EfKiR informiert: Umgang und gerichtliche Regelung

Eltern für Kinder im Revier e.V. Allen Kindern beide Eltern Stand: 03.06.2011 EfKiR informiert: I. Umgang, Besuch, Kontakt – was ist das? .............
Author: Kristin Hase
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Eltern für Kinder im Revier e.V. Allen Kindern beide Eltern

Stand: 03.06.2011

EfKiR informiert: I. Umgang, Besuch, Kontakt – was ist das? ............................................................................... 1 1. Umgang als Vater oder Mutter mit dem eigenen Kinde: ................................................... 1 2. Umgang von Großeltern, sozialen Vätern/Müttern und sonstigen mit dem Kinde ............ 3 II. Umgang – die Beziehung zwischen Elternteil und Kind ....................................................... 3 III. gerichtliche Entscheidung über den Umgang....................................................................... 7 1. Erlaß / Billigung einer Umgangsregelung .......................................................................... 7 2. Antrag auf Ausschließung des Umgangs ......................................................................... 11 IV. Umgang bei Vorwurf des sexuellen Missbrauchs: ............................................................ 12 V. Umgangsboykott durch den einen Elternteil ....................................................................... 12 VI. Umgang als Grundrecht von Elternteilen und Kind........................................................... 13 VII. Durchsetzung des Umgangsrecht gegen den Umgangspflichtigen Elternteil................... 14

Umgang und gerichtliche Regelung I.

Umgang, Besuch, Kontakt – was ist das?

Zu allererst ist zu klären, worum es bei „Umgang“ geht, und welche Personen in diesem Zusammenhang betroffen sind. „Umgang“ haben Menschen miteinander. „Umgang“ ist menschen- und grundrechtlich besonders geschützt, wenn sich diese Menschen besonders nahe stehen, also insbesondere dann, wenn es sich bei diesen Menschen um Eltern(-teile) und ihre Kinder handelt. Dieser Elternteil-Kind-Umgang ist in § 1684 BGB geregelt. Neben dem Eltern-Kind-Verhältnis gibt aber auch weitere grundsätzlich geschützte Beziehungen von Kindern Erwachsenen, z.B. die Beziehungen des Kindes zu den Großeltern, oder zu sog. „sozialen Vätern und/oder Müttern“, also zu Männern oder Frauen, die zwar nicht ihr Vater bzw. ihre Mutter sind, mit denen sie aber längere Zeit zusammen gelebt haben, und zu denen sie eine besondere soziale Beziehung aufgebaut haben. Die Rechtsgrundlage für diesen Umgang ist § 1685 BGB. 1. Umgang als Vater oder Mutter mit dem eigenen Kinde: Wer Vater, wer Mutter ist und ganz „normal“ mit seinem Kinder zusammenwohnt, der interessiert sich nicht für das Wort „Umgang“, für diese anderen Worte „Besuch“, „Kontakt“ usw., der kennt ihren Inhalt, ihre Bedeutung nicht, der lebt einfach ganz „normal“ mit seinem Kind zusammen, kümmert sich um dieses, hat Spaß mit diesem, ärgert sich über dieses und hat Streß und Sorgen wegen diesem. Und dann passiert es: wie ein Blitz aus heiterem Himmel wird man/frau von seinem Kind getrennt, sei es weil der/die Partner/in (und andere Elternteil des Kindes) die (Stand 03.06.2011)

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02.01 Umgang-gerichtliche Regelung

Eltern für Kinder im Revier e.V.: Kastanienallee 42, 45127 Essen Vereinsregister: Amtsgericht Essen VR 4366, Konto 1878289, Sparda Bank West eG, BLZ 360 605 91 _____________________________________________________________________________________________________

Trennung – auch vom Kinde – herbeiführt, sei es Jugendamt und/oder Familiengericht nehmen einem das Kind weg. Dann ist man/frau plötzlich mit Leuten vom Jugendamt, mit Familienrichtern, häufig auch mit familienpsychologischen Gutachtern, Verfahrenspflegern usw. konfrontiert, man/frau sucht Hilfe beim Rechtsanwalt, und diese Leute alle zusammen reden ein fachchinesich, das man/frau nicht versteht, auch wenn die Worte, die sie gebrauchen, deutsche Worte sind. All diese sog. Profis, denen man/frau sich nun ausgeliefert sieht, werfen mit den Worten „Besuch“, „Kontakt“, „Besuchskontakt“, „Besuchsrecht“, eher seltener auch mit den Wort „Umgangskontakt“ so um sich, verwenden diese Worte in ihren Schreiben, in gerichtlichen Protokollen und Beschlüssen. Aber was bedeuten diese Worte? Was haben sie mit dem eigenen Kind, mit der Beziehung zum eigenen Kind zu tun? Das verraten einem all diese sog. Profis in der Regel genauso wenig, wie sie es unterlassen, den (juristisch) korrekten Begriff: (derzeit) „Umgang“, oder (einen Begriff, der seinen Inhalt selbsterklärend beschreibt) wie „Zeit der elterlichen Verantwortung“ zu verwenden. Um sich klar zu machen, was hier von diesen sog. Profis mit Sprache gemacht wird, muß sich über die tatsächliche Bedeutung der Worte informieren. „Kontakt“ ist allenfalls eine sehr kurzzeitige Verbindung zu jemand (oder zu etwas), oft auch nur eine indirekte (z.B. über Telefon oder Brief). „Besuch“ ist zwar zumindest ein direkter Kontakt, aber auch nur einer von kurzer Dauer. Bezeichnenderweise kennt das deutsche Recht tatsächlich ein „Besuchsrecht“. In § 24 StVollzG wird dem Strafgefangenen das „Recht auf Besuch“ zugesprochen, und zwar im Umfang von einer Stunde pro Monat, wobei diese Besuche gem. § 27 StVollzG überwacht werden. Wer also im Rahmen von Trennung der Elternteile in Bezug auf Beziehung des gemeinsamen Kindes zu jedem der Elternteile von „Besuch“, „Besuchsrecht“ u.ä. (auch und Gerade als Jugendamtsmitarbeiter, Familienrichter, Fachanwalt für Familienrecht, familienpsychologischer Gutachter o.ä.) dumm daherplappert, der sagt damit, daß in seinen Augen entweder das Kind oder der jeweilige Elternteil (oder beide) den Status eines verurteilten Verbrechers hat, also in einer Art Gefängnis (das Kind also in der Regel im mütterlichen Gefängnis) sitzt und seine Strafe verbüßt (für welches Verbrechen eigentlich?), und die Gefängniswärter (= der eine Elternteil, Jugendamt, Familienrichter) dieses „Besuchsrecht“ gem. § 24 StVollzG eng begrenzt gewähren, überwachen oder gar ganz verweigern. Wer persönliche Erfahrung mit der Trennung vom Kinde (aufgrund Trennung von der/von dem Partner/in) hat, der erkennt die Gleichheit von ihm und/oder seinem Kinde mit einem Strafgefangenen. Schaut man aber in das Gesetz, speziell in das Familienrecht, so gibt es da weder solche niedere Kreaturen (die noch nicht mal in Brehm’s Tierleben beschrieben sind; denn eine Tierart „Kindes“ ist dort tatsächlich nicht zu finden, im Gegensatz zu den Arten „Löwe“, „Affe“ oder „Rind“) wie „Kindeseltern“, „Kindesvater“, „Kindesmutter“ (komischerweise findet man „Kindeskind“ in dieser Sprache nicht), noch findet man ein „Recht auf Besuch“ wie in § 24 StVollzG. Das Familienrecht kennt nur „“Eltern“ (vgl. z.B. § 1626 BGB) und „Umgang des und mit dem Kinde“ (§§ 1684, 1685 BGB). Was dieses konkret ist, siehe unten, Ziffer II.. Die von den sog. Profis verwendeten Worte „Besuch“, „Kontakt“ u.ä. gehören (mit ebenfalls immer wieder verwendeten Worten „Kindeseltern“, „Kindesvater“, Kindesmutter“) zu einer Sprache, die dieses sog. Profis im Laufe der Jahre entwickelt haben, zu dem einzigen Zweck, die Menschen, die damit bezeichnet werden bzw. -2

