Eine kurze Geschichte Koreas

Eine kurze Geschichte Koreas 2333 v. Chr: Go-Joseon . 2333: soll das erste koreanische Königreich Joseon gegründet worden sein (Bild https://amydunkl...
Author: Stephan Thomas
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Eine kurze Geschichte Koreas 2333 v. Chr: Go-Joseon .

2333: soll das erste koreanische Königreich Joseon gegründet worden sein (Bild https://amydunkley.wordpress.com/tag/gojoseon/

Einer Legende nach hatte der himmlische Gott Hwanung eine Bärin, die sich (im Gegensatz zu einer Tigerin) geduldig nach seinen Anweisungen verhielt in eine Frau verwandelt. Mit ihr zeugte er den Gründer des ersten Königreichs, Tan’gun. Dieser regierte 1500 Jahre lang, gründete die Hauptstadt Pjöngjang und nannte sein Land Joseon (bzw. Choson). Heute wird es in der Regel Alt Joseon, d.h. GoJoseon genannt. Ein Grabmal für Tan’gun steht in Pjöngjang. Der Name Joseon wird mit den chinesischen Schriftzeichen chao (der Morgen) und xian (frisch, still) geschrieben, daher wird Korea auch «Land der Morgenstille» genannt. Joseon bestand aus Stammesgesellschaften. Einwanderer aus China brachten Wissen über Bronzeherstellung, dann Eisenguss, Seidenraupenzucht, textile Techniken und die Herstellung von Papier. (Kuhn 2014, Pos. 1482ff)

37 v. Chr. – 676 Drei Königtümer: Koguryeo, Baekje und Silla

Die drei Königtümer vor 532 und nach 560 (Chris 72 CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons) und Kuhn 2014, Pos 2605

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Das im Norden gelegene grösste Reich Koguryeo (Koguryo) nahm lange eine dominierende Stellung ein. In ihm wurden im zweiten Jahrhundert unter chinesischem Einfluss zentralistische Verwaltungsstrukturen durchgesetzt. In Silla setzte sich um 500 ebenfalls eine zentralisierte Regierung durch. Alle drei Königreiche nahmen den Buddhismus als Staatsreligion an. Dieser gab einerseits ein Erklärungsmodell für das Schicksal jedes einzelnen, liess sich aber auch gut in Schamanismus und Ahnenkult einpassen. Der Ahnenkult hatte nach wie vor (und hat bis heute) wichtige Bedeutung. Glück oder Unglück haben ihren Ursprung in zufriedenen oder unzufriedenen Alten. In dem die Könige sich mit Buddha gleichsetzten, sicherte die neue Religion auch ihre Macht (Kuhn 2014, Pos. 3802 ff.). Das Leben war ausserdem stark von der im dritten Jahrhundert eingeführten konfuzianischen Philosophie geprägt. Ihre Betonung von Loyalität und Kindspietät und die durch sie beeinflusste Erziehung unterstützten ebenfalls die bestehenden Verhältnisse. Silla konnte sich 532 die Stammesgemeinschaft Kaya einverleiben, gemeinsam mit Baekje griff es dann Koguryeo an, es gelang ihm, sein Gebiet wesentlich auszuweiten, Koguryeo hielt sehr lange stand, musste sich aber schliesslich in das Gebiet nördlich es Han-Beckens zurückziehen. Es bestand also damals ebenfalls eine Nord-Süd-Teilung des Landes (Kuhn 2014, 2638). Silla wurde zur Heimat der kulturellen und reichen Elite, die sich in der Hauptstadt Gyeongju (Kyongju) einrichtete. Bis heute kam nur ein südkoreanischer Präsident nicht aus der Silla-Region. Beruft sich Nordkorea of Koguryeo und Südkorea auf Silla, so fühlt sich die Baekje-Region (mit Gwangju) bis heute diskriminiert) (Cumings 2005, 30). 595, nach Überfällen Koguryeos auf China, vermochte die Sui- und danach die Tang-Dynastie dieses Königstum trotz 100 000en von Soldaten nicht zu besiegen. Koguryeo bewahrte damit auch Silla und Baekje vor Unterwerfung durch die chinesische Tang-Dynastie. Erst als Silla sich mit 1

den Tang verbündete, musste sich Koguryeo dem Ansturm ergeben. 30 Jahre später wurde der Nachfolgestaat Paerhe noch weiter nördlich gegründet. Wenn heute der chinesische Präsident einen Staatsbesuch in Südkorea macht, werden in Nordkorea Ängste vor einer geopolitischen Situation wach, in der es wie damals von Feinden umschlossen werden könnte. 676 – 935: Vereintes Silla-Königtum

Palast, Observatorium, Köngisgräber (Bilder

Das Silla-Königtum mit der Hauptstadt Gyeongju setzte sich 676 durch, es vereinte Korea zu weiten Teilen. Das Königtum Silla gilt als tausendjähriges Reich (57 v. Chr. – 935) und hat grosse kulturelle Leistungen hervorgebracht. Zeichen dafür sind Paläste, Tempel, das Observatorium und die Grabhügel in Gyeongju. Die ältesten mit Holztafeln gedruckten Schriftrollen aus dem Tempel Pulguk-sa in Gyeongju wurden vor 751 gedruckt (Kuhn 2014, Pos. 3701). Das vereinte Silla umfasste praktisch die ganze koreanische Halbinsel, eine koreanische nationale Identität begann sich herauszubilden (Kuhn 2014, Pos 2540, 2663). Silla war eine Klassengesellschaft, in der eine kleine Elite von Aristokraten prächtig aus den Steuereinkünften ihrer ererbten Dörfer lebte. Ihr stand eine Masse nahezu besitzloser Bauern, Unfreier und Sklaven gegenüber. (3283). Während in den riesigen Haushalten der Aristokraten bis zu 3000 Sklaven arbeiteten, lebte die Landbevölkerung in kleinen Siedlungen, die gut zu überwachen waren. (3287)

