Eine qualitative Studie fokussiert auf die Resilienz und die Rechte der Kinder im Spital

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Eine qualitative Studie fokussiert auf die Resilienz und die Rechte der Kinder im Spital

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Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? Eine qualitative Studie fokussiert auf die Resilienz und die Rechte der Kinder im Spital

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? Eine Untersuchung anhand von Zeichnungen und Aussagen betroffener Kinder

Giselle Silva Panez Unter Mitarbeit von Verousckha Uchofen Aus dem Spanischen übersetzt von Heinz Schaub und Eva Burkard

© IEP Instituto de Estudios Peruanos Horacio Urteaga 694, Lima 11 (511) 332-6194 Fax (511) 332-6173 [email protected] www.iep.org.pe © Giselle Silva Panez © Fundación Telefónica Av. Arequipa 1155 - Lima 1 (511) 210-1020 Fax (511) 419-0506 www.fundacion.telefonica.com.pe

ISBN: 978-9972-51-451-7 ISSN: 1024-6363



Lima, 2014

Silva Panez, Giselle Las vivencias de los niños hospitalizados desde sus dibujos y testimonios. Un estudio cualitativo con enfoque de resiliencia y los derechos del niño hospitalizado. 2a. ed. Lima, IEP; Fundación Telefónica, 2014 (Infancia y Sociedad, 9) 1. NIÑOS; 2. HOSPITALIZACIÓN; 3. RESILIENCIA; 4. ASPECTOS SOCIALES; 5. CREACIÓN ARTÍSTICA; 6. DERECHOS DEL NIÑO; 7. ADOLESCENTES; 8. EDUCACIÓN HOSPITALARIA; 9. BIENESTAR SOCIAL; 10. ASPECTOS PSICOLÓGICOS; 11. PERÚ

W/01.03.02/U/9/2014

Andrés Quispe Urheber der Umschlagszeichnung des Buches, das 2010 publiziert wurde. „Hallo, mein Name ist Andrés. Im Alter von 10 Jahren verlor ich einige motorische Körperfunktionen, seither kann ich nicht mehr gehen. Meine Eltern sind gestorben und ich kam in die Klinik San Juan de Dios in Cusco, wo ich während sieben Jahren Teilnehmer der Aula war. Seit 2011 bin ich Assistent an der Aula, wo ich mit anderen Patienten der Klinik zusammenarbeite und an sie weitergebe, was ich als Schüler gelernt habe“. In Andrés Zeichnung sehen wir beide Seiten seiner Erfahrung: ein Teil von ihm selbst, der mit innerer Kraft Ziele und Wünsche verfolgt, und der andere Teil, dargestellt durch das Mädchen im Rollstuhl, der die körperliche Behinderung und deren Hindernisse kommentiert (Giselle Silva).

Vorwort von Heinz Schaub

Das Buch von Giselle Silva Panez ist aus zwei Gründen einzigartig. Erstens lässt es die Kinder direkt zu uns sprechen über die Zeichnung, das Spiel, das Interview und ihre Beiträge im Schulzimmer des Spitals (genannt Aula). Zweitens lernte ich darüber – und in der Folge vor Ort – ein das Spital enorm bereicherndes Angebot kennen, welches weit über das Vermitteln von Wissen hinausgeht. Es betrachtet das Kind von seinen Ressourcen her und hilft ihm, die schwierige Situation, welche eine Hospitalisation darstellt, zu meistern. Wie weit die emotionalen und psychologischen Probleme berücksichtigt werden können, hängt ganz von der Art der jeweiligen Aula und dem erweiterten unterstützenden Angebot im Spital ab. Die Situation ist sicher anders als in der Schweiz, hat es doch in Peru Kinder, welche wegen der Distanz zu ihrem Zuhause die Eltern längere Zeit nicht sehen. Für sie ist das Angebot besonders wichtig. Aber für jedes Kind bedeutet eine Hospitalisation eine Herausforderung. Darüber sind dem Buch – wie ich hoffe – auch im deutschen Sprachraum Anregungen zu entnehmen.

Für meinen Vater, der als Kind viele Monate im Hospital verbrachte und der mich lehrte, die Erfahrungen von Kindern in solchen Situationen wertzuschätzen.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort von Heinz Schaub Danksagungen Präsentation Vorwort Einführung Ziel der Studie

7 12 13 15 18 21

I. Theoretischer Rahmen 22 Das Kind im Spital: Abbruch von Beziehungen und Anpassung an die neue Umgebung 22 Die Erfahrung der Hospitalisation 24 Die Rolle der Eltern während der Hospitalisation 25 Verletzlichkeit und Stärke des hospitalisierten Kindes 26 Resilienz und Hospitalisation 28 Mildernde Faktoren 29 Rechte des hospitalisierten Kindes 30 Das hospitalisierte Kind und das Spitalpersonal 32 Das Programm Aulas Fundación Telefónica en Hospitales (AFTH) und die Rolle der Lehrperson 33 Die Symbolsprache des Kindes: Zeichnung und Spiel 35

II. Methodologie 39 Wer nahm an der Studie teil? Techniken und Instrumente für die Datensammlung

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III. Resultate Der Studie 50 Quantitative Resultate 50 Am häufigsten dargestellt nach Alter (statt Kategorie Alter) 53 54 Am häufigsten dargestellt nach Geschlecht Am häufigsten dargestellt nach Spital 54 55 Qualitative Resultate a. Hospitalisierte Kinder und Jugendliche: einige soziale, kulturelle und sprachliche Besonderheiten 55 b. „Ich habe das Recht, dass man mich gern hat!“ Das Bedürfnis nach Zuneigung, Fürsorge und Aufmerksamkeit 59 c. „Hör mir zu...!“ Das Recht auf Anerkennung der eigenen Bedürfnisse – und damit der Person 69 d. „Nenne mich nicht Bett... ich heisse Maria“ Das Recht, beim Namen genannt zu werden, als Grundlage der Identität 81 e. Was für eine Krankheit habe ich? Furcht, Angst und Unsicherheit 86 f. Auuaau... es tut weh... Die Beziehung des Kindes zum Schmerz 95

g. „Ich habe das Recht, dass meine Eltern mich begleiten“. Kinder brauchen ihre Eltern h. Resilienz im Spital: Stärke und Lebensfreude i. „Zeile der Überschrift: Spiel und Bewegung als treibende Kräfte des Kindes j. Ich würde gern immer hier bleiben“ Die Erfahrungen der hospitalisierten Kinder in der Aula k. Die Dozenten des AFTH: mehr als Lehrer, über die pädagogische Rolle hinaus

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IV. Diskussion 131 Wie wollen die Kinder gesehen werden? Über die Notwendigkeit, diese Aspekte im Gesundheitssystem zu berücksichtigen 133 Die Forderungen der Kinder: Liebe, Bewegung und Spiel. 136 Auswirkungen der Beziehung zwischen Spitalpersonal und den hospitalisierten Kindern 138 Der Optimismus der Kinder und ihre positive Sicht der Welt 140 Die Resilienz der hospitalisierten Kinder: Schlüssel für die Einrichtung eines menschlichen und ganzheitlichen Gesundheitssystems 141 Berücksichtigen der sozialen und kulturellen Situation der Kinder und Jugendlichen 143 Die Aula im Spital: ihr Beitrag zur Stärkung eines Systems, in dem Kinder und 145 Jugendliche im Zentrum stehen Schlussfolgerungen 148 Empfehlungen 150 Bibliographie

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Danksagungen

Ich danke den Kindern und Jugendlichen, welche ihren Beitrag zu dieser Studie leisteten, indem sie begeistert an Beobachtungen, Interviews und Spielsitzungen teilnahmen. Ich danke den Angehörigen für die Mitteilungen über ihre kranken Kinder und dass sie uns erlaubten, mit den Jungen und Mädchen zu sprechen. Ich danke allen Dozenten der Aulen, welche uns ihre Arbeit zeigten und uns die nötige Unterstützung gaben, um die Kinder und Jugendlichen kennenzulernen: Helmer Del Pozo Cruz und Silvia Yacapallo Valencia des Spitals San Juan de Dios in Cusco; Vanessa Karol Atencio Merino des Spitals Cayetano Heredia in Lima; Sara Coralí Pérez Gonzales des Regionalspitals in Loreto; María Consuelo Cáceda Dominguez und Deysi Caroline Benigno Obregón des INEN in Lima. Weiterhin danke ich den Mitarbeitern der erwähnten Spitäler: den Ärzten, Krankenschwestern, Pflegerinnen und Freiwilligen der besuchten Zentren, welche uns ihre Türen öffneten und ihre wertvolles Wissen zur Verfügung stellten. Ich danke Mario Coronado, Direktor der Fundación Telefónica in Peru und Lillian Moore de Pardo, Leiterin der sozialen und Bildungs-Projekte der Fundación Telefónica, für das Vertrauen in meine Forschungsarbeit. Am Instituto de Estudios Peruanos danke ich Romina Peschiera, Koordinatorin der Bildungs-Projekte unter Einbezug der Technologie der Fundación Telefónica, und Sergio León für alle Unterstützung, welcher er uns bei der Arbeit im Feld gab. Zoila Cabrera, Beisitzerin des Programms Aulen in Spitälern, für ihre Kommentare zur Studie. Rosa María Coello für ihre geduldige und immer angemessene logistische Unterstützung in verschiedenen Phasen dieser Studie.

Präsentation

In Peru müssen mehr als 156 Millionen Kinder unter 15 Jahren (INEI 2010) für unterschiedliche Zeiträume hospitalisiert werden. Dabei verzichten sie auf das Recht auf Bildung. Diese Patienten kommen meist aus bescheidenen Verhältnissen, sind oft entfernt von ihren Familien und müssen auf ihre Fürsorge und empathische Unterstützung verzichten. Aus einer Haltung sozialer Verantwortung und Kooperation gründeten Fundación Telefónica und das Instituto de Estudios Peruanos (IEP) vor 12 Jahren das Programm Aulen in Spitälern (AFTH). Es handelt sich um eine Initiative, die das Recht des Kindes auf schulische Begleitung fördern will. Die jungen Patienten sollen in ihren Interessen gefördert und in der Kontinuität am Lernen unterstützt werden. Die Folgen der Trennung von der Schule sollen gemildert und die spätere Wiedereingliederung in das Erziehungssystem gewährleistet werden. Dieses Programm ist auf die Rechte der hospitalisierten Kinder und Jugendlichen konzentriert und setzt den Gebrauch der Kommunikations-Technologie ein. Es hat mehr als 40 Millionen Patienten im Schulalter geholfen, und zwar an den Gesundheitsinstituten in Arequipa, Chiclayo, Cusco, Huancayo, Iquitos und Lima. 2009 wurde das Programm auf Argentinien, Kolumbien, Chile, Venezuela und Spanien ausgeweitet. Damit verwandelte es sich in ein globales Projekt, das die Bildung eines lateinamerikanischen Netzes

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vorantrieb, indem es gegenseitige Beachtung und Zusammenarbeit förderte. Auf diese Weise wuchs die Möglichkeit von Synergien, die den Einbezug von ähnlichen Initiativen in Gang setzten. Das Ziel dieser erweiterten Arbeit ist es, die Isolation der hospitalisierten Kinder zu durchbrechen. So arbeiten in diesem Netzwerk Kinder, Jugendliche, ihre Dozenten, Eltern und das Gesundheitspersonal von jedem Spital und jedem Land zusammen und tauschen ihre Erfahrungen aus. Die Untersuchung von Giselle Silva, Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?, bereichert das Wissen über die Spitalpädagogik. In dieser Publikation werden die Erfahrungen von Kindern während einer Hospitalisation analysiert. Die Untersuchung zeigt, dass die Aula als ein besonderer Raum im Hospital wahrgenommen wird, der mit Spiel, Zerstreuung und Erholung verbunden ist. Vor allem aber wird den Kindern in der Aula wichtige emotionale Unterstützung geboten. In einem geschützten Rahmen können sich positive Bindungen entwickeln. In der Folge kann sich das kranke Kind vertrauensvoll den notwendigen medizinischen Behandlungen hingeben und mit dem Spitalpersonal zusammenarbeiten. Es ist erfreulich für uns, dass das Programm der Spital-Aulen den hospitalisierten Kindern eine Atmosphäre von Vertrautheit zu bieten vermag. Sie können sich mit den anderen jungen Patienten austauschen, indem sie gemeinsam spielen, lachen und lernen und damit ihr Potential verwirklichen. Auf diese Weise wird der Grad der Isolation durch Krankheit und Spitalaufenthalt deutlich vermindert. Wir hoffen, dass diese Untersuchung andere pädagogische Initiativen dazu anregen wird, die Situation von hospitalisierten Kindern zu verbessern, was auch von gesellschaftspolitischem Interesse ist. Javier Manzanares Gutiérrez

Presidente Ejecutivo del Grupo Telefónica

Giselle Silva Panez

Vorwort

Es ist eine grosse Ehre für mich, dieses Buch vorzustellen, welches das Ergebnis einer qualitativen Studie ist, welche Giselle Silva Panez entwickelte an Hand von 330 Zeichnungen und anderen Instrumenten zur Datensammlung wie ethnografische Beobachtung und Aufzeichnen von Spielsituationen. Zweck und Ziel dieser Untersuchung ist, die Lebensumstände von hospitalisierten Kindern und Jugendlichen zwischen drei und 18 Jahren kennenzulernen und zu analysieren, und herauszufinden, was eine Teilnahme am Programm der Fundación Telefónica für diese bedeutet. Diese Arbeit ist Zeugnis für die Energie und den Mut von Kindern und Jugendlichen auf der ganzen Welt. Sie überraschen uns täglich durch Handlungen, Worte und Zeichnungen, in denen sie ihr Befinden ausdrücken. Es ist ein auf allen Ebenen gelungenes Werk: (1) Das Buch bietet einen bemerkenswerten theoretischen Rahmen, in dem Schlüssel-Konzepte dargestellt sind, die durch viele Theoretiker der Hospitalisations-Pädagogik vertreten werden; (2) Die Untersuchung ist in Form und Qualität ausserordentlich gründlich. Das System der psychografischen Analyse zeigt die Möglichkeit einer qualitativen Untersuchung, die neue Erkenntnisse in Gang setzt, wenn diese in den Händen einer Expertin wie Giselle Silva liegt, und (3) Ihre Resultate wecken das Interesse, weiter auf diesem Gebiet zu forschen. Darüber hinaus wird deutlich, wie wichtig es ist, dass diese Arbeiten von professionellen Mitarbeitern dank der Fundación Telefónica der Öffentlichkeit näher gebracht werden. Ohne diese drei Ebenen wäre dieses Buch nicht möglich.

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Der Autorin ist es gelungen, dem Leser – bei mir ist es ihr jedenfalls gelungen - das symbolische und magische Denken in der Kindheit näher zu bringen über die Präsentation der Zeichnungen der Kinder und Jugendlichen, welche drei Jahre an einem Wettbewerb für die Rechte der Kinder im Spital teilnahmen. Der Kommentar zu den Zeichnungen ist sehr lehrreich. Ich fand es erhellend, eine Zeichnung analysierend und gleichzeitig empathisch aufzunehmen und damit besser zu verstehen. Die Themen der Zeichnungen sind vielfältig und lassen Wünsche, emotionale Befindlichkeiten, Ängste vor neuen Situationen und Personen sowie Hoffnungen differenziert erkennen. Einige von ihnen, die mir bedeutungsvoll für die Welt der kranken Kinder und Jugendlichen erscheinen, möchte ich hier erwähnen. Unter anderem geht es darum, wie wichtig es für eine kranke Person ist sich wohlzufühlen. Dazu gehören vor allem die Anerkennung von Schmerz und das Recht, über Verluste und Entbehrungen zu trauern. Weiterhin wird deutlich, wie wichtig Kommunikation und positive Bindungen zum Gegenüber sind. Zeichnerisch werden Gefühle wie Unsicherheit und Furcht vor der Bedrohung durch Instrumente und fremde Geräte ausgedrückt, die sich dem Körper nähern. Auch wird deutlich, wie wichtig die Begleitung der Eltern während der Hospitalisation der Kinder ist, um die Anpassung an die fremde Umgebung zu erleichtern. Bei den älteren Kindern wird deutlich, dass in der Adoleszenz Wachstum und kognitive Entwicklung wichtige Antriebskräfte sind. Respekt vor den Autonomiebedürfnissen von Jugendlichen, ihre Einbeziehung in gewisse Behandlungsabläufe, ihre Zustimmung und das gemeinsame Erstellen von Behandlungsplänen müssen ernst genommen werden. Giselle Silva sagt uns in einem Beitrag zur Diskussion: “In dieser Studie wollten wir die Sicht der hospitalisierten Kinder und Adoleszenten in Bezug auf ihre Erfahrungen und Rechte im Kontext des Spitalaufenthaltes in den Vordergrund stellen.“

Giselle Silva Panez

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Daneben war es wichtig zu hören, wie die jungen Patienten ihre Teilnahme am Programm der Aulen im Spital erleben. Es scheint mir, dass Giselle dies und viel mehr erreicht hat. Sie brachte ein Werk zustande, das wissenschaftlich wertvolle Aussagen beinhaltet und uns Einblick gibt in die Welt der Kindheit. Diese Kinder und Jugendlichen als kommunikative und gleichberechtigte Wesen wahrzunehmen, ist ein wichtiger Schritt in eine Zukunft, in der sie autonom und anteilnehmend mit sich und anderen umzugehen lernen. Ich möchte diese Einführung mit drei Danksagungen beenden: - Dank an Giselle, einer exzellenten, professionellen Autorin und Kennerin der Spital-Pädagogik, die ausgeht von der Resilienz und den Rechten von hospitalisierten Mädchen und Jungen. Dank für die Durchführung dieser Untersuchungen, denen das Schreiben des Buches folgte, das zweifellos auch auf internationaler Ebene ein wertvolles Dokument sein wird; - Dank der Fundación Telefónica, welche den Kindern und Adoleszenten von Lateinamerika dieses wertvolle Projekt anbot, das eine Untersuchung von hoher Qualität ermöglichte; - Dank, mir die Gelegenheit zu geben, den Prolog zu diesem wunderbaren Buch zu verfassen.

Barcelona, Juni 2012 Veronica Violant Holz Dozentin an der pädagogischen Hochschule der Universität Barcelona (Spanien)

Vorwort

Einführung

Diese Publikation präsentiert Resultate einer qualitativen Untersuchung über die Erfahrungen von hospitalisierten Kindern und Jugendlichen. Sie wurde während deren Zeit der Hospitalisation realisiert. Ausgehend von 330 Zeichnungen, einigen Interviews, ethnografischer Beobachtung und Aufzeichnen von Spielsituationen treten wir ein in die innere Welt der Kinder und lernen ihre Erfahrungen und Bedürfnisse kennen. Wir sehen, was ihnen am wichtigsten ist und was sie uns mitteilen möchten. Dieses ausgesprochen sensible Thema wurde bisher im Gebiet der sozialen Forschung wenig untersucht. In Peru müssen alljährlich mehr als 150 000 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren aus verschiedenen Gründen in den 469 Kliniken des Landes1 hospitalisiert werden. Trotzdem weiss man wenig über die Erfahrungen dieser jungen Patienten. Während dieser Zeit sind sie vielen wechselnden Situationen und negativen Erfahrungen unterworfen, ausgelöst durch den Bruch des kontinuierlichen Alltaglebens, zu dem Trennungen vom familiären, schulischen und sozialen Umfeld gehören. Fundación Telefónica und das Instituto de Estudios Peruanos kennen diese Realität und gründeten deshalb im Jahre 2000 ein Bildungsprogramm für hospitalisierte Kinder und Jugendliche, genannt Aulas Fundación Telefónica en Hospitales (AFTH), welches entwickelt wurde an Aulen in Gesundheitszentren. Dort sind jeweils ein bis zwei Dozenten tätig und bereit, die jungen Patienten zu begleiten. Die 1. 2009 wurden 157‘769 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren hospitalisiert. Quelle: Ministerio

de Salud (MINSA). Oficina General de Estadística e Informática in: http://www.inei.gob.pe/Sisd/ index.asp

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Aulen sind ausgestattet mit einfacher und komplexer Technologie, die den Kindern und Jugendlichen zugute kommen, welche eine Zeit lang ihre normale Schulbildung nicht fortsetzen können. Im Zentrum des Bildungsprogrammes stehen die Rechte der hospitalisierten Kinder und Jugendlichen, denen auch in der Spitalsituation Bildung garantiert werden soll, um nach ihrer Gesundung die Voraussetzung für eine weitere schulische Laufbahn zu gewährleisten2. Ein Teil des Programms AFTH war ein Zeichnungswettbewerb für die Patienten-Schüler mit dem Ziel, ihnen die Möglichkeit zu geben, sich kreativ zu ihrer Situation zu äussern. Die künstlerischen Produktionen der Kinder zeigen einen enormen Reichtum an Ausdruckskraft und kommentieren differenziert ihre Spitalerlebnisse in Bezug auf die Behandlung, der sie ausgesetzt sind sowie ihre Bedürfnisse, Wünsche, Befürchtungen und Ängste in dieser besonderen Situation. Es stellte sich heraus, dass Erkenntnisse über die expressiven Zeichnungen dazu dienen können, die kranken Kinder und Jugendlichen besser zu verstehen und dann auch ganzheitlicher zu behandeln. Ausgehend vom Zeichenwettbewerb und dem Interesse der AFTH, die Situation des hospitalisierten Kindes kennenzulernen, beschloss man, die zeichnerischen Produktionen aus den Jahren 2008-2010 zu analysieren. Die vorliegende Studie arbeitet mit diesen Analyseergebnissen und bildet so die erste Untersuchung, welche die Thematik der hospitalisierten Kinder aus deren Sicht, in ihren Worten und ihrer Symbolsprache, welche sie so gut beherrschen, wiedergibt3. Die Zeichnungen wie auch andere künstlerische Produktionen der kranken Kinder schenken einen unverfälschten Blick in ihre Gefühlswelt. Die hauptsächlichen Fragen waren: Wie sind die Lebens2 3

Zu sehen auf: . Eine interessante Studie über die Rechte der Kinder anhand ihrer Zeichnungen und anderer kreativer Produktionen wurde in Peru 2004 realisiert durch Rosario Panez mit 11´539 Kindern der Küste, der Sierra und der Selva. Einführung

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umstände der Kinder und was charakterisiert sie? Was bedeutet es für das Kind, am Programm der Fundación Telefónica teilzunehmen? Wissenschaftliche Erkenntnisse über diese Thematik aufgrund dieser Art psychoanthropologischen Untersuchung, welche sich auf direkte Äusserungen der betroffenen Kinder stützt, sind bahnbrechend. Diese Studie ist wichtig, weil im allgemeinen der Stimme von Kindern wenig Bedeutung beigemessen und der sozio-emotionale Aspekt von jungen Patienten ignoriert wird. Die meisten Spitäler bieten keine ganzheitliche Betreuung der Kinder. Im Zentrum steht die Behandlung der körperlichen Erkrankung. Dabei werden die höchst wichtigen sozialen und emotionalen Aspekte übersehen, die eine grosse Rolle im Gesundungsprozess spielen. Die Hospitalisation ist eine Krisensituation, welche das Kind mit seiner Verletzlichkeit konfrontiert. Ausgesetzt einer fremden Realität, abhängig von unbekannten Personen verliert es Autonomie und Intimität. Es muss es sich an neue Regeln gewöhnen. Seine Lebensgewohnheiten in so grundsätzlichen Dingen wie Essen und Schlafen ändern sich. Darüber hinaus ist es getrennt von seiner Familie und seinen Freunden. Die Reaktionen auf diese neuen Umstände sind abhängig von der Persönlichkeit des Kindes. Grundsätzlich ist die Spitalerfahrung eine Stress-Situation, auf welche die jungen Patienten unterschiedlich reagieren, manche durchaus auch positiv. So gibt es eine Wechselwirkung zwischen der Emotionalität eines Kindes oder Jugendlichen und den Stärken und Schwächen des Empfangs im Spital. Die Betreuenden im Spital sollten die persönlichen Befindlichkeiten, die von den Kindern in ihren Zeichnungen thematisiert werden, vermehrt berücksichtigen. Gegebenenfalls sollten Änderungen angestrebt werden, die eine ganzheitlichere Behandlung von kranken Kindern ermöglichen.

