Einsatz von Assistenzen im Unterricht der Regelschule Tagung Assistenzpersonen im aargauischen Schulalltag FHNW 27. Mai 2015 Dr. Bea Zumwald Pädagogische Hochschule St.Gallen
Gliederung
1. Assistenzpersonen in der Regelschule Vielfalt von Begriffen, Personen, Rahmenbedingungen Kontroverse Diskussion
2. Professionalisierung von SHPs und Lehrpersonen und Weiterbildung von Assistenzpersonen Führung & Anleitung Unterricht & Förderung Kooperation
3. Fazit
1. Assistenzpersonen in der Regelschule
1. Assistenzpersonen in der Regelschule
Vielfalt der Begriffe Pädagogische Assistenz
Klassenhilfe Klassenassistenz
IntegrationshelferIn
Unterrichtsassistenz Laienassistenz Schulassistenz
Teacher‘s aid
Schülerhilfe
PädagogischeR MitarbeiterIn LernpatIn Lehrerassistenz
Teacher/Teaching assistant
SchulbegleiterIn
Persönliche Assistenz
Instructional assistant
Paraeducator Paraprofessionals
Assistenzperson
Assistant Teacher
Inklusionshelferin Classroom Krisenassistenz assistant IntegrationsMitarbeiterIn für educational begleiterin die Integration assistant
1. Assistenzpersonen in der Regelschule
Vielfalt der Personen
«Familienfrauen»
SeniorInnen
Lernende FaBe
Personen der ausserschulischen Betreuung
PraktikantInnen Zivildienstleistende
(Fachleute Betreuung)
(junge) Erwachsene in (Berufs-) Orientierungsphase
Lehrpersonen als Teil einer vielfältigen Anstellung
andere…
1. Assistenzpersonen in der Regelschule
Vielfalt der Rahmenbedingungen 1 Verantwortlichkeit Zuteilung der Lektionen Anzahl Klassen Dauer/Dauerhaftigkeit der Einsätze Umfang Pensum Vorbildung Entlöhnung Stufe Einsatz für Kind – für Klasse Tätigkeiten Kooperationsbedingungen
1. Assistenzpersonen in der Regelschule
Vielfalt der Rahmenbedingungen 2
sonderpädagogisch
pädagogisch
1. Assistenzpersonen in der Regelschule
Kontroverse Diskussion
Assistenzen bringen Ruhe ins Klassenzimmer … bringen Entlastung
Externalisierung von Problemen
… sind Bezugspersonen für die Kinder … unterstützen im Alltag Widerspricht Wunsch nach weniger LPs pro Klasse
Assistenzen als Sparmassnahme? … führen zur Überlastung der Lehrperson Fehlende(s) Führungskompetenz / -bewusstsein der LP Deprofessionalisierung durch LP-light Kooperationsschwierigkeiten SHP-LP durch Assistenz lösen?
2. Professionalisierung von Lehrpersonen und SHPs Weiterbildung von Assistenzen Spannungsfelder
Führung und Anleitung der Assistenzpersonen
Unterricht und Förderung
Kooperation
Hinweise zur Weitere empirische Befunde
(Zumwald 2014, im Druck)
Professionalisierung von Lehrpersonen und SHPs Weiterbildung von Assistenzen
2. Professionalisierung LP/SHPs & Weiterbildung Assistenzen
Führung / Anleitung: Spannungsfelder
Führungsrolle der Lehrperson «Was kann [von der Klassenassistenz] verlangt werden?» (LP_9). «Schwierig finde ich, wenn es der UA langweilig wird und ich ihr eine sinnvolle Arbeit geben müsste» (LP_20).
Zwischen Selbstständigkeit und Anleitung
«Wie unterstütze ich in schwierigen Situationen, ohne von der Lehrperson darauf hingewiesen zu werden und ohne meine Kompetenzen zu überschreiten?» (KA_6).