Tourist Office, HKE)

Reich Koryo (Korea,) 918 – 1392

Tripitaka Koreana (Bild via Peter Gautschi)

Aus dem Zusammenbruch Sillas (u.a. durch Machtkämpfe zwischen der Aristokratie und dem Königtum bedingt) gingen nach einem Putsch für kurze Zeit nochmals drei Reiche und dann das Reich Koryo (Korea) (918 – 1392) mit der Hauptstadt Kaesong hervor. Die Adelskultur (hierarchisches System der «Knochenränge») wurde reformiert, nach chinesischem Vorbild entstand ein Prüfverfahren für Beamte auf der Grundlage der konfuzianischen Klassiker. Buddhismus, Konfuzianismus und die chinesisch-koreanische Geomantik waren u.a. Grundlage des Staates. (Kuhn 2014, Pos. 2748) Jedoch nahm der Druck der Mongolen zu. Sie durchzogen und zerstörten das Gebiet mehrfach und unterwarfen das Land auch durch Heiratspolitik. In der Hoffnung, die Invasion aufhalten zu können, wurde 1236 – 1253 die zweite Tripitaka Koreana geschaffen, eine Holzdruckausgabe des buddhistischen Kanons (Bild). Die über 80 000 Druckstöcke sind heute noch erhalten und im Haeinsa-Tempel in der Nähe von Daegu zu betrachten. Ausser Japan war in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts ganz Ostasien von den Mongolen beherrscht.

Joseon-Dynastie, 1392 – 1910 1392-1910 ist die Zeit der Joseon-Dynastie. Jetzt dominierte der Neo-Konfuzianismus, die Macht des Buddhismus wurde eingeschränkt. Philosophie und Literatur erlebten eine Blütezeit; unzählige Paläste entstanden in der neuen, geomantisch günstig gelegenen Hauptstadt Hanyang, dem heutigen Seoul. Internes Papier für die Studienreise der PH Zürich

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Gyeongbokgung Seoul (Bild Tourist Office)

An Stelle der einflussreichen landbesitzenden Aristokratie und der buddhistischen Klöster traten die Yangban, die Zivil- und (weniger hoch angesehenen) Militärbeamten als neue gesellschaftliche Elite. Sie legten nach konfuzianischem Muster Beamtenprüfungen ab, die an sich allen offen standen, tatsächlich konnten sich aber nur Yangban die aufwendige und kostspielige Vorbereitung für ihre Söhne leisten. (Kuhn 2014, 6819) 1443 wurde von König Sejong das koreanische Alphabet Hangeul geschaffen bzw. in Auftrag gegeben, es gilt unter Linguisten bis heute als eine Meisterleistung und es ermöglichte, dass auch Bauern (und Frauen, denen weniger Zeit zur Verfügung stand, um die chinesischen Schriftzeichen zu lernen) lesen und schreiben lernen konnten. Bei den Yangban, die am Chinesischen festhielten, stiess das neue Alphabet allerdings mehrheitlich auf Ablehnung. Im 16. Jahrhundert waren immer noch 20 -30% der Bevölkerung Sklaven. (Kuhn 2014, 6828)

Hangeul (Korea Foundation 26)

Schildkrötenschiff greift japanische Marine an http://s317.photobucket.com/user/mauther/media/papermau%20posts/Ataquedenavio-tartaruga.jpg.html

Bild: http://asiasociety.org/religious-influence-korean-art

Die Stellung der Frau hatte sich durch die strikte Anlehnung an die neo-konfuzianischen Vorschriften stark verschlechtert. Frauen konnten ohne Erlaubnis des Ehemannes nicht mehr aus dem Haus, mussten einen Schleier tragen und hatten wenig Rechte (Kuhn 2014, 6899 ) Ab 1592 griff Japan Korea mehrfach an und eroberte Teile des Landes. (Imjin-Krieg) Ziel Japans war die Einnahme Chinas. Die Ming-Dynastie unterstützte darum Korea mit Soldaten und Geld. Dank der kleinen und wendigen «Schildkrötenschiffe», gelang es Admiral Yi Sunsin schliesslich, grosse Teile der japanischen Flotte zu zerstören und die japanische Armee so vom Nachschub abzuschneiden. Japan musste kapitulieren. Die während des Imjin-Krieges nach Japan verschleppten Koreaner verbreiteten dort neue Ackerbautechniken und Nutzpflanzen und neue Handwerkstechniken in der Keramik. Der Krieg liess Korea, Japan und China enorm geschwächt zurück. Korea erholte sich nur langsam von den Imjin-Kriegen, und wurde immer wieder auch von internen Machtkämpfen innerhalb der Yangban-Parteiungen und des Königshauses erschüttert. Ausserdem wirkten sich die Eroberung Chinas 1644 durch die Mandschuren und der damit verbundene Wechsel von der Ming zur (mandschurischen) Qing-Dynastie stark auch auf Korea aus, das sich nun den Mandschuren unterwerfen musste und sich noch stärker isolierte. Insgesamt war Ostasien um 1800 aber die Weltregion mit der grössten gesellschaftlichen Stabilität und wirtschaftlichen Macht, die Menschen in China, Korea und Japan verfügten über einen deutlich höheren Lebensstandard als ihre Zeitgenossen in Europa. (Kuhn 2014, 6109ff.) Das Bild änderte sich im 19. Jahrhundert rasant – die ostasiatischen Länder wurden jetzt von den westlichen Mächten zur Öffnung gezwungen. Als erstes Land musste sich China während der Opiumkriege (1839 – 1842) «ungleiche Verträge» aufzwingen lassen, danach wurde Japan durch US-Kriegsschiffe 1853 zur Öffnung gezwungen. Japan passte sich durch die Meji-Restoration weitgehend an und