Giselle Silva Panez

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Diese Studie erlaubt es, den positiven Einfluss und die Wirksamkeit des AFTTH Programms zu zeigen, das die Situation von kranken Kindern und ihren Familien verbessert. Insofern sollte es die Studie ermöglichen, Neuerungen und wichtige Aspekte in der Gesundheitspolitik voranzutreiben und umzusetzen. Nicht nur wird in unserer Arbeit Wert auf die Rechte der Kinder gelegt, sondern die Resilienz der Patienten wird in den Mittelpunkt gestellt, eine Fähigkeit trotz widriger Umstände neue Kräfte im Menschen freizusetzen.

Ziel der Studie •





Ein wichtiges Ziel der Studie war es, die Sicht der kranken Kinder in Bezug auf ihre Rechte und Bedürfnisse als Patienten im Spital hervorzuheben. Daneben war es von Interesse zu erfahren, welchen Einfluss das Programm AFTH auf die Kinder hatte, und ihre Erfahrungen in diesem Prozess zu beschreiben. Ebenfalls hat die Studie das Ziel, die Öffentlichkeit und alle, die Kinder betreuen, im Hinblick auf die Interessen und Bedürfnisse der Kinder zu sensibilisieren. Die Resultate dieser Untersuchung dienen auch der Optimierung und Weiterentwicklung des Programms AFTH. Weiterhin sollen sie die Rechtsprechung unterstützen und die Aufmerksamkeit hinsichtlich der Situation des hospitalisierten Kindes in verschiedenen Ländern verbessern. Diese Publikation besteht aus vier Teilen. Der erste Teil enthält den theoretischen Rahmen, welcher die Situation des hospitalisierten Kindes erforscht, seine Rechte, seine Erfahrungen und wie es die Anwesenheit der Aulen erlebt. Im zweiten Teil beschreibe ich die methodologischen Aspekte der Studie, die Art der Untersuchung, die Darstellung und die Analyse der Informationen. Im dritten Teil zeigen sich die Resultate der Studie und im letzten Teil werden diese diskutiert. Am Schluss bringe ich einige Ideen über das Erleben der hospitalisierten Kinder. Diese Untersuchung bietet auch Empfehlungen, welche möglicherweise die Gesundheitspolitik anregt, sozialpädagogische Themen zugunsten pädiatrischer Patienten vermehrt zu berücksichtigen.

Einführung

I. Theoretischer Rahmen

Das Kind im Spital: Abbruch von Beziehungen und Anpassung an die neue Umgebung Die Krankheit ist eine Situation, die zum Menschsein gehört und der wir alle seit unserer Geburt unterschiedlich häufig ausgesetzt sind. Krankheit ist eine Zeit der Krise, vor allem wenn eine Hospitalisation nötig ist. Gefühle wie Unbehagen, Unsicherheit, Kontrollverlust und Entbehrung tauchen auf. Ein krankes Kind befindet sich in einer Situation, in der es mit dem Verlust seines körperlichen, psychischen und sozialen Wohlbefindens konfrontiert wird. Mit diesen Erfahrungen muss es lernen umzugehen. Die Hospitalisation holt das Kind aus seinem gewohnten Milieu und setzt es in eine unbekannte Umgebung. Für unterschiedlich lange Zeiträume muss das Kind seine Schule unterbrechen, seine Freizeit und sein soziales Leben werden eingeschränkt. Es erlebt einen Bruch mit der gewohnten Umgebung und sieht sich in einen besonderen emotionalen Zustand versetzt, der die Gesundung beschleunigen oder auch behindern kann (Méndez und Ortigosa, 2000). Im Spital befindet sich das Kind in einer verletzlichen Situation, in einem Zustand der Abhängigkeit von ihm zunächst fremden Personen. Gonzáles-Simancas und Polaino-Lorente (1990) fassen die Aspekte der Hospitalisation in drei wichtigen Erfahrungen zusammen:

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• • •

Verlust von Gesundheit Frustration, da persönliche Entwicklungsprozesse aufgehalten werden können Schmerzhafter Einbruch in die Kontinuität der intakten Körperlichkeit, der Angstund Einsamkeit hervorruft.

Darüber hinaus zeigen sich folgende Bedingungen: • •



Mit der Krankheit einher gehen Schwächezustände, Leiden oder Gefahren. Die medizinischen Vorgänge sind oft unbekannt, schmerzhaft und daher Quelle von Angst und Furcht. Gleichzeitig mit der persönlichen psychosozialen Situation ist das Spital eine ungewohnte, fremde Umgebung. Das tägliche Leben und seine Routineabläufe werden unterbrochen. Autonomie und Intimität gehen ein Stück weit verloren. Es entsteht Unsicherheit über angemessenes Verhalten in der neuen Umgebung. Verbunden mit dem sozio-emotionalen Leben ist die Trennung von geliebten Menschen. Familiäre Beziehungen verändern sich. Das Kind sieht sich gefordert, neue Kontakte mit unbekannten Menschen einzugehen.

Zur Hospitalisation gehören Ängste und Befürchtungen als vorherrschende Gefühle, jedoch erlebt der einzelne junge Patient diese Situation immer je nach Persönlichkeit subjektiv. Die Art und Weise, wie ein Kind die Hospitalisation erlebt, hängt von seinen Eigenschaften ab: nicht alle kranken Kinder antworten auf die gleiche Art. Es gibt Kinder, die ängstlicher sind als andere, und in manchen Fällen gibt es auch positive Reaktionen. Wichtig in diesen unterschiedlichen Prozessen der kindlichen Erlebensweisen sind Faktoren, wie Art der Krankheit, Dauer der Hospitalisation, Qualität des Gesundheitsdienstes, Fähigkeit, sich neuen Situationen anzupassen, familiäre Hintergründe, Alter des Kindes, persönliche Ressourcen (Ortigosa und Méndez 2000).

Theoretischer Rahmen

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Die psychologischen Reaktionen auf die Hospitalisationserfahrung können nach Rodriguez Sacristán (1994, zitiert in Shimbakoru 2011) in vier Kategorien eingeteilt werden • • •



Anpassungsleistungen wie Opposition, rebellisches Verhalten, Wut, Unterwerfung, Hemmung oder Zusammenarbeit Defensive Reaktionen, die eine Regression auslösen Reaktionen, hervorgerufen durch emotionale und kognitive Erfahrungen wie Furcht vor dem Tod, Ohnmachtsgefühle, Minderung des Selbstvertrauens, Verlassenheitsängste, Fragmentierungsgefühle, Mutilation und Vernichtungsängste Reaktionen von Nichtanpassung wie pathologische Angstzustände, Hysterie, Konversion, Zwang und Depression

Um zur besseren Anpassung des Kindes an die Spitalsituation beizutragen, sollte man eine Anzahl von grundlegenden Bedürfnissen des jungen Patienten berücksichtigen. Dazu gehören die Anwesenheit und Unterstützung seiner Familie, Spiel und schulische Aktivitäten, Trost und Unterstützung im Verständnis der persönlichen Entbehrungen, um eine Regression zu vermeiden. Es ist wichtig, dem kranken Kind und Jugendlichen das Leben soweit wie möglich zu „normalisieren“ und auch mit seiner Ausbildung fortzufahren (Lizasoaín, 2000).

Die Erfahrung der Hospitalisation Verschiedene Variablen beeinflussen die Hospitalisationserfahrung und sind verantwortlich für die persönliche Antwort auf die Krankheit: Alter, Geschlecht, kognitiver Entwicklungsstand, psychologische Situation vor der Hospitalisation und auch Art des Spitals. Méndez und Ortigosa (2000) berichten, dass ältere Kinder aktivere Strategien der Konfrontation und Auseinandersetzung in der neuen Situation anwenden. Geschlechtsspezifisch sind kulturelle und fa-

Giselle Silva Panez

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miliäre Variablen ausschlaggebend für das Verhalten eines Kindes oder Jugendlichen im Spital. Es gibt z.B. Gesellschaften, in denen Mädchen besser auf schwierige Situationen vorbereitet sind als Jungen. Daneben gibt es Gesellschaften, in denen man den Jungen Tapferkeit gegenüber Schmerz beibringt. Wichtig sind auch die sozioökonomischen Bedingungen des familiären Umfelds. Kinder aus bescheidenen Verhältnissen finden im Spital Bedingungen, die sie zuvor nicht kannten: ein eigenes Bett, exklusive Fürsorge, ausgewogene Ernährung, Material für Spiel und Bildung. Für Kinder aus wohlhabender Umgebung kann die Hospitalisation den Verlust von Privilegien und andere Einschränkungen mit sich bringen. Zusätzliche Faktoren sind die Dauer des Aufenthaltes, die vorangehenden Erfahrungen mit Ärzten und Spitälern, Art und Zeit der Vorbereitung für den Eintritt und die Begabung der Eltern, ihrem Kind in dieser Krise beizustehen. Nicht zuletzt beeinflusst die medizinische Diagnose die Hospitalisationserfahrung: Es gibt Krankheiten, die eher mit dem Tod in Verbindung gebracht werden als andere, z.B. Krebs. Daneben gibt es Verletzungen, die den körperlichen Zustand des Kindes gefährden können, wie Verbrennungen und andere Unfälle, die eine Veränderung des Selbstbewusstseins und der Eigenwahrnehmung auslösen. Auch beeinflussen frühere Spitalerfahrungen – in welchem Mass hat sich das Kind früher angepasst und die Situation akzeptiert? – die Art, wie das Kind der neuen Hospitalisation begegnet.

Die Rolle der Eltern während der Hospitalisation Die Rolle der Eltern während der Hospitalisation hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Aktuell werden sie immer mehr aufgefordert, aktiv an der Pflege der Patienten teilzunehmen. Noch wird dies aber an wenigen Spitälern realisiert, obwohl es deutlich ist, dass das kranke Kind sich besser entwickelt, wenn es von seinen Eltern begleitet wird.  Theoretischer Rahmen

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Auch die Eltern leiden psychisch während der Krankheit und Hospitalisation der Kinder, weshalb sie auf die Situation vorbereitet werden müssen. Nicht selten geraten die Eltern in eine emotionale Krise, die sich auf das Kind überträgt. Die Eltern spielen eine besonders wichtige Rolle dabei, wie stark das Kind mit Ängsten, Schlafstörung, emotionalen und Verhaltensänderungen reagiert. Es wurde nachgewiesen, dass ein positiver Einfluss der Eltern auf ihr krankes Kind derart entscheidend für die Behandlung sein kann, dass es manchmal ratsam ist, die Eltern in das medizinische Team einzubinden (Ortigosa und Méndez 2000).

Verletzlichkeit und Stärke des hospitalisierten Kindes Die Hospitalisation ist eine neue und belastende Situation für das Kind, das sich seiner Verletzlichkeit ausgesetzt sieht. Wie in jeder neuen Situation zeigt sich allerdings auch hier, dass das Kind auf seine Ressourcen zurückgreifen kann und wird. Verletzlichkeit und Stärke als menschliche Wesenszüge sollten gerade bei der Behandlung von kranken Kindern berücksichtigt werden. Viele Autoren, die sich mit diesem Thema beschäftigen, stellen die Schwierigkeiten eines kranken Kindes in den Vordergrund: Trennung von den Eltern und der gewohnten Umgebung, ausgesetzt und konfrontiert mit einer fremden, oft bedrohlich erlebten Welt. Shimabukuro (2011) zeigt, dass viele solcher Kinder mit Ängsten, Schlaf- und Esstörungen reagieren. Manche Kinder haben Albträume, Angst vor der Dunkelheit oder sie reagieren mit Enuresis (Einnässen) oder Enkopresis (Einkoten). Das Kind kann in seiner Entwicklung auf eine frühere Stufe zurückfallen und sich verhalten wie ein viel jüngeres Kind. Für Benavides, Montoya und Gonzalez (1999, in Andrusiewicz 2008) ist die Hospitalisation an sich ein regressiver Prozess, da ja der Patient im Bett liegen muss und man erwartet, dass er in dieser passiven Rolle bleibt. Giselle Silva Panez

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Letztlich sind aber all diese Reaktionen weitgehend normal und der Situation angepasst. Bei manchen Kindern kann eine Hospitalerfahrung auch ein Ereignis darstellen, innerhalb dessen sie erleben, eine schwierige Situation meistern zu können. Das bedeutet einen Erfolg für das kindliche Selbstwertgefühl und stärkt die Fähigkeiten, eigene Möglichkeiten und Grenzen kennenzulernen. Das zunächst seiner Krankheit und der neuen Umgebung ausgelieferte Kind verhält sich unterschiedlich, um sich den Umständen anzupassen, und um Heilung zu kämpfen. Es sucht in seiner inneren Welt diejenigen Ressourcen, die hilfreich sind, neue und zum Teil bedrohliche Situationen zu ertragen. Um aus diesem Prozess gestärkt hervor zu gehen, ist das Kind auf eine fürsorgliche Umgebung angewiesen. Tatsächlich weisen die Autoren u.a. nach, dass es durchaus ein Schutzfaktor für die Heranwachsenden bedeuten kann, den eigenen Grenzen zu begegnen und Schwierigkeiten erfolgreich überwunden zu haben (Méndez und Ortigosa 2000). Beuf (1989, in Méndez und Ortigosa, 2000) unterscheidet fünf Verhaltensweisen von hospitalisierten Kindern: • • • • •

Das protestierende Kind, das sich über Normen und Regeln der Institution hinwegsetzt, um seine Identität und Autonomie zu bewahren. Das überangepasste Kind, das Proteste vermeidet und Kooperation mit dem Gesundheitspersonal sucht. Das manipulierende Kind, das die Krankheit dazu benutzt, seine Umgebung zu kontrollieren. Das informierte Kind, das die medizinische Terminologie einsetzt und die Verhaltensweisen und Rechte eines Patienten kennt. Das isolierte Kind, das Gedanken und Gefühle nicht ausdrückt und sich in der neuen Umgebung isoliert.

Méndez und Ortigosa lenken darüber hinaus den Blick auf das unterschiedliche Temperament von Kindern, das ihre Reaktionen beeinflusst. Unter den Eigenschaften, die einen widerstandsfähigen UmTheoretischer Rahmen

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gang mit eigenen Grenzen aufzeigen, finden sich Humor, Anpassungsfähigkeit, ein mässiger Aktivitätslevel und Interesse, sich der neuen Umgebung anzunähern. Zudem weisen diese Autoren daraufhin, dass die Fähigkeit, gut mit sich selbst umzugehen, ebenfalls ein Schutzfaktor für ein hospitalisiertes Kind bedeutet. Dazu spielen die Position der Familie eine Rolle sowie die Umgangsweise des Gesundheitszentrums mit seinen Kranken.

Resilienz und Hospitalisation Die Resilienz ist die Fähigkeit des Menschen, Widrigkeiten im Leben zu überwinden und in seiner persönlichen Entwicklung trotz bedrohlicher Faktoren und Ereignisse fortzuschreiten. Dieses wertvolle Konzept spricht den Kindern die Möglichkeit zu, schwierige Erfahrungen in Stärke umzuwandeln und daran zu wachsen. Auch für die Familie des Kindes kann ein solches Ereignis eine Erfahrung sein, die den Zusammenhalt und die einzelne Person stärken anstatt zu traumatisieren. Ein Krankenhausaufenthalt schliesst alle Beteiligten ein – Kind, Eltern und Personal – die der Situation auf einfühlsame Art und Weise begegnen sollten, um Gefahren zu erkennen, Risiken einzugehen und neue Möglichkeiten auszuschöpfen. So ist der Bezug auf die Resilienz ein konstruktiver Ansatz, der über die Krankheit hinausweist, Heilung anstrebt und sich auf ganzheitliche Weise mit einer Erfahrung auseinandersetzt. Im Zentrum steht der Versuch, negative Einflüsse in neue Stärken zu verwandeln und nächste Entwicklungsstufen zu durchlaufen. Die Entwicklung von Resilienz versteht sich aus einem Gleichgewicht zwischen Risiko- und Schutzfaktoren. Wenn letztere vorherrschen, wird die Fähigkeit gestärkt, sich anzupassen und belastende Erfahrungen in Stärken umzuwandeln. Als Schutzfaktoren sind Gegebenheiten zu sehen, die persönliche Ressourcen zur Überwindung von Krankheit und Traumatisierung freisetzen. Risikofaktoren des hospitalisierten Kindes sind jene, welche die Verletzlichkeit des kranken Kindes erhöhen. Giselle Silva Panez

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Das zeigt, wie wichtig es ist, das Kind und seine Hospitalisation auch jenseits von Schwäche und Krankheit zu betrachten und seine Fähigkeiten und Ressourcen im Auge zu behalten. Resilienzfähige Menschen sind keine aussergewöhnlichen Personen, sondern solche, die mit ihren Stärken und Schwächen ihr Leben gemeinsam mit anderen Menschen aufbauen (Vanistendael, 2003). Andrusiewicz (2008) benennt folgende grundlegenden Bedingungen der Resilienz: Selbstbewusstsein, Beziehungsfähigkeit, Eigeninitiative, Humor, Kreativität. Darüber hinaus weist die Autorin darauf hin, dass bei Kindern die Fähigkeiten zum Spielen ein wichtiger Nachweis von Gesundheit darstellt, bildet doch das Spiel die Grundlage in der kindlichen Entwicklung. So sollte in der Zeit einer Hospitalisierung die spielerische Beschäftigung erhalten und verstärkt werden. Um nicht in Passivität und Isolation der Krankheitszeit zu versinken, braucht das kranke Kind die Möglichkeit, sich im Spiel ausdrücken zu können. Andrusiewicz (2008) berichtet dazu, dass auch die kindliche Fähigkeit zum Humor prognostisch positiv einzuschätzen ist. Einer Situation kreativ zu begegnen ist hilfreich, um neue Erfahrungen zu integrieren. Weiterhin unterstützt es die Resilienz des Kindes, wenn es die Veränderungen verstehen kann, die während der Krankheit in und mit seinem Körper geschehen. Genauso wie es dazu beiträgt, mit Hoffnung in die Zukunft zu sehen und sich als aktives, autonomes Subjekt zu erfahren, wenn ein Kind auch die psychologischen Einflüsse seiner Situation einordnen kann.

Mildernde Faktoren Ortigosa und Méndez (2000) haben Faktoren gefunden, welche die Auswirkungen einer Hospitalisation mildern. Diese stehen in Bezug zur physischen, sozialen und familiären Umgebung der Kinder. Als hilfreichen Einfluss sehen sie die familiäre Unterstützung sowie angemessene Informationen für Familie und Kind. Wesentlich sind ausserdem die psychologische Ausbildung von Ärzten und Pflege-

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personal, psychologische oder psychotherapeutische Interventionen, ärztliche Empathie und dadurch Angstverminderung bei den Beteiligten. Es gibt wenige Krankenhäuser, die ein psychologisch orientiertes Programm oder wenigstens das Verständnis für diese Aspekte anbieten. Obwohl bekannt ist, dass ein emotionaler und auch informativer Austausch des Pflegepersonals mit dem betroffenen Kind und seinen Eltern dazu beitragen, die Stressfaktoren eines Spitalaufenthaltes zu vermindern. Denn die Betreuungsqualität im Hospital wird deutlich verbessert, wenn der seelischen Situation eines hospitalisierten Kindes angemessen begegnet wird.

Rechte des hospitalisierten Kindes Ortigosa und Méndez (2000) berichten, dass Erkenntnisse über negative Auswirkungen auf hospitalisierte Kinder dazu geführt haben, sich stärker darauf zu konzentrieren, den jungen Patienten beizustehen. Dazu wurden eine Anzahl von Vorgaben gefunden, die kranke Kinder in ihrer Situation schützen sollen. Das europäische Parlament beschloss im Jahre 1986 eine Deklaration über die Rechte von hospitalisierten Kindern. Seit diesem Zeitpunkt kämpfen viele Freiwillige und Professionelle für die Durchsetzung dieser Rechte, zu denen vor allem auch das Recht auf Bildung gehört (Lizasoaín 2000). Diese Rechte streben auf verschiedene Weise an, den Krankheitsverlauf zu erleichtern und die Lebensqualität der jungen Patienten und ihrer Familien zu verbessern. Denn sie betonen die notwendigen Aspekte für Gesundheit und Wohlergehen des Kindes. Die Rechte des hospitalisierten Kindes , welche durch das Programm AFTH in Peru gefördert wurden, setzen sich aus 10 Artikeln zusammen, die ausdrücklich umgangssprachlich gehalten sind und aus der Sicht der kleinen Patienten Pflege, Aufmerksamkeit und Spiel ins Zentrum stellen:

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RECHTE DES HOSPITALISIERTEN KINDES 1.

Die Menschen im Spital sollen mich beim Namen nennen, mich anlachen, mich umsorgen und mir Aufmerksamkeit schenken.

2.

Sie sollen mir die Namen meiner Ärzte und Pflegenden mitteilen.

3.

Sie sollen sich um meine grundlegenden Bedürfnisse kümmern. Dazu gehört es, einen sauberen Körper zu haben und angstfrei zu sein.

4.

Sie sollen angemessene Zeitpläne einhalten, um mich zu pflegen, mich schlafen, spielen, lernen zu lassen und von meinen Eltern begleitet zu werden.

5.

Sie sollen mir erlauben, spazieren zu gehen und aktiv zu sein, wenn dadurch die notwendigen Pflegeaktionen nicht behindert werden.

6.

Sie sollen mir erlauben , mich emotional auszudrücken, zu weinen oder wütend zu sein, wenn mich etwas schmerzt oder ärgert. Ich möchte kein Untersuchungsobjekt sein für Behandlungen an oder Eingriffe in meinen Körper, die nicht unbedingt nötig sind, um meine Gesundheit wieder herzustellen.

7.

Sie sollen mir erklären, was gerade mit mir geschieht und meine Fragen ehrlich und in verständlicher Sprache beantworten.

8.

Die Erwachsenen sollen nicht in meinem Beisein über mich reden, als ob ich nicht existiere, draussen im Gang nicht, ohne dass ich etwas davon weiss.

9.

Das Pflegepersonal soll mir den Zeitplan für Behandlungen oder Massnahmen mitteilen. Sie sollen mir keine Angst machen oder mich hungern oder dursten lassen, wenn es nicht nötig ist.