2. Professionalisierung LP/SHPs & Weiterbildung Assistenzen
Führung / Anleitung: empirische Befunde
• Fehlende Vorbereitung der Lehrpersonen, wie Assistenzen erfolgversprechend eingesetzt werden können (Blatchford, Russell & Webster, 2012)
• Lehrpersonen überwachen den Einsatz der Assistenzen zu wenig, geben wenig Feedback (zusammenfassend Ashbaker & Morgan, 2012). • Auseinandersetzung mit Rollenkonflikten kann herausfordernd sein (Blatchford, Bassett, Brown, & Webster, 2009; Mäensivu, Uusiautti & Määttä, 2012; Heinrich, M. & Lübeck, A., 2013).
2. Professionalisierung LP/SHPs & Weiterbildung Assistenzen
Führung / Anleitung: Praxishinweise Einsatz geeigneter Führungs- und Kooperationsformen, die zur Rollenklärung mit der Assistenz, zu deren Anleitung und Kompetenzerweiterung genutzt werden können
• z. B. Mündlicher Austausch & gemeinsame Arbeitsformen • Punktuelle, gezielte gemeinsame Unterrichtsvor- und -nachbereitung (u.a. Einblick in Planungs- und Unterrichtsüberlegungen der SHP/LP) • Gemeinsame Präsenz im Schulzimmer ermöglicht Lernen am Modell durch Assistenzperson
• Unterstützung, allenfalls Coaching durch Schulleitung
2. Professionalisierung LP/SHPs & Weiterbildung Assistenzen
Unterricht / Förderung: Spannungsfeld
Nicht-Professionelle in professionell herausfordernden Situationen
«Die Unterrichtsassistenzen sind oft für Kinder zuständig, die im Verhalten ohne die Unterrichtsassistenz in der Klasse nicht tragbar sind. Das fehlende Wissen führt zu einer ‹unprofessionellen› Begleitung, indem die Kinder willkürlich begleitet werden. Die Kinder werden zu eng, in der falschen Situation begleitet» (SHP_29).
2. Professionalisierung LP/SHPs & Weiterbildung Assistenzen
Unterricht/Förderung: empirische Befunde • Steigerung von Leistung nur unter gewissen Bedingungen: negativer Effekt, wenn unausgebildete Assistenzen die Lernenden im Lernprozess direkt unterstützen (vgl. zusammenfassend Schoch et al., 2013) • Nicht signifikanter oder negativer Einfluss von Assistenzen auf Leistungen in Mathematik, Englisch, Naturwissenschaften. Effekt noch stärker bei Kindern mit höherem Grad an besonderen Bedürfnissen (Blatchford, Russell & Webster, 2012).
• Assistenzen gestalten Lernprozesse eher ergebnisorientiert, wenig anregend, während bei den Lehrpersonen eher das Verstehen des Lerninhaltes im Zentrum steht (Radford, Blatchford, & Webster, 2011). • Gezielt ausgebildete Assistenzen beeinflussen Lesekompetenz positiv (Alborz, Pearson, Farrell & Howes, 2009) (vgl. auch Butt, R. & Lowe, K., 2012).
2. Professionalisierung LP/SHPs & Weiterbildung Assistenzen
Unterricht / Förderung: Praxishinweise Situationen, die spezifische professionelle Kompetenzen brauchen, nicht an Assistenz delegieren Entwicklung von Formen, wie die Assistenz der Lehrperson Freiraum schaffen kann, damit diese sich um herausfordernde Situationen kümmern kann → Sicherung von Unterrichtsqualität Gezielte Anleitung der Assistenz für spezifische Aufgaben Einsatz der Assistenz unter anderem für «nicht-pädagogische» Aufgaben
2. Professionalisierung LP/SHPs & Weiterbildung Assistenzen
Unterricht / Förderung: Praxisbeispiel
Rolle Lehrperson /SHP: Erstellen von Wochenplänen unter Berücksichtigung von Lehrplan und individuellen Lernprozessen, Begleitung der Lernprozesse...
z.B. Wochenplanunterricht
Rolle Assistenzperson: Kennen des Prinzips & der konkreten Arbeitsaufträge, Hilfe beim Bereitstellen, selbständigkeitsfördernde Begleitung der Lernenden, melden von gravierenden Schwierigkeiten an LP...
