltfreien Erziehung, konsequente Umsetzung von klaren Regeln und kindgerechte Förderung. Wo nötig werden Kontakte und Unterstützung von Erziehungsberatung, Jugendamt und weiteren Fachstellen angebahnt. Es versteht sich von selbst, dass Eltern mit ihren Kindern die vorgeschriebenen Vorsorgeuntersuchungen besuchen und bei Erkrankung ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. 2.5

Umsetzung

Um die genannten Ziele zu erreichen, sind ein umfassendes professionelles und informelles Helfersystem ebenso nötig wie bemühte und motivierte Bewohner, die eine Verbesserung ihrer aktuellen Lebenssituation erreichen möchten. Die Bewohnerinnen und Bewohner wurden nach Dringlichkeit und Schwere ihrer Notlage sowie nach ihrer Bereitschaft zur Lösung ihrer Probleme und zum Einbringen in die Gemeinschaft ausgewählt, damit die Hilfe zur Selbsthilfe wirken kann. Wer sein Leben ändern will, aber es (noch) nicht kann, erhält im Ellinor-Holland-Haus Unterstützung. Gegenseitige Hilfe unter Nachbarn, das Knüpfen von Netzwerken und der Aufbau von Freundschaften stützen in Notlagen und sind ein wichtiger Schutzfaktor, um nicht an der nächsten Krise zu zerbrechen. Genau hier setzt das Ellinor-Holland-Haus an: In einer stützenden Hausgemeinschaft und zusammen mit einem professionellen Helfersystem, bestehend aus der Sozialarbeiterin, dem Ellinor-Holland-Kinderhaus mit seinen Fachkräften, Beratungsangeboten wie Schuldner- und Erziehungsberatung, Kooperationen mit Therapeuten und einem Freundeskreis aus Ehrenamtlichen, der niederschwellige Unterstützung leistet, sowie Treff- und Freizeitmöglichkeiten, Sport- und Kursangebote und einer Qualifizierungsmöglichkeit im Tante-Emma-Laden und Café, sollen Menschen, die unverschuldet in Not geraten sind, Kraft tanken und den Schritt in ein selbstbestimmtes Leben wagen. 2.6

Module

Damit die Hilfe zur Selbsthilfe gelingen kann, hält das Ellinor-Holland-Haus folgende unterstützende Strukturen bereit. 8

