Edelmetalle
Edelmetalle Dr. Ing. Christian Hagelüken Umicore Precious Metals Refining Rodenbacher Chaussee 4 63457 Hanau
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Bedeutung der Edelmetalle
Als Edelmetalle bezeichnet man die Elemente Gold (Au) und Silber (Ag) sowie die Platingruppenmetalle (PGM) mit den Elementen Platin (Pt), Palladium (Pd), Rhodium (Rh), Iridium (Ir), Ruthenium (Ru) und Osmium (Os). Die Edelmetalle nehmen wegen ihres hohen Wertes, ihrer besonderen chemischen und physikalischen Eigenschaften, aber auch wegen ihrer Schönheit und kulturellen Bedeutung eine Sonderrolle unter den Metallen ein. Alle Edelmetalle besitzen eine geringe Elektronenaffinität, ein starkes positives Normalpotential gegenüber der Wasserstoffelektrode, eine hohe Korrosionsbeständigkeit und eine große Dichte. Die Platinmetalle weisen generell hohe Schmelzpunkte auf, weswegen einige dieser Metalle auch als Hochtemperatur-Werkstoffe Verwendung finden. Auch verfügen vor allem die Platinmetalle über ausgeprägte katalytische Eigenschaften. Die Platinmetalle stehen in der 8. Gruppe des Periodensystems, Silber und Gold in den Nachbargruppen. Alle zählen zu den Übergangsmetallen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass Elektronen der d-Orbitale an chemischen Bindungen beteiligt sind.
1.1 Historisches Gold und Silber haben bereits in prähistorischer Zeit Beachtung gefunden. In gediegener Form gefundenes Gold wurde auf Grund seiner guten Duktilität manuell verarbeitet. Seit jener Zeit gilt Gold mit seinem Glanz, seiner Farbe, Beständigkeit und Seltenheit als das Symbol für Reichtum und Glück. Zwischen 6000 und 3800 v. Chr. entstanden in Ägypten, Mesopotamien und auf dem Balkan erste Zentren der Goldgewinnung und -verarbeitung, in enger Nähe zur Entwicklung der Kupfer- und Silbermetallurgie. Aufgrund der Faszination, die die Edelmetalle auf den Menschen ausübten, erlangten sie kultischen Bedeutung; hinzu kam die Verwendung als Handelsobjekt und Währungsmetall. Die dekorative Verwendung von Platin ist aus dem 7. Jh. v. Chr. (Ägypten) und aus dem vorkolumbianischen Inkareich bekannt. 1828 wurde Platin erstmals als Münzmetall in Russland eingesetzt. Noch heute haben die Edelmetalle ihre Bedeutung als Wertanlage und Sicherheitsreserve - trotz ihrer Demonitarisierung - behalten. In der Regel kann deshalb bei globalen wirtschaftlichen oder politischen Krisen noch immer ein Ansteigen des Goldpreises verzeichnet werden, 44. Metallurgisches Seminar
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Hagelüken in dessen Gefolge oft die Kurse für Silber, Platin und Palladium ebenfalls anziehen. So hat nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 der Goldpreis im Dez. 2009 mit 1218 US-$/troz (25,90 €/g) ein Allzeithoch erklommen. Mit der industriellen Entwicklung stieg auch der technische Bedarf an Edelmetallen stark an, wobei besonders die Platinmetalle an Bedeutung gewonnen haben. [1] Mit einer heutigen globalen Bergwerksproduktion von insgesamt rund 23.000 t/a ließe sich die jährliche Feinmetallerzeugung an Edelmetall leicht in einer kleinen Lagerhalle unterbringen. Die jährliche Primärproduktion an Platinmetallen (rd. 450 t bzw. 30 m³) würde sogar in einem 15 m² Wohnraum Platz finden (Bild 1).