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die davon betroffen sind, als drittklassig, als Untermenschen herabzusetzen; denen kann man allenfalls aus eigener Gnade heraus vielleicht mal ein Almosen geben. Die Verwendung dieser Begriffe durch Richter, Jugendamtmitarbeiter, Rechtsanwälte usw. ist genauso beleidigend, als wenn diese in einem gerichtlichen Verfahren einen Schwarzafrikaner als „Bimbo“ oder einen Türken als „Kanake“ bezeichnen. Leider lassen sich die betroffenen Elternteile diese „professionellen“ Beleidigungen nicht nur gefallen, sie plappern diese (Selbst-)Beleidigungen häufig auch noch nach, auch und gerade in Bezug auf die eigene Person. Wer einmal nachlesen möchte, was ein anerkannter Fachmann (der ehemalige Leiter des Kreisjugendamtes Siegburg, Ferdinand Kaufmann) dazu geäußert hat, dem sei sein Artikel „Kindesmutter und Kindesvater: Relikte aus vergangener Zeit?“ (KindPrax 1999, 20) zur Lektüre empfohlen. Es wird also – dringend und im eigenen Interesse – empfohlen, sich systematisch diese persönlichen Beleidigungen von Anwälten, Jugendamtsleuten und Familienrichtern zu verbitten und diese Leute konsequent aufzufordern, die korrekten Begriffe zu verwenden. Denn eine alte Erfahrung zeigt: Nur wer sich selbst Respekt verschafft, dem gewährt man auch sein Recht. 2. Umgang von Großeltern, sozialen Vätern/Müttern und sonstigen mit dem Kinde In Zeiten „Lebensabschnittsbeziehungen“, „Patchworkfamilien“, Sex mit wechselnden Partnern und hohen Trennungs-/Scheidungsraten werden Kinder – und spiegelbildlich die entsprechenden Erwachsenen – in ihrem Kinderleben nicht nur vom anderen Elternteil, sondern auch von dessen Familie, insbesondere von den Großeltern dieses Elternteils getrennt. Durch neue Lebensgemeinschaften des Elternteils erhalten sie zusätzlich sog. „soziale Elternteile“, von denen sich der leibliche Elternteil möglicherweise auch wieder trennt, und damit –ohne Rücksicht auf seine Beziehung zum sozialen Elternteil – wird das Kind auch von diesem getrennt. Oder das Kind ist ein sog. „Kuckuckskind“, dessen rechtliches Vater-Kind-Verhältnis durch eine irgendwann durchgeführte Vaterschaftsanfechtung (rechtlich) aufgelöst wird, obwohl „Scheinvater“ und „Kuckuckskind“ eine Beziehung zueinander aufgebaut haben. In all diesen Fällen kann das Kind und der jeweilige Großelternteil oder soziale Elternteil gem. § 1685 BGB grundsätzlich weiterhin Umgang miteinander pflegen, auch gegen den Willen jeweiligen leiblichen Elternteils. II. Umgang – die Beziehung zwischen Elternteil und Kind Umgang entspringt dem Grundrecht auf Schutz der Familie, speziell dem Grundrecht des Kindes, und der Grundpflicht der Eltern auf Pflege und Erziehung (Art. 6 II GG). Dieser lautet: Art. 6 GG: (1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Gemeinschaft. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. ...

