EGBGB Art. 14, 15, 17, 18, 25, 26 Ukraine: Ehevertrag und Pflichtteilsverzicht; Vollstreckung ukrainischer Urteile in Deutschland

DNotI Deutsches Notarinstitut GUTACHTEN D o k u m e nt n u m m e r : l e t zt e A k t u a l i s i e r un g : 14239 21.04.2006 EGBGB Art. 14, 15, 17...
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DNotI Deutsches Notarinstitut

GUTACHTEN D o k u m e nt n u m m e r : l e t zt e A k t u a l i s i e r un g :

14239 21.04.2006

EGBGB Art. 14, 15, 17, 18, 25, 26 Ukraine: Ehevertrag und Pflichtteilsverzicht; Vollstreckung ukrainischer Urteile in Deutschland

I. Sachverhalt Ein Deutscher und eine Ukrainerin wollen demnächst die Ehe schließen und einen Ehevertrag abschließen. Die künftige Ehefrau hat seit einem Jahr ihren überwiegenden Aufenthalt in Deutschland und möchte auch künftig in Deutschland leben. Der künftige Ehemann hat keine Verbindung zu der Ukraine. Der Ehevertrag soll eine Gütertrennung, einen Unterhaltsverzicht, einen Versorgungsausgleichausschluss und einen Pflichtteilsverzicht enthalten. Der Unterhaltsverzicht und der Versorgungsausgleichsausschluss sind auflösend bedingt durch die Geburt gemeinsamer Kinder. Die künftige Ehefrau verfügt über Geld- und Grundvermögen in der Ukraine. Der künftige Ehemann befürchtet, dass ukrainische Gerichte seiner Ehefrau im Scheidungs- oder Todesfall Ansprüche titulieren könnten, die in Deutschland vollstreckbar wären. III. Zur Rechtslage 1.

Güterstatut a) Deutsches IPR Das deutsch-ukrainische Ehepaar hat die Möglichkeit, gem. Art. 15 Abs. 2 EGBGB für die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe deutsches Recht zu wählen. Auf der Basis der Geltung deutschen Güterrechts können sie den gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft modifizieren oder auch Gütertrennung vereinbaren. Auch objektiv wird sich aus deutscher Sicht gem. Art. 15 Abs. 1 i. V. m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts beider Ehegatten in Deutschland zum Zeitpunkt der Eheschließung die Geltung deutschen Rechts ergeben. Damit gilt aus deutscher Sicht unwandelbar deutsches Ehegüterrecht. b) Ukrainisches Recht Aus ukrainischer Sicht ist das Gesetz über das Internationale Privatrecht vom 23.6.2005 zu beachten (Übersetzung v. Albertini, StAZ 2006, 116). Das auf die vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten anwendbare Recht regelt dessen Art. 61. Gemäß dessen Abs. 1 können die Ehegatten zur Regelung der vermögensrechtlichen Folgen ihrer Eheschließung das Recht des Personalstatuts eines von ihnen sowie das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts eines von ihnen bzw. in Bezug auf unbewegliches Vermögen Deutsches Notarinstitut • Gerberstraße 19 • 97070 Würzburg • Telefon (0931) 35576-0 • Fax (0931) 35576-225 email: [email protected] • internet: www.dnoti.de user/mr/pool/gutachten/14239.doc

