Druckerei C. H. Beck Fitting: Betriebsverfassungsgesetz. beck-shop.de

Druckerei C. H . Beck Fitting: Betriebsverfassungsgesetz ..................................... beck-shop.de Revision, 21.01.2014 .. .. .. .. .. .. ....
Author: Pia Albert
1 downloads 0 Views 222KB Size
Druckerei C. H . Beck Fitting: Betriebsverfassungsgesetz .....................................

beck-shop.de Revision, 21.01.2014

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

§ 87

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

4. Teil. Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer

3. Vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit a) Allgemeines

Das in Nr. 3 geregelte MBR ist ein Unterfall des MBR der Nr. 2. Der Begriff der Arbeitszeit ist für beide MBR identisch (BAG 14.11.06 AP Nr. 121 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). In Nr. 3 geht es um die vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der jeweiligen betriebsüblichen Arbeitszeit, also die Abweichung von dem für einen bestimmten Wochentag regulär festgelegten Zeitvolumen mit anschl. Rückkehr zur betriebsüblichen Dauer der Arbeitszeit (BAG 3.5.06 AP Nr. 119 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; 26.10.04 AP Nr. 113 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Das MBR besteht aber nur bei einer vorübergehenden Veränderung der betrieblichen ArbZ. Es setzt daher voraus, dass nach einer bestimmten Zeit eine Rückkehr zur betriebsüblichen ArbZ erfolgen soll (BAG 9.7.13 – 1 ABR 19/12 –). Verkürzung bedeutet Kurzarbeit; Verlängerung heißt Überstunden. Ob sich die zeitl. Veränderung auf die Vergütung oder den Stand des Arbeitszeitkontos auswirkt, ist für das Bestehen des MBR unerheblich (BAG 1.7.03 AP Nr. 103 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Mitzubestimmen hat der BR über „Ob“ und „Wie“ der Verlängerung oder Verkürzung, also deren zeitliche Lage und die Dauer und den davon betroffenen Personenkreis. Zweck des MBR ist die angemessene Verteilung der mit einer vorübergehenden 131 Änderung der Arbeitszeit verbundenen Belastungen und/oder Vorteile (BAG 1.3.03 AP Nr. 103 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Bei der Kurzarbeit geht es um den Ausgleich der Interessen des ArbGeb. an einer wirtschaftlichen Betriebsführung einerseits und den Interessen der ArbN am Erhalt des Arbeitsplatzes oder darum Sonderbelastungen durch verkürzte Arbeitszeit, die mit Lohneinbußen verbunden sind, zu vermeiden. Demgegenüber kann eine Beschränkung oder gar ein Verzicht auf Überstunden zumindest befristete Neueinstellungen begünstigen (Richardi Rn 335). Bei den Überstunden geht es um die Gefährdung der Freizeit und um die gerechte Verteilung der Belastungen und Verdienstchancen unter den ArbN (BAG 23.7.96 AP Nr. 26 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes; ErfK-Kania Rn 31). Inhalt des MBR bei der Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit ist die Regelungsfrage, ob zusätzlicher Arbeitsbedarf durch eine vorübergehende Erhöhung der regelmäßigen Arbeitszeit abgedeckt werden soll und welche ArbN oder ArbN-Gruppen zu welchen Zeiten und in welchem Umfang diese Arbeit leisten sollen (BAG 23.7.96 AP Nr. 68 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; BAG 19.6.01 AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Leiharbeitnehmer). Insgesamt betrifft der Schutzzweck des MBR die Verteilungsgerechtigkeit und den Überforderungsschutz (GK-Wiese Rn 362). Es besteht deshalb unabhängig davon, welche individualrechtliche Grundlage die Änderung der Arbeitszeit gegenüber dem ArbN ermöglicht (BAG 24.4.07 AP Nr. 124 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Arbeitszeit ist die Zeit, innerhalb derer die ArbN ihrer vertraglich geschuldeten 132 Arbeitspflicht nachkommen müssen. Betriebsübliche Arbeitszeit ist die im Betrieb regelmäßig geleistete Arbeitszeit (BAG 24.4.07 AP Nr. 124 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Sie wird bestimmt durch den vertraglich geschuldeten zeitl. Umfang der Arbeitsleistung sowie dessen Verteilung auf einzelne Zeitabschnitte (BAG 9.7.13 – 1 ABR 19/12 –; 11.12.01 AP Nr. 93 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Abzustellen ist auf die im Betrieb jeweils für bestimmte Arbeitsplätze, ArbN-Gruppen oder einzelne ArbN geltende Arbeitszeit (BAG 24.4.07 AP Nr. 124 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Bei tarifgebundenen ArbGeb. ist betriebsübliche Arbeitszeit in der Regel die tarifliche Arbeitszeit (BAG 15.4.13 – 10 AZR 325/12 –). Das betrifft Zeiten, in denen der ArbN dem Weisungsrecht des ArbGeb. unterliegt und eine Arbeitsleistung erbringt oder sich hierfür bereithalten muss und deshalb in seiner privaten Lebensgestaltung beschränkt wird (BAG 13.3.01 AP Nr. 87 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). 130

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

1372

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

Medien mit Zukunft

Druckerei C. H . Beck

beck-shop.de

Fitting: Betriebsverfassungsgesetz .....................................

Revision, 21.01.2014

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

Mitbestimmungsrechte

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

§ 87

Die betriebsübliche Arbeitszeit braucht im Betrieb nicht einheitlich zu sein (BAG 3.6.03 AP Nr. 19 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt; BAG 19.6.01 AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Leiharbeitnehmer; Preis NZA-Sonderheft 01, 40; Richardi Rn 337; GK-Wiese Rn 381; DKKW-Klebe Rn 110). Eine tarifliche JahresarbZ ist nicht allen Fällen auch die betriebsübl. ArbZ. Das ist erst der Fall, wenn im TV jegliche Regelung zur Verteilung der JahresArbZ auf einen kürzeren Zeitraum fehlt und die Verteilung der ArbZ gänzlich in das – durch zwingende Vorschriften des ArbZG beschränkte – Belieben der ArbN gestellt ist (BAG 11.12.01 AP Nr. 93 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Deshalb löst das Überschreiten der tariflichen JahresArbZ in der Regel nicht das MBR nach Nr. 3 aus (BAG 11.12.01 aaO). Das MBR besteht für eine vorübergehende Änderung der betriebsübl. Arbeits- 133 zeit (ErfK-Kania Rn 33). Dauerhafte ArbZVeränderungen sind durch das MBR nicht gedeckt. Im tarifl. geregelten Bereich bedarf es hierfür einer tarifl. Öffnungsklausel (BAG 22.7.09 EzA § 4 TVG Versicherungswirtschaft Nr. 7). Eine vorübergehende Änderung liegt vor, wenn es sich um eine Abweichung von einem für eine bestimmte Zeit festgelegten Zeitvolumen mit anschließender Rückkehr zur betriebsübl. Dauer der Arbeitszeit handelt (BAG 15.5.07 AP Nr. 30 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb). Demnach darf eine solche Abweichung lediglich einen überschaubaren Zeitraum betreffen (BAG 27.1.98 AP Nr. 14 zu § 87 BetrVG 1972 Sozialeinrichtung; BAG 3.6.03 AP Nr. 19 zu § 77 BetrVG 1872 Tarifvorbehalt). Das bestimmt sich nach der zum Zeitpunkt der Änderung bestehenden Planung des ArbGeb. (BAG 24.4.07 AP Nr. 124 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Eine vorübergehende Änderung liegt etwa vor, wenn es sich um eine Erweiterung/Verkürzung des für einen bestimmten Wochentag regulär festgelegten Arbeitszeitvolumens mit anschließender Rückkehr zur betriebsüblichen Dauer handelt (BAG 14.11.06 AP Nr. 121 zu 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Fälle der vorübergehenden Änderung sind Sonderschichten oder Arbeitsausfall an einzelnen Tagen (ErfK-Kania Rn 33; DKKW-Klebe Rn 88). Auch die Einführung von Bereitschaftsdienst außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit ist mitbestimmungspflichtig (BAG 29.2.00 AP Nr. 81 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Das gilt auch für die Anordnung des ArbGeb., an einer außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit stattfindenden Mitarbeiterversammlung teilzunehmen (BAG 13.3.01 AP Nr. 87 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Das MBR setzt einen kollektiven Tatbestand voraus. Ein solcher liegt vor, wenn 134 die Arbeitszeit aus betrieblichen Gründen verändert werden soll und Regelungsfragen auftreten, die kollektive Interessen der ArbN betreffen. Deshalb scheidet das MBR nur aus, wenn es um die Berücksichtigung individueller Wünsche einzelner ArbN geht. Insoweit ist es auch unerheblich, ob alle ArbN des Betriebs, einige Abteilungen oder nur einzelne ArbN Überstunden leisten. Auch im zuletzt genannten Fall muss entschieden werden, wie viele Überstunden und von welchen ArbN geleistet werden sollen; es geht auch insoweit um Fragen der Zweckmäßigkeit, bei denen Interessen der ArbN betroffen sind, und um die innerbetriebliche Gerechtigkeit (Verteilung der Lasten und Vorteile). Auf die Zahl der betroffenen ArbN kommt es nicht an. Sie ist nur ein Indiz für das Vorliegen eines kollektiven Tatbestandes (st. Rspr. des BAG, vgl. etwa 16.7.91 AP Nr. 44 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; Richardi Rn 339; DKKW-Klebe Rn 121). Es handelt sich auch dann um einen kollektiven Tatbestand, wenn der ArbGeb. die 135 Arbeitszeit für einen oder mehrere einzelne ArbN aus dringenden, nicht vorhersehbaren betrieblichen Gründen ändern will, zB Be- oder Entladen eines LKW nach Arbeitsschluss. Die Dringlichkeit der Maßnahme hat keinen Einfluss auf den kollektiven Tatbestand. Auch können ArbGeb. und BR Eilfälle im Voraus regeln; das MBR ist deshalb nicht eingeschränkt (vgl. Rn 24). Nur in Notfällen (Brand, Überschwemmungen, Explosionsgefahr) kann der ArbGeb. einseitig Überstunden anordnen. Er muss dann unverzüglich die Zustimmung des BR nachholen (BAG 19.2.91, 17.11.98 AP Nr. 42, 79 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; Richardi Rn 371).