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Umgang ist einfach-gesetzlich geregelt in den § 1626 Abs. 3 und §§ 1684, 1685 BGB. Diese lauten: § 1626: Elterliche Sorge; (1) ... (3) Zum Wohle des Kindes gehört der Umgang mit beiden Elternteilen. Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist. § 1684 Umgangsrecht von Eltern mit dem Kind (1) Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kinde verpflichtet und berechtigt. (2) 1Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert. 2Entsprechendes gilt, wenn sich das Kind in der Obhut einer anderen Person befindet. (3) 1Das Familiengericht kann über den Umfang des Umgangsrechts entscheiden und seine Ausübung, auch gegenüber Dritten, näher regeln. 2Es kann die Beteiligten durch Anordnungen zur Erfüllung der in Absatz 2 geregelten Pflichten anhalten. (4) 1Das Familiengericht kann das Umgangsrecht oder den Vollzug früherer Entscheidungen über das Umgangsrecht einschränken oder ausschließen, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. 2Eine Entscheidung, die das Umgangsrecht oder seinen Vollzug für längere Zeit oder auf Dauer einschränkt oder ausschließt, kann nur ergehen, wenn andernfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre. 3Das Familiengericht kann insbesondere anordnen, daß der Umgang nur stattfinden darf, wenn ein mitwirkungsbereiter Dritter anwesend ist. 4 Dritter kann auch ein Träger der Jugendhilfe oder ein Verein sein; dieser bestimmt dann jeweils, welche Einzelperson die Aufgabe wahrnimmt. Aber, wie oben (vgl. Ziffer I.2.) gezeigt, gibt es auch andere, denen Umgang mit dem Kinde zusteht, und mit denen das Kind grundsätzlich notfalls auch gegen den Willen Elternteils Umgang haben – und durchsetzen – kann. Diese Rechtsposition ist zwar weniger stark als die des Rechtes auf und der Pflicht zum Umgang gem. § 1684 BGB, aber gemeinsam können Kind und erwachsener Dritter, seien es die Großeltern, sei es ein sozialer Elternteil, es schaffen, eine gute gerichtliche Umgangsregelung zu erstreiten. Die Rechtsgrundlage für Umgang des Kindes mit Dritten ist § 1685 BGB, der da lautet: § 1685 Umgangsrecht anderer Bezugspersonen (1) Großeltern und Geschwister haben ein Recht auf Umgang mit dem Kind, wenn dieser dem Wohl des Kindes dient.

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(2) Gleiches gilt für den Ehegatten oder früheren Ehegatten eines Elternteils, der mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat, und für Personen, bei denen das Kind längere Zeit in Familienpflege war. Will man, ja muß man den Umgang gegen den Willen eines Elternteils gerichtlich durchsetzen, muß man sich klar machen, was dies bedeutet. Dies muß man sich vor allem vor dem Hintergrund klarmachen, daß die sogenannten Profis, also Jugendamt, Familienrichter, und Rechtsanwälte sowie Gutachter etc. im deutschen Familiengerichtsalltag Umgang oft falsch, insbesondere zu Lasten des einen Elternteils, des Umgang begehrenden Dritten, aber vor allem zu Lasten des Kindes als „Gnadenakt und Trostpflaster“ für den anderen Elternteil, und erst recht für den Dritten, die Großeltern oder den „sozialen Elternteil“ ansieht, den man von seinem Kind getrennt hat. Wie das Gesetz, und vor allem die ständige Rechtsprechung des Europäischen Menschrechtsgerichtshof sowie des BVerfG zeigt, ist Umgang -

der juristische Begriff für die faktische zeitliche Möglichkeit (d.h. das Zeitkontingent des Kindes, in dem es mit seinen Eltern/-teilen zusammen ist) von Vater und Mutter, ihrer Pflicht zur Betreuung, Fürsorge und Erziehung nachzukommen (man würde sie besser als „Zeit der elterlichen Verantwortung“ bezeichnen) ,

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eine Pflicht von Vater und Mutter, unabhängig davon ob sie zusammen leben, getrennt leben oder geschieden sind, und unabhängig davon, ob nach Trennung/Scheidung das Kind sowie ggf. die elterliche Sorge einem Elternteil oder gar beiden Elternteilen genommen wurde,

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eine Pflicht, die Vater und Mutter (auch bei Trennung und Scheidung) gleichmäßig und gleichwertig trifft. Dies heißt, daß nach dem Gesetz (auch wenn die sog. Profis dies nicht wahr haben wollen) der Umgang nach Trennung/Scheidung möglichst nach dem sog. Wechselmodell, also jeweils hälftig von Vater und Mutter ausgeübt werden muß.

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ein Grundrecht des Kindes gegenüber den Eltern, und ein Abwehrrecht der Elternteile gegen Eingriffe des Staates und Dritter (also auch gegenüber dem anderen Elternteil). Deswegen darf der Umgang nur eingeschränkt werden, wenn das Kind durch den Umgang konkret gefährdet wird.

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wird das Grundrecht (hier Umgang, gilt aber auch für die elterliche Sorge) gerichtlich eingeschränkt, so ist das Familiengericht verpflichtet, in angemessenen Zeitabständen (etwa jährlich) zu prüfen, ob die Gründe für die Umgangs- (oder auch Sorgerechts-) Einschränkung noch vorliegen. Ist dies nicht der Fall, ist die entsprechende Einschränkung unverzüglich wieder aufzuheben.

Es sei noch einmal klar gesagt (auch und gerade wenn sog. Profis wie Familienrichter und Fachanwälte für Familienrecht dies – fälschlicherweise – anders behaupten):

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Umgang mit dem Kinde ist die Zeit, die ein Kind im Verantwortungsbereich dieses Elternteils verbringt, unabhängig davon, ob seine Eltern nun zusammenleben oder nicht.

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Insbesondere findet Umgang mit dem Kinde auch bei „normalen“, also nicht getrennten Familien statt. Nur gibt es dabei in der Regel keine Probleme, die Jugendamt und Familiengericht auf den Plan rufen

Deutsche Jugendämter und Familiengerichte ignorieren dies aber – fast – immer, und deswegen wird Deutschland immer wieder vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof (EGMR) wegen Verletzung der Menschenrechte insbesondere wegen Verletzung des Rechts auf Umgang verurteilt. Bisher wurde in den letzten Jahren folgenden Gerichten und Jugendämtern in Nordrhein-Westfalen vom EGMR der Titel „Menschenrechtsverletzer“ verliehen:

verurteilter Menschenrechtsverletzer in Kindschaftssachen in NRW Gericht/e

AG Mettmann

Entscheidung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, Straßburg

Jugendamt

Fall

freier Träger der Jugendhilfe

Gesch.-z. des EGMR

Jugendamt Erkrath

„Elsholz“

LG Wuppertal

Entscheidung veröffentlicht in

13.7.2000

FamRZ 2001, 341

11.10.2001

FamRZ 2002, 386

25735/84

AG Mülheim/Ruhr

Jugendamt Mülheim/Ruhr „Hoffmann“

LG Duisburg

Diakonisches Mülheim/Ruhr

OLG Düsseldorf

Datum der Entsch.