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Bilder Carlo Rosetti, Seoul 1902 – 1903 (Pinterest) und Japanische Besetzung (Public Domain)

galt im Westen bald als exotisches Vorzeigeland. Korea versuchte sich zunächst allen «Öffnungsversuchen» zu verschliessen, konnte sich der Kanonenbootpolitik aber mit nichts widersetzen und musste 1876 einen ungleichen Vertrag mit Japan, danach auch mit den USA, Grossbritannien und Deutschland unterzeichnen. Japan wurde durch den Sieg im chinesisch-japanischen Krieg mächtiger und Korea selbst war von Kämpfen zwischen verschiedenen Fraktionen von Reformern und konfuzianischen Bewahrern zerrissen. Innert weniger Jahrzehnte zerbrach die Joseon-Dynastie. Japan, das nach dem Sieg im russisch-japanischen Krieg 1904 zur führenden Macht in der Region geworden war, errichtete vom Westen unterstützt 1905 zunächst ein Protektorat und unterwarf, nachdem der letzte Kaiser zum Rücktritt gezwungen worden war 1910 Korea als Kolonie. (nach Cumings 2005, 139ff.).

Japanische Kolonie 1910 - 1945

Die «Einheit von Rassse und Reich: Japan – Choson», 1920er-Jahre. PD, https://de.wikipedia .org/ wiki/ Krea_unter_japanischer_Herrschaft

Rekrutierung für Zwangsarbeitern http://www.japanfocus.org/-William-Underwood/2219/article.html)

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Japan brachte alle Lebensbereiche mit einer grossen Polizeitruppe (mit 40 bis 50% koreanischen Mitgliedern) und einem Heer von Zivilbeamten (mit ebenfalls einem grossen Anteil Koreanern) unter Kontrolle. Der Widerstand nahm nach dem ersten Weltkrieg zu, es kam zu vielen Demonstrationen, Anschlägen, Guerillakrieg. Der Widerstand bestand sowohl aus linksgerichteten, z.T. kommunistischen wie aus «nationalistischen» Gruppierungen, die beide für ein unabhängiges Korea kämpften. Das Kolonialregime wurde immer repressiver. Gleichzeitig wurde Korea modernisiert und teilweise industrialisiert, um für Japan produzieren zu können. Strassen und Eisenbahnen wurden gebaut. 1932 errichtete Japan in der Mandschurei den Marionettenstaat Manchuko, der u.a. mit 1.5 Mio Koreanern besiedelt wurde, die mit Reisanbau, aber auch als Soldaten, Händler, Bürokraten beschäftigt wurden. Die staatlich-militärisch gelenkte Industrialisierung in Manchuko beeinflusste nach dem Koreakrieg die Form der Industrialisierung in Südkorea wesentlich. Während des zweiten Weltkrieges wurde Korea als Industriestandort für die japanischen Zaibatusu wie Mitsubishi und Nissan immer wichtiger, die familienkontrollierten und staatlich unterstützten Konglomerate waren Modelle für die koreanischen Chaebol, deren erste in den frühen 1940erJahren entstanden. Ein grosser Teil der damaligen «Elite» kompromittierte sich (unter grossem japanischem Druck) und arbeitete mit den Japanern zusammen. Landbesitzer aus der YangbanKlasse konnten ihr Land behalten und mussten auf Vertragsbasis v.a. Reis nach Japan liefern. (Cumings 2005, 171). Die Bevölkerung wurde gewaltsam assimiliert. Die koreanische Sprache wurde verboten. Jedes Dorf hatte eine Quote einzuhalten und Einwohnerinnen und Einwohner für Dienste in der japanischen Armee oder Industrie zur Verfügung zu stellen (1941 waren 1.4 Millionen Koreaner/innen in Japan, Hunderttausende kamen bis Kriegsende dazu). Auf diese Weise wurden auch die «Trostfrauen» rekrutiert, koreanische Mädchen und Frauen, die in japanischen Kriegsbordellen arbeiten mussten. (Cumings 2005, 179). 4

1945 bis zum Korea-Krieg

Demonstration gegen die „Trusteeship“, d.h. Fremdverwaltung Koreas (http://www.bluetoday.net/news/articleView.html?idxno=3068)

Massaker während der Yeosu-Rebellion http://www.quazoo.com/q/Yeosu%E2%80%93Suncheon_Rebellion

Wahlen in Südkorea (http://www.snipview.com/q/1940s_in_South_Korea)