Bild 1:
Weltweite Minenproduktion der Edelmetalle (Werte für 2009, gerundet)
1.2 Edelmetalle im täglichen Leben Aufgrund der besonderen chemischen und physikalischen Eigenschaften der Edelmetalle findet man Edelmetalle fast überall im täglichen Leben, da ihr Preis hoch ist, jedoch meist nur in geringen, kaum sichtbaren Mengen. Sichtbar sind Edelmetalle bei Barren, Münzen, Medaillen und natürlich beim Schmuck. Bei Barren steht der Werterhaltungsaspekt im Vordergrund, bei den anderen Beispielen kommt die Schönheit hinzu. Dort, wo Edelmetalle nur selten sichtbar sind, werden sie wegen ihrer Eigenschaften einge2
Heft XYZ der Schriftenreihe der GDMB
Edelmetalle setzt. Alle Edelmetalle wirken katalytisch. So gelingt die Umwandlung der Schadstoffe aus einem Verbrennungsmotor bei den dort herrschenden Temperaturen nur in Gegenwart von Platingruppenmetallen. In sehr vielen chemischen Prozessen werden heute Edelmetalle als Katalysatoren eingesetzt. In der Dentaltechnik werden Edelmetalle wegen ihrer Korrosionsbeständigkeit und ihrer Farbe verwendet, in der Elektronik und Elektrotechnik wegen der hohen elektrischen Leitfähigkeit. So benötigt z.B. ein Mobiltelefon für fast alle Bauteile Edelmetalle: Die bis zu 250 darin enthaltenen Vielschichtkondensatoren haben Elektroden aus Silber und/oder Palladium, sie werden genauso wie die Chips mit silberhaltigen Loten verlötet. Die Goldkontakte sorgen für zuverlässige Verbindungen, und Platin/Rhodium benötigt man zur Herstellung des besonders reinen Glases für die LCD Anzeigen. In einem Mobiltelefon sind durchschnittlich 250 mg Ag, 24 mg Au und 9 mg Pd enthalten. Das ist pro Stück zwar sehr wenig, bei der großen Anzahl der weltweit verkauften Mobiltelefone (1,3 Mrd. Stück in 2008) addiert sich dies aber zu erheblichen Mengen (325 t Ag, 31 t Au, 12 t Pd). Addiert man die Edelmetalle hinzu, die jährlich für die Produktion von Computern verwendet werden, dann machen allein diese beiden Anwendungen 3% der Weltminenproduktion bei Silber, 4% bei Gold und 16 % bei Palladium aus. Die Edelmetall Konzentration in einem Mobiltelefon (ohne Akku) liegt mit 350 g/t Gold rund 70-mal so hoch, wie der durchschnittliche Goldgehalt der heute weltweit geförderten Erze. Ein modernes Automobil hat neben den vielen elektronischen Bauteilen mit ihren Edelmetallen bis zu 400 Schaltkontakte, die ohne Silber nicht so zuverlässig wären, im Abgaskatalysator sind Platin, Palladium und Rhodium enthalten, und Benzin bzw. Diesel für das Fahrzeug werden in Ölraffinerien mit Hilf von Platin- und Palladiumhaltigen Prozess-Katalysatoren hergestellt. Fensterscheiben sind aus optischen und wärmedämmenden Gründen mit hauchdünnen Silberschichten beschichtetet, und auch die klassische Fotografie würde ohne Silber nicht funktionieren. Zum Messen von Temperaturen, Durchflussmengen oder des Sauerstoffgehaltes im Abgas werden Platinmetalle benötigt. Auch für über die bestehenden Anwendungen hinausgehende Zukunftstechnologien sind Edelmetalle unverzichtbar. So werden für die Massenanwendung der Brennstoffzellen im mobilen und portablen Bereich große Mengen an Platin sowie gegebenenfalls auch Ruthen, Palladium und Gold benötigt, bei neue Superlegierungen für Turbinenschaufeln werden Ruthen und Platin eingesetzt, und eine signifikante Stromerzeugung mit kristallinen Solarzellen erfordert erhebliche Mengen an Silber. [1]
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Hagelüken Tabelle 1. Anwendungsfelder der Edelmetalle (xx = sehr starke Bedeutung; x = starke Bedeutung; o = spezielle Verwendung / für jeweiliges Anwendungsfeld)
Einsatzfelder der Edelmetalle Au Ag Pt
Rh
Ir
Os
Ru
o
o
Katalyse
o
x
xx
xx
x
o
Schmuck
xx
xx
xx
x
o
o
Dentaltechnik
xx
o
o
x
Elektronik/Elektrotechnik
xx
xx
x
xx
o
Dünnschichttechnik
xx
xx
x
x
x
Analog-Fotografie Löttechnik
