Einsamkeit und soziale Isolation im Alter

Bakkalaureatsarbeit Einsamkeit und soziale Isolation im Alter Lehrveranstaltung: Alternsforschung Medizinische Universität Graz Betreuung: DGKS Wa...
Author: Minna Bretz
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Bakkalaureatsarbeit

Einsamkeit und soziale Isolation im Alter

Lehrveranstaltung: Alternsforschung

Medizinische Universität Graz

Betreuung: DGKS Waltraud Haas-Wippel

Autorin: Pamela Elisabeth Perhofer Matr.Nr.: 0612329 September,2009

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Ehrenwörtliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Bakkalaureatsarbeit selbständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommene Stellen als solche kenntlichgemacht habe. Weiters erkläre ich, dass ich diese Arbeit in gleicher oder ähnlicher Form noch keiner anderen Prüfungsbehörde vorgelegt habe. Graz, im März 2009

Unterschrift

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Inhaltsverzeichnis Abstract……………………………………………………………………...…...……….…3 1. Einleitung……………………………………………………………………………........3 2. Begriffsdefinitionen…………………………...……………………………….…..……4 2.1. Soziale Isolation……………….…………………..………………….………...6 2.2. Einsamkeit…………………………………..………..……………..…………..7 2.3. Alleinsein…………………………………………………………...……………8 3. Ursachen der Einsamkeit……………………………...……………………..………..9 3.1. Interne Ursachen………………………………………………………………11 3.2. Externe Ursachen………………………………………………..……………13 3.2.1. Rollenveränderungen………………………………………...……..14 3.2.2. Familienstand……………………………………………………..…15 3.2.3. Verlust der Bezugsperson…………………………….……………15 3.2.4. Gesundheitszustand………………………………………..………17 3.2.5. Sozialschicht………………………………………………...……….17 3.2.6. Wohnsituation………………………………………………………..17 3.2.7. Pensionierung…………………………………………………….…19 4. Messmethoden zur Bestimmung des Grades von Einsamkeit…………….…..21 5. Einsamkeitsgefühle und deren Folgen…………………………………………….22 6. Lösungsansätze…………………………………………………………………….….24 6.1. Individuumsbezogene Maßnahmen……………………………….………..25 6.1.1. Vorbereitung auf das Alter……………………………………….…25 6.1.2. Beratung und Therapie………………………………………….….25 6.1.3. Ambulante Dienste………………………………………….………25 6.1.4. Selbsthilfe…………………………………………………………….26 6.2. Umweltbezogene Maßnahmen…………………………………………...….26 6.2.1. Verbesserung der Wohnqualität in Heimen…………………..…..27 6.2.2. Qualifizierung von Heimpersonal………………………………….27 6.2.3. Verbesserung des gesellschaftlichen Ansehens alter Menschen……………………………………………….……..28 7. Empfehlungen……………………………………………………………….……….…29 8. Resümee………………………………………………………………………...…….…30 Literaturverzeichnis…………………………………………….………………………...31 2

Abstract In dieser Bakkalaureatsarbeit wurde nach ausführlicher Literaturrecherche versucht die Begriffe Einsamkeit und soziale Isolation zu erklären, deren Ursachen und Auswirkungen zu ergründen und mögliche Lösungsansätze um gegen die Einsamkeit im Alter zu wirken anzuführen. Dafür wurden mehrere Verfasserwerke, Fachbücher, Artikel und Arbeiten zusammengetragen und zusammengefasst. Es ist gelungen die Begriffe gut zu definieren und die Ursachen und Auswirkungen übersichtlich offen zu legen und nach physischen, psychischen und sozialen Aspekten zu gliedern. Weiters konnten übersichtliche und realistische Lösungsansätze gefunden und leicht verständlich gemacht werden.

1. Einleitung In den letzten Jahrzehnten kam es zu mehreren demografischen Veränderungen und Entwicklungen. Einerseits liegt ein Rückgang der Geburtenrate und Sterberate vor und andererseits ist auch ein steigendes Bevölkerungswachstum zu sehen. Jedoch auch die Veränderungen in der Altersstruktur sind zu beachten. Es gibt weniger junge und mehr alte Menschen. Durch das Bewusstsein, dass unsere Gesellschaft älter wird, ist es auch wichtig sich den psychosozialen Problemen alter Menschen zu widmen. Ein psychosoziales Problem im Alter stellt die Einsamkeit und soziale Isolation im Alter dar. Dies ist ein schwer lösbares Problem, sowohl für junge wie auch alte Menschen. Ältere Menschen werden mit verschiedenen Ereignissen konfrontiert, die ihr Leben verändern, wie zum Beispiel der Verlust ihrer Gesellschaftlichen Rolle wenn sie in Pension gehen, der Verlust sonstiger Aufgaben durch den körperlichen Abbau und verminderter Mobilität. Jedoch auch Verluste im Rahmen ihrer sozialen Beziehungen sind zu beachten, wie zum Beispiel der Verlust von Freunden oder dem Partner. Einsamkeit kann in Folge einem Problem werden.

dieser Veränderungen im Leben älterer Menschen zu Dieses Problem wird im Rahmen dieser Seminararbeit

näher beleuchtet bzw. bearbeitet. (Linnemann et al. 1995: 17-18) 3

In der heutigen Gesellschaft herrscht oft das Vorurteil, dass alte Menschen Ruhe brauchen und in Ruhe gelassen werden wollen. Für alte Menschen ist jedoch die Möglichkeit zu sozialen Kontakten und zur aktiven Teilnahme an Geschehnissen der Umwelt sehr wichtig. Einsamkeit und soziale Isolation können also zu einem großen Problem im Alter werden und es ist daher wichtig die Ursachen und Auswirkungen der Einsamkeit aufzuzeigen um mögliche Lösungsansätze zu finden gegen die Einsamkeit zu wirken. (Preitler et al. 1994: 83)

2. Begriffsdefinitionen Einsamkeit, soziale Isolierung und Verlassenheitsgefühle sind ein weit verbreitetes Problem unserer heutigen Gesellschaft, das sowohl einzelne Menschen als auch das Zusammenleben innerhalb größerer Verbände erheblich beeinträchtigt. Es wird davon ausgegangen, dass es noch nie so viel leere und Einsamkeit gegeben hat wie in der heutigen Gesellschaft. Heutzutage ist Einsamkeit für fast die Hälfte der Bevölkerung ein Thema, mit dem sie dauerhaft oder gelegentlich konfrontiert ist bzw. konfrontiert zu werden fürchtet. Untersuchungen aus den USA haben gezeigt, dass Einsamkeit ein Erleben ist, das den

meisten

Menschen

widerfährt.

Trotz

der

heutigen

fast

perfekten

Kommunikationstechnik besteht folglich keine befriedigende Kommunikation und Interaktion. Einsamkeit, soziale Isolierung und Verlassenheitserlebnisse sind vielmehr eine weitreichende Erscheinung unserer Gesellschaft. Einsamkeit ist meist mit einem Bündel negativer Aspekte verbunden. Die wichtigsten davon sind Benachteiligung, Leere, Mängel, Langeweile, mangelnde Wertschätzung durch andere, Resignation, eigenes Versagen, mangelnder Erfolg und Ausgrenzung. Dauernde Einsamkeit und soziale Isolierung begünstigen die Entstehung und Aufrechterhaltung emotionaler und physischer Störungen. So zeigt es sich, dass Personen, die als sozial isoliert gelten häufiger berufliche Probleme haben, eher von somatischen Krankheiten bedroht sind und häufiger psychiatrische Auffälligkeiten entwickeln. Jedoch kann die soziale Isolierung kaum als direkte Ursache für eine psychosoziale Beeinträchtigung gesehen werden, sowohl geht aber eine bestehende

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soziale Isolierung mit einer sich verringernden psychosozialen Gesundheit und Integrationsfähigkeit einher. Wenn man das Thema kulturkritisch betrachtet, wird davon ausgegangen, dass die soziale Randständigkeit einzelner Personen oder Gruppen eine Erscheinung des Industriezeitalters ist, denn die Schwächung traditioneller Gruppenstrukturen, die gesellschaftliche Wertschätzung von Individualität und Tüchtigkeit, das Bestreben nach Unabhängigkeit und die Reduzierung der direkten Kommunikation sind sicherlich Hintergrundfaktoren für die Vereinzelung des Menschen. Alleinsein wird jedoch nur dann als soziale Isolierung empfunden, wenn die betreffende Person wichtige soziale Motive nicht mehr befriedigt sieht. Soziale Isolierung hat demnach konkrete gesellschaftliche und materielle Voraussetzungen, sie entsteht jedoch erst durch die individuelle Wahrnehmung des Menschen selbst. Der zeitweilige Rückzug eines Menschen aus seinen sozialen Bezügen wird meist als befriedigend, entspannend und als Bedingung für seine eigene Selbstreflexion und Selbstfindung empfunden. Das Alleinsein ist also nicht nur negativ behaftet, sondern es erhält seinen negativen Charakter erst dadurch, dass jemand entgegen seinen Bedürfnissen mangelnde oder unbefriedigende soziale Kontakte unterhält und sich folglich als sozial Isoliert erlebt. Erst die fehlende Freiheit zwischen Integration und sozialem Rückzug wählen zu können, macht die soziale Isolierung zu einem negativen Phänomen. Das Alleinsein kann durchaus positive Folgen haben und der Weiterentwicklung dienen. Es zeigt sich, dass das Einsamkeitserleben auch zu positivem und befriedigendem Handeln wie Kreativität, Verantwortlichkeit, Unterstützung und Zufriedenheit führen kann. Einsamkeit kann sogar eine nützliche Rückmeldung für den Einzelnen sein und seiner Neubestimmung dienen. (Lauth und Viebahn 1987: 2-4) Zum richtigen Verständnis des Themas ist es unerlässlich, sich über die Bedeutung und den Gebrauch der verschiedenen Begriffe klar zu werden.

