Effektive Beurteilungen von MitarbeiterInnen in der Praxis

Effektive Beurteilungen von MitarbeiterInnen in der Praxis Michael Krüger1 1) Leiter Personalwesen, Georg Fischer GmbH SCHLÜSSELWÖRTER: Beurteilung,...
Author: Lothar Müller
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Effektive Beurteilungen von MitarbeiterInnen in der Praxis Michael Krüger1 1)

Leiter Personalwesen, Georg Fischer GmbH

SCHLÜSSELWÖRTER: Beurteilung, Führung, Persönlichkeit, Personaldiagnostik KURZFASSUNG: Mitarbeiter-Beurteilungen werden in der Praxis häufig ohne ausreichende Berücksichtigung der Persönlichkeitsstrukturen der Beteiligten, insbesondere des Beurteilers, vorgenommen. Die mit der Beurteilung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beauftragten Führungskräfte sind dabei oft nur unzureichend oder gar nicht auf diese Aufgabe vorbereitet und wenn, dann meist nur darin geschult, die zugehörigen Formulare auszufüllen. Selten wird auf die kaum vermeidlichen „blinden Flecken“ auf Seiten des Beurteilenden und den Reifegrad des Beurteilten, bezogen auf die zu beurteilenden Aufgaben und Verhaltensweisen, Rücksicht genommen. Hierdurch werden unbewusst Beurteilungsfehler gemacht und gut gemeinte Personalentwicklungsmaßnahmen greifen im besten Fall ins Leere, im schlechtesten Fall demotivieren sie die Mitarbeiter. Der Artikel soll aufzeigen, welche praxisorientierten Maßnahmen ergriffen werden können, um Beurteilungssysteme als zentrales Führungstool effektiv nutzen zu können.

1. Bedeutung der Mitarbeiterbeurteilung Welcher HR-Manager kennt die Situation nicht? Im Zuge erforderlicher Einsparungen soll auch am Head Count geschnitten werden. Im Fokus stehen zuerst die Low Performer, die trotz umfangreicher Unterstützung, ggf. Versetzung und sonstiger Maßnahmen nicht die Leistung erbringen, die man von ihnen erwarten könnte. Häufig machen diese MitarbeiterInnen auch durch ihr Verhalten deutlich, dass sie kein besonderes Interesse daran haben, ihren Beitrag zu leisten, um dem Unternehmen bei der Erreichung der hochgesteckten Ziele zu helfen. Die Abteilungsleiter sind nun aufgerufen, eben diese Low Performer zu benennen, damit die HR-Abteilung damit beginnen kann, den Trennungsprozess einzuleiten. Es werden also Namen und die jeweili-

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gen leistungs- und verhaltensbezogenen Trennungsgründe benannt, die HR-Abteilung erstellt die Trennungsszenarien, ermittelt Fristen und Kosten und die Abteilungsleiter bereiten sich mit gutem Gewissen und aus der sicheren Überzeugung heraus, dass die Gründe auch den Betroffenen einleuchten müssen, auf die Trennungsgespräche vor. Doch dann kommt es leider viel zu häufig zur Situation, dass die betroffenen Mitarbeiter nicht im Geringsten damit rechnen, ihre Leistung oder ihr Verhalten könnte Anlass zur Kritik geben. Niemals sei der Vorgesetzte unzufrieden gewesen, niemals sei darauf hingewiesen worden, dass da ein Defizit zu erkennen gewesen sei und nun gleich die Trennung? Ein Blick in die Mitarbeiterbeurteilungen der letzten Jahre offenbart dann den Fehler. Dem Mitarbeiter wurde durch dessen Vorgesetzten

jahrelang bestätigt, dass man doch sehr zufrieden mit ihm sei und auch das Zwischenzeugnis, das ihm vor wenigen Jahren ausgestellt wurde, besagt nur Positives. Angesprochen auf die fehlenden Kritikpunkte in den Beurteilungen rechtfertigt sich der Vorgesetzte mit dem Argument, dass die Mitarbeiterbeurteilung ja auch zur Motivation des Mitarbeiters beitragen solle und deshalb positiv gehalten wurde. Hinzu komme noch, dass der vorherige Vorgesetzte des Mitarbeiters diesen durchweg positiv beurteilt habe und eine Abkehr davon äußerst schwer zu vermitteln sei. Die geschilderte Situation zeigt beispielhaft auf, welche Diskrepanz häufig zwischen „ehrlichen“ Beurteilungen in Bezug auf konkrete Situationen wie Trennung oder Zeugniserstellung und routinemäßiger, oft sogar als lästig empfundener Beurteilung im Füh-