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

1373

Medien mit Zukunft

Druckerei C. H . Beck Fitting: Betriebsverfassungsgesetz .....................................

beck-shop.de Revision, 21.01.2014

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

§ 87

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

4. Teil. Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer

Auch Übergangsregelungen, die anlässlich des Beginns oder des Endes der Sommerzeit in Betrieben mit mehreren Schichten erforderlich werden, unterliegen dem MBR, weil die Arbeitszeit entweder verkürzt oder verlängert wird (vgl. BAG 11.9.85 AP Nr. 38 zu § 615 BGB). Das MBR bezieht sich auf die ArbN des Betriebs und eine damit verbundene An137 ordnungsbefugnis zu deren zeitl. Einsatz. Im Entleiherbetrieb erstreckt es sich deshalb nicht ohne weiteres auf Leiharbeitnehmer. Betriebsverfassungsrechtlich sind diese dem Verleiherbetrieb zugeordnet. Fragen der Kurzarbeit und der Überstunden betreffen regelmäßig ihr ArbVerh. zum Verleiher. Entsendet der Verleiher LeihArbN in Betriebe, deren Wochenarbeitszeit die arbeitsvertraglich vereinbarte Stundenzahl des LeihArbN übersteigt, entscheidet er damit auch über deren zeitlichen Einsatz. Bei dieser Entscheidung (Zulässigkeit von Überstunden) hat der BR des Verleihers mitzubestimmen (BAG 19.6.01 AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Leiharbeitnehmer; Wiebauer NZA 12, 68). Insoweit besteht – anders als bei Nr. 2 – im Rahmen der Nr. 3 kein MBR des BR im Entleiherbetrieb. Darf nach der vertragl. Vereinbarung zwischen Ent- und Verleiher allein der Entleiher für den LeihArbN die Ableistung von Überstunden anordnen, ist hieran der BR des Entleiherbetriebs zu beteiligen (vgl. BAG 25.8.04 AP Nr. 41 zu § 23 BetrVG 1972). Auch für teilzeitbeschäftigte ArbN besteht eine betriebsübliche Arbeitszeit. Es 138 ist deren regelmäßig verkürzte Arbeitszeit. Arbeiten Teilzeitbeschäftigte nicht alle mit einer einheitl. Wochenstundenzahl, sind betriebsüblich diejenigen Arbeitszeiten, die individualrechtlich als die üblichen vereinbart werden (BAG 24.4.07 AP Nr. 124 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Deren vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung unterliegt dem MBR (BAG 23.7.96 AP Nr. 68 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; GK-Wiese Rn 382). Das MBR bei vorübergehender Verlängerung der Arbeitszeit besteht unabhängig davon, ob den Teilzeitbeschäftigten Überstundenzuschläge erst ab Überschreiten der vollen Arbeitszeit oder schon bei Überschreiten der Teilzeit geschuldet werden (BAG 23.7.96 AP Nr. 68 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; Preis/Lindemann NZA-Sonderheft 01, 42). Auch die zur Abdeckung eines betriebl. Mehrbedarfs mit einem ArbN vereinbarte befristete Erhöhung der vertragl. geschuldeten Arbeitszeit fällt unter das MBR nach Nr. 3 (BAG 24.4.07 AP Nr. 124 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Das MBR kann ausgeübt werden in Form einer BV oder durch Regelungsab139 rede (vgl. Rn 578 f.). Für die Durchführung von Kurzarbeit ist eine BV zwingend erforderlich, weil sonst der Inhalt der ArbVerh. nicht normativ gestaltet wird (BAG 14.2.91 AP Nr. 4 zu § 615 BGB Kurzarbeit) und bei Fehlen einer tarifvertraglichen oder einzelvertraglichen Rechtsgrundlage die ArbN ansonsten nicht verpflichtet sind, der Anordnung von Kurzarbeit überhaupt Folge zu leisten (vgl. Rn 158). 136

b) Überstunden 140

Die Anordnung von Überstunden ist der Hauptfall der Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit. Diese Maßnahme unterliegt dem MBR. Überstunde ist die Arbeitszeit, die über diejenige hinausgeht, die nach dem TV oder nach dem Einzelarbeitsvertrag zu leisten ist (Richardi Rn 349). Die bloße Berechnung der geschuldeten Arbeitszeit durch den ArbGeb. (zB. Ferienüberhang bei Musikschullehrern) anhand gesetzl. oder tarifl. Vorgaben unterliegt nicht der MB (BAG 9.11.10 – 1 AZR 147/09 – NZA-RR 11, 278). Wird die regelmäßige Arbeitszeit in Dienstplänen festgelegt, handelt es sich bei geringfügigen Überschreitungen nicht um die Anordnung von Überstunden (BAG 23.3.99 AP Nr. 80 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Bei variabler Arbeitszeit handelt es sich um die Arbeitszeit, die den für die regelmäßige Arbeit geschuldeten Rahmen überschreitet. Mehrarbeit ist die über die gesetzlich zulässige regelmäßige Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit. In der betrieblichen Praxis werden die Begriffe Überstunden und Mehrarbeit häufig synonym gebraucht. In

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

1374

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

Medien mit Zukunft

Druckerei C. H . Beck

beck-shop.de

Fitting: Betriebsverfassungsgesetz .....................................

Revision, 21.01.2014

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

Mitbestimmungsrechte

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

§ 87

der Anordnung einer nur gelegentlich notwendigen Dienstreise liegt keine Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit, wenn keine zusätzlichen Arbeitsleistungen erbracht werden müssen (BAG 23.7.96 AP Nr. 26 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes). Der ArbGeb. kann von den ArbN die Leistung von Überstunden verlangen, wenn er dazu auf Grund einer Vereinbarung im Arbeitsvertrag, nach dem TV und den dort beschriebenen Voraussetzungen oder nach Treu und Glauben (Nebenpflicht im ArbVerh.) berechtigt ist. Auch eine BV kann Rechtsgrundlage für die Anordnung von Überstunden sein, soweit nicht zu Lasten von ArbN in eine entgegenstehende individualrechtliche Position eingegriffen wird. Die Betriebsparteien sind nach § 77 Abs. 4 befugt, Rechte und Pflichten unmittelbar zwischen den Arbeitsvertragsparteien zu begründen. Sie können daher auch das Recht des ArbGeb. zur Anordnung von Überstunden vereinbaren. Das gilt wegen § 77 Abs. 4 nur nicht in den Fällen, in denen die Arbeitsvertragsparteien eine solche Anordnungsbefugnis ausdrücklich ausgeschlossen haben (BAG 3.6.03 AP Nr. 19 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt). Zusätzlich zu diesen Voraussetzungen hat der BR ein MBR zur Frage, ob und in welchem Umfang Überstunden zu leisten sind und welche ArbN diese Überstunden leisten sollen. Das gilt entspr. dem Schutzzweck des MBR (vgl. Rn 101) auch für die Anordnung zusätzlicher Arbeit für Teilzeitbeschäftigte (BAG 24.4.07 – 1 ABR 24/06 – NZA 07, 818 GK-Wiese Rn 400; HSWGNR Rn 234; DKKW-Klebe Rn 122). Das MBR erstreckt sich nicht auf die Frage, ob und in welcher Höhe Teilzeitbeschäftigte für ihre Überstunden Zuschläge erhalten oder nicht; das ist eine Frage der für das Arbeitsverhältnis geltenden Lohngestaltung (GK-Wiese Rn 360; Schüren EuroAS 95, 17). Das MBR besteht nicht nur bei einer ausdrücklichen Anordnung von Überstunden. Auch die Duldung freiwillig geleisteten Überstunden durch den ArbGeb. unterliegt dem MBR (BAG 27.11.90, 16.7.91 AP Nr. 41, 44 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; ErfK-Kania Rn 34). Bei der Regelung von Überstunden sind die Grenzen des ArbZG zu beachten (BAG 28.7.81 AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; Ausnahmegenehmigungen nach dem ArbZG lassen das MBR des BR unberührt) und darüber hinaus auch die gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse bei der Planung der Arbeitsabläufe (vgl. § 90 Rn 24 ff., 30 ff.). Von Überstunden iSd MBR (vorübergehend verlängerte vertragliche Arbeitszeit) ist Mehrarbeit iSd. ArbZG zu unterscheiden. Dieser im ArbZG nicht näher definierte Begriff betrifft Vereinbarungen in einem TV, einer BV oder Arbeitsvertrag, die bestimmen, von welcher Arbeitsstunde an die Arbeit als Mehrarbeit bezeichnet und ggfl. zu vergüten ist. Auch dafür gelten die gesetzl. Höchstarbeitszeitgrenzen. Das MBR kann ausgeübt werden in jedem Einzelfall, in dem die Arbeitszeit vorübergehend verlängert werden soll. Denkbar sind aber auch allgemeine Vereinbarungen (Rahmenvereinbarungen) zwischen ArbGeb. und BR über die voraussehbaren Tatbestände (vgl. Rn 25), die dann im jeweiligen Einzelfall umgesetzt werden müssen. Solche Regelungen sind zweckmäßig, wenn Überstunden zu erwarten sind. Derartige Vereinbarungen können auch zum Inhalt haben, dass der ArbGeb. unter bestimmten in der Vereinbarung genannten Voraussetzungen im Einzelfall ohne nochmalige Beteiligung des BR Überstunden anordnen darf (BAG 3.6.03 AP Nr. 19 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt; BAG 10.3.92 AP Nr. 1 zu § 77 BetrVG 1972 Regelungsabrede; einschränkend DKKW-Klebe Rn 49, Rn 127). In diesen Fällen muss das MBR in seiner Substanz erhalten bleiben. Auch Vereinbarungen über die Begrenzung von Überstunden sind zulässig (BAG 2.3.82 AP Nr. 6 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit betr. Rufbereitschaft; Mache DB 86, 2077). Neben dem MBR bei vorübergehender Verlängerung der Arbeitszeit kommt für die Lohnzahlung ein MBR nach Nr. 10 in Betracht.

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

141

142 143

144

145

146

147

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

1375

148

Medien mit Zukunft

Druckerei C. H . Beck Fitting: Betriebsverfassungsgesetz .....................................

beck-shop.de Revision, 21.01.2014

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

§ 87

149

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

4. Teil. Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer

Der Abbau von Überstunden, also das Gegenteil der vorübergehenden Verlängerung der Arbeitszeit, ist nicht mitbestimmungspflichtig (BAG 25.10.77 AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; Richardi Rn 347). Das gilt nicht für die vorzeitige Beendigung vereinbarter Sonderschichten. Denn dabei geht es um den Schutz der ArbN, die im Vertrauen auf eine angeordnete Sonderschicht bereits über ihre Freizeit disponiert haben. Ordnet der Arbeitgeber also ohne Zustimmung des Betriebsrats vorzeitig die Rückkehr zur Normalarbeitszeit an, hat er dennoch die für Überstunden anfallende Mehrvergütung zu zahlen (BAG 18.9.02 AP Nr. 99 zu § 615 BGB). c) Kurzarbeit