10. Ich wünsche mir, dass im Hospital Spielzeug, Bücher und audiovisuelle Mittel, meinem Alter entsprechend, vorhanden sind. Beachte: Diese Rechte wurden ausgearbeitet nach einer Revision und basieren auf den Rechten der am Hospital Morelense/Mexiko hospitalisierten Kinder. Quelle: http://blogs.educared.org/pedagogia-hospitalia/2011/09/30 Theoretischer Rahmen

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Das hospitalisierte Kind und das Spitalpersonal Das Klinikpersonal, das in täglichem Kontakt mit dem kranken Kind steht, hat durch sein Verhalten einen starken Einfluss auf das Befinden und den Gesundungsprozess des kleinen Patienten. Eine fürsorgliche und herzliche Beziehung zu Kind und Eltern sind Eigenschaften, die zum Wohlergehen des Kindes beitragen und Stressfaktoren vermindern (Méndez und Ortigosa 2000). Die Autoren weisen auf die übliche Arzt-Patienten Beziehung hin, die häufig gekennzeichnet ist von folgenden Faktoren: • • •

Die Beziehung ist asymmetrisch, weil der Arzt die zentrale Autoritätsperson ist, welche eine Behandlung verordnet, die das Kind anzunehmen hat. Die Beziehung ist entfremdet, weil geprägt von der medizinischen Fachsprache des Arztes. Die Beziehung ist eher unpersönlich, weil der zeitliche Kontakt mit dem Arzt begrenzt ist.

All dies trägt nicht dazu bei, eine Umgebung zu schaffen , in der sich das kranke Kind wohl fühlt und der es sich anvertrauen mag. Pantell, Stewart, Dias, Wells und Ross (1982, zitiert in Méndez und Ortigosa 2000) berichten ebenfalls, dass die Persönlichkeit der Pflegenden ausschlaggebend ist für die Beziehung zum Kind und seinen Eltern. Schlechte Hospitalisierungserfahrungen sind solche, als krankes Kind hintergangen zu werden oder den Ärger des Gesundheitspersonals über sein Verhalten zu spüren. Dadurch verschlechtert sich die Befindlichkeit der jungen Patienten. Der Arzt wird als allmächtige und bedrohliche bzw. beruhigende Figur vom Patienten erlebt. Es wird ihm eine Autorität zugewiesen, die allwissend zu sein scheint. Von den Eltern wird er als derjenige erlebt, der über den Status von Krankheit oder Gesundheit entscheidet, denn von ihm hängt die Hei-

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lung ihres Kindes ab. So gesehen sind die persönlichen Qualitäten des Spitalpersonals, vor allem die empathische Fähigkeiten, ausschlaggebend für das Befinden eines kranken Kindes und seiner Familie. Shimabukuro (2011) berichtet, dass ein umfassend ausgebildetes Pflegepersonal für Kind und Eltern wichtig ist. Das Kind ist abhängig von den Beziehungen zu den erwachsenen Personen seiner Umgebung, die es täglich betreuen und zur Gesundung beitragen. Die Schwestern und Pflegerinnen werden während der Krankheitszeit zu zentralen Personen in seinem Leben. Für das Kind ist die Bindung zu jeder Person im Spital sehr wichtig. Davon hängt seine Gesundheit und sein Wohlbefinden ab. Die Qualität der Beziehung kann beitragen zur Gesundung.

Das Programm Aulas Fundación Telefónica en Hospitales (AFTH) und die Rolle der Lehrperson Die bisherigen Ausführungen zeigen, wie wichtig psychosoziale Aspekte als Ergänzung der medizinischen Betreuung für das hospitalisierte Kind sind, das pädagogische und emotionale Aufmerksamkeit braucht, um sich willkommen, beschützt und beachtet zu fühlen. Die psychopädagogische Intervention trägt dazu bei, negative Aspekte von Krankheit und Hospitalisation zu vermindern (Lizasoaín 2000), und sie fordert auf besondere Art die Zusammenarbeit zwischen dem Spitalpersonal . Dabei ist die Rolle des Lehrers ein wichtiges Bindeglied, da er sowohl für die Bildungsvermittlung als auch als emotionaler Ansprechpartner zur Verfügung steht. Damit fordert man einen besonderen Raum im Spital, in dem sich das Kind in seinen psychosozialen Bedürfnissen willkommen und wahrgenommen fühlt. Fundación Telefónica hat das Projekt Aulas Fundación Telefónica en Hospitales (AFTH) auf nationaler Ebene ins Leben gerufen, das seit dem Jahr 2000 in Gesundheitsinstitutionen zum Wohle des hospitalisierten Kindes und Jugendlichen im Schulalter eingesetzt wird. Theoretischer Rahmen

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Die Aulen sind von einem oder zwei Dozenten betreut, von denen viele in Sonderpädagogik ausgebildet sind. Sie bieten über das ganze Jahr ein Erziehungsprogramm an, das auf einer sanften Pädagogik basiert, einem Ansatz, der Didaktisches und Spielerisches verbindet. Das Programm AFTH basiert auf dem Respekt vor den Rechten des hospitalisierten Kindes und Adoleszenten. Es sollen grundlegende Fähigkeiten gestärkt sowie die Entwicklung der Autonomie und Entscheidungsfähigkeit unterstützt werden. Daneben wird die Benutzung des Internets und anderer Informations-Technologien angeboten. Das Ziel ist es, ein Netzwerk von globalen HospitalisationsAulen zu entwickeln. Die Aulen sind Orte affektiver Interaktion, wo die jungen Patienten als gewöhnliche Kinder und Adoleszente behandelt werden und wo sie lernen und sich austauschen können. Die Aula ist damit ein Raum der Sozialisation unter Gleichen, der den Grad der Isolation vermindern soll, dem hospitalisierte Kinder ausgesetzt sind. Die Einrichtung einer Aula innerhalb des Spitals benötigt einen Raum, der mit entsprechendem Mobiliar und der nötigen Infrastruktur ausgestattet ist (Pc, Laptop, Drucker u.a.). Die Dynamik des Projektes AFTH konzentriert sich auf spielerisches Lernen, ohne den Druck, der in öffentlichen Schulen herrscht. Die Dozenten der Aula unterrichten, unterhalten und geben ihr Interesse für digitale Mittel weiter. Darüber hinaus sind sie nicht nur Pädagogen, sondern auch emotionale Ansprechspersonen. Denn in der Begegnung mit ihren kranken Schülern und Schülerinnen sehen sich die Lehrpersonen der Aufgabe gegenüber, intellektuelle und emotionale Ansprüche zu verbinden. So steht an erster Stelle des Programms die freundliche Behandlung und der Respekt vor den Mädchen und Jungen. Dies erfordert speziell ausgebildete Lehrpersonen, die nicht nur pädagogisch, sondern vor allem empathisch auf die Kinder und ihre grundlegenden Bedürfnisse eingehen sollen. Giselle Silva Panez

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Das Programm AFTH möchte auch die Resilienz unterstützen, d.h. die Fähigkeit des Kindes, Schwierigkeiten aus eigener Kraft zu meistern. León (2011) zeigt die Aulen als einen Ort der Sozialisation, an dem die Patienten-Schüler anderen Kindern in ähnlichen Situationen begegnen. Ein entspanntes Klima aus Gruppenspielen und/oder Interaktionsmöglichkeiten durch soziale Netze in der realen und virtuellen Welt soll die Isolierung durchbrechen, die durch eine Krankheit entstehen kann. Es spielt physisch wie psychisch eine wichtige Rolle im Gesundungsprozess, denn es ermöglicht, Kontinuität im persönlichen Bildungs- und Sozialisationsprozess herzustellen bzw. aufrecht zu erhalten. Und es gibt den persönliche Stärken kranker Kinder und ihren Familien Raum und lässt sie ihre Ressourcen entdecken.

Die Symbolsprache des Kindes: Zeichnung und Spiel Im Unterschied zu Erwachsenen, die sich vor allem verbal austauschen, bedienen sich Kinder anderer Mittel, um ihre Gefühle auszudrücken. Zeichnung und Spiel sind Möglichkeiten, Zugang zur inneren Welt von Kindern zu finden. Hier können sie Sorgen, Nöte, reale Wahrnehmungen und Fantasien ausdrücken. Die Zeichnung ist eine der ältesten Ausdrucks- und Mitteilungsformen der Menschheit. Sie ist als Symbolsprache eine Form der Kommunikation, die beim Kind spontan auftritt, anfänglich als Kritzelei bis hin zu ausgearbeiteten Zeichnungen. Eine solche kann uns Kenntnis geben von Entwicklungs- und Reifungsprozessen eines Kindes wie auch über sein Potential innerhalb dieser Prozesse (Di Leo 1985). Über die Zeichnung teilen die Kinder mit, was sie fühlen und denken. Auch andere kreative Produktionen sind eine reiche Sprache, um Aspekte der persönlichen Wahrnehmung und Emotionalität zu zeigen, mit denen Kinder ihre Subjektivität entdecken. Der Einblick in die kindliche Innenwelt über Zeichnungen ist eine psychologische Vorgehensweise. Seit den 50er Jahren haben sich verschiedene Studien bemüht, mit diesem Medium mehr Einsichten über den Entwicklungsstand von Kindern zu erlangen (Machover 1953, Koppitz 1982).

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Relativ neu ist die Gewohnheit, Zeichnungen von Kindern zu analysieren, um deren Wahrnehmungen oder Lebensumstände zu erforschen. Panez (2004 ) realisierte in Peru eine wichtige Studie über die Rechte des Kindes. Sie untersuchte kreative Produktionen von 11’ 539 Kindern. Mit Hilfe ihrer Methodologie nahm sie Arbeiten von Kindern in ihre Untersuchung auf, die sich mit den Rechten von Kindern beschäftigten und gewann Einblicke in die Gedankenwelt - vor allem in Bezug auf soziale Themen - von Jungen und Mädchen der Küste, der Sierra und der Selva. Silva selbst (2008) analysierte auch in Peru Zeichnungen von 384 kindlichen und jugendlichen Arbeitern in Lima sowie in einer ländlichen Gegend von Ancash. Mit Hilfe von Interviews erforschte sie Gedanken und Gefühle der Beteiligten über ihre Arbeit. Das kindliche Spiel ist ein expressiver Akt, der zum Kinderleben gehört. González, Benavides und Montoya (2000) erwähnen drei Funktionen des Spiels: entspannend und erholsam, therapeutisch und bildend. Das Spiel erlaubt dem Kind, die Welt zu erforschen und zu verstehen. Im Spiel entwickelt sich seine Imagination, es findet Regeln und teilt sich über seine Sorgen und Gefühle mit. Das Spiel stärkt die Entwicklung des Kindes, indem es sich Fähigkeiten aneignet, um sich in seiner näheren und weiteren Umgebung zurecht zu finden, oder auch Stress-Situationen zu bewältigen. Kranken Kindern hilft das Spiel, Wege zu finden, ihre Krankheit und die dazugehörigen Behandlungen einzuordnen. Für Andrusiewicz (2008) ist das Spiel eine Art Zufluchtsort vor den Schwierigkeiten des kindlichen Daseins, denn es setzt das Kind in die Lage, Erfahrungen zu wiederholen und damit stückweise zu verarbeiten. Scheines (zitiert in Andrusiewicz 2008) sieht Spielen als Möglichkeit für das Kind, sich fragend, verstehend und akzeptierend in Beziehung zur Realität zu setzen. So erfüllt das Spiel eine therapeutische Rolle in den Konflikten der Spitalsituation. Giselle Silva Panez

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Andrusiewicz (2008) empfiehlt, dass das kranke Kind während seiner Hospitalisation das Spielen fortsetzen solle. Denn im Spiel erlaubt sich das Kind Imaginationen, in denen es seine Identität als krankes Kind zeitweise verlassen und sich in andere Figuren verwandeln kann, ohne die Realität zu verleugnen. Während das Kind spielt, erfindet es Regeln, entwickelt sein Vorstellungsvermögen und seine Intelligenz. Die Persönlichkeit wird durch das Spiel gestärkt, während das Kind sich auf eigene Weise mitteilt. Im besten Fall kann es sich von seinen Angstgefühlen befreien, indem es sich unkontrolliert einem Spielereignis hingibt. Im Spiel kann das Kind sich frei ausdrücken, seine Energien lenken und Spannungen abreagieren. Es kann im Spiel mit den Schwierigkeiten des Lebens eher umgehen und lebt seine Erfahrungen im Einklang mit seinen Bedürfnissen. Zweifellos stellt das Spiel einen therapeutischen Raum während der Hospitalisation dar. Gonzáles, Benavides und Montoya (2000) definieren das medizinische Spiel als dasjenige, welches den medizinischen Kontext im Zentrum hat und erlaubt, den Austausch der Rollen zwischen Kind und Pflegepersonal spielerisch zu gestalten. Diese Art Spiel befähigt das Kind, den Spitalaufenthalt erfolgreich zu bestehen. Sie unterscheiden vier verschiedene Formen dieses Spiels. • • •



Im Rollenspiele kann das Kind die Figur des Arztes oder einer anderen Pflegeperson annehmen und ist damit in der aktiven Position. Erfinden und Aufarbeiten: mit beliebigem Spielzeug erfindet das Kind medizinische Situationen. indirektes Spiel. Dabei spielt das Kind mit Rätseln, Erzählungen, Märchen, Liedern oder anderen Aktivitäten, die sich nicht direkt um medizinische Themen drehen, die jedoch Erleichterung und Trost bringen. Künstlerische Funktion: dabei erfindet das Kind Objekte, Puppen, Zeichnungen , Geschichten oder Fragen bezogen auf die Hospitalisation.

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Das Spiel ist wichtig für eine saludogene Entwicklung des Kindes. Von daher muss es seinen Platz im Spital fordern. Es kann auch dazu dienen, die Probleme eines Kindes besser zu verstehen und mit Empathie auf medizinische Interventionen zu reagieren bzw. die kleinen Patienten auf solche vorzubereiten.

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II. Methodologie

Diese Arbeit ist eine qualitative Studie mit einem multimethodalen Forschungsansatz (Dockett und Perry, 2005). Um die Erfahrungen der hospitalisierten Kinder und Jugendlichen untersuchen und verstehen zu können, wurden unterschiedliche Techniken angewandt, welche die Gegenüberstellung mehrerer Datenquellen ermöglichte. Es galt, die Daten der psychografischen Analyse von Zeichnungen aus den Jahren 2008 bis 2010 mit den Daten der Besuche in den Spitälern zu ergänzen. Wir wollten eine Aussage über das Erleben der Kinder und Jugendlichen formulieren und auch herausfinden, was diese für das Gesundheitspersonal, die Dozenten der Aula und die Eltern bedeuten. In den Zeichnungen erschienen Themen, die durch ihr regelmässiges Auftreten relevant wurden. Daraus konnten entsprechende Kategorien gebildet werden. Danach mussten wir eine Methode finden zur Datensammlung im Feld an vier Gesundheitszentren, in welchen es eine Aula gibt. Die besuchten Spitäler waren: • • • •

Hospital General Cayetano Heredia (Allgemeinspital Cayetano Heredia) in Lima. Pädiatrische Abteilung Hospital Reginal de Loreto (Regionalspital in Loreto). Pädiatrische Abteilung Hogar clínica San Juan de Dios (Spital San Juan de Dios) in Cusco. Pädiatrische Abteilung. Instituto Nacional de Enfermedades Neoplásicas- INEN (Nationales onkologisches Institut in Lima) Adoleszenten-Abteilung.

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Hier konnten wir uns mit den Situationen und Personen, die in den Zeichnungen dargestellt wurden, vertraut machen. Dazu führten wir Interviews durch mit Ärzten, Krankenschwestern, Pflegerinnen, Psychologinnen und Lehrpersonen in den Aulen sowie mit den Eltern. Wir beobachteten die Kinder und Jugendlichen beim Spiel und führten auch Interviews durch mit ihnen. Nach den Besuchen konnten die Zeichnungen mit vertieftem Verständnis gesichtet und die Daten von den Besuchen integriert werden. Der gewählte methodologische Ansatz ging von zwei sich ergänzenden Strategien aus. Zum einen fand die psychografische Analyse der Zeichnungen statt, welche die am Wettbewerb teilnehmenden jungen Patienten von 2008 bis 2010 vorlegten. Zum anderen machten wir Besuche in denjenigen Spitälern, an welchen Aulen eingerichtet waren, um diese kennenzulernen. Dieses Vorgehen brachte ein direktes Verständnis über die Bedeutung der Aulen für die teilnehmenden Kinder, das Spitalpersonal, die Eltern und Dozenten. In erster Linie stützte sich die Analyse auf den Inhalt der künstlerischen Produktionen der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen. Eine erste Sichtung erlaubte es, thematische Kategorien zu bilden, die durch ihr regelmässiges Auftreten relevant wurden und Auskunft gaben über die innere Welt der jungen Patienten. So ergaben sich bei der ersten Sichtung bestimmte Indikatoren, die auf speziell wichtige Themen hinwiesen und uns eine Orientierung ermöglichten. Daneben ergaben sich Kategorien, die auf qualitative Weise analysiert werden mussten. In zweiter Linie konstruierten wir Instrumente, um Daten zu sammeln und die Arbeit im Feld zu realisieren, d.h. in vier Gesundheitszentren, in denen Aulen eingerichtet sind. Es handelt sich um die oben erwähnten Spitäler. Die Besuche im Feld gaben uns die Möglichkeit, auf unmittelbare Weise die Angebote der Aulen kennenzulernen. Ausserdem konnten wir uns dadurch mit der jeweiligen Spitalumgebung vertraut

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machen und das Leben der kranken Kinder und Jugendlichen besser kennen lernen, das diese in ihren Zeichnungen dargestellt haben. Die Feldbesuche ermöglichten es ebenfalls, die vorgefundenen Indikatoren zu bestätigen und unsere untersuchten Themen in Beziehung zur Aula als relevant vorzufinden. Wir besuchten pädiatrische Abteilungen, interviewten Ärzte, Krankenschwestern, Pflegerinnen und Psychologen sowie Eltern von kranken Kindern. Es fanden Spielsitzungen statt und Interviews mit Kindern und Jugendlichen des INEN. Ebenfalls fanden Besuche in den Aulen statt und Interviews mit den dort zuständigen Dozenten. Nach den Besuchen kehrten wir zurück zu den Zeichnungen, um sie erneut im Lichte der ermittelten Daten zu lesen. Dieser zweite Blick auf die künstlerischen Produktionen ermöglichte eine grössere Tiefe, um die Lebensumstände der Jungen und Mädchen zu verstehen. Zudem systematisierten sich die bei den Besuchen im Feld gesammelten Informationen, was uns erlaubte, diese in ein Verständnis der Zeichnungen zu integrieren.

Wer nahm an der Studie teil? a. Im Zeitraum der Analyse der Zeichnungen In dieser Etappe der Studie nahmen Kinder und Jugendliche teil, von deren Zeichnungen wir 330 auswählten. Zum Zeitpunkt der Herstellung ihrer Produktionen waren die Patienten von 2008 bis 2010 hospitalisiert und zwischen drei und 18 Jahren alt.

Methodologie

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Tabelle 2.1.: Verteilung der Teilnehmer nach Alter Altersgruppen

Anzahl Zeichnungen

3- bis 5-jährig

21

6- bis 8-jährig

77

9- bis 11-jährig

85

12- bis 14-jährig

79

15- bis 18-jährig

60

Alter unbekannt

8

Total

330

151 Zeichnungen (46%) stammen von Mädchen, 179 (54%) von Knaben. Tabelle 2.2.: Geschlechtszugehörigkeit Geschlecht

Anzahl Zeichnungen

Weiblich

151

Männlich

179

Die kulturelle, soziale und sprachliche Situation der teilnehmenden Kinder ist verschieden. Es überwiegt jedoch diejenige Gruppe aus armen bis extrem armen Familien. Ein Teil der Kinder lebt in der gleichen Stadt, in der sich das Spital befindet, in dem sie sich aufhalten. Andere Patienten kommen aus Bezirken, die weit entfernt vom betreffenden Spital liegen, was zur Folge hat, dass die Familien kaum regelmässig Kontakt zu ihrem kranken Kind halten können.

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Die Zeiten der Hospitalisation aller teilnehmenden Kinder sind unterschiedlich, aber nicht als Daten verfügbar. Einige blieben nur wenige Tage im Spital, andere etliche Monate. Manche Kinder, aus verschiedenen Provinzen – vor allem in den Häusern Hogar Clínica San Juan de Dios - müssen sich mehrere Jahre im Spital aufhalten, weil sie eine lebenslange Behinderung haben oder weil sich die Familie nicht um eine Betreuung des Kindes kümmern kann. Die Zeichnungen stammen aus den Aulen von acht Spitälern oder Instituten im nationalen Gebiet, angesiedelt in sechs Provinzen: Arequipa, Cusco, Chiclayo, Huancayo, Lima und Loreto.

Methodologie

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Tabelle 2.3.: Verteilung der Zeichnungen pro Aula Provinz

Spital

Anzahl

Arequipa

Hogar Clínica San Juan de Dios

40

Chiclayo

Hogar Clínica San Juan de Dios

10

Cusco

Hogar Clínica San Juan de Dios

36

Lima

Hogar Clínica San Juan de Dios

18

Iquitos

Hospital Regional de Loreto

18

Huancayo

Hospital Daniel Alcides Carrión

19

Huancayo

Hospital El Carmen

19

Lima

Instituto de Salud del Niño (Traumatología)

55

Lima

Instituto de Salud del Niño (Quemados)

22

Lima

Hospital María Auxiliadora

12

Lima

Hospital Cayetano Heredia

22

Lima

Instituto Nacional de Enfermedades Neoplásicas (Neutropenia)

13

Lima

Instituto Nacional de Enfermedades Neoplásicas (Pediatría)

4

Lima

Instituto Nacional de Enfermedades Neoplásicas (Adolescentes)

28

Otros

Dibujos sin identificación al momento de su análisis

14

Total

330

Es handelt sich um verschiedene Spitäler im Hinblick auf Bevölkerungsschicht und Pathologie. Im INEN werden onkologische Patienten behandelt und die Nähe zum Tod ist hier spürbar. In der Klinik San Juan de Dios werden an Cerebralparese leidende Kinder betreut, die über Monate oder Jahre hospitalisiert bleiben. Im Allgemeinspital von Loreto werden vor allem Akutfälle aufgenommen und auch solche Kinder behandelt, die an der für diese Region typischen Krankheit des Dengue-Fiebers leiden.

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Es ist wichtig zu sehen, dass die Realität jedes Spitals verschieden ist. Es handelt sich um unterschiedliche Bevölkerungsgruppen hinsichtlich der Pathologie. Die Herkunft der Kinder ist verschieden, die Art und Weise, wie ihnen Aufmerksamkeit entgegen gebracht wird sowie die Räumlichkeiten. Einige Spitäler (INEN, ISN, Maria Auxiliadora, Cayetano Heredia) sind national und empfangen Patienten aus dem ganzen Land, wenn deren Leiden nicht an den lokalen Gesundheitszentren behandelt werden können. Andere sind regional (Allgemeinspital Loreto) und nehmen die Kinder der Region auf, sowohl aus Städten wie aus ländlichen Gebieten. Dann gibt es die Hogar Clínica San Juan de Dios, welche Kinder mit neurologischen Schädigungen, die eine Behinderung zur Folge haben, aufnehmen. Im allgemeinen sind diese Kinder lange Zeit hospitalisiert und daher hat das Spital den Charakter eines „Hafens“ oder „Heimes“. Das Instituto Nacional de Enfermedades Neoplásicas-INEN (Nationales Institut für onkologische Erkrankungen) ist ein auf Krebskrankheiten spezialisiertes Zentrum. Das INEN empfängt Patienten aus ganz Peru und bietet als Betreuerpersonen einen organisierten Stab von Freiwilligen, die intensive Arbeit mit den Patienten leisten und eine ergänzende Rolle zum professionellen Gesundheitspersonal spielen.

b. Während der Spitalbesuche Wie erwähnt, nahmen auch aktuell hospitalisierte Kinder und Jugendliche an der Studie teil sowie Eltern und Spitalpersonal der vier besuchten Spitäler. Es folgt eine Tabelle der Anzahl Teilnehmer bei den Besuchen im Feld.

