gegründet 1897 7. Mai 2017 Jubilate

Höhe

punk

„Du b

te be im D eutsc hen E vang elisc hen K irche ntag 2 017

ist ein

Gott,

der m

ich sie

ht“

Eure Rede sei allezeit wohlklingend und mit Salz gewürzt.

Foto: Archiv FB

Monatsspruch: Kolosser 4, 6

Gottes Zeugen sein Sibylle Sterzik Leitende Redakteurin

Liebe Leserin, lieber Leser, im Mai feiern wir zwei große Anlässe. Die Frohe Botschaft wird 120. Und wir feiern den Kirchentag. In Berlin, Potsdam und Wittenberg. Aber auch als Kirchentage auf dem Weg in Dessau-Roßlau, Leipzig, Erfurt, Jena/Weimar, Halle/Eilsleben, Magdeburg. „Eure Rede sei allzeit wohlkingend und mit Salz gewürzt“, gibt uns der Monatsspruch Mai mit auf den Weg. Das wird auf dem Kirchentag an allen Orten zu erleben sein. Beide Ereignisse greifen wir in dieser Ausgabe auf, erzählen von den Anfängen der Frohen Botschaft, Leser schreiben mehr als 120 Worte, warum sie die Zeitung empfehlen. Wir informieren über Höhepunkte auf dem Kirchentag und stellen die Losung des Protestantentreffens genauer vor. Was das Evangelium der vier Sonntage des Monats Mai für unseren Alltag bedeutet, beschreiben Pfarrerinnen und Pfarrer. Bewegend liest sich eine neue Folge der Serie „Meine große Angst“, der Krankenbrief und die Stichworte „Gerechtigkeit“ und „Gnade“ in der Reihe „ABC der Reformation“. Herzlich grüßt Sie Ihre

Mein

Stiller Ort

Still ist es meist auf meinem Balkon. Ich stehe gern unter dem Himmelszelt, sehe auf unsere ruhige Straße, zur Nachbarin hinüber, die freundlich grüßt. Wir sehen uns. Gesehen habe ich an einem solchen Tag auch das Auto, das unsere Bio-Tonne abholt. Überrascht war ich, darauf das Kirchentagsmotto „Du siehst mich“ zu sehen. Gott sieht uns und wir hoffentlich ihn. Das zu feiern in Gottesdiensten, Podien und auf vielen Bühnen beim Kirchentag, darauf freue ich mich. Text und Foto: Sibylle Sterzik, Berlin

Ein Gebet für Mai

H

err, mache uns zu Menschen, die dir aufs Wort glauben. Hilf uns los von allem Zweifel, damit wir als Zeugen deiner Macht auch anderen zum Glauben helfen. Amen. Ernst Senf: In Gott geborgen. Tägliche Andachten im Großdruck. CZV-Verlag, Berlin

Wer weiß es?

Das monatliche Rätsel

W

as heißt lateinisch „Was zu machen war“? A) quod erat faciendum B) quod erat demonstrandum C) quod erat expectandum Schreiben Sie uns bitte Ihre Antwort bis zum 15. Mai 2017. Unter den richtigen Einsendungen verlosen wir mehrere Exemplare des Buchs „Friedrich Schauer 1891–1958. Seelsorger – Bekenner – Christ im Widerstand“ von Friedrich Winter. Redaktion „Frohe Botschaft“ Georgenkirchstraße 69–70 10249 Berlin E-Mail: [email protected]

Lösung des April-Rätsels: Welche Aussage über Hanns Lilje stimmt nicht? C) Er war Ratsvorsitzender.

Christen sprechen über ihren Glauben

Zur Kirchentagslosung 2017 Sehen und gesehen werden. Foto: pixabay.com

Foto: promo

S

eit mehr als zwanzig Jahren bin ich Öffentlichkeitsreferentin und Pressesprecherin der Berliner Stadtmission. Meine Aufgabe: Tue Gutes und sprich darüber. Ich bin immer nah dran, um aus eigener Erfahrung zu berichten. Freud und Leid liegen ganz nah beieinander. Ich erlebe, wie ein Mensch nach zwanzig Jahren auf der Straße wieder ein eigenes Zuhause findet. Ich freue mich, wie liebevoll er die kleine Wohnung mit Leben füllt. Wenn ein obdachloser Patient in unserer Ambulanz von der Ärztin die Diagnose „Krebs“ erhält, geht es um Trost, Beistand, um Behandlung oder um den nahen Tod. Dieser Mensch soll nicht einsam und verborgen, sondern in einem Bett sterben. Menschen sollen erfahren, wo Nöte sind und wie wir als Berliner Stadtmission nach konkreten Lösungen suchen. Manchmal braucht es nicht viel, manchmal stehen wir vor einem Mount Everest. Ein Mensch, der sich selbst längst aufgegeben hat, den geben wir nicht auf. Unerschrockenheit gehört für mich dazu. Ich bin tief berührt, wenn mich ein obdachloser Mensch, den ich im Kältebus kennenlernte, freudig grüßt. Für mich bedeutet diese Begegnung auf Augenhöhe viel, denn es zeigt, dass auch die kleinste Geste Menschen bewegt und etwas bewirkt. Es steckt enorme Energie im Kleinsten, deshalb trägt mich der Bibelspruch: „Wer im Kleinsten treu ist, der ist auch im Großen treu“ (Lukas 16, 10).

Und sie (Hagar) nannte den Namen des Herrn, der mit ihr redete: Du bist ein Gott, der mich sieht. Denn sie sprach: Gewiss hab ich hier hinter dem hergesehen, der mich angesehen hat. 1. Mose 16, 13

V

erstoßen, hinausgeworfen, abgesondert, in die Wüste geschickt. Zum Spielball der Eifersucht geworden – das war das Schicksal Hagars. Dieses teilt sie mit vielen Menschen. Wir kennen das alle, wie es ist, wenn wir uns hinausgedrängt fühlen aus den sozialen Bindungen in Familie, Beruf oder Gemeinde. Allein auf uns geworfen, so empfinden wir uns. Die äußere Leere, die wir dann spüren, wird schnell zur inneren Leere. Wir sind gleichsam unsichtbar: Mich nimmt keiner mehr wahr, keiner liebt mich. Wer oder was bin ich denn noch? In einer solchen Situation ist die Sklavin Hagar mit ihrem Sohn Ismael. Die wunderbare Botschaft der Erzählung aus ersten Buch Mose, Vers 16, ist, dass Gott sie darin nicht allein lässt. Die Kirchentagslosung 2017 reduziert diese Botschaft auf drei Worte: „Du siehst mich.“ Gerade dort, wo wir uns am weitesten von Gott entfernt wähnen, da ist er mit seinem fürsorgenden Blick ganz nah bei uns. Gott ist ein Gott, der uns sieht. Hagar und Ismael bekommen neue Perspektive von Gott zugesagt. Sein Blick eröffnet ihnen einen neuen Blick auf ihr Leben. Denn der Blick Gottes auf uns verbindet sich mit seiner Verheißung. Gott meint es gut mit seinen Menschen. Manchmal spüren wir das erst, wenn es uns gar nicht gut geht. So war es auch bei Hagar. Das vielleicht schönste an ihrer Geschichte ist ihr Bekenntnis: „Gewiss habe ich hinter dem hergesehen, der mich angesehen hat.“ Hagar hat den Blick Gottes auf sie erwidert, indem sie ihn nun auch sieht, spürt, ihm in ihrem Leben hinterhergeht, Ortrud Wohlwend, 63, verheiratet, eine Tochter, zwei Enkel. Pressesprecherin und mit ihm geht. Auge in Auge gewissermaßen.