Die Begriffe

Einsamkeit und soziale Isolation sind in der gesamten Literatur nicht einheitlich definiert und es ist zu beachten, dass soziale Isolation zwar kurz beschrieben wird, jedoch meist nur auf das Gefühl der Einsamkeit eingegangen wird.

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2.1. Soziale Isolation Der Begriff soziale Isolierung ist bisher kaum in einer befriedigenden Form definiert und operationalisiert worden. Dieser Sachverhalt ist einerseits dadurch bedingt, dass verschiedene, oft leicht operationalisierbare Nachbarbegriffe herangezogen werden, um Formen sozialen Kontaktmangels zu beschreiben. Andererseits fällt dieser Begriff in die Zuständigkeit verschiedener Fachgebiete, wie beispielsweise Pädagogik, Soziologie, Psychologie, Psychiatrie oder Medizin. Kognitionspsychologisch wird soziale Isolierung als das negative individuelle Erleben unzureichender Sozialkontakte definiert. Dieses Erlebnis ergibt sich daraus, dass die Person innerhalb ihrer sozialen Situation für sie wichtige Bedürfnisse

nicht

befriedigen kann. Sozusagen entsprechen die gegenwertigen sozialen Beziehungen der betroffenen Personen nicht ihren sozialen Wünschen im Hinblick auf Nähe. Grundlegend für soziale Isolierung ist also eine Ist-Soll-Diskrepanz. Bei der sozialen Isolierung lassen sich zwei Gruppen von Isolierungsindikatoren unterscheiden, welche häufig vermischt werden: Direkte Isolierungsindikatoren beziehen sich auf die Erfassung von subjektiven Aspekten, wie beispielsweise das Bewerten seiner sozialen Beziehung durch das Individuum, Einsamkeitserleben oder Entfremdungsgefühle. Indirekte Isolierungsindikatoren beziehen sich auf äußere Umstände, die für das Erleben sozialer Isolierung wichtig sind. Zu diesen Indikatoren gehören die sozialen Netzwerke der Betroffenen, wie beispielsweise die Anzahl von Personen, die Hilfe leisten und Unterstützung gewähren können. Weiter auch die Kontakthäufigkeit einer Person, die Vielfalt der Interaktionsmöglichkeiten beispielsweise mit Verwandten, Freunden, Nachbarn oder Kollegen, der soziale Status (zum Beispiel verwitwet, geschieden, alleinlebend), die Beschränkung freier Mobilität aufgrund körperlicher Einschränkungen und das fehlen enger Vertrauter. Verschiedene Untersuchungen zeigten, dass soziale Isolierung nicht gleichgesetzt werden kann mit geringen sozialen Kontakten oder mit Kontakten zu einem eingeschränkten Personenkreis. Es ist davon auszugehen, dass bei einer subjektiven Definition sozialer Isolierung die qualitativen Dimensionen der sozialen 6

Isolation

wie

die

Intimität,

der

Austauschcharakter

der

Beziehungen,

die

Regelmäßigkeit der Kontakte, die Wählbarkeit der Kontaktpartner sowie die Vielseitigkeit der Kontakte von besonderer Bedeutung sind. (Lauth und Viebahn 1987: 10-12) Zusammenfassend ist zu sagen, der Begriff soziale Isolation erfasst die objektiven Gegebenheiten im Bereich der sozialen Kontakte, bezieht sich also auf tatsächliches, beobachtbares Verhalten. „Man spricht meist dann von Isolation, wenn die Sozialkontakte sich auf bloße Begrüßungsfloskeln beschränken und kein qualitativer Austausch stattfindet“ (http://www.CareLounge.de Stand: 2.6.2008).

2.2. Einsamkeit Einsamkeit lässt sich schwerer definieren, denn es geht hier um die subjektive Beurteilung der eigenen sozialen Situation. Menschen haben verschiedene Ansichten darüber, wann und ob jemand einsam ist. Einsamkeit wird grundsätzlich als subjektives Gefühl bezeichnet, welches nicht von der objektiven Kontakthäufigkeit bestimmt wird. In der wissenschaftlichen Theorie wird darauf hingewiesen, dass es keine streng kausale Beziehung zwischen Einsamkeit und sozialer Isolation gibt, Menschen können sich durchaus einsam fühlen obwohl sie häufigen Kontakt zu ihren Mitmenschen pflegen. Andererseits müssen Personen, die sozial Isoliert erscheinen, sich keineswegs einsam fühlen. Einsamkeit kann demnach nicht an der tatsächlichen Kontakthäufigkeit gemessen werden. (Linnemann et al. 1995: 22) Es ist also festzustellen, dass soziale Isolation und Einsamkeit

im Grunde zwei

verschiedene Dinge sind. Auch Untersuchungen im Zusammenhang mit sozialer Isolation und Einsamkeit haben gezeigt, dass beide relativ niedrig miteinander korrelieren. Der objektive Zustand „soziale Isolation“ hat demnach nur wenig mit dem subjektiven zustand „Einsamkeit“ zu tun. (Wagner 1992: 13)

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Es gestaltet sich auch schwierig, für den Begriff Einsamkeit kongruente Begriffe in anderen

Sprachkulturen

zu

finden.

Im

englischen

Sprachgebrauch

wird

beispielsweise das Wort „lonesomness“ verwendet, welches übersetzt schwach, leer, klein, krank und traurig entspricht. Diese Assoziationswörter zeigen durchaus, das Einsamkeit in unserer Gesellschaft ein eindeutig negativ besetzter Begriff ist. In der Theorie wird Einsamkeit von unterschiedlichen Ansätzen bestimmt, wobei man sich nicht immer in allen Punkten einigen kann. In den folgenden drei Punkten herrscht jedoch Einigkeit: 

Einsamkeit hängt mit dem Defizit an sozialen Beziehungen einer Person zusammen.



Einsamkeit ist ein subjektives Gefühl und nicht mit objektivem Alleinsein gleichzusetzen.



Einsamkeitsgefühle sind unangenehm und bedrückend.

Einige Autoren sagen, dass alle Menschen prinzipiell die gleichen elementaren Bedürfnisse haben und dass es zu Einsamkeitsgefühlen kommt wenn diese nicht befriedigt werden. Andere behaupten, dass Einsamkeit mit dem Vermissen sozialer Bestätigung zusammenhängt und wieder andere behaupten, dass das Bedürfnis nach Beziehungen individuell verschieden ist und von jedem Menschen anders empfunden wird. (Linnemann et al. 1995: 23)

2.3. Alleinsein Im alltäglichen Sprachgebrauch kommt es vor, dass die Begriffe „Einsamkeit“ und „Alleinsein“ häufig gleichgesetzt werden. Es muss jedoch zwischen den beiden Begriffen unterschieden werden, da sich ein Mensch der alleine lebt, nicht zwangsweise einsam fühlen muss. Menschen wählen Alleinsein oft bewusst und ziehen sich freiwillig aus dem gesellschaftlichen Leben zurück. Der Begriff des Alleinseins scheint also eher in Richtung freiwillige Isolation zu tendieren als in Richtung Einsamkeit. Das ungewollte Alleinsein kann jedoch durchaus mit sozialer Isolation verglichen werden. Alleinsein geht meist von der betroffenen Person aus, indem sie zu wenig um soziale Kontakte bemüht ist bzw. das Alleinsein bevorzugt. Soziale Isolierung hingegen geht fast immer von der Umwelt aus. (Wagner 1992: 14) 8