Methodologie

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Tabelle 2.4. Teilnehmer bei den Spitalbesuchen Spital

Kinder und Jugendliche

Alter

Eltern

Cayetano Heredia, Lima

Personal

4

Regional, Loreto

8

San Juan de Dios, Cusco

6

INEN, Lima

3

6-11

16-17

8

Lehrer 1

5*

1

3**

2

2***

1

* Ein Arzt, drei Krankenschwestern und eine Pflegerin ** Eine Ärztin, eine Krankenschwester, eine Psychologin *** Zwei Krankenschwestern

Diesen Teilnehmenden zeigte man besondere Techniken, um relevante Informationen darüber zu erhalten, wie die Kinder die Hospitalisation erleben und welche Rolle die Aula darin spielt.

Techniken und Instrumente für die Datensammlung a. Etappe der Analyse der Zeichnungen Die wichtigste Technik war die psychografische Analyse. Zunächst fand eine erste Durchsicht der Zeichnungen statt, um Wiederholungen und vorherrschende Themen zu beobachten. Danach bestimmten wir einige Indikatoren und Kategorien, um die Daten der Zeichnungen qualitativ und quantitativ zu systematisieren. Die Kategorien der psychografischen Analyse waren: Giselle Silva Panez

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Tabelle 2.5.: Quantifizierte Kategorien der psychografischen Analyse:

Kategorie

Definition

1. Am meisten repräsentierte Ranking von Häufigkeit des Erscheinens von Zeichnungen, die eines Rechte der 10 Rechte repräsentieren 2. In der Zeichnung repräsentiertes Erleben

Die Gesamtheit der Merkmale, die eine emotionale Situation zeigen, sei sie positiv oder negativ

3. Art der Beziehung zwischen Kind/ Jugendlichem und Erwachsenen

Art der Beziehung zu einem Erwachsenen, positiv oder negativ

4. Der am meisten repräsentierte Erwachsene

Ranking von Häufigkeit des Erscheinens einer erwachsenen Person, positiv oder negativ

5. Merkmale von Unsicherheit, Furcht und Angst

Detaillierter Boden, Neigung der Personen um mehr als 15 Grad, verdoppelte und fragmentierte Linien

6. Die am meisten repräsentierte Szene

Ranking der Häufigkeit des Erscheinens von Orten

7. Resilienzmerkmale

Position der Figuren (aufrecht, sitzend, liegend), Darstellung von manifester Krankheit, Darstellung von Lächeln und optimistischer Haltung

Die quantitative Analyse der ausgewählten Variablen wurde verbunden mit den Daten der Feldbesuche. Dies erlaubte es, qualitative Kategorien zu bilden, aus welcher die Resultate und deren Interpretation abgeleitet werden konnten.

Methodologie

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Tabelle 2.6.: Kategorien der qualitativen Analyse 1. Notwendigkeit von Zärtlichkeit, Pflege und Aufmerksamkeit 2. Das Recht auf Anerkennung der eigenen Bedürfnisse und damit des Ichs 3. Das Recht, beim Namen genannt zu werden als Fundament der Identität 4. Furcht, Angst und Unsicherheit während der Hospitalisation 5. Die Beziehung des Kindes zu seinem Schmerz 6. Das Recht auf die Begleitung durch seine Eltern während der Hospitalisation 7. Resilienz im Spital: Die Stärke und der Impuls zu leben, nach Spiel und Bewegung 8. Die Erfahrungen der hospitalisierten Kinder in den Aulen

b. Etappe der Feldbesuche Für die Besuche in den Spitälern benutzten wir Techniken aus der Psychologie und aus anthropologischen Untersuchungen. Es fanden ethnografische Beobachtungen der Aulen und der Schulstunden statt. Durch unsere Besuche lernten wir die Pavillons des Spitals und andere Einrichtungen kennen. Wir beschäftigten uns mit den jungen Patienten, ihren Eltern und dem Spitalpersonal in Interviews. Mit ausgewählten Kindern wurden diagnostische Spielsitzungen durchgeführt. Dafür konstruierten wir spezielle Anleitungen, die dazu dienten, möglichst differenzierte Informationen zu sammeln. Die Interviews wurden mit Einverständnis der Teilnehmer durchgeführt. Die Spielsitzungen mit den Kindern wurden gefilmt, um sie später mit grösserer Zuverlässigkeit analysieren zu können. Parallel dazu fotografierten wir diese Sitzungen auch, unter Berücksichtigung der Intimität der spielerischen Aktionen, d.h. die Kinder wurden nicht darin gestört oder unterbrochen.

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In der folgenden Tabelle zeigen wir die Techniken, welche in jedem der besuchten Spitäler angewandt wurden: Tabelle 2.7.: Angewandte Techniken bei den Feldbesuchen Spital

Beobachtung in der Aula

Spielsituation mit den Kindern

EinzelInterview mit Kindern

Cayetano Heredia, Lima



Regionalspital, Loreto







San Juan de Dios, Cusco







INEN, Lima



EinzelInterview mit Jugendlichen



GruppenInterview mit Eltern

Interview mit einem Lehrer

Interview mit einem Mitarbeiter



















Methodologie

III. Resultate Der Studie

Die Analyse der Zeichnungen und die Sammlung der Daten führten zu quantitativen und qualitativen Resultaten, die sich folgendermassen zeigen.

Quantitative Resultate Das Recht 1 war mit 21.5 % das meistgewählte der Kinder. Über dieses Recht drücken die Kinder die Bitte nach Wahrnehmung und Anerkennung ihrer Person als menschlich differenziertes Wesen aus. Die jungen Patienten möchten mit ihrem Namen und nicht über die Nummer des Bettes oder einem Spitznamen angesprochen werden. Das Recht 1 zeigt auch die Bitte nach Freundlichkeit, Fürsorge und Aufmerksamkeit. Die Kinder bitten um Liebe, ihr wichtigstes „Nahrungsmittel“, denn angesichts der Umstände fühlen sie sich hilflos und brauchen Zuwendung. Ebenfalls häufig gewählte Rechte waren 5 und 10, die beide mit Spiel verknüpft sind. 33% der Kinder nehmen Bezug auf das Recht zur Zerstreuung, zum Lernen und auf Zugang zu Spielmaterial. Ebenfalls bitten 10,5% der Mädchen und Jungen darum, mehr über ihre Krankheit zu erfahren. Sie möchten in einfacher Sprache ihr Leiden, die Gründe und den Verlauf ihrer Krankheit vermittelt bekommen, um Angst und Ungewissheit zu beruhigen.

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Das Recht 3 ist in 8,3% der Zeichnungen repräsentiert und weist auf grundlegende körperliche Bedürfnisse hin: die Kinder möchten sauber und gepflegt sein, um sich behaglich zu fühlen. Damit anerkennen sie, dass sie von Drittpersonen abhängig sind. Das Recht 2 ist verbunden damit, die Namen des Pflegepersonals zu kennen. 7,7% der Kinder möchten wissen, wer mit ihrer Pflege und Behandlung beauftragt ist und von wem ihre Gesundheit abhängt. Die Rechte 4 und 6 folgen in der Reihenfolge der Repräsentation. Diese beziehen sich zum einen auf die Stundenpläne der Kinder und den Wunsch nach einer Begleitung durch die Eltern. Zum anderen wünschen sich die Kinder, dass die Erwachsenen Ausdruck ihrer Gefühle wie Trauer und Schmerz angesichts der Situation wahrnehmen und zulassen. Dazu gehört auch der Wunsch, Behandlungen zurückzuweisen, die nicht unbedingt nötig sind für die Heilung. 7,1 % der Kinder verlangt die Anwesenheit der Eltern und möchte, dass die kindlichen Bedürfnisse wichtiger sind als die der Erwachsenen. Die Kinder fordern Tagesabläufe, in denen sie ohne Unterbrechung schlafen, spielen oder lernen können. 7,1 % möchten als Person wahrgenommen werden und die Erlaubnis haben, ihren Schmerz auszudrücken, weil das in ihrer Situation normal ist. In 3,7% der Zeichnungen wird das Recht 9 repräsentiert, das den Wunsch zeigt, als menschliches Wesen mit Bedürfnissen wahrgenommen zu werden, um sich wohl zu fühlen. Zuletzt weist das Recht 8, in 1,4% der Zeichnungen repräsentiert, auf die Notwendigkeit hin, als menschliches Wesen mit Gefühlen anerkannt zu werden und das Recht zu haben, auf die Umgebung empfindsam zu reagieren. Dazu gehört vor allem die Forderung, dass die Erwachsenen nicht über die Kinder in deren Anwesenheit reden wie über einen Gegenstand.

Resultate der Studie

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Tabelle 3.1.: Rechte des hospitalisierten Kindes nach Prozenthöhe der Wahl durch die Kinder Zahl

Recht

%

Dem Recht zugrundeliegende Bedürfnisse

1

Sie sollen mich beim Namen rufen, mich anlachen und umsorgen, mir Aufmerksamkeit schenken

21,5

Zuneigung, Aufmerksamkeit, Fürsorge

5

Erlaubnis, mich zu bewegen, zu spielen und zu lernen, wenn das die Qualität meiner Pflege nicht stört

17,9

Spiel, Bewegung, Lernen

10

Vorhandensein von Spielzeugen, Büchern, audiovisuellen Mitteln, meinem Alter angepasst

14,8

Spielen, Lernen und Kommunikation

7

Recht auf Erklärungen darüber, was mit mir geschieht und Beantwortung meiner Fragen in Worten, die ich verstehe, damit meine Angst vermindert wird.

10,5

Angst und Unsicherheit beruhigen

3

Recht auf Wahrnehmen der Grundbedürfnisse wie Sauber- und Gepflegtsein, Wohlbehagen, Freisein von Ängsten

8,3

Angemessenes Beachten Grundbedürfnisse

2

Recht, die Namen der Ärzte und Pflegepersonen zu kennen

7,7

Persönliche Betreuung (nicht Patient oder Nummer)

4

Ich möchte meinen Stundenplan am Tag möglichst normal eingeteilt wissen: für die Pflege, den Schlaf ohne Unterbrechung, Ausruhen, Spielen, Lernen und dass ich soweit wie möglich von meinen Eltern begleitet werde

7,1

Begleitung der Eltern, Bedürfnisse der Erwachsenen sollen nicht Vorrang haben

Giselle Silva Panez

der

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Zahl

Recht

%

Dem Recht zugrundeliegende Bedürfnisse

6

Ich möchte, dass es mir erlaubt ist, zu weinen und meine Gefühle auszudrücken, die mit der Krankheit verbunden sind. Dazu gehört, dass ich als individuelle Person anerkannt werde und nicht nur Untersuchungsobjekt bin für Therapie und Pflege.

7,1

Ausdruck und Beziehung zum Schmerz, als Person wahrgenommen werden

9

Ich möchte einen Stundenplan und eine Struktur für die Untersuchungen und Behandlungen, weil mir das hilft, nicht unnötig mit Furcht, Hunger oder Durst allein zu sein.

3,7

Als Person mit Bedürfnissen wahrgenommen werden

8

Man soll am Bett, im Zimmer nicht über mich reden, als ob ich nicht existieren würde, draussen im Gang nicht, ohne dass ich etwas davon weiss.

1,4

Als Person mit Gefühlen wahrgenommen werden

Am häufigsten dargestellt nach Alter (statt Kategorie Alter) Eingeteilt in Altersgruppen finden sich keine signifikanten Unterschiede in der Repräsentation der Rechte. Das Recht 1, das Bedürfnis nach Anerkennung, Fürsorge und Aufmerksamkeit, ist in jedem Alter vorhanden, ausgenommen bei den Dreijährigen. In diesem Alter gibt es nur eine Zeichnung und das darin gezeigte Recht hat zu tun mit dem Recht auf Spiel, was diesem Alter angemessen ist. In den übrigen Spitälern unterscheidet sich die Wahl der Rechte nicht signifikant.

Resultate der Studie

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Das Recht 5 ist verbunden mit der Notwendigkeit zu spielen, von Betriebsamkeit umgeben zu sein und zu lernen. Dieses Recht ist in allen Altersgruppen als Wunsch vorhanden, weniger in den Zeichnungen der Jugendlichen im Alter von 18, die aufgrund ihrer Entwicklung andere Bedürfnisse haben. Das Recht 10 ist die Notwendigkeit, mit Spielzeug, Büchern und audiovisuellen Geräten ausgestattet zu sein, und es erscheint bei 5 – 17-jährigen Kindern. Das Recht 7, das sich mit der Aufklärung über die Krankheit befasst, wird von Kindern ab 6 Jahren genannt.

Am häufigsten dargestellt nach Geschlecht Bezogen auf das Geschlecht existieren ebenfalls keine Unterschiede in der Repräsentation der Rechte. Von insgesamt 151 Mädchen und 179 Jungen kommt das meist gewählte Recht 1 bei beiden Geschlechtern vor.

Am häufigsten dargestellt nach Spital In den Spitälern der Hogar Clínica San Juan de Dios ist das Recht 5 das meist repräsentierte der Patienten/ Schüler und dreht sich um das Bedürfnis nach Spiel und freiem Ausdruck. Die Krankheit, welche die Bewegungsfreiheit des Körpers einschränkt, spiegelt das Bedürfnis nach Motorik und spielerischer Aktivität. Im Regionalspital von Loreto ist das Recht 1, das Bedürfnis wahrgenommen und umsorgt zu werden, das meist repräsentierte. Auch im INEN sind die häufigsten von den Jugendlichen dargestellten Rechte 1 und 10, die zu tun haben mit Anerkennung, Fürsorge und Spiel. In den übrigen Spitälern unterscheidet sich die Wahl der Rechte nicht signifikant. Giselle Silva Panez

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Qualitative Resultate Die qualitative Analyse der 330 Zeichnungen, realisiert von hospitalisierten Kindern zwischen 2008 und 2010 sowie der Besuche im Feld, gab Anlass, eine Vielzahl von Themen zu behandeln, die mit den Lebensumständen der Teilnehmenden zu tun haben. Dies wird im Folgenden präsentiert.

a. Hospitalisierte Kinder und Jugendliche: einige soziale, kulturelle und sprachliche Besonderheiten Die sozioökonomische Situation ist wie die Herkunft der hospitalisierten Kinder unterschiedlich. Dennoch kommen die meisten aus derjenigen Bevölkerungsschicht, welche in extremer Armut lebt. Einige der betroffenen Familien wohnen in der gleichen Stadt, in der sich das Spital befindet. Andere kommen aus entfernten Provinzen. Vor allem in den Regionalspitälern (Iquitos und Cusco) sind die meisten Familien aus ländlichen Gebieten, was ein Problem für den regelmässigen Kontakt zu ihrem kranken Kind darstellt. Das erste auffallende Thema war der Zusammenhang zwischen Herkunft, sozioökonomischem Status und der Art der Krankheit, an der die Kinder leiden. Nicht selten fanden wir solche, die aufgrund eines Arbeitsunfalls ins Spital kamen. Für diese Kinder, die unter harten Lebensbedingungen ihr Dasein bestreiten, bedeutet das Hospital nicht nur ein Ort der Erholung von der aktuellen Erkrankung, sondern auch von ihren körperlichen und seelischen Anstrengungen, denen sie täglich unterworfen sind. „Mir gefällt die Aula, weil ich mich hier nicht langweile, ich kann mich unterhalten, alles gefällt mir. Ich lerne über Kommunikation und Kunst. Meine Lehrerin mag mich, sie ist lieb und fröhlich. Ich würde dieses Spital noch grösser bauen und mehr Computer hineinstellen“ (Kinderarbeiter, 11-jähriger Junge, RegionalSpital Loreto).

Resultate der Studie

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Es ist nicht ungewöhnlich, Kinderpatienten aus randständigen, armen Familien mit häuslicher Gewalt zu finden, verletzt durch Schläge und andere physische Misshandlungen. „Sie traktierten mich mit Nägeln und Gips, meine Mutter trat mich mit Füssen. Das Spital gefällt mir nicht. Ich habe nicht gern, wenn ich blute und wenn ich Schmerzen habe. Mein Doktor ist gut, Dr. Rajez. Die Krankenschwestern sind auch gut. Meine Tante und mein Vater besuchen mich, aber meine Mutter kommt nicht“ (Mädchen, 8 –jährig, Hospital de Loreto).

Kulturelle Herkunft und sozioökonomischer Status der Kinder prägen ihre Reaktionen auf die Hospitalisationserfahrung. Diese Faktoren beeinflussen ihr Verhalten: wie viel sie über ihre Krankheit wissen wollen, wie viel Recht sie sich einräumen, sich zu äussern und etwas zu erbitten. Die Herkunft prägt auch die Fähigkeiten der jungen Patienten, ihre Gefühle auszudrücken. Krankenschwestern und Pflegerinnen achten und reagieren darauf: „Die Kleinen fragen nichts über ihre Krankheit, die Grösseren schon. Aber es hängt auch von ihrer sozioökonomischen Herkunft ab. Diejenigen von der Küste sind einsilbig und ängstlich, sie trauen sich nicht, etwas zu fragen“ (Krankenschwester Hospital Regional de Loreto).

Häufigkeit und Möglichkeit sich mitzuteilen haben mit der sprachlichen Realität zu tun. Die Mehrheit der Patienten ist monolingual. Nicht wenige von ihnen kommen ins Spital und sprechen kein Spanisch, sondern Quechua oder andere native Sprachen (Iquitos). Solche Kinder lernen im Spital erst Spanisch. Dieser Umstand erzeugt, neben allem anderen Unbekannten, im Kind eine Spannung und verlangt einen hohen Grad an Anpassung, sich auf eine neue Sprache einzulassen. “Ein indigener Junge lernte den Computer zu bedienen, sogar Spanisch lernte er. Am Schluss seines Aufenthaltes wollte er nicht mehr aus dem Spital weggehen und weinte, als er entlassen wurde“ (Krankenschwester, Hospital Regional von Loreto).

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Im Hinblick auf die extreme Armut vieler Patienten ist es wichtig, den Gegensatz zwischen den Voraussetzungen im Spital und denen der Herkunft zu sehen, die gekennzeichnet ist durch Randständigkeit und extreme Mangelsituationen. Eine Dozentin berichtet, dass verschiedene Kinder im Spital erstmals Rückhalt und Annehmlichkeiten finden, zu denen sie bisher keinen Zugang hatten. „Sie zeichnen, spielen Nintendo oder sehen Fernsehen – von diesen Dingen haben sie manchmal nichts in ihrem Zuhause. Die Mehrheit von ihnen kommt aus der Provinz. Hier entdecken sie neue Mittel, wie z.B. Musik und Television. Diese neuen Erfahrungen gestalten sie in ihren Zeichnungen“( Lehrerin von AFTH).

In der folgenden Zeichnung können wir die Wichtigkeit der verschiedenen technologischen Bildungsangebote und des Spielmaterials sehen.

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Carlos, 11, CAH 011, 2009

„Dass ich meinem Alter angepasste Spiele, Bücher und audiovisuelle Mittel benutzen kann“.

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Für viele der kleinen Patienten ist das Erlebnis, drei Mahlzeiten täglich zu erhalten, regelmässig gepflegt und umsorgt zu werden, ein eigenes Bett, einen TV und Spielzeug zu haben, etwas Neues. Sie gewöhnen sich schnell daran und vermissen diese Umgebung, wenn sie in ihr Zuhause zurückkehren. Häufig haben wir beobachtet, vor allem in San Juan de Dios, dass diejenigen Kinder, die ein ganzes Jahr im Spital bleiben müssen, von ihren Familien selten besucht werden, weil diese nicht die finanziellen Mittel für eine Reise haben. Dies sahen wir vor allem bei Patienten mit cerebraler Bewegungsstörung und anderen neurologischen Leiden. Die meisten dieser Kinder, die ins Spital zur Erholung kamen und dort neue Fähigkeiten entwickelten, verlieren diese allerdings wieder. Nach Hause zurück gekehrt haben sie keine Voraussetzungen, das Gelernte anzuwenden und zu erhalten.

b. „Ich habe das Recht, dass man mich gern hat!“ Das Bedürfnis nach Zuneigung, Fürsorge und Aufmerksamkeit Gefühle zeigen zu dürfen, ist für jedes menschliche Wesen fundamental, unabhängig von den primären biologischen Bedürfnissen. Der amerikanische Psychologe Harry Harlow zeigte vor mehr als 50 Jahren an seinem klassisches Experiment mit Primaten, dass es für die ganzheitliche Gesundheit des neugeborenen Affenbabys unentbehrlich ist, nicht nur Ernährung, sondern auch kontinuierliche Zuwendung der mütterlichen Bezugsperson zu erhalten1. Wenn man von Zuneigung und Affekten zwischen den Personen spricht, stellt man die menschliche Bindung in den Vordergrund. Die hospitalisierten Kinder drücken ihr Verlangen nach Zuneigung aus, weil diese menschliche Fähigkeit etwas Fundamentales für den Einzelnen bedeutet.

1.