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das Recht des Lageortes wählen. Diese Wahl findet gem. Abs. 2 dann keine Anwendung (mehr), wenn das gewählte Recht im Einvernehmen der Parteien geändert wird oder das Personalstatut oder der gewöhnliche Aufenthalt des Ehegatten, an dessen Personalstatut oder gewöhnlichen Aufenthalt das gewählte Recht gebunden war, sich ändert. Folglich ist eine Wahl zugunsten des deutschen Rechts auch auf Grundlage von Art. 61 Abs. 1 ukr. IPRG aufgrund des deutschen Personalstatuts des Ehemannes möglich. Da nicht abzusehen ist, dass dieser seine deutsche Staatsangehörigkeit aufgeben will, würde das gewählte Recht grundsätzlich dauerhaft gelten. Bei der Rechtswahl sollte daher auch auf die entsprechende Vorschrift des ukrainischen Gesetzes Bezug genommen werden. Wir gehen davon aus, dass das auf die vermögensrechtlichen Beziehungen anwendbare Recht auch über die Möglichkeit güterrechtlicher Vereinbarungen unter den künftigen Ehegatten entscheidet. Somit dürfte die Gütertrennung im Rahmen des deutschen Rechts vereinbart werden können. Für die Anerkennung in der Ukraine spricht auch, dass auch im ukrainischen Recht der Güterstand der Gütertrennung vorgesehen ist (Art. 97 Abs. 2 ukr. FamGB). 2.

Allgemeine Ehewirkungen Eine Rechtswahl gem. Art. 14 Abs. 3 EGBGB bezüglich der allgemeinen Wirkungen der Ehe ist im vorliegenden Fall nicht zulässig, da die besonderen Voraussetzungen für eine derartige Rechtswahl nicht vorliegen. Gem. Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 EGBGB gilt aufgrund des gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts der Eheleute in Deutschland ohnehin deutsches Recht. Das Ehewirkungsstatut ist zwar wandelbar. Allerdings gilt das deutsche Recht über Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 Fall 2 EGBGB selbst dann noch, wenn einer der Eheleute aus Deutschland wegziehen sollte, soweit nur der andere noch weiterhin in Deutschland lebt. Gleiches gilt aus ukrainischer Sicht gem. Art. 60 Abs. 1 ukr. IPRG. Allerdings ist auch nach Art. 60 Abs. 2 ukr. IPRG eine Rechtswahl unter den derzeitigen Voraussetzungen nicht möglich.

3.

Scheidung und Versorgungsausgleich Über Art. 17 Abs. 1 S. 1 EGBGB sowie Art. 17 Abs. 3 S. 1 EGBGB wird die Verweisung in Art. 14 Abs. 1 Ziff. 2 EGBGB auf das deutsche Recht, sofern nicht beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland begründen, auch für eine etwaige Scheidung der Eheleute und die Durchführung des Versorgungsausgleichs gelten. Dies würde schließlich auch die Wirksamkeit einer Vereinbarung über den Versorgungsausgleich betreffen. Was die Anerkennung der Vereinbarung über den Versorgungsausgleich aus ukrainischer Sicht angeht, so ist insoweit keine Stellungnahme möglich. In der Ukraine ist im Jahre 2004 ein neues Familiengesetzbuch in Kraft getreten. Damit sind offenbar die materiellen Wirkungen der Ehe gesetzlich neu geregelt worden. Es ist jedoch zu vermuten, dass ein Versorgungsausgleich nach ukrainischem Recht ohnehin nicht durchgeführt werden würde, so dass es auf die Wirksamkeit der Ausschließungsvereinbarung nach ukrainischem Recht nicht ankäme. Gem. Art. 63 ukr. IPRG bestimmen sich die Auflösung der Ehe und die Rechtsfolgen der Auflösung nach dem Recht, das in diesem Zeitpunkt für die Rechtsfolgen der Eheschließung gilt. Hierbei handelt es sich um eine Verweisung auf Art. 60 ukr. IPRG. Gemäß dessen Abs. 1 gilt primär das gemeinsame Personalstatut der Ehegatten, mangels eines solchen das Recht des Staates, in dem die Ehegatten ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz hatten, sofern einer von ihnen noch seinen Wohnsitz in diesem Staat hat, wiederum hilfsweise das Recht der engsten Verbindung. Sofern der Ehemann seinen Wohnsitz in Deutschland beibehält, ist

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somit davon auszugehen, dass auch aus ukrainischer Sicht deutsches Recht für die Auflösung der Ehe und die Rechtsfolgen der Auflösung der Ehe gilt. 4.