2.6.1 Mehrgenerationenwohnen Mehrgenerationenhäuser übertragen das Prinzip der früheren Großfamilie auf die moderne Gesellschaft – so ist im Aktionsprogramm Mehrgenerationenhäuser des Bundesfamilienministeriums zu lesen. „Nachbarn helfen Nachbarn“ war zu Beginn der Arbeit der Kartei der Not der Leitspruch des Hilfswerkes. Genau dies ist auch das Prinzip des Ellinor-Holland-Hauses: Die Bewohnerinnen und Bewohner sollen in einer stützenden Hausgemeinschaft aufgefangen sein, sie sollen erfahren, wie ein nachbarschaftliches Netzwerk funktioniert und wie gut es tut, Hilfe zu erhalten und auch selbst Hilfe zu leisten. Das Ziel ist die Gegenseitigkeit, so dass aus Hilfeempfängern eigenverantwortliche Mithelfende werden. Das gegenseitige Sich-Aushelfen und das gemeinsame Tun ist Grundlage von Gemeinschaft. Wichtig ist hierbei, dass die Gemeinschaftsangebote offen sind für die Bewohner, für Ehrenamtliche, die sich engagieren wollen, für Eltern und Kinder aus dem Kinderhaus und für Interessierte aus der Nachbarschaft. Die Hauptthemen hierbei sind neben der stützenden Gemeinschaft die Themen Integration und Bildung. Bildung ist der Schlüssel zu einem erfüllenden Berufsleben, eine Ausbildung ist unabdingbar, um den Einstieg ins Berufsleben überhaupt zu schaffen. Das Ellinor-HollandKinderhaus neben dem Wohnhaus hilft dabei, die Erwerbstätigkeit mit der Kinderbetreuung zu vereinbaren. Das Ellinor-Holland-Kinderhaus legt bei der Betreuung der Kinder viel Wert auf Inklusion, Resilienz und arbeitet nach einem Montessori-Ansatz. Wer eine Kinderbetreuung zu Zeiten benötigt, zu denen das Ellinor-Holland-Kinderhaus geschlossen ist, für den wird versucht, eine Lösung zu finden z. B. im Rahmen nachbarschaftlicher Unterstützung, mithilfe Ehrenamtlicher oder mit Tagesmüttern. Integration bedeutet das Dazugehören zu einer Gemeinschaft, die Einbettung des EllinorHolland-Hauses in die Nachbarschaft ist Voraussetzung für die Akzeptanz der Bewohner im Stadtviertel und untereinander. Den Bewohnern des Ellinor-Holland-Hauses ist gemeinsam, dass sie in eine Notlage geraten sind und einen stützenden Übergangswohnraum brauchen. Zumindest übergangsweise reichen ihre persönlichen und sozialen Ressourcen nicht aus, sich selbst zu helfen. Hier geht es um Überwindung der Notlage, die Teilhabe am Leben, egal ob jemand durch eine Behinderung, eine Erkrankung, eine Überforderungssituation, eine Gewalterfahrung oder durch einen anderen Schicksalsschlag in Not geraten ist. Neben möglicher therapeutischer Unterstützung ist ein stützendes Umfeld wichtig. Das Gefühl, sicher aufgehoben zu sein und die nötige Hilfe zu erhalten, schafft den nötigen Raum, um durchatmen und Kraft tanken zu können und sich auf die Zukunft zu konzentrieren.

2.6.2 Sozialarbeiterin / Kümmerer Die zentrale Stelle im Haus hat die Sozialarbeiterin inne, weil sie sich um die Belange der Bewohnerschaft kümmert und sie auf ihrem Weg, sich selbst zu helfen und ihr Leben zu verbessern, begleitet. Außerdem sorgt sie dafür, dass das Mehrgenerationenwohnen als stützende Hausgemeinschaft funktioniert. Zusätzlich muss sie die Ehrenamtlichen schulen und einweisen. Gerade am Beginn des Modellprojektes ist sehr viel zu tun und so wurden vom Kuratorium der Kartei der Not für das erste Jahr 1,5 Stellen statt der geplanten einen Stelle bewilligt. Die Sozialarbeiterin entwickelt mit den Bewohnerinnen und Bewohnern Ziele für die Verbesserung der Lebenssituation und entwirft zusammen mit ihnen Strategien, wie diese Ziele auch erreicht werden können. 9