Werk 34045/96

AG Bonn,

„Niederböster“

LG Köln

39547/98

27.2.2003

OLG Köln AG Münster

Jugendamt Münster

OLG Hamm

„Haase“

8.4.2004

11057/02

FamRZ2005, 585, NJW 2004, 3401 EuGRZ 2004, 715

AG Köln

Jugendamt Köln

OLG Köln

„Zaunegger“

3.12.2009

22028/04

FamRZ 2010, 103; NJW 2010, 501; ZKJ 2010, 112; DÖV 2010, 234

AG Emmerich

Jugendamt Rees

Rafsandjani

OLG Düsseldorf

Kreisjugendamt Kleve

21980/06,

20.1.2011

FamRZ 2011, 533

26944/07 u. 36948/08

Es bleibt festzuhalten: Umgang darf als Grund- und Menschenrecht des Kindes, aber auch jedes Elternteils, nur dann – gerichtlich – eingeschränkt oder unterbunden/ausgesetzt werden, wenn -

das Kind durch den Umgang konkret gefährdet wird, -6

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es keine andere, weniger einschneidende Maßnahme möglich ist (wie z.B. begleiteter Umgang).

Also, nur das Familiengericht kann Umgang einschränken oder gar aussetzen, nicht das Jugendamt, oder gar ein Gutachter bzw. der andere Elternteil. Ist Umgang aber gerichtlich eingeschränkt oder ausgesetzt, so ist das Familiengericht verpflichtet, jährlich zu prüfen, ob die Gründe, die zur Einschränkung/Aussetzung des Umgangs geführt haben, noch vorliegen. Dabei ist hervorzuheben, daß auch der erhobene Vorwurf des sexuellen Missbrauchs oder gar der nachgewiesene sexuelle Missbrauch nicht grundsätzlich zu einem Ausschluß des Umgangs führen darf. Es muß auch in diesen Fällen gem. den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit versucht werden, ein mögliches, weniger einschneidendes Mittel (begleiteter Umgang) festzusetzen. Zu all diesen Fragen nun die folgenden Entscheidungen in ihren Leitsätzen bzw. wesentlichen Passagen.

III. gerichtliche Entscheidung über den Umgang Vorab muß man – auch und gerade Umgangsregelungen betreffend – sich eines bewußt machen: In Deutschland gilt – wie in anderen Staaten auch – das staatliche Gewaltmonopol, d.h. Selbstjustiz ist verboten, bei Verletzungen der eigenen Rechte ist jeder verpflichtet, diese im Zweifellsfalle gerichtlich einzufordern, d.h. vor dem (Familien-)Gericht einzuklagen und mittels Vollstreckungsgericht oder Gerichtsvollzieher durchzusetzen. Dies gilt auch und gerade für den Umgang mit dem eigenen Kinde. 1. Erlaß / Billigung einer Umgangsregelung An dieser Stelle sei auch klargestellt, daß das Jugendamt keinerlei Kompetenz hat, eine Umgangsregelung zu erlassen (auch wenn viele Sozialarbeiter in völliger Überschätzung ihrer Kompetenzen sich dies immer wieder anmaßen); das Jugendamt hat allenfalls die Kompetenz, Beratung und Unterstützung für die Findung einer Elternvereinbarung zu leisten (vgl. §§ 17, 18 SGB VIII). Also, alleinig zuständig zur Schaffung von durchsetzbaren, d.h. vollstreckbaren und damit Rechtssicherheit bietenden Umgangsregelungen ist das Familiengericht. Leider haben die deutschen Familiengerichte in der Vergangenheit fast immer nur Murks abgeliefert im Bezug auf (familien-) gerichtliche Umgangsbeschlüsse. Dies hat zwischenzeitlich auch der Gesetzgeber erkannt, und – damit es auch dem dümmsten Familienrichter klar wird, wie ein brauchbarer, also vollstreckbarer Umgangsbeschluß auszusehen hat, sowie wie man einvernehmlich gefundene Umgangsregelungen vollstreckbar, also brauchbar macht – hat er in das neue FamFG hineingeschrieben, daß -

einvernehmlich gefundene Umgangsregelungen gem. § 156 Abs. 2 FamFG gerichtlich zu billigen sind, um sie vollstreckbar zu machen, und

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falls solch vollstreckbar gemachte Umgangsregelungen missachtet werden, gem. § 89 Abs. 1 FamFG für jeden fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld, ersatzweise Ordnungshaft verhängt werden kann -7

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§ 156 Abs. 2 FamFG lautet: „§ 156 FamFG (1) … (2) Erzielen die Beteiligten (d.h. i.d.R. die Elternteile) Einvernehmen über den Umgang …, ist die einvernehmliche Regelung als Vergleich aufzunehmen, wenn das Gericht diese billigt (gerichtlich gebilligter Vergleich). Das Gericht billigt die Regelung, wenn sie dem Kindeswohl nicht widerspricht. …“ Wer also eine verbindliche, d.h. im Umgangsvereinbarung haben will, der benötigt

Zweifelsfall

auch

durchsetzbare

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entweder eine durch familiengerichtlichen Beschluß getroffene (vollstreckbare) Umgangsregelung, oder

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eine durch familiengerichtliche Genehmigung vollstreckbar gemachte „Elternvereinbarung“, in der Sprache des FamFG einen gem. § 156 Abs. 2 FamFG „gerichtlich genehmigten Vergleich der Beteiligten (Eltern)“.