Scheidungsunterhalt a) Deutsches IPR Für den Scheidungsunterhalt stellt Art. 18 Abs. 4 EGBGB darauf ab, nach welchem Recht die Ehe tatsächlich geschieden worden ist. Bei Scheidung in Deutschland würde ein Gericht voraussichtlich das deutsche Recht anwenden (s. o. Ziff. 3.). Sollte allerdings die Scheidung in der Ukraine nach dem ukrainischen Recht erfolgt sein, so würde die Ankopplung an das Recht, nach dem die Scheidung erfolgt ist, in Art. 18 Abs. 4 EGBGB dazu führen, dass auch das Unterhaltsstatut und damit schließlich auch die Wirksamkeit einer auf den Scheidungsunterhalt bezogenen Vereinbarung nach dem ukrainischen Recht zu beurteilen wäre. In diesem Fall wäre wohl zu vermuten, dass dann eine Vereinbarung über den Scheidungsunterhalt als nicht wirksam anerkannt werden würde. Der Unterhalt würde sich dann freilich auf der Basis des ukrainischen Rechts bestimmen. Da allerdings davon auszugehen ist, dass ein ukrainisches Gericht, sofern der Ehemann seinen Wohnsitz in Deutschland beibehält, deutsches Recht auf die Scheidung anwenden würde (vgl. Ziff. 3. a) a. E.), wird voraussichtlich auch bei Durchführung des Scheidungsverfahrens in der Ukraine für die Unterhaltsansprüche aus deutscher Sicht deutsches Recht gelten. b) Ukrainisches IPR Welche Kollisionsnorm aus ukrainischer Sicht für den nachehelichen Unterhalt gilt, ist fraglich. Einerseits ist denkbar, dass der nacheheliche Unterhalt zu den Rechtsfolgen der Auflösung der Ehe gehört und somit das anwendbare Recht nach Art. 63 ukr. IPRG bestimmt wird. Andererseits enthält Art. 67 ukr. IRPG eine besondere Kollisionsnorm für Unterhaltspflichten. Letztere bezieht sich auf die aus „familiären Beziehungen“ entstehenden Unterhaltspflichten, womit möglicherweise nur Verwandtschaftsverhältnisse gemeint sind, wofür auch die systematische Stellung der Vorschrift spricht. Wird Art. 63 ukr. IPRG herangezogen, ist wohl davon auszugehen, dass aus ukrainischer Sicht, sofern der Ehemann seinen Wohnsitz in Deutschland beibehält, auch auf den Unterhalt deutsches Recht gilt. Daher ist denkbar, dass eine vom deutschen Recht zugelassene Unterhaltsvereinbarung auch aus ukrainischer Sicht anerkannt wird. Dies können wir jedoch nicht mit Sicherheit beurteilen, zumal ein solcher Verzicht auch unter dem Vorbehalt der öffentlichen Ordnung der Ukraine fallen oder gegen zwingende Rechtsvorschriften der Ukraine verstoßen könnte. Sollte dagegen Art. 67 ukr. IPRG Anwendung finden, unterstehen die Unterhaltspflichten dem Recht des Staates, in dem die unterhaltsberechtigte Person ihren Wohnsitz hat. Kann sie nach diesem Recht keinen Unterhalt verlangen, so gilt hilfsweise das Recht des gemeinsamen Personalstatuts bzw. wiederum hilfsweise das Recht des Staates, in dem die unterhaltspflichtige Person ihren Wohnsitz hat. Sollte somit die ukrainische Staatsangehörige ihren Wohnsitz nach Eheschließung in die Ukraine verlegen, würde, falls Art. 67 ukr. IPRG maßgeblich ist, ukrainisches Recht gelten. Danach ist zu vermuten, dass ein Unterhaltsverzicht nicht möglich ist, was wir jedoch auf Grundlage der uns zur Verfügung stehenden Quellen nicht feststellen können.

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5.