Leitung Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit der Berliner Stadtmission

Thilo Haak, Pfarrer in Berlin-Charlottenburg

Wir hängen an Gottes Gnade wie die Rebe am Foto: pixabay.com Weinstock.

Jauchzet dem Herrn alle Welt Predigttext zum 7. Mai 2017 Jubilate: Johannes 16, 16 (17–19) 20–23a Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat sie Schmerzen, denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist. Auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wiedersehen, und euer Herz soll sich freuen, und eure Freude soll niemand von euch nehmen. Und an jenem Tage werdet ihr mich nichts fragen. Johannes 16, 21–23a

D

ie Geburt meines ersten Sohnes war für mich ein einschneidendes Ereignis. Sie dauerte lange und meine Frau trug schwerste Verletzungen davon. Doch als das Kind auf ihrem Bauch lag, strahlte sie wie die leuchtende Sonne. Auch mein Sohn trug einen Schaden davon. Es war nicht ein-

fach ihn großzuziehen. Heute studiert er und ist ein selbstbewusster kluger junger Mann. Die Freude der Eltern nach den vielen Schwierigkeiten ist groß. Da ist unsere Familie kein Einzelfall. Leid und Freude gehören nun mal zusammen, zwei Seiten der Medaille des Lebens. Ja – Jesu Anhänger werden sehr traurig sein, wenn er nicht mehr da sein wird. Doch Jesus macht ihnen, macht uns Mut. Mut macht das Evangelium vom rechten Weinstock. Jesus und seine Jünger, Jesus und wir gehören untrennbar zusammen. Die Zeit der Trennung schmerzt, das ist auch in unseren eigenen Lebenssituationen oft der Fall. Manchem fehlt schon am Bahnhof die Familie, die Freundin, der Freund. Vom Verlust eines geliebten Menschen wollen wir jetzt gar nicht reden. Doch Jesus verheißt ein Wiedersehen mit um so größerer Freude, die nichts und niemand zerstören kann. Fragen werden wir dann auch keine mehr haben, weil wir wunschlos glücklich sind und voller Herzensfreunde, wenn Jesus endlich wieder da ist. Was aber ist bis dahin, was tun wir bis dahin? Trübsal blasen auf keinen Fall. Schauen wir im 500. Jahr der Reformation auf Martin Luther. Der fragte nicht, wie kriege ich einen glücklich machenden Gott, sondern wie einen gnädigen Gott. Ja, bis zur Wiederkunft Jesu sind wir an den Gott der Gnade gewiesen, auf seine Gnade angewiesen. Und dies in all unserer Freude, aber auch in all unserer Traurigkeit, in unserem Tun und in unserem Fehltun, in dem, was wir anderen Menschen Gutes tun und in dem, was wir immer auch wieder zu tun unterlassen. Wir hängen an Gottes Gnade, an Jesus Christus wie die Rebe am Weinstock, die ohne diese Verbindung keine Traube und damit keinen Wein hervorbringen könnte. Und darum können wir mit dem Wochenpsalm 66 Gott über alle Maßen loben und preisen und vor Freude jauchzen. Und einstimmen in die Osterfreude des Liedes 108 „Mit Freuden zart“ – „Das ewig Heil wird uns zuteil, denn Jesus Christ erstanden ist, welchs er lässt reichlich verkünden.“ Waldemar Natke, Pfarrer im Ruhestand, Cottbus

Frohe Botschaft für jedermann. Verlag und Redaktion: Wichern-Verlag GmbH, Georgenkirchstraße 69–70, 10249 Berlin, (030) 28 87 48 22, E-Mail: [email protected], www.frohe-botschaft.de, V.i.S.d.P. Dr. Elke Rutzenhöfer, Redaktion: Sibylle Sterzik, Gestaltung: Dietmar Silber Erscheinungsweise: monatlich (16 Seiten); Preise: (Inland) 1,60 Euro; Staffelpreise: ab 5 Ex. 1,45 Euro; ab 10 Ex. 1,40 Euro; ab 25 Ex. 1,30 Euro; ab 50 Ex. 1,25 Euro; ab 100 Ex. 1,15 Euro. Jahres-Abonnement: 19,20 Euro. Es ist mit dreimonatiger Frist zum Jahresende kündbar. Druck: Henke Pressedruck. ISSN 1615-4037

14. Mai 2017 / Kantate

2

Du siehst mich beim Kirchentag Höhepunkte des Christentreffens

Z

wei Fremde sitzen sich gegenüber. Ganze zehn Minuten lang. Ein Fragebogen führt sie durchs Gespräch. „Was ist für Dich ein Wunder?“, fragt der eine. Was für die einen Schwätzchen ist, kennen die anderen als „Speeddating“ (SpontanFlirt). Dazu lädt die EKBO auf 40 Inseln der Begegnung zwischen Kanzleramt und Gendarmenmarkt zum Abend der Begegnung auf dem Kirchentag am 24. Mai ein. Konfirmanden aus Berlin und Wittstock betreuen die Neugierigen, Moderator*innen begleiten sie durchs Gespräch. „Es wird ein echter Abend der Begegnung“, sagte Bischof Markus Dröge am 21. März auf der Pressekonferenz, als das Programm zum Kirchentag vorgestellt wurde. Und „die EKBO ist gern Gastgeber“. Er zeigte sich beeindruckt vom Engagement in den Kirchengemeinden: Zum Kirchentagssonntag am 12. Februar gab es so viele Gottes-

Junge Christen finden ihre „Gerüstkirche“ im „Zentrum Jugend“ am Anhalter Bahnhof in Foto: Dietmar Silber Berlin-Kreuzberg. dienste wie noch nie in der Geschichte des Kirchentages. Noch nie hat eine Landeskirche so schnell die Stände der Gemeinden für den Abend der Begegnung zusammenbekommen. „Der Kirchentag ist für uns ein großes Gemeinschaftserlebnis“, so Dröge. Besonders schätzt er, wie sich gastgebende Gemeinden und Partnergemeinden aus dem Umland unterstützen: Gemeinsam stemmen sie 208 Tagzeitengebete, 75 Feierabendmahle und 195 Gute-Nacht-Cafés. Emojis, also kleine Gesichter, die Gefühle ausdrücken, werden die „Speeddater“ und alle anderen Teilnehmer durch den Kirchentag begleiten. Zum Abend der Begegnung erhält jeder, der will, eine Startauswahl mit drei Karten. Darauf: ein Mensch im Rollstuhl, eine Frau mit Kopftuch oder ein Pfadfinder. Sie lachen, weinen, sind wütend. Oder verliebt. Die Spielkarten sollen eine exklusive „Du siehst mich“-Art sein, um sich auszudrücken, heißt es im Infoflyer zum Abend der Begegnung. Die Karten können getauscht und gesammelt werden. Der Kirchentag lädt zu rund 2100 politischen und geistlichen Veranstaltungen an 84 Orten auf