Die Sozialarbeiterin hilft auch dabei, die großen Ziele in kleine Schritte und Teilziele aufzuteilen, damit die Herausforderung nicht zur Überforderung wird und sich Erfolge schnell einstellen. Diese motivieren, den nächsten Schritt zu gehen. So entwickeln die Menschen eine realistische Selbsteinschätzung und ein Bewusstsein dafür, was sie sich zumuten können, um weiterzukommen, ohne sich selbst zu überfordern. In regelmäßigen Abständen wird reflektiert, wie nahe die Bewohner ihren Zielen bereits gekommen sind, welche Schritte noch nötig sind und ob diese korrigiert und angepasst werden müssen. Misserfolge werden analysiert und als Lernmöglichkeiten betrachtet, Krisen als Chancen bewertet. Die Sozialarbeiterin ist auch Ansprechpartnerin vor Ort, wenn es um die Vermittlung weiterer Hilfen geht und kann kurzfristig mit Rat und Tat zur Seite stehen. Beispielsweise kann sie zusammen mit Ehrenamtlichen beim Schreiben von Bewerbungen und bei der Suche nach einem Arbeits- und Ausbildungsplatz helfen. Die Sozialarbeiterin nimmt den Bewohnerinnen und Bewohnern die Probleme nicht ab, sie hilft ihnen vielmehr, diese selbst zu lösen. Sie organisiert auch den Rahmen für umfassende Hilfen im Ellinor-Holland-Haus und sorgt dafür, dass Gemeinschaftsangebote stattfinden, die den Bewohnerinnen und Bewohnern helfen, sich gegenseitig kennenzulernen. Gemeinschaftsaktionen können Kochkurse, Kinderspieltage, Feste, aber auch Vortragsveranstaltungen zu Erziehungsthemen, Workshops zur Berufsfindung und Ähnliches sein. Die Ideen und auch Teile der Umsetzung sollen von den Bewohnerinnen und Bewohnern des Hauses kommen bzw. sich aus den Themen des Hauses ergeben. Die Sozialarbeiterin soll eher koordinieren als selbst organisieren, damit die Bewohnerinnen und Bewohner lernen, gemeinsam Aktionen zu planen und umzusetzen. Erfolgreiche Aktionen schweißen zusammen und geben den Akteuren Selbstvertrauen. Weniger erfolgreiche Aktionen können mithilfe der Sozialarbeiterin reflektiert und verarbeitet werden. Der konstruktive Umgang mit Rückschlägen und Misserfolgen kann so ebenfalls erlernt werden. Wer gelernt hat, auch mal nach den Nachbarn zu schauen, Hilfe anzubieten und um Hilfe zu bitten, kommt im Leben besser zurecht. Das klappt in funktionierenden Dorfgemeinschaften gut und ist Vorbild für das Gemeinschaftswohnen im Ellinor-Holland-Haus. Die Sozialarbeiterin ist auch die Person im Ellinor-Holland-Haus, die dafür sorgt, dass die Kooperationen mit den Partnern im Haus, der Kindertagesstätte, dem Qualifizierungsbetrieb, den Beratungsangeboten und den Ehrenamtlichen sowie die Vernetzung mit der Stiftung Kartei der Not und weiteren Partnern, funktioniert. Nicht zuletzt hilft die Sozialarbeiterin auch bei der Planung des Auszuges aus dem EllinorHolland-Haus, wenn die Bewohnerinnen und Bewohner ihre zu Beginn geplanten Ziele erreicht haben oder der Aufenthalt im Haus keinen Sinn mehr macht. Sie hilft auch bei der Suche nach einer passenden Anschlusswohnmöglichkeit.

2.6.2 Gemeinschaftsraum Der Gemeinschaftsraum ist das Herzstück des Ellinor-Holland-Hauses. Hier findet organisierte Gemeinschaft statt. Der Gemeinschaftsraum ist formeller Treffpunkt und bietet Platz für die Umsetzung von Ideen, für Feste und Kurse, für Vorträge und offene Treffs. Der Raum kann von den Bewohnerinnen und Bewohnern, aber auch von Nachbarn im Stadtteil genutzt werden. Die Sozialarbeiterin koordiniert die Belegung und sorgt für eine ausgewogene Mischung sowohl thematisch als auch von der Besucherstruktur.

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Der Gemeinschaftsraum bietet Platz für bis zu 80 Personen und kann individuell bestuhlt werden. Eine Küche befindet sich direkt neben dem Gemeinschaftsraum, um sowohl Kochkurse, als auch die Verpflegung bei Veranstaltungen zu ermöglichen. Veranstaltungen für den Stadtteil und für Interessierte von außen sollen im Gemeinschaftsraum ebenfalls möglich sein. So wird das Ellinor-Holland-Haus auch für die Nachbarn erlebbar und es findet eine echte Integration in den Stadtteil statt.