150

151

152

153

154

Kurzarbeit im vergütungsrechtl. Sinn ist die vorübergehende Kürzung des Volumens der regelmäßig geschuldeten Arbeitszeit bei anschließender Rückkehr zum vereinbarten Zeitpunkt. Ihre Einführung bedarf einer besonderen normativen oder vertraglichen Grundlage (BAG 10.10.06 AP Nr. 85 zu § 75 BPersVG). Im Sinne des MBR ist Kurzarbeit die vorübergehende Herabsetzung der betriebsüblichen Arbeitszeit. Es ist unerheblich, ob einzelne Stunden ausfallen sollen, bestimmte Wochentage oder die Arbeit in ganzen Wochen. Das MBR erstreckt sich auf die Frage, ob, für welchen vorübergehenden Zeitraum, in welchen Bereichen, für welche ArbN, in welchem zeitl. Umfang Kurzarbeit eingeführt und wie die geänderte Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage verteilt werden soll (LAG Hamm 1.8.12 – 5 Sa 27/12 – NZA-RR 13, 244; DKKW-Klebe Rn 128). Für das Bestehen des MBR kommt es nicht darauf an, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld nach §§ 95 ff. SGB III vorliegen oder nicht (vgl. Rn 162). Ein MBR besteht auch bei der Wiederherstellung der betriebsüblichen Arbeitszeit bei vorzeitiger Beendigung von Kurzarbeit (GK-Wiese Rn 388; aA BAG 21.11.78 AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit; Richardi Rn 354; Preis NZASonderheft 01, 40). Dagegen besteht kein MBR nach Nr. 3, wenn ArbN einer Betriebsabteilung (betrieblich organisatorisch eigenständige Einheit) Transferkurzarbeitergeld (§ 111 SGB III) erhalten sollen; bei diesen ArbN handelt es sich nicht um eine nur vorübergehende Verkürzung der Arbeitszeit. Umstritten ist die Frage, ob sich das MBR auch auf Fragen der finanziellen Milderung der Folgen der Kurzarbeit bezieht (verneinend ErfK-Kania Rn 37; bejahend DKKW-Klebe Rn 129 mit einer Übersicht über den Meinungsstand). Die hM lehnt ein erzwingbares MBR insoweit ab. Zwar soll das MBR den ArbN auch vor Entgelteinbußen schützen (BAG 21.11.78 AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Der Verlust von Entgeltansprüchen ist aber nur die Folge der eingeschränkten Arbeitszeit. Der auf Arbeitszeitfragen beschränkte Umfang des MBR reicht zum Schutz der ArbN aus. Wortlaut und systematischer Zusammenhang sprechen gegen ein MBR bei Vergütungsfragen in Fällen der Kurzarbeit. Ist die Vergütung für Kurzarbeit bereits im TV geregelt, kommt ein MBR insoweit (vgl. Eingangssatz) ohnehin nicht in Betracht. Das MBR besteht unabhängig von den Gründen, aus denen die Einführung von Kurzarbeit erwogen wird. Es ist unerheblich, ob die Arbeit wegen des Betriebs- oder Wirtschaftsrisikos des ArbGeb. eingeschränkt werden muss (zum MBR im Arbeitskampf vgl. Rn 164 ff.). Will der ArbGeb. Auslastungsdefiziten durch ein sog. Sabbatical begegnen, fällt das in den Anwendungsbereich des MBR nach Nr. 3, soweit ein TV eine solche „Auszeit“ nicht abschließend regelt oder den Betriebsparteien hierfür Vorgaben macht. Allerdings setzt das MBR eine Prognose der Betriebsparteien voraus, nach der nach Ablauf der Auszeit die ArbN wieder zur vorherigen ArbZ zurückkehren (Seel DB 09, 2210). Damit ist ein Sabbatical zur dauerhaften Verringerung des Personalbedarfs untauglich. Typischerweise muss der ArbN zur Finanzierung der Auszeit ArbZ in ein ArbZKonto einstellen. Bei den hierfür erforderl. Abmachungen ist zusätzl. das MBR nach Nr. 2 zu beachten.

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

1376

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

Medien mit Zukunft

Druckerei C. H . Beck

beck-shop.de

Fitting: Betriebsverfassungsgesetz .....................................

Revision, 21.01.2014

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

Mitbestimmungsrechte

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

§ 87

Bei beabsichtigten Massenentlassungen iSd. § 17 KSchG kann der ArbGeb. nach § 19 KSchG durch die BA ermächtigt werden, Kurzarbeit einzuführen. Das betrifft aber nur das Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien. Will der ArbGeb. von diesem Recht Gebrauch machen, muss er das MBR des BR beachten (GK-Wiese Rn 393; DKKW-Klebe Rn 131; aA HSWGNR Rn 245). Das MBR gibt dem ArbGeb. nicht die Befugnis, einseitig Kurzarbeit anzuordnen (Richardi Rn 358). Das gilt auch dann, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld vorliegen (§§ 169 ff. SGB III; vgl. BAG 14.2.91 AP Nr. 4 zu § 615 BGB Kurzarbeit). Führt der ArbGeb. einseitig ohne Zustimmung des BR Kurzarbeit ein, bleibt es zugunsten des ArbN bei der vertraglich vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit. Der ArbN behält seinen Anspruch auf Vergütung, wenn er dem ArbGeb. seine Leistung anbietet und dieser sie ablehnt (Annahmeverzug gem. § 615 BGB). Andererseits besteht das MBR bei der Einführung der Kurzarbeit unabhängig davon, ob und auf welcher Rechtsgrundlage der ArbGeb. im Verhältnis zum einzelnen ArbN die Kurzarbeit einführen darf. Die Voraussetzungen, unter denen Kurzarbeit eingeführt werden darf, sind häufig in TV geregelt, zB eine Ansagefrist (vgl. BAG 12.10.94 AP Nr. 66 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Diese tarifl. Vorgaben haben die Betriebsparteien zu beachten, soweit sie eine abschließende Regelung enthalten und deshalb nach dem Eingangssatz die MB ausschließt (BAG 12.10.94 und 3.5.06 AP Nrn. 66, 119 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Für die Durchführung der Mitbestimmung besteht eine Besonderheit. Ausnahmsweise kommt es in den Fällen der Herabsetzung der vertraglich oder tarifvertraglich geschuldeten Arbeitszeit auch auf die Form an, in der das MBR ausgeübt wird. Eine BV wirkt unmittelbar und zwingend auf die ArbVerh. ein (§ 77 Abs. 4). Eine Regelungsabrede (statt einer BV) über die Einführung von Kurzarbeit wahrt zwar das MBR des BR. Sie kann aber wegen ihrer fehlenden normativen Wirkung nicht die Arbeitsbedingungen der betroffenen ArbN ändern. Das führt dazu, dass bei einer bloßen Regelungsabrede die Lohnansprüche der ArbN wegen Annahmeverzugs des ArbGeb. erhalten bleiben (BAG 14.2.91 AP Nr. 4 zu § 615 BGB Kurzarbeit). Nur TV oder BV sind neben dem Einzelvertrag eine ausreichende Rechtsgrundlage zur Kürzung der Arbeitszeit und damit des Lohnes bei der Einführung von Kurzarbeit (BAG 11.7.90 AP Nr. 32 zu § 611 BGB Betriebsrisiko; 12.10.94 AP Nr. 66 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit); GK-Wiese Rn 363; aA Heinze RdA 98, 17: Weder TV noch BV könnten wirksam Kurzarbeit einführen und regeln; diese Auffassung verkennt die Regelungsbefugnis der TVParteien und der Betriebsparteien, sie sind InteressenVertr. der ArbN. Kurzarbeit wird nur dann stattfinden, wenn sie unbedingt notwendig ist, um Arbeitsplätze zu sichern). Eine BV über Kurzarbeit erfüllt aber nur dann die Anforderungen an eine wirksame Ausübung des MBR, wenn in ihr wenigstens die tatbestandlichen Vorgaben für die vorübergehende Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit geregelt sind. (LAG Berlin 29.10.98 – 10 Sa 95/98). Eine Regelungsabrede genügt nur in den Fällen, in denen der ArbGeb. schon nach den Arbeitsverträgen oder einem TV berechtigt ist, Kurzarbeit einzuführen (BAG 14.2.91 AP Nr. 4 zu § 615 BGB). Aus diesem Grund darf die BV über die Einführung und Durchführung von Kurzarbeit dem ArbGeb. nicht die Auswahl der betroffenen ArbN überlassen (aA LAG Thüringen 7.9.99 – 2 Sa 404/98 – Beck RS 99, 16427). Diese sind von den Betriebsparteien gemeinsam festzulegen und in erster Linie anlassbezogen zu bestimmen. Der BR kann die Initiative zur vorübergehenden Einführung von Überstunden oder Kurzarbeit ergreifen (BAG 10.10.06 – 1 AZR 811/05 – NZA 07, 637; 4.3.86 AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Kurzarbeit; ErfK-Kania Rn 35; Löwisch FS Wiese S. 249; Richardi Rn 366; aA GK-Wiese Rn 367; HSWGNR Rn 250; SWS Rn 78). Damit können Entlassungen aus betriebsbedingten Gründen jedenfalls vorübergehend vermieden werden. Das MBR betrifft nicht die Frage, ob der Betrieb stillgelegt oder – auf Dauer – eingeschränkt wird; insoweit ist der BR nach §§ 111 ff. zu beteiligen.

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

155

156

157

158

159

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

1377

Medien mit Zukunft

Druckerei C. H . Beck Fitting: Betriebsverfassungsgesetz .....................................

beck-shop.de Revision, 23.01.2014

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

§ 87

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

4. Teil. Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer

Im Mitbestimmungsverf. kann auch geregelt werden, ob und in welchem Umfang der ArbGeb. zur Ergänzung des sozialrechtlichen Kurzarbeitergeldes Ausgleichsleistungen erbringt. Solche Zahlungen können jedoch nicht erzwungen werden (Otto NZA 92, 97; HSWGNR Rn 246). Die Verletzung von MBR hat individualrechtliche Folgen. Soweit der ArbGeb. 161 den BR zu beteiligen hat, dies aber unterlässt, sind einseitig vom ArbGeb. getroffene Maßnahmen insoweit unwirksam, als dadurch Ansprüche der ArbN vereitelt oder geschmälert werden (BAG 13.7.77 AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Kurzarbeit). Die Mitbestimmung ist Wirksamkeitsvoraussetzung (BAG 18.9.02 AP Nr. 99 zu § 615 BGB). Von der Frage der Einführung der Kurzarbeit ist die Zahlung von Kurzarbei162 tergeld durch die AA zu trennen. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld sind in §§ 95 ff. SGB III geregelt. Nach § 95 S. 1 SGB III haben ArbN Anspruch auf Kurzarbeitergeld, wenn ein erhebl. Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt. Erhebl. ist ein Arbeitsausfall, wenn er auf wirtschaftl. Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht, vorübergehend und nicht vermeidbar ist § 96 Abs. 1 S. 1. Darüber hinaus müssen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld die im G genannten persönlichen (§ 98 SGB III) und betrieblichen (§ 97 SGB III) Voraussetzungen erfüllt und der Arbeitsausfall vom ArbGeb. schriftl. der AA angezeigt sein (§ 99 SGB III). Dieser Anzeige ist eine Stellungnahme des BR beizufügen (§ 99 Abs. 1 S. 3 SGB III). Unterbleibt die Anzeige des ArbGeb., hat der einzelne ArbN uU Schadenersatzansprüche, sofern er bei Erstattung der Anzeige Kurzarbeitergeld erhalten würde. Der BR hat daneben ein eigenes Anzeigerecht (§ 99 Abs. 1 SGB III). Bei einem rückwirkenden Widerruf des Bewilligungsbescheides kommt ein Anspruch des ArbN gegen den ArbGeb. auf Zahlung des Lohnes in Höhe des Kurzarbeitsgeldes in Betracht (BAG 11.7.90 AP Nr. 32 zu § 611 BGB Betriebsrisiko mit. Anm. Trittin). In dem Verfahren über die Bewilligung von Kurzarbeitergeld ist der BR notwendiger Beteiligter gem. § 12 Abs. 1 Nr. 1 SGB X. Besonderheiten gelten für das Transferkurzarbeitergeld nach § 111 SGB III. 163 Nach Abs. 1 dieser Vorschrift haben ArbN zur Vermeidung von Entlassungen und zur Verbesserung ihrer Vermittlungschancen Anspruch auf Transferkurzarbeitergeld, wenn und solange sie von einem dauerhaften unvermeidbaren Arbeitsausfall mit Entgeltausfall betroffen sind, das der Agentur für Arbeit angezeigt und mit ihr beraten worden ist und sie die persönlichen Voraussetzungen nach § 111 Abs. 4 SGB III sowie die in § 111 Abs. 3 SGB III geregelten betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu zählt, dass in einem Betrieb Personalanpassungsmaßnahmen aufgrund einer Betriebsänderung durchgeführt werden und die vom Arbeitsausfall betroffenen ArbN in einer betriebsorganisatorisch eigenständigen Einheit zusammengefasst werden (vgl. Gaul/Bonanni/Otto DB 03, 2386), dieses einen Integrationserfolg erwarten lässt und ein QS-System angewendet wird. 160

d) Kurzarbeit und Überstunden im Arbeitskampf Bes. umstritten ist das MBR des BR bei Anordnung von Kurzarbeit oder Überstunden während eines Arbeitskampfes. Gleiches gilt für die Verschiebung von Schichten in einem bestreikten Betrieb, für die das MBR nach Nr. 2 einschlägig ist. Nach der Beendigung des Arbeitskampfes gelten die bisherigen mitbestimmten arbeitszeitbezogenen BV fort. Will der ArbGeb. den streikbedingten Arbeitsausfall nach Streikende durch „Nacharbeiten“ kompensieren und zu diesem Zweck Überstunden anordnen, bedarf er hierzu die Zustimmung des BR. Für eine teleologische Reduktion des MBR besteht kein Anlass. Während eines laufenden Arbeitskampfes ist zu unterscheiden zwischen Betrieben, 165 in denen unmittelbar ein Arbeitskampf (Streik oder Aussperrung) stattfindet und Betrieben, die nur mittelbar von den Wirkungen eines Arbeitskampfes betroffen sind (Fernwirkung). 164

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

1378

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

Medien mit Zukunft

Druckerei C. H . Beck

beck-shop.de

Fitting: Betriebsverfassungsgesetz .....................................