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Effektive Beurteilungen von MitarbeiterInnen in der Praxis rungsalltag besteht. Dabei ist das formelle Jahresgespräch, das meist eine Beurteilung enthält, häufig das zentrale Führungstool, um Mitarbeitern umfangreiches Feedback zu ihrer Leistung und ihrem Verhalten zu geben. Auf den lobenden und kritisierenden Inhalten dieser Beurteilung baut dann im Idealfall die gesamte Personalentwicklungsplanung für diesen Mitarbeiter auf, weshalb dem Beurteilungsprozess auch ein besonderer Stellenwert beigemessen werden muss. Doch wie lässt sich die Mitarbeiterbeurteilung als zentrales Füh-

Mitarbeitergespräch. 2. Einflussfaktor „Persönlichkeitsstruktur der Führungskraft“ Leistungs- und Verhaltensbeurteilungen von Vorgesetzten sind, sofern sie sich nicht an konkret messbaren Zahlen und Werten orientieren, niemals objektiv, sondern immer subjektiv. Daran werden wir grundlegend nichts ändern können. Was wir allerdings beeinflussen können, ist der Grad der Subjektivität. So können wir z. B. durch bewusstes Ausschließen von Beurteilungsverfälschungen Beurteilungen

Doch woran liegt das? Wir alle haben charakteristische Eigenheiten, die unser Verhalten mitbestimmen. Sind diese Verhaltensmerkmale für andere offensichtlich, für uns selbst aber nicht, so sprechen wir von den sogenannten „Blinden Flecken“ (Luft & Ingham, 1955; siehe Abbildung 1). Diese Eigenheiten bestimmen nicht nur unser eigenes Verhalten, sondern wirken sich auch auf die Beurteilung unserer Umwelt aus. Mit personaldiagnostischen Tools und Modellen aus der Persönlichkeitspsychologie kann dieser Punkt beleuchtet und somit

rungstool effektiv einsetzen und wie erreicht man es als Führungskraft, dass der Beurteilungsprozess für beide Seiten als gewinnbringend und sinnvoll angenommen und gelebt wird? Dabei sind zwei Faktoren ganz entscheidend. Zuerst einmal muss sich die beurteilende Führungskraft ihrer eigenen Persönlichkeit und der davon beeinflussten Wahrnehmung der Umwelt bewusst sein, denn der Mensch konstruiert seine Wirklichkeit aufgrund der eigenen Persönlichkeit, die wiederum von eigenen Erwartungen, Erfahrungen und Werten geprägt ist. Das ist bei der Wahrnehmung und der Beurteilung anderer – hier: dem Mitarbeiter – von großer Bedeutung. Ist sich die Führungskraft ihrer eigenen Persönlichkeit bewusst, kann sie sich im zweiten Schritt mit der des Mitarbeiters auseinandersetzen und versuchen, sich in seine Wirklichkeit hineinzuversetzen. So schafft die Führungskraft die Grundlage für ein offenes, konstruktives und wertschätzendes

zutreffender gestalten. Während die bekannten Beurteilungsfehler, wie z. B. der HaloEffekt, der Recency-Effekt oder die selektive Wahrnehmung recht leicht erkannt und weitgehend abgemildert werden können, sind Beurteilungsverfälschungen aufgrund der Persönlichkeitsstruktur des Beurteilenden sehr viel schwerer zu erkennen und zu bekämpfen.

abgemildert werden. Die Grunddimensionen der Persönlichkeit, wie sie z. B. in den „Big Five“, dem Fünf-Faktoren-Modell (McCrae & Costa, 1987), genannt werden, sind bei Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt. Den unterschiedlichen Persönlichkeitsprofilen können dabei typische, häufig auftretende Beurteilungsverfälschungen zugeordnet werden.