Dieser Umgangsbeschluß bzw. dieser gerichtlich genehmigte Umgangsvergleich muß zwingend gem. § 89 Abs. 2 FamFG eine Warnung dergestalt enthalten, daß bei Zuwiderhandlungen Ordnungsgeld oder Ordnungshaft gem. § 89 Abs. 1 FamFG verhängt werden kann. Zwischenzeitlich gibt es auch schon Gerichtsentscheidungen, die die gerichtliche Pflicht zur Vollstreckbar-Machung von Umgangregelungen bestätigen, wie die folgenden Beispiele zeigen: OLG Frankfurt – 1 UF 318/01 –, Beschluss v. 28.5.2002 (FamRZ 2003, 250 = JAmt 2002, 527; zum Umgang der Großeltern): „Bestätigung einer Vereinbarung zu Protokoll des Familiengerichts) gerichtlich eingeräumten Umgangsbefugnis der Großeltern väterlicherseits mit ihrem Enkel trotz Widerstandes der Mutter (die von der Vereinbarung abrücken möchte) … Die getroffene Vereinbarung war zu bestätigen, damit sie den Charakter einer gerichtlichen Verfügung erhält und notfalls zwangsweise durchgesetzt werden kann. Hintergrund der Vereinbarung war es, eine Lösung zu finden, bei der die Mutter M. bei den Umgangskontakten begleiten kann. Die Gründe, die die Mutter gegen die Durchführung der Umgangskontakte in der vereinbarten Weise vorbringt, sind ersichtlich vorgeschoben. Sie hat nicht einmal den ersten Besuch entsprechend der Vereinbarung zugelassen, sondern von den Großeltern eine ganz andere Regelung verlangt. … … Der gerichtlichen Bestätigung stehen auch insoweit keine Bedenken entgegen, als sie eine Verpflichtung der Mutter beinhaltet, M. hin- und zurückzubringen. Wenn ein an einem Umgangsverfahren Beteiligter eine derartige Verpflichtung übernimmt, bindet er sich vertraglich.“ AG Ludwigslust - 5 F 283/09 –, Beschl. v. 19.11.2009(FamRZ 2010, 488 = BeckRS 2010, 06604) Die Leitsätze lauten: -8

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„1. Bei der einvernehmlichen Regelung des Umgangsrechtes der Eltern mit einem unter 14 Jahre alten Kind ist in deren Zustimmung zu einem Vergleichsabschluss im Sinne des § 156 Abs. 2 FamFG die Zustimmung des ebenfalls verfahrensbeteiligten Kindes als konkludent in ihren Erklärungen enthalten anzusehen. 2. Eine ausdrückliche Entscheidung über die gerichtliche Billigung des geschlossenen Vergleiches hat zumindest aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit zu erfolgen; gleichzeitig kann nur so den vollstreckungsrechtlichen Erfordernissen des § 89 Abs. 2 FamFG Rechnung getragen werden.“ Die Entscheidung des AG Ludwigslust lautet konkret: „1. Der in der mündlichen Verhandlung vom 04.11.2009 protokollierte Vergleich wird gerichtlich gebilligt. 2. Es wird darauf hingewiesen, dass bei einer Zuwiderhandlung gegen den Vergleich das Gericht gegenüber dem Verpflichteten Ordnungsgeld im Einzelfall bis zu 25.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten anordnen kann.“ Jetzt liegt es „nur“ noch an den jeweiligen Elternteilen (und ihren Anwälten), den sich verweigernde (Familien-)Richter zu zwingen, ihren Job ordentlich zu tun. Und so langsam fangen sie an, dies auch zu machen, auch bzgl. des Umgangs des Kindes mit Großeltern oder sozialem Elternteil. Hier erging beispielsweise am 15.4.2011 eine sehr begrüßenswerte Entscheidung des AG Essen, die dem Kuckucksvater, dem sozialen Vater eine wirklich umfassende Umgangsregelung gegen die boykottierende Mutter erließ: AG Essen: Beschl. v. 15.04.2011 - 106 F 264/10 (BeckRS 2011, 09557) … hat das Amtsgericht - Familiengericht - Essen durch Richter am Amtsgericht … am 15.04.2011 beschlossen: Der Umgang des Antragstellers mit den Kindern ..., geb. am ...2002 und ..., geb. am ...2005, wird wie folgt geregelt: Der Antragsteller ist berechtigt und verpflichtet, die beiden Kinder zu den nachfolgend genannten Zeiten bei der Mutter abzuholen bzw. dorthin wieder zurückzubringen: •

am jeweils 2. Feiertag von Ostern, Pfingsten und Weihnachten von 10.00 bis 18.00 Uhr,



am Samstag, den 07.05.2011 von 10.00 bis 18.00 Uhr, beginnend mit dem 21.05. bis 22.05.2011 alle 14 Tage von Samstagvormittag 10.00 Uhr bis Sonntagabend 18.00 Uhr bis zum Wochenende vom 16. bis 17.07.2011.



Während der Sommerferien 2011 findet der Umgang des Antragstellers von Samstag, den 13.08. 10.00 Uhr bis Samstag, dem 20.08. 18.00 Uhr statt.



Beginnend mit Samstag dem 03. bis Sonntag den 04.09.2011 findet wiederum alle 14 Tage von Samstag 10.00 Uhr bis Sonntag 18.00 Uhr Umgang mit beiden Kindern statt. -9

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Während der Herbstferien 2011 hat der Antragsteller Umgang mit den Kindern von Montag, dem 24.10. 10.00 Uhr bis Samstag, 29.10. 18.00 Uhr und sodann an den Wochenenden vom 12. bis 13.11, 26. bis 27.11., 10. bis 11.12., 31.12.2011 bis 01.01.2012 und sodann wiederum alle 14 Tage je in der Zeit von 10.00 bis 18.00 Uhr statt.