Revision, 21.01.2014

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

Mitbestimmungsrechte

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

§ 87

Ist der Betrieb unmittelbar vom Arbeitskampf betroffen, entfallen die MBR des BR (BAG 22.12.80 AP Nr. 70 zu Art. 9 GG Arbeitskampf). Das gilt zunächst dann, wenn der ArbGeb. mit arbeitswilligen ArbN unter Anordnung von Überstunden die Produktion aufrecht erhalten will (hM vgl. WPK/Bender Rn 83; GK-Wiese Rn 406 mwN) oder Schichten verschieben will (ErfK-Dieterich/Linsenmaier Art. 9 GG Rn 157). Allerdings muss dem ArbGeb. die Überstundenanordnung individualvertraglich auch möglich sein, da es in einem solchen Fall an einer BV als Rechtsgrundlage für eine solche Anordnung fehlt. Das BAG hat die Einschränkung des MBR mit der Friedenspflicht des BR und mit einer „Überforderung“ des BR und der Kampfparität begründet (BAG 24.4.79 AP Nr. 63 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; Jansen, Die betriebliche MB im Arbeitskampf (Diss. 1999), S. 203 ff.; aA DKKW-Klebe Rn 116). MBR müssen arbeitskampfkonform zum Schutze der Kampfparität im Interesse einer funktionsfähigen Tarifautonomie eingeschränkt werden (ErfK-Dieterich/Linsenmaier Art. 9 GG Rn 156 ff.; Kempen NZA 05, 185). Mit dem Begriff der Überforderung will das BAG aber nur zum Ausdruck bringen, dass es nicht um eine subjektive Unfähigkeit des BR geht, die Ausübung von MBR arbeitskampfkonform wahrzunehmen. Vielmehr geht es darum, dass dem BR eine arbeitskampfneutrale Ausübung des MBR unmöglich ist, da seine Weigerung, die Vorstellungen des ArbGeb. zu akzeptieren, stets in ein E-Stellenverfahren mündet und die hieraus folgenden zeitlichen Verzögerungen die Kampfführung des ArbGeb. zwangsläufig schwächt und die der kampfführenden Gewerkschaft stärkt (vgl. BAG 13.12.11 – 1 ABR 2/10 – NZA 12, 76). Kann nach diesen Grundsätzen der ArbGeb. mitbestimmungsfrei Überstunden für Arbeitswillige anordnen, gilt dasselbe für die Anordnung von Kurzarbeit in unmittelbar bestreikten Betrieben (BAG 22.12.80 AP Nr. 70 und 71 zu Art. 9 GG Arbeitskampf). Zum Meinungsstand eingehend GK-Wiese Rn 406. Wird der Betrieb nur teilweise bestreikt, kann der ArbGeb. die gesamte Betriebstätigkeit während des Streiks einstellen. Auch diese Maßnahme ist eine Reaktion im Arbeitskampf (BAG 22.3.94 AP Nr. 130 zu Art. 9 GG Arbeitskampf). Macht der ArbGeb. von diesem Kampfmittel Gebrauch, besteht kein MBR (Richardi Rn 379). Greift der ArbGeb. zur (zulässigen) Abwehraussperrung, kann der BR ebenfalls nicht an dieser Maßnahme (vorübergehende Einstellung der Arbeit) beteiligt werden. Denn sonst könnte er mit Hilfe seines MBR die Maßnahme erschweren oder verzögern (GK-Wiese Rn 406; Richardi Rn 379). Dagegen ist der Umfang der MBR in den Betrieben, die nur mittelbar von den (Fern-Wirkungen (zB Störungen von Zulieferungen oder Absatz) eines Arbeitskampfs betroffen sind, noch nicht geklärt (zum Meinungsstand bei GK-Wiese Rn 407 ff.; ErfK-Dieterich Art. 9 GG Rn 159). Das BAG hat das MBR in den genannten Entscheidungen (22.12.80 AP Nr. 70 und 71 zu Art. 9 GG Arbeitskampf) beschränkt. Unabhängig davon, ob eine Fernwirkung auf Drittbetrieben auf Gründen beruht, die eine weitere Produktion technisch unmöglich oder wirtschaftlich sinnlos macht, soll diese das Kräfteverhältnis der kampfführenden TVParteien im Gebiet des TV beeinflussen können. Soweit deshalb das Gleichgewicht der Kräfte im Arbeitskampf gestört ist (Paritätsrelevanz), entfällt das MBR. Nach Ansicht des BAG muss sichergestellt werden, dass jede Seite das Arbeitskampfrisiko selbst trägt (zustimmend ErfK-Kania Rn 38). Die Kampfparität kann gestört werden, wenn der betroffene Betrieb im Tarifgebiet liegt, für den ein neuer TV abgeschlossen werden soll. Eine Störung der Kampfparität kann auch vorliegen, wenn der betroffene Betrieb zu derselben Branche gehört und die mittelbar betroffene Belegschaft von derselben Gewerkschaft vertreten wird, die den Arbeitskampf führt, und vom Ausgang des Arbeitskampfs auch profitieren würde (Richardi Rn 389). Diese Beschränkung der MBR unter Durchbrechung der Grundsätze des sonst vom ArbGeb. zu tragenden Betriebs- und Wirtschaftsrisikos soll aber nur Platz grei-

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

166

167

168

169

170

171

172

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

1379

173

Medien mit Zukunft

Druckerei C. H . Beck Fitting: Betriebsverfassungsgesetz .....................................

beck-shop.de Revision, 21.01.2014

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

§ 87

174

175

176

177

178

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

4. Teil. Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer

fen, wenn bei typisierender Betrachtung nennenswerte Einflüsse auf das Kräfteverhältnis der TVParteien eintreten können. Das BAG unterstellt diese Wirkungen jedenfalls dann, wenn auch für die mittelbar betroffenen Betriebe in derselben Branche dieselben Verbände zuständig sind oder eine enge wirtschaftliche Verflechtung (Konzern) besteht. Im Übrigen hat das BAG darauf verzichtet, einen Katalog von Merkmalen aufzustellen, bei deren Vorliegen erhebliche Einflüsse auf die Arbeitskampfparität anzunehmen sind. Die ArbN in Drittbetrieben haben nach dieser Auffassung bei Vorliegen einer dieser beiden Voraussetzungen (technische Unmöglichkeit oder wirtschaftliche Unzumutbarkeit) keinen Beschäftigungs- und keinen Lohnanspruch mehr. Deshalb entfällt nach Ansicht des BAG (22.12.80 AP Nr. 70 und 71 zu Art. 9 GG Arbeitskampf) ein MBR bei der Frage, ob Kurzarbeit eingeführt werden soll. Das „ob“ der Kurzarbeit ist also mitbestimmungsfrei. Dagegen hat der BR bei dem „wie“, dh bei den Modalitäten mitzubestimmen, soweit noch etwas zu regeln ist, zB ab wann, für welche ArbN und in welcher Form Kurzarbeit eingeführt werden soll (ErfK-Kania Rn 38; zu den Entscheidungen vgl. Richardi Rn 391; GK-Wiese Rn 415). Dabei kann zwischen ArbGeb. und BR streitig sein, ob wegen Fernwirkungen des Arbeitskampfs Kurzarbeit tatsächlich notwendig ist. Das ist eine Rechtsfrage. Sie muss im BeschlVerf. entschieden werden. Häufig kommt wegen der Eilbedürftigkeit der Entscheidung eine einstw. Vfg. (vgl. Nach § 1 Rn 65 ff.) in Betracht, mit der die einseitige Einführung der Kurzarbeit verhindert werden soll (BAG 22.12.80 AP Nr. 70 und 71 zu Art. 9 GG Arbeitskampf). Besteht Streit über das „wie“ der beabsichtigten Kurzarbeit, muss der ArbGeb. umgehend die Bildung einer E-Stelle betreiben, da es sich insoweit um eine Regelungsfrage, nicht um eine Rechtsfrage handelt. Unterlässt dies der ArbGeb., sind die angeordneten einseitigen Maßnahmen unwirksam, die ArbN behalten ihren Lohnanspruch, der BR kann seinerseits eine einstw. Vfg. auf Untersagung der Anordnung von Kurzarbeit beantragen. Die Unterscheidung zwischen dem „Ob“ der Einführung von Kurzarbeit und dem „Wie“ ist aber praktisch nicht einfach durchführbar. Beides lässt sich nur schwer trennen (Meyer BB 90, 2482, 2487; Trittin DB 90, 322). Darüber hinaus ist nicht ausgeschlossen, dass die vom BAG verlangte Einigung über das „Wie“ der Kurzarbeit wg. der Durchführung eines E-Stellenverfahrens zu ganz erheblichen zeitlichen Verzögerungen führt. Hierdurch wird aber die vom BAG für notwendig erachtete Privilegierung des ArbGeb. bei der Einführung von Kurzarbeit beseitigt. Haben die Fernwirkungen eines Arbeitskampfes keine Auswirkungen auf die Kampfparität, wird das MBR nicht eingeschränkt. Der ArbGeb. hat kein Recht, die ArbN seines Betriebs nicht zu beschäftigen und ihnen das Entgelt zu verweigern (aA Richardi Rn 395). Bei Einführung der Kurzarbeit wegen Fernwirkungen eines Arbeitskampfes kommt unter den Voraussetzungen des § 100 SGB III die Zahlung von Kurzarbeitergeld in Betracht. Zusätzlich prüft der Neutralitätsausschuss (§ 380 SGB III) bei der BAA, ob wegen eines Arbeitskampfes der Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Kurzarbeitergeld ruht. Die Fachspitzenverbände können durch Klage die Aufhebung der Entscheidung des Neutralitätsausschusses anfechten. Über die Klage entscheidet das BSG im ersten und letzten Rechtszug. Es kann eine einstw. Verfg. erlassen.