55 Bühnen ein: 107 Bibelarbeiten, 427 geistliche Veranstaltungen (davon 76 Gottesdienste), 671 politische und gesellschaftliche Termine, 718 kulturelle Events mit 400 Konzerten und zehn regionale Gemeindeprojekte. „Es ist eine MultiOptions-Veranstaltung“, sagt Generalsekretärin Ellen Überschär, „so wie das Leben heute ist.“ Im Mittelpunkt stehe das Gespräch zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, „Dialog ist die Grundhaltung“, sagt Kirchentagspräsidentin Christina Aus der Au. Schwerpunktthemen sind der gesellschaftliche Zusammenhalt und der Dialog in Europa zwischen Religionen, Konfessionen und Nationen. Und es wird um die Zukunft Europas und speziell die Entwicklung in osteuropäischen Ländern wie Polen, Ungarn, der Ukraine und Russland gehen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz werden erwartet. Das 576 Seiten starke Programmheft ist im Internet sowie in der Kirchentags-App verfügbar (www.kirchentag.de). Kirchentags-Generalsekretärin Ellen Ueberschär betonte bei der Programmpräsentation, „dieser Kirchentag wird im Vorfeld einer wichtigen Bundestagswahl zeigen, wie stark die Kräfte eines liberalen Protestantismus sind“. Dass die evangelische Laienbewegung anders als der Katholikentag 2016 die AfD nicht kategorisch ausgeschlossen hat, ist umstritten. Im Jahr des Reformationsjubiläums weitet der Kirchentag den Blick auf das globale Christentum. Das Oberhaupt der anglikanischen Kirche, Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, wird dabei sein und eine Bibelarbeit anbieten. Zum Himmelfahrtstag wird es einen großen Freiluftgottesdienst auf dem Berliner Breitscheidplatz geben. „Wir erwarten 3 000 Besucherinnen und Besucher“, sagt Barbara Manterfeld-Wormit, Rundfunk- und Fernsehbeauftragte der EKBO. Am selben Tag sind alle Konfirmanden, Täuflinge, Pfadfinder und Teamer zum Konfi-Tag ins Tempodrom eingeladen. Wer es noch nicht wusste: Wenn sich eine Konfi-Gruppe aus der EKBO zehn ermäßigte Tageskarten kauft, bekommt sie zwei Tageskarten für den Konfi-Tag gratis dazu. „Kaufe 12, zahle 10.“ Im Tempodrom und im nahe gelegenen Anhalter Bahnhof befindet sich das „Zentrum Jugend“. Dort entsteht vorab eine Gerüstkirche – eine Kirche aus Gerüsten, in der Gottesdienste gefeiert werden und zu Veranstaltungen eingeladen wird. 200 Menschen finden darin Platz. Auch der 16

Meter hohe Kirchenturm wird begehbar sein. Die Gerüstkirche wird unter anderem betreut von Jugendlichen aus dem Berliner Kirchenkreis NordOst. Für die Gerüstkirche bringen sie wichtige Erfahrungen aus ihrer „Werkkirche“ mit. In dem Projekt räumen sie Kirchen aus und gestalten den Kirchraum neu – nach ihren Fantasien und Bedürfnissen. Die Veranstaltungen werden über Berlin und Potsdam verteilt sein. Viele werden in der Messe Berlin stattfinden. Mitten in Berlin sind die Besucher aber erst am Alexanderplatz. Das landeskirchliche „Zentrum.Zukunft.Kirche.Berlin“ schaut in die Zukunft. „Ist das noch Kirche oder kann das weg?“, heißt eine Aktion. Praktisch gesprochen: Jeder Interessierte erhält einen Ziegelstein und wenn er meint, dass das nicht mehr Kirche ist, wird der Ziegelstein zerschlagen. Aus dem, was übrig bleibt, wird eine echte Steinkirche gebaut – zweimal zwei Meter groß. Sie wird Gastgeschenk sein für die Evangelische Kirche von Westfalen, wo der nächste Kirchentag 2019 in Dortmund zu Gast ist. Im Rahmen des Zentrums werden am Samstag mehrere Paare getraut, unter anderen von Propst Christian Stäblein. Und mittendrin auf dem Alexanderplatz ist das „Rote Sofa“ des Evangelischen Medienverbandes, mit Interviewpartnern wie Michael Müller, Gregor Gysi und Margot Käßmann. Auch am Thema Flucht kommt der Kirchentag nicht vorbei. Am Freitag ruft er alle Berliner um 12 Uhr zu einer interreligiösen Schweigeminute auf. Damit soll an die mehr als 10 000 Menschen, die in den vergangenen drei Jahren auf dem Weg nach Europa im Mittelmeer ertrunken sind, erinnert werden. „Gerade in Zeiten globaler Krisen ist die weltweite Verbindung der Konfessionen wichtiger denn je“, sagt Ellen Ueberschär. Die Kollekte geht an zwei Projekte, die Flüchtlinge unterstützen, die über das Mittelmeer kommen: SOS Méditerranée und Mediterranean Hope. Und vor dem Kirchentag ist ja eigentlich auch schon nach dem Kirchentag: Am 7. Juli feiert die Landeskirche ein großes Dankesfest für und mit den Ehrenamtlichen aus der Landeskirche, die den Kirchentag mit viel Power, Elan und Glaube gestemmt haben. Der Kirchentag findet vom 24. bis 28. Mai 2017 in Berlin und Wittenberg statt. Constance Bürger, Redakteurin, Berlin