Der Mutter wird aufgegeben, die Kinder witterungsentsprechend bekleidet zu übergeben.

dem

Antragsteller

Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen. Den Beteiligten wird aufgegeben, den jeweils anderen nicht gegenüber den Kindern schlecht zu machen. Dem Antragsteller wird aufgegeben, während der Umgangszeit einen Kontakt der Kinder zu dem Großvater der Kinder mütterlicherseits auszuschließen. Die Gerichtskosten tragen der Antragsteller und die Kindesmutter je zur Hälfte, eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt. Der Verfahrenswert wird auf 3.000 Euro festgesetzt. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird den Beteiligten ein Ordnungsgeld von bis zu 25.000,00 Euro oder Ordnungshaft angedroht. Gründe: … über Monate hinweg kein Umgang zwischen den Kindern und dem Antragsteller stattgefunden hat. Diesen hat die Mutter selbst vereitelt! Für die Gefahr eines sexuellen Übergriffs des Großvaters mütterlicherseits auf beide Kinder gibt es keinen realen Anhaltspunkt. Zusätzlich wurde dieser Besorgnis der Mutter durch die tenorierte Auflage Rechnung getragen. Die Mutter wird darauf hingewiesen, das dem Gericht nicht entgangen ist, das sie durch ihre Verweigerung eines gemeinsamen Gesprächs die Berichterstattung des Jugendamtes verschleppt und sie versucht hat die Kinder massiv zu beeinflussen. Wie das Gericht bereits im Termin hervorgehoben hat, geht es hier darum, was dem Wohl der Kinder entspricht, nicht darum, welche persönlichen Interessen die Mutter verfolgt. Das Verhalten der Mutter wird sorgsam zu beobachten und gegebenenfalls ihre Erziehungsfähigkeit gerichtlich zu überprüfen sein. Soweit die Mutter nunmehr auf Loyalitätskonflikte der Kinder hinweist, ist zum einen zu betonen, dass sie diese selber durch ihre Manipulationsversuche hervorgerufen hat und zum anderen es ihre Aufgabe ist, den Kindern klar zu signalisieren, dass sie einen unbeschwerten Umgang mit dem Antragsteller auch aus Sicht der Mutter haben dürfen, was diesen Konflikt gerade vermeidet. Die Kinder sind in keiner anderen Situation wie bei einer Trennung der leiblichen Eltern. … Wenn also Familienrichter (wie der erkennende Richter dieser Entscheidung des AG Essen), die uns aus der Vergangenheit bekannt sind als solche, die nicht gerade sehr Kinder- und väterfreundliche familiengerichtliche Entscheidungen treffen, solche Umgangsbeschlüsse erlassen, so zeigt dies, daß es heute bei der Familiengerichtsbarkeit realistische Chancen für angemessene Umgangsregelungen gibt. Dies bedeutet nun aber, daß der eine – im Zweifelsfall gerichtliche – Umgangsregelung anstrebt, selbst intensive eigene Vorarbeit leisten muß, sich also dem Thema „Umgang mit dem Kinde“ mit erster Priorität widmen, sich fachkundige, erfahrene Berater suchen und notfalls unter Hintanstellung von Beruf und anderen - 10

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Verpflichtungen/Interessen das Umgangsverfahren aufnehmen muß. So geschah es im Fall des sozialen Vaters vor dem AG Essen. 2. Antrag auf Ausschließung des Umgangs Natürlich kann das (Familien-)Gericht – und muß es für Ausnahmefälle auch können – den Umgang ausschließen, und zwar dann, wenn das Kind durch den Umgang gefährdet ist. Umgangsausschluß ist aber ein massiver Eingriff in das Eltern- und Kinderrecht, welches grundrechtlich geschützt ist. Damit darf nur im begründeten schwerwiegenden Ausnahmefall der Umgang von Elternteil und Kind beschränkt oder gar ausgeschlossen werden. Hier zu hat das BVerfG z.B erklärt: BVerfG, Beschluss v. 8. 3. 3005 - 1 BvR 1986/04 (FamRZ 2005, 1057) 1. Bevor das Gericht seine Entscheidung zum elterlichen (hier: väterlichen) Umgangsrecht (hier: befristeter Umgangsausschluss) auf den geäußerten Willen des (hier: 8 ½ Jahre alten) Kindes stützt, hat es zu prüfen, inwiefern der Wille des Kindes mit seinem Wohl in Einklang steht. 2. Entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs hat das Gericht auch zu prüfen, ob ein begleiteter Umgang in Betracht kommt, zumal wenn sich ein solcher in der Vergangenheit schon einmal bewährt hat. Selbst in Fällen schwerster häuslicher Gewalt ist ein Umgangsauschluß nach einem Jahr daraufhin gerichtlich zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für den Ausschluß weiterhin fortbestehen, oder ob nun wieder der Umgang aufgenommen werden kann, wie das OLG Köln entschieden hat. OLG Köln, Beschl. v. 6.12.2010 - II-4 UF 183/10 – (FamRZ 2011, 571; ZFE 2011, 109; BeckRS 2010, 30480) Umgangsrecht: Beschränkung des Umgangsrechts eines Kindesvaters wegen massiver Gewalt gegenüber der Kindesmutter Orientierungssatz 1. Bei einem weit gehenden Umgangsausschluss - vorliegend Beschränkung auf die Übersendung von Briefen und gelegentlichen Geschenkpaketen - muss für den Umgang begehrenden Kindesvater unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten die Möglichkeit bestehen, die Frage zum Umfang der fortbestehenden notwendigen Einschränkungen seines Umgangsrechts nach einem Jahr ab Rechtskraft dieser Entscheidung überprüfen zu lassen.(Rn.3) 2. Sind Kinder durch die erfahrene Gewaltanwendung des Kindesvaters gegenüber der Kindesmutter - wobei es zuletzt zu einem versuchten Tötungsdelikt des Vaters gegenüber der Mutter gekommen war - stark traumatisiert, können unmittelbare persönliche Kontakte zum Kindesvater, wozu auch Telefonkontakte gehören, einen negativen Einfluss auf die geistig-seelische Entwicklung der Kinder haben.(Rn.4) - 11