2.6.3 Integrative Kindertagesstätte „Ellinor-Holland-Kinderhaus“ Um Familie und Beruf vereinbaren zu können sowie die Integration in den Stadtteil zu erreichen, wird es ein Kinderhaus mit zwei Krippengruppen sowie je einer Kindergarten- und Hortgruppe geben. Das Kinderhaus ist in einem separaten Gebäude neben dem EllinorHolland-Haus untergebracht. Es verfolgt einen integrativen Ansatz, deutsche Kinder und Kinder mit Migrationshintergrund, Kinder mit und ohne Behinderung können zusammen spielen und mitbzw. voneinander lernen. Das Ellinor-Holland-Kinderhaus steht Kindern aus dem EllinorHolland-Haus und Kindern aus der Nachbarschaft offen. Erziehungsziel ist die Stärkung der Kinder damit diese von klein auf lernen, mit belastenden Lebensereignissen umgehen zu können. In Untersuchungen wurde nachgewiesen, dass Kinder mit schwierigen Lebenssituationen erstaunlich gut zurechtkommen, wenn sie nur einen Menschen haben, der sie fördert und an sie glaubt. Diese psychische und physische Resilienz der Kinder soll im Ellinor-Holland-Kinderhaus gestärkt und gefördert werden. Elemente der Montessori-Pädagogik helfen bei der Umsetzung. Als Grundgedanke der Montessori-Pädagogik gilt die Aufforderung „Hilf mir, es selbst zu tun“. Die Erziehungsmethode der italienischen Ärztin Maria Montessori wurde speziell für Arbeiterkinder entwickelt und ist heute aber bei der deutschen Mittelschicht sehr beliebt. Nachdem im Ellinor-Holland-Kinderhaus Kinder aus den unterschiedlichsten Milieus betreut werden, ist diese Art der Pädagogik die ideale Voraussetzung, damit dies auch gelingt. Die Kindertagesstätte ist architektonisch so gestaltet, dass sie flexibel für alle Altersgruppen und für gemischte Konzepte nutzbar ist. Der Träger der Kindertagesstätte, der ArbeiterSamariter-Bund Augsburg, war von Beginn an aktiv in die Planungen eingebunden und hat eine eigene Konzeption für das Ellinor-Holland-Kinderhaus erstellt.

2.6.4 Tante-Emma-Laden mit Café In Kooperation mit dem gemeinnützigen Bildungsträger „Bildung Integration Beruf – BIB Augsburg gGmbH“ gelang es, ein Qualifizierungsprojekt ins Ellinor-Holland-Haus zu bekommen, welches den Bewohnern Praktika und Ausbildung in den Bereichen Küche, Service und Verkauf in Voll- und Teilzeit ermöglicht. Durch die Einbindung des TanteEmma-Ladens mit Café in das Gesamtkonzept des Ellinor-Holland-Hauses werden sowohl die Eingliederung in den Beruf als auch die Nahversorgung mit Dingen des täglichen Bedarfes sowie Treffmöglichkeiten für den Stadtteil optimal miteinander verbunden. Das Projekt finanziert sich schwerpunktmäßig aus den Zuschüssen der Arbeitsagentur und des Jobcenters und bietet Qualifizierungsmöglichkeiten für Einheimische und Flüchtlinge in besonderen Lebenslagen. Für das Projekt Tante-Emma-Laden und Café wurde eine separate Konzeption erstellt.

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2.6.5 Beratungsangebote Da die Sozialarbeiterin nicht alle Problemlagen abfangen und in speziellen Fragestellungen nur eine erste Klärung übernehmen kann, werden Kooperationen mit weiteren Dienstleistern und Beratungsstellen im Sozialbereich aufgebaut. Das Jobcenter ist bereits mit Berufsberatung vertreten. Weiter ist geplant, im Haus stundenweise Erziehungsberatung, Schuldnerberatung, Behindertenberatung und eine allgemeine Sozialberatung anzubieten. Für diese Arbeit steht ein zusätzliches Büro und ein Besprechungsraum zur Verfügung.