Der Krankenbrief Krankenbrief Der Rothenburg ob der Tauber, im Mai 2017 Liebe Heike, du standest nach deiner Speiseröhrenspiegelung sichtlich erleichtert im Türrahmen. „Gott sei Dank! Alles in Ordnung! Keine Krampfadern weit und breit zu finden“, strahltest du. Du warst nicht der Typ, bei dem Krampfadern in der Speiseröhre normalerweise auftreten. Meistens kommen sie vom übermäßigen, langjährigen Trinken. Als Spätfolge einer geschädigten Leber. Andererseits gibt es in der Medizin nichts, was es nicht gibt. Warum also du? Du sagtest mit fester Stimme: „Ich hab Am Leben hängen – nicht an der gesoffen wie ein Loch – es war schlimm. Bis Foto: pixabay.com Flasche. ich eines Nachts literweise Blut erbrochen habe. Da sind die Krampfadern aufgegangen. Und ich kam ins Krankenhaus. Auf Leben und Tod.“ „Und jetzt?“ „Jetzt trinke ich nicht mehr. Ich hatte drei Kinder schnell hintereinander bekommen. Das war ein unglaublicher Stress und Belastung in den ersten Jahren. Am Abend, wenn sie endlich alle schliefen, hab ich mir erst einmal ein Bier aufgemacht. Und dann noch eins. Und noch eins. So konnte ich das alles besser ertragen.“ Du hast dich nach diesem Schock für das Leben entschieden. Mir fällt bei deiner Geschichte Elias ein. Ihm war auch alles zu viel. Er wollte sich hinlegen, um am liebsten für immer einzuschlafen. Aber Gott hatte andere Pläne. Er schickte Elias seinen Engel. Ganz pragmatisch bot er ihm Essen und Trinken an. Ein ums andere Mal. Er sagte: Steh auf und iss. Denn du hast einen großen Weg vor dir. Dir ließ Gott ebenfalls die Wahl: Weitermachen und irgendwann verbluten – oder das Leben, dass dir geschenkt ist, zu leben. Du hast dich entschieden. Ebenso wie Elias. Geschichten vom eigenen Scheitern erzählt man nicht gerne. Ich war beeindruckt von deiner Offenheit, deinem Mut und deiner Fröhlichkeit. Ich hätte es dir gerne noch gesagt. Aber da klingelte mein Telefon und du wolltest deinen Mann nicht warten lassen. Mögen alle Engel des Herrn dir weiterhin zur Seite stehen. Deine Inge

Lieder singen

stäbe, eine neue Universalität: Auch Kranke und Unmündige, die Versehrten, die zuvor Ausgeschlossenen gehören jetzt zu Jesus Gemeinde. Der Predigttext zum 14. Mai 2017 neue Tempel Gottes steht ihnen offen. Wie das Kantate: geht, zeigt Jesus ganz selbstverständlich. Angst vor dem Echo scheint er nicht zu haben. Er tut, Matthäus 21, 14–17 (18–22) wozu sein Glaube, seine Verbundenheit mit seinem Und es kamen zu ihm Blinde und Lahme im Tempel, himmlischen Vater ihn bewegt: Alle Menschen mit und er heilte sie. Als aber die Hohenpriester und Gott in Verbindung zu bringen. Jeden Einzelnen Schriftgelehrten die Wunder sahen, die er tat, und die ruft er zu sich. Niemand darf „einem seiner Kinder, die im Tempel schrien und sagten: Hosianna Geringsten“ den Zugang verwehren, auch Würdendem Sohn Davids!, entrüsteten sie sich und sprachen träger nicht. zu ihm: Hörst du auch, was diese sagen? Jesus sprach Die Antwort darauf schallt aus dem Mund der zu ihnen: Ja! Habt ihr nie gelesen (Psalm 8, 3): „Aus Kinder: „Hosianna dem Sohn Davids.“ Sie ehren dem Munde der Unmündigen und Säuglinge hast du und huldigen Jesus. Haben sie ihn als Gottes dir Lob bereitet“? Und er ließ sie stehen und ging zur Retter erkannt, der die Welt versöhnt und die Stadt hinaus nach Betanien und blieb dort über Nacht. Wunden heilt? Wie, das erfahren wir nicht. Durch Matthäus 21, 14–17 das war er tut. Große Reden hält er keine. Die damaligen religiösen Autoritäten, können nicht glauben, ie waren aus der dass Jesus der Sohn Gottes ist. Kultgemeinde ausgeDie Kinder aber bestätigen es schlossen und durfintuitiv, obwohl sie unmündig ten nicht in den heiund ungebildet sind. Rufen es ligen Tempel. Die heraus. Singen ihm zur Ehre Blinden und Lahmen. das Hosianna. „Hilf doch!“, Und die Kinder. heißt es wörtlich. Später zum Jedenfalls setzt dieHeilsruf verändert. Darum ses Bibelwort eine zitiert Jesu das Psalm-Wort: solche Praxis voraus. „Aus dem Munde der UnmündiNach 3. Buch Mose gen und Säuglinge hast du dir 21,18 waren BlindLob bereitet.“ Um an den Sohn heit und Lahmheit Gottes glauben zu können, ein Hinderungsgrund, braucht man nicht gelehrt zu ein Priesteramt zu sein. Im Glauben kann jeder übernehmen. MögliGott erkennen. Auch Kinder, cherweise wurde das Menschen mit Behinderung nie zur Regel erhooder Analphabeten. Auch ben. Da streiten sich durch das, was Christen tun. die Gelehrten. Jesus Wenn eine Gemeinde sie offen setzt sich jedenfalls aufnimmt auf dem Kirchentag. darüber hinweg und Das Gotteslob singen wir am heilt Blinde und LahSonntag Kantate mit vielen me. Er nimmt seine Stimmen. Gelehrte und sangesAutorität dafür in freudige Anspruch. Das missEhrenamtfällt den Hohenpriesliche. Denn tern und SchriftgeGott hält seilehrten. Hier weht ne Türen allen auf einmal ein neuer weit auf. Nach der Theologie gebe es keine Kunst, die Geist. Durch das, mit der Musik verglichen werden könne, fand was Jesus tut. Er Sibylle Sterzik, Berlin Foto: pixabay.com Martin Luther. setzt neue Maß-

S

Frohe Botschaft für jedermann. Verlag und Redaktion: Wichern-Verlag GmbH, Georgenkirchstraße 69–70, 10249 Berlin, (030) 28 87 48 22, E-Mail: [email protected], Internet: www.frohe-botschaft.de, V.i.S.d.P. Dr. Elke Rutzenhöfer

21. Mai 2017 / Rogate

Serie

3

Meine große Angst

Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Psalm 23,4

Sollte ich hilflos im Rollstuhl enden? Foto: pixabay.com

Gelähmt im Krankenbett Eine schwere Krankheit mit heilsamen Folgen

S

ie leiden wahrscheinlich an einer Virus-Meningitis, sagte der Arzt und erklärte mir, dass diese Krankheit vermutlich durch einen Zeckenbiss ver-

ursacht wurde. Könnte stimmen, sagte ich und erzählte von meiner Wade mit dem entzündeten Stich, dem ich keine Bedeutung geschenkt hatte. Aber: Ich fühlte mich elend danach, immer elender, um es genau zu sagen. Die Ärzte wussten keinen Rat, manche verdächtigten mich sogar zu simulieren. Irgendwann landete ich im Krankenhaus. Aber auch dort: Keine Diagnose, nur Bedauern, aber immerhin durfte ich bleiben. Endlich dann die Untersuchung, die Klarheit brachte: Eine Lumbalpunktion, sehr schmerzhaft, weil direkt aus dem Rückenmark Flüssigkeit entnommen und unter-