4. Auszahlung der Arbeitsentgelte 179

Das MBR des BR in Fragen des Arbeitsentgelts ist im Grundsatz in Nr. 10 geregelt. Nr. 4 betrifft nur einen kleinen Ausschnitt: Es geht um die Umstände bei der Auszahlung des Arbeitsentgelts. Nicht dem MBR nach dieser Bestimmung unterliegt die Höhe der jeweils zu zahlenden Vergütung. Das MBR besteht unabhängig von der Rechtsgrundlage für die einzelnen Zahlungen. Es besteht auch bei freiwilli-

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

1380

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

Medien mit Zukunft

Druckerei C. H . Beck

beck-shop.de

Fitting: Betriebsverfassungsgesetz .....................................

Revision, 21.01.2014

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

Mitbestimmungsrechte

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

§ 87

gen Leistungen des ArbGeb. (Richardi Rn 413; HSWGNR Rn 292). Bei LeihArbN ist allein der BR des Verleiherbetriebs für die Ausübung des MBR zuständig (GKWiese Rn 441). Arbeitsentgelt iS dieser Bestimmung ist die in Geld auszuzahlende Vergütung für geleistete Arbeit ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung: Gehalt, Lohn, Provisionen, Kindergeld, Familienzulage, Teuerungszulage, Urlaubsgeld (vgl. BAG 25.4.89 AP Nr. 3 zu § 98 ArbGG 1979) sowie Reisekosten, Wegegelder, Spesen, Auslösungen usw. einschl. der Regelung von Vorschusszahlungen. Darüber hinaus rechnen auch Sachleistungen des ArbGeb. (Deputate) hierher (GK-Wiese Rn 425; DKKWKlebe Rn 135; HSWGNR Rn 292 mit Einschränkungen betr. Auslösung). Der Mitbestimmung unterliegen die Festlegung der Zeiträume, nach denen das Entgelt für die geleistete Arbeit gezahlt werden soll, zB monatl. Lohnzahlung, wöchentliche Lohnzahlung, Auszahlung eines Zeitguthabens am Ende eines mehrmonatigen Verteilungszeitraums (BAG 15.1.02 – 1 AZR 65/01 – NZA 02, 1112; Richardi Rn 414; ErfK-Kania Rn 40). Nach der abdingbaren Vorschrift des § 614 BGB ist der Lohn nachträglich zu zahlen. Geregelt werden kann auch, zu welchen Zeitpunkten Abschläge zu zahlen sind, sofern eine entsprechende vertragliche Verpflichtung des ArbGeb. besteht (aA Richardi Rn 415). Die Festlegung der Lohnzahlungsperiode ist nicht zu verwechseln mit der Frage, nach welchen Grundsätzen der Lohn zu bemessen ist, nach Stunden, Tagen, Wochen oder Monaten. Das ist eine Frage der Lohngestaltung. Sie unterliegt dem MBR nach Nr. 10. Tarifliche Regelungen gehen vor (vgl. Rn 36). Der BR hat auch mitzubestimmen über den Zahlungszeitpunkt, also über Tag und Stunde der Entgeltzahlungen, soweit diese nicht durch Gesetz oder TV (bindende Festsetzung nach § 19 HAG) geregelt sind. Nach § 11 Abs. 4 des 5. VermBG idF v. 16.7.09 (BGBl. I, 1959) hat der BR mitzubestimmen über den Termin, zu dem die ArbN des Betriebs während eines Kalenderjahres Teile ihres Arbeitslohns vermögenswirksam anlegen können (GK-Wiese Rn 428). Der Mitbestimmung unterliegt auch der Ort der Zahlung. Das ist die Stelle, an der der ArbN sein Arbeitsentgelt in Empfang nimmt. Das ist regelmäßig der Betrieb. Etwas anderes kann nur in Betracht kommen, wenn die ArbN auf auswärtigen Arbeitsstellen beschäftigt werden (vgl. GK-Wiese Rn 429; DKKW-Klebe Rn 137). Gesetzliche Regelungen (für Seeleute § 34 SeemG; für Heimarbeiter § 19, § 20 HAG; für Auszubildende § 10 BBiG) sind zu beachten. Es kann auch geregelt werden, auf welchem Wege arbeitsunfähig erkrankte ArbN ihr Entgelt erhalten sollen (GK-Wiese Rn 429; DKKW-Klebe Rn 137). Bei Sachleistungen muss geregelt werden, ob der ArbN sie im Betrieb in Empfang nimmt oder ob sie anzuliefern sind (Richardi Rn 418). Größere Bedeutung hat die Regelung über die Art der Entgeltzahlung. Dabei geht es um Auszahlung in bar oder bargeldlos durch Überweisung auf ein Bankkonto. Diese Frage ist mitbestimmungspflichtig (BAG st. Rspr. 15.1.02 AP Nr. 23 zu § 50 BetrVG 1972; 10.8.93 AP Nr. 12 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung). Durch bargeldlose Zahlungen können Kosten (Kontoführungsgebühren, evtl. Gebühren für die Überweisung des Arbeitsentgelts und eine Gebühr für die einmalige Abhebung des Arbeitsentgelts) entstehen. Der ArbN muss Zeit aufwenden, um sein Geld bei der Bank abzuholen. Es können auch zusätzliche Wegekosten anfallen. Deshalb ist auch zu regeln, wer diese Kosten zu tragen hat und ob und in welchem Umfang der Zeitaufwand vergütet werden soll. Das BAG spricht von einer „AnnexKompetenz“ (st. Rspr., BAG 12.11.97 AP Nr. 2 zu § 58 BetrVG 1972; 10.8.93 AP Nr. 12 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung; Richardi Rn 427; DKKW-Klebe Rn 139; ErfK-Kania Rn 40; J/R/H-Meyer Kap. 13 Rn 18 ff.; aA GK-Wiese Rn 432; HSWGNR Rn 300: nur freiwillige BV). Das BVerfG hat aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Bedenken gegen ein MBR des BR in dieser Frage (BVerfG 18.10.87 AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung). Auch die Frage, ob die Zeit, die ArbN zum

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

180

181

182 183

184

185

186

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

1381

Medien mit Zukunft

Druckerei C. H . Beck Fitting: Betriebsverfassungsgesetz .....................................

beck-shop.de Revision, 21.01.2014

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

§ 87

187

188

189

190

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

4. Teil. Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer

Aufsuchen der Bank aufwenden müssen, vergütet werden soll („Kontostunde“) unterliegt dem MBR (BAG 20.12.88, 5.3.91 AP Nr. 9, 11 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung; aA Richardi Rn 430). Eine Pauschalierung der Aufwendungen (Kosten und Zeitaufwand) durch BV ist zulässig (BAG 15.1.02 AP Nr. 23 zu § 50 BetrVG 1972; 5.3.91 AP Nr. 11 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung). Gegen die Festsetzung einer pauschalen Kontoführungsgebühr (ohne Wegezeitvergütung und sonstige Auslagen) von 2 bis 3 Euro monatlich bestehen keine Bedenken (DKKW-Klebe Rn 140). Der Spruch der E-Stelle darf bei der Regelung – wie üblich – billiges Ermessen nicht überschreiten (vgl. BAG 10.8.93 AP Nr. 12 zu § 87 BetrVG 1972 Auszahlung, für den Fall, dass die Auszahlung des Arbeitsentgelts gegen Vorlage eines Schecks angeboten wird und deshalb nicht mit einem zusätzlichen Aufwand an Freizeit verbunden ist). Zum MBR im Rahmen der Entgeltumwandlung iSd § 1a BetrAVG vgl. Rn 468; bei der Einführung und der Ausgestaltung von Wertguthabenvereinbarungen (Zeitwertkonten) kommt, soweit keine tarifliche Regelung besteht, ein MBR in Bezug auf Zeit, Ort und Art der Ausgestaltung der Entgelte in Betracht (Ars/Blümke/ Scheithauer BB 09, 1358; Hanau/Veit NJW 09, 182). Die ArbN können nicht verpflichtet werden, ein Konto bei einer bestimmten Bank einzurichten (Richardi Rn 429). Nicht unter das MBR fallen Lohnabtretungsverbote. Eine solche Regelung hat nichts mit den Umständen der Auszahlung zu tun. Das MBR berechtigt auch nicht dazu, Gebühren festzulegen, die dazu dienen, die Bearbeitungskosten des ArbGeb. für Lohn- und Gehaltspfändungen auszugleichen (BAG 18.7.06 AP Nr. 15 zu § 850 ZPO). Auch berechtigt das MBR nicht dazu, die Auszahlung einer verdienten erfolgsorientierten Vergütung an das Kriterium der Betriebstreue zu knüpfen. Eine solche Auszahlungsbeschränkung betrifft den Entgeltanspruch selbst und ist damit keine Auszahlungsmodalität, die allein Gegenstand des MBR sind (BAG 12.4.10 – 1 AZR 412/09 – NZA 11, 989).

5. Urlaub a) Zweck der Vorschrift 191

Durch die Mitbestimmung wird das dem ArbGeb. bei der Festlegung der Lage des Urlaubs zustehende Gestaltungsrecht beschränkt. Dadurch sollen die Urlaubswünsche der einzelnen ArbN und das betriebliche Interesse am Betriebsablauf sinnvoll ausgeglichen werden (GK-Wiese Rn 443; Richardi Rn 440). Auch müssen unterschiedliche Interessen einzelner ArbN koordiniert werden (BAG 18.6.74, 28.5.02 AP Nr. 1, 10 zu § 87 BetrVG 1972 Urlaub). Bei der Festlegung sind die zwingenden Vorschriften des BUrlG und der einschlägigen TV zu beachten. b) Begriff des Urlaubs

Das MBR in Urlaubsfragen betrifft zunächst den Erholungsurlaub iSd. § 1 BUrlG und den Zusatzurlaub für Schwerbehinderte. Die Bestimmung gilt auch für jede Form der bezahlten oder unbezahlten Freistel193 lung von der Arbeit, weil auch in diesen Fällen gegensätzliche Interessen auszugleichen sind. Das gilt zB für den Bildungsurlaub (BAG 28.5.02 AP Nr. 10 zu § 87 BetrVG 1972 Urlaub; GK-Wiese Rn 444; DKKW-Klebe Rn 141; ErfK-Kania Rn 43; aA HSWGNR Rn 317). Das MBR des BR begründet keinen Anspruch auf Bildungsurlaub. Ein Rechtsanspruch auf Gewährung von Sonder- oder Bildungsurlaub wird vorausgesetzt. Er kann auf Gesetz (vgl. zB § 616 BGB, Bildungsurlaubsgesetze der Länder), TV oder (freiwilliger) BV beruhen. Kein Urlaub iSd. MBR ist die Beurlaubung von Beamten nach § 4 Abs. 3 PostPersRG (BAG 10.12.02 AP Nr. 43 zu § 95 BetrVG 1972). 192

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

1382

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

Medien mit Zukunft

Druckerei C. H . Beck

beck-shop.de

Fitting: Betriebsverfassungsgesetz .....................................