2.6.6 Freundeskreis und Ehrenamtliche Die Bildung eines Freundeskreises und der Aufbau einer Ehrenamtlichenstruktur ist wichtig zur Stärkung der Gemeinschaft im Ellinor-Holland-Haus und für ein vielfältiges Angebot von Gemeinschaftsaktivitäten. Es haben sich bereits knapp 20 Freiwillige aus der Nachbarschaft und aus der Mediengruppe Pressedruck eingefunden, die in den unterschiedlichsten Bereichen im Ellinor-Holland-Haus mithelfen. Neben Ausflügen zu Sozialkaufhäusern und einer Kochgruppe ist auch eine Gartengruppe geplant. Ein Ehrenamtlicher hilft handwerklich aus, ein anderer unterstützt den Hausmeister. Ehrenamtliche beraten bei der Alltagsgestaltung, unterstützen beim Kontakt zu Behörden, sichten Unterlagen, vermitteln an externe Beratungsstellen und geben Unterstützung bei Bewerbungen und Arztbesuchen, der Förderung der Kinder und der Haushaltsorganisation. Die Sozialarbeiterin betreut die Ehrenamtlichen und steuert die Aktivitäten.

2.7

Wissenschaftliche Begleitung

Mit der Universität Augsburg, Sozialwissenschaftliche Fakultät, Fachbereich Pädagogik wurde ein studentisches Projekt der wissenschaftlichen Begleitung vereinbart. So erhalten die Studierenden einen aktuellen Praxisbezug und das Modellprojekt Ellinor-Holland-Haus wird aus der Außenperspektive untersucht. Für die wissenschaftliche Begleitung gab es drei Schwerpunkte:  Stadtteilentwicklung und die Einbindung des Modellprojektes in den Stadtteil  Organisations- und Leitbildentwicklung für Stiftung und gemeinnützige GmbH  Zielerreichung und Praxistauglichkeit der Konzeption Die Befragung der Nachbarn war der erste Teil und ist bereits abgeschlossen. Es wurden sowohl Einzelpersonen im Stadtviertel, als auch Akteure im Stadtteil befragt. Die Befragung wurde sowohl schriftlich per anonymen Fragebogen als auch mit qualitativen Interviews vorgenommen, um ein möglichst breites Spektrum abzudecken und ein möglichst gutes Bild zu bekommen. Resümee der Nachbarschaftsbefragung ist, dass die deutliche Mehrheit das Ellinor-Holland-Haus kennt und befürwortet. Das ist wichtig für den Start des Modellprojektes. Die Ergebnisse kamen früh genug, um noch nachsteuern zu können. Für die Organisations- und Leitbildentwicklung wurde gute Vorarbeit geleistet. Es wurden einige wichtige Akteure aus dem Umfeld des Ellinor-Holland-Hauses befragt, um die Wertestruktur zu erfassen. Auf diese Ergebnisse können Stiftung und gGmbH aufbauen. Demnächst soll auch die Erstbefragung der Bewohnerschaft starten, um in drei Jahren auswerten zu können, ob bzw. inwiefern die selbst gesteckten Ziele der Bewohnerinnen und Bewohner erreicht wurden. 12