Pflichtteilsverzicht a) Deutsches IPR Die Wirksamkeit eines Erb- bzw. Pflichtteilsverzichts unterliegt aus deutscher Sicht dem Erbstatut, das auf die Erbfolge nach demjenigen gilt, dem gegenüber der Erbverzicht erfolgt (MünchKomm-Birk, 4. Aufl. 2006, Art. 26 EGBGB Rn. 145). Mithin unterliegt der Verzicht durch den Ehemann dem Erbstatut der Ehefrau und der Verzicht durch die Ehefrau dem Erbstatut des Ehemannes. Die Staatsangehörigkeit des jeweiligen Verzichtenden ist bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts ohne Bedeutung. Bei der Bestimmung des Erbstatuts sind vorrangig staatsvertragliche Vereinbarungen zu beachten. Eine entsprechende Bestimmung könnte sich in Art. 28 Abs. 3 des deutschsowjetischen Konsularvertrags vom 25.4.1958 befinden, der für die Erbfolge des unbeweglichen Nachlasses die Geltung der Rechtsvorschriften des Staates, auf dessen Gebiet die Gegenstände belegen sind, anordnet (BGBl. 1959 II, S. 233). Die Bundesrepublik Deutschland hat mit der Ukraine vereinbart, dass die zwischen Deutschland und der früheren UdSSR geschlossenen völkerrechtlichen Verträge auch mit der Ukraine weiterhin Anwendung finden sollen (BGBl. 1993 II, S. 1189). Damit findet Art. 28 Abs. 3 des Konsularvertrages Anwendung. Die Rechtsnachfolge von Todes wegen hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens beurteilt sich somit im Verhältnis zur Ukraine nach dem Recht des Lageortes. Der Konsularvertrag regelt dagegen nicht das bewegliche Vermögen. Insoweit ist das autonome Kollisionsrecht maßgeblich. Erbstatut nach autonomen Kollisionsrecht ist gem. Art. 25 Abs. 1 EGBGB aus deutscher Sicht – vorbehaltlich eines Sonderstatuts nach Art. 3 Abs. 3 EGBGB sowie einer Rechtswahl nach Art. 25 Abs. 2 EGBGB – das Heimatrecht des Erblassers zum Todeszeitpunkt. Für die Anknüpfung beim Erbverzicht ist nach h. M. aus deutscher Sicht gem. Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB analog nicht auf den Zeitpunkt des Todes (effektives Erbstatut), sondern auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (hypothetisches Erbstatut) abzustellen (Schotten, Das IPR in der notariellen Praxis, 1995, Rn. 326; Palandt/Heldrich, 65. Aufl. 2006, Art. 26 EGBGB Rn. 7; a. A. MünchKomm-Birk, a. a. O., Art. 26 EGBGB Rn. 148), so dass ein späterer Wechsel des anwendbaren Rechts die Wirksamkeit des Verzichts aus deutscher Sicht nicht berührt. Dies hat allerdings auch zur Folge, dass, wenn ein Verzicht bei Erwerb einer neuen Staatsangehörigkeit nach Errichtung der Urkunde durch das neue Heimatrecht zugelassen wird (z. B. Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch die Ehefrau), ein unwirksamer Verzicht durch den Statutenwechsel nicht wirksam wird. Erbstatut des Ehemannes ist gem. Art. 25 Abs. 1 EGBGB aufgrund seiner deutschen Staatsangehörigkeit das deutsche Recht. Für das deutsche Immobiliarvermögen ergibt sich die Geltung des deutschen Rechts bereits aufgrund Art. 28 Abs. 3 des Konsularvertrages. Sofern der Ehemann von seiner Ehefrau ukrainisches Immobiliarvermögen erwerben sollte, gilt für die Rechtsnachfolge nach ihm insoweit ukrainisches Recht. Derzeit ist solches aber wohl nicht vorhanden, so dass umfassend deutsches Recht hypothetisches Erbstatut ist.