Revision, 21.01.2014

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

Mitbestimmungsrechte

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

§ 87

Regelungsbedürftig sind bei freiwilligen Freistellungen die Grundsätze, nach 194 denen solche Freistellungen gewährt werden sollen. Der BR kann deshalb mit Hilfe des MBR generelle Regelungen zu Anspruchsvoraussetzungen und zur zeitlichen Lage der Freistellungen erreichen. Hierfür besteht nach dem Zweck der Bestimmung (Rn 191) ein dringendes Bedürfnis. c) Allgemeine Urlaubsgrundsätze Das MBR beginnt mit der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze. In ihnen werden allgemeine Richtlinien festgelegt, nach denen dem einzelnen ArbN vom ArbGeb. im Einzelfall Urlaub zu gewähren ist (BAG 18.6.74 AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Urlaub). Regelungsbedürftig ist insb. die Frage, ob Betriebsferien eingerichtet werden sollen und ob der Urlaub im Rahmen der Betriebsferien zu nehmen ist (BAG 9.5.84 AP Nr. 58 zu § 1 LohnFG; 31.5.88 AP Nr. 57 zu § 1 FeiertagsLohnzahlungsG; ErfK-Kania Rn 44; Richardi Rn 446). Mitbestimmungspflichtig sind auch die zeitliche Lage der Betriebsferien (Richardi Rn 447) und die Dauer der Betriebsferien. Die Regelung kann sich auf mehrere Jahre beziehen (BAG 28.7.81 AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Urlaub; DKKW-Klebe Rn 143). Während der Betriebsferien wird der Betrieb geschlossen. Für den Fall, dass ArbN einen längeren Jahresurlaub beanspruchen können als die Betriebsferien dauern, müssen für die Abwicklung der Resturlaubsansprüche weitere allgemeine Grundsätze aufgestellt werden. Das BAG sieht in der Einführung von Betriebsferien bereits dringende betriebliche Belange iSd. § 7 Abs. 1 BUrlG, hinter denen abweichende Urlaubswünsche des einzelnen ArbN zurücktreten müssen. Haben ArbN noch keinen Urlaubsanspruch erworben, bleibt ihr Lohnanspruch für die Dauer der Betriebsferien wg. § 615 BGB erhalten (BAG 2.10.74 AP Nr. 2 zu § 7 BUrlG Betriebsferien; Richardi Rn 447; DKKW-Klebe Rn 143). Dem BR steht ein Initiativrecht zur Einführung von Betriebsferien zu (DKKWKlebe Rn 145; ErfK-Kania Rn 44; aA Richardi Rn 454; GK-Wiese Rn 463; HSWGNR Rn 328). Werden keine Betriebsferien vereinbart, müssen allgemeine Urlaubsgrundsätze aufgestellt werden. Dazu gehören Regelungen über geteilten oder ungeteilten Urlaub, die Verteilung des Urlaubs innerhalb des Kalenderjahres. Es können auch Grundsätze vereinbart werden, wie zu verfahren ist, wenn mehrere ArbN zur gleichen Zeit Urlaub wünschen (ArbN mit schulpflichtigen Kindern während der Ferien, Wechsel der Urlaubserteilung in den günstigeren und ungünstigeren Monaten, Rücksicht auf den Urlaub berufstätiger Ehegatten oder Lebenspartner). Hierher gehören auch Regelungen über eine Urlaubssperre wegen erhöhten Arbeitsanfalls, zB während der Schlussverkäufe im Einzelhandel oder der Inventurzeiten. Auch die Regelung der Urlaubsvertretung gehört hierher. Das MBR bezieht sich auch auf das Verfahren bei der Urlaubsbewilligung. Für spätere Änderungen der Urlaubsgrundsätze gilt dasselbe wie für deren Aufstellung.

195

196

197

198 199

200

d) Urlaubsplan Auf Grund der allgemeinen Urlaubsgrundsätze ist der Urlaubsplan unter Beteili- 201 gung des BR aufzustellen, dh die Festlegung des konkreten Urlaubs der einzelnen ArbN des Betriebes auf bestimmte Zeiten. Der Urlaubsplan ist in der Regel verbindlich, auch für den ArbGeb. (GK-Wiese Rn 464; DKKW-Klebe Rn 146). Der Urlaub braucht dann nicht mehr bes. erteilt zu werden. Das schließt nicht aus, dass im Einzelfall Änderungen möglich sind, sei es auf Grund der betrieblichen Belange, sei es auf Grund persönlicher Wünsche der ArbN (einklagbar im Rahmen des § 7 Abs. 1 BUrlG).

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

1383

Medien mit Zukunft

Druckerei C. H . Beck Fitting: Betriebsverfassungsgesetz .....................................

beck-shop.de Revision, 21.01.2014

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

§ 87

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

4. Teil. Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer

Vom Urlaubsplan ist die Urlaubsliste zu unterscheiden. In die Urlaubsliste tragen die ArbN ihre Urlaubswünsche ein. Stimmt der ArbGeb. den Wünschen der ArbN zu, wird aus der Urlaubsliste der Urlaubsplan, der vom BR noch mitzubestimmen ist. Spätere generelle Änderungen des Urlaubsplanes bedürfen der Zustimmung 203 des BR (GK-Wiese Rn 467). Ein Widerruf des Urlaubs im Einzelfall aus dringenden betrieblichen Gründen richtet sich nach urlaubsrechtlichen Grundsätzen und unterliegt nicht dem MBR (HSWGNR Rn 326). Die Frage, ob sich der einzelne ArbN eine Schonzeit nach einer Kur oder eine Reha Maßnahme auf den Erholungsurlaub anrechnen lassen muss, unterliegt als Rechtsfrage nicht dem MBR (BAG 26.11.64 AP Nr. 1 zu § 10 BUrlG Schonzeit). 202

e) Festlegung des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer 204

205

206

207–210

211

Nach § 7 Abs. 1 BUrlG hat der ArbGeb. den Zeitraum für den Urlaub festzulegen. Dieses Bestimmungsrecht kann durch TV eingeschränkt sein. Dann gehen die tariflichen Regelungen vor. Nach § 7 BUrlG kommt es in erster Linie auf den Wunsch des ArbN an. Der ArbGeb. kann den Urlaub zu dem vom ArbN gewünschten Zeitraum nur verweigern, wenn dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer ArbN, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorzug verdienen, entgegenstehen (BAG 18.12.86, 20.6.00 AP Nr. 10, 28 zu § 7 BUrlG). Die Frage des Zeitraums, in dem Urlaub zu gewähren ist, ist damit eine Rechtsfrage. Das MBR des BR kann deshalb nur ein Mitbeurteilungsrecht über die Richtigkeit der Entscheidung sein (Richardi Rn 465). Eine ausdrückliche Einigung zwischen ArbGeb. und ArbN ist damit nicht erforderlich. Einverständnis heißt deshalb nur, dass der ArbN den vom ArbGeb. genannten Zeitraum für den Urlaub akzeptiert. Das ist immer dann der Fall, wenn der ArbGeb. entspr. den Wünschen des ArbN den Urlaub erteilt. Wird zwischen ArbGeb. und einzelnen ArbN bezüglich der endgültigen Festlegung der zeitlichen Lage des Urlaubs kein Einverständnis erzielt (insb. weil mehrere ArbN gleichzeitig Urlaub nehmen wollen, aber nach Ansicht des ArbGeb. aus betrieblichen Gründen nicht können), hat der BR auch in diesem Einzelfall ein MBR. In diesen Fällen müssen betriebliche Interessen gegen die Interessen des oder der ArbN abgewogen werden. Dabei haben ArbGeb. und BR von den Grundsätzen auszugehen, die § 7 Abs. 1 BUrlG aufstellt. Die Urlaubswünsche des betroffenen ArbN, aber auch die aus sozialen Gründen berechtigten konkurrierenden Urlaubswünsche anderer ArbN und dringende betriebliche Erfordernisse sind nach billigem Ermessen gegeneinander abzuwägen (BAG 4.12.70 AP Nr. 5 zu § 7 BUrlG). Das MBR besteht in jedem Einzelfall bei Meinungsverschiedenheiten zwischen ArbN und ArbGeb. über die zeitl. Lage des Urlaubs (Richardi Rn 467; DKKW-Klebe Rn 149; J/R/H-Meyer Kap. 14 Rn 15; HSWGNR Rn 319; aA GK-Wiese Rn 472: Nur wenn mindestens zwei ArbN betroffen sind). Es kann durch formlose Regelungsabrede ausgeübt werden. Können sich ArbGeb. und BR nicht einigen, entscheidet die E-Stelle. Auch sie ist an die in § 7 Abs. 1 BUrlG festgelegten Grundsätze gebunden. Das MBR bei der Festlegung des Urlaubs für einen einzelnen ArbN besteht auch dann, wenn ein Urlaubsplan besteht. Auch in diesen Fällen kann der ArbN geltend machen, aus besonderen Gründen müsse in seinem Fall von dem allgemeinen Urlaubsplan abgewichen werden. Der einzelne ArbN braucht sich mit der zeitlichen Festlegung seines Urlaubs durch ArbGeb. und BR oder durch die E-Stelle nicht zufriedenzugeben (vgl. § 76 Abs. 7); er kann gegen den ArbGeb. auf Erteilung des Urlaubs für einen bestimmten anderen Zeitraum unter Berufung auf § 7 Abs. 1 BUrlG im Urteilsverf. klagen (hM). Er wird aber regelmäßig keinen Erfolg haben, wenn die BetrVerfOrgane selbst schon von den Grundsätzen des § 7 Abs. 1 BUrlG ausgegangen sind (vgl. BAG 25.2.83 AP Nr. 14 zu § 626 BGB Ausschlussfrist). Der ArbN kann seinen Urlaubsanspruch unabhängig von Beginn und Ausgang des MBVerfahrens gerichtlich geltend machen.

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

1384

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

Medien mit Zukunft

Druckerei C. H . Beck

beck-shop.de

Fitting: Betriebsverfassungsgesetz .....................................

Revision, 21.01.2014

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

Mitbestimmungsrechte f) Dauer des Urlaubs und Urlaubsentgelt

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

§ 87

Das MBR des BR bezieht sich nicht auf die Dauer des Urlaubs. Hierfür gelten 212 die gesetzlichen Bestimmungen (BUrlG) und die TV. Auch die Parteien des Arbeitsvertrages können Regelungen über die Dauer des Urlaubs treffen. Sie gehen gesetzlichen und tariflichen Regelungen vor, wenn sie günstiger sind. Dasselbe gilt für die Höhe und Berechnung des Urlaubsentgelts. Es wird in der Regel in TV festgelegt. Vom Urlaubsentgelt ist das zusätzliche Urlaubsgeld zu unterscheiden, das den 213 ArbN aus Anlass des Urlaubs gewährt wird. Auch die Höhe des Urlaubsgelds ist in der Regel in TV geregelt. Freiwillige BV sind nur möglich, wenn eine Tarifregelung nicht besteht und auch nicht üblich ist oder zusätzliche BV auf diesem Gebiet im TV ausdrücklich zugelassen sind (vgl. BAG 25.4.89 AP Nr. 3 zu § 98 ArbGG 1979; vgl. § 77 Rn 67 ff.).