sucht wird. Ein Klinikwechsel war die Folge. Ich wurde ab sofort neurologisch behandelt. Jetzt wirst du wieder gesund, sagten meine Eltern aufmunternd. Sie betreuten meinen damals sehr kleinen Sohn und besuchten mich jeden Tag. Dabei mussten sie auch mit ansehen, dass es mir statt besser immer schlechter ging. Ich lag im Bett und konnte mich und meinen Körper nicht mehr bewegen. Im Klartext: Ich musste gewaschen, gebettet, gefüttert werden. Eine Lähmung, die praktisch den ganzen Körper betraf. Wenn die Lähmung jetzt noch die Lunge befällt, wird ihre Tochter sterben, sagten die Ärzte meinen Eltern. Aber ich erfuhr davon nichts. Ich sollte ja die Hoffnung nicht verlieren. Und die war wichtig, um irgendwann wenigstens im Rollstuhl leben zu können. Ich selbst habe mir zu dieser Zeit ein wieder gesundes Leben nicht vorstellen können. Ein Leben mit dem Rollstuhl? Okay. Dachte ich, dann ist es eben so. Gehadert habe ich nicht.

Viele haben für mich gebetet Von meinen Eltern weiß ich, dass viele Menschen damals für mich gebetet haben. Ich war noch katholisch und alle möglichen Pfarrer haben nur für mich „eine Messe gelesen“ und für meine Gesundheit gebetet. Solche Messen hätte ich damals abgelehnt, weil sie immer mit einer finanziellen Spende verknüpft waren. Ist heute übrigens auch noch so. Aber die Not meiner Eltern war groß und deshalb die Messen für mich. Ich lag derweil in meinem Bett, konnte nicht lesen und schreiben und war einfach zum Abwarten verdonnert. Meine Bettnachbarin, die an Multipler Sklerose litt, kümmerte sich um mich, so gut sie konnte. Sie drehte mich im Bett, wenn ich nicht mehr liegen konnte und die Schwestern nicht helfen konnten oder nicht wollten. Irgend ein Arzt hatte die Idee, es mal mit Cortison zu versuchen. Und siehe da: Das Medikament brachte mich wieder auf die Beine, ganz ganz langsam. Ich konnte eines Tages wieder im Bett sitzen, stehen, wieder allein aufs Klo gehen. Und ich musste zunehmen, Muskeln aufbauen. Zwei Physiotherapeutinnen kümmerten sich rührend um mich. Wirklich – das waren tolle Frauen. Sie nahmen mich unter den Arm, fuhren mit mir Bus und Bahn und übten im Supermarkt das Einkaufen. Vor allem machten sie mir Mut, brachten mich zum Lachen. Es ging voran. Ich konnte eines Tages wieder laufen. Anders zwar, weil die

Lähmung der Füße bestehen blieb. Bis heute übrigens. Aber gut, damit kann ich leben, arbeiten, meinen Alltag meistern. Ich gehe mit dieser Behinderung übrigens offensiv um. Verheimlichen ist schlecht und geht sowieso nicht. Jeder sieht, dass ich anders laufe. Manche fragen heute, viele Jahre später, wie das denn passiert sei? Dann erzähle ich und ich werde bedauert.

Einen anderen Blick gewonnen Hast du damals Angst gehabt, dass du es nicht schaffst? Solche Fragen höre ich auch immer wieder mal. Klar, hatte ich Angst, aber auch die große Hoffnung und eigentlich Gewissheit, dass ich in Gottes Armen bin und er für mich sorgt. Egal wie, er war mir immer nahe und half, dass es weiter ging. Da war ich immer sicher. In der Klinik kam der Pfarrer öfter mal zu mir. Das fand ich ganz nett, aber wir redeten dann eigentlich über ganz weltliche Dinge, die mit der Krankheit nichts zu tun hatten. Und so ein tröstender Seelsorger war er sowieso nicht. Aber diese Gespräche mit ihm haben mir gut getan. Er brachte Neuigkeiten mit, keine Gebetszettel. Denn ich verbrachte immerhin ein gutes halbes Jahr im Krankenhaus. Da verliert man den Überblick über das, was draußen alles so passiert ist. Die Entführung des CDU-Politikers Peter Lorenz zum Beispiel. Ich bekam davon nichts mit. Meine Eltern erzählten mir später, dass ich immer gefragt hätte: Na, und was gibt’s so Neues? Ich hatte ja nur dieses Krankenzimmer und Leidensgenossen auf der Station, denen es ähnlich schlecht ging. Ein Getto. Irgendwann wurde ich dann tatsächlich aus dem Getto entlassen. Ich konnte wieder einigermaßen Treppen steigen und laufen. Anfangs am Rollator. Ich nahm die Tasse wieder mit einer Hand, statt mit beiden und ich konnte wieder meinen Namen schreiben. Ich denke übrigens, dass die Krankheit auch etwas Gutes hatte: Ich habe seitdem nämlich einen anderen Blick auf Menschen, die leiden, hilflos sind, krank, arm oder alles zusammen. Manchmal denke ich, du solltest dich bedanken: nicht nur für die körperliche Genesung, sondern auch für den anderen Blick, das andere Denken. Mach ich sicher noch. Monika Herrmann, Journalistin, Berlin

Gerechtigkeit

Gnade

Fü̈r Luther ging es nicht zuallererst um die Gerechtigkeit im Sinne von Verteilung von Gü̈tern und Chancen. Sein zentrales Thema war: Wie kann ich mein Leben rechtfertigen vor Gott? Übersetzt kann das heute die Frage sein: „Wie muss ich leben, damit mein Leben Sinn hat?“ Am Ende findet der Reformator die Antwort im Römerbrief des Apostels Paulus: „Der Gerechte wird aus Glauben leben“ – Römer 1, 17 unter Bezug auf Habakuk 2, 4. Die befreiende Wirkung dieser Erkenntnis ist fü̈r viele heute kaum noch nachvollziehbar. Es ist nicht ein Tun des Menschen, das ihn gerecht macht vor Gott, sondern Gottes Zusage spricht ihm diese Rechtfertigung zu. Gerechtfertigt vor Gott ist dann nicht, wer besonders treu und fromm und rechtschaffen handelt, sondern wer ein Bewusstsein dafü̈r hat, dass der Mensch am Ende ganz und gar auf Gottes Lebenszusage angewiesen ist. Die Gerechtigkeit Gottes agiert nicht nach menschlichen Maßstäben, sondern Gott spricht den Menschen gerecht, der sich ihm vollkommen anvertraut. Das lässt sich aber doch durchaus übersetzen auf unsere Zeit! Nicht ob du eine Arbeitsstelle hast, ist entscheidend. Auch nicht, ob du schön und leistungsfähig bist. Sondern Gott sagt deinem Leben Sinn zu. Das ist Gottes Gerechtigkeit. Und fü̈r den Menschen bedeutet das, treu zu Gott und zur Gemeinschaft zu leben, so gut er es vermag. Es geht darum, sich auf Gottes Lebenszusage zu verlassen, ohne dass ich etwas dazu beitragen kann. Und gleichzeitig aus dieser befreienden Erfahrung heraus treu zur Gemeinschaft etwas beizutragen zu wollen. So kommt es bei Luther auch zur Forderung von Bildungsgerechtigkeit und Bildungsteilhabe. Alle sollen selbst lesen und schreiben lernen, um sich mit dem Wort Gottes auseinander zu setzen. Zentral aber bleibt die Gerechtigkeit Gottes. Und sie kann sehr anders sein als unsere Vorstellungen von Gerechtigkeit. So erläutert Luther in einer Vorlesung: Denn die Gerechtigkeit Gottes ist der Grund des Heils. Und hier darf wieder unter „Gerechtigkeit Gottes“ nicht die verstanden werden, durch die einer in sich selbst gerecht ist, sondern durch die wir von ihm selbst gerecht gemacht werden, was durch den Glauben an das Evangelium geschieht.