Zu sehen auf http//www.youtube.com/watch?v:gleichfg9QeA4fjs Resultate der Studie

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Für die Jungen und Mädchen ist Zuneigung, ausgedrückt in adäquater Fürsorge und Freundlichkeit, lebenswichtig. In den untersuchten Zeichnungen werden die Beziehungen zwischen Kindern und Erwachsenen im Hospital im allgemeinen positiv erlebt (79%). Sehen wir, wie Yesenia, 8-jährig, in ihrer Zeichnung auf eine spontane und direkte Art ausdrückt. Yesenia, 8, C , CAH 083, 2009

“Ich habe ein Recht darauf, geliebt zu werden!“

Giselle Silva Panez

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Auf die gleiche Art, drückt sich der neunjährige Julber aus, der sich angesichts der komplexen Umgebung des Hospitals verletzlich und klein fühlt. Er bittet den Doktor, ihn vorsichtig zu behandeln. Julber, 9, CAH 097, 2010

„- Junge, ich werde Dich jetzt behandeln - Doktor, aber bitte vorsichtig“ Das Bedürfnis nach Zuneigung ist nicht eine Frage des Alters. Gut behandelt zu werden, bedeutet nicht nur genährt und gepflegt zu werden, sondern auch Emotionen auszutauschen. Dies erscheint der 6-jährigen Hillari wichtig, denn sie zeigt dafür grosse Dankbarkeit. Resultate der Studie

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Hillari, 6, CAH 119, 2010

„Meine Ärztin schenkt mir Zuneigung Die Schwester schenkt mir Milch Ich, Patientin Hillari, bedanke mich dafür“

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Die Dankbarkeit ist die Antwort darauf, von einer Person geschätzt und anerkannt zu werden, die dem Kind Hilfe bietet. Der Ausdruck der kindlichen Dankbarkeit zeigt der anderen Person, wie wichtig die Hilfeleistung ist und wie sehr sie geschätzt wird. Das Kind fühlt sich dadurch geliebt und anerkannt. Mit seiner Dankbarkeit zeigt es, dass es fähig ist, auch den anderen Menschen zu schätzen. Insofern ist es ein Austausch von Gefühlen. Angesichts ihres Zustandes während der Hospitalisation fühlen sich die Kinder ausgeliefert und verletzlich und bitten um Zuneigung und um Fürsorge. Sobald sie mit Empathie behandelt werden, begegnen sie der Situation im Spital mit Optimismus. Die Liebe, ausgedrückt durch bedingungslose Akzeptanz, wurde von Stefan Vanistandael (1996) als wichtigster Faktor der Resilienz bezeichnet, vor allem in den Fällen, in denen das Unglück der Krankheit sich als Teil einer allgemein desolaten Lebenssituation zeigt. Boris Cyrulnik, in El amor que nos cura (2007)2 zeigt ebenfalls auf, dass diese emotionale Kraft Menschen mit tiefen Verletzungen und traumatischen Erfahrungen ins Leben zurück bringen kann. Es ist die Fähigkeit zur Selbstheilung, die angesichts des psychischen und moralischen Leidens wesentlich ist. Die durch verschiedene Umstände verletzten Kinder und Jugendlichen können den Sinn ihrer Schmerzen dank einer empathischen Beziehung mit dem Pflegepersonal besser einordnen. Die Erfahrung von heilender Zuwendung lässt sie ihre emotionalen Fähigkeiten wieder entdecken, die ihnen helfen, das Trauma zu überwinden. Im Spital richten die Kinder und Jugendlichen ihre Bitte um Zuwendung an das Gesundheitspersonal. In mehr als der Hälfte der Zeichnungen (61%) sind Krankenschwestern, Ärzte und Pflegerinnen oder Spezialisten abgebildet. Das Kind erwartet von diesen Menschen nicht nur, dass sie sich um seine Heilung kümmern, sondern möchte ihre Zuneigung. Lizbeth drückt es auf ihre Art aus, wenn sie einen Doktor zeichnet, der ihr sagt, er wird ¨ihren Gips mit Gefühl und Zuneigung wegnehmen. Dafür bedankt sie sich. 2 Auf Deutsch: Cyrulnik, Boris (2006) Warum die Liebe Wunden heilt. Beltz GmbH, Julius Resultate der Studie

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Lizbeth, 8, CAH 096, 2009

„-Ich werde Dir den Gips liebevoll abnehmen und wenn du eine Verletzung hast, werde ich sie fürsorglich heilen -Danke, Dr. C, dass du mich so gut umsorgst und gern hast“ Die durch das Kind geforderte Zuwendung festigt die Bindung mit den dort arbeitenden Erwachsenen und dem Hospital. Aus der Sicht des Kindes ist diese Bindung nicht vorübergehend, sondern wird über Giselle Silva Panez

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die unmittelbare Pflegezeit hinausgehen und als gute Erinnerung bleiben. Die neunjährige Lizeth sagt ihrer liebevollen Pflegerin, dass sie diese vermissen werde, wenn sie das Spital verlasse. Damit zeigt das Kind, dass es eine Beziehung erlebt hat. Die Zeichnung zeigt zwei Katzen im TV, womit die Zartheit und Warmherzigkeit im Austausch zwischen Pflegerin und Kind dargestellt wird. Lizeth, 9, CAH, 100, 2010

„- Lizbeth, ich mag Dich sehr, und wenn Du gehst, werde ich Dich vermissen Ich dich auch, Señorita“ Resultate der Studie

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Verschiedene Kinder zeigen, wie sehr sie die Erwachsenen als Quelle von Unterstützung und Hilfe erleben. So sagt Jarib in seiner Zeichnung: eine liebenswürdige und hilfsbereite Krankenschwester. Auch Evelyn, 13-jährig, malt einen grossen Doktor, der ihr im Detail Aspekte ihrer Krankheit erläutert. Und die 10-jährige Judith zeichnet ebenfalls eine grosse Ärztin, die sie nicht nur nach ihrem Befinden fragt, sondern ihr auch eine Puppe schenkt. Jarib, 9, CAH 023, 2010

„- Hallo Jarib! kann ich Dir helfen ? - Ja, bitte. Danke Schwester Elena!“ Giselle Silva Panez

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Evelyn, 13, CAH 095, 2008

„- Evelyn, heute werden wir Dich operieren, wir werden Nägel an Deinem Bein anbringen müssen, damit ein neuer Knochen wächst und Du besser laufen kannst Du wirst keine Schmerzen haben2 - Doktor Agosto, danke, dass Sie mir das erklärt haben“

Resultate der Studie

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Judith, 10, CAH 091, 2008

„- Hallo Doktor Daniela - Hallo Judith, wie geht es Dir? Ich gebe Dir diese Puppe - Gut, danke“

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c. „Hör mir zu...!“ Das Recht auf Anerkennung der eigenen Bedürfnisse – und damit der Person Alle Menschen brauchen es, von den Personen gesehen und gehört zu werden, mit denen sie eine Bindung aufbauen. Jeder von uns möchte mit seinen verschiedenen Bedürfnissen anerkannt werden, und zwar nicht nur, um diese zu befriedigen. Denn in seinen Wünschen und Nöten erkannt zu werden, befriedigt ein tiefes emotionales Verlangen. Jemand zu sein und für jemand anderen wichtig zu sein ist grundlegend für die Identitätsbildung und das sich entwickelnde Selbstbewusstsein. Im Gegensatz zum vorherigen Absatz , in dem die Kinder positive Erlebnisse mit dem Gesundheitspersonal darstellen, sehen wir in der Folge, dass die emotionalen Bedürfnisse auch häufig nicht befriedigt werde (21%). Manuel, ein hospitalisierter Jugendlicher zeigt in seiner Zeichnung, wie sehr er schreien muss, um gehört zu werden. Sein Bedürfnis, aufs WC zu gehen, muss er laut äussern, damit die Schwester ihn hört und seiner gewahr wird. Die ablehnende Antwort der Krankenschwester negiert nicht nur das körperliche Bedürfnis des Jugendlichen, sondern er fühlt sich auch im Stich gelassen und unverstanden.

Resultate der Studie

70 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

Manuel, 14, CAH 091, 2009,

„- Hör mich..! - Ich bin beschäftigt! - Schwester, ich möchte aufs WC!“

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In etlichen Zeichnungen wird deutlich, dass häufig die Bedürfnisse der Erwachsenen an erster Stelle stehen und wenig auf diejenigen der Kinder eingegangen wird. Die Kinder erleben einen Wettbewerb zwischen den Interessen der Erwachsenen und ihren eigenen. Miriam z.B. zeigt einen Doktor, der sie weckt, ohne Rücksicht auf ihren Schlaf zu nehmen. Er tut dies, weil er sich am folgenden Tag um persönliche Angelegenheiten kümmern will und zu wenig Zeit hat. Miriam, 16, CAH 099, 2009

„-Jetzt werde ich dich behandeln -Aber ich bin sehr müde -Und meine Behandlungen sind morgen -Morgen kann ich nicht, ich bekomme Besuch von meiner Familie“ Resultate der Studie

72 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

Einige Kinder kommentieren in ihren Zeichnungen, wie wenig Beachtung ihnen die Erwachsenen im Spitalbetrieb schenken. In der Zeichnung der 10-jährigen Angie reagiert die Schwester nicht darauf , dass das Kind hungrig ist. Sie missachtet nicht nur das biologische Grundbedürfnis des Kindes, sondern antwortet obendrein auf feindselige Art, indem sie das geäusserte Bedürfnis als Störung wahrnimmt. Angie, 10, CAH 064, 2009

„- Hallo Pflegerin, ich habe grossen Hunger - Stör mich nicht, ich bin beschäftigt“ Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 73

Oft hat es den Anschein, als seien die kranken Kinder zu wenig wichtig für das Personal. In einigen Fällen zeigt der junge Patient, wie sehr er sich der Pflege der Schwester ausgeliefert fühlt So zeigt es Yaneli, 7-jährig in ihrer Zeichnung: Yaneli, 7, CAH 110, 2010

„- Señorita, geben Sie mir bitte den Topf -Mädchen, verzweifle nicht, warte einen Moment bis ich mich um Dich kümmern kann - Aber ich habe schon Pipi gemacht“

Resultate der Studie

74 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

Die 15-jährige Malena zeigt eine Situation, in der sie wie ein medizinisches Studienobjekt behandelt wird, ohne dass ihre Schmerzen ernst genommen werden. In der Zeichnung erscheint der Arzt lächelnd, aber mit einem Ausdruck von Ärger auf die Patientin, was eine affektive Dissonanz offenbart. Malena, 15, CAH-050, 2010

„Mädchen, ich muss Dir Blut für die Untersuchung abnehmen -Nein, nein! Ich habe schon Blut für meine Operation gegeben und der Arm schmerzt mich“ Die Kinder suchen und fordern eine persönliche Behandlung und eine bessere Beziehung zu dem Gesundheitspersonal. Sie bitten darum, als menschliche Wesen wahrgenommen zu werden, die fähig sind, ihre Bedürfnisse auszudrücken.

Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 75

Carmen 18, CAH 105, 2010

„Decke mich bitte zu. Ich friere -Ich habe so viel zu tun!“ In einer grossen Anzahl von Zeichnungen weisen die kranken Kinder auf einen Mangel an Empathie hin, wenn nicht sogar auf Feindseligkeit von Seiten der Erwachsenen. Sie werden mit dem zeitweisen Mangel an Verständnis ihrer Bedürfnisse und Wünsche konfrontiert, was sich darin zeigt, dass die erwachsene Person keine Geduld hat, das Kind übergeht oder sich über dessen Wünsche beklagt. Dadurch fühlt sich das Kind zurückgestossen und ausgeliefert. Obendrein kümmert sich aus der Sicht einiger Kinder das Personal zu wenig um das Recht der Patienten, erhellende Auskünfte über ihren Krankheitszustand zu erhalten. Resultate der Studie

76 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

In einem Fall sehen wir als Antwort in der Zeichnung eines Kindes die Furcht vor den Injektionen, die hier wie Raketen wirken. Der Arzt erscheint dabei als Figur, die den Jungen versucht zu beruhigen, indem er sein Vorhaben bagatellisiert, ohne dem Kind seine Angst vor den Spritzen zu nehmen. Amílcar, 10, CAH 084, 2010

„- Siehst Du, es war gar nichts Besonderes! - Buuuh, buh – ich will nicht“.

Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 77

Das medizinische Personal ist im Spitalleben des kranken Kindes von zentraler Bedeutung. In den Zeichnungen erscheint der Arzt in 59% der Fälle. Man beobachtet grosse, kleine, distanzierte, nahe, drohende oder freundliche Figuren. Viele Kinder zeichnen sie auch ausserhalb des Spitals, im Park spielend mit den Kindern wie bei Marden. Marden, 14, CAH-006, ohne Jahresangabe

„- Doktor Sanchez, wollen Sie mit mir Tennis spielen? - Klar, mein Sohn, gehen wir Tennis spielen!“

Resultate der Studie

78 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

Die Ärzte sind im allgemeinen in den Zeichnungen mit Instrumenten ausgestattet, gewöhnlich mit Stethoskopen um den Hals, Spritzen in den Händen, Röntgenaufnahmen oder Blätter für Aufzeichnungen. Das zeigt, wie differenziert die Kinder ihre Umgebung wahrnehmen. Walter, 10, CAH 089, 2008

„- Hallo Walter, geht es Dir gut ? - Hallo Doktor Elmer“tor Elmer” Die Wirkung des medizinischen Instrumentariums auf die Kinder ist auffallend stark. Ebenso wie das medizinische Vokabular, das rasch von den Patienten aufgenommen wird. Die Kinder sprechen von Rollstühlen, Stethoskop, klinischem Bett, Serum und Diäten. Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 79

c. 1. Spezielle Bedürfnisse der Jugendlichen. Adoleszente durchlaufen einen Entwicklungsprozess mit vielfältigen Spannungen. In dieser Phase gehen die Heranwachsenden durch körperliche, kognitive, soziale und seelische Wechselbäder, die sich auf ihr Leben auswirken. Die sexuellen Reifungsprozesse sind spürbar. Im kognitiven Bereich entwickelt sich eine grössere Kapazität des abstrakten Denkens. Bedürfnisse nach Autonomie oder nach sozialen Kontakten mit Gleichaltrigen stehen im Vordergrund. In der Gruppe von Freunden finden die Jugendlichen Unterstützung, gleichzeitig entwickeln sie immer mehr eigene Interessen und sind dabei, ihre Identität zu festigen. Adoleszente Jungen und Mädchen müssen herausfinden, wer und was sie sind oder sein können und wo ihr Platz in der Gesellschaft sein wird. Es gibt viele offene Fragen, Zukunftspläne und Projekte im Hinblick auf das Erwachsenwerden. Wenn sich in dieser Zeit eine Krankheit zeigt, ist ein Jugendlicher zusätzlich mit Wechsel und Verunsicherung konfrontiert und herausgefordert, seine Fähigkeiten und Ressourcen zu mobilisieren. Die Lehrerin der Aula auf der Adoleszentenabteilung im INEN sagte uns, dass ihre Patienten in diesem Alter untereinander sehr verbunden sind, „sie bilden eine Art Familie, dadurch dass sie eine spezielle Bindung haben. Sie unterstützen sich, fühlen sich füreinander verantwortlich, was ihnen hilft, die Situation besser zu ertragen“. Trotz der Belastung durch eine Krankheit denken die jugendlichen Patienten an ihre Zukunft und nehmen ihre Träume wichtig. Das motiviert sie, der Behandlung zu folgen und sich den Untersuchungen anzuvertrauen. Einige wollen in ihre Heimat zurück, vermissen ihre Familien, was sie ebenfalls dazu motiviert, bald gesund zu werden. So sind sie dem Leben grundsätzlich optimistisch zugewandt, was den Heilungsverlauf unterstützen kann.

Resultate der Studie

80 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

Liz, 18, CAH 023, 2009

„Danke für die liebevolle Fürsorge“ Liz’ wachsende kognitive Entwicklung trägt zum besseren Verständnis ihrer Krankheit und der damit verbundenen Situation bei. Die Auseinandersetzung mit Leben und Tod in diesem Alter wird von den kranken Jugendlichen differenziert angegangen. Die Dozentin des AFTH berichtet, dass die adoleszenten Patienten auf den Tod eines Altersgenossen mit dem Satz reagieren: „der- oder diejenige ist mir voraus gegangen“. Gleichzeitig sind sie mit der Ohnmacht vor den möglichen Todesfolgen einer Krankheit konfrontiert. Dieses grössere Verständnis und das zunehmend logische Denken lösen viele Überlegungen in Bezug auf ihre Krankheit und deren Folgen aus. Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 81

Eine der Schwestern dieses Spitals sagte uns, dass die Patienten deprimiert und voller Furcht ins Hospital eintreten. Der Tod ist eines der Themen, welches das Denken der Jugendlichen besetzt: „Die eintretenden Patienten sind deprimiert, haben grosse Furcht und Angst. Wir versuchen, ihnen empathisch zu begegnen. Das Schwierigste ist es, nichts gegen den Tod tun zu können. Wir vermeiden es, von Tod und Krankheit zu reden. Wir versuchen, dynamisch und fröhlich zu sein. Die Jugendlichen ärgern sich über Injektionen, Blutuntersuchungen, Chemotherapie oder ganz konkret darüber kein Geld zu haben“ (Krankenschwester bei den Adoleszenten im INEN).

Die besonderen Bedürfnisse der Adoleszenten werden durchaus wahrgenommen. Eine Schwester sagte uns z.B.: „Jugendliche brauchen keine mütterlichen Figuren als Krankenschwestern. Diese sollten selbst jung sein und interessiert an den Vorlieben ihrer adoleszenten Patienten, die andere Bedürfnisse als Kinder haben. Man sollte ihnen im Beziehungsfeld des Spitals geben, was sie brauchen. Manchmal wollen sie z.B auch über Sexualität sprechen.“ (Krankenschwester bei den Adoleszenten im INEN).

Die Jugendlichen mit ihren Interessen und Bedürfnissen zu kennen, ist wichtig und hilft dem Pflegepersonal, eine bessere Bindung mit ihren Patienten aufzubauen.

d. „Nenne mich nicht Bett... ich heisse Maria“ Das Recht, beim Namen genannt zu werden, als Grundlage der Identität Sowohl im gesellschaftlichen wie im psychologischen Kontext begründet der eigene Name das Gefühl für sich selbst und verleiht der Person ein „Sein für sich selbst und andere“. Mit einer Nummer, einem Objekt oder einem Gattungsnamen benannt zu werden schafft Distanz. Umso mehr in der Spitalsituation, wo der Aufenthalt ohnehin von Anonymität gekennzeichnet ist, wo alles neu und fremd ist. Hier ist das Kind oder der Jugendliche zunächst einer von vielen Patienten und befindet sich in einer verletzlichen Stresssituation. Resultate der Studie

82 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

Ana Maria zeigt trotz ihrer Verletzlichkeit in ihrer Zeichnung eine Projektion von sich, indem sie sich selbstbewusst gegen die Zumutung der Spitalsituation wehrt und sich so darstellt: Ihre Person setzt sich durch, bewahrt ihre Identität, indem sie fähig ist, dem behandelnden Arzt zu sagen, sie sei kein Bett, sondern ihr Name sei Maria. Ana, 14, CAH 049, 2010

„- Das Bett 626 kann nach Hause gehen“ - Heisse ich Bett? Mein Name ist Maria, Doktor“

Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 83

Hinter dieser Bitte steht der Wunsch nach Respekt. Die Kinder möchten als menschliche Personen geachtet werden. Bryan zeichnet, wie der Arzt ihn mit einem Spitznamen „Placamaso“ grüsst, und weist ihn darauf hin, dass sein Name Juan ist. Bryan, 11, CAH 108, 2010

„- Hallo Placamaso - Mein Name ist nicht Placamaso, mein Name ist Juan“ In der folgenden Zeichnung sehen wir, wie ein Mädchen ihre Wunschsituation darstellt: der Arzt grüsst das kranke Kind mit Namen und dieses nennt den Doktor bei seinem . Es findet ein gegenseitiges Erkennen zwischen gleichberechtigten Personen statt.

Resultate der Studie

84 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

Talía, 12, CAH-003

„- Hallo Doktor Sanchez Hallo Juan“ Cinthia zeigt in ihrer Zeichnung ebenfalls, wie wichtig es ist, dass Arzt und Patient sich vorstellen und sich damit gegenseitig Achtung erweisen.

Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 85

Cinthia, 13, CAH 101 2010

„- Hallo, ich bin die neue Ärztin. Mein Name ist Martha. Und wie heisst Du? - Es freut mich. Mein Name ist Cinthia“

Resultate der Studie

86 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

e. Was für eine Krankheit habe ich? Furcht, Angst und Unsicherheit Das Gefühl der Furcht signalisiert Körper und Seele drohende Gefahren und erzeugt in unserem Organismus eine Schutz-Antwort, die uns nötigt, uns in Sicherheit zu bringen. Natürlich ist es störend, wenn Angstzustände sich wiederholen oder gar chronisch werden. Die betroffene Person fühlt sich bedroht und unsicher, was im Körper die Ausschüttung von Stress-Hormonen wie Kortison auslöst. In hoher Dosierung schadet es der heilenden Antwort des Organismus und ist verantwortlich für verschiedene Dysfunktionen im Körper, u.a. die Schwächung des Immunsystems, die gesundheitsgefährdend wirkt und heilende Prozesse behindert. Kommt ein krankes und schmerzgeplagtes Kind ins Hospital, ist es mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. Der junge Patient ist zunächst getrennt von seiner familiären Umgebung, konfrontiert mit seinen Ängsten vor den Behandlungen, unsicher darüber, was mit ihm in dieser fremden Welt geschehen wird. Das Kind muss neue Beziehungen mit Menschen eingehen, von denen es abhängig ist, um geheilt zu werden, manchmal geht es um Leben und Tod. Im allgemeinen ignorieren Kinder ihre Krankheit, vor allem die Jüngsten. Sie verstehen nicht, was mit ihnen geschieht, warum der Körper schmerzt, warum die Eltern es an einen fremden Ort bringen, meist eine kalte, anonyme Umgebung, wo man fast nie spielen kann. All dies löst emotionale Reaktionen in verschiedener Intensität aus. 10,5% der Teilnehmer des Zeichenwettbewerbs machen das Recht auf Information deutlich, indem sie Angstzustände darstellen und die Dringlichkeit, Antworten auf ihre Fragen zu erhalten, um sich zu beruhigen. „Man soll mir erklären, was mit mir passiert und sie sollen meine Fragen offen und in verständlicher Weise beantworten“.

Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 87

Das Hospital wird zur neuen Welt des jungen Patienten. Durch den Eintritt in diese Institution wird der gewohnte Alltag des Lernens, Spielens, Ausruhens unterbrochen. Auch dadurch erleben Kinder den Spitaleintritt als etwas Bedrohliches, sind sie doch getrennt von ihren vertrauten Menschen, allein in einem unbekannten Bereich, dessen Regeln und Abläufe ihnen fremd sind. Unsicherheit, Furcht und Angst sind in dieser Situation zu erwarten. In der symbolischen Sprache der Zeichnung erscheint das Haus als Bild für Sicherheit (72%). Dabei tauchen unterschiedliche Böden auf, einige präzise, andere einfach, gross oder klein, manche nur als Unterstützung der Figur gezeichnet. Ein Haus, ein Boden, im wahrsten Sinne eine Unter-Stützung ist dringend nötig in einer unsicheren Lage, angesichts von Krankheit und drohendem Alleinsein. Die Erfahrungen von Schmerz, Weinen und Klagen sind in 8.5% der Zeichnungen dargestellt. In 16% erscheinen Trauer, Furcht in 22% und Angst in 27%.

Resultate der Studie

88 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

Grace, 9, CAH, 007, 2008

„- Was habe ich ? - Du hast Asthma“ Man sieht in der Zeichnung von Grace einen grossen schwarz-weissen Boden, auf dem sie sich selbst klein darstellt, mit der Frage was ihre Krankheit bedeutet. Fragmentierte Linien sind häufig ein Indikator für Angst. Wenn auch in geringerem Masse als im vorhergehenden Bild, geben sie Auskunft über ängstliche Gefühle. Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 89

In der Zeichnung von Clariza sehen wir gestrichelte, übermalte, Linien, die von Furcht sprechen und von den Fantasien, was mit ihr im Spital geschehen wird. Clariza, 6, CAH 85, 2009

„- Ich habe Angst! - Was werden sie mit mir machen ?“ Auch in der Zeichnung von Erik kann man über die wellenförmigen Linien hinaus die Instabilität der Figuren erkennen. Die Personen stehen schief und es sieht aus, als ob das Bett einstürzen wird, was den Mangel an Stabilität deutlich macht. Resultate der Studie

90 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

Erick, 13, CAH 071, 2010

„- Was wird mit mir passieren ? - Es geht mir schlecht. Ich fühle mich schlecht!“ Indikatoren für Hilflosigkeit und Verletzlichkeit sind auf den Zeichnungen zu erkennen als beinlose Figuren oder solche im Profil, von hinten oder sehr klein. Viele Personen sind im Bett liegend oder sitzend dargestellt, jedenfalls in einer passiven Situation. Ihre Aktivität ist begrenzt durch Einschränkungen und Regeln des Spitals. Ihre Gesundheit und damit ihr Körper liegen in den Händen der Ärzte.

Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 91

Die Unwissenheit, was mit dem Körper geschieht, vergrössert die Angst, wie es Anthony, 11jährig, darstellt. Er fragt sich, ob amputieren „kürzen“ sei und möchte wissen, was mit ihm geschehen wird. Anthony, 11, CAH 101, 2009

„- Wir müssen die linke untere Extremität amputieren Man kann die Infektion nicht aufhalten ...! Welche Angs! Ich denke, amputieren bedeutet kürzen. Was werden sie mir kürzen? Oh Gott, neiiiin....“

Resultate der Studie

92 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

Abraham versteht nicht, was eine Colostomie ist, noch weiss der 12-jährige Marco was eine Pseudoarthrose ist. Auch bei ihnen erzeugen die fremden Bezeichnungen ihres körperlichen Zustandes Angst und Unsicherheit. Abraham, 10, CAH 097, 2009

„- Was machen Sie mit mir ? Ich werde bei Dir eine Colostomie durchführen“

Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 93

Marco,12, CAH, 004, 2008

-Du hast eine Pseudoparthrose ?? Hingegen zeigen die Kinder ihre Erleichterung und ein deutliches Wohlbefinden, sobald sie verstehen, was mit ihnen passiert. In der Zeichnung von dem 11-jährigen Jhermin sehen wir, dass er für die Erklärung des Arztes fähig ist, aus seinem Bett aufzustehen, zu lächeln und mit einem Spielzeug gemalt ist.

Resultate der Studie

94 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

Jhermin, 11, CAH 010, ohne Jahresangabe

„- Eine Frage, was habe ich Herr Doktor? Ja gut Jhermin, Du hast eine Infektion, aber sie ist dabei zu heilen. - Wie gut, dass es Jhermin besser geht“ Gelingt es dem medizinischen Personal, eine positive Beziehung zum kranken Kind aufzubauen, hilft es dem kleinen Patienten und beeinflusst Verlauf und Heilung seiner Behandlung. Verlässliche Beziehungen helfen, das natürliche Mass von Angst und Unsicherheit zu vermindern in einer Zeit, in der ein krankes Kind sein Zuhause verlassen muss, um im Hospital platziert zu werden. Eine Zeit, in der sein Leben und damit seine Integrität in Gefahr sind. Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 95

f. Auuaau... es tut weh... Die Beziehung des Kindes zum Schmerz Lange Zeit hat man irrtümlicherweise geglaubt, dass Kinder ihre Schmerzen anders wahrnehmen als Erwachsene bzw. dass sie ihre Probleme und Schmerzen leichter vergessen. Heute gibt es neurowissenschaftliche Erkenntnisse über das affektive und körperliche Gedächtnis, die beide im Nervensystem verwurzelt sind und vom ersten Moment des Lebens an funktionieren. Kinder empfinden ihre Schmerzen sehr wohl und sind fähig, darüber zu kommunizieren. Sie haben das Recht zu weinen, wenn sie Schmerzen haben und um Hilfe und Linderung zu bitten. Es sind oft die Erwachsenen, die den kindlichen Schmerz nicht verstehen und die damit verbundene Angst bagatellisieren. Der neunjährige Freddy stellt seinen Schmerz auf eindrückliche Weise als eine Fülle von Fremdeinwirkungen dar, denen er ausgesetzt ist. Er versteht die Stärke seiner Schmerzen nicht und bittet um eine Erklärung.

Resultate der Studie

96 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

Freddy, 9, CAH 075, 2009

„- Sagt mir bitte jemand, warum mir alles weh tut.“ In den Zeichnungen einiger Kinder wird medizinisches Personal dargestellt, das nicht empathisch genug ist, den Schmerz des Kindes wahrzunehmen und zu respektieren. Manche Pflegepersonen lehnen Tränenausbrüche ab oder verachten Gefühlsäusserungen insgesamt.

Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 97

Lizeth, 11, CAH 103, 2010

„- Auuu, es tut weh! - Ich habe dir schon deine Medizin gegeben. Halt den Mund!“

Resultate der Studie

98 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

Dreysi, 7, CAH 082, 2009

„- Ach Mami, es tut weh!“ Die folgenden Zeichnungen zeigen Erwachsene, die ein klagendes Kind als Lügner oder Übertreiber bezeichnen, weil sie Leiden und Schmerzen des Kindes unterschätzen bzw. nicht wahrhaben wollen.

Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 99

Eider, 14, CAH 061, 2009

„- Ui, ui – mich schmerzt meine Wunde - Halt den Mund Kleiner, lüg nicht“

Resultate der Studie

100 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

Víctor, s/e, CAH 086, 2008

„- Auuu, es tut sehr weh - Sei ruhig Kleiner, wir geben dir ja gleich eine Tablette - Wie laut dieser Grünschnabel ist!“

Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 101

Víctor, 12 CAH 102, 2010

„- Uuu es tut weh, Uhh ich halte es nicht mehr aus - Halt den Mund, Kleiner – sei nicht unartig!“ Die Kinder berichten, dass die Erwachsenen ihnen oft sagen: „Du musst mithelfen, damit du gesund wirst“. In dieser konfusen Mitteilung wird das kranke Kind verantwortlich gemacht für einen Zustand, den es weder hervorgerufen hat, noch kontrollieren kann, bei dem es aber aufgefordert wird, mitzuarbeiten.

Resultate der Studie

102 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

g. „Ich habe das Recht, dass meine Eltern mich begleiten“. Kinder brauchen ihre Eltern Für hospitalisierte Kinder ist die Anwesenheit von Eltern und Familienmitgliedern wichtig. Das schenkt ihnen Sicherheit. Miguel Ángel, 10, CAH 092, 2008

Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 103

Yesenia, 16, CAH 018, 2009

„- Danke Mama, dass du mich pflegst und beschützt - Bitte – das ist Dein Recht“ Die Abwesenheit der Eltern während des Klinikaufenthaltes eines Kindes ist eine Quelle von Kummer und Angst, vor allem für Kinder, die längere Zeit im Hospital sein müssen, wie die Patienten der Hogar Clínica San Juan de Dios. So stellt Yelsin in ihrer Zeichnung viele Familien mit Tränen und gespenstische Figuren dar.

Resultate der Studie

104 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

Yelsin, 9, CAH 104, 2010.

„- Ich möchte, dass meine Mutter mit mir im Spital ist...“ Die Abwesenheit der Eltern bei schmerzlichen und ängstlichen Zuständen stürzen das Kind in dramatische Einsamkeit, wie das in der Zeichnung von Anthony, 15-jährig, zu sehen ist.

Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 105

Anthony, 15, CAH 102-2010

„- Papa, Mama, warum sind sie nicht da, wenn ich sie am meisten brauche“

Resultate der Studie

106 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

h. Resilienz im Spital: Stärke und Lebensfreude In den Zeichnungen sehen wir diejenigen Elemente, die über die Resilienz der Kinder und Jugendlichen Auskunft geben, d.h. über die Fähigkeit, eine widrige Erfahrung in Wachstum und persönliche Stärkung umzuwandeln.

h.1. Lächeln und Optimismus. Lächelnde Gesichter und Optimismus sind oft in den Zeichnungen der Kinder zu finden. 60% der Darstellungen zeigen lachende Personen und mehr als 80% stellen positive Themen in der Beziehung zu Hospitalisation und Krankheit dar. Die Mehrheit der Kinder zeigt, dass sie die Rechte geniessen, die man ihnen zugesteht: beim Namen genannt zu werden, Zuneigung zu erfahren, umsorgt und beachtet zu werden, Erklärungen über ihre Krankheit zu erhalten, in den Aulen spielen zu können. Resiliente Kräfte zeigen sich auch dort, wo sich Kinder trotz ihrer Krankheit und Begrenzung nicht von kindgemässen Aktivitäten abbringen lassen. In der Zeichnung von Yosmar sieht man einen Knaben mit körperlicher Behinderung, der den Ball in den Basket-Korb wirft, auch wenn er im Rollstuhl sitzt. Die Zeichnung drückt mit ihren Farben und der Darstellung Ruhe und Optimismus aus.

Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 107

Yosmar, 14, CAH 80-2008

Resultate der Studie

108 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

h2. Stellung des Körpers in der Zeichnung: aufrecht Über 50% der Teilnehmer des Zeichenwettbewerbs stellen stehende Figuren dar. Diese Tendenz bezieht sich auf die Stärke und psychologische Fähigkeit zur Gesundung sowie darauf, vorwärts zu gehen, auch wenn die Krankheit aktuell präsent ist. Edwin ist ein Junge, der an einer chronischen Osteomyelitis des rechten Unterschenkels leidet. Trotz Gebrauch des Rollstuhls stellt er sich in seiner Zeichnung stehend dar, womit er auf seinem Recht zu spielen und sich zu bewegen beharrt. Edwin, 8, CAH-0105, s/año

Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 109

Paola, 11-jährig, zeigt in ihrer Zeichnung Stärke und den Impuls, ihre Krankheit zu überwinden. Sichtbar wird ihr Ziel, laufen zu können und das bewegungsunfähige Mädchen hinter sich zu lassen. Paola, 11, CAH-106, ohne Jahresangabe

„- Mir gefällt es zu laufen - Sehr gut Paola! Schon kannst du laufen“

Resultate der Studie

110 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

h.3 Bewusstsein der Krankheit und ihre Darstellung Ein wichtiger Faktor von Resilienz ist es, dass das kranke Kind ein Bewusstsein von der Krankheit hat und sie darzustellen vermag, in unserem Fall durch Zeichnungen. Darin liegen Widerstand gegen die Krisensituation und der Wille, wieder gesund zu werden. Vanessa zeichnet ein Mädchen mit einer Krankenschwester, beide lachend und mit offenen Armen. Sie zeigt die Behinderung ihres Beines, aber fühlt sich dennoch glücklich, umgibt sich mit Blumen und fordert ihr Recht darauf fröhlich zu sein. Ihre Haltung dem Leben gegenüber ist positiv, zeigt Vertrauen und Selbstbewusstsein auch in einer Krisensituation. Eine fröhliche Krankenschwester begleitet die Szene und das Mädchen. Diese affektive Bindung stärkt das Kind ebenfalls auf seinem weiteren Lebensweg. Vanessa, 7, CAH 056, 2008

Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 111

i. „Zeile der Überschrift: Spiel und Bewegung als treibende Kräfte des Kindes In 33% der Zeichnungen geben die Kinder ihrem Recht Ausdruck, sich zu erholen und dazu brauchen sie vor allem Zugang zum Spiel, durch das sie innere und äussere Ereignisse verarbeiten und gestalten können. Für die körperliche und emotionale Entwicklung von Kindern ist Spielen elementar wichtig. Woraus folgt, dass die kleinen Patienten Räume dafür benötigen. Gerade angesichts der Schwierigkeit sich nicht bewegen zu können, ist die Gelegenheit spielen zu dürfen für das hospitalisierte Kind elementar. Dass der Spielpark in verschiedenen Zeichnungen in der Hogar Clínica San Juan de Dios auftaucht, zeigt seine Wichtigkeit. Das Spiel, in Verbindung mit Lachen und Optimismus ist für die Patienten eine Quelle von Resilienz. Im Spiel beharren sie auf ihrer aktiven Haltung dem Leben gegenüber, das weiter geführt werden wird trotz Krankheit und ihren Hindernissen.

Resultate der Studie

112 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

Katherine, 9, CAH 089, 2010

Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 113

In etlichen Zeichnungen werden nicht nur Spielzeug, sondern auch andere Objekte ins kreative Tun der kranken Kinder integriert. Rollstühle, Rollatoren oder Krücken hindern die jungen Patienten nicht daran, sich zu bewegen, hinaus zu gehen und Energien los zu lassen. Es gibt keine Grenzen, um die Freuden des Lebens zu geniessen. Die Geschichte von Andres liest sich aus seiner Zeichnung. Er verlor mit 10 Jahren eine Anzahl motorischer Funktionen und konnte nicht mehr gehen. Seine Eltern starben und aktuell lebt er in der Stadt Cusco allein. Er hat gelernt, sich fortzubewegen und für seinen täglichen Lebensunterhalt zu arbeiten. In seiner Zeichnung sieht man beide Seiten seiner Erfahrung: ein Teil seiner selbst hat die innere Kraft, um Ziele und Wünsche zu erreichen, der andere Teil symbolisiert seine körperliche Behinderung und ihre Schwierigkeiten im täglichen Leben, dargestellt durch ein Mädchen im Rollstuhl.

Resultate der Studie

114 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

Andrés, CAH 081, 2010

Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 115

Carmen Rosa von Cusco ist ein anderes Beispiel. Sie leidet an einer cerebralen Bewegungsstörung und während ihrer drei Jahre im Spital ist eine interessante Entwicklung in ihren Zeichnungen bei den Wettbewerben des AFTH-Programms zu sehen. Im ersten Jahr, 2008, wird deutlich, dass sie gehen und sich bewegen will, dass sie die Natur, das Leben und die Sonne wahrnimmt. Carmen Rosa, 9, CAH 072, 2008

Resultate der Studie

116 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

Carmen Rosa, 10 , CAH 090-2009

Im folgenden Jahr, 2009 , erscheint sie bereits am Rollator gehend, mit einem Lachen im Gesicht. Im nächsten Jahr ist sie auf ihrer Zeichnung von Freunden umgeben. Auch im Spital stagniert die Entwicklung der Kinder nicht.

Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 117

Carmen Rosa, 11, CAH 86, 2010

j. Ich würde gern immer hier bleiben“ Die Erfahrungen der hospitalisierten Kinder in der Aula Die Aulen sind in 12% der Zeichnungen der Kinder repräsentiert. Sie erscheinen als vom Spital getrennte Räume, in denen sich die Kinder spielend, lesend oder den PC gebrauchend darstellen. Sie zeichnen Tische mit PCs und elektronischen Spielen, auch erkennt man Bücher in den Regalen, sowie Bälle und andere Spielzeuge. In einigen Fällen geben sie ihren Bildern Titel wie „Educared“ oder „Aula Telefónica“. Resultate der Studie

118 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

Carroll, 14, CAH 029, 2008

„- Spielzeuge. Gut! Ich habe alles, Bücher, Spielzeuge und ein gutes Bildungs-TV, toll! - Carlos , nimm, die Spielsachen sind gekommen“ Meist sieht man auf den Zeichnungen Jungen und Mädchen gemeinsam in der Aula. In manchen Szenen ist der Dozent vertreten, wie er Spielzeuge verteilt und freundlich mit den Heranwachsenden umgeht. Die Aula ist bei allen Kinder ausserordentlich beliebt:

Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 119

„Mir gefällt die Aula, die PCs, Rätsel, zu zeichnen und zu lesen. Mir gefällt dort alles“ (José, 8-j.; Iquitos).

Für das Gesundheitspersonal ist der Umgang mit den Kindern leichter, weil der Aufenthalt in der Aula ihre Stimmung deutlich verbessert: „Die Aula stärkt das Kind in seiner Entwicklung, es wird von anderen Kindern und Erwachsenen begleitet und gewinnt dadurch Energien im Kampf gegen seine Krankheit. Wenn die Kinder nicht erscheinen, geht die Lehrerin wieder. Man müsste die Aula noch mehr erweitern, mehr Personal einstellen, mehr PCs“

(Schwester , Hogar Clínica San Juan de Dios, Cusco).

Die Aula dient zur Zerstreuung der Kranken, denn manchmal beginnt man, an die Chemo zu denken, wie eine Schwester des INEN berichtet. Obendrein ist es sinnvoll, dort mit Freunden und Familien zu kommunizieren, anstatt sich in der Krankheit zu isolieren. Die Technologie ist wichtig, denn sie gibt weitere Möglichkeiten, dem Leben ausserhalb des Spitals zu begegnen, wie im Fall der Hogar Clínica San Juan de Dios. Den Kindern werden Werkzeuge angeboten, die sie selbständig bedienen können und trotz ihrer Krankheitseinschränkung damit ein Stück Autonomie über ihr Leben erfahren. So wird der Gebrauch der neuen Technologien und die Faszination an solchen Kommunikationsformen auch vom Gesundheitspersonal geschätzt, da die Kinder sichtlich aufblühen, interessiert und neugierig sind: „In der Aula lernen die Kinder und Jugendlichen das Internet kennen und nutzen, was die Möglichkeiten von Information und Bildung beinhaltet. Es sollten noch mehr PCs zur Verfügung stehen, weil bestimmte Programme nicht immer für alle zugänglich sind. Das Personal berichtet, dass die Kinder eifrig die sozialen Netzwerke nutzen und dem Personal erzählen, mit wem sie gechattet haben. So fühlen sie sich insgesamt kommunikativer und in Kontakt mit der Welt ausserhalb des Hospitals.“(Schwester , Hogar Clínica San Juan de Dios, Cusco).

Resultate der Studie

120 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

Die Eltern sehen in der Aula eine willkommene Einrichtung der Unterhaltung für ihre kranken Kinder, die hilft, Krankheit und Schmerz zeitweise zu vergessen. Auch erwähnen sie, dass sich der Humor ihrer Kinder verändert habe. ¨Die Aula zerstreut und unterhält die Kinder ¨ (Eltern des Regionalspitals Loreto). „Die Aula ist ein guter Ort, dort unterhalten sie sich und vergessen ein wenig ihre Krankheit. Man erlebt die Kinder ruhiger und sie kommen fröhlich zurück auf ihre Krankenstation. Das entlastet die Eltern und beruhigt uns“ (Eltern des Regionalspitals Loreto).

Trotzdem würde den Eltern auch gefallen, wenn die Kinder dort auf traditionelle Art in den Themen des Schul-Curriculums unterrichtet würden, damit sie den Anschluss nicht verlieren. „Die Behandlung ist im allgemeinen gut. Sie haben allerdings keine richtige Mathematik, sie machen nur Zeichnungen und Informatik ¨(Eltern des Regionalspitals Loreto).

Für viele Kinder bedeutet dieser Raum, Ressourcen zu entdecken, zu denen sie vorher keinen Zugang hatten. Der 13-jährige Miguel-Angel drückt den Wunsch aus, die Aula für immer zu besuchen.

Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 121

Miguel Ángel, 13, CAH 022, 2010

„Ich würde gern immer hier bleiben“ Die Aulen sind Quelle der Befriedigung, weil dort Beziehungen entstehen und freundliche Lehrpersonen anwesend sind, von denen das Kind respektiert wird. Sie nehmen die Stellung von anderen wichtigen Erwachsenen ein, mit denen Kinder neue Dinge in der Welt entdecken.

Resultate der Studie

122 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

Jerson, 7, CAH 067, 2010

Die Technologie der PCs bringt Freude am Lernen und erlaubt den Kindern in geistiger und körperlicher Bewegung zu bleiben. Als Gegensatz zur Situation des kranken, passiven Patientenstatus ist die Aula ein Ort der Begegnung und Kommunikation.

Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 123

Ronal, 12, CAH-0099, 2010

- „Es gefällt mir, in die Aula einzutreten“ - „Carlos, ich geben dir dieses Spielzeug - „Jaimito, du musst die Spielzeuge pflegen und teilen - „Ja, ich passe auf und leihe sie dir auch aus“ Die Wichtigkeit der PC s ist in vielen Zeichnungen zu sehen, in denen die Geräte manchmal grösser als der Arzt dargestellt sind.

Resultate der Studie

124 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

Yesenia, 11, CAH 078, 2010

Sich darauf zu verlassen, dass Bücher vorhanden sind, ist Quelle der Befriedigung, so wie es Alexandra, 10-jährig, ausdrückt. Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 125

Alexandra, 10, CAH073, 2010

„Wie schön es ist, im Spital ein Buch zu lesen“

Resultate der Studie

126 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

Die Aula besetzt einen wichtigen Raum in der inneren Welt der Kinder und trägt zu ihrem körperlichen, seelischen und geistigen Wohlergehen bei. Die kognitive Entwicklung wird gefördert und die Erholung von der Krankheit wird unterstützt.

Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 127

k. Die Dozenten des AFTH: mehr als Lehrer, über die pädagogische Rolle hinaus In den Zeichnungen der Kinder werden die Dozenten als Erwachsene gesehen, die Wohlwollen, Freude und Kultur ausstrahlen. Leonela, 16, CAH-047, s/año

„Hallo Carlitas und Asul. Ich habe euch einige unterhaltsame Erzählungen mitgebracht“ „Danke Señorita Wie gut. Ich fange grad an zu lesen Juhuii!“ Resultate der Studie

128 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

Die Kinder weisen immer hin auf die gute Behandlung durch die Lehrperson, sowie auf deren Fröhlichkeit und Herzlichkeit. „Mir gefällt die Aula, weil ich mich nicht langweile, ich kann mich unterhalten. Alles gefällt mir. Die Erwachsenen erklären die Kommunikation, wir können künstlerisch arbeiten, meine Lehrerin ist sehr fröhlich (Knabe, 11-jährig, Regionalspital in Loreto).

Manuel, 15-jährig, stellt sich in seinem Rollstuhl dar, gemeinsam mit seinem Lehrer. Beide lachen. Manuel, 15, CAH-085, 2010

Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 129

Die Aula und der Dozent haben sich für das hospitalisierte Kind in eine Notwendigkeit verwandelt, daher wünschen sich die Kinder, mehr dort sein zu können. Sie fühlen sich zu Hause in der Aula. „Immer ist die Aula voll und ich kann nicht dorthin gehen. Das ist schade, denn ich fühle mich dort zu Hause. Es ist wie eine Familie, wir reden miteinander und haben Spass¨(Jugendliche, 17-j. INEN).

Solche positiven Äusserungen kommen nicht nur von den jungen Patienten gegenüber den Aula-Dozenten, auch das Gesundheitspersonal ist derselben Meinung. Ein Pädiater z.B. bemerkt, dass die Dozentin der Aula eine Hilfe ist und seine Arbeit ergänzt. „Die Lehrerin koordiniert alles, und wir helfen ihr. Sie unterstützt uns, weil sie ein Teil unserer Behandlung ist. Ihre Arbeit ist ergänzend für meine Arbeit.“ (Hospital Loreto, Pädiater).

Das Gesundheitspersonal hat beobachtet, wie wirksam die Fähigkeiten der Dozenten für die Behandlung des Kindes sind. Die Kinder sind abhängig davon, zu welcher Stunde die Lehrerin kommt. Die Aula stärkt das Kind in seiner Bildung und verbessert den Verlauf der Krankheit. Wenn die Kinder nicht in die Aula kommen, geht die Lehrerin¨(Krankenschwester, Regionalspital Loreto). „ Und diejenigen, die nicht kommen können, zu denen geht die Lehrerin an ihr Bett. Wenn Du die Wände sehen könntest - die Lehrerinnen hängen die Zeichnungen der Kinder dort auf, es sind wie Trophäen, sie sind stolz auf ihre Werke. Das erleichtert unsere Arbeit. Man müsste die Aula noch mehr mit Material füllen. Die Kinder besitzen zu Hause weder Computer noch anderes Bildungsmaterial. Hier finden sie neue Ressourcen“ (Schwester Iquitos).

Resultate der Studie

130 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

Das Gesundheitspersonal berichtet darüberhinaus, dass die Anwesenheit des Dozenten im Spital nicht nur nützlich für die Behandlung des Kindes ist, sondern auch für das Personal selbst. Es beeinflusst nicht nur die Arbeit, sondern auch das Wohlbefinden des Gesundheitspersonals: „Die Aulen sind eine sehr gute Idee. Vorher langweilten sich die Kinder, nun warten sie sehnsüchtig auf den Abend und zerstreuen sich gern dort. Es ist eine gute Sache. Manche Kinder weinen sogar, wenn sie nicht gehen können. Es hilft ihnen, sich zu erholen und es hilft uns, mit entspannten Kindern umzugehen. Eigentlich können wir nicht genug von diesen Aula-Angeboten haben. Die Patienten zerstreuen sich dort und können besser mit ihrer Krankheit umgehen. Auch wir sind entlastet, wenn die Kinder in der Aula sind – es hilft ihnen, die Momente von Schmerz und Isolation zu überwinden“ (Schwester im Spital Loreto).