3. Ursachen der Einsamkeit im Alter In unserer modernen Gesellschaft, die jugendliches Aussehen idealisiert, körperliche und

geistige

Leistungsfähigkeit

Bewusstseinspflicht

macht

und

verherrlicht, beruflichen

Fortschrittsbereitschaft

Einsatz,

Konsum

und

zur aktive

Freizeitgestaltung proklamiert, scheinen alte Menschen geringe Chancen zu haben, am Leben ihrer sozialen Umwelt teilzuhaben bzw. eingebunden zu bleiben. Es stellt sich die Frage ob alte Menschen heute zu einem Randgruppen-Dasein und einem leben im Abseits verurteilt sind? Alte Menschen werden in der heutigen Gesellschaft meist nicht von jüngeren Personen als wünschenswerte Sozialpartner angesehen. Auch Beziehungsförderliche Attribute wie Weisheit oder Güte werden selten erwähnt. Der Umgang mit alten Menschen gilt stattdessen als unergiebig und mit Aufwand verbunden. Das Vorstellungsbild jüngerer Personen zeichnet den alten Menschen als gebrechlich, kränklich und hilflos, vergesslich und passiv, intolerant, konservativ und verbittert. Es unterstellt ihm Wünsche nach einem geruhsamen Leben, Scheu vor neuen Situationen und Widerwillen gegen Anpassung. Dadurch gelten auch Isolation

und

Einsamkeit

als

mehr

oder

weniger

unvermeidbare

Begleiterscheinungen des Alters. Die Isolierungsproblematik hängt geschichtlich mit der Industrialisierung einer Gesellschaft

zusammen.

In

vorindustriellen

Gesellschaften

war

es

sehr

unwahrscheinlich, dass alte Menschen ausgegrenzt oder sozial diskriminiert wurden und nicht mehr an familiären oder gesellschaftlichen Aktivitäten teilhatten. Durch den engen Zusammenhang von Erwerb, Familie und Gemeinschaft war es den alten Menschen möglich, Tätigkeiten auszuführen, die trotz nachlassender körperlicher Kräfte nützlich und notwendig waren. Durch ihre Erfahrungen und Kenntnisse waren sie sehr wichtig für Führungsaufgaben oder Aufgaben der Rechtsprechung. In

industriellen

Gesellschaften

findet

eine

weitgehende

Auflösung

der

Subsidiaritätsgemeinschaft statt. Damit verändert sich auch die Situation der alten Menschen. Lebenszyklen, Erwerb und soziale Aktivitäten werden nicht mehr durch die Familie und die Gemeinschaft beeinflusst, sondern durch gesetzliche Regelungen wie beispielsweise Schule, Berufstätigkeit und Pensionierung. (Lauth und Viebahn 1987: 72) 9

Bevor nun genauer auf die Ursachen der Einsamkeit eingegangen wird sind hier einige

Untersuchungsergebnisse

der

Arbeitsgruppe

Alternsforschung,

1971

anzuführen, welche gut die Bedeutung des Problems „Einsamkeit“ veranschaulichen. 

Nur etwa die Hälfte der Menschen, die sich einsam fühlen, leben alleine.



Frauen klagen häufiger über Einsamkeit als Männer.



Über 75jährige klagen häufiger über Einsamkeit als 65-74jährige.



Personen, denen es gesundheitlich schlechter geht, klagen mehr über Einsamkeit als jene, denen es gesundheitlich gut geht.



Je langweiliger das Leben ist, desto größer ist die Einsamkeit im Alter



Eingeschränkte Interessen begünstigen die Einsamkeit.



Eingeschränkte Ziele und Zukunftsorientierung begünstigen die Einsamkeit im Alter.



Geringes Selbstvertrauen begünstigt die Einsamkeit. (Preitler et al. 1994: 84)

Im Leben eines Menschen gibt es viele Situationen bzw. Lebensabschnitte, in denen man die Einsamkeit bevorzugt. Man zieht sich sozusagen aus dem sozialen Leben zurück und reduziert seine sozialen Kontakte auf ein Minimum. Menschen handeln zumeist dann so, wenn sie sich in einer schwierigen Situation Phase befinden und Zeit und Ruhe für sich brauchen um über wichtige Dinge nachdenken zu können. Menschen versuchen dadurch zu Entscheidungen zu kommen, die nicht durch die Gesellschaft anderer beeinflusst werden. Nur allzu oft übersehen es Menschen aber, wenn sie sich in diese Zeitlich begrenzte und freiwillige Isolation begeben. Diese freiwillige Einsamkeit ist für bestimmte Berufe sogar manchmal von Notwendigkeit. So können beispielsweise Künstler aus einer Phase der freiwilligen Isolation Kraft und Kreativität schöpfen. Man kann dadurch erkennen wie wichtig es ist, mit sozialer Isolation und Einsamkeit positiv umgehen zu können. Phasen sozialer Isolation und einem damit verbundenen Gefühl der Einsamkeit, können überwunden werden und in Phasen sozialer Integration übergehen. Viel häufiger und auch schwerwiegender in den Auswirkungen ist der ungewollte Rückzug aus dem sozialen Netz. Die Ursachen dafür beruhen meist auf radikalen, oft sehr plötzlichen Veränderungen im sozialen Gefüge. (Wagner 1992: 26) 10

3.1. Interne Ursachen Es gibt sowohl externe als auch interne Ursachen bzw. Bedingungen und Personenmerkmale,

welche

soziale

Isolierung

fördern

beziehungsweise

ihr

entgegenwirken. Im folgenden Abschnitt wird näher auf die internen Ursachen eingegangen. Jeder Mensch versucht seine sozialen Bedürfnisse zu

befriedigen. Wie gut das

gelingt, ist ein ausschlaggebender Faktor für die soziale Integration eines Menschen. Damit eng verbunden ist auch das Gefühl der Einsamkeit. Das Gefühl der Einsamkeit ergibt sich zumeist aus der Diskrepanz zwischen den sozialen Wünschen des Menschen und der sozialen Wirklichkeit. Die zentralen Entscheidungsprozesse dabei sind: 

Einschätzung der Ist-Lage



Der Vergleich zwischen Ist-Lage und Soll-Lage, einschließlich ihrer Bewertung und



Das Erklären der Abweichung (Lauth und Viebahn 1987: 15)

Wie nun diese internen Beurteilungsprozesse ablaufen, hängt wesentlich von den sozialen Kenntnissen und Fertigkeiten einer Person ab. Aber auch Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen und soziale Ängste sind an diesem Entscheidungsprozess mitbeteiligt. Es lassen sich verschiedene soziale Bedürfnisse nennen, welche der Mensch in seinen Beziehungen zu befriedigen versucht. Diese sind: 

Soziale Integration, ist dort am stärksten ausgeprägt, wo gemeinsame Interessen im Vordergrund stehen. Weiters bietet sie eine gute Grundlage für den Austausch von Hilfeleistungen.



Hilfestellung geben stellt für das soziale Selbstwertgefühl einen wichtigen Punkt dar. Dieser kommt vor allem in der Erziehung der Kinder zu tragen.



Sich seines eigenen Wertes bewusst sein.



Sich von anderen in schwierigen Situationen beraten zu lassen und wenn notwendig auch Hilfe in Anspruch zu nehmen. 11



Machtausübung und auch Befriedigung der sexuellen Bedürfnisse. (Lauth und Viebahn 1987: 14)

Diese Bedürfnisse sind bei jedem Einzelnen unterschiedlich stark ausgeprägt. Man kann auch nicht genau erklären, inwieweit das Fehlen oder die Überrepräsentation eines dieser sozialen Bedürfnisse soziale Isolation oder das Gefühl der Einsamkeit auslöst oder nicht. Die sozialen Fertigkeiten, über die eine Person verfügt, sind entscheidend für die Umsetzung seiner sozialen Handlungen und Wünsche. Defizite auf diesem Gebiet stellen zum Beispiel das Nichtvorhandensein von sozial adäquaten Verhaltensformen oder auch Hemmungen von verfügbaren durch Angst und Schüchternheit dar. „Beide Einschränkungen führen zu einer Effizienzverringerung des Sozialverhaltens. Diese wirkt sich besonders auf differenzierte (z.B. Flirten), persönlich wichtige und ritualisierte Verhaltensweisen aus. Unangemessenes Verhalten in diesen Bereichen erschwert sowohl die Anbahnung sozialer Kontakte als auch deren Aufrechterhaltung und Vertiefung. Fertigkeitsdefizite führen vor allem zu einem weniger befriedigenden bzw. belohnenden Verlauf sozialer Interaktionen.“ (Lauth und Viebahn 1987: 19) Durch das Erweitern der Verhaltensgrundlage eines Menschen beziehungsweise durch das Verbessern des vorhandenen Verhaltensreportoires,

kann auch die

soziale Situation der betreffenden Person verbessert werden. Um eine Verbesserung herbeizuführen ist es notwendig, über soziale Prozesse Bescheid zu wissen. Diese sozialen Prozesse werden hauptsächlich von Normen, Bedürfnissen und Verhalten gesteuert. Untersuchungen zeigen, dass sozial isolierte Personen weniger Kenntnisse über diese sozialen Prozesse besitzen und auch öfter gegen diese verstoßen. Um überhaupt eine Verbesserung der sozialen Kenntnisse ermöglichen zu können, ist es zuvor notwendig, tief in den Menschen und seine Gefühlswelt Einblick zu nehmen. Einsame bzw. isolierte Menschen besitzen meist ein zu geringes Selbstwertgefühl. Dieser resultiert aus einer negativen Einschätzung der eigenen Kompetenzen im Umgang mit anderen Menschen.

