Einkommensverteilung 5 Die Verteilung der Einkommen in der Welt

Fragestellung

Wird die Welt insgesamt gleicher oder ungleicher? (i) Sinkt oder steigt die Ungleichheit der Durchschnittseinkommen zwischen den  Staaten? (ii) Sinkt oder steigt die Ungleichheit innerhalb der Staaten? (iii) Wenn die Antworten bei Fragen (i) und (ii) unterschiedlich sind, welcher Effekt  ist stärker?

Fragestellung

Insbesondere im Zusammenhang mit der als Globalisierung bezeichneten  Veränderung der Beziehungen der einzelstaatlichen Ökonomien werden diese Frage  diskutiert. Zwei Behauptungen (i) Durch die Vertiefung des Außenhandels wird die Welt gleicher.  (ii) Die Globalisierung vergrößert die Kluft zwischen armen und reichen Ökonomien  und vergrößert die Ungleichheit innerhalb der Ökonomien.

Fragestellung

Zählt jeder Staat gleich bei Berechnung der Ungleichheit? Will man den Zusammenhang zwischen Ungleichheit und einer anderen Größe  analysieren, dann ist jeder Staat ein Datenpunkt unabhängig von der Größe. Beispiel: Wirtschaftswachstum und Veränderung der Ungleichheit. 

Fragestellung

Für Aussagen zur Wohlfahrt und zur Gerechtigkeit wird i. A. die Größe der Staaten  durch Verwendung von entsprechenden Gewichten berücksichtigen. Problem:  Ungleichheit in einem weltweiten Kontext wird nicht auf die gleiche Art erlebt wie  Ungleichheit in einer spezifischen Gesellschaft.

Fragestellung

Vergleich der Entwicklung der Ungleichheit zwischen den Staaten bei  unterschiedlicher Gewichtung. 

Ein früher Versuch: Paul Schultz, Journal of Population Economics 1998. Daten aus 120 Staaten, über 90% der Weltbevölkerung.  Verwendet werden  (i) BIP/Person Daten – Verteilung zwischen Staaten;  (ii) Daten der Einkommensverteilung auf Quintile – Verteilung innerhalb eines  Staates; (iii) Daten über die Ausbildung von Männern und Frauen – Verteilung zwischen  Männern und Frauen  (iv) Zeitspanne 1960 – 1989.

Verteilungsgrößen: (i) Varianz der logarithmierten Einkommen. (ii) Theils Entropieindex (iii) Ginikoeffizient. Man beachte: (i) und (ii) sind additiv zerlegbar; (iii) nicht! Für die Summierung der Ungleichheit zwischen den Staaten werden a) die jeweilige  Ungleichheit mit der entsprechenden Bevölkerungszahl gewichtet; b) die  Einkommensdaten zu Kaufkraftparitäten verwendet.  Die Ungleichheit innerhalb der Staaten wurde mit Regressionsanalyse bestimmt.  Angenommen wird eine log‐normale Verteilung der Einkommen. 

Ergebnisse: Die Ungleichheit zwischen den Staaten stieg in der 60er Jahren etwas an. Sie sank  dann wieder ab und war 1989 etwas höher als 1960. Fasst man die 120 Staaten in Regionen zusammen (OECD und Europa inklusive  Türkei, Afrika, Latein Amerika plus Karibik, Südasien, Ostasien), so ist die  Ungleichheit innerhalb der Regionen weniger durch die Ungleichheit zwischen den  Staaten einer Region, mehr durch die Ungleichheit innerhalb der Staaten einer  Region bestimmt.  Wenn man China herausnimmt, so wäre die Ungleichheit im Jahr 1960 um 4%  geringer gewesen (log‐variance), aber 1989 um 20% höher.  Ein ähnlicher, wenn auch schwächerer Effekt träte ein, wenn man Indien aus den  Daten herausnimmt. 

Probleme der Untersuchung: 1. Die Annahme, dass die Verteilung überall die gleiche Struktur hat, ist  problematisch. 2. Die Verwendung des BIP ist problematisch, weil das Verhältnis zwischen  Haushaltseinkommen und BIP/capita abhängig vom Reichtum ist. 

Eine neuere Untersuchung:  Jovanovic (World Bank) EJ, 2002 Wesentliche Erneuerung: Alle Daten beruhen auf Surveys.  Verglichen werden die Einkommensverteilungen der Jahre 1988 und 1993.  Maß für Ungleichheit: Ginikoeffizient.  Die Daten umfassen ca. 85% der Weltbevölkerung mit 95% des Welt‐BIPs.  In der Untersuchung für 1988 war Afrika noch nur zu ca. 50% abgedeckt; für 1993  bereits über 75% der Bevölkerung und 90% des BIP. Einteilung in Regionen: Afrika; Asien; Osteuropa und GUS; Lateinamerika und  Karibik; Westeuropa, USA und Ozeanien.   