Die Arbeit des Dozenten verwandelt sich in eine wichtige Arbeit innerhalb des Hospitals und trägt dazu bei, die Kommunikationskanäle zwischen den Kindern und dem Gesundheitspersonal zu verbessern und damit auch die Anpassung ans Spital. „Wenn sie kommen, wissen sie bereits, dass sie allein sein werden und sie weinen in der ersten Woche wegen der Trennung von den Eltern. Also gibt es Arbeit für uns und die Schwestern. Wir sagen ihnen:“Schau du wirst hier spielen gehen können. Und wenn sie in die Aula kommen, wissen sie alles darüber“ (AFTHDozent, Hogar Clínica San Juan de Dios). „Wenn die Kinder anfangs kommen, reden sie nicht mit dem Personal, sie schauen nur. Doch nach einer Weile kennen sie mich und rufen: „Profe Silvia, Du bist zu spät gekommen“ – Sie sind dann diejenigen, die uns kontrollieren, sie warten bereits vor der Tür, wir müssen immer vorher dort sein. Wir müssen ihnen alles erklären“ (AFTH-Dozentin Hogar Clínica San Juan de Dios).

Giselle Silva Panez

IV. Diskussion

In dieser Studie haben wir versucht, der Sichtweise von hospitalisierten Kindern und Jugendlichen eine Stimme zu verleihen. Wir wollten ihre Äusserungen in Bezug auf die Erfahrungen im Spital festhalten, als auch diejenigen, die sich auf ihre Rechte in der Klinikumgebung beziehen. Es war unser erstes Ziel, mehr über die Lebensumstände der jungen Patienten zu erfahren, und zwar im Hinblick auf die kindliche Wahrnehmung ihrer wichtigsten Bedürfnisse und wie mit ihnen im Klinikalltag umgegangen wird. Ein zweites Ziel war es, über die kindlichen Erfahrungen im Programm AFTH und über dessen Einfluss auf die teilnehmenden Kinder zu berichten. Diese Studie plädiert für ein Verständnis der kindlichen Sicht. Wir gingen aus von der Annahme, dass die Kinder und Jugendlichen etwas darüber zu sagen haben, was sie benötigen, um mit ihrem Leiden umzugehen und Erholung zu finden. Auch wenn der soziale Kontext und die persönliche Situation der Kinder unterschiedlich sind, finden sich in Bezug auf ihre Bedürfnisse Konstanten. Für Erwachsene ist es ungewohnt, auf die Stimme der Kinder zu hören und ihre Ansichten ernst zu nehmen. Unter anderem deshalb, weil Kinder sich nicht nur verbal ausdrücken. Diesen wichtigen Aspekt berücksichtigend, haben wir uns den Meinungen der Kinder genähert, indem wir sie ermunterten, sich über Zeichnung und Spiel mitzuteilen.

132 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

Die Bilder bringen ans Licht, was in der inneren Welt von Kindern und Jugendlichen vorgeht. Das Symbolspiel erfüllt eine ähnliche Funktion. Für das Kind sind Zeichnen und Spielen natürliche Sprachen, die ihm erlauben, in Szenen, Dialogen sowie in Bildern ihre Gefühle und Fantasien wiederzugeben. Eine Zeichnung hilft einem Kind, sein Inneres mitzuteilen und auf diesem Weg zu kommunizieren. Einige Autoren haben die Hospitalisierung als traumatisierendes Erlebnis beschrieben, das den emotionalen Zustand von Kindern negativ beeinflusst. Ausgehend von der Tatsache, dass kranke Kinder im Spital mit einer neuen Umgebung, Trennung von der Familie, Schule und Freunden, Verlust der Autonomie und der Erfahrung von Schmerz konfrontiert sind , sehen die Autoren in diesen Faktoren vor allem einen traumatischen Einbruch ins kindliche Dasein. Wir meinen jedoch, dass der Grad der Traumatisierung abhängig ist vom Charakter des Kindes, von seinem Alter, seiner Frustrationsfähigkeit, seinem Umgang mit neuen Situationen, seinem Sinn für Humor, sowie der Art des Leidens und der Dauer der Hospitalisation, um die wichtigsten Faktoren zu nennen. Jeder Patient bringt persönliche Erfahrungen mit sich. Hinzu kommt die Aufmerksamkeit, die dem kranken Kind im Hospital entgegengebracht wird, und die Spitalpolitik im Umgang mit den kleinen Patienten, ob z.B. der Kontakt zu den Eltern gefördert oder behindert wird. Insbesondere scheint es wichtig zu sein, wie die Beziehungen des kranken Kindes zum Pflegepersonal gestaltet werden, vor allem ob es gut versorgt und respektvoll behandelt wird. Diese Faktoren sind nicht nur für die Erfahrung der Hospitalisierung, sondern auch für den Heilungsprozess wesentlich. So zeigen die Resultate dieser Studie ein Bild, das sich zusammensetzt aus Lebensumständen, Wünschen und Bedürfnissen der hospitalisierten Kinder. Mit unserem Zeichenwettbewerb gaben wir den jungen Patienten die Möglichkeit, sich zu artikulieren, wer sie sind, was sie brauchen und in welchen Rechten sie ihre wichtigsten Anliegen ausdrücken können. Alle diese Faktoren sollten zusammen gesehen die Wertschätzung und Aufmerksamkeit für kranke Kinder steigern. Das Gesundheitssystem für Kinder und Jugendliche sollte diese Erkenntnisse wahrnehmen. Auch bereichern sie die diversen Sozialprogramme, die sich diesen Themen widmen.

Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 133

Wie wollen die Kinder gesehen werden ? Über die Notwendigkeit, diese Aspekte im Gesundheitssystem zu berücksichtigen Der Zeichen- und Malwettbewerb des Programms AFTH erlaubt den kranken Kindern, sich spielerisch und kreativ mitzuteilen. Damit geben sie uns die Möglichkeit, ihre Botschaften und Themen ernst zu nehmen und als grundlegende Bedürfnisse anzuerkennen. Die Signale der jungen Patienten – zugeordnet einem Recht - können als berechtigte Forderungen und Wünsche gelesen werden. Die teilnehmenden Kinder und Jugendlichen haben in Form von künstlerischen Produktionen darüber Zeugnis abgelegt, dass sie eigenständige Personen sind, die uns etwas in ihrer Sprache mitzuteilen haben. In den Zeichnungen der jungen Patienten wird sichtbar, wie sie vom Gesundheitssystem allgemein und vom Pflegepersonal im Besonderen wahrgenommen werden möchten. •



Kommunikationsfähige Wesen: die Kinder drücken sich aus und teilen ihre Lebensumstände in klarer und nachvollziehbarer Weise mit. Sie benutzen Bilder, die deutlich machen, was sie brauchen, um sich wohl zu fühlen. Zu verstehen, was kranke Kinder wirklich benötigen, liegt in der Verantwortlichkeit der zuständigen Erwachsenen. Diese sind gewohnt, vor allem verbal zu kommunizieren und vergessen oft, dass Kinder noch andere, ebenso wichtige Kommunikationsmöglichkeiten haben. Die Nichtbeachtung dieser Unterschiede erzeugt häufig eine Entfremdung zwischen beiden Parteien. Die Erwachsenen haben manchmal Mühe damit, Mitteilungen des Kindes zu entschlüsseln oder schätzen diese gering. Die Kinder fühlen sich dadurch unverstanden und abgelehnt. Die eher intuitiven, symbolischen und emotionalen Bewegungen der kindlichen Seele gehen oft nicht einher mit der rationalen und logischen Art der Erwachsenen sich auszudrücken.

Diskussion

134 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?



Aktive Wesen: Kinder sind gern aktiv und möchten sich möglichst viel bewegen. Im Unterschied zu den erwachsenen Patienten, die im Hospital während des Genesungsprozesses Ruhe suchen, brauchen Kinder Bewegung und Gelegenheit zum Spielen. Aus diesem Grund bietet das Programm AFTH Zeichnen, Malen, PC–Kenntnisse und andere Aktivitäten an, welche die vitale Natur des Kindes berücksichtigen. Die Zeichnungen zeigen häufig, dass sich das Kind trotz seiner Krankheit in Richtung Aktion und Spiel bewegen möchte.



Teilnehmende Wesen: In jeder Umgebung versuchen Kinder, sich einzubringen und Teil des aktuellen Kontextes zu werden. Dazu möchten sie Respekt und Achtung spüren, damit sie eine Stimme haben und damit die Gelegenheit, das Geschehen zu beeinflussen oder mit anderen Menschen in Austausch zu gelangen. Kinder haben eigene Möglichkeiten, um sich in einer neuen Umgebung einzubringen: sie fordern, schlagen vor, bringen etwas mit, und suchen mit allen Mitteln, ihren Platz zu finden. In ihren Zeichnungen stellen sich die kranken Kinder nicht als ausgelieferte Patienten dar, sondern als Personen, welche aktiv Anteil nehmen an ihrer Heilung. Sie zeigen, was sie benötigen, um sich wohler und gesünder zu fühlen.

Die Kinder und Jugendlichen fordern, als kommunikative, gleichberechtigte Menschen anerkannt zu werden, die jedoch Anteilnahme brauchen, sobald sie im Hospital sind. Sie signalisieren den Erwachsenen, die sich um sie kümmern, dass sie Aufmerksamkeit und Zuwendung brauchen. Vor allem sollte man diese Kinder ernst nehmen und hören, was sie uns zu sagen haben. Sie haben die Schlüssel, die wir brauchen, um ein menschliches Gesundheitssystem zu erstellen, das auf die ganzheitlichen Bedürfnisse von Patienten konzentriert ist. Unsere Erfahrung zeigt, wie wichtig besondere Räume innerhalb des Hospitals sind. Räume wie diejenigen aus unserem Programm, in denen sich die kranken Kinder und Jugendlichen bewegen und an Aktivitäten teilnehmen können. Der Zeichenwettbewerb half uns, die Rechte und Forderungen der jungen Patienten zu erkennen. Dies war der Ausgangspunkt für unsere Studie. Giselle Silva Panez

Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt? / 135

Es zeigt sich, dass Kommunikation nicht nur ein Bedürfnis der jungen Patienten ist, sondern eine hoch entwickelte Fähigkeit. Dies sollten sich die Erwachsenen in Erinnerung rufen, indem sie auch die symbolische Sprache der Kinder kennenlernen und wertschätzen. Die Erwachsenen waren auch einmal Kinder, die im Prozess der Sozialisation den Kontakt zu diesen Ebenen nicht ganz verloren haben bzw. wieder entdecken können. Interessieren sich Ärzte, Schwestern, Pflegerinnen für die Zeichnungen der Kinder? Wenden sie in der Annährung an ihre jungen Patienten Zeichnung und Spiel an, um die Kinder besser kennenzulernen, ihre Ängste zu beruhigen und empathisch mit ihnen umzugehen? Die Antwort ist in der Mehrheit der Fälle negativ. Es zeigte sich, dass das Gesundheitspersonal, incl. die freiwilligen Einsatzkräfte der existierenden Programme in Spitälern, weder ausgebildet noch fähig war, sich auf anderen Ebenen als der verbalen auf die Patienten einzulassen. Der diagnostische Wert einer Zeichnung ist weitgehend unbekannt, ebenso seine therapeutische Wirkung oder das Geschick darüber, einen Dialog mit einem Kind herzustellen. Der Erwachsene nimmt oft nur wahr, dass sich zwei inkompatible Sprachen begegnen. Aber zunächst ist ein anderes Problem zu beachten, nämlich dass der Erwachsene nicht nur Mühe hat, sich auf die Symbolsprache des Kindes einzulassen, sondern sie auch nicht schätzt oder gar ernst nimmt. Er misst ihr keinen Wert bei, weil er sie nicht kennt. Oft wird vermutet, dass dieses Feld nur den Psychologen gehört und es wird dem Gros des Pflegepersonals gar nicht bewusst gemacht, dass mit diesen Mitteln Spannung abgebaut werden kann. Alle Arten von Spiel und Ausdruck dienen nicht nur zum subjektiven Spannungsabbau auf beiden Seiten, sondern auch auf der Beziehungsebene zwischen Patient und Personal, die befriedigender verläuft, wenn sich die Erwachsenen auf die Ausdrucksweisen der Kinder einlassen würden. Daher wäre es wichtig für das Gesundheitspersonal, sich mit entsprechenden Techniken vertraut zu machen. In der Ausbildung sollten diese hilfreichen Fähigkeiten gelehrt werden, die sich als Unterstützung im Umgang mit hospitalisierten Kindern erwiesen haben.

Diskussion

136 / Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt?

Die Forderungen der Kinder: Liebe, Bewegung und Spiel. Diese drei Komponenten wurden als wesentliche Bedürfnisse in den untersuchten Zeichnungen der hospitalisierten Kinder wahrgenommen. Das meist gewählte Recht unter den teilnehmenden jungen Patienten war: „Dass man mich beim Namen nennt, mich anlächelt und mir Aufmerksamkeit schenkt.“ Dahinter steht die Bitte nach Empathie und der Wunsch, als Individuum wahrgenommen zu werden. Eines der Grundbedürfnisse jedes Menschen ist Zuneigung. Für Kinder ist dies so überlebenswichtig wie Nahrung, um sich gesund zu entwickeln. Die kranken Kinder werden an einen fremden Ort versetzt, wo sie umgeben sind von neuen, unbekannten Personen. Ein solches Kind ist der Erfahrung von Entbehrung, Trennung, Frustration und Schmerz ausgesetzt. Umso wichtiger ist seine berechtigte Forderung nach Schutz, Aufmerksamkeit und Zuwendung. Kinder spüren sehr genau, wie ihnen die Erwachsenen gegenüber treten, ob sie authentisch sind oder etwas vorspielen. Ein Kind, das sich respektiert, erkannt und umsorgt fühlt, wird sich der notwendigen Behandlung eher anvertrauen. Ein anderes, wichtiges Thema in den Zeichnungen stellen Erholung und Spiel dar (41%). Spielerische Aktionen gehören zur psychomotorischen Eigenschaft der Kindheit. Dieses Resultat geht einher mit dem Befund von Panez (2004), dass das Recht auf Spiel und Erholung das erste ist, welches durch die Kinder und Jugendlichen, mit denen sie arbeitete, dargestellt wurde. Normalerweise hat das Grundbedürfnis des Kindes nach Spiel im Hospital kaum Platz. Meist kann man nicht mit entsprechendem Material oder einer Ausstattung rechnen. Doch gerade im Hospital ist das Kind einer Routine ausgesetzt, die es langweilt und wo es sich nach Bewegung und Spiel sehnt. Da die treibende Kraft der kindlichen Entwicklung das Spielen ist, fordern die kranken Kinder dies deutlich in ihren Zeichnungen.

Giselle Silva Panez

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Andere wichtige Rechte sind 5 und 10 ( ¨Dass man mir erlaubt herumzulaufen, zu spielen, zu lernen und lebhaft zu sein, wenn es nicht der Qualität meiner Pflege widerspricht¨ und ¨Dass ich über Spiele, Bücher und audiovisuelle Mittel meinem Alter gemäss verfügen kann)¨. In den meisten Fällen stellen sich die Kinder in ihren Zeichnungen spielend dar, auch diejenigen, die körperlich behindert sind. Sie zeigen sich aktiv in ihren Rollstühlen oder mit Krücken. Trotz ihrer Verletzlichkeit und Hilflosigkeit konnte man die kranken Kinder während unserer Besuche im Spital rasch zum Spielen motivieren. „Wenn es darum geht, in die Aula zum Spielen zu gehen, tut ihnen nichts mehr weh“, berichten die Krankenschwestern. Auf die gleiche Art zeigen Kinder mit körperlicher Behinderung diesen Impuls deutlich in ihren Zeichnungen. Dort wird dargestellt, wie sehr sie den Spiele-Park schätzen. Für Kinder bedeutet Leben, spielen zu können. Sich bewegen bedeutet, Freude am Dasein zu empfinden. Diese selbstverständlichen Dinge unterstreichen noch einmal, wie wichtig sie für das Kind und seine Heilung sind und demzufolge im Zentrum der Planung eines Systems ganzheitlicher Betreuung im Hospital stehen sollten. Bei einer Verbesserung zur Betreuung von kranken Kindern spielt die Aula eine zentrale Rolle im Spitalsystem. Das Symbolspiel, als besonders notwendige Beschäftigung für das kranke Kind, hilft ihm nicht nur, die Hospitalisations-Situation darzustellen, sondern auch die affektiven Bindungen an die ihm wichtigen Personen. Als Teil der Visiten in den Spitälern empfahl es sich, den Patienten Spielmaterial anzubieten, wie z.B. kleine Puppen, die den Arzt, die Krankenschwestern, die Patienten das Mobiliar und medizinische Equipment sowie andere Dinge des täglichen Lebens in Miniatur darstellen. Die Kinder konnten damit Geschichten erfinden, die geprägt sind von ihren Lebensumständen und Erfahrungen. Durch diese Art Spiel konnten sie Ängste, Erwartungen und andere Gefühle ausdrücken. Das bisher Beschriebene zeigt, wie wichtig es ist, diese Art Spiel, welches diagnostischen und therapeutischen Wert darstellt, in die Aulen und ins Gesundheitssystem zu integrieren. Dafür ist die AnDiskussion

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schaffung von gewissen Materialien notwendig, die nicht viel Kosten verursachen. Ausserdem sollte das Pflegepersonal darin unterrichtet werden, nicht nur Spiele anzubieten, sondern den Umgang der Kinder damit auch entschlüsseln zu können.

Auswirkungen der Beziehung zwischen Spitalpersonal und den hospitalisierten Kindern Die Studie hat gezeigt, dass die Qualität der Beziehung zwischen dem kranken Kind/Jugendlichen und dem Pflegepersonal sowohl für das Wohlbefinden des kleinen Patienten als auch für seinen Heilungsprozess äusserst wichtig ist. In 61 % der Zeichnungen werden Interaktionen zwischen Patient und Arzt, Krankenschwester oder Pflegerin dargestellt. In den Zeichnungen erscheinen Situationen, in denen das Pflegepersonal das Kind gut behandeln: die Krankenschwestern schenken ihm Zuwendung, nennen es beim Namen, verstehen seinen Schmerz und lächeln es an. Das Kind nimmt diese Zuwendungen dankend entgegen. So symbolisieren die Zeichnungen die Realität oder die Wünsche der kleinen Patienten. Ein markanter Teil der Kinder, 21%, zeigt in den zeichnerischen Kreationen das Gegenteil: schwierige Situationen, in denen die kindlichen Bedürfnisse unbeachtet bleiben oder sogar feindselige Äusserungen von Seiten des Personals kommen. Die Zeichnungen zeigen einen Erwachsenen ohne Empathie, konzentriert auf eigene Bedürfnisse und Beschäftigungen, unsensibel hinsichtlich des Schmerzes und der Forderungen der kleinen Patienten. Welche Bedeutung schenkt man den emotionalen Aspekten und persönlichen Bindungen in Hospitälern? Ist man sich bewusst, dass die persönliche Beziehung zwischen Kind und Pflegepersonal hinsichtlich der Heilungsprozesse wichtig ist? In welchem Ausmass sind Ärzte, Krankenschwestern und Pflegerinnen bereit, die eigene menschliche und berufliche Zufriedenheit während ihrer Arbeit zugunsten der Betreuung der Kinder zurückzustellen?

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Die Erwachsenen spielen im Leben von Kindern eine bedeutende Rolle. Es ist wichtig, in welchem Mass sie auf die kindlichen Bedürfnisse eingehen oder sie vernachlässigen. In der Trennung von ihrer familiären Umgebung suchen Kinder Schutz und Zuwendung bei Personen, die einen gewissen Grad an Sicherheit bieten. Das Kind ist angewiesen auf die Gesellschaft und Zuwendung der erwachsenen Menschen, von denen es umgeben ist, in diesem Fall im Hospital. Beziehungen sind für jeden Menschen in jedem Alter wichtig. Das hospitalisierte Kind reagiert positiv auf empathische Bindungsangebote. Beide Seiten profitieren jedoch davon. Der Arzt ist für das Kind ein Verbündeter in seiner Behandlung und umgekehrt. Wenn sich das Kind sicher und umsorgt fühlt, hat dies auch Einfluss auf seinen Heilungsprozess. Negative Beziehungen können die Heilung erschweren, weil sie Traurigkeit, Ängstlichkeit oder Aggressivität hervorrufen können. Einige der interviewten professionellen Helfer wissen zweifellos, dass der kleine Patient eine gute und liebevolle Behandlung braucht. Dennoch schienen sie sich nicht im klaren darüber zu sein, wie wichtig all diese Faktoren sind. Die Differenziertheit, mit der die Kinder sich über Zeichnungen und andere kreative Zeugnisse mitteilen, zeigt, wie wichtig der emotionale Aspekt in der Behandlung ist und dass er in allen Überlegungen zu Richtlinien in der Gesundheitspolitik integriert werden sollte. Jeder Professionelle, der helfend mit Kindern im Einsatz ist, sollte die Bereitschaft mitbringen, die jungen Patienten mit Sorgfalt und Empathie zu betreuen. Das zeigt, dass Kinderspitäler, die Aulen und alle an Kinder und Jugendliche gerichteten Dienste die Sorge um ihre Patienten in den Mittelpunkt stellen sollten. Das Hospitalisations-System muss die Art und Weise überprüfen, wie seine Angestellten sich mit den Patienten austauschen. Die Kinder jedenfalls können ihre Wünsche und Forderungen klar benennen:

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Dass man den Patienten beim Namen nennt und nicht z.B. mit der Nummer des Bettes anredet oder einem Spitznamen. Dass sich die Zeiten der Visiten erweitern und die Patienten mit einem flexiblen Stundenplan umgehen können. Dass sich der Stundenplan für die medizinischen Massnahmen an den natürlichen Ablauf von Wachsein und Ausruhen der Patienten orientiert. Dass die Kinder frei spielen dürfen und dafür Material sowie Zeit und Raum bereit stehen. Umgang mit dem Ausdruck von Schmerzen und Leiden der Kinder sind vom Pflegepersonal zu lernen und die berechtigten Äusserungen der Patienten ernst zu nehmen. Vorrangig sind Aufmerksamkeit und ein empathischer Umgang mit kranken Kindern Berücksichtigen, dass das kranke Kind Zuwendung und Begleitung braucht. Dem kindgemässen Bedürfnis nach Erklärung Rechnung tragen. Respektieren, dass das kranke Kind über seine Gefühle sprechen muss. Eine einfache Sprache benutzen, um mit dem Kind über seine Krankheit und seine Gefühle zu kommunizieren.

Der Optimismus der Kinder und ihre positive Sicht der Welt In unseren Resultaten dieser Studie wird sichtbar, dass der aktuelle Lebensumstand der Kinder und Adoleszenten im kreativen Ausdruck der Zeichnungen sichtbar wird. Die jungen Patienten präsentieren eine nach vorne gerichtete, optimistische Sicht ihrer Welt, mit und trotz ihrer Gefühle von Angst und Schmerz. Der hohe Prozentsatz der lachenden Figuren in den Zeichnungen sowie die Thematik von lebensbejahenden Situationen spricht dafür. Dieser positive Ausdruck zeigt uns die natürliche lebensbejahende Haltung des Kindes sowie seine differenzierte Wahrnehmung der Umgebung. Es ist fähig zu kommunizieren und mitzuteilen, was es nötig hat.