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Zusätzlich verstärken Schüchternheit und soziale Ängste die oben genannten Defizite. Besonders die Schüchternheit trägt wesentlich zur Erschwernis von sozialer Kontaktaufnahme bei und auch das Aufrechterhalten bereits vorhandener Kontakte wird dadurch wesentlich gehemmt. Eine Entscheidende Rolle bei der Entstehung solcher Fertigkeitsdefizite spielt die Schichtzugehörigkeit. Untersuchungen weisen eindeutig Zusammenhänge zwischen Schichtzugehörigkeit und Einsamkeit nach. Je niedriger die Indikatoren wie Beruf, Einkommen und Schulbildung sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für Vereinsamung. Soziale Kompetenzen werden hauptsächlich innerhalb der Familie vermittelt. Wenn jedoch die Lernbedingungen innerhalb der Familie mangelhaft sind, so werden nur ungenügende oder falsch praktizierte soziale Fertigkeiten weitergegeben und somit überträgt sich das Verhalten der Eltern auf das der Kinder. Der Erziehungsstil der Eltern prägt demnach nachweislich das spätere Sozialverhalten der Kinder, welches sich über das Erwachsenenalter bis ins hohe Alter fortpflanzt. Vor allem alte Menschen werden in unserer modernen Gesellschaft meist der unteren sozialen Schicht zugeordnet. Obwohl es natürlich Ausnahmen gibt, stellt die Masse der alten Menschen in Bezug auf ihre Einkommensklasse, Sozialprestige, ihren Wohnbedingungen und ihrer sozialen Integration eine unterprivilegierte Schicht dar. Dieses negative Bild, welches unsere Gesellschaft vom alten Menschen hat, hat natürlich auch Auswirkungen und Folgen. Soziale Isolation, Einsamkeit, physische und psychische Krankheiten können daraus resultieren. (Lauth und Viebahn 1987: 27-29)

3.2. Externe Ursachen Neben den vorhin erwähnten internen Ursachen gibt es auch externe Ursachen, welche an der Entstehung sozialer Isolation und Einsamkeit beteiligt sind. Die Persönlichkeitsstruktur eines Menschen und seine langfristigen Lebensumstände sind wesentliche Bedingungen für die Knüpfung und Aufrechterhaltung von sozialen Kontakten. Auch durch äußere Einflüsse kann es zu mehr oder weniger radikalen 13

Veränderungen der Lebensumstände kommen, was sich dann wiederum auf die Persönlichkeit des Betroffenen niederschlagen kann. Gerade im Alter sind diese Veränderungen, wie beispielsweise der Tod des Partners, mit oft schwerwiegenden Folgen verbunden.

3.2.1. Rollenveränderungen Ist die Rolle des jungen Menschen meist klar definiert, durch beispielsweise Beruf und Familie, so ist dies im Alter nicht mehr der Fall. Gerade durch den Wegfall von Beruf und Familie gehen die damit verbundenen Rollen verloren und hinterlassen ein Gefühl der Leere. Stigmatisierung und Erwartungshaltungen führen dann leider häufig in die soziale Isolation und Einsamkeit. Sehr eng an die Rolle eines Menschen ist der Status geknüpft, den eine Person einnimmt. Da in unserer Gesellschaft alte Menschen meist einen niedrigeren Status einnehmen, sind alte Menschen mit einem Wertverlust ihrer Person konfrontiert. Dieser Wertverlust ist oft eine Folge der Pensionierung, denn Prestige, Reichtum und Einfluss müssen an die Jüngeren abgegeben werden. Männer leiden oft mehr an der Pensionierungsproblematik als Frauen. Frauen haben hingegen eher mit dem Verlust der Mutterrolle zu kämpfen. Nachfolgend werden einige Punkte genannt, wie sich die Rollen von Frauen und Männern im Alter verändern. 

Männer nähern sich zunehmend der Elternrolle zu, hingegen findet bei Frauen hier eher eine Abnahme statt.



In der Großelternrolle zeigen beide Geschlechter rückläufige Anteilnahme.



Die Aktivität in der Verwandten-, Bekannten-, und Vereinsmitgliedsrolle zeigt leicht steigende Tendenz.



Die Rolle des Nachbarn und Bürger verzeichnet dagegen sinkende tendenz.



Eine unterschiedliche Entwicklung zeigt sich bei der Freundesrolle. Während diese bei Männern im Alter stark rückläufig ist, steigt sie bei den Frauen leicht an. 14

Das Alter zwingt den Menschen seine bisherige rolle zu überdenken und sich auf neue einzustellen.

3.2.2. Familienstand Man weiß aus Untersuchungen von Blume, 1962 dass alleinstehende Personen den höchsten Anteil an Vereinsamung zeigen. Innerhalb der Alleinstehenden fühlen sich verwitwete Personen häufiger einsam als ledige. Es zeigt sich auch, dass doppelt so viele Frauen wie Männer unter Vereinsamung leiden. Da Frauen durchschnittlich länger leben als Männer ist Verwitwung primär ein Frauenproblem. (Preitler et al. 1994: 86) Weiters sind Mehrgenerationenhaushalte in der heutigen Zeit eher selten geworden. Alten Menschen fehlt daher oft der Kontakt zu deren erwachsenen Kindern oder Enkelkindern. Alte Menschen haben auch immer weniger Kontakt zu ihren Geschwistern. Die historische Entwicklung zur Kleinfamilie hat dazu geführt, dass eine Vielzahl von Geschwister selten geworden ist, und besonders in städtischen Regionen ist der Anteil älterer Menschen ohne oder mit nur einem Geschwisteranteil beträchtlich hoch. (Höpfinger 2003: 1) Weiters orientieren sich alte Menschen häufig an ihren Familien und das Bedürfnis nach Bindung wird oft nur auf die eigenen Kinder gerichtet. Diese fühlen sich dadurch wiederum oft überfordert und wehren die Bemühungen der Eltern ab, können diese nicht schätzen und auch nur unzureichend erwidern. Es ist daher wichtig

für

alte

Menschen

Beziehungen

auf

den

nicht-familiären

Bereich

auszudehnen. (Staudinger und Dittmann-Kohli 1994: 430)

3.2.3. Verlust der Bezugsperson Obwohl die Scheidungsrate steigt, stellt die Ehe in unserer Gesellschaft jene soziale Konstellation dar, die für beide Partner den höchsten Grad an sozialem Rückhalt und Unterstützung

bietet.

Untersuchungen 15

zeigen,

dass

Verheiratete

mit

den

Belastungen des Lebens weitaus besser fertig werden, als Alleinstehende. Die Ehe hat somit auch Schutzfunktion, sie ist sozusagen ein Hafen in dem man sich bei Problemen zurückziehen kann. Der Verlust des Ehepartners bzw. der Bezugsperson bedeutet meist einen schwerwiegenden Einschnitt in das Leben eines Menschen, insbesondere eines alten Menschen. Der Verlust der der wichtigsten Bezugsperson führt zur Beeinträchtigung von bestehenden sozialen Interaktionen, die meist gemeinsam mit dem Partner aufgebaut und gepflegt wurden. Weiters kann es sogar zum totalen Zusammenbruch des bestehenden sozialen Netzes kommen. Besonders in den ersten Monaten nach dem Verlust der Bezugsperson ist das Gefühl der Einsamkeit am stärksten. Mit dem Tod der Bezugsperson ist häufig auch ein Wohnungswechsel verbunden, der fatale Folgen nach sich ziehen kann. Der Wohnungswechsel hat meist finanzielle oder gesundheitliche Gründe und zieht oft den Verlust wichtiger sozialer Kontakte, wie beispielsweise zu den Kindern, zu Verwandten, Freunden und Bekannten, nach sich. Diese Lage kann mit einem tiefen Gefühl der Einsamkeit verbunden sein und kann durchaus schwere psychische Schäden hervorrufen, welche eine Behandlung notwendig machen. Die Gefahr der Vereinsamung und sozialer Isolation ist besonders für Frauen gegeben. Durch die deutlich höhere Lebenserwartung der Frauen ereilt sie eher das Schicksal ihre Bezugsperson zu verlieren. Fast