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In den Konferenzen während des zweiten Weltkrieges (Teheran, Kairo) war vorgesehen worden, Korea unter eine gemeinsame Treuhandschaft verschiedener Länder zu stellen, so dass es sich langsam auf die Unabhängigkeit vorbereiten könne. Gleichzeitig war die UdSSR von den anderen Allierten verpflichtet worden, 90 Tage nach Kriegsende in Europa in Asien in den Krieg einzutreten. Sowjettruppen marschierten deshalb vereinbarungsgemäss am 8. August 1945 in den Norden Koreas ein. Die USA schlugen hastig eine Trennung der Besatzungszonen am 38. Breitengrad vor und landeten nach der Kapitulation Japans einen Monat später im Süden. Da Korea ja befreit wurde, gab es eigentlich weder Grund für eine Besetzung noch für eine Teilung. Teilungsgrund war v.a. der beginnende kalte Krieg zwischen Ost und West, jede Sphäre wollte der anderen keinen zusätzlichen Einfluss zugestehen. Die beiden Siegermächte konnten sich deshalb nicht wie ursprünglich geplant auf Modalitäten für eine Vereinigung des Landes einigen und auf eine gemeinsame Regierung einigen. Die Sowjetunion favorisierte den ehemaligen Guerilla Kim Il Sung als Präsidenten, die USA mangels Alternativen den seit langem in den USA lebenden Unabhängigkeitskämpfer Rhee Sing-man. Die Sowjetunion war besser auf den Aufbau einer Besatzungszone vorbereitet als die USA, denen es z.B. an Übersetzern fehlte. Korea selbst war tief gespalten, die ehemalige Elite hatte unter dem Kolonialregime ganz gut gelebt und bot sich deshalb nicht für den Aufbau eines neuen Staates an, breite Bevölkerungsschichten sympathisierten mit dem Sozialismus und wollten eine Landreform. Eine Mittelschicht gab es nicht. Die USA unterstützen aus Angst, der Kommunismus werde sonst siegen, die ehemalige Elite, setzen aber später auch eine Landreform durch (Cumings 2005, 194ff.) Im Süden wurden eine Koreanische Polizei und der Vorläufer einer Armee aufgebaut, für beides mussten sich die USA stark auf koreanische Offiziere und Soldaten der früheren japanischen Armee stützen. Ein provisorisches UNO-Komitee setzte 1948 Wahlen an, der zahlenmässig unterlegene und mittlerweile straff organisierte Norden weigerte sich, eine gemeinsame Regierung mitzuwählen. Rhee Sing-man gewann bei den im Süden trotzdem durchgeführten Wahlen, die ROK, Republic of Korea wurde gegründet. Wenig später wurde im Norden die «Demokratische Volksrepublik Korea» unter Kim Il Sung errichtet. Im Süden herrschte an vielen Orten Bürgerkrieg, Polizei und Paramilitärs richteten Blutbäder an, die Gefängnisse waren mit «Kommunisten» überfüllt. Die Bevölkerung rebellierte gegen Polizei und Militär, die Rebellionen von Cheju und Yeosu (bei Gwangyang), die Tausenden das Leben kosteten, sind die bekanntesten. Im Norden wurde nach sowjetischem und chinesischem Vorbild und mit vielen neokonfuzianischen Anteilen eine Volksrepublik als Einparteienstaat aufgebaut, Repression, «Umerziehung» und die «Eliminierung» aller, die mit Japan zusammengearbeitet hatten, gehörten zur Tagesordnung, es wurde eine Landreform durchgeführt. 5

1949 zogen im Süden die USA, im Norden die UdSSR ihre Truppen zurück, Militärberater blieben im Land. 1949 ging der chinesische Bürgerkrieg zu Ende, die Kuomintang mit Chiang Kai-schek musste sich nach Taiwan zurückziehen. Zehntausende von koreanischen Soldaten, die für Rotchina gekämpft hatten (alte Kommunisten und solche, die vom Regime Kim Il Sungs gezwungen wurden, sich «freiwillig» dafür zu melden), kehrten kampferprobt nach Nordkorea zurück.

Kim Il Sung und Rhee Sing-man (20 min, Wikipedia)

Sowohl der Süden wie der Norden wollten eine Wiedervereinigung, die Regierungen waren auch bereit, eine solche mit militärischen Mitteln zu erzwingen. Im Süden (v.a. im Süden Südkoreas) wurde ein Guerillakrieg gegen die Regierungstruppen und die Polizei geführt, ein Grund dafür war, dass die Bauern nach wie vor fast mittellose Pächter waren, die einen hohen Teil des Landertrages den Landeigentümern abgeben mussten. An der innerkoreanischen Grenze fanden ständig Kämpfe statt mit Hunderten von Toten auf beiden Seiten. Die Warnung der USA, im Falle eines Angriffs auf Nordkorea sämtliche militärische und ökonomische Unterstützung zurückzuziehen hielt Rhee Sing-man davon ab, eine Invasion zu starten. Die USA wollten Südkorea lediglich unterstützen, falls es selbst angegriffen würde. Aussenminister Acheson gab aber auch dazu widersprüchliche Signale. Kim Il Sung hingegen war mit den aus China zurückgekehrten Truppen gut gerüstet, er hatte von Stalin ein zögerliches Einverständnis für eine Invasion erhalten und von Mao die Zusicherung, den Norden im Dienste der Weltrevolution zu unterstützen, sollte das nötig sein. Am 25. Juni 1950 begannen nordkoreanische Truppen nach Süden vorzurücken.

Korea-Krieg 1950 - 1953

Landung in Incheon (Bild Wikipedia) Internes Papier für die Studienreise der PH Zürich

Südkorea wurde innert kurzer Zeit völlig überrollt. Die UNO beschloss, Südkorea zu unterstützen, die UdSSR boykottierte die entsprechende Sitzung des Sicherheitsrates, weil Rotchina darin nicht vertreten war, sie legte also ihr Veto nicht ein. Der hochdekorierte alliierte Oberbefehlshaber Pazifik, General Douglas MacArthur übernahm den Befehl über die UN-Truppen, die US-Streitkräfte stellten zahlenmässig das weit grösste Kontingent. Sie wurden in Eile von Japan her in Busan angelandet, vermochten aber den Vormarsch der nordkoreanischen, z.T. von südkoreanischen Partisanen unterstützten Truppen nicht aufzuhalten. Wie später in Vietnam wussten die US-Soldaten nicht, auf welcher Seite die Zivilpersonen standen, es kam auf beiden Seiten zu Massakern. Im September war lediglich noch der Perimeter um die Hafenstadt Busan (grün auf der Karte) unter südkoreanischer Hoheit. Durch eine amphibische Landung bei Incheon gelang den UN/US-Truppen unter MacArthur im September ein Befreiungsschlag. Seoul wurde wieder zurückerobert, die USA und vage die UNO entschieden sich nicht dafür, sich mit dem Status quo zufrieden zu geben, Südkorea wollte ohnehin die Wiedervereinigung. Die UN-Truppen überschritten also den 38. Breitengrad und stiessen schnell nach Nordkorea vor. Während der Besetzung Südkoreas hatten die nordkoreanischen 6