Vom Autor angeführte Probleme: (i) Ein Teil der Umfragen beziehen sich auf Einkommen, ein Teil auf Ausgaben. Da es  Unterschiede in der Verteilung der beiden geben kann, ist das unbefriedigend.  (ii) Es wird für jede Ökonomie nur eine Kaufkraftparität bestimmt. Das ist bei  großen Wirtschaften unrealistisch. (Ausnahme: Für China werden zwei  Kaufkraftparitäten verwendet. China‐ urban und China‐rural; in manchen  Untersuchungen wird auch zwischen India‐urban und India‐rural unterschieden.) (iii) Die Annahme, dass alle Personen innerhalb eines Quantils das gleiche  Einkommen (die gleichen Ausgaben) haben ist unrealistisch. Es führt zu einer  Unterschätzung der Ungleichheit.

Die Einkommensunterschiede sind zu Kaufkraftparitäten wesentlich geringer als zum  Wechselkurs. Die Unterschiede bei Haushaltseinkommen bzw. Ausgaben entsprechen eher den  Differenzen zu Kaufkraftparitäten als zu Wechselkursen.  Die Haushaltseinkommen liegen unter den Größen BIP/capita.  Dieses Verhältnis ist nicht fix. Mit steigendem Reichtum sinkt das Verhältnis Haushaltseinkommen (Ausgaben)/(BIP/cap.) Arme Staaten weisen mehr Ausgabensurveys aufweisen und die reichen mehr  Einkommenssurveys. 

Regionale Ginikoeffizienten für eine gemeinsame Verteilung in jeder Region. 

Welteinkommensverteilung

Milanovic , The World Income Distribution, EJ 202.

Welteinkommensverteilung

(i) Eine größere Anzahl von Menschen hatte im Jahr 1993 extrem niedriges  Einkommen als im Jahr 1988. (ii) Die beiden Modaleinkommen sind in beiden Jahren ungefähr gleich hoch,  nämlich etwas über PPP$400 und PPP$ 1100. (iii) Das Durchschnittseinkommen stieg um 29%, unter Berücksichtigung der  $ Inflation nur um 5.7%. (iv)  Das Medianeinkommen stiegt um 18%, real sank es um 3%. (v) Aus (iii) + (iv) folgt: Der rechte Schwanz der Verteilung, also die hohen  Einkommen, stiegen stärker.  

Welteinkommensverteilung

Welteinkommensverteilung

Lorenzkurven: Die L88 dominiert L93

Welteinkommensverteilung

Da das Durchschnittseinkommen von 1988 bis 1993 gestiegen ist, kann das  Einkommen aller gestiegen sein. Die verallgemeinerte Lorenzkurve für 1993 müsste  dann über der von 1988 liegen – stochastische Dominanz erster Ordnung. Das ist nicht der Fall, da das Einkommen der unteren 15 Ventile (also bis 75%) 1983  real höher als 1993 war.   Stochastische Dominanz zweiter Ordnung (für jedes Perzentil ist das  Durchschnittseinkommen der einen Verteilung größer als das der anderen.) Auch diese Bedingung ist nicht erfüllt, da die unteren 80% insgesamt einen geringen  Anteil im Jahr 1993 hatten als im Jahr 1988.  Die Einkommenszuwächse waren  konzentriert im obersten Quintil.  

Aufteilung der Ungleichheit 

Ist die Ungleichheit vor allem eine Ungleichheit zwischen den Staaten  (unterschiedliches Durchschnittseinkommen) oder innerhalb der Staaten? Theilindex ist eindeutig zerlegbar in die intrastaatliche und die interstaatliche  Ungleichheit möglich.  Für Gini ist eine derartige Zerlegung nur dann eindeutig möglich, wenn es keine  Überlappungen zwischen den Einkommensintervallen gibt.  Im Allgemeinen benötigt man bei der Zerlegung einen ‚Überlappungsterm‘. 

Aufteilung der Ungleichheit 

Aufteilung der Ungleichheit 

Die Ungleichheit der Einkommen in der Welt ist vor allem Ungleichheit im  Durchschnittseinkommen zwischen den Staaten. 

Oder war?  Folgende Staaten: F, UK, USA, D, J; China Indien. Zusammen fast 60% der Weltbevölkerung.  Die Ungleichheit im Durchschnittseinkommen dieser Staaten macht ein Drittel der  Ungleichheit bei Gini aus.  Ein starkes Wirtschaftswachstum in China und Indien reduziert die Ungleichheit  zwischen den Staaten.