Dreiviertel der über 75-Jährigen

Frauen teilen dieses soziale Schicksal, wohingegen bei den Männern desselben Alters nur ca. ein Viertel betroffen ist. (Wagner 1992: 30-32) Einsamkeit tritt vor allem

bei kürzlich Verwitweten auf. Die Umstellung der

Lebenssituation wird als Krise empfunden, auf die man häufig mit Vereinsamung reagiert. Dies gilt auch für den Tod anderer Nahestehender. Für Ältere ist der Verlust schwerer zu bewältigen, da es an "Ersetzbarkeit" eher mangelt. Etwa doppelt so viele Witwen als Ledige sind vereinsamt. "Desolation" bezeichnet laut Townsend, 1957 die Vereinsamung, die aus dem emotional-psychischen Verlust von Personen resultiert. Sie ist umso mehr mit Vereinsamung verbunden, je stärker die Partnerverbindung war und je kürzer der Verlust zurückliegt. (Preitler et al. 1994: 86) 16

3.2.4. Gesundheitszustand Vereinsamung

steht

in

Wechselbeziehung

mit

einem

schlechten

Gesundheitszustand. Vereinsamte haben einen schlechteren Gesundheitszustand, sind häufiger bettlägerig und gehen öfter zum Arzt. (Preitler et al. 1994: 86) Der Gesundheitszustand ist im Alter grundlegende Bedingung dafür, in welchem Ausmaß soziale Kontakte wahrgenommen werden können oder auch nicht. Vor allem bei schmerzlichen Verlusten ist der Gesundheitszustand von großer Bedeutung, denn ein guter Gesundheitszustand gibt dem Menschen die Möglichkeit, von sich aus verloren gegangene Kontakte zu ersetzen.

3.2.5. Sozialschicht Blume, 1962 fand heraus, dass je höher das Einkommen ist, umso weniger tritt Vereinsamung auf. Dies gilt auch für die Schulbildung. Daraus ergibt sich auch ein Zusammenhang mit der Schichtzugehörigkeit. Je niedriger die Schicht, um so geringer der Kontakt, der besonders bei Alleinstehenden durch niedriges Einkommen bedingt wird. (Preitler et al. 1994: 87)

3.2.6. Wohnsituation Für viele alte Menschen mag das Sprichwort „Einen alten Baum soll man nicht mehr verpflanzen“, wohl Gültigkeit besitzen. Alte Menschen haben sich an ihre Umgebung, in der sie oft schon seit Jahrzehnten angesiedelt sind gewöhnt. Die Umgebung ist für sie von großer Wichtigkeit, gerade in Bezug auf die sozialen Kontakte, welche sie sich geschaffen haben. Dennoch verlieren viele alte Menschen ihre Wohnung oder sie müssen sie aus gesundheitlichen

bzw.

finanziellen

Gründen

verlassen.

Der

Wechsel

der

Wohnsituation kann dramatische Folgen haben. Die vertraute Wohnung und 17

Umgebung, aber vor allem viele soziale Kontakte, die häufig über Jahre hinweg gepflegt wurden, gehen plötzlich verloren. Diese Verluste können dazu führen, dass der alte Mensch in die Einsamkeit und soziale Isolation schlittert, da ihm alles Vertraute verloren geht. (Wagner 1992: 56) „Es ist häufig so, dass alte Menschen eher Defizite in ihrer Wohnung ertragen als einen Umzug vorzunehmen. Wenn im Alter die Möglichkeiten geringer werden, fällt es schwer sich einer neuen Umgebung mit neuen sozialen Kontakten in der Nachbarschaft zurechtzufinden.“ (Haske 1990: 131) Aber auch Mängel, welche innerhalb vieler Wohnungen und Häuser alter Menschen vorhanden sind, schlagen sich auf die Gesundheit und auf das seelische Wohlbefinden nieder. Studien haben gezeigt, dass die Wohnqualität einen entscheidenden Einfluss auf die Kontakte innerhalb einer Wohnung, als auch auf die Beziehungen außerhalb hat. Die Folgen einer schlechten Wohnqualität sind Symptome wie beispielsweise Apathie, Resignation und Selbstaufgabe. All diese Punkte die soziale Isolation und bahnen den Weg in die mögliche Vereinsamung. Wohnungen für alte Menschen sollten demnach gewissen Anforderungen gerecht werden: 

Sie sollten in der Größe den Anforderungen und Wünschen entsprechen. Die Einrichtung sollte zweckmäßig sein und dem Gesundheitszustand des alten Menschen angepasst sein. Vor allem ist es wichtig, dass die Möglichkeit besteht, eigene Möbel und Erinnerungsstücke in die Einrichtung integrieren zu dürfen, denn diese reduzieren den Grad der Fremdheit und fördern das soziale Leben.



Die Wohnung sollte möglichst einen Ort des Gemeinschafts- und Privatlebens bieten. Gerade für alleinstehende alte Menschen ist die Gefahr der sozialen Isolation

und

Vereinsamung

in

einem

nicht

auf

ihre

Bedürfnisse

zugeschnittenen Wohnumfeld relativ groß. 

Die Wohnung sollte dem alten Menschen auch ermöglichen, seinen Wünschen und Bedürfnissen nachgehen zu können. Fähigkeiten und Fertigkeiten, die noch bestehen und beherrscht werden, sollten in der Wohnung ausgeübt und gefördert werden können. Dadurch werden die 18

Bedürfnisse befriedigt und das Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein wird gestärkt. (Wagner 1992: 56-57) Es zeigt sich, dass alleinlebende Menschen eher einsam sind als Personen die in einer Wohngemeinschaft leben. Rose (1960) verglich durch eine „aged-subculturetheorie“ Bewohnerinnen in Pensionistenheimen und privat lebende Frauen derselben Altersgruppe. Es zeigte sich dabei, dass Heimbewohnerinnen gleich viel soziale Aktivität zeigten wie die Vergleichsgruppe, sie fühlten aber ein deutlich geringeres Maß an Einsamkeit. (Preitler et al. 1994: 87)

3.2.7. Pensionierung Für viele ältere Menschen stellt auch die Pensionierung ein großes Problem dar, besonders Männer fühlen sich nicht mehr gebraucht, hingegen ist für Frauen die Dimension des Gebrauchtwerdens oft kein Problem, das sie oft zum Babysitten für ihre Enkelkinder gebraucht werden oder den Haushalt organisieren. Ältere Menschen haben zwar häufig Pläne und Wünsche die sie in ihrer Freizeit verwirklichen möchten, jedoch vermissen manche ihre Arbeit und können keine Sinnhaftigkeit in rein vergnügungsbezogenen Aktivitäten finden. (Staudinger und Dittmann-Kohli 1994: 431) Viele ältere Arbeitnehmer werden in der heutigen Zeit nicht mehr zu ihrem gesetzlich festgelegten Pensionierungszeitpunkt in den Ruhestand geschickt, sondern bereits Jahre früher. Dies hat meist wirtschaftliche Gründe, um sich beispielsweise Entlassungen zu ersparen. In unserer Gesellschaft wird das Ausscheiden aus dem Arbeitsleben meist unbewusst mit dem Beginn des Alters gleichgesetzt. Der Übertritt in die Pensionierung wird generell als eine potentielle krisenhafte Situation aufgezeigt. Mit dem Übergang in die Pensionierung sind zahlreiche Veränderungen verbunden: 

Es kommt zur Aufgabe einer Tätigkeit, welche man mehr oder weniger schätzte. 19



Es kommt dadurch zu einer Umstrukturierung des Tagesablaufs.



Die sozialen Kontakte ändern sich durch die Pensionierung.



Auch die finanzielle Situation ändert sich.



Die Interessen verlagern sich vom Arbeits- auf den Freizeitbereich.