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b) Ukrainisches IPR Für die künftige Ehefrau verweist das deutsche Recht nach Art. 25 Abs. 1 i. V. m. Art. 26 Abs. 5 S. 1 EGBGB aufgrund ihrer ukrainischen Staatsangehörigkeit auf das Recht der Ukraine. Hierbei handelt es sich um eine sog. Kollisionsnormverweisung auf das ukrainische Kollisionsrecht (Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB). Art. 70 ukr. IPRG verweist für die Regelung erbrechtlicher Verhältnisse auf das Recht des letzten Wohnsitzes des Erblassers. War der letzte Wohnsitz des Erblassers in der Bundesrepublik Deutschland, kommt es somit zu einer Rückverweisung auf das deutsche Recht. Bei den Verweisungen des ukrainischen Rechts handelt es sich gem. Art. 9 Abs. 1 ukr. IPRG um Sachnormverweisungen, so dass unmittelbar deutsches Erbrecht gilt. Für Immobilien bestimmt Art. 71 ukr. IPRG, dass sich die Vererbung diesbezüglich nach dem Recht am Belegenheitsort beurteilt; insoweit ist jedoch der deutsch-sowjetische Konsularvertrag vorrangig. Das Immobiliarvermögen in der Ukraine wird somit nach ukrainischem Recht vererbt mit der Folge, dass es zu einer Nachlassspaltung kommt und sich die Rechtsnachfolge von Todes wegen für jeden Teilnachlass grundsätzlich selbständig nach den jeweils hierfür geltenden Vorschriften beurteilt. Für die Ehefrau gilt somit mit Ausnahme für ihr ukrainisches Immobiliarvermögen aus deutscher Sicht deutsches Recht für die Wirksamkeit des Pflichtteilsverzichts. Ukrainisches Recht gilt für das dort belegene unbewegliche Vermögen. Gleiches gilt aus heutiger Sicht auch aus Sicht eines ukrainischen Rechtsanwenders. Allerdings gilt aus ukrainischer Sicht wohl für die Wirksamkeit von Pflichtteilsverzichtsverträgen das tatsächliche Erbstatut, so dass sich das anwendbare Recht noch ändern kann. Soweit ukrainisches Erbrecht gilt, bestimmt sich die Wirksamkeit des Pflichtteilsverzichts nach diesem. Das ukrainische Erbrecht ist im ukrainischen Zivilgesetzbuch vom 16.1.2003 geregelt. Ein Pflichtteilsverzicht ist danach, sofern ersichtlich, wohl nicht möglich. Möglicherweise wird ein vom Erbstatut zugelassener Pflichtteilsverzicht in der Ukraine auch nicht für das dort belegene bewegliche Vermögen anerkannt. 6.

Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in Deutschland Die Vollstreckung eines ausländischen Urteils bedarf nach § 722 ZPO eines deutschen Vollstreckungsurteils (sog. Exequatur), das die Zulässigkeit der Vollstreckung ausspricht. Dieses wird gem. § 723 Abs. 1 ZPO ohne Prüfung der materiellen Richtigkeit der Entscheidung erlassen. Somit wird nur geprüft, ob die ausländische Entscheidung rechtskräftig ist (§ 723 Abs. 2 S. 1 ZPO), die in § 328 Abs. 1 ZPO genannten Voraussetzungen gegeben sind sowie keine entsprechend § 767 Abs. 2 ZPO zulässigen und begründeten Einwendungen bestehen (Thomas/Putzo, 27. Aufl., § 723, Rn. 13). Abgesehen davon wird das Urteil nicht nachgeprüft, weder hinsichtlich der Tatsachenfeststellung noch hinsichtlich der Rechtsanwendung; jede Nachprüfung wäre eine neue Entscheidung. Zweck der Anerkennung ist aber gerade das Urteil selbst nicht nachzuprüfen, wenn ein anerkanntes Parteiinteresse an einer Durchführung des Verfahrens im Gerichtsstaat bestanden hat (Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht, 8. Aufl. 2000, S. 912). Die Voraussetzungen für die Anerkennung ausländischer Urteile sind in § 328 ZPO statuiert. Voraussetzung ist zunächst gem. § 328 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO, dass die Gerichte des Urteilsstaates nach den deutschen Gesetzen international zuständig wären. Eine derartige sog. Anerkennungszuständigkeit ist gegeben, wenn in entsprechender Anwendung der Grundsätze des deutschen Rechts die Gerichte des Urteilsstaates international zuständig wären. Im Rahmen von § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist zu beachten, dass zu den nationalen Zuständig-

