2020 – Ein neuer Anfang

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Ein neuer Anfang Von: Susanne, Email: [email protected]

Der ICT (InterCityTransport) Moskau - Barcelona schwebte von Berlin kommend in Richtung Frankfurt. Er verursachte nur Schockwellen in der Luft. Seit dem Jahre 2005 basiert der gesamte Schienenverkehr auf dem Prinzip der Magnetschwebebahn. Auf einem Fensterplatz sitze ich, besser gesagt, das was ich damals war. Zu diesem Zeitpunkt war ich fast 30 Jahre alt, war verheiratet und hatte zwei Kinder. Beruflich war ich Computerspezialist in Netzwerksystemen bei EuroQuat. Trotzdem war mir zum heulen. Das einzige voran ich richtig denken konnte, waren die Geschehnisse der vergangenen Stunden. Auf dem öffentlichen Datendisplay erschien immer wieder die Meldung, das bei einer Explosion eines Hauses in Berlin eine Familie von 4 Personen einen tragischen Tod fanden. Die näheren Umstände dieses Unglückes wurden nicht bekannt gegeben. Meine Frau und die beiden Kinder wurden an Hand ihrer ID-Chips im Handgelenk identifiziert. Bei der vierten Person sollte es sich dabei um mich handeln. Aber irgendwann müssen sie merken, das ich nicht tot bin, sondern lebe. Die zur Zeit offizielle Version lautete, daß meine Leiche zu sehr verbrannt sei, um noch irgendwelche schlüssigen Personenmerkmale festzustellen. Was war geschehen? Es war einer von den Tagen, den man ganz schnell vergessen möchte. Meine Kopfschmerzen hämmerten wie verrückt. Ich kam gerade aus meiner Firma, wo ich mich meiner täglichen unterzog. Das ist ein übliches Verfahren. Hier wird das Kurzzeitgedächnis gelöscht bzw. durch gewisse Kodierungsvorgänge im Gehirn verschlüsselt.. Dadurch kann kein Angestellter der Firma in Händen eines Konkurenzbetriebes innerbetriebliche Geheimnisse ausplaudern. Wenn die Firma von den Angestellten wieder betreten wird, wird das Gedächnis freigegeben. Ich konnte noch nicht einmal meiner Frau sagen, was ich beruflich mache. Ich wußte so etwas nach Dienstschluß einfach nicht mehr.

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Als ich die Untergrundbahn in meinem Bezirk verließ fielen mir sofort die vielen Blaulichter der Einsatzkräften auf, die in der gesamten Umgebung aktiv waren. Da dachte ich mir noch nichts. Als ich aber in meine Straße einbog und mein Wohnhaus in Schutt und Asche lag, hätte mich der Schock fast einen Infarkt gebracht. Das erste was mir durch den Kopf schoß waren meine Frau und Kinder. Überall wimmelten es vor Reporter. Wie wild berichteten sie von dem Ereignis. Dabei erfuhr ich, das meine Wohnhaus in einem flammenden Inferno explodiert sei. Es waren bereits vier Leichen geborgen. Fassungslos stand ich vor der Absperrung. Normalerweise hätte ich mich den Rettungskräften als Überlebender zu erkennen geben müssen, aber irgendetwas hielt mich davon ab. Es war der Brief den ich ein paar Monate vorher erhalten habe. In ihm wurde mir nahegelegt, in Falle von Gefahr oder ungewöhnlichen Vorkommnissen den ICT Moskau - Barcelona zu besteigen und um mich in Frankfurt um mein Gepäck zukümmern. Anbei lagen eine Transportkarte, eine Gepäckkarte und ein Schlüssel. Wie ich so da stand und fassungslos auf die Trümmer starrte, trat ein Uniformierter der zivilen Sicherheitstruppen an mich heran, und verwies mich des Platzes. Meine Anwesenheit würde die laufenden Rettungsmaßnahmen behindern. Verstört trat ich zurück, drehte mich um und rannte weg. Ziellos fuhr ich einige Stunden durch die Gegend, bevor ich den stündlichen ICT Moskau Barcelona nahm. Bei den Zugangskontrollen zur Schwebebahn schob ich die Transportkarte in den Schlitz und wollte beim besteigen der Schwebebahn meine Personen-ID angeben, aber die Maschine wies mich an gleich durchzugehen. Bei der Transportkarte hat es sich um eine Anonyme gehandelt. Sie ist nicht Personen gebunden .Ich habe von solchen Karten gehört. Das einzige was sich über solche Karten in Umlauf hält, ist, daß sie sehr teuer sind und nur für Geschäftsreisende und Politiker verwendet werden, die eine gewisse Anonymität wahren wollen. Schließlich habe Geschäftemacher keine Zeit sich mit Reiseformalitäten zu beschäftigen.