6. Arbeitnehmerüberwachung durch technische Einrichtungen a) Gesetzessystematik § 87 Abs. 1 Nr. 6 begründet ein MBR des BR bei Einführung und Anwendung 214 von techn. Überwachungseinrichtungen. Er geht als Spezialvorschrift der Regelung des Abs. 1 Nr. 1 vor, soweit eine Verhaltens- oder Leistungskontrolle der ArbN durch techn. Einrichtungen erfolgt (GK-Wiese Rn 483; vgl. auch BAG 18.4.00 AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung). Neben Nr. 6 können jedoch weitere MBR zB nach Nr. 2, 7, 10 und 11 sowie nach § 91 bestehen. Bei der Einführung von techn. Überwachungseinrichtungen werden ferner frühzeitig einsetzende Unterrichtungs- und Beratungsrechte nach §§ 90, 106 Abs. 3 Nr. 5 und § 111 Nr. 5 (s. auch § 81 Abs. 3) zu beachten sein. b) Zweck der Mitbestimmung Die Vorschrift dient dem Schutz des einzelnen ArbN gegen anonyme Kontroll- 215 einrichtungen, die „stark in den persönlichen Bereich der ArbN eingreifen“ (BTDrucks. VI/1786 S. 48 f.; vgl. auch BAG 7.10.87 AP Nr. 15 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht). Sie bezweckt nicht den Schutz der ArbN vor jeglicher Überwachung, wohl aber den vor den bes. Gefahren solcher Überwachungsmethoden, die sich für das Persönlichkeitsrecht der ArbN aus dem Einsatz techn. Einrichtungen ergeben (BAG 30.8.95 AP Nr. 29 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung; zum Schutzbedürfnis: BVerfG 23.2.07 – 1 BvR 2368/06 – Kammerbeschluss; BVerfGE 67, 100, 143). Insofern besteht ein enger Zusammenhang zwischen dem MBR nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 und dem Gebot des § 75 Abs. 2, die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten ArbN zu schützen und zu fördern (BAG 29.6.04 AP Nr. 41 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung; GK-Wiese Rn 485; einen zu weit gefassten Persönlichkeitsschutz als Normzweck abl. HSWGNR Rn 339 ff.). Um die Gefahren, die den ArbN durch die modernen Technologien mit ihren vielfältigen, oft nicht wahrnehmbaren Überwachungsmöglichkeiten drohen, wirksam eindämmen zu können, bedarf der individualrechtliche Persönlichkeitsschutz der kollektivrechtlichen Verstärkung durch die MB (vgl. GK-Wiese Rn 485; Töfflinger Mitbestimmung S. 143). Von diesem Erfordernis ausgehend, hat das BAG in einer Reihe von Grundsatzentscheidungen (BAG 6.12.83 „Bildschirmarbeitsplatz“, 14.9.84 „Techniker-Berichtsystem“, 23.4.85 „TÜV-Berichtsystem“ u. „Textsystem“, 18.2.86 „Kienzle-Schreiber“, 11.3.86 „Paisy“ u. 27.5.86 „Telefondatenerfassung“, AP Nr. 7, 9, 11–15 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung) den aus 1972 stammenden § 87 Abs. 1 Nr. 6 mit Hilfe einer verstärkt auf Sinn und Zweck dieser Vorschrift abstellenden Auslegung auf neue Technologien hinreichend anwendbar gemacht (str.; wie hier GK-Wiese Rn 500, 527 ff.; zur Rspr. des BAG vgl. Färber FS Gaul 1992, S. 57, 66 ff.; Gebhardt/Umnuß NZA 95, 103).

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

1385

Medien mit Zukunft

Druckerei C. H . Beck Fitting: Betriebsverfassungsgesetz .....................................

beck-shop.de Revision, 21.01.2014

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

§ 87

216

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

4. Teil. Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer

Das MBR des BR hat drei Ziele: Es soll in erster Linie als präventiver Schutz rechtlich unzulässige Eingriffe in den Persönlichkeitsbereich der ArbN bereits im Vorfeld verhindern (DKKW-Klebe Rn 166). Außerdem sichert es dem BR ein Mitbeurteilungsrecht bei der oft schwierigen Ermittlung der Grenze zwischen zulässigen und unzulässigen Eingriffen (vgl. GK-Wiese Rn 487 f.). Schließlich gewährleistet es eine Mitgestaltung im Rahmen rechtlich zulässiger Eingriffe, die auf das durch die betrieblichen Notwendigkeiten unabdingbar gebotene Maß beschränkt werden. Die in einer BV nach Nr. 6 geregelten Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der ArbN müssen demnach durch überwiegende schützenswerte Interessen des ArbGeb. gerechtfertigt und dürfen nicht unangemessen sein (WPK/Bender Rn 107). Das ist anhand einer Verhältnismäßigkeitsprüfung festzustellen (BAG 26.8.08 AP Nr. 54 zu § 75 BetrVG 1972). In diese sind alle Gesamtumstände einzubeziehen (BAG 29.6.04 AP Nr. 41 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung). Der innere Zusammenhang zwischen § 87 Abs. 1 Nr. 6 und § 75 Abs. 2 gebietet es, bei Auslegungszweifeln entsprechend dem Grundsatz der gesetzeskonformen Auslegung diejenige vorzuziehen, die den Persönlichkeitsschutz am besten sichert (vgl. DKKW-Klebe 166). c) Arbeitnehmerüberwachung

Vom MBR erfasst werden techn. Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der ArbN zu überwachen. Eine solche Bestimmung liegt vor, wenn die technische Einrichtung individualisierte oder individualisierbare Verhaltens- oder Leistungsdaten selbst erhebt und aufzeichnet. Unerheblich ist, ob der ArbGeb. die erfassten und aufgezeichneten Daten auch auswertet oder sie zu Reaktionen auf festgestelltes Verhalten oder eine festgestellte Leistung verwenden will (BAG 25.9.12 – 1 ABR 45/11 – NZA 13, 275). Überwachen meint sowohl das Sammeln von Informationen als auch als das Auswerten vorhandener Informationen (BAG 14.11.06 – 1 ABR 4/06 – NZA 07, 399). Überwachung oder Kontrolle vollziehen sich idR in drei Phasen: In der Ermittlungsphase werden Daten oder Informationen über das Verhalten oder die Leistung der ArbN durch direkte Übermittlung (zB Fernsehkamera) oder, falls die Information nicht auf andere Weise der menschlichen Wahrnehmung zugänglich gemacht werden kann, durch Aufzeichnung (zB Stechuhr, Fahrtenschreiber, EDV-Anlage) erhoben. In der Verarbeitungsphase (Auswertungsphase) werden vorhandene Daten über das Verhalten oder die Leistung der ArbN gesichert, geordnet und zueinander in Bezug gesetzt. Schließlich wird in einer Beurteilungs- und Bewertungsphase die erhaltene Aussage über das Verhalten oder die Leistung der ArbN mit den jeweiligen Vorgaben (Soll-Ist-Vergleich) oder mit entspr. Daten anderer ArbN verglichen. 218 Nach Wortlaut und Schutzzweck der Norm ist für die MB des BR nach Nr. 6 nicht Voraussetzung, dass die techn. Einrichtung alle Phasen der Überwachung erfasst. Ausreichend ist, wenn lediglich ein Teil des Überwachungsvorgangs mittels einer techn. Einrichtung erfolgt (BAG 21.1.04 AP Nr. 40 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung; GK-Wiese Rn 520). Denn bereits dann liegt in aller Regel ein Eingriff in die Persönlichkeitssphäre des ArbN vor, die nach der Absicht des G nur unter gleichberechtigter MB des BR erfolgen soll (Matthes JArbR Bd. 23, S. 19 ff.). Deshalb unterfällt auch die bloße Erhebung von leistungs- oder verhaltensrelevanten Daten der ArbN durch eine techn. Einrichtung dem MBR (BAG 29.6.04 AP Nr. 41 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung- (Videoüberwachung). Mitbestimmungspflichtig ist auch die Auswertung manuell erhobener Daten durch eine techn. Einrichtung (vgl. BAG 11.3.86 AP Nr. 14 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung). Näheres Rn 232 ff. Die MB des BR dient dem Persönlichkeitsschutz des einzelnen ArbN. Ihr un219 terfallen nur solche Überwachungsmaßnahmen, die einem bestimmten ArbN zugeordnet werden können. Es genügt, wenn diese Zuordnung mittelbar durch Rückschlüsse aus anderen betrieblichen Informationsmitteln möglich ist, zB Feststellung an Hand der Anwesenheitsliste, wer eine Maschine zu einem bestimmten Zeitpunkt 217

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

1386

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

Medien mit Zukunft

Druckerei C. H . Beck

beck-shop.de

Fitting: Betriebsverfassungsgesetz .....................................

Revision, 21.01.2014

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

Mitbestimmungsrechte

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

§ 87

bedient hat (GK-Wiese Rn 546). Ist eine Identifizierung eines bestimmten ArbN nicht möglich, besteht grundsätzlich kein MBR (BAG 6.12.83 AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung; BAG 10.4.84 AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes; HSWGNR Rn 362). Filmaufnahmen von Arbeitsplätzen, auf denen ArbN nicht zu sehen oder zu erkennen sind, unterliegen nicht der MB. Das MBR wird nicht dadurch beseitigt, dass der ArbN die Möglichkeit hat, das Kontrollgerät abzuschalten; denn dann lassen Häufigkeit und Dauer der Abschaltung Rückschlüsse auf das Verhalten des ArbN zu (vgl. BAG 14.5.74 AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung). Nicht ausreichend ist es, wenn Kontrolldaten nur einer Gruppe von ArbN zuge- 220 ordnet werden können, ohne dass eine weitergehende Identifizierung möglich ist, etwa wenn im Falle einer gemeinsamen Nutzung eines Bildschirmgeräts alle nutzungsberechtigten ArbN dieselbe PIN zur Nutzung des Geräts haben oder wenn das Gerät nur bei Arbeitsbeginn und Arbeitsende von einem der Mitarbeiter mit seiner PIN in bzw. außer Betrieb gesetzt wird, in der Zwischenzeit aber von den übrigen Mitarbeitern ohne Verwendung ihrer PIN benutzt werden kann (vgl. BAG 6.12.83 AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung). Etwas anderes gilt für den Fall, dass die von einer techn. Einrichtung erhobenen leistungs- oder verhaltensrelevanten Daten zwar nur einer Gruppe von ArbN zugeordnet werden können, der hierdurch ausgehende Überwachungsdruck auf die Gruppe jedoch auch auf die einzelnen ArbN der Gruppe durchschlägt. Das ist bei einer kleinen überschaubaren Akkordgruppe oder einer entsprechenden Gruppe die für ihr gemeinsames Arbeitsergebnis verantwortlich gemacht wird anzunehmen. Bei solchen Einheiten wird ein Überwachungsdruck durch Mobilisierung von Anpassungszwängen in der Gruppe erzielt (BAG 18.2.86, 26.7.94 AP Nr. 13, 26 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung; GKWiese Rn 549; Richardi Rn 500; Schwarz Arbeitnehmerüberwachung S. 102 ff.; aA HSWGNR Rn 362; Gaul RDV 87, 115). Diesem Aspekt dürfte der im Rahmen von Lean production erfolgenden Gruppenarbeit erhebliche Bedeutung zukommen, soweit leistungs- oder verhaltensbezogene Daten anfallen und die Gruppe überschaubar klein ist. Die Überwachung durch die techn. Einrichtung muss sich auf die Leistung oder 221 das Verhalten der ArbN beziehen. Leistung iSd. Nr. 6 ist nicht im naturwissenschaftlich-techn. Sinn als Arbeit pro Zeiteinheit zu verstehen, sondern als vom ArbN in Erfüllung seiner vertraglichen Arbeitspflicht geleistetes Arbeiten (BAG 23.4.85, 18.2.86, AP Nr. 12, 13 zu § 87 BetrVG Überwachung; DKKW-Klebe Rn 148). Verhalten ist jedes Tun oder Unterlassen im betrieblichen, aber auch außerbetrieblichen Bereich, das für das Arbeitsverhältnis erheblich sein kann (vgl. BAG 11.3.86 AP Nr. 14 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung). Das Verhalten schließt die Leistung begrifflich mit ein, so dass es hier für die MB nicht auf die Abgrenzung der Begriffe ankommt (vgl. GK-Wiese Rn 538; s. auch Däubler Gläserne Belegschaften Rn 733). Für die Bestimmung des Verhaltensbegriffs im Einzelfall kann nicht einfach 222 auf die Kriterien abgestellt werden, die für den in § 1 Abs. 2 KSchG verwandten Begriff „Verhalten des ArbN“ entwickelt worden sind. Das verbietet der unterschiedliche Normzweck von § 1 KSchG (Bestandsschutz des Arbeitsverhältnisses) einerseits und § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (Persönlichkeitsschutz des ArbN) andererseits. Ferner ist zu beachten, dass nicht nur die Erhebung von Verhaltens- oder Leistungsdaten der ArbN dem MBR des BR unterliegt. Bei EDV-Anlagen (näheres vgl. Rn 232 ff.) reicht es für die MB aus, dass Informationen erhoben werden, die für sich allein keine Aussage über die Leistung oder das Verhalten der ArbN zulassen, die jedoch in Verknüpfung mit anderen Daten eine Verhaltens- oder Leistungskontrolle ermöglichen (vgl. hierzu BAG 11.3.86 AP Nr. 14 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung). Dies gilt umso mehr, als es für die Überwachung des Verhaltens der ArbN durch die techn. Einrichtung nicht darauf ankommt, dass die Information für sich allein schon eine sinnvolle Beurteilung ermöglicht (BAG 23.4.85, AP Nr. 11 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung; Richardi Rn 501). Deshalb können auch Statusdaten wie Name,