Truppen viele politische Gefangene freigelassen, in Südkorea kommt jetzt es zu Morden und Massakern. Die UN-Truppen stiessen auf wenig Widerstand, die nordkoreanischen Truppen hatten sich in die Berge zurückgezogen, Pjöngjang wurde eingenommen, die Armee rückte gegen den Yalu an der chinesisch-nordkoreanischen Grenze vor. Zum Erstaunen der UNO bzw. der USA griff jetzt China in den Krieg ein, Mao schickte mehrere Divisionen von «Freiwilligen» (z.T. ehemalige Kuomintang-Kämpfer, die dazu gewungen wurden), sie erhielten von der Sowjetunion beschränkte Luftunterstützung. MacArthur verlangte 30 Atombomben und hatte offenbar den Plan, einen breiten Streifen zwischen Nordkorea und China mit Kobalt zu verseuchen, so dass er für eine Landarmee für viele Jahrzehnte nicht mehr zu überqueren wäre. (New York Times-Interview mit MacArthur 1954, veröffentlicht 9.4.1964) Präsident Truman enthob im April 1951 General MacArthur all seiner Funktionen, was in Japan, wo er als Commander der Besatzungsmacht äusserst beliebt war und in den USA, wo er als Kriegsheld verehrt wurde zu heftigsten Reaktionen führte. Der Einsatz von Atomwaffen wurde aber weiterhin als Option angesehen. Karte Wikipedia, Bild http://mitchellarchives.com/wp-content/uploads/2008/10/macarthur-fired-hf.jpg

Pablo Picasso: Massaker in Korea, 1959 http://www.pablopicasso.org/massacre-in-korea.jsp

Zerstörte Städte http://edition.cnn.com/2013/06/28/world/asia/korean-warfast-facts/

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Der Krieg wurde unbeschreiblich grausam geführt, Napalm wurde gegen Dörfer eingesetzt, sämtliche nordkoreanischen Städte wurden komplett zerbombt, beide Seiten machten sich vieler Kriegsverbrechen schuldig. Massentötungen von Zivilisten waren häufig, sei es durch UN-Truppen, um Partisanen einzudämmen, sei es zur Einschüchterung durch nordkoreanische und chinesische Truppen. Kim Il-sungs Truppen ermordeten systematisch Kriegsgefangene und auf dem Rückzug durch Nordkorea auch unzählige bereits in Haft befindliche politische Gefangene. Die UN/US-Truppen bombardierten Dämme, so dass Teile Nordkoreas überflutet wurden und die Landwirtschaft zusammenbrach. Wohl über 2 Millionen Zivilisten starben – trotzdem konnten die UN-Truppen die eroberten Gebiete nicht halten und wurden von Nordkorea und China bis in die Umgebung des 38. Breitengrades zurückgedrängt. Zwischen 1951 und 1953 folgte - während 765 Treffen zur Aushandlung von Waffenstillstandsmodalitäten - noch ein erbitterter Stellungskrieg und Nordkorea wurde weiterhin mit Bombenteppichen überzogen. Man konnte sich nicht über den Austausch der Kriegsgefangenen einigen, v.a. viele Nordkoreaner wollten im Süden bleiben und Rhee Sing-man, der ohnehin gegen einen Waffenstillstand war, liess ohne Rücksprache mit der UN Tausende frei. Nach Stalins Tod befürwortete Chrutschew einen Waffenstillstand und Mao gab seinen Widerstand auf. Der Waffenstillstand wurde schliesslich am 27. Juni 1953 in Panmunjon geschlossen, er wurde von der UNO, Nordkorea und China, nicht aber von Südkorea unterschrieben.

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Der Koreakrieg hat bis zu 4.5 Millionen Menschen das Leben gekostet, nach Unterzeichnung des Waffenstillstandsvertrags, war man wieder beim Status quo ante und eine Wiedervereinigung Koreas war in sehr weite Ferne gerückt. (Nach Cumings 2005, Seth 2011 und Stöver 2013) Von Rhee zu Park 1953 - 1967

Bild http://populargusts.blogspot.ch/2006_04_01_archive.html

Park Chun-hee (Bild YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=UA92mb3d3x0

Nach dem Korea-Krieg gelang es dem (1875 geborenen) Rhee Sing-man mit autokratischen Methoden in Südkorea an der Macht zu bleiben und US-Aufbaugelder ins Land zu kanalisieren. Im Norden wurden unter Kim Il Sung zunächst mit Hilfe von ethnischen Koreanern aus der Sowjetunion Städte und Industrie wieder aufgebaut, ein totalitärer, militarisierter, sich am Personenkult Stalins und Maos orientierender Staat entstand, der bis anfangs 1970er Jahre wirtschaftlich erfolgreicher war als der Süden. Nachdem 1960 Rhee im Süden Wahlresultate offensichtlich fälschen und Demonstrationen niederschiessen liess, wurde er von der Strasse und schliesslich auch von den USA zum Rücktritt gezwungen und ging nach Hawaii ins Exil. 1960 – 1961 war die Zeit der «Zweiten Republik», die meisten Bevölkerungskreise waren immer noch bitterarm, das Parlament verlor sich in Redeschlachten, Studierende wollten sich mit nordkoreanischen Studierenden zusammentun um die Wiedervereinigung einzuleiten. Offiziere putschten daraufhin am 16. Mai 1961, lösten Parlament und Regierung auf und setzten eine Junta unter Park Chung-hee ein. Das Militär sollte die Macht bis 1993 nicht wieder abgeben. 1963 wurde Park unter einer neuen Verfassung («Dritte Republik») zum Präsidenten gewählt und nachdem der wirtschaftliche Aufschwung begonnen hatte, 1967 komfortabel wiedergewählt.

