Eine kleine Weihnachtsgeschichte

Eine kleine Weihnachtsgeschichte… Island Kids Philippines Die Galvaswiss AG unterstützt die Hilfsorganisation Island Kids Philippines, welche von T...
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Eine kleine Weihnachtsgeschichte…

Island Kids Philippines

Die Galvaswiss AG unterstützt die Hilfsorganisation Island Kids Philippines, welche von Thomas Kellenberger ins Leben gerufen wurde. Er kümmert sich mit Leib und Seele um die Müllkinder in Cagayan de Oro. Er erzählt uns die Geschichte eines der 70 Kinder, die heute zur Schule gehen können, genug zu essen bekommen und medizinisch versorgt werden. Mehr Informationen finden Sie unter: www.islandkids.ch

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Die dreizehnjährige Lovelyn hatte in ihrem jungen Leben bereits vieles erlebt oder besser gesagt ertragen müssen. Es war noch nicht lange her, dass zwei ihrer neun Geschwister an schlimmen Krankheiten gestorben waren, als bereits ein weiterer Schicksalsschlag die Familie treffen sollte.

Es geschah kurz vor Weihnachten 2007. Ein betrunkener Mann schoss mit einer Pistole wild um sich und Lovelyns älterer Bruder, der sich in der Nähe des Mannes aufhielt, sackte plötzlich in sich zusammen – der Wahnsinnige hatte ihn am Kopf getroffen und dabei schwer verletzt. Wie durch ein Wunder hatte Julmer, so heisst Lovelyns älterer Bruder, überlebt. Bald war jedoch klar, dass er für den Rest seines Lebens invalid bleiben würde und nichts mehr zum Lebensunterhalt der Familie beitragen konnte.

Um die Familie durchzubringen, mussten nun Lovelyn und ihr jüngerer Bruder Julito umso mehr arbeiten. Und dies, obwohl sie doch ebenfalls beide an einer schlimmen Krankheit zu leiden hatten; Lovelyn und Julito hatten nämlich Lepra, und während Julitos Gesicht sich zunehmend entstellte, konnte Lovelyn ihre Finger nur noch mit Mühe und unter Schmerzen biegen – dabei brauchte sie ihre Finger für die Arbeit dringend. Dennoch nahm Lovelyn ihr Schicksal, ein von Armut gezeichnetes Leben voller tragischer Begebenheiten und trauriger Ereignisse, hin wie viele andere Kinder in ihrer Nachbarschaft. Sie lebte und arbeitete auf der Basurahan, einer Müllhalde.

Die städtische Mülldeponie von Cagayan de Oro, eine der zahlreichen Mülldeponien auf den Philippinen, war seit jeher ihr Zuhause und sie hatte sich, könnte man meinen, längst daran gewöhnt, im Abfall von anderen Leuten nach Wertstoffen und Essbarem zu suchen, Tage ohne Reis zu überstehen und mit hungrigem Bauch schlafen zu gehen, nie eine Schule besuchen zu können, von anderen gehänselt zu werden und das Los ihrer schrecklichen Krankheit zu ertragen.

Und dennoch hatte sie tief in sich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass sich für sie und ihre Familie das Blatt einmal doch noch wenden würde und sie und Julito ein Leben wie «normale» Kinder führen könnten. Währendem sie unter der brennend heissen Sonne für ein paar Peso pro Tag stundenlang den abscheulich stinkenden Abfall der Grossstadt durchwühlte, fing sie manchmal an zu träumen. In ihren Tagträumen sah sie sich und Julito in einer sauberen Schuluniform glücklich zur Schule gehen oder an einem Tisch mit unendlich viel Reis und Früchten sitzen.

Doch spätestens wenn ein neuer Müllwagen ankam und alle losrannten, um sich einen guten Platz um den neuen Abfallhaufen zu sichern, erwachte sie wieder aus ihren Träumereien und rannte ebenfalls los. So lebte Lovelyn ihr Dasein ohne Perspektiven, mit dem täglichen Kampf ums Überleben.

Ein junger Europäer, der von den tragischen Schicksalsschlägen in Lovelyns Familie gehört hatte, kam in ihre schäbige Hütte und erkundigte sich nach ihr. Lovelyn, die sich schleunigst hinter der Hütte versteckt hatte und lauschte, erschrak, als sie den Mann ihren Namen sagen hörte. Sie schämte sich wegen ihrer Krankheit und wunderte sich, weshalb der «Americano», wie sie ihn fälschlicherweise nannte, gerade nach ihr fragte.

Nachdem nun ihr Bruder angeschossen worden war, hatte sie auch an die kommende Weihnacht kaum noch Erwartungen. Was sollte denn schon Grossartiges passieren in ihrem Leben? Sie alle hatten noch nie auf der Sonnenseite des Lebens gestanden. Doch am Weihnachtstag erhielt die Familie unerwarteten Besuch.

Sie hatte bereits vom «Americano» gehört. Es hiess, dieser habe selber auf der Mülldeponie mitgearbeitet und wolle den Kindern dort helfen. Sie hatte sich stets vor ihm versteckt. Ihre Mutter suchte nun aber nach ihr, packte sie am Arm und zerrte sie in die Hütte, um sie dem Fremden vorzustellen. Widerwillig stand Lovelyn dem grossen Unbekannten gegenüber. Er wollte ihr die Hand reichen, um Bekanntschaft zu schliessen.

Anstatt seine Hand anzunehmen, schlug sie die Hand weg, was den Mann arg in Verlegenheit brachte und ihr sogleich Leid tat. Er fing danach an, in einem freundlichen Ton zu sprechen, doch Lovelyn konnte nichts verstehen, so dass die Begleiterin des Mannes übersetzen musste. Er fragte Lovelyn, ob sie gerne zur Schule gehen würde, anstatt auf der Mülldeponie zu arbeiten, und versprach, Medikamente gegen ihre Krankheit zu beschaffen. Lovelyn konnte dem Mann zuerst nicht so recht glauben und dachte, sie sei wohl wieder am Träumen.

Heute ist Lovelyn 15 Jahre alt. Ihre Lepra ist geheilt, und sie geht jeden Tag zusammen mit 69 anderen Kindern und Jugendlichen in die Schule von Island Kids Philippines. Sie muss nicht mehr auf der Deponie arbeiten und kann bereits sehr gut lesen und schreiben. Auch Englisch hat sie gelernt – es ist sogar ihr liebstes Fach in der Schule. Lovelyn schämt sich heute nicht mehr. Sie ist selbstbewusst, lebensfroh und macht ständig Spässe mit ihren Freunden, den anderen Island Kids. Ihr jüngerer Bruder Julito geht mit ihr zur Schule und zusammen mit den anderen Kindern sitzen sie am Morgen, am Mittag und am Abend am Tisch und essen – es hat jetzt immer genug Reis für alle, und es gibt auch frische Früchte. Th. Kellenberger, Dezember 2009 (Bilder & Text)

All dies geschah an Weihnachten 2007. Lovelyn damals… und heute