2.8

Architektur

Das Ellinor-Holland-Haus unterstreicht seinen offenen Charakter durch die Architektur. Das Ellinor-Holland-Haus ist schon aufgrund der Konzeption ein offenes Haus für die Bewohner und das Stadtviertel. Dies wird in der Architektur umgesetzt, sodass alle Menschen ohne fremde Hilfe und ohne jegliche Einschränkungen die Einrichtungen des Ellinor-HollandHauses nutzen können. Der Zugang wird sowohl für Rollstuhlfahrer als auch für ältere Menschen und für Personen mit Kleinkindern ermöglicht und gleichzeitig sicher gestaltet. Auch die Außenbereiche sind für schwerbehinderte Personen und mit Kinderwägen gut erreichbar. Bei der Errichtung des Ellinor-Holland-Hauses und des Ellinor-HollandKinderhaues wurden die Bauvorschriften für barrierefreies Bauen angewandt. Alle Wohnungen sind barrierefrei, zwei Wohnungen genügen außerdem den Vorschriften für behindertengerechte Wohnungen. Die Konzeption des Ellinor-Holland-Hauses sieht vor, Menschen in Notsituationen aufzunehmen. Erfahrungsgemäß sind darunter viele Menschen mit körperlichen Einschränkungen, aber auch ein paar wenige, die auf den Rollstuhl angewiesen sind. Das Ellinor-Holland-Haus ist keine Pflegeeinrichtung und kein Wohnheim für Menschen mit Behinderung, sondern stellt vorübergehend Wohnraum für Menschen in Krisensituationen zur Verfügung. Die Möglichkeit eines Hausnotrufes ist in jeder Wohnung vorgesehen. Damit sich unter anderem Kinder gut zurechtfinden, sind die verschiedenen Stockwerke und Wohneinheiten in verschiedenen Farben gehalten. Barrierefreiheit bedeutet auch, dass alle Wohnungen und sonstigen Räume gut mit dem Kinderwagen erreichbar sind. Für Kinderwägen, Rollatoren und Rollstühle sind Abstellflächen vorgesehen. Es entstanden 28 Wohnungen mit zwei, drei und vier Zimmern für Menschen in Not. Die Größe der Wohnungen orientiert sich an den Vorgaben für den sozialen Wohnungsbau. Die Wohnungen sind wegen der kurzen Verweildauer und der Bedürftigkeit der Bewohner mit Küchen ausgestattet. Wandnischen bzw. Einbauschränke für die Aufbewahrung von Kleidung 13

wurden ebenso eingebaut wie das Vorhalten von Betten und Matratzen durch den Träger des Hauses, um in Notlagen aushelfen zu können. Für jede Wohnung gibt es ein ausreichend großes Kellerabteil, um die Möbel unterstellen zu können, die in der teilmöblierten Wohnung nicht aufgestellt werden können. Der Gemeinschaftsraum ist selbstverständlich ebenfalls mit dem Rollstuhl gut zu erreichen. Sowohl im Ellinor-Holland-Haus als auch im Ellinor-Holland-Kinderhaus sind große Aufzüge vorhanden, in denen Personen auch liegend transportiert werden können. Im Ellinor-Holland-Haus bedeutet die Barrierefreiheit jedoch nicht nur den schwellenfreien Zugang für Personen mit einer Gehbehinderung, sondern das Haus ist für alle Menschen auch im übertragenen Sinne offen und drückt dies auch aus. Wie in einer Dorfgemeinschaft sind verschiedene „Häuser“ miteinander verbunden, es gibt Gemeinschaftsterrassen, einen Gemeinschaftsgarten mit Spielplatz und Sitzgelegenheiten und in den Gängen Sitzgruppen, die als informelle Treffpunkte dienen. Weitere Orte, wo Menschen aufeinandertreffen, sind die Waschküche und der Eingangsbereich mit den Briefkästen, wo ebenfalls Sitzmöglichkeiten bereitstehen. Verschiedene Farben in den Häusern wirken identitätsstiftend und dienen als Hilfen bei der Orientierung. Die Architektur strahlt Klarheit aus und helle freundliche Räume laden dazu ein, sich im Ellinor-HollandHaus wohlzufühlen. Durch die Architektur werden mögliche Spannungsfelder zwischen den Bewohnern vorweggenommen. Der große Vorplatz mit Café und Laden lädt zum Kommen und Verweilen ein und ist informeller Treffpunkt. Hier treffen Hausbewohner, Kinderhausbesucher sowie Gäste des Cafés und Kunden des Ladens aufeinander. Der Gemeinschaftsraum ist an die Kindertagesstätte angegliedert, somit müssen auch die Bewohner des Ellinor-Holland-Hauses das Haus verlassen, wenn sie den Raum besuchen wollen – wie Besucher von außen auch. So ist jeder ein Gast und die Hemmschwelle für Besucher von außen wird durch die Nähe zum Kinderhaus gesenkt. Der Garten ist durch Sitzstufen optisch abgetrennt, kein Zaun signalisiert hier eine Zugangssperre. Menschen mit Gehbehinderung erreichen den Garten mit dem Aufzug. Ruhige Sitzmöglichkeiten und ein ansprechender Spielplatz sind ein Erholungsraum für Kinder und Erwachsene. Das Architekturbüro 3+ wurde im Rahmen einer Machbarkeitsstudie ausgewählt und mit der Planung des Ellinor-Holland-Hauses und Ellinor-Holland-Kinderhauses betraut. 2.9