Es zeigt sich auch, dass meist die Männer eher von der Pensionierungsproblematik betroffen sind. Ausschlaggebend dafür, ob die Phase der Pensionierung in eine mögliche soziale beziehungsweise seelische Krise mündet, ist die Frage der Einstellung zur Pensionierung und die Art und Weise der Anpassung an diese. Hierbei lassen sich zwei extreme Richtungen unterscheiden: Einerseits eine äußerst positive Einstellung, welche die Pensionierung als erstrebenswertes Ziel sieht auf die man jahrzehntelang hingearbeitet hat und auf die man sich freuen kann. Dem gegenüber steht andererseits eine sehr negative Sicht an deren Spitze Krankheit, Nutzlosigkeit und baldiger Tod stehen. Durch die negative Einstellung zur Pensionierung kann es zu einem starken Absinken der sozialen Aktivitäten kommen, woraus sich unter Umständen psychische und auch physische Folgeschäden entwickeln können. Die Vorbereitung auf den Ruhestand ist ausschlaggebend dafür, wie die Anpassung an diesen gelingt. Wichtig dabei ist, dass man sich konkrete Vorstellungen über die Zeit und deren Strukturierung nach dem Übertritt in die Pension macht. Der

Anpassungsprozess

persönlichkeitsorientierten

steht

auch

Determinanten

in

mit

schichtorientierten

Zusammenhang.

Eine

und höhere

schulische Ausbildung und ein höherer sozialer Status gehen häufig mit einer positiven Anpassung einher. Denn häufig verfügen Personen mit einer höheren Bildung über einen höheren Anpassungsgrad. Der Übergang in den Ruhestand stellt für viele Menschen eine Art Identitätskrise dar. Hierbei lassen sich folgende Zusammenhänge herstellen: 

Der Mensch muss eine jahrzehntelange Tätigkeit aufgeben.



Die Belohnungsfunktion, welche mit einer Tätigkeit verbunden ist geht verloren.

20



Die zentralen Werte unserer Gesellschaft, welche an Beruf und Arbeit gebunden sind, gehen ebenfalls verloren und können nicht durch Freizeitwerte ersetzt werden.

Jedoch ist der Verlust der Arbeit selbst nicht verantwortlich für eine Krise, sondern das was aus dem Verlust resultiert, wie beispielsweise Einkommens-, Status-, Rollen- und Kontaktverluste, sowie der Verlust des Tagesrhythmus. Wie stark diese Verluste erlebt werden, hängt meist vom beruflichen Status ab, den ein Mensch inne hatte. Je höher die berufliche Position war, desto stärker war zumeist auch die Bindung an den Beruf und umso schmerzlicher kann dessen Verlust erlebt werden. Der Ruhestand kann jedoch auch als Chance für einen beginnenden neuen Lebensabschnitt gesehen werden. Ob und wie man diese Chance nützen kann, hängt von verschiedenen Faktoren ab, die das Leben im Ruhestand wesentlich mit beeinflussen. Diese sind beispielsweise ein guter Gesundheitszustand, ausreichende finanzielle

Mittel, die

Möglichkeit zur

Wahrnehmung von

Aktivitäten,

eine

ausreichende Anzahl an befriedigenden sozialen Kontakten sowie eine gute Beziehung zur Bezugsperson. (Wagner 1992:46-49)

4. Meßmethoden zur Bestimmung des Grades von Einsamkeit Einsamkeit hat viele Äußerungsformen. In der Literatur werden diese als Symptome bezeichnet. Wir nennen als erstes die Symptome auf der emotionalen Ebene wie Depression,

Angespanntheit,

Langeweile.

Weiters

sind

motivationsbedingte

Symptome, wie erhöhte Aktivität oder auch gebremste Aktivität, zu nennen. Als

nächstes

nennen

wir

kognitive

Symptome

die

einsamkeitsfördernde

Vorstellungen, wie ein negatives Selbstbild oder starke Selbstbezogenheit, beinhalten.

Zu

den

Verhaltenssymptomen

gehören

auffällige

Muster

der

Selbstdarstellung wie zu viel oder zu wenig von sich selbst erzählen. Weiters werden in der Literatur auch soziale und körperliche Beschwerden wie, Alkoholmissbrauch,

Kopfschmerzen

und 21

Schlaflosigkeit

als

Ausdruck

von

Einsamkeit, genannt. In vielen Fällen ist es jedoch schwierig zu bestimmen ob Einsamkeit die Ursache oder die Folge dieser eben genannten Symptome ist. Sicher ist allerdings dass zwischen Einsamkeit und diesen Symptomen ein Zusammenhang besteht. (Linnemann et al. 1995:26) Zum messen des Grades von Einsamkeit gibt es verschiedene Arten: Es gibt direkte und indirekte Formen der Einsamkeitsmessung. Einige indirekte Formen sind: 

Eine Einsamkeitsskala mit 11 Aussagen, von denen einige positiv und andere negativ formuliert sind. Je häufiger ein Klient mit den negativen Aussagen übereinstimmt, desto stärker ist sein Einsamkeitsgefühl.



Eine Skala für emotionale Einsamkeit.



Eine Skala für situationsbedingte Einsamkeit



Eine Skala für soziale Einsamkeit



Eine Skala für den Mangel an sozialer Unterstützung.



Eine Skala in Bezug auf den zeitlichen Rahmen, in dem die Einsamkeit gesehen wird.

Einige direkte Formen sind: 

Die Frage nach der Selbsteinschätzung: „Haben Sie sich im vergangenen Jahr manchmal

einsam

gefühlt?“

(Antwortmöglichkeiten:

nie,

manchmal,

regelmäßig) 

Eine Frage nach dem Grad der Einsamkeit: „Auf einer Skala von 1 bis 10, wobei 1 bedeutet niemals einsam zu sein uns zehn bedeutet immer einsam zu sein, welche zahl würden sie sich selbst zuschreiben?“ (Linnemann et al. 1995:27-28)

5. Einsamkeitsgefühle und deren Folgen Schwieriger als die Frage nach den Bedingungen für Einsamkeit ist die nach der Qualität des Erlebens von Einsamkeit. Nur wenige Ansätze und Untersuchungen gehen den gefühlsmäßigen Komponenten von Einsamkeit nach. Amerikanische 22

Psychologen in groß angelegten Untersuchungen vier Gruppen von Gefühlen herausgefunden, die im Zusammenhang mit Einsamkeit auftreten. 

Verzweiflung ( Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Verlassensein)



Geringe Selbstachtung (Selbstvorwürfe, Unsicherheit)



Depression (Leere, Niedergeschlagenheit, Traurigkeit, Isolation)



Ungeduldige Langeweile

Eine tiroler Studie befasste sich mit den direkten Folgen von Einsamkeit. Befragt wurden Personen über 60 nach einem Suizidversuch. Das häufigste Motiv war körperliche Krankheit verknüpft mit Vereinsamung. Nach Studien von Blume und Tews lassen sich folgende Wünsche von Vereinsamten Personen ableiten: Mehr Freunde und mehr Besuch, vor allem von den Angehörigen. Sie sind mit ihren Lebensumständen unzufrieden und wünschen sich Änderungen der äußeren Bedingungen. (Preitler et al.1994:88) Einsamkeit und physische sowie psychische Gesundheit und Krankheit: Weiters ist auf Grund mehrerer Studien davon auszugehen, dass Einsamkeit einen negativen Einfluss auf das Immunsystem und den Organismus haben kann. Einsame Menschen schätzen prinzipiell ihren Gesundheitszustand schlechter ein als Menschen die sich nicht einsam fühlen. Eder hebt die Bedeutung von Einsamkeit im Kontext von Gesundheit und Krankheit als pathogenen Faktor besonders hervor. Für ihn nehmen grundsätzlich soziale Isolation und das Gefühl der Einsamkeit in der Gesundheit einen ebenso großen Stellenwert

ein,

wie

die

klassischen

Risikofaktoren

Rauchen,

Trinken,

Bewegungsmangel und ungesunde Ernährung. Einsamkeit ist ein Gesundheitsrisiko. Sie schwächt das Immunsystem und begünstigt zudem ein erhöhtes Herzinfarktrisiko. So kommt es bei Einsamen Menschen zu einer 23

Störung der Blutzirkulation, die als langfristiger Risikofaktor für Bluthochdruck, Arteriosklerose und Herzinfarkt steht. Soziale Isolation galt lange als die bedeutsamste Ursache von Depressionen im Alter. Die wenigen methodisch sorgfältig durchgeführten Studien zu diesem Thema brachten jedoch unterschiedliche Resultate. Alleinleben war nicht signifikant mit vermehrten psychischen Erkrankungen verbunden. Die Mehrzahl alter Menschen war offenbar in der Lage, ein hinreichendes Maß sozialer Kontakte über verschiedene Kommunikationswege,

auch

über

das

Telefon,

mit

nahen

Angehörigen

aufrechtzuerhalten. Ausschlaggebend für die Verletzbarkeit gegenüber sozialer Isolation scheint der bis ins Alter praktizierte Lebensstil zu sein. Lediglich bei denjenigen alten Menschen, die erheblichen Mangel an sozialen Kontakten und sozialer Integration aufwiesen und sich zugleich subjektiv einsam fühlten, war die Häufigkeit funktioneller psychischer Störungen deutlich erhöht. (Bohn 2006:126-130)

6. Lösungsansätze Intervention

und

auch

Prävention

bei

alten

Menschen

steht

immer

im

Zusammenhang mit der Frage nach Aktivität oder des Disengagement. Das heißt, die Frage, ob der alte Mensch überhaupt ein Mehr an sozialer Aktivität haben will, oder sich diesbezüglich lieber zurückziehen möchte, sollte in jedem Fall berücksichtigt werden. Alle Interventionen sollten im Rahmen dessen bleiben, was von den alten Menschen gewünscht wird und was ihm auch realistischerweise zumutbar ist. (Wagner 1992: 94) Günter

F.