2. Professionalisierung LP/SHPs & Weiterbildung Assistenzen
Unterricht / Förderung: Praxisbeispiel
LP unterrichtet, A unterstützt / beobachtet Modelllernen A Beobachtungen an LP weitergeben Einz. Kinder unterstützen (Aufmerksamkeit, Material) LP unterrichtet Klasse, A arbeitet mit Gruppe gemäss Instruktion d. LP (Rotation) A betreut Klasse, LP arbeitet mit Gruppe LP unterrichtet Halbklasse, A arbeitet mit Halbklasse gemäss Instruktion durch LP (Rotation) LP und A begleiten die Lernenden A: kleine Unsicherheiten, Aufrechterhalten von Arbeitsfähigkeit, Erkennen Supportnotwendigkeit, LP unterstützt Kinder mit Förderbedarf, Modelllernen A (Zumwald, 2013)
2. Professionalisierung LP/SHPs & Weiterbildung Assistenzen
Kooperation: Spannungsfeld
Einbindung in Gesamtförderstrategie vor dem Hintergrund unklarer Kooperationsgefässe
«Absprachen mit der Lehrperson sind unerlässlich. Die Lehrperson hat aber oft dafür keine Zeit oder will keinen Mehraufwand durch die Unterrichtsassistenz» (KA_6).
2. Professionalisierung LP/SHPs & Weiterbildung Assistenzen
Kooperation: empirische Befunde • Kurze Absprachen zwischen Lehrpersonen und Assistenzen zu Aufteilung von Arbeit, keine vertiefte Auseinandersetzung mit Zielen und Konsequenzen (Collin & Simco, 2006, French, 2001) • Assistenzen berichten, dass kaum gemeinsame Gespräche zwischen Lehrperson und Assistenz stattfinden (Blatchford et al., 2009, 2011). • Oft kein Vor- bzw. Nachbereiten der Stunden: kein Lerneffekt möglich (Ashbaker & Morgan, 2012).
2. Professionalisierung LP/SHPs & Weiterbildung Assistenzen
Kooperation: Praxishinweise Assistenz in die Förderstrategie der Klasse einbeziehen • Assistenzperson in bestehende Kooperationsabläufe integrieren • Minimale Austauschzeiten institutionalisieren • Assistenzperson kennt grundlegende Lernziele der Klasse und Förderziele einzelner Kinder ungefähr und reflektiert deren Auswirkungen auf ihr Handeln. • Bei der Förderplanung wird die Rolle der Assistenzperson mitbedacht. • Bei Lernenden mit sonderpädagogischem Förderbedarf Fachperson für Sonderpädagogik als Ansprechperson
2. Professionalisierung LP/SHPs & Weiterbildung Assistenzen
Kooperation: Praxisbeispiel • Integration von Kind mit Asperger-Syndrom • Regelmässiger Austausch Lehrperson, SHP, Assistenz Beobachtetes Verhalten
SHP
Lehrperson
Assistenz
M. sucht Routineverhalten,
schlägt Tagesplan vor
füllt Tagesplan täglich aus
bespricht mit M. den Tagesplan,
plötzliche Wechsel schwierig
erstellt Formular
Blickkontakt und Wahrnehmung von nonverbalen Zeichen schwierig
entwickelt mit LP die Karten stellt Karten her
hakt Erledigtes mit M. ab benutzt die Karten ab und zu
benutzt die Karten regelmässig, Karten können mit der Zeit weggelassen werden 22
3. Fazit
Funktions- und Kooperationsmatrix Professionalisierungsbedarf Lehrpersonen & SHPs
Auslöser
Weiterbildungsbedarf Assistenzen Führung / Anleitung
Schulleitung einzelnes Kind Klassensituation
Unterricht/ Förderung
Eltern
System -sicht
Multiprof. Kooperation
Lernen Verhalten Pflege Grösse Verhalten Lernen
Lehrperson andere
23
3. Fazit
Für Schulleitungen: Führungsverantwortung beim Entscheid «Ist eine Assistenz die richtige Massnahme» sowie bei der Umsetzung und der Begleitung der Lehrperson Für Lehrpersonen und SHPs: Proaktiver Umgang mit Situation - Übernehmen von (Gestaltungs-) Verantwortung in den Bereichen Führung & Anleitung, Unterricht & Förderung und Kooperation Für Assistenzpersonen: Information / Weiterbildung (Orientierungswissen Schule, Rollenklärung, Praxisreflexion, Vermittlung von erfolgversprechenden Formen)
Danke