Grundstück/Lage

Die Voraussetzung für ein geeignetes Grundstück war, dass dieses genügend Platz bieten sollte für ein mehrstöckiges Wohnhaus, eine Kindertagesstätte und Grünflächen für den Spielplatz. Wegen des (reduzierten) Stellplatzschlüssels muss der Notwendigkeit, eine gewisse Anzahl von Parkplätzen vorzuhalten, ebenfalls Genüge getan werden, auch wenn die meisten Bewohner des Ellinor-Holland-Hauses kein Fahrzeug besitzen. Das Ellinor-HollandHaus muss in eine gute Infrastruktur eingebunden sein. So sind Einkaufsmöglichkeiten, gute Erreichbarkeit mit Nahverkehrsmitteln und die Nähe zu Schulen eine Grundvoraussetzung. Das passende Grundstück liegt im Augsburger Textilviertel neben dem Glaspalast. Dieser Stadtteil war früher ein Arbeiterviertel und ist heute ein sich rasch entwickelnder Stadtteil mit renovierter und neuer Wohnbebauung und gemischter Bevölkerungsstruktur. In diesen Stadtteil kann das Ellinor-Holland-Haus hinein- und mitwachsen, es bietet als Stadtteilzentrum Treffmöglichkeiten und mit seiner Kindertagesstätte und dem kleinen Laden und Café einen zentralen Punkt im sozialen Leben. 14

Foto: Ulrich Wagner 2.10

Rechtsform

Trägerin und Betreiberin des Ellinor-Holland-Hauses ist die Ellinor-Holland-Haus gemeinnützige GmbH. Alleingesellschafterin ist die Stiftung Kartei der Not. 2.11

Zeitlicher Ablauf

Baubeginn war im Mai 2014. Das Ellinor-Holland-Kinderhaus wurde im September 2015 eröffnet. Das Gesamtprojekt Ellinor-Holland-Haus wurde Anfang 2016 bezogen. 2.12

Finanzierung

Für die Kindertagesstätte gab es die gesetzlichen Zuschüsse von Stadt und Freistaat, sowie einen Zuschuss für die integrativen Plätze von Aktion Mensch. Für das Ellinor-Holland-Haus gibt es keine gesetzlichen Beihilfen, aber das Modellvorhaben hat eine großzügige Unterstützung von der Bayerischen Landesstiftung erhalten. Die Ellinor-Holland-Haus gemeinnützige GmbH hat außerdem eine Projektbeihilfe von der Stiftung Kartei der Not erhalten. Der Rest wird mit Spenden und Darlehen finanziert. Der laufende Betrieb wird mit den Mieten und mit Spenden finanziert. 3. Ausblick Neben dem Grundstück des Ellinor-Holland-Hauses befindet sich ein weiteres Grundstück, welches ebenfalls für soziale Zwecke genutzt werden kann. Die Möglichkeit für eine Erweiterung ist somit gegeben.

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