Beispielloser wirtschaftlicher Aufschwung… Die 1960er-Jahre stehen für einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung Südkoreas. Cumings (2005, 300ff.) meint, dass er durch folgende Faktoren ermöglicht wurde: - Krieg und Landreform hatten die alten Klassenstrukturen und Herrschaftsverhältnisse zerschlagen und die Koreaner entwurzelt, alle mussten neu anfangen - Anstelle der früheren Aristokratie traten jetzt Entrepreneurs, die z.T. schon während des Krieges durch Initiative und Geschäftssinn zu Geld gekommen waren. Cumings meint, dass Entrepreneurship, um zu überleben mit am Beginn des Wirtschaftsaufschwungs stand («The great markets were the gathering place for peasants become entrepreneurs (…) an incubator of capitalism every bit as good as the Harvard Business School» (308) - Sehr viel amerikanisches Geld floss ins Land, Armee und Soldaten waren gute Abnehmer für Industrieprodukte und gute Konsumenten. Der Vietnamkrieg kurbelte die Nachfrage nochmals an - Die Normalisierung der Beziehungen zu Japan, die ebenfalls viel Geld ins Land brachte

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Bildung, harte Arbeit, Entrepreneurship Bilder: https://www.youtube.com/watch?v=jmE6i4SCMLE http://www.koreabang.com/2012/pictures/former-us-soldier-shares-amazing-photos-of-1964-korea.htm

POHANG-Steel (Bild Posco)

Die Top 4 unter den Chaebol

Das koreanische Militär, in das sämtliche Männer zwei Jahre eingezogen werden, wirkte auch als Disziplinierungsanstalt, die auf disziplinierte Fabrikarbeit vorbereitete - Enormer Fleiss, harte, oft sehr schlecht bezahlte und unter miserablen Bedingungen geleistete Arbeit - Die Hochschätzung der Bildung und des Beamtentums. Warum sollten gebildete Beamte nicht eine wichtige Rolle bei der Lenkung der Wirtschaft übernehmen? - Tatsächlich lenkte der Staat zunächst durch Währungspolitik, danach durch die Förderung des Chaebol-Systems, einem eigentlichen Staatskapitalismus, den wirtschaftlichen Aufschwung wesentlich mit Im Chaebol-System garantierte der Staat den grossen Konglomeraten wie Samsung und Hyundai sehr günstige Kredite, vergab ihnen Aufträge, ermöglichte Exporte, verbot Gewerkschaften, schränkte die Konkurrenz ein, stellte eine gute Schulbildung sicher und erwartete im Gegenzug, dass die Fünfjahrespläne eingehalten und das zunächst autokratische später diktatorische politische System unterstützt wurde. Politik und staatliche Bürokratie, die über die Kreditvergabe wachte waren also aufs Engste – z.T. durch Heirat – mit der Wirtschaftselite verbandelt und voneinander abhängig. Südkorea wurde zunächst zum Eldorado der leichten Industrie für das untere Marktsegment (Textilien, Schule, Transistorradios, Fernseher, Haushaltgeräte), mit dem «Big Push» Parks zu Beginn der 1970er Jahre kam die Schwerindustrie hinzu, mit dem Stahl auch Chemie, Schiffbau und Automobilindustrie und schliesslich die Elektronik hinzu. Entgegen aller Voraussagen der Ökonomen war auch der «Big Push», bei dem nach dem gleichen Rezept des Staatskapitalismus vorgegangen wurde hoch erfolgreich. Für den Aufbau von Know-how wurden temporär Joint-ventures mit ausländischen Firmen eingegangen. Park Chung-hee (dessen Tochter heute Präsidentin ist) wird wegen des wirtschaftlichen Aufschwungs von vielen Südkoreanern immer noch hoch verehrt. (nach Cumings 2005 und Seth 2013)

… und Militärdiktatur

Nixon und Mao 1972 www.chinafile.com

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Neben den wirtschaftlichen Erfolgen ist die Geschichte Koreas bis in die 1990er-Jahre aber geprägt von Militärdiktatur, Repression und Gewalt. Auch weil sich die weltpolitische Lage änderte (Nixon-Besuch in China, Abzug der USTruppen aus Vietnam) fühlte sich das Park-Regime von innen und aussen bedroht. Park führte ab 1971 die «Yushin» («Revitalisierungs»)-Regierung mit einer Verfassung ein, die ihm praktisch unbeschränkte Macht gab («4. Republik»). Mit der Stärkung der koreanischen CIA (KCIA) wurde ein Repressionsapparat aufgezogen. Demonstrationen von Studierenden wurden brutal niedergeprügelt, die Polizei marschierte in den Universitäten ein, Dissidenten wurden gefoltert oder zum Tode verurteilt (der spätere Präsident Kim Dae Jung konnte nur durch das energische Einschreiten der USA vor der Exekution bewahrt werden). Neben den Universitäten war in den Chollas, d.h. im Südwesten des Landes um Gwangju der stärkste Widerstand vorhanden, diese Region hatte von der Industrialisierung praktisch nicht profitiert. 9

The Guardian, http://kalboor.com/kcia

1979 wurde Park Chung-hee inmitten von Machtkämpfen, wie gegen die zunehmend stärker werdenden Dissidenten vorzugehen sei, von seinem KCIA-Chef bei einem Nachtessen erschossen. General Chun Doo Hwan putschte sich danach in Armee und KCIA an die Macht, auch wenn die Regierung formell noch zivil war. Demonstrationen mit sehr vielen Teilnehmenden, einerseits in Seoul, andererseits in Gwangju, wo die Opposition besonders stark war, fanden nun fast täglich statt.