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So saß ich also in der Bahn, schaute aus dem Fenster und versuchte an meine Familie zu denken. Wieso war das alles nur geschehen und vor allen Dingen, was war geschehen. Der Frankfurt wurde als nächster Bahnhof angekündigt. Die Reisenden die aussteigen wollten, wurden freundlich darauf hingewiesen, daß sie sich jetzt zu den Ausgängen bewegen möchten. Auch ich machte mich auf. Hier sollte ich auch aussteigen. >Kümmere Dich um Dein Gepäck< hatte es in dem Briefe geheißen, und das Tat ich auch. Ich trat an den Schalter der Gebäckaufbewahrung und schob die Gepäckkarte ein. Eine freundliche Computerstimme bedankte sich. An der Seite öffnete sich der Ausgabeschlitz. Zum Vorschein kam ein schwarzen Koffer. Er war nicht besonders groß, aber größer als eine Aktentasche. An dem Koffer selbst klebte ein Brief. Ich riß ihn ab. Dabei zeigt sich, das der Koffer nur mit einer Folie überzogen war. Unter der Folie war der er weiß. Das Schloß des Koffers war eine Fingerprintsicherung, d.h. der Inhalt wurde nur mit dem richtigen Fingerabdruck freigegeben. Ich kümmerte mich aber zunächst um dem Brief. Er enthielt lediglich eine Karte. Auf der Karte waren folgend Symbole abgebildet. „CITYHOTEL (= ⊗ =) WC“. Mit dem CityHotel und dem WC konnte ich noch etwas anfangen, aber das Symbol dazwischen sagte mir rein gar nichts. CityHotel´s finden sich immer in der Nähe von großen Bahnhöfen. Und ich mußte auch gar nicht suchen. Direkt gegenüber des Bahnhofes befand sich eines. In der Eingangshalle fiel ich nicht weiter auf. Ich war lediglich ein Reisender mit einem Koffer, der einchecken wollte. Aber ich wollte nicht einchecken. Sofort suchte ich die Toilette auf, aber dort ließ sich nichts besonderes feststellen. Mit dem Symbol auf der Karte mußte es irgendeine Bewandtnis haben. Auf einem Informationsschild fand ich dieses Symbol wieder: „(= ⊗ =) Besuchen sie unsere Aussichtsplattform in 100 m Höhe. (= ⊗ =)“ Da wußte ich, was ich zu tun war. Ich betrat den nächsten Touristenaufzug und raste mit ihm gen Himmel. Oben angekommen fand ich auch die Toiletten. Dudelmusik empfing mich im Herrenbereich. Was ich hier aber machen sollte, wußte ich auch nicht. Ich wusch mir ersteinmal die Hände und wartete bis der

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letzte Gast die Räumlichkeiten verließ. Kaum war er weg, versuchte ich den Koffer zu öffnen. Leider paßte mein Fingerabdruck nicht. Da ich hier oben aber irgendetwas machen oder zumindest einen Hinweis finden sollte, wurden die Räumlichkeiten durchsucht. Immer wieder wurde ich durch andere Gäste gestört. Ich möchte nicht wissen, was ihre Gedanken waren, was ich dort gemacht habe. Bei den Toiletten selbst fand sich nicht. Auch an den Waschbecken war nichts besonderes feststellbar. Die Spiegel wären auch unter harmlos eingestuft worden, wären mir nicht die Scharniere aufgefallen, an den sie montiert waren. Sofort macht ich mich daran, die Spiegel abzuklappen. Dahinter verbargen sich Kabel und Rohre. Während ich in den Kabel wühlte, viel mir ein Schloß auf, welches sich dahinter verbarg. Schloß -> Schlüssel. Ich hatte doch einen Schlüssel bekommen. Er wurde ausprobiert und er paßte. Mit einem Klicken öffnete sich eine Tür in der Seitenwand. Ich verschloß sofort wieder die Spiegel, nahm den Koffer und schlüpfte durch die sich schließende Tür. Während sich die Tür schloß, fiel mir auf, das sie besonders dick war. Als wäre sie schallgedämpft. Und das war sie auch. Als die Tür zu war, verschwanden auch sämtliche Geräusche. Licht flammte auf. Ich stand in einem etwa 4 x 4 m² großen Raum. An der Decke hing eine Neonröhre. Rechts von mit, in einer Ecke stand ein Bett, an der Wand gegenüber befand sich ein beleuchteter Schminktisch mit einem dazugehörigen Stuhl. Daneben waren Dusche, Toilette und Waschbecken. Eine zweite Tür lag der ersten Tür gegenüber. Sie war verschlossen. Mein Versuch sie zu öffnen schlug fehlt. Auch die Tür durch die ich hereingekommen war, war fest verschlossen. Ich stellte den Koffer erst mal auf das Bett und setzte mich daneben. In einen schönen Schlammassel habe ich mich hineinmanövriert. Aus lauter Langeweile probierte ich es noch mal den Koffer zu öffnen. Diesmal akzeptierte er meinen Fingerprint. In dem Koffer befand sich ein Datenschirm zum Abspielen von Nachrichten, zwei kleine Kisten und diverse eingeschweißte Beutel. Ich schaltete den Datenschirm ein. Eine junge Dame erschien auf dem Schirm. Sie wird etwa um die dreißig gewesen sein und trug einen Pagenschnitt mit schwarzen Haar. Ihr dunkles Kostüm roch förmlich nach Geld.