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Abbildung 1: Johari-Fenster (Luft & Ingham)

Öffentliche Person

Mir unbekannt

Blinder Fleck

Andere teilen mir über mich mit ich gebe preis

anderen unbekannt

anderen bekannt

Mir bekannt

Mein Geheimnis

Unbekanntes

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3. Einflussfaktor „Reifegrad des Mitarbeiters“ Kein Mitarbeiter führt alle ihm übertragenen Aufgaben und Verantwortungen mit dem gleichen Grad an Qualität und Eigenständigkeit aus. Diese unterschiedlichen „Reifegrade“ des Mitarbeiters, bezogen auf seine unterschiedlichen Tätigkei-

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Stil 3: partizipieren (”participating”)

Stil 2: verkaufen (”selling”)

Beziehungsorientierung

hoch

Abbildung 2: Theorie des Situativen Führens nach Hersey und Blanchard

Führungsstil des Vorgesetzten

niedrig

Betrachten wir beispielsweise als typischen Beurteilungsfehler des dominanten, ergebnisorientierten, sachlichen und konkurrenzbetonenden Typs die Tendenz, zu hart und zu sachlich zu beurteilen, sowie bewusst mit dieser Beurteilung zu provozieren, um die gewünschte Gegenreaktion zu erreichen. Im Gegensatz dazu beurteilt die Führungskraft mit ausgeprägt am Menschen orientierten, geselligem und einfühlsamem Charakter häufig zu milde. Denn dieser Typ legt großen Wert auf die eigene Beliebtheit und motiviert lieber als zu kritisieren, um somit Konflikten aus dem Weg zu gehen. Diese beiden Beispiele zeigen, wie die Persönlichkeitsstruktur der Führungskraft Beurteilungen in ganz erheblichem Maße beeinflussen kann und worauf Führungskräfte achten müssen, um die Voraussetzungen für möglichst zutreffende und unverfälschte Beurteilungen zu schaffen. Nach der Betrachtung des Einflussfaktors „beurteilende Führungskraft“ steht nun der zu beurteilende Mitarbeiter im Mittelpunkt und hier ganz besonders der jeweilige Reifegrad, in dem er sich in seinen unterschiedlichen Aufgaben befindet.

Stil 4: delegieren (”delegating”)

Stil 1: unterweisen (”telling”)

niedrig

Aufgabenorientierung

hoch

hoch

Reifegrad des Mitarbeiters

niedrig

Quelle: Pelz, W., Kompetent führen, Wiesbaden 2004

ten, erfordern demnach auch unterschiedliche, „situative“ Führungsstile (Hersey & Blanchard, 1969; siehe Abbildung 2) Die Theorie des situativen Führens beschreibt die beiden Dimensionen Aufgaben- und Beziehungsorientierung. Je geringer der Reifegrad des Mitarbeiters in der jeweiligen Aufgabe ist, desto weniger eigenständig kann er sie ausführen und umso mehr benötigt er sachliche und fachliche Unterstützung sowie Anleitung und Kontrolle durch die Führungskraft. Bei steigendem Reifegrad des Mitarbeiters gewinnt der Faktor Mensch und somit die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter an Bedeutung. Die Aufgabenorientierung rückt mehr und mehr in den Hintergrund und die Konzentration auf die Persönlichkeit des Mitarbeiters und seine Motivatoren steht im Fokus. Es gibt demnach nicht „den Führungsstil“ einer Führungskraft, sondern meh-

rere, deren Einsatz hauptsächlich durch den Reifegrad des Mitarbeiters bestimmt wird. Der Reifegrad in diesem Sinne beinhaltet also neben der Fach- und Methodenkompetenz insbesondere auch den Einsatzwillen, also die Motivation des Mitarbeiters zur Aufgabenerfüllung. Bei der Frage, welche Motivatoren dabei beim jeweiligen Mitarbeiter im Vordergrund stehen, kann wiederum die Anwendung von personaldiagnostischen Tools und Modellen aus der Persönlichkeitspsychologie helfen. Beim einen Mitarbeiter wirken beispielsweise Lob und (materielle) Anerkennung als Motivatoren, bei einem anderen steht eher die Sicherheit des Arbeitsplatzes oder auch die Orientierung an festgeschriebenen Arbeitsprozessen an erster Stelle. Das Wissen darüber ermöglicht der Führungskraft einen effektiven Einsatz des passenden Führungsstils.