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Literaturangaben 1 • Alborz, A. et al. (2009). The impact of adult support staff on pupils and mainstream schools. London: EPPI-Centre, Social Science Research Unit, Institut of Education, University of London. • Ashbaker, B. & Morgan, J. (2012). Team Players and Team managers. Special Educators working with Paraeducators to support inclusive classroom. Creative Education, 3 (3), 322–327. • Blatchford, P. et al. (2009). The effect of support staff on pupil engagement and individual attention. British Educational Research Journal, 35 (5), 661–686. • Blatchford, P., Russell, A. & Webster, R. (2012). Reassessing the impact of teaching assistants. How reasearch challenges practice and policy. London: Routledge. • Blatchford, P., Webster, R. & Russell, A. (2011). Challenging the Role and Deployment of Teaching Assistants in Mainstream Schools: The impact on Schools. Final report on the Effective Deployment of Teaching Assistants (EDTA) project. London: Institut of Education, University of London. • Butt, R. & Lowe, K. (2012). Teaching assistants and class teachers: differing perceptions, role confusion and the benefit of skills-based training. International Journal of Inclusive Education, 16 (2), 207–219. • Collins, J. & Simco, N. (2006). Teaching assistants reflect: the way forward? Reflective Practice: International and multidisciplinary Perspectives, 7 (2), 197–214. • French, N. (2001). Supervising Paraprofessionals: A Survey of Teacher Practices. The Journal of special education, 35 (1), 41–53. • Heinrich, M. & Lübeck, A. (2013). Hilflos häkelnde Helfer? Zur pädagogischen Rationalität von Integrationshelfer/inne/n im inklusiven Unterricht. Bildungsforschung, 10 (1), 91–110. Abrufbar unter http://www.bildungsforschung.org/index.php/bildungsforschung/article/viewFile/163/189 (115.101.2014).
Literaturangaben 2 • Mäensivu, K.-T., Uusiautti, S. & Määttä, K. (2012). Special Needs Assistants – The Special Characteristic and Strength of the School System of Finland. European Journal of Educational Research, 1 (1), 23–36. • Radford, J., Blatchford, P. & Webster, R. (2011). Opening up and closing down: how teachers and TA's manage turntaking, topic and repair in mathematics lessons. Learning and Instruction, 21 (5), 625–635. • Russell, A., Webster, R., & Blatchford, P. (2013). Maximising the Impact of Teaching Assistants: Guidance for school leaders and teachers. New York: Routledge. • Schoch, J., Baumgartner Roempp, D. & Gross, B. (2013). Erfahrungen mit Klassenassistenzen in verschiedenen europäischen Ländern. Eine explorative Kurzstudie im Auftrag der Bildungsdirektion des Kantons Zürich, Volksschulamt. Zürich: Institut Unterstrass der Pädagogischen Hochschule Zürich. • Thies, W. (2014). Assistenz für wen, was und wie? Von der Einzelbegleitung zum gruppenbezogenen Einsatz im multiprofessionellen Klassenteam. In S. Trumpa, S. Seifried, E. Franz & T. Klauss (Hrsg.), Inklusive Bildung: Erkenntnisse und Konzepte aus Fachdidaktik und Sonderpädagogik (S. 234-245). Weinheim und Basel: Beltz Juventa. • Zumwald, B. (2013). Teamteaching in der Basisstufe. Kooperative Unterrichtsorganisation in der altersgemischten Klasse. Dissertation. Bremen. Universität Bremen. Available from http://nbnresolving.de/urn:nbn:de:gbv:46-00103188-10. (14.08.2013) • Zumwald, B. (2014). Spannungsfelder beim Einsatz von Klassenassistenzen. Schweizerische Zeitschrift für Heilpädagogik, 20(4), 21-27. • Zumwald, B. (im Druck). Professionalisierung von Lehrpersonen und Fachpersonen Sonderpädagogik für den Einsatz von Assistenzpersonal in inklusiven Schulmodellen. In U. Mahnke, H. Redlich, L. Schäfer, G. Wachtel, V. Moser & K. Zehbe (Hrsg.), Perspektiven sonderpädagogischer Professionalisierung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.