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Dazu gehören auch jene Jungen und Mädchen, die schwierige und dramatische Situationen zeichnen, z.B. beunruhigende Aspekte in der Beziehung zum Gesundheitspersonal. Die Botschaften deuten auf eine Fähigkeit des inneren Vertrauens und zeigen die Hoffnung, eine Situation ändern zu können.

Die Resilienz der hospitalisierten Kinder: Schlüssel für die Einrichtung eines menschlichen und ganzheitlichen Gesundheitssystems Wie man anhand der Zeichnungen sehen kann, bringen die Kinder resiliente Kräfte mit, die durch Spiel und Unterhaltung gestärkt werden können. Die Fähigkeit der Kinder, sich aktiv mit den Erwachsenen und Kindern ihrer Umgebung auszutauschen ist auffällig. So wie Andrusiewicz (2008) dargelegt hat, nehmen die Kinder trotz Krankheit und eingeschränkter Bewegungsfähigkeit den Kontakt zu ihrer Umgebung auf. Dies ist eine nicht zu unterschätzende Fähigkeit, die der Genesung dient. Auch taucht Humor in einem hohen Prozentsatz in den Zeichnungen auf. Die Kinder zeigen die Fähigkeit im Hier und Jetzt zu leben, begleitet von der Hoffnung gesund zu werden, um sich weiter zu entwickeln und ihr Leben mit Familie, Spiel und Kreativität fortzuführen. Wie wir erwähnten, stellen über die Hälfte der Zeichnungen lachende Figuren dar und über 80% beschäftigen sich mit einer positiven Thematik. Ein zusätzlicher Hinweis auf die vorhandene Resilienz zeigt die Kreativität der Teilnehmer am Zeichenwettbewerb. Die Mehrheit der Produktionen zeigen Originalität, was ein Charakteristikum schöpferischen Daseins ist. Die grafischen Darstellungen sprechen von differenzierter Wahrnehmung und sind deutliche Botschaften. Die Symbolsprache öffnet Türen und spricht von Lebenslust und Progression.

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Ein viertes , deutliches Zeichen von Resilienz ist die Fähigkeit der Kinder und Jugendlichen, den Wechsel zwischen der gewohnten Alltagssituation und den neuen Umständen im Hospital zu verstehen und einzuordnen. Die Fähigkeit, Fragen zu stellen, um die Geschehnisse begreifen zu können, wurde in den Spielstunden und Zeichnungen sichtbar. In den Spielsitzungen zeigten die Kinder deutlich ihre Emotionen in den aktuellen Lebensumständen, indem sie das Leben im Spital spielerisch darstellten: Situationen von Bedrängnis und Not, zwischen Leben und Tod, mit Unsicherheiten, aber in der Mehrheit der Fälle mit Sicht auf einen positiven Ausgang. Im Spiel ergriffen die Kinder immer eine aktive Position im Vergleich dazu, was mit ihnen als ausgelieferte Person im Hospital geschieht. Sie identifizierten sich mit Ärzten und Krankenschwestern. Sie verabreichten Spritzen, setzten sich das Stethoskop ans Ohr und untersuchten das Herz. Sie verkauften Körperteile von Tieren, operierten Babies oder organisierten via Handy den Notfall: „Ich brauche einen Chirurgen, der schnell zum Notfall kommt“. Das Kind war auf diese Art fähig, mit dem Notfall-Erlebnis umzugehen, es zeigte sich im Spiel als aktives Wesen, das reagieren kann. An fünfter Stelle steht ein Prozentsatz der Kinder von 53%, die eine aktive Position gegenüber der passiven bettlägerigen betonten. Das bedeutet, sie können auch in schwierigen Situationen Kräfte mobilisieren, um sich zu erholen und vorwärts zu gehen. Trotz körperlicher Einschränkungen ist die Haltung der Kinder in ihren Zeichnungen deutlich: sie sind in der Lage zu spielen, etwas zu fordern oder sich zu beschweren. Es findet eine Integration der Krankheit in ihr Kinderleben statt, was die Akzeptanz der Situation zeigt und damit ein erster Schritt zur Genesung ist. 69% der Beteiligten stellen sich in den Zeichnungen dar als jemand, der die Führung übernimmt, z.B. Figuren mit körperlicher Behinderung, die aktiv spielen. Was lehrt uns diese kindliche Realität? Wozu rufen die kranken Kinder uns auf? Welche Folgerungen haben diese Ergebnisse für das Gesundheitssystem und die Spital-Fürsorge der Kinder und Jugendlichen?

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Berücksichtigen der sozialen und kulturellen Situation der Kinder und Jugendlichen Unsere Besuche im Hospital erlaubten es, einige soziokulturelle Variablen aufzudecken, in denen die Gründe für eine Erkrankung liegen. Sichtbar wurden ebenfalls die Variablen, die bei der Anpassungsleistung ans Spital auftreten, die negativen und positiven Folgen der Hospitalisation und es wurde deutlich, welche Rolle die Herkunft der kranken Kinder spielt. Dies alles hängt zusammen und beeinflusst den Verlauf seiner subjektiven Gesundheitssituation. Das Beobachtete führt notwendigerweise dazu, die sozialen Determinanten der Gesundheit zu berücksichtigen. Dieser Fachausdruck wird durch die WHO verbreitet und dient dazu, die Umstände der Herkunft und des Lebensalltags der Menschen zu beachten. Denn alle diese Faktoren beeinflussen den persönlichen Gesundheitszustand. Die genannten Bedingungen resultieren aus der Verteilung des Geldes, der Macht und der Ressourcen auf universeller, auf nationaler und lokaler Ebene. Und sie sind gleichzeitig abhängig vom Einfluss der gewählten Politiker. Wie die WHO aufzeigt, kann man den grossen Teil der Gesundheitsprobleme den sozio-ökonomischen Bedingungen der Menschen zuschreiben. Trotz dieser wichtigen Erkenntnisse bestanden die Lösungen der Gesundheitspolitik vor allem darin, Krankheiten zu behandeln, ohne über Interventionen im sozioökonomischen Bereich nachzudenken. Das hat z.B. zur Folge, dass sanitäre Probleme bestehen bleiben, dass sich die Ungleichheit in der Gesundheitspflege vergrössert und nötige Veränderungen und Interventionen nicht stattfinden. Der Einzug eines Programms wie dasjenige der Aulen im Spital erlaubt es, die sozialen Determinanten von Krankheiten mit aller Schärfe zu sehen und zu benennen. Das ist notwendig, um neue politische Richtlinien zu definieren, aber auch um eine Revision der Richtlinien von sozialen Programmen vorzunehmen, die mit Kinder und Jugendlichen im hospitalen Kontext arbeiten.

Diskussion

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Es wird deutlich, dass die individuelle Geschichte der Kinder berücksichtigt werden sollte, unter besonderer Aufmerksamkeit auf soziokulturelle Faktoren. Profile über die Bevölkerung zu erstellen, um administrative Eingriffe zu planen, greifen nicht wirklich in eine Veränderung ein. Es fehlt der ganzheitliche Blick auf Konflikte und Chancen in der Gesundheitspolitik. Für die Erholung von kranken Kindern muss man sich um einen ganzheitlichen Ansatz kümmern, bei dem im Zentrum die Variablen der objektiven Lebensumstände der Kinder stehen. Das bedeutet, dass der subjektive Faktor der sozialen und ökonomischen Situation ebenso wichtig ist wie der objektive und quantifizierbare. Die Herausforderungen, sich diesen Themen zu stellen, sind gross. Um sich damit zu beschäftigen und Situationen zu verändern, muss man all die erwähnten Faktoren berücksichtigen und in die Behandlung der kranken Kinder einbeziehen, wozu auch die Aula gehört, wo sie pädagogisch und sozial betreut werden. Die familiäre Situation und die dazugehörigen emotionalen Antworten des Kindes, beeinflussen das immunologische System der jungen Patienten. In der Studie war zu sehen, dass das Hospital nicht nur ein Ort ist, um eine Krankheit isoliert zu heilen. Ein Lehrstück gibt das Kind, das erzählt, dass das Spital eine Möglichkeit bedeutet, sich auszuruhen von seiner anstrengenden Arbeit als Kinderarbeiter. Dann gibt es jenes Mädchen, das im Spital ist wegen einer gewalttätigen Mutter und wiederholten Misshandlungen ausgesetzt war. Ein solches Kind findet im Hospital einen Ort, an dem nicht nur die Wunden der Schläge heilen können, sondern wo das Kind sich in einem Schutzrevier vor den körperlichen Übergriffen im Alltag befindet. Es sollte ein System bestehen, das die persönliche Situation des Kindes in den Behandlungsplan integriert , das nicht nur medizinisch eingreift, sondern auch die soziale Situation berücksichtigt und versucht, dort Lösungen zu finden. Wir müssen uns auch darüber Gedanken machen, wie das medizinische und pädagogische Personal besser vorbereitet und ausgebildet werden kann, um die ganzheitliche Behandlung kranker Kinder zu gewährleisten. Die Kinder sollten wissen, dass man ihre Situation versteht, dass man nicht nur auf ihre

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physische Verletzung achtet, sondern dass die Pflegepersonen wissen, woher sie kommen und unter welchen Umständen sie leben und leiden.

Die Aula im Spital: ihr Beitrag zur Stärkung eines Systems, in dem Kinder und Jugendliche im Zentrum stehen Die Resultate haben gezeigt, dass die Aula für die Kinder ein hoch geschätzter Raum ist, der sich von den übrigen Einrichtungen im Spital unterscheidet. Für Kinder, Eltern, Gesundheitspersonal und Lehrer hat die Aula die Kraft, die Hospitalisationserfahrung menschlich zu gestalten und alle Beteiligten zu entlasten. Die Aula ist ein Ort, an dem das Kind erfreuliche Erlebnisse finden und teilen kann. In erster Linie findet es dort einen zugewandten, sensiblen Dozenten, der es empfängt und auf wichtige Bedürfnisse antworten kann, d.h. freundlich begleitet zu werden im Spiel, im Gruppenleben und beim Lernen. Zudem ist die Aula ein Ort der Begegnung mit anderen Kindern, die durch ähnliche Krisen gehen. Auf diese Art erlebt sich das kranke Kind nicht isoliert mit seinem Schicksal. Auch das hat therapeutische Wirkung , welche die Heilung unterstützt. Das Netz der sozialen Unterstützung in der Aula ist auch auszudehnen auf die Eltern, die sich dort begegnen und über ihre Kinder austauschen können. Ein Elternteil meinte: “Es beruhigt auch uns“. So hat die Aula als Begegnungszentrum einen präventiven Effekt auf die Krise, durch die eine Familie mit einem kranken Kind geht. Durch Spielmaterial, Lernangebote und Gruppenerlebnisse wird das kranke Kind motiviert und vom Leiden abgelenkt. In den Zeichnungen zeigen die Kinder ihre Freude über die Möglichkeiten in der Aula, die auf ihre emotionalen und kognitiven Bedürfnisse antwortet.

Diskussion

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Dies bestätigen die interviewten Ärzte und Krankenschwestern, die in der Aula einen guten Ort sehen, an dem das Kind seine Angst in der Trennungssituation von seiner familiären und schulischen Umgebung bewältigen kann. Der Dozent wird mit freudiger Erwartung begrüsst, weil er für das Kind ein solidarischer und sensibler Partner ist, der keinen Druck ausübt, sondern interaktive Prozesse erleichtert. Auch für den Dozenten ist die Arbeit in der Aula eine Quelle von Freude und Menschlichkeit. Die Dozenten finden einen tiefen Sinn in ihrer Arbeit, fühlen sich berührt durch die Schicksale der Kinder und empfinden ihre Funktion höchst wirksam und bedeutungsvoll. All das Gesagte stärkt die Fähigkeit des Kindes, sich über die Widrigkeit der Krankheit hinweg zu setzen und seine Resilienz zu fördern. Die Aktivitäten und die Personen, die der junge Patient in der Aula trifft, stärken seine emotionalen Ressourcen. Die Erfahrung in der Aula befähigt die Kinder, zu spielen und zu kommunizieren. Das sind natürliche und elementare Grundbedürfnisse, die eine normale progressive Entwicklung von Kindern und Jugendlichen unterstützt. Dazu erlaubt die Aula, sich mit Freunden und mit der Familie zu treffen und trotz der Krankheit nicht isoliert zu sein. Auch die Technologie spielt in der Aula eine wichtige Rolle. Die Möglichkeit, im Internet mit anderen zu kommunizieren und mit der Welt in Kontakt zu sein, verwandeln das Spital in einen freundlicheren Ort. In erster Linie für die Kinder, aber auch für ihre Familien und für das Gesundheitspersonal. So geben die Aulen der Klinik einen deutlichen Wertezuwachs. Bleibt zu fragen, welche Aspekte optimiert werden müssen, um die positive Wirkung der Aula zu erhalten bzw. zu verstärken. Ein Aspekt, den man allgemein in Spitälern stärken muss, der von der Aula ausgehen könnte, ist die besondere Ausbildung der Dozenten und des Gesundheitspersonals im Hinblick auf das emotionale Verständnis von Kindern. Es wäre sinnvoll, Techniken und Verhaltensweisen weiter zu geben, die auf

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die besonderen Gefühlszustände kranker Kinder eingehen. All diese Aspekte werden ja in den Zeichnungen ausgedrückt und leiten die Erwachsenen im Gesundheitswesen an, diese zu berücksichtigen. Der Einbezug des Symbolspiels in die Räume der Aula, mit Puppen und anderen repräsentativen Spielzeugen gibt den kranken Kindern kreative Möglichkeiten, um den emotionalen Prozess der besonderen Lebensumstände in Balance zu halten. Das Programm AFTH gibt den Kindern einen Raum, der einen besonderen Beitrag zu Gesundung ist. Es bedeutet ein Vorbild für Rundum-Betreuung, die den Gesundheitsdienst in einen menschlicheren Ort verwandelt, an dem nicht nur die körperliche Heilung des Kindes beachtet wird, sondern seine emotionalen, intellektuellen und sozialen Entwicklungen gefördert werden. Es präsentiert sich als erfolgreiche Erfahrung, die zeigt, dass ein qualitativ höherer Betreuungsstandard in den Spitälern zu erreichen ist. Es braucht Entschlusskraft, Kreativität und Überzeugung, um die ganzheitliche Gesundheitsbetreuung von Patienten zu gewährleisten.

Diskussion

Schlussfolgerungen

Diese qualitative Studie zeigt die Lebensumstände und Bedürfnisse der hospitalisierten Mädchen und Knaben im Hinblick auf ihre Rechte im Hospital. Über die Analyse von 330 Zeichnungen während der Jahre 2008-2010 sowie vieler Stunden Symbolspiel, Interviews und ethnografischer Beobachtung von hospitalisierten Kindern kamen wir dem Verständnis der jungen Patienten ein grosses Stück näher und lernten ihre Wünsche kennen: • • • •



Sie fordern, als aktive Wesen wahrgenommen zu werden, die ihre Standpunkte und Bitten kommunizieren können. Sie suchen menschliche Bindungen und den Austausch mit dem Gesundheitspersonal, von dem sie Antworten auf ihre Gefühle und Respekt für ihre Bedürfnisse zur Heilung wünschen. Liebe, Spiel und Bewegung sind die wichtigsten Bestandteile, die im Gesundheitssystem für Kinder geboten werden sollten. Kranke Kinder und Jugendliche besitzen Stärken und Ressourcen, die ihnen helfen, ihre Resilienz im Kampf gegen die Krankheit zu unterstützen Diese Ressourcen können nur hervorgerufen werden in einer Spitalumgebung, die sich auf die emotionalen Bedürfnisse der kranken Kinder einstellt, wo eine empathische Behandlung gewährleistet ist und Räume für Spiel und Lernen bereit stehen, sowie eine Umgebung, in der vertrauensvolle Bindungen zu den pflegenden Erwachsenen entstehen können. Krankheit und Hospitalisation sind eine Krise, die bei den Betroffenen Spannung, Angst und Unsicherheit hervorruft. Dass diesen Gefühlen angemessen begegnet wird, dazu ist es nötig,

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dass das Gesundheitspersonal entsprechend geschult ist im Umgang mit Kindern und Patienten in Krisensituationen. Dass Lehrangebote und die Kommunikationstechnologien von den jungen Patienten hoch geschätzt werden, da es ihnen ermöglicht, in Kontakt mit der Aussenwelt zu bleiben und sich als Kranke weniger isoliert zu fühlen. Dass die betreuenden Erwachsenen lernen, die kindliche Sprache und Ausdrucksweise zu verstehen, und sich darauf einstellen, nicht nur verbal, sondern auch über Symbole und spielerisch zu kommunizieren. Dass das Gesundheitssystem beachten muss, dass auch soziale Umstände eine Krankheit verursachen. Somit brauchen die kranken Kinder und Jugendlichen nicht nur medizinische Betreuung, sondern eine ganzheitliche Form von Betreuung, die auch soziale und emotionale Aspekte wahrnimmt und darauf reagieren kann, beispielsweise auf häusliche Gewalt oder Kinderarbeit.

Dass die Aulen des Programms AFTH: • •



Verschiedene wichtige Funktionen erfüllen im Prozess der Anpassung an die neue Erfahrung, in einem Spital zu sein und damit auch zur Genesung Dass die Aulen einen hohen Wert haben für ihre jungen Benutzer und den Heilungsprozess unterstützen, da sie durch Spiel, Lernen und Begegnung von Krankheit und Leiden ablenken und sich in neue, liebevolle Beziehungen zu anderen Kranken und den Dozenten einlassen, was auch auf die Familienangehören der Kinder zutrifft. Dass sie den Kindern und Jugendlichen anbietet, wichtige neue Dinge zu lernen und TIC (Informations- und Kommunikations-Technologie) zu benutzen, was eine Integration im Spital unterstützt und die soziale Isolation vermindert.

Diskussion

Empfehlungen

Einige Empfehlungen, die sich von dieser Studie ableiten und helfen, politische Forderungen zugunsten der ganzheitlichen Betreuung von Jungen und Mädchen jeden Alters zu formulieren, sind: 1.

Die Praktiken der Betreuung des hospitalisierten Kindes stärken durch Kenntnisse des Personals über kindliche Entwicklungsprozesse und den Einfluss sozialer Lebensumstände. Dies erlaubt dem Personal, die Betreuung adäquat zu leisten und nicht nur auf medizinischer Ebene einzugreifen. Ein grösseres Wissen über die emotionale Welt der Kinder hat Wirkung auf die Beziehungen zwischen den Kranken und dem Personal. Der therapeutische Effekt eines in dieser Hinsicht geschulten Pflegepersonals wird nicht zu unterschätzen sein.

2.

Einen Plan zu erstellen, der die soziokulturellen Variablen beachtet, die beim am AFTH-Programm teilnehmenden Patienten sichtbar wurden. Das Programm hat die Möglichkeit, im Umfeld der physischen und mentalen Gesundheit eine präventive Rolle zu spielen, wenn die Pflegenden über die sozialen und emotionalen Hintergründe des einzelnen kranken Kindes mehr wissen.

3.

Es ist notwendig, Räume bereit zu stellen, wo sich die Eltern der hospitalisierten Kinder und Adoleszenten begegnen können. Das trägt dazu bei, dass die Lebensumstände der jungen Patienten verbessert werden. Diese Räume können zur Stärkung der sozio-emotionalen Elemente führen, da hier Austausch, Gespräch, Spiel und Lernen stattfinden und die Isolation der Kran-

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ken durchbrochen wird. Alle Aktionen des Programms stärken die Familie und damit auch das Kind. 4.

Es wird sehr empfohlen, Möglichkeiten des Symbolspiels und anderer kreativer Ausdrucksmöglichkeiten für die kranken Kinder anzubieten (Zeichnung, Kunst, Tanz etc.). Besonders wichtig ist das Medizinische Spiel, um den Kindern einen inneren Raum zu geben, in dem sie die Krankheitssituation besser verarbeiten können und dadurch ihre Resilienz gestärkt wird.

5.

Da das Programm AFTH das Spitalklima deutlich verbessert hat, ist weiterhin zu empfehlen, dass die spezifischen Aktivitäten ausgeweitet werden, auch über den pädagogischen Rahmen hinaus. So wäre es nötig, neue Methoden einzubeziehen, die auf die kindlichen Bedürfnisse der jungen Patienten eingehen können. Das Programm erfüllt real und symbolisch in jedem Spital eine Funktion, welche humanisiert und einen ganzheitlichen Charakter in die Hospitalisation bringt. Um eine Rolle über das pädagogische Angebot hinaus anzubieten, wäre es sinnvoll, sozial-präventive Interventionen einzusetzen. So sollte das vorhandene Programm überprüft werden, um neue Strategien für diese Ziele der ganzheitlichen Betreuung zu entwickeln.

Diskussion

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Giselle Silva Panez

Giselle Silva Panez hat auf dem Gebiet der Psychopathologie des Kindes- und Jugendalters an der philosophischen Fakultät der Universität Zürich doktoriert. Ihre Lizentiatsarbeit in klinischer Psychologie schrieb sie an der Pontificia Universidad Católica del Perú. Sie entwickelte ihre Laufbahn mit Hilfe von Untersuchungen und wurde zur spezialisierten Beraterin für diverse nationale und internationale Organisationen. Alle ihre Themen haben mit Kindern und Familien in verletzlichen Situationen zu tun. Die Schwerpunkte ihrer Arbeit liegen sowohl in einer multidisziplinären Sichtweise als auch in der Betrachtung interkultureller Aspekte, mit Focus auf ländliche Gebiete und den Sachverhalt extremer Armut. Aktuell ist Giselle Silva Panez akademische Forscherin der Fundación Telefónica. Ihre Untersuchungen konzentrieren sich auf Themen wie Resilienz, Kinderarbeit, Überwindung von Armut und Kinder mit Behinderungen. Seit 2012 ist sie Mitglied der Gruppe für die Evaluation der Forschungen der Pontificia Universidad Católica del Perú.

Das Buch Wie erleben Kinder einen Spitalaufenthalt anhand von Zeichnungen und Aussagen betroffener Kinder präsentiert die Resultate einer qualitativen Studie, welche ausgehend von der Analyse von 330 Zeichnungen, Interviews, ethnografischer Beobachtung und Aufzeichnen von Spielsituationen von hospitalisierten Kindern und Jugendlichen realisiert wurde. Mit all dieser reichen und lebhaften Information begibt sich Giselle Silva Panez in die innere Welt der kleinen Patienten, um ihre Erfahrungen und Bedürfnisse kennenzulernen, was ihnen am wichtigsten ist und was sie uns mitteilen möchten. So kommen wir zu wissenschaftlichen Erkenntnissen über ein sehr sensibles, wenig erforschtes Thema, welches jährlich Tausende von hospitalisierten Kindern in Peru und in der ganzen Welt betrifft. Die Studie macht darauf aufmerksam, wie wichtig es für das Gesundheitswesen und die Spitalpädagogik ist, die sozioemotionalen Aspekte einer Hospitalisation zu berücksichtigen. Diese Studie und die vorliegende Publikation wurden möglich dank der Unterstützung der Fundación Telefónica del Perú und ihr Programm Aulas Fundación Telefónica en Hospitales. Dank gebührt auch dem Instituto de Estudios Peruanos.

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