2
Pd
o
o o
x o
xx x
xx
Messtechnik
xx
x
Glasindustrie
xx
x
Medizintechnik
xx
x
o
o
Entwicklung der Edelmetallmärkte
Kumuliert wurden weltweit bisher schätzungsweise 1,6 Mio. t Silber, 150.000 t Gold und 11.500 t Platinmetalle gefördert. Große Anteile dieser Förderung fanden erst seit Beginn der 1980er Jahre statt: Rund 0,4 Mio. t Ag (25 %), 50.000 t Au (35 %) und 10.000 t PGM (85 %) (Zahlen bis 2009). Diese Entwicklung geht einher mit einer zunehmenden Bedeutungsverschiebung von den klassischen Schmuck- und Münzanwendungen hin zum industriellen Bedarf. Bei den Platinmetallen wird dies besonders deutlich - im 18 Jahrhundert wurden rund 30 t PGM gefördert, bis zum Beginn des 1. Weltkrieges insgesamt weitere 200 t. In der Folgezeit bedingten vor allem technologische Neuentwicklungen zum Teil erhebliche Nachfragesprünge: Die Entwicklung des Pt/Rh-Katalysators für die NH3-Oxidation (um 1920), der Einsatz von Pt-Reforming-Katalysatoren bei der Erdölraffination (1950) und vor allem die Einführung des Autoabgaskatalysators (1975). Ein weiterer Nachfrageschub wird mit der breiteren Verwendung von Brennstoffzellen kommen. Bild 2 zeigt die langfristige Preisentwicklung (nominal) bei Platin und Palladium sowie Meilensteine beim Pt-/Pd Einsatz. In Bild 3 und 4 sind die aktuelle Aufteilung der Nettonachfrage für wichtige Edelmetalle dargestellt. Beim Gold macht die industrielle Nachfrage nur knapp 20 % aus, der größte Teil davon ist für elektronische und elektrische Anwendungen. Bei den PGM dominiert der Autokatalysator mit rund 50 % die Gesamtnachfrage, Schmuck und Investment kamen hier in 2008 zusammen auf gut 20 %. 4
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Edelmetalle
1600 US-$/troz
Pt
Pd
1400
Industrielle Nachfrage Konsumer Nachfrage Schmuck & Investment
-> 1989 Pt in PC-hard disks
500
t/a
1200
Pd
300
1000
-> 1985: Autokat Europa
Rh
200
800
1995-2001 Pd-dominierter Autokat
400
100
Pt
-> 1975 Autokat US
0 19 8 0
19 8 4
1 9 88
1 99 2
1996
2 0 00
2 00 4
2 0 08
600 400 200
1910
1920
1930
1988: hohes PtInvestment Japan
-> Ende 1960‘s Pt- Schmuck Japan Mitte 1950‘s Pt-Reforming Kat.
→ 1900: Pd/C-Kat. (Feinchemie) -> 1920‘s Pt-Kat HNO 3 1900-1930 Pt-Kat. H2SO4
0 1900
-> Mitte 1990‘s Pt- Schmuck China -> 2000 Europa Diesel Boom
-> 1985 Pd in MLCC
-> 2004 Pdjewellery China -> Mitte 1980‘s: Pt für LCD Glas
1940
1950
1960
1970
1980
1990
2000
Bild 2: Langfristige Preisentwicklung Platin und Palladium und Meilensteine in der Anwendung [6] (eingebettete Grafik: Weltweite Nettonachfrage Pt, Pd, Rh 1980-2009 nach [5])
Bild 3: Weltweite Bruttonachfrage nach Gold, 2008 (Zahlen nach [2])
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Hagelüken
USD/troz
Bild 4: Weltweite Nettonachfrage Platin, Palladium und Rhodium 2008 (Zahlen nach [5])
2 000
Pt & Pd Pt
1 500
1 000
Pd Pt
500
Pd
08
09
10
09
10
07
06 06
08
05
04
05
03
02
01
00
99
98
97
96
95
94
93
92
91
90
88
89
0
USD/troz
1 00 00 90 00 80 00
R h o d iu m (R h )
70 00 60 00 50 00 40 00 30 00 20 00 10 00
07
04
03
02
01
00
99
98
97
96
95
94
93
92
91
90
89
88
0
Bild 5: Preisentwicklung Platin, Palladium und Rhodium 1988-2009 (Monatsdurchschnitte) 6
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Edelmetalle Temporäre Defizite zwischen Angebot und Nachfrage sowie spekulative Einflüsse führen bei Edelmetallen oft zu drastischen Preisausschlägen, wie sie in dieser Größenordnung bei anderen Metallen nicht vorkommen. Die Bilder 5 und 6 zeigen die Entwicklung der Edelmetallpreise der letzten 21 Jahre. Das generell hohe Preisniveau bedingt auch starke Substitutionsanreize der Metalle in technischen Anwendungen und zwar sowohl der Edelmetalle gegeneinander (z.B. Pd gegen Pt in Autokatalysatoren) als auch von Buntmetallen gegen Edelmetalle (z.B. Nickel gegen Pd in Vielschichtkondensatoren).