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Effektive Beurteilungen von MitarbeiterInnen in der Praxis 4. Abgeleitete Lehren für die effektive Gestaltung von Mitarbeiterbeurteilungen Eine Führungskraft, die sich über die eigene Persönlichkeitsstruktur, deren Einfluss auf die angesetzten Beurteilungsmaßstäbe und die möglichen Beurteilungsverfälschungen im Klaren ist, wird sich empathischer und objektiver auf den Mitarbeiter und das anstehende Beurteilungsgespräch einstellen können. Hierbei kommt es darauf an, den Mitarbeiter und seine Hauptaufgaben zutreffend den verschiedenen Reifegraden zuzuordnen. Aus dem Vergleich zwischen aktuellem und aus Sicht der Führungskraft erreichbarem Reifegrad ergibt sich die Beurteilungsstufe, je nach dem im Unternehmen angewandten Beurteilungssystem. Der offenen Kommunikation gegenüber dem Mitarbeiter kommt dabei eine ganz zentrale Bedeutung zu: Es ist unerlässlich, dem Mitarbeiter zu erläutern, welcher Reifegrad aus Sicht der Führungskraft in den jeweiligen Aufgaben bisher erreicht wurde. Darauf basierend kann dann die gewählte und ggf. von anderen Aufgaben abweichende Beurteilungsstufe in der Mitarbeiterbeurteilung argumentiert werden. Nicht zuletzt ist dem Mitarbeiter dadurch eine je nach Aufgabe und Reifegrad unterschiedliche Einflussnahme (Kontrollen, Nachfragen) durch die Führungskraft vermittelbar. Das lässt Irritationen und Unsicherheiten beim Mitarbeiter, warum „der Chef da jetzt so misstrauisch erscheint“, gar nicht erst entstehen.

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Nicht außer Acht gelassen werden darf die Tatsache, dass Mitarbeiter, je nach eigener Persönlichkeitsstruktur, ganz unterschiedlich auf kritische Beurteilungen reagieren. So reagieren Menschen, die selbst ein auf Menschen bezogenes Persönlichkeitsprofil aufweisen, häufig sehr emotional und fühlen sich als Person angegriffen. Menschen mit sachbezogenem Persönlichkeitsprofil sehen das bei Weitem weniger gefühlsbetont und selten als Angriff auf die eigene Person. Dieser Unterschied spielt in der Praxis eine große Rolle und muss von Führungskräften in der Art ihrer Argumentation bei Beurteilungen berücksichtigt werden, um die Beurteilung nicht als Verurteilung darzustellen, sondern als konstruktiven ersten Schritt auf dem Weg zur Weiterentwicklung des Mitarbeiters. Gerade auch im Rahmen der Planung von Entwicklungs- und Trainingsmaßnahmen, die über rein fachliche und technische Inhalte hinausgehen und eher auf persönliche Kompetenzen abzielen, spielt die Persönlichkeitsstruktur des Mitarbeiters eine große Rolle. So könnte ein dominanter Typ an seiner Empathie arbeiten und ein auf seine persönliche Ausstrahlung ausgerichteter Mensch lernen, Argumente prägnant auf den Punkt zu bringen. Eine dienstleistungsorientierte, eher im Hintergrund arbeitende Person wird dagegen eher das selbstbewusste Auftreten sowie den Einsatz von Gestik trainieren und ein detailverliebter, an Regeln orientierter Mitarbeiter könnte lernen, kreative neue Wege zu gehen. Resümierend bleibt festzuhalten:

Effektive Mitarbeiterbeurteilung erfordert, dass die Führungskraft sowohl ihre eigenen, als auch die Persönlichkeitsmerkmale ihrer Mitarbeiter kennt. Erst dieser personaldiagnostische Hintergrund einerseits und die Beurteilung der Einzelaufgaben des Mitarbeiters entsprechend des Reifegrads andererseits ermöglichen eine für den Mitarbeiter nachvollziehbare, offen kommunizierte Mitarbeiterbewertung, die Führungskraft und Mitarbeiter als gewinnbringend erleben. 5. Literatur Hersey, P., Blanchard, K. H. (1969). Life cycle theory of leadership. Training and Development Journal, 23, 26-34. Situational Leadership Theory. Luft, J. & Ingham, H. (1955). The Johari Window, a graphic model for interpersonal relations. Western Training Laboratory in Group Development. University of California at Los Angeles: Extension Office. McCrae, R.R. & Costa, P.T. (1987). Validation of the five-factor model of personality across instruments and observers. Journal of Personality and Social Psychology, 52, 81-90. ►Xing-Profil des Autors ■