Müller

Interventionsmöglichkeiten

und in

Maria

Müller-Andritzky

Individuumsbezogene

Umweltbezogenen Maßnahmen.

24

unterteilen

Maßnahmen

und

die in

6.1.

Individuumsbezogene Maßnahmen

Personenbezogene Lösungsansätze sozialer, geistiger und körperlicher Art stehen im Kampf gegen die soziale Isolierung und Einsamkeit an vorderster Stelle. Anschließend wird auf einige personenbezogene Maßnahmen näher eingegangen.

6.1.1. Vorbereitung auf das Alter In einigen Firmen gibt es Programme, die den vor der Pensionierung stehenden Mitarbeitern das Überwechseln in ein Leben ohne Berufstätigkeit erleichtern sollen. Es gibt zum Beispiel Schriften oder Vorträge für sinnvolle Freizeitgestaltung, organisierte Gruppentreffen und

Informationsrunden über die Probleme des

Ruhestands. (Lauth und Viebahn 1987: 80) Auch andere Autoren unterstreichen die Wichtigkeit der rechtzeitigen Vorbereitung auf diesen neuen Lebensabschnitt mit Hilfe von Beratung und Training. (Härlin 1973: 117)

6.1.2. Beratung und Therapie Ältere Menschen suchen - Berichten von Psychologen zufolge - Beratungsstellen hauptsächlich

aufgrund

von

Alleinsein

und

Einsamkeit

auf.

Dort

werden

Gesprächskreisen über Kontakt-, Therapie- und Trainingsgruppen bis hin zur Unterstützung bei Selbsthilfe-Initiativen angeboten. Hierbei ist darauf zu achten, den Handlungsmöglichkeiten und Bedürfnissen der Ratsuchenden entgegenzukommen (die Angebote sollten z.B.: in das unmittelbare örtliche Umfeld des alten Menschen eingebunden sein). (Lauth und Viebahn 1987: 81)

6.1.3. Ambulante Dienste Dabei

handelt

es

sich

vornehmlich

um

organisierte

Betätigungs-

und

Besuchsprogramme. Betätigungsprogrammen bieten Veranstaltungen an, die nützliches Wissen vermitteln und Gelegenheit zum Kennenlernen geben. Solche Veranstaltungen können Theater-und Gesangsdarbietungen, Kurzvorträgen, Bibellesen, Gesellschaftsspielen, etc. umfassen. Harris &Bodden kommen nach wissenschaftlicher Studie zu dem Schluss, dass sich derartige Programme überaus 25

positiv auf die Psyche des zurückgezogen Lebenden auswirken (niedrigere Angstwerte, höhere Extraversionswerte, ein größeres Aktivitätsniveau und mehr Lebenszufriedenheit) Auch die Effekte von Besuchsprogrammen wurden untersucht. Mulligan und Bennet (1977) finden hierbei ebenso positive Entwicklungen. Diese Ergebnisse lassen vermuten, dass Einrichtungen wie „Essen auf Rädern“, Vorleseund Schreibdienste, mobile Pflege- und Haushaltshilfen der sozialen Isolierung alter Menschen entgegenwirken können. (Lauth und Viebahn 1987: 81-82)

6.1.4. Selbsthilfe Man darf, das Selbsthilfepotential von Familienangehörigen, Freunden und Nachbarn nicht unterschätzen. Eine groß angelegte Stichprobe alter Menschen zeigt, „dass stressbehaftete und von depressiven Reaktionen begleitete Lebensereignisse zumeist soziale Unterstützung aktivieren und dass solche Unterstützung die depressive Symptomatik auch deutlich abschwächt“ ( Lauth und Viebahn 1987, S. 82). Dein Effekt der Dämpfung ist dabei für den Beistand von Familienangehörigen und auch für Hilfe und Zuwendung von Freunden und Nachbarn nachweisbar. Wenn Angehörige fehlen, können alte Menschen Freundschaftskontakte und Unterstützung durch

Teilnahme

Seniorenvereinigungen,

an

Veranstaltungen durch

Anschluss

von

Seniorenclubs

oder

an

Telefonketten

oder

Nachbarschaftspflege finden.( Lauth und Viebahn 1987: 82)

6.2.

Umweltbezogene Maßnahmen

Die Umwelt wirkt auf den Menschen großen Einfluss aus. Zweifellos ist dieser Einfluss für jede einzelne Person täglich spürbar, wenn vielleicht auch nicht immer in bewusster Form. Was man jedoch kaum oder nur selten beobachtet und registriert, sind die Veränderungen, welche sich in unserer Umwelt abspielen. Daraus lässt sich auch ableiten, wie der Einfluss der Umwelt auch den Menschen verändert. Einsamkeit und soziale Isolation im Alter werden in den alltäglichen Überlegungen immer als psychisches und soziales Problem beschrieben. Die ökologische Seite dieser Problematik wird dagegen kaum mitberücksichtigt.

26

Umweltbedingungen verschiedener Art, wie beispielsweise Wohnsituation, Klima, Landschaft oder Verkehrslage, führen dazu, das Verhalten zu beeinflussen und vielfach aktive Verhaltensweisen älterer Menschen in erheblichem Maße zu hemmen. Daher ist es eine wesentliche Aufgabe, unsere Umwelt dahingehend zu gestalten, dass sie den Bedürfnissen der alten Menschen wieder gerecht wird, sich an diesen orientiert und so präventive Funktionen übernehmen könnte. (Wagner 1992:108)

6.2.1. Verbesserung der Wohnqualität von Heimen Die architektonische Gestaltung von Alten-, Altenwohn- und Altenpflegeheimen trägt wesentlich dazu bei, wie wohl sich die betagten Menschen fühlen. Die lieblosen und kasernenartigen Baukonzeptionen sind mitverantwortlich dafür, dass Altenheime ein so

negatives

Baukonzeptionen

Image

besitzen.

Kontakte

Untersuchungen

fördern

können

und

zeigen, damit

dass sozialer

bestimmte Isolierung

entgegenwirken. Nach Curry und Ratcliff (1973) haben Bewohner kleinere Heime (bis 49 Betten) mehr Freundschaftsbeziehungen und Kontakte innerhalb der Institution als Bewohner größerer Heime (50 bis 100 Betten und mehr). Viele Heime sind nicht in städtischen oder dörflichen Lebensräumen eingebunden und bergen durch ihre Randlage und schlechte Verkehrsanbindung ein zusätzliches Isolierungsrisiko. Daher wäre eine stärkere Integrierung von Heimstandorten wünschenswert. (Lauth und Viebahn 1987: 82)

6.2.2. Qualifizierung von Heimpersonal In der Vergangenheit hat man sich bei der Ausbildung des „Altenpersonal“ hauptsächlich den pflegerischen Tätigkeiten gewidmet, wodurch die Psyche der alten Menschen im Hintergrund bleibt. Unselbstständiges Verhalten und soziale Passivität im Heim werden zu einem nicht geringen Teil durch das Heimpersonal verursacht. (Baltes et al., 1980,1993, zit. Gerhard W. Lauth / Peter Viebahn, 1987, S. 82). Untersuchungen von Interaktion 27

zwischen Bewohnern und Heimpersonal zeigen, dass auf Passivität häufig mit Zuwendung reagiert wird, während initiatives Verhalten dagegen praktisch ignoriert wird. Dadurch verstärkt das Personal das passive Verhalten. Daher sollte die Qualifizierung des Personals auch an den oft unbewussten Sekundärwirkungen des Pflegeverhaltens ansetzen.

und Alternativen zum sonst üblichen Rollenhandeln

aufzeigen. (Lauth und Viebahn 1987: 82 -83)