Gwangju-Aufstand 1980

Bilder 518.org

Am 17. Mai 1980 verhängte das Militär den Ausnahmezustand und schloss alle Universitäten. Am 18. Mai («518») kam es in Gwangju zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen dem Militär und Studierenden, in dem die Truppen wahllos Leute erschossen. Grosse Teile der Bevölkerung solidarisierten sich darauf mit den Studierenden, die Menge konnte schliesslich die Regierungsgebäude besetzen und die Macht übernehmen. Am 27. Mai übernahm die südkoreanische Armee mit einer Truppenstärke von 20 000 Mann die Kontrolle über die Stadt wieder. Während diesen 10 Tagen verloren um die 2000 Beteiligte und Unbeteiligte (Gwangju-Massaker) ihr Leben. Eine Kontroverse um das Verhalten der USA entfaltet sich bis heute, standen doch grosse Teile der koreanischen und die US-Truppen unter dem gemeinsamen Kommando eines US-Generals. (Cumings 2005, 381ff. und Seth 2013, 435 sind verschiedener Ansicht über seine Rolle). Auch wenn die eingesetzten Truppen ihm nicht unterstanden, hatte das GwangjuMassaker doch erheblichen Anti-Amerikanismus zur Folge.

Transition und Demokratie, Asienkrise

Logo und Eröffnungszeremonie der Olympiade 1988

In der Folge liess Chun Doo Hwan alle politische Aktivität verbieten, machte sich 1981 selbst zum Präsidenten («5. Republik») und liess 37 000 Personen in Umerziehungslager stecken (Cumings 2005, 383). Der Widerstand vor allem der jungen Generation liess sich aber trotz grosser Repression nicht mehr gänzlich ersticken, Kim Dae Jung kam 1985 aus dem Exil in den USA zurück. Nachdem die Regierungspartei (faktisch die einzige Partei) Roh Tae Woo zum Nachfolger Chuns nominiert hatte, wurden erneut grosse Demonstrationen abgehalten und Roh Tae Woo versprach – die Olympiade vor der Türe – auf Dezember 1987 freie und faire Wahlen. Weil sich die Opposition nicht auf einen Kandidaten einigen konnte (sowohl Kim Young Sam wie Kim Dae Jung kandidierten) gewann Roh Tae Woo die Wahlen mit etwas über 30% der Stimmen. Eindrücklich war, wie stark regional abgestimmt wurde, so erhielt Kim Dae Jung in Gwangju 93.4% der Stimmen (Cumings 2005, 393). Obwohl demokratisch gewählt, gewährte Roh Tae Woo dem Militär noch sehr viel Macht. Mit der Olympiade konnte sich Südkorea aber erstmals als modernes, nun demokratisches Land mit einer grossen Kultur darstellen. Mit der Wahl von Kim Young Sam 1993 verlor das Militär sein politische Macht ganz und zwei frühere Präsidenten mussten sich vor Gericht verantworten. Die Asienkrise 1997 – 1998 schüttelte das Land wirtschaftlich nochmals

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Asienkrise (http://www.economist.com/node/9401752)

Time Magazine 15.3.1999

stark durch. Überschuldung und industrielle Überkapazitäten hatten zu einer Kreditblase geführt, nach deren Platzen (zuerst in Thailand) Südkorea und damit all seine Chaebol mehr oder weniger bankrott waren, die Währung verlor die Hälfte ihres Wertes. Der IWF musste 57 Milliarden USD einschiessen und knüpfte die Auflage daran, die enge Verknüpfung Chaebol – Staat – Banken aufzulösen, d.h. den «Staatskapitalismus» durch freie Marktwirtschaft zu ersetzen. In dieser Zeit wurde Kim Dae Jung zum Präsidenten gewählt, der (nicht aus neoliberaler, sondern eher aus gemässigt linker Perspektive) diese enge Verknüpfung ebenfalls aufheben wollte. Es gelang ihm, mit den neu zugelassenen Gewerkschaften einen Deal zu schliessen, der auch viele Entlassungen ermöglichte. Die Arbeitslosigkeit erreichte 8%, die Suizidrate erhöhte sich um 50% (Seth 2013, 491). Gleichzeitig konnten die bisher kaum existierenden Sozialversicherungen etwas ausgebaut werden. Dank billiger und langer Arbeit, familiärer Solidarität, Entrepreneurship, viel Innovationsvermögen, der Erschliessung von neuen Märkten in Südostasien und China und der schwachen Währung, die Exporte begünstigte gelang es Südkoreas Wirtschaft schnell, sich wieder aufzurappeln und die IWF-Kredite zurückzuzahlen (492). Oder, wie Cumings schreibt «Koreans in the South have worked their fingers to the bone to create the industrial country that we know see.» (Cumings 2005, 341)

Verhältnis zu Nordkorea

Time Magazine, 26.6.2000

Leidet keinen Hunger: Kim Jong-un (http://www.20min.ch/ausland/news/story/Nordkoreadroht-eine-Hungersnot---Kim-nicht-21321773) Internes Papier für die Studienreise der PH Zürich