In vielen Schilderungen wird die Frage „Wie kriege ich einen gnädigen Gott“ als Schlü̈ssel fü̈r die reformatorische Entdeckung Luthers genannt. Die Frage hat Luther so erst im Nachhinein formuliert. Er war in eine theologische Tradition hineingewachsen, in der heftig darü̈ber gestritten wurde, ob Gott den Menschen „nach Gnade“ oder „nach gestrengem Recht“ richten werde. In der Auseinandersetzung mit biblischen Texten, vor allem den Psalmen und den Paulusbriefen, wurde Luther klar, dass diese Fragestellung vor eine falsche Alternative stellt. Hinter ihr steht ein Gottesbild, das von der menschlichen Erfahrung des Gerichts ausgeht. Da steht die Gnade gegen das Recht. Wie kann das mit der Bibel in Einklang gebracht werden, in der erzählt wird, Gott habe seinen eigenen Sohn dahingegeben, um die Menschen zu erlösen? Ist das nicht das Bild eines Gottes, der sich dem Menschen voller Gnade zuwendet? Und dieser Mensch kann nicht anders als sich diesem Gott voller Gnade zuwenden, sein Wort „Du bist erlöst!“ im Glauben ergreifen. Luther verwirft ausdrü̈cklich die Wortwahl der ü̈berkommenen Theologie. Die Gnade ist keine Gabe, die dem Menschen „angeboten und geschenkt“ wird und die ein Mensch „haben“ kann, „erlangen“, „verdienen“ – oder eben nicht verdienen kann. Das ist fü̈r Luther undenkbar. Gnade kann keine Wirklichkeit am oder im Menschen sein, sie ist Gottes unverwechselbares, dem Menschen zugewandtes Gesicht. Anders als die Theologie seiner Zeit hat Luther sich niemals darum bemü̈ht, genauer zu beschreiben, was fü̈r ihn „Gnade Gottes“ bedeutet. Das hat einen einfachen Grund: Gnade bezeichnet den Kern des Gottesglaubens, mehr noch: Sie ist gleichbedeutend mit Gott. In der Tat erklärt Luther in einer Vorlesung den Studenten: Mit den beiden kleinen Worten Gnade und Friede ist das Wesen der ganzen christlichen Lehre erfasst.

Das ABC der Reformation Serie

Das Wort „Gnade“ hat für ihn nichts Herablassendes, sondern sie ist es, die allein wirkt und alles wandelt, der Mensch vertraut sich ihr an, hält sich an sie, steht in ihr, trotzt auf sie, ist ihrer gewiss.

Quelle: Margot Käßmann/Ralph Ludwig: „95 x Reformation. Ein kleines ABC“, 178 Seiten, kartoniert, 14,99 Euro, Kreuz Verlag GmbH, Hamburg 2017. © Lutherisches Verlagshaus, Hannover

„Helm ab zum Gebet!“ – Christen brauchen Foto: Dietmar Silber keinen Befehl zum Beten.

Einladung zum Beten Predigttext zum 21. Mai 2017 Rogate: Lukas 11, 5–13 Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, so wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, wieviel er bedarf. Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan. Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wisst, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist geben denen, die ihn bitten. Lukas 11, 8.9.13

H

„ elm ab zum Gebet!“ Diesen Befehl gibt es bis heute beim Großen Zapfenstreich der Bundeswehr. Doch Beten kann gar nicht befohlen werden. Christen müssen nicht beten, aber sie dürfen es und sind dazu eingeladen. Vor dem Gleichnis vom bittenden Freund steht die Bitte der Jünger, Jesus möge sie beten lehren. Jesus antwortet mit dem Vaterunser. Es folgen Gleichnisse und Sätze über das Beten. Sie gelten den Jüngern und jedem von uns heute ebenso. Was sich der Freund im Gleichnis leistet, ist unverschämt, aber erfolgreich. Jesus macht uns Mut, unseren himmlischen Vater inständig und

anhaltend zu bitten. Wir klopfen bei ihm nicht mit der geballten Faust an, sondern mit gefalteten Händen. Dabei ist diese Gebetshaltung keinesfalls auf der ganzen Welt üblich, noch ist sie notwendig. Es ist aber hilfreich, wenn ich bei meinem Beten eine bestimmte Haltung einnehme. Wir dürfen mit allem, was uns bewegt, zu Gott kommen. Dabei können wir auf vorhandene Texte zurückgreifen oder eigene Sätze formulieren. Wir müssen uns keine Sorgen machen, ob wir nicht etwas „Falsches“ beten, Gott will gebeten sein. Neben den regelmäßigen täglichen Gebetszeiten sind immer wieder plötzliche Stoßgebete zu aktuellen Anlässen dran. Jeder Beter macht die Erfahrung, dass seine Bitten nicht so erfüllt werden, wie er es gern hätte. Trotz anhaltenden und intensiven Bittens wird die Zusage der Erfüllung nicht wahr. Die Auslegung Dietrich Bonhoeffers kennen wir: Gott erfüllt nicht alle unsere Erwartungen, aber alle seine Verheißungen. Wir müssen uns bescheiden. Wir haben keinen Anspruch auf Erfüllung unserer Bitten. Und wir sollen uns dann nicht entmutigen lassen, sondern der Einladung weiter folgen, unsere Bitten an ihn zu richten. Der Schluss des heutigen Textes verweist darauf, dass Gott uns seinen Heiligen Geist geben will und wird, wenn wir ihn bitten. Im Text ist durchgängig die Mehrzahl verwendet: ihr, euch. Dass ist nicht nur so, weil Jesus zu den Jüngern spricht. Es weist darauf hin, dass unsere Bitten nicht nur uns, sondern auch unsere Mitmenschen im Blick haben sollen. Das geschieht in den Gottesdiensten bei der allgemeinen Fürbitte, hat aber hofffentlich auch seinen Platz in den persönlichen Gebeten. Es kann eine Hilfe sein, wenn ich mir eine Liste mache, wer oder welche Projekte mir dafür wichtig sind. Jesus ermuntert uns: Der Vater im Himmel will gebeten werden. Nehmen wir das auf und beten anhaltend, zuversichtlich und konkret. Martin Kramer, Pfarrer im Ruhestand, Magdeburg