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IV. Umgang bei Vorwurf des sexuellen Missbrauchs: Immer wieder wird – meistens gegen den Umgang-begehrenden – Vater (manchmal auch gegen die Umgang-begehrende Mutter) vom andren Elternteil der Vorwurf erhoben, der Umgangsbegehrende Elternteil habe sich am eigenen Kind vergangen, oder es wird zumindest gegenüber Jugendamt und Familiengericht sehr dramatisch vorgetragen, frau (manchmal auch man) habe große Befürchtungen, der andere Elternteil würde sein Kind während des Umgang sexuell mißbrauchen. In der Vergangenheit – und oft leider auch heute noch – führt das dazu, daß nicht nur eigener Umgangsboykott damit „gerechtfertigt“ wird, sondern auch Jugendamt sowie Familiengericht „auf diesen Zug aufspringen“, ohne den Wahrheitsgehalt oder wenigstens die Glaubwürdigkeit dieser Beschuldigung überhaupt zu prüfen. Hier muß man schnell durch gerichtliche Schritte versuchen, zum einen den Umgang aufrecht zu erhalten. Zum anderen muß man parallel gegen die Beschuldigungen bzw. Verdächtigungen (straf- und zivilrechtlich) vorgehen, so ihnen keine tatsächlichen sexuellen Handlungen mit dem Kinde zugrunde liegen. Für die Aufrechterhaltung des Umgangs ist die nachfolgende BVerfG-entscheidung recht hilfreich: BVerfG, Beschluß vom 2.4.2001 - 1 BvR 212/98 - (FamRZ 2001, 1057; NJOZ 2001, 834) Ein geäußerter Kinderwille kann im Zusammenhang mit der Frage des in einem Prozess zu klärenden Umgangsrechts außer Acht gelassen werden, wenn er offensichtlich durch einen Elternteil beeinflusst worden ist. In dieser Entscheidung führt das BVerfG u.a. aus: „... wurde das Umgangsrecht des Vaters durch die Bf. zu 2 unterbunden, weil sie auf Grund der Angaben der Bf. zu 1 den Eindruck hatte, diese sei vom Vater bei der Ausübung des Umgangsrechts sexuell missbraucht worden. Die Sachverständigen kamen in ihrem Gutachten zu dem Schluss, dass die Angaben der Bf. zu 1 sehr wahrscheinlich auf keiner realen Erlebnisgrundlage beruhen ... ... Das AG ist auf Grund mehrfacher Anhörungen zu der Überzeugung gelangt, dass die Äußerung der Bf. zu 1, sie wolle keinesfalls nach D., nicht deren wirklichen Willen entspreche, sondern auf Suggestionen beruhe; auch habe die Bf. zu 1 zu ihrem Vater ein „wirklich herzliches Verhältnis“, das auf jeden Fall zu fördern sei. .... Ein geäußerter Kinderwille kann außer Acht gelassen werden, wenn er offensichtlich beeinflusst worden ist.“ V. Umgangsboykott durch den einen Elternteil BVerfG , Beschl. v. 9.6.2004 – 1 BvR 487/04 - (FamRZ 2004, 1166) 1. Zu den materiellen und verfahrensrechtlichen Anorderungen des Art. 6 II S. 1 GG an den Ausschluss des persönlichen Umgangs eines Elternteils mit seinem Kind. 2. Es verstößt gegen Art. 6 II S. 1 GG, einen Umgangsausschluss vorrangig auf die ablehnende Haltung des betreuenden Elternteils zu stützen, ohne die Belange des Kindes und das Elternrecht des anderen Elternteils hinreichend zu berücksichtigen. - 12

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3. Weigert sich ein Elternteil, an der zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Begutachtung mitzuwirken, gebietet Art. 6 II S. 1 GG die Prüfung der Frage, welche Konsequenzen daraus für das weitere Verfahren zu ziehen sind. In dieser Entscheidung führt das BVerfG u.a. aus: „... Das Oberlandesgericht hat ... maßgeblich auf die ablehnende Haltung der Antragsgegnerin abgestellt, ohne aber die Belange des Kindes und das Elternrecht des Beschwerdeführers hinreichend berücksichtigt zu haben. Obgleich der Senat eine negative Beeinflussung des Kindes durch die Antragsgegnerin für möglich gehalten und dieser attestiert hat, sich gegen eine Begutachtung sowie gegen jeden Kontakt zwischen dem Beschwerdeführer und dem Kind zu sperren, hat er nicht erwogen, dass das Verhalten der Mutter das Wohl des Kindes womöglich gefährden könnte. Ebenso wenig hat das Oberlandesgericht erörtert, welche positiven Auswirkungen Umgangskontakte für das Kind haben könnten. Eine solche Prüfung wäre nicht zuletzt angesichts der Feststellungen des erstinstanzlich bestellten Sachverständigen, wonach das Kind - jedenfalls seinerzeit - eine positive Beziehung zum Beschwerdeführer gehabt hatte, und der eigenen Erwägungen, denen zufolge das Kind unter der Trennung leiden könnte, geboten gewesen. ...“ VI. Umgang als Grundrecht von Elternteilen und Kind BVerfG, Beschl. v. 18.2.1993 - 1 BvR 692/92 – (NJW 1993, 2671, FamRZ 1993, 662, EuGRZ 1993, 213, DAVorm 1993, 319) 1. Bei der sowohl an den beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch am Kindeswohl orientierten Entscheidung über die Regelung des Umgangsrechts des nach der Ehescheidung nichtsorgeberechtigten Elternteils haben die Familiengerichte durch die Gestaltung des Verfahrens sicherzustellen, daß eine Konkordanz der verschiedenen Grundrechte möglichst erreicht wird (vgl BVerfG, 1980-11-05, 1 BvR 349/80, BVerfGE 55, 171 und 1983-05-31, 1 BvL 11/80, BVerfGE 64, 180 ). 2. Mit GG Art 6 Abs 2 ist es nicht vereinbar, wenn bei einer gerichtlichen Entscheidung zwar das Kindeswohl als Richtpunkt für die Regelung des Umgangsrechts gewertet wird, gleichzeitig das verfassungsrechtliche Gebot, dem Elternrecht beider Elternteile Rechnung zu tragen, nicht berücksichtigt wird. Nicht ausreichend ist insoweit, daß das Fachgericht "vergleichbare Fälle" und damit im wesentlichen Vermutungen sowie allgemeine Richtwerte zur Grundlage seiner Entscheidung macht. Geboten ist vielmehr eine ins einzelne gehende Prüfung, die konkrete Feststellungen über den zu beurteilenden Sachverhalt zuläßt. In dieser Entscheidung führt das BVerfG u.a. aus: „... Soweit das Oberlandesgericht meint, die bessere Dispositionsmöglichkeit des Beschwerdeführers sei als Grund für eine zusätzliche Übernachtung unbeachtlich, weil es allein um das Interesse des Kindes gehe, liegt dieser Beurteilung somit keine konkrete Prüfung des Kindeswohls zugrunde. Zudem läßt diese Wertung auch das Vorbringen des Beschwerdeführers unberücksichtigt, daß die Erweiterung dem Kind und ihm selbst einen Besuch in - 13