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„Guten Tag, Herr Meier. Wenn sie diese Nachricht sehen, wird es einen Grund gegeben haben, wieso sie meine Dienstleistung in Anspruch nehmen. Ich gehe davon aus, daß ihr Leben in Gefahr ist. Uns muß es jetzt gemeinsam darum gehen, daß ich sie hierher zu mir bekomme, ohne das irgend jemand etwas mitbekommt. Dieses ist zu ihrem eigenen Schutz. Darum bitte ich sie, nun meine Anweisungen genau zu befolgen. Alle weitere Fragen kann ich ihnen dann beantworten, wenn sie bei mir sind. Das sicherste ist es, sie von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Die Personen die sie verfolgen, werden in erster Linie einen Mann Ende zwanzig suchen. Sie wissen, daß sie sich wahrscheinlich verkleiden werden. Jede Person männlichen Typus wird von ihnen sofort unter die Lupe genommen, kontrolliert und eventuell eliminiert. Darum wird die erste Maßnahme sein, sie ihres männlichen Äußeres zu berauben. Das heißt nicht, daß sie sich verstümmeln sollen, sondern daß sie die beiliegenden Utensilien benutzen müssen. Ich würde sie nun bitten meinen Anweisungen zu folgen. Immer wenn sie einen Schritt erledigt haben, drücken sie >WeiterZurück< können sie den vorangegangenen Part noch einmal sehen. Drücken sie jetzt bitte >WeiterWeiter< auf dem Display. „Es befinden sich zwei Kästchen in dem Koffer. In den einem Kästchen befinden sich Wasch- und Rasiermittel um sich frisch zu machen. In den anderen Kästchen befinden sich kleinere Schminkutensilien, die sie später brauchen. In den eingeschweißten Beuteln finden sie Handtücher, sowie Schuhe, Unterwäsche, Strumpfhosen, einen Body mit Rollkragen, ein Kostüm sowie einen Mantel. Dazu gehören noch eine Uhr sowie Schmuckutensilien. Für ihr primäres Äußeres finden sie dort einen Ganzkörperanzug, um ihre äußeren Geschlechtsmerkmale zu simulieren. Drücken sie jetzt bitte >WeiterWeiterWeiterWeiterWeiterWeiterWeiterWeiterDu Arsch, wenn du wüßtest was ich bin, dann würde dir deine Zunge vergehen. Außerdem könnte ich dir ja mal einen kräftigen Tritt in die Genitalien verpassen.< Zu meinem Glück öffneten sich gerade die Türen, so daß ich im Erdgeschoß aussteigen konnte. So schnell wie meine armen Füße den Weg ertrugen, eilte ich sofort zur Gepäckaufbewahrung. Es ist gar nicht so einfach, in 4 cm hohen Schuhe zu laufen. Die Computerstimme an der Gepäckaufbewahrung bat mich den Koffer in die Öffnung zu schieben. Nun wurde ich nach dem Reiseziel des Koffers

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gefragt. Ich verkniff mir in dem Moment etwas zu sagen. Wenn ich jetzt in meinem Bariton oder in einer entsprechenden Fistelstimme geantwortet hätte, wäre die gesamte Verkleidung für die Katz gewesen. Hinter mir hat sich bereits eine kleine Schlange von Menschen gebildet. Ich drückte schnell den Knopf für die Aufbewahrung und schob meine ID-Karte in den Schlitz. „Vielen Dank, Frau Müller, für ihr Vertrauen. Ich wünsche ihnen noch einen schönen Tag“, verabschiedete mich das System. Der ICT in Richtung Hamburg traf kurz darauf ein. Nachdem ich mir einen Sitzplatz gesucht hatte, schob ich mein Transportticket in den Computerschlitz neben dem Sitz. Automatisch wurde nun der Sitz auf mich bis zu meinem Zielbahnhof registriert. Dazu wurden die Daten des persönlichen ID-Codes aus dem Handgelenk gelesen. In meiner stillen Hoffnung betete ich dafür, das meine alte ID auf dem Display über dem Sitz nicht erscheint. Auf dem Display erschien >Reserviert für Katrin Müller bis Hamburg Hbf.Wir