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keitsvorschriften, die auch für die internationale Zuständigkeit mangels besonderer Vorschriften gelten, auch die sog. Verbundszuständigkeit gehört. Aus den Vorschriften über den Verbund von Scheidungen und Scheidungsfolgesachen (§ 623 ZPO) wird gefolgert, dass sich die internationale Zuständigkeit für die Scheidungssache auch auf das damit im Verbund stehende Verfahren über den Unterhalt erstreckt. Die Anerkennung wäre ferner gem. § 328 Abs. 1 Ziff. 2 ZPO ausgeschlossen, wenn der deutsche Ehemann sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, insbesondere, wenn ihm das verfahrenseinleitende Schriftstück nicht ordnungsgemäß oder nicht rechtzeitig zugestellt worden ist, so dass er sich nicht verteidigen konnte und sich hierauf beruft. Ein weiteres Anerkennungshindernis wäre, wenn die Entscheidung des ukrainischen Gerichts mit einer anderen Entscheidung in Widerspruch gerät (§ 328 Abs. 1 Ziff. 3 ZPO) oder ihre Anerkennung mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich zu einem unvereinbaren Ergebnis führen würde (§ 328 Abs. 1, 2, 4 ZPO). Gem. § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO erkennen wir überdies ausländische Entscheidungen nur dann an, wenn auch der Urteilsstaat umgekehrt deutsche Urteile anerkennt. Nach einer Übersicht bei Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung, 64. Aufl. 2006, Anh. § 328 ZPO Rn. 22 wird die Verbürgung der Gegenseitigkeit derzeit für die Ukraine verneint (ebenso Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 4/1, 21. Aufl., § 328 Rn. 181, a. A. dagegen Schütze, NJW 1995, 497). Dies kann sich allerdings aufgrund der geänderten Situation in der Ukraine jederzeit ändern. Insbesondere erscheint aufgrund Art. 81 f. des neuen ukr. IPRG inzwischen die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen ausländischer Gerichte in der Ukraine möglich. Wenn diese Bestimmungen tatsächlich angewandet werden, dürfte u.E. bereits aus heutiger Sicht die Gegenseitigkeit gegeben sein, mit der Folge, dass § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO der Anerkennung nicht mehr entgegenstünde. I. Ü. weisen wir darauf hin, dass § 722 ZPO in seinem Anwendungsbereich häufig durch Staatsverträge, insbesondere die EuGVVO überlagert wird. Da die Ukraine aber nicht Mitglied der EU ist, liegt vorliegend keine solche Überlagerung vor. Sofern keine Anerkennungshindernisse vorliegen, würde ein Gestaltungsurteil ergehen, das der ausländischen Urkunde im Inland die Wirkung der Vollstreckbarkeit verleiht. Ein Urteil, das die ausländische Urkunde für vollstreckbar erklärt, unterliegt wie jedes andere deutsche Urteil den ordentlichen Rechtsmitteln der Berufung und ggf. der Revision. Die Situation kann sich aber insofern ändern, als die Ukraine künftig dem Lugano-Übereinkommen, dem Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973 oder sogar der Europäischen Union beitreten könnte. Für die Anerkennung einer Ehescheidung selber gilt Art. 7 § 1 FamRÄndG als eine vor § 328 ZPO zu prüfende und insofern vorrangige Sonderregelung. Diese Vorschrift setzt keine Verbürgung der Gegenseitigkeit voraus (Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a. a. O., Rn. 51). Die Landesjustizverwaltung kann allerdings ebenfalls nur dann anerkennen, wenn die Voraussetzungen des § 328 erfüllt sind (Hartmann, a. a. O., § 328 ZPO Rn. 57).