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größerer Ruhe und einen Tag ohne die mit dem Abholen und Zurückbringen verbundene Hektik ermöglichen solle. Damit wird das Elternrecht des Beschwerdeführers zurückgedrängt, ohne daß hierfür ausreichende Gründe ersichtlich sind. ... Die Ablehnung der vom Beschwerdeführer angestrebten Urlaubsregelung beruht ebenfalls auf allgemeinen Richtwerten, die keinen Bezug zum konkreten Fall haben, und auf Vermutungen ...“ VII. Durchsetzung des Umgangsrecht gegen den Umgangspflichtigen Elternteil Ja, es gibt sie, die Elternteile, die sich einen Dreck um ihren Nachwuchs scheren. Es gibt sie in der Form des Vaters, aber auch in Form der Mutter (was oft vergessen wird!). Es ist die Kategorie von Mensch, die mit der Beziehung auch das Kind wegwerfen. Aber, wie oben gesehen, ist „Umgang“ ein Recht des Kindes gegen jeden seiner Elternteile. Und das kann das Kind auch gerichtlich einklagen. Hier einige Entscheidungen dazu: AG Hann.-Münden, Urteil v. 7. 3. 2000 - 6 F 227/98 - (FamRZ 2000, 1600): Ein Elternteil ist auf Verlangen des anderen verpflichtet, nach Trennung und Scheidung den Umgang dem Kind im üblichen Umfang auszuüben. OLG Köln, Beschl. v. 15. 1. 2001 - 27 WF 1/01 – (FamRZ 2001, 1023): 1. Die Regelung des Umgangsrechts kann auch zum Zweck der Erzwingbarkeit gemäß § 33 FGG gegen umgangsberechtigten gleichgültigen Elternteil vom: anderen Elternteil beantragt werden. 2. Das Kind hat ein eigenes gerichtlich durchsetzbares Umgangsrecht. OLG Köln, Beschluß vom 12. 12. 2001 - 26 WF 193/01 (FPR 2002, 269): Anspruch des Kindes auf Umgangsrecht Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute, sie haben zwei gemeinsame Kinder. Die Kinder leben bei der Mutter, die beantragt hat, den Vater zur Wahrnehmung des persönlichen Umgangs mit seinen Kindern zu verpflichten und ihm für den Fall der Nichtbefolgung ein Zwangsgeld anzudrohen. Ihrem Antrag auf Prozesskostenhilfe für ein solches Umgangsverfahren hat das AG nicht stattgegeben. Die Beschwerde der Mutter war beim OLG erfolgreich. Das Rechtsschutzbedürfnis sei gegeben, auch wenn die Beteiligten inzwischen eine Besuchsregelung getroffen hätten, diese aber nicht zur Zufriedenheit aller praktiziert werde. Das AG könne über den Umfang und die Ausübung des Umgangsrechts entscheiden. Dies sei ein Amtsverfahren, das keines bestimmten Antrags bedürfe. Das Elternrecht auf Umgang mit dem Kind habe den Charakter eines Pflichtrechts. 1. Das Kind hat einen eigenen Anspruch auf ein gerichtlich durchsetzbares Umgangsrecht mit dem gleichgültigen Elternteil. 2. Dieser Anspruch kann von dem betreuenden Elternteil geltend gemacht werden. OLG Brandenburg, Beschluß vom 21. 1. 2004 - 15 UF 233/00 (NJW 2004, 2786):

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Ein nichteheliches Kind kann auch dann ein Recht auf Umgang mit seinem (verheirateten) Vater haben, wenn dieser einen Kontakt strikt ablehnt. Zwar hat das BVerfG mit einer – zwischenzeitlich in der juristischen Fachliteratur z.T. heftig kritisierten – Entscheidung – 1 BvR 1620/04 – vom 1.4.2008 (NJW 2008, 1287) einen Vater, der sich weigerte, seiner Umgangspflicht mit seinem nicht-ehelichen Kinde nachzukommen, von dieser Pflicht entbunden. In den Gründen dieser Entscheidung hat das BVerfG dies aber nur als Ausnahme gebilligt, weil durch den Umgang mit dem Kinde seine neue Ehe akut gefährdet war. Es bleibt also grundsätzlich auch bei der Möglichkeit, den sich dem Umgang verweigernden Elternteil zur Erfüllung seiner Umgangspflicht gerichtlich zwingen zu können.

Merke! ¾ Wir leben in Deutschland nach den Gesetzen des Urwalds, d.h.: nur der Starke – hier: der Schlaue und Furchtlose – überlebt! ¾ Wer sich nicht selbst hilft, darf nicht erwarten, daß ihm geholfen wird. ¾ Wer sich von einer ablehnenden Äußerung eines Sachbearbeiters von der Beantragung entsprechender Leistungen (mit ggf. notwendig folgender Klage durch die Instanzen) abschrecken lässt, ist selbst Schuld. ¾ Liefere dich nicht blind und vertrauensselig sog. Fachleuten (Rechtsanwälten, Jugendamtsmitarbeitern, familiengerichtlichen Gutachtern, Familienrichtern etc.) aus. Du solltest erwachsen und lebenserfahren genug sein, um selbst am besten zu wissen, was das Wohl deines Kindes ist, und wie es am besten gewahrt wird. ¾ Es muß immer einmal einer der erste sein! Sonst ändert sich nichts. Also habe Mut, und sei es auch einmal. Warte nicht darauf, daß andere dir die „heißen Kartoffeln“ aus dem Feuer holen. ¾ Nur wer sich selbst bewegt, kann auch etwas bewegen.

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