Frohe Botschaft für jedermann. Verlag und Redaktion: Wichern-Verlag GmbH, Georgenkirchstraße 69–70, 10249 Berlin, (030) 28 87 48 22, E-Mail: [email protected], Internet: www.frohe-botschaft.de, V.i.S.d.P. Dr. Elke Rutzenhöfer

28. Mai 2017 / Exaudi

4

120 Jahre alt und immer noch himmlisch frisch Wie es anfing mit der „Frohen Botschaft“ und warum Leserinnen und Leser die Zeitschrift empfehlen

V

vor 120 Jahren gab der Christliche Zeitschriftenverein „ein Schenkblatt“ heraus, „der Seele zum Halt und Trost, dem Geiste zur Erquickung, dem Herzen zur Freude“. Das war die Geburtsstunde der „Frohen Botschaft für jedermann“. Für Menschen jeden Alters und Berufs sollte es geeignet sein, schrieb Schriftleiter Edgar Schwarz zum 111. Jubiläum. Die Idee war, die Frohe Botschaft in größeren Stückzahlen zu bestellen und weiterzugeben. Das ist übrigens bis heute so, wie uns Leserinnen und Leser immer wieder schreiben. Die Frohe Botschaft geht von Hand zu Hand. Der Christliche Zeitschriftenverein, Vorläufer des Wichern-Verlags, wollte neben festen Abonnenten das Blatt auch frei verteilen an „Arme, Kranke, Gefangene und Sonntagslose, Menschen, die am Sonntagsgottesdienst nicht teilnehmen konnten“ (zitiert nach 50 Jahre Verein). Der Freundeskreis der Frohen Botschaft wuchs schnell. Ab 1940 wur-

de aus der Beilage ein eigenes Evangelisationsblatt der Märkischen Schriftenmission. Am 16. Februar 1941 erschien erst einmal die letzte Ausgabe (46. Jahrgang). Die Reichspressekammer der Nationalsozialisten hatte angeordnet, dass die gesamte kirchliche Presse einzustellen ist, weil „die Kriegswirtschaft alle Kräfte benötigte“. Nach dem Krieg gab es einen neuen Anfang. Als die Frohe Botschaft am 5. August 1946 wieder erschien (47. Jahrgang), ging sie vor allem in die Gemeinden im Osten Deutschlands. Von 1950 an wurde sie über den Postzeitungsvertrieb der DDR versandt. Dazu wurde sie aus West-Berlin, wo sie gedruckt wurde, ans Zeitungsvertriebsamt in OstBerlin geliefert. Da Oberkonsistorialrat Manfred Stolpe und Kirchenrat Federlein die volle Verantwortung für die Frohe Botschaft übernahmen, erteilten die DDR-Behörden die Genehmigung zur Einfuhr. Nach der Wende 1989 gab das Diakonische Werk Berlin-Brandenburg beim Wichern-Verlag die Zeitschrift heraus, seit 2014 liegt sie ganz in den Händen des Wichern-Verlags. Farbe kam ins Blatt, ihr Aufbau blieb. Vier ineinander gelegte Hefte für jede Woche des Monats. Mit Krankenbrief, Auslegung der aktuellen Predigtteste, persönlichen Glaubenszeugnissen und seelsorgerlichen Beiträgen. Sie möchte anregen, das eigene Leben unter das Wort Gottes zu stellen, die Botschaft von der bedingungslosen Liebe Gottes für jeden Menschen weiterzusagen und Jesus Christus als Maßstab für alles Tun ins Gespräch zu bringen.

Leserinnen schreiben

120 Worte

Mehr als von Leserinnen und Lesers. Ich empfehle die „Frohe Botschaft“, weil ... „... sie Brücken baut über Länder und Zeiten. Schon 1959 habe ich die Frohe Botschaft in den Händen meiner Großeltern gesehen. Heute haben wir unser Enkelkind am Tisch und lesen darin.“ Gerd und Anette Hildebrand, Rietz-Neuendorf, Ortsteil Glienicke

„... man immer wieder viel Kraft und Trost schöpft aus Ihrer Zeitschrift. Noch dazu, wo ich kurz vor der Erblindung stehe.“

Christa Henne, Köln

„... die Zeitung leicht zu lesen ist und vielen Menschen, denen ich sie gab, etwas gegeben und

Im Glauben stark

Leser schreiben

auch sehr geholfen hat. Die einzelnen Blätter sind wie ein Denkanstoß von Gott. Ich bin überzeugt, dass das Wort Gottes die Zeitung unverwüstlich macht.“ Christine Richter, Jahnsdorf „... sie mir immer Trost, Halt und Freude gibt und mich anstimmt zur Dankbarkeit.“ Gotthard Zenner, Neumark

„... sie mir im atheistisch geprägten Staat der DDR viel gegeben und mir Trost gespendet hat. Möge ihre Zeitung weiterhin allen Lesern ihren Glauben stärken und bewahren.“ Harry Hintz, Eberswalde

„... ich in der Rubrik „Lebensfragen“ einen Artikel von Generalsuperintendent a. D. Martin Michael Passauer las, den ich nicht hätte besser formulieren können und für den ich sehr dankbar bin. Und sicherlich all die Menschen, die beim Lesen Gleiches empfunden haben mögen.“ Beate Bierberg, Luckau

„... mir im vergangenen Jahr die Erklärung der Zehn Gebote sehr gut gefallen hat. Gerade in der jetzigen Zeit ein wichtiger Fingerzeig. Danke für diese Zeitschrift. Auch für die schönen Bücher, die ich über das monatliche Rätsel schon erhalten habe.“

Monika Kaden, Seiffen

„... die Zeitschrift für mich sehr wichtig ist. Sie bringt Hoffnung, macht Mut und tröstest. Die Themenwahl passt in unsere Zeit, Welt und Nöte. Ob Krankenbrief oder Predigttext, sehr gut verständlich.“

Margit Patzer, Bautzen

Ja,

ich möchte die

Frohe Botschaft

abonnieren. Das Jahres-Abonnement kostet 19,20 Euro inklusive Zustellung. Bitte senden an: Wichern-Verlag, Frohe Botschaft, Georgenkirchstraße 69–70, 10249 Berlin

„... eine gute Freundin aus Deutschland, die die Zeitschrift abonniert, sie mir weiterschickt. Besonders eine Predigt von Thilo Haak ,Jeder hat Talent‘ hat mich sehr beeindruckt.“ Elsa Balabamff, Sofia

Name, Vorname

Straße, Hausnummer

PLZ, Ort

Telefon/E-Mail

„... sie uns oft getröstet hat. Wir haben gemerkt, dass wir mit unserem Schicksal nicht allein sind. Wir haben 1973 unseren kleinen Sohn verloren. Oft ist er aber noch ganz präsent.“ Karin und Wolfgang Obst, Lugau/Erzgebirge

„... ich besonders die Möglichkeit gut finde, um seelsorgerlichen Rat zu bitten.“

Brigitte Gabsch, Döbeln

Datum/Unterschrift

Verdienst und Gnade Aus dem Brief einer Leserin

J

eder bekommt, was er verdient, heißt es im Volksmund oft. Stimmt das? Martin Luther lehrte doch: Ohne eigenes Verdienst allein durch Gnade wird jeder Mensch von Gott beschenkt.