Unter Kim Dae Jung und seinem Nachfolger wurde bis 2007 auch versucht, durch Nahrungsmittellieferungen mit Nordkorea wieder ins Gespräch zu kommen, man sprach von «Sonnenscheinpolitik». Die «Demokratische Volksrepublik Korea» hatte zuvor mit Entführungen, Attentaten auf Flugzeuge und auf das «Blaue Haus», bei der Parks Frau ums Leben gekommen war, einer Bombenattacke auf die südkoreanische Regierung 1983 in Rangun und Invasionspläne deutlich gemacht, dass es die Wiedervereinigung mit allen Mitteln anstrebte. Zwischendurch war es auch zu Annäherungen zwischen den Regimes gekommen. Kim Il Sung war 1994 gestorben, er wurde durch seinen Sohn Kim Jong Il abgelöst, der ganz auf das Militär setzte. Nordkorea litt unter Hungerkrisen, zwischen 1995 und 1998 starben zwischen 600 000 und einer Million Menschen an Hunger (Seth 2013, 468). Gleichzeitig trieb das Regime sein Atom- und Raketenprogramm voran. Der Besuch von Kim Dae Jung 2000 in Pjöngjang liess Hoffnungen auf eine friedliche Verständigung aufkommen, die aber – bis auf die gemeinsame Industriezone Kaesong in der zeitweise bis zu 40 000 Nordkoreaner für südkoreanische Firmen arbeiteten – nie eingelöst wurden. Nahrungsmittelprogramme wurden ab 2008 eingestellt, da Nordkorea sich einem Monitoring verweigerte und der neue Präsident Südkoreas Lee Myung-bak eine härtere Linie fuhr. Auch nach dem Tod von Kim Jong Il 2011 unter seinem Sohn Kim Jong-un (Jahrgang 1983) kam es nicht zu einer Verbesserung der Beziehungen. Südkorea ist durch den Norden nach wie vor bedroht, in Nordkorea steht nach wie vor eine Klasse von Parteiangehörigen, denen es verhältnismässig gut geht einer grossen unterernährten und unterdrückten Bevölkerungsmehrheit gegenüber. 11

Jüngste Zeit

G-20-Gipfel in Seoul (Bild Wikipedia)

Meister-Schools (http://koreajoongangdaily.joins.com/news/article/Article.aspx?aid=2949158)

Gelbe Bänder erinnern an die SewolKatastrope (Bild Travel Korea)

Auf Kim Dae Jung, dem bislang einzigen Präsidenten aus dem Südwesten Koreas (Cholla-Region um Gwangju) folgte der von ihm geförderte frühere Menschenrechtsanwalt Roh Moo-hyun, der Kims Politik weitgehend fortsetzte. Seine Amtszeit wurde von harten politischen Anwürfen der Gegenseite überschattet, die sogar zu seiner vorübergehenden Amtsenthebung wegen eines Impeachmentverfahrens wegen «Unfähigkeit» führte. Demonstrationen für Roh mit bis zu 50 000 Personen und die Aufhebung der Amtsenthebung durch das Verfassungsgericht folgten. Nach dem Ende von Rohs Amtszeit wurden Untersuchungen wegen Korruption in seiner Familie eingeleitet, die zu seinem Suizid führten. Lee Myung-bak, nun wieder von der konservativeren Grand National Party gewann die Wahlen 2007 und amtierte von 2008 – 2012. Der ehemalige Hyundai-Manager war bestrebt, die Wirtschaft weiter anzukurbeln. Er beendete die Sonnenschein-Politik gegenüber Nordkorea und führte verschiedene Bildungsreformen durch, u.a. stärkte er nach deutschem Vorbild die Berufsbildung («Meister Schools» und versuchte, die Nachhilfeschulen («Hagwons») etwas zurückzustutzen, in dem sie z.B. nach 22:30 nicht mehr unterrichten durften. In seine Amtszeit fällt auch der G-20-Gipfel 2010 in Seoul. Auf die Mitgliedschaft in der Gruppe der grössten Volkswirtschaften ist Südkorea sehr stolz. Lees autoritärer Stil führte andererseits zu vielen Grossdemonstrationen. Seine Nachfolgerin wurde die ebenfalls konservative Park Geun-hye, die Tochter von Park Chung-hee, die als junge Erwachsene nach der Ermordung ihrer Mutter schon als «First Lady» amtiert hatte. Ihre Wahl Ende 2012 war überschattet von Manipulationen durch den National Intelligence Service, deren Mitarbeiter massenweise Beiträge zu Gunsten Parks und zu Ungunsten ihres Gegners gepostet hatten. Die Sewol-Katastrophe erschütterte das Land 2014 stark. Die Fähre Sewol sank im April 2014, 304 Personen, darunter viele Schülerinnen und Schüler ertranken. Viele von ihnen scheinen die Schwimmwesten angezogen, dann aber auf weitere Anweisungen von Erwachsenen gewartet zu haben, bis eine Rettung nicht mehr möglich war. Im Zuge der Aufarbeitung fragte man sich allgemein, ob das (konfuzianisch geprägte) Erziehungssystem mit dem bedingungslos erwarteten Respekt Erwachsenen gegenüber geändert werden müsse.

Nach einer Idee von Peter Gautschi zusammengestellt von Hans-Jürg Keller Verwendete Literatur

Cumings, Bruce. 2005. Korea’s Place in The Sun: A Modern History (Updated). New York: Norton. (EBook) Kuhn, Dieter. 2014. Ostasien bis 1800. Neue Fischer Weltgeschichte, Band 13 Frankfurt a.M.: Fischer (EBook) Korea Foundation. 2010. Hangeul, Korea’s Unique Alphabet. Seoul: Korean Publishers (E-Book). Seth, Michael J.. 2013. A History of Korea. From Antiquity to the Present. Lanham: Rowman & Littlefield. (E-Book) Stöver, Bernd. 2013. Geschichte des Koreakriegs. Schlachtfeld der Supermächte und ungelöster Konflikt. München: Beck. (E-Book) Internes Papier für die Studienreise der PH Zürich

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