6.2.3. Verbesserung des gesellschaftlichen Ansehens alter Menschen Die Möglichkeiten der Entfaltung alter Menschen werden wesentlich durch das eigene Rollenverständnis und durch Rollenerwartungen ihrer sozialen Umwelt geprägt. Um der Diskriminierung und dem negativen gesellschaftlichen Ansehen der älteren Generation entgegenzuwirken

ist es wichtig , die öffentliche Meinung

entsprechend zu verändern und die Interessen und Ansprüche alter Menschen in Presse, Rundfunk und Fernsehen zu vertreten. (Lauth und Viebahn 1987: 83) Aktivistengruppen haben begonnen, gegen das Phänomen „ageism“ zu kämpfen, d.h. sie versuchen eine positivere Einstellung gegenüber dem Alter und den älteren Menschen herbeizuführen. Unter „ageism“ versteht man die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihres Alters. Bedauerlicherweise bestehen viele falsche Klischeevorstellungen über alte Menschen. So schreiben Michael Young und Tom Schnuller (1991), dass das Alter ein Mittel der Unterdrückung geworden sei, dass dazu diene, Menschen in fixe, stereotype Rollen zu zwängen. ( Giddens 1999: 145 – 146) Diese Erkenntnis, die auf eine Einstellungsänderung der Gesellschaft gegenüber dem

Alter

und

dem

Altsein

abzielt

wird

von

anderen

Autoren

als

Sozialisationsmaßnahmen beschrieben. Diese Maßnahmen sind jedoch eher der Prävention zuzuordnen. (Wagner 1992: 104 – 105)

28

7. Empfehlungen Im Internet gibt es vielfältige Angebote speziell für den älteren Teil der Bevölkerung. Besonders erwähnenswert ist der Verein „Freunde alter Menschen e.V.“, dessen Motto Blumen vor dem Brot eine schöne Botschaft enthält: Die Blumen symbolisieren Freundschaft, während Brot für die notwendige materielle Versorgung steht. Dieser Verein, auch als „les petits frères des Pauvres“ bekannt, ist eine internationale Föderation, die sich für einen Kampf gegen die Einsamkeit und Armut im Alter einsetzen. Der Verband wurde 1946 in Frankreich gegründet und wird vom Engagement der freiwilligen Mitarbeiter getragen. Diese Freiwilligen besuchen alte Menschen

regelmäßig

und

organisieren

Reisen

und

Ausflüge,

Weihnachtsfeierlichkeiten, Kaffeekränzchen und Spielenachmittage für sie. Des Weiteren ist der Verein auch an zwei Nachmittagen pro Woche „per Telefon zu Besuch“. (http://www.freunde-alter-menschen.de/, Stand 2008) Man sollte verstärkt ehrenamtliches Engagement fördern und es wäre sinnvoll mehr in die Anwerbung und Schulung der freiwilligen Helfer zu investieren. Sich sozial zu engagieren, kann etwas unheimlich erfüllendes und eine riesige Bereicherung für jeden Menschen sein; man kann viele persönliche Erfahrungen sammeln und neue Fähigkeiten erlernen: „Den Verein Freunde alter Menschen kenne ich über eine Freundin. Es ist eine schöne Aufgabe, etwas mit alten Leuten zu unternehmen. Ich bin gern mit ihnen zusammen, denn es gefällt mir, wenn sie mir von früher erzählen. Und ich wollte etwas tun, das nicht nur mir etwas bringt oder meinem eigenen Spaß dient. Außerdem treffe ich so auch auf Menschen, die ich sonst nie kennenlernen würde. (…)“ [So schildert die 25-jährige Studentin Sophie Schieler ihre ehrenamtliche Arbeit bei dem Verein „Freunde alter Menschen“ in einem Bericht über Solidarität aus dem Online- Magazin Fluter] (http://www.fluter.de/de/solidaritaet/heft/6507/?tpl=162, Stand: 19.12.2007). Leider gibt es noch immer Hindernisse und Probleme für bürgerliches Engagement. Die Freiwilligen haben zu wenig Gestaltungsmöglichkeit, Eigenverantwortlichkeit

und

sie

bekommen

Öffentlichkeit. (Fringer 2008: 4 – 14)

29

kaum

Mitspracherecht,

Anerkennung

durch

die

Es ist wichtig ganz gezielt Verbindungen zwischen alten und jüngeren Menschen herzustellen. (Härlin 1973: 117) Eine großartige Idee ist das Generationenprojekt „Points4Action“, das derzeit in Graz stattfindet. Diese Initiative vermittelt engagierte Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren an Senioren aus 13 ausgewählten Grazer Heimen, die sie besuchen um mit ihnen ab und zu, ein bis zwei Stunden die Freizeit zu gestalten. Nach

Absolvieren

des

Vorbereitungs-Workshop,

erhalten

die

freiwilligen

Jugendlichen eine “membercard“ und alle nötigen Informationen. Die jungen Mädchen und Buben können sich ihre Zeiten frei einteilen und vereinbaren diese selbst mit der Kontaktperson des Heimes. Am Ende des Besuchs gibt es die Bestätigung mit dem Einkleben von Bonuspunkten in den Points4action-Pass. Pro Einsatzstunde gibt es einen Point. Für einen Point bekommt man einen Tageseintritt in alle Grazer Stadtbäder, für zwei Points bekommt man u.a. eine Kinokarte oder einen

Pizzagutschein

und

für

zehn

Points

kann

man

sogar

gratis

den

Mopedführerschein machen. (http://www.points4action.at/)

8. Resümee Die soziale Isolation und Einsamkeit im Alter ist ein großes Problem, dem in unserer modernen Gesellschaft kaum Aufmerksamkeit geschenkt wird. Mit Einsamkeit verbindet der Mensch meist Negatives. Gerade bei alten Menschen ist die Einsamkeit und soziale Isolation aber in der Regel nicht gewollt, sondern das Ergebnis sozialler, psychischer und Ökonomischer Umstände. Durch verschiedene Maßnahmen kann erreicht werden, dass sich der alte Mensch in seiner Umgebung besser zurechtfindet und sich nicht ausgegrenzt fühlt. Die Gestaltung der Lebensumgebung ist wichtig, da sie auf die Aufnahme und Aufrechterhaltung sozialer Kontakte einwirkt. Auch die Ausbildung des Personals spielt eine entscheidende Rolle und man sollte die sozialen und

emotionalen

Aufgaben der Pflegekräfte als wichtiger betrachten. Das Wahrnehmen von Freizeitangeboten sollte ins Auge gefasst werden. Projekt wie beispielsweise „Points4Action“ fördern ein positiveres Verständnis vom Alter und schaffen Verbindungen zwischen Alt und Jung. 30

Literaturverzeichnis Bohn,

Caroline,

2006:

Einsamkeit

im

Spiegel

der

sozialwissenschaftlichen

Forschung. Dortmund: Dissertation. Fringer, Andre, 2008: Skript der Vorlesung „Gemeinde und Familiennahe Pflege“, Bachelorstudium Gesundheits- und Pflegewissenschaft (O 033 300). Witten/Herdecke. Giddens, Anthony, 1999: Soziologie. Zweite überarbeitete Auflage, Graz – Wien: Nausner & Nausner. Härlin, Camilla, 1973: Der isolierte Mensch. Luzern/München: Rex Verlag. Haske, H.E., 1990: Kumulative Benachteiligung von Frauen im Alter.S.120-140 in: Howe,J.(Hg.), Lehrbuch der psychologischen und sozialen Alterswissenschaft. Heidelberg: Roland Asanger Verlag. Höpflinger, Francois, 2003: Soziale Beziehungen im Alter- Entwicklungen und Problemfelder. Lauth, Gerhard W. und

Peter Viebahn, 1987: Soziale Isolierung: Ursachen und

Interventionsmöglichkeiten. München – Weinheim: Psychologie Verlags Union. Linnemann, Marco, 1995: Einsamkeit bewältigen. Weinheim und Basel: Beltz Verlag. Preitler, Barbara, Wolfgang Berger und Michael Schweighofer, 1994: Einsamkeit im Alter. S.83-93 in: Christian Klicpera, Alfred Schabmann und Ali Al-Roubaine (Hg.), Psychosoziale Probleme im Alter. Wien: WUV-Universitätsverlag. Staudinger, Ursula

und

Freya

Dittmann-Kohli,

1994: Lebenserfahrung und

Lebenssinn. S.408-436 in: Paul Baltes, Jürgen Mittelstraß und Ursula M. Staudinger (Hg.), Alter und Altern: Ein interdisziplinärer Studientext zur Gerontologie. Berlin: de Gruyter.

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Wagner, Heinz, 1992: Diplomarbeit: Die Gefahr der sozialen Isolation und Vereinsamung im Alter. Graz: Buchbinderei Wolfgang Kaspar.

Internetquellen: http://www.CareLounge.de: Einsamkeit und Isolation. Stand: 2.6.2008) http://www.fluter.de/de/solidaritaet/heft/6507/?tpl=162, Stand: 19.12.2007 http://www.freunde-alter-menschen.de/, Stand 2008 http://www.points4action.at/, kein Aktualisierungsdatum

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