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Interview mit Michael Krüger Herr Krüger, erläutern Sie uns bitte kurz, in welcher Branche Sie tätig sind und welche Position Sie bekleiden. Ich bin seit 13 Jahren Personalleiter bei der Georg Fischer GmbH, der deutschen Vertriebsgesellschaft von Georg Fischer Piping Systems, einer Division des Georg Fischer Konzerns. Georg Fischer Piping Systems entwickelt, produziert und vermarktet Rohrleitungssysteme für den sicheren Transport von Flüssigkeiten und Gasen. Die Georg Fischer AG mit Stammsitz in der Schweiz ist ein Industriekonzern mit weltweit rund 14.000 MitarbeiterInnen. Sie schreiben in ihrem Artikel, dass Grundlage für ein gelungenes Mitarbeitergespräch die Auseinandersetzung mit der Persönlichkeit des Mitarbeiters ist. Sehen Sie dort nicht die Gefahr der Stigmatisierung? Nein. Bei der Einschätzung der Persönlichkeit soll es weniger um eine Kategorisierung der Mitarbeiter gehen als vielmehr um eine Sensibilisierung der Führungskräfte. Die Mitarbeiter sollen nicht in eine Schublade gesteckt werden. Stattdessen werden die Führungskräfte angeregt, eine Sensibilität für die Persönlichkeit ihres Gegenübers zu entwickeln, um diesen wertschätzen zu können. Außerdem ist jeder Mensch auch innerhalb seiner groben Schublade different. Wir wollen bewirken, dass die Führungskräfte hinter die Fassade der Mitarbeiter

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blicken und lernen, sich in die andere Person hinein zu versetzen. Dazu sind die Persönlichkeitstest sehr gut geeignet. Kann es nicht auch sein, dass Mitarbeiter sich vor solch einem Test fürchten und dadurch konträr zum eigentlichen Ziel der Wertschätzung unnötig Angst und Unbehagen erzeugt wird? Ja, das ist definitiv so. Mir persönlich ging es genauso, als ich den Test eingeführt habe und ihn zu diesem Zwecke im Vorfeld selbst gemacht habe. Von zentraler Bedeutung ist es, den Mitarbeitern zu vermitteln, dass es um keine Verurteilung sondern um eine Beurteilung geht. Bei einem Persönlichkeitstest gibt es kein „richtig“ und kein „falsch“. Zur Minderung der Ängste ist es außerdem hilfreich, den Mitarbeitern ein ausführliches Feedback zu den Ergebnissen zu geben. Diese Tests sind Teil der Unternehmenskultur – Teil einer offenen und wertschätzenden Feedbackkultur, in der konstruktives Feedback gefördert und gefordert wird. Setzen Sie auch personaldiagnostische Tools zur Messung des Reifegrades des Mitarbeiters ein? Der Reifegrad an sich ist kaum über personaldiagnostische Tools zu erheben, da er sehr spezifisch mit der konkreten Tages- und Facharbeit zusammenhängt. Das bleibt somit in Form einer Analyse der täglichen Beobachtungen der Führungskraft

selbst überlassen. Wichtig ist, dass die Führungskraft sich zunächst selbst im Hinblick darauf befragt, was sie erwartet und wie realistisch diese Erwartungen sind. Im nächsten Schritt geht es dann um ein offenes Beurteilen und schließlich um das konstruktive Rückmelden der persönlichen Beobachtungen. Hierzu erhalten die Führungskräfte von uns eine Hilfestellung – in Form eines einfachen Tools – zur unterschiedlichen Einstufung der Mitarbeiter.. Persönlichkeit ist ein sehr stabiles Merkmal. Können Beurteilungsverfälschungen aufgrund der Persönlichkeitsstruktur dann überhaupt vermieden werden? Die Persönlichkeit an sich kann und darf nicht verändert werden. Die Führungskräfte sollen lediglich lernen, sich unbewusst ablaufende Prozesse bewusst zu machen. Das eigene Verhalten soll kritisch hinterfragt, und daraus resultierende Beurteilungsverfälschungen möglichst minimiert werden. Wenn man bewusst über die eigene Persönlichkeit nachdenkt, kann eine offene und entspannte Atmosphäre zwischen Führungskraft und Mitarbeiter entstehen. Konstruktives Feedback und ein rücksichtsvoller Umgang sind Dinge, die nicht in einer Zahl messbar, aber dennoch von unschätzbarem Wert sind. Herr Krüger, wir danken Ihnen sehr für das interessante Gespräch. ■

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