Die Durchsetzungsrichtlinie 2004/48/EG Erik Nooteboom Referatsleiter – Referat Gewerbliches Eigentum 1

Einleitung • Produktpiraterie bzw. die Verletzung geistigen Eigentums nimmt international immer mehr zu. • Produktpiraterie birgt viele Probleme: für Rechtsinhaber, Verbraucher, Regierungen und die gesamte Gesellschaft.

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Überblick über EG-Initiativen: drei Ebenen • Innerhalb des EU-Gebiets: Binnenmarktinitiativen • EU-Außengrenzen: Zollinitiativen – Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, bei denen der Verdacht der Fälschung und Produktpiraterie besteht (ABl. L 196 vom 2.8.2003, S. 7)

• Drittländer: u.a. Handelsinitiativen – Strategie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums in Drittländern (10. November 2004)

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Binnenmarktinitiativen • Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. L 157 vom 2.6.2004, S. 45) • Harmonisierung der (grundlegenden) zivilrechtlichen Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe

• Vorschläge für strafrechtliche Sanktionen zur Bekämpfung der Verletzung geistigen Eigentums • Vorlage durch die Kommission am 12. Juli 2005

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Die „Durchsetzungsrichtlinie“ 2004/48/EG • Hintergrund zum Gesetzgebungsverfahren – Kommissionsvorschlag vom 30. Januar 2003; förmliche Annahme am 29. April 2004 – Umsetzungsfrist: 29. April 2006

• Ergänzung des materiellen Rechts auf dem Gebiet des geistigen Eigentums • „TRIPS plus“ und „beste Praxis“ • Durchsetzung unterliegt Überprüfung durch den EuGH! 5

Durchsetzungsrichtlinie (Fortsetzung) • Umsetzung durch die Mitgliedstaaten (MS) muss bis 29. April 2006 erfolgen – Alle MS werden ihre einzelstaatlichen Rechtsvorschriften ändern müssen. – Die Europäische Kommission organisierte ein informelles Treffen der MS für Erfahrungsaustausch und Unterstützung hinsichtlich der Umsetzung.

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„Durchsetzungsrichtlinie“ (Fortsetzung) • Anwendungsbereich: Anwendung auf Verletzungen jeglicher Rechte des geistigen Eigentums (horizontaler Ansatz) – „Rechte des geistigen Eigentums, die im Gemeinschaftsrecht und/oder im innerstaatlichen Recht des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehen sind“ – Kommission veröffentlichte eine Liste der betreffenden Schutzrechte (Erklärung 2005/295/EG, ABl. 2005 L 94 vom 13.4.2005, S. 37)

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„Durchsetzungsrichtlinie“ (Fortsetzung) •

Enthält u.a. Regelungen zu: – – – – – – –

allgemeinen Verpflichtungen Beweisen und Beweissicherung Recht auf Auskunft einstweiligen Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen Abhilfemaßnahmen Schadensersatz und Rechtskosten Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen

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„Allgemeine Verpflichtungen“ •

Anforderungen an Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe: – – – – –



fair und gerecht; nicht unnötig kompliziert oder kostspielig; keine unangemessenen Fristen oder ungerechtfertigten Verzögerungen; wirksam, verhältnismäßig und abschreckend; Anwendung vermeidet die Einrichtung von Schranken für den rechtmäßigen Handel und bietet die Gewähr gegen Missbrauch.

Anforderungen an Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe: – den spezifischen Merkmalen wird in jedem Einzelfall Rechnung getragen; – einschließlich der Sonderaspekte jedes Rechts an geistigem Eigentum; – und gegebenenfalls dem vorsätzlichen oder nicht vorsätzlichen Charakter der Rechtsverletzung.

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„Beweise“ • Vorlage der in der Verfügungsgewalt der gegnerischen Partei befindlichen Beweise • Übermittlung von Bank-, Finanz- oder Handelsunterlagen, die sich in der Verfügungsgewalt der gegnerischen Partei befinden (Verletzung in „gewerblichem Ausmaß“) • Einstweilige Maßnahmen zur Beweissicherung • Maßnahmen z.B. Beschreibung / Muster / Beschlagnahme • ohne Anhörung der gegnerischen Partei • Schutzmaßnahmen (Sicherheit, Frist für Einleitung des Hauptsacheverfahrens, Entschädigung, Zeugenschutz)

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„Recht auf Auskunft“ • • • •

Zur Feststellung von Ursprung und Vertriebswegen; bei Verletzungsverfahren durch Anordnung der zuständigen Gerichte; auf der Grundlage eines „begründeten und die Verhältnismäßigkeit wahrenden Antrags des Klägers“; gerichtliche Anordnungen können ergehen gegen: – den Verletzer bzw. – alle (auch Mittelspersonen), die zu gewerblichen Zwecken an der Verletzung beteiligt waren.