D

ass das eigentliche Thema der Reformation – Gnade! – ein heißes Lebensthema ist, habe ich bei meiner Postzustellerin gelernt. Als die Gute auf der ersten Tour nach ihrem Urlaub an der Ostsee mit meiner Post am Pfarrhaus vorbei kam, ergab sich folgende Gesprächssituation: Ich erkundige mich höflich danach wie denn das Wetter war und bemerke, dass die Frage so unschuldig nicht ist. Meine Postfrau jedenfalls reagiert leicht gereizt und antwortet: Das Wetter war gut, selbstverständlich! Ihre Verstimmung kommt daher, dass im unausgesprochenen Teil der vermeintlich harmlosen Wetterfrage ja immerhin für möglich gehalten wird, dass die schönste Zeit des Jahres verregnet und kalt war. Bevor sie weiterzieht, bekräftigt sie noch zweimal, dass die Frage nach dem Wetter eigentlich unzulässig ist, denn: „Jeder wie er‘s verdient, Herr Pfarrer, jeder wie er‘s verdient.“ Ach, wenn sie es doch augenzwinkernd und gut gelaunt gesagt hätte. Aber nein, sie meint es wirklich so und versteht an diesem Punkt gar keinen Spaß. Wohlstand, Wellness und Sonnenschein sind ihr unausweichliche Folgen des Wohlverhaltens. Das steckt so drin in uns als ungeschriebenes Gesetz, das uns die Glückseligkeit verspricht, wenn wir funktionieren und die Verdammnis androht, wenn wir aus der Reihe tanzen. Deshalb

SEEL SORGE

ist der Werbeslogan der Tourismusbranche so unwiderstehlich: Sie haben es sich verdient! Das glauben wir gern. Die Kehrseite dieser allgegenwärtigen LohnLeistungs-Gläubigkeit ist dieser verdammte Zwang zur 150-prozentigen Planerfüllung (so hieß das früher in der DDR) und die Angst, die gesellschaftliche Norm nicht zu erfüllen. Der Bundespräsident hat 2016 in seiner großen Rede zur Eröffnung des Reformationsjubiläums von der Gnade als einer zentralen Lebensfrage unserer Zeit gesprochen und sich dabei ausdrücklich auch an die gewandt, die mit dem Kanzelgruß „Gnade sei mit euch“ nichts anfangen können und denen mit dem Glauben auch der tröstliche Gedanke abhanden gekommen ist, es könnte in diesem Leben irgendetwas Gutes unverdient, umsonst, gratis geben. Ihnen wünscht er, dass sie von ihren Mitmenschen ab und zu Gnade erfahren und dass sie mit sich selbst gnädig umgehen: „Wenn Menschen sich bewusst machen, dass sie hier und da in rational nicht fassbarer Weise beschenkt, getragen oder bewahrt waren, oder wenn sie voller Staunen erleben, dass ihnen Gutes widerfährt, was sie nicht selbst erarbeitet haben, dann haben sie möglicherweise eine Erfahrung von Gnade gemacht.“ Solche Erfahrung bleibt nicht ohne Folgen. Nicht nur meine Postfrau soll ihr Lachen zurück kriegen und ihre Straße fröhlich ziehen. Hans-Ulrich Schulz, Generalsuperintendent a. D., Potsdam

Haben Sie auch eine Frage? Dann schreiben Sie an die Frohe Botschaft, Georgenkirchstraße 69–70, 10249 Berlin. Wir leiten Ihre Frage vertraulich an unser Beratungsteam weiter. Wir veröffentlichen Ihren Text anonym mit der Antwort auf dieser Seite.

Foto: privat

Lebens fragen

Der Glaube hat die unbändige Kraft des Wassers. Foto: pixabay.com

Ströme lebendigen Wassers Predigttext zum 28. Mai 2017 Exaudi: Johannes 7, 37–39 Aber am letzten, dem höchsten Tag des Festes trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, von dessen Leib werden, wie die Schrift sagt, Ströme lebendigen Wassers fließen. Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; den der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht.

Johannes 7, 37–39

D

as war schon eine große Aufregung in diesem Jahr auf dem Laubhüttenfest in Jerusalem. Vermutungen und Gerüchte machten die Runde. Ist er nun hier, fragten die einen und wer ist er, fragten die anderen. Die Meinungen gingen stark auseinander, einige sagten, er sei gut; die anderen, nein, er verführt das Volk. Von diesen Unruhen hörten nun auch die religiösen Führer des Volkes und beschlossen, ihn zu verhaften. Doch dann ist er plötzlich da! Und wieder hat er etwas zu sagen, was alle verwunderte. Ist es Anmaßung, ist er ein Prophet, wie etliche mein-

ten, oder sogar der Christus? Doch dieser kommt aber aus Galiläa. In der Schrift steht doch, dass der Christus aus dem Geschlecht Davids und aus Bethlehem kommen muss. Zwietracht breitete sich aus! Die Knechte, die ihn verhaften sollten, konnten ihn nicht greifen. Noch nie hat ein Mensch so geredet wie er, berichteten sie. Und er kennt die heiligen Schriften ihrer Propheten, wenn er sagt: „Wer an mich glaubt, wie die Schrift sagt, von dem werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ Wie so oft sprach Jesus auch hier wieder von dem lebendigen, frischen Wasser. „Wen dürstet, der trinke!“ Wie er schon an Jakobs Brunnen nahe Sychar in Samarien zu einer Frau sagte: „... wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt“ (Johannes 4, 14). Doch nicht nur von ihm bekommen wir den frischen Trank, seinen Geist, den Tröster, den er senden wird. Auch von uns, wenn wir an ihn glauben, werden Ströme frischen Wassers für andere, als Früchte des Geistes, ausgehen. Diese sind: „… Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut, Keuschheit ...“ (Galater 5, 22.23). Setzen wir doch mit der Hilfe Gottes unsere Gaben, unsere Begabungen zum Wohl für unseren Nächsten ein. Aber bedenke auch: „... ohne mich könnt ihr nichts tun“ (Johannes 15, 5). Hans-Jürgen Grundmann, Berlin

Frohe Botschaft für jedermann. Verlag und Redaktion: Wichern-Verlag GmbH, Georgenkirchstraße 69–70, 10249 Berlin, (030) 28 87 48 22, E-Mail: [email protected], Internet: www.frohe-botschaft.de, V.i.S.d.P. Dr. Elke Rutzenhöfer