2000 1800 1600
Silber (Ag)
UScents/troz
1400 1200 1000 800 600
10
08
06
04
02
00
98
96
94
92
90
200
88
400
Bild 6: Preisentwicklung Gold und Silber 1988-2009 (Monatsdurchschnitte)
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Bedeutung von Bergbau und Recycling
Der mittlere Gehalt an Edelmetallen in der Erdkruste ist im Vergleich zu anderen Elementen sehr gering. Er beträgt bei Silber 0,1 g/t (ppm), bei Gold ca. 0,005 ppm und bei den Platingruppenmetallen zusammen ca. 0,1 ppm. Der Gehalt der heute abgebauten Lagerstätten liegt bei Au und den PGM im allgemeinen deutlich unter 10 g/t, die Metalle werden oft im Tiefbau unter schwierigen Bedingungen abgebaut. Oft ist die Primärgewinnung mit erheblichen Umweltauswirkungen verbunden. Die Erschließung neuer Vorkommen ist langwierig und erfordert hohe Investitionen, die meisten Bergwerke werden von großen, weltweit operierenden Minengesellschaften betrieben. Auch regional gibt es eine erhebliche Konzentration, vor allem bei den PGM. Rund 90% der aktuellen Minenproduktion der Platinmetalle stammt aus Südafrika und Russland, die auch beim Gold zu den wichtigen Förderländern zählen. In Bild 7 sind die weltweiten PGM Lagerstätten sowie die Entwicklung der Fördermengen seit 1980 dargestellt. Rund 50% der Silberproduktion kommt aus Nord- und Südamerika, die größten Förderländer sind Peru, Mexiko, China und Australien. Neben dem Abbau von Silberminen werden signifikante Anteile der Förderung auch als Nebenprodukt des Goldbergbaus sowie von Blei-Zink Minen gewonnen. [3]
30
250 [t/a] 200
[t/a]
Russia Others North Ame rica S outh Africa
Pt
Rh
Russia North America South Africa Others
25 20
150
15 100
10 50
5 0
0 1980
300
1985
1990
[t/a]
250 200 150
1995
2000
2005
1986
1991
1996
2001
2006
Pd
Russia North America South Africa Others
Russia 2009: Mine prod. ≈ 80 t exports 110 t
100 50 0 1980
1985
1990
1995
2000
2005
Numbers based on JM 2008
Bild 7: PGM Lagerstätten und Entwicklung der Förderung 1988-2009 (werte nach [4; 5])
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Edelmetalle Es kann davon ausgegangen werden, dass ein großer Teil der bisher geförderten Edelmetalle noch vorhanden ist. Das gilt vor allem beim Gold, wo allein die offiziellen Goldreserven (Zentralbankbestände) über 30.000 t betragen. Hinzu kommen private Hortungen sowie große Schmuck und Münzbestände von Gold, Silber und Platin. Der hohe Wert der Edelmetalle bietet auch bei technischen Anwendungen besondere Anreize für das Recycling, das heute signifikante Anteile an der Versorgung hat. Wichtige Einflussfaktoren auf die erzielbaren Recyclingquoten sind - neben dem aktuellen Preisniveau - Edelmetallgehalte und Zusammensetzung des Altmaterials, die Lebensdauer und vor allem die Lebenszyklusstruktur des edelmetallhaltigen Produkts. Bei direkten Kreisläufen zwischen Produkthersteller, industriellem Anwender und Edelmetallscheidung (Refining) werden in der Regel sehr hohe Recyclingquoten erzielt (z.B. Katalysatoren in der chemischen Industrie), während bei indirekten Kreisläufen (hier sind noch viele Endverbraucher zwischengeschaltet; z.B. Autokatalysator oder Elektronikanwendungen) noch erhebliches Optimierungspotenzial besteht. Wie die Primärgewinnung ist auch die Sekundärgewinnung von Edelmetallen technisch anspruchsvoll und wird von einer begrenzten Anzahl von erfahrenen Unternehmen betrieben. Gegenüber der Primärgewinnung weist das Recycling erhebliche ökologische Vorteile auf. Eine detaillierte Betrachtung enthält das Kapitel Edelmetallrecycling dieses Buches.
Literatur [1]
BRUMBY, A., HAGELÜKEN, C., LOX, E., KLEINWÄCHTER, I.: Edelmetalle, in: Winnacker-Küchler, Chemische Technik, 5. Aufl., Bd. 6b (Metalle), Weinheim 2005, 209-276..
[2]
GFMS (2009): Gold
[3]
GFMS & THE SILVER INSTITUTE (2009): World
[4]
GFMS (2009): Platinum
[5]
JOHNSON MATTHEY: (2009): Platinum 2009 Interim Review, London.
[6]
HAGELÜKEN, C.
Survey 2009, London. Silver Survey 2009, London.
& Palladium Survey 2009, London
(2006): Markets for the catalyst metals platinum, palladium and rhodium, Metall 60 (2006), H. 1-2, 31-42.
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