Art von Informationen: • Namen, Anschriften • Mengen, Preise



Schutz: • Vorschriften hinsichtlich der Verwendung von Informationen in Zivil-/Strafverfahren • Selbstbezichtigung • personenbezogene Daten

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„Einstweilige Maßnahmen“ • Einstweilige Maßnahmen (Art. 9) • Verhinderung drohender Verletzungen / der Fortsetzung stattfindender Verletzungen • vorbeugende Beschlagnahme beweglichen und unbeweglichen Eigentums des angeblichen Verletzers • ohne Anhörung der gegnerischen Partei (mit Schutzmaßnahmen) • Zustellung auch an Mittelsperson möglich, deren Dienste ein Dritter zwecks Rechtsverletzung in Anspruch nimmt

• Nach Sachentscheidung (Art. 11) • soweit nach nationalem Recht vorgesehen: Zwangsgelder bei Missachtung einer Anordnung • Zustellung auch an Mittelsperson möglich, deren Dienste ein Dritter zwecks Rechtsverletzung in Anspruch nimmt

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„Abhilfemaßnahmen“ • Maßnahmen: – Rückruf aus den Vertriebswegen – endgültiges Entfernen aus den Vertriebswegen – Vernichtung

• Anordnungsgegenstand: rechtsverletzende Waren bzw. Materialien und Geräte, die vorwiegend zur Schaffung oder Herstellung dieser Waren dienen • auf Kosten des Verletzers, sofern nicht besondere Gründe dagegen geltend gemacht werden • MS können gem. Art. 12 Ersatzmaßnahmen vorsehen, falls: – ein unverhältnismäßig großer Schaden entstehen würde, – eine Abfindungszahlung angemessen erscheint, – der Verletzer weder absichtlich noch fahrlässig handelte.

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„Schadensersatz und Rechtskosten“ Schadensersatz.... – –

„Verletzer, der wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass er eine Verletzungshandlung vornahm“, hat „dem Rechtsinhaber zum Ausgleich des von diesem wegen der Rechtsverletzung erlittenen tatsächlichen Schadens angemessenen Schadensersatz zu leisten“.

Gerichte bestimmen den Schadensersatz unter Berücksichtigung –

aller in Frage kommenden Aspekte, z. B. • der negativen wirtschaftlichen Auswirkungen (einschließlich Gewinneinbußen; zu Unrecht erzielte Gewinne des Verletzers) • anderer als rein wirtschaftlicher Faktoren (z.B. immaterieller Schaden ) ODER

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Pauschalbetrag, z.B. auf der Grundlage mindestens des Betrags der Vergütung oder Gebühr

ABER AUCH: bei Unwissen des Verletzers: Gewinnherausgabe oder Schadensersatzzahlung



...UND „die Prozesskosten und sonstigen Kosten der obsiegenden Partei [werden] in der Regel, soweit sie zumutbar und angemessen sind, von der unterlegenen Partei getragen [...], sofern Billigkeitsgründe dem nicht entgegenstehen“ (Art. 14)

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„Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen“ • Vorgeschriebene Regelung; • Gerichte können geeignete Maßnahmen zur Verbreitung von Informationen über die Entscheidung anordnen; • auf Antrag des Antragstellers und auf Kosten des Verletzers.

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Strafrechtliche Sanktionen? • Artikel 20 des Vorschlags der Kommission zur Durchsetzungsrichtlinie: „schwerwiegende Verletzungen“ sollten als Straftat gelten und strafrechtlich sanktioniert werden; • Interinstitutionelle Debatte über Strafrechtszuständigkeit der 1. Säule (Rs. C-176/03, Kommission ./. Rat; EuGHUrteil zugunsten der Kommission am 13. September 2005); • die Richtlinie sieht keine verpflichtenden strafrechtlichen Maßnahmen vor, doch die MS „können andere angemessene Sanktionen vorsehen“; • Kommission kündigte „weitere Maßnahmen“ in diesem Bereich an: Doppelvorschlag vom 12. Juli 2005

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Richtlinienvorschlag über strafrechtliche Maßnahmen zur Durchsetzung von Rechten des geistigem Eigentums • Grundlage: Artikel 95 EG-Vertrag • Straftat: alle absichtlichen Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums in gewerblichem Ausmaß; • einschließlich des Versuchs, der Beihilfe oder Anstiftung zu solchen Straftaten; • Sanktionen: von Haft- und Geldstrafen bis hin zu Warenbeschlagnahme und Betriebsschließungen 17

Vorschlag eines Rahmenbeschlusses zur Ahndung der Verletzung geistigen Eigentums • Grundlage: Artikel 31 und 34 EG-Vertrag • Ergänzung der Richtlinie mit detaillierten Vorschriften bzgl. Strafen/Maßnahmen der gerichtlichen Zusammenarbeit • Mindeststrafen: – (a) Höchstmaß von mindestens vier Jahren Freiheitsstrafe bei organisierter Kriminalität oder Gesundheits-/Sicherheitsgefährdung – (b) Höchstmaß der Geldstrafe mindestens 100 000 EUR oder bei Voraussetzungen wie in (a) 300 000 EUR 18

Abschließende Bemerkungen • Die EU nimmt die Bekämpfung der Produktpiraterie ernst: gemeinsame Verantwortung von EU, Mitgliedstaaten und Zivilgesellschaft • Durchsetzungsrichtlinie bewirkt angemessenen Interessensausgleich • DG MARKT D/2 (Gewerbliches Eigentum) • http://europa.eu.int/comm/internal_market/en/indprop/piracy/i ndex.htm

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