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

1387

Medien mit Zukunft

Druckerei C. H . Beck Fitting: Betriebsverfassungsgesetz .....................................

beck-shop.de Revision, 21.01.2014

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

§ 87

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

4. Teil. Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer

Geschlecht, Geburtstag, Familienstand, Kinderzahl, Schul- und Ausbildung, Vorbeschäftigung, allgemeine Gesundheitsdaten, die für sich keine Aussagen über Verhalten oder Leistung eines ArbN geben, durch Verknüpfung mit anderen Daten derartige Aussagen bewirken und damit von Nr. 6 erfasst werden (vgl. Rn 236; aA HSWGNR Rn 301). Gleiches gilt für Betriebsdaten, die an sich nur Auskunft über die Fertigung geben, also zB über Materialverbrauch, Störungen und Wartezeiten (vgl. Rn 236). Verhaltens- oder leistungserhebliche Daten des ArbN sind etwa: Beginn und 223 Ende seiner täglichen Arbeitszeit, seine Gleitzeit, Einzelheiten der Vertragserfüllung, erreichte Arbeitsergebnisse im Rahmen von Zielvereinbarungen (Däubler NZA 05, 793), Überstunden, Streikbeteiligung, Fehlzeiten unabhängig davon, ob es sich um unentschuldigte oder krankheitsbedingte Fehlzeiten, bargeldlose Abrechnung des Kantinen- oder Automatenverzehrs, Benutzung des Werkbusses oder Einkäufe von Betriebserzeugnissen, betriebliche Darlehen, Pfändungen. Das sog. Terrorlistenscreening, bei dem es um den automatischen Abgleich der Namen von Beschäftigten mit den aufgrund einer EU-Verordnung gelisteten Personen geht, denen weder unmittelbar noch mittelbar Gelder auch in Form von Arbeitsentgelt zur Verfügung gestellt werden darf, dürfte keine leistungs- oder verhaltenserhebliche Daten betreffen, an die das MBR anknüpft (Gleich BB 13, 1967; Roeder/Buhr BB 11, 1333; Otto/Lampe NZA 11, 1134). d) Überwachung durch eine technische Einrichtung 224

Die MB des BR wird ausgelöst, wenn die Überwachung der ArbN durch eine techn. Einrichtung erfolgt. An den Begriff „techn. Einrichtung“ sind keine bes. Anforderungen zu stellen (vgl. GK-Wiese Rn 497). Er soll lediglich die MB nach Nr. 6 auf eine techn. Überwachung beschränken. Eine Überwachung durch Personen, zB Vorgesetzte, Mitarbeiter, Revisoren, Inspektoren, Privatdetektive oder den Werkschutz, unterfällt ebenso wenig dem MBR nach Nr. 6 (vgl. 27.6.89 AP Nr. 37 zu § 80 BetrVG 1972; 26.3.91 AP Nr. 21 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung; 18.11.99 AP Nr. 32 zu § 626 BGB Verdacht strafbarer Handlung; GK-Wiese Rn 504; HSWGNR Rn 344) wie eine solche durch Kundenbefragung (vgl. BAG 28.1.92 AP Nr. 1 zu § 96 BetrVG 1972; s. aber Rn 213) oder Einsatz von Testkunden (BAG 18.4.00 AP Nr. 33 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung). Das Gleiche gilt für organisatorische Maßnahmen des ArbGeb. mit dem Ziel einer Leistungs- oder Verhaltenskontrolle der ArbN. Deshalb sind nach Nr. 6 nicht mitbestimmungspflichtig Anordnungen des ArbGeb., Tätigkeitsberichte zu erstellen, namentliche Erledigungslisten oder Arbeitsbücher zum Nachweis der Arbeitsleistung oder geleisteter Mehrarbeit zu führen (vgl. BAG 9.12.80, 24.11.81 AP Nr. 2, 3 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes; OVG Bremen CR 90, 597; GK-Wiese Rn 505; zur MB nach Nr. 1 vgl. Rn 72; zur Frage der MBPflicht, wenn derartige Angaben anschließend durch eine EDV-Anlage ausgewertet werden, vgl. Rn 238). Auch die Kontrolle der Arbeitszeit durch persönlich auszufüllende Zeitkarten oder die Anordnung, private Telefongespräche selbst aufzuschreiben, fallen nicht unter Nr. 6. 225 Für eine techn. Überwachung ist erforderlich und ausreichend, dass das Verhalten oder die Leistung der ArbN zumindest teilweise durch eine techn. Einrichtung der menschlichen Wahrnehmung zugänglich gemacht wird (vgl. GK-Wiese Rn 498). Auf die Modalitäten der techn. Überwachung kommt es nicht an. Sie kann optisch durch fotographische Einzelaufnahmen, Film- oder Fernsehkameras, akustisch durch Abhör- oder Tonbandaufzeichnungsgeräte oder andere stationäre oder mobile Kontrollgeräte und neuerdings vor allem durch EDV erfolgen (vgl. hierzu Rn 232 ff.). Ohne Belang ist ferner, ob die techn. Einrichtung, zB eine Filmkamera, automatisch arbeitet oder manuell von betroffenen ArbN selbst oder Dritten bedient wird (GK-Wiese Rn 501 f.) sowie die zeitliche Dauer, also ob die Überwachung dauernd, über einen längeren Zeitraum oder in gewissen Abständen wiederholt erfolgt; .. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

1388

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

Medien mit Zukunft

Druckerei C. H . Beck

beck-shop.de

Fitting: Betriebsverfassungsgesetz .....................................

Revision, 21.01.2014

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

Mitbestimmungsrechte

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

§ 87

es genügen zB Filmaufnahmen von nur wenigen Minuten Dauer (BAG 10.7.79 AP Nr. 4 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung; Schwarz Arbeitnehmerüberwachung S. 86 f.). Unerheblich ist auch der Standort der Überwachungseinrichtung, ob sie für den ganzen Betrieb, einen Teil des Betriebs oder nur einen Arbeitsplatz (vgl. GKWiese Rn 502; Schwarz Arbeitnehmerüberwachung S. 102) oder einen einzelnen ArbN (Röckl/Fahl NZA 98, 1035, 1038) vorgesehen ist. Entgegen dem missverständlichen Wortlaut der Nr. 6 („dazu bestimmt“) ist nicht 226 erforderlich, dass die techn. Einrichtung ausschließlich oder überwiegend die Überwachung der ArbN zum Ziel hat. Der ArbGeb. braucht eine Überwachung der ArbN nicht zu beabsichtigen. Entspr. dem Zweck der Norm, die ArbN präventiv vor Eingriffen in ihren Persönlichkeitsbereich zu schützen, genügt es, wenn die Einrichtung auf Grund ihrer techn. Gegebenheiten und ihres konkreten Einsatzes objektiv zur Überwachung der ArbN geeignet ist. Unerheblich ist, ob dies nur ein Nebeneffekt der techn. Einrichtung ist oder ob die erfassten ArbNDaten vom ArbGeb. ausgewertet werden (vgl. BAG 23.4.85, 29.6.04 AP Nr. 11, 41 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung; DKKW-Klebe Rn 186; GK-Wiese Rn 507 f.). Das MBR entfällt nicht, wenn der ArbGeb. erklärt, mit der techn. Einrichtung keine Kontrollen durchführen zu wollen (BAG 6.12.83 AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung) oder die Überwachungseinrichtung eine arbeitsnotwendige Maßnahme darstellt (GKWiese Rn 517). Wird etwa eine Mitarbeiterbefragung elektronisch durchgeführt oder deren manuell erhobenen Daten elektronisch ausgewertet, besteht ein MBR unabhängig davon, ob sich die Personalumfrage auf das Arbeits- oder das Ordnungsverhalten der ArbN bezieht (Moll/Roebers BB 11, 1862). Zu der früher vom BAG verlangten, mittlerweile praktisch aufgegebenen Anforderung der Unmittelbarkeit einer Überwachung vgl. 17. Aufl. Rn 72a und GK-Wiese Rn 510. Andererseits setzt das MBR nach Nr. 6 als Schutzmaßnahme vor einer Gefähr- 227 dung des Persönlichkeitsbereichs der ArbN durch techn. Überwachung voraus, dass die techn. Einrichtung eine eigenständige Kontrollwirkung entfalten kann (kr. zu diesem Merkmal DKKW-Klebe Rn 187, der eine Begrenzung über das Merkmal „zur Überwachung bestimmt“ vorzieht und diese Voraussetzung als erfüllt ansieht, soweit personenbezogene Daten verarbeitet und hierdurch zumindest durch Verknüpfung Aussagen über das Verhalten oder die Leistung von ArbN möglich ist). Dies ist zB bei einer Uhr (Stoppuhr), die der Vorgesetzte zur Feststellung des Zeitverbrauchs für einen Arbeitsvorgang benutzt (vgl. BAG 8.11.94 AP Nr. 27 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung), oder bei einer Lupe, die der Meister zur Begutachtung der Qualität eines Arbeitsstückes oder zur Auswertung eines Nutzungsschreibers verwendet, nicht der Fall; hier erfolgt die Kontrolle durch Menschen; den Hilfsmitteln Uhr oder Lupe kommt keine eigenständige Kontrollwirkung zu (BAG 8.11.94 aaO). Das Gleiche gilt für eine Rechenmaschine, mit der von Hand eingegebene Fehlzeiten addiert werden, oder für die Speicherung von Personaldaten auf einem Mikrofilm, der lediglich wieder abgelesen werden kann (GK-Wiese Rn 512) oder die Nutzung elektronischer Landkarten (zB google maps) zur Kontrolle der vom ArbN vorgegebenen Entfernungsangaben, soweit diese manuell eingegeben und unverknüpft mit Daten des ArbN gespeichert werden. Herkömmliche Schreibgeräte, mit denen der ArbN seine Arbeitsleistung auf Papier aufschreibt, sind ebenfalls keine techn. Einrichtungen mit einer eigenständigen Kontrollwirkung (BAG 24.11.81 AP Nr. 3 zu § 87 BetrVG 1972 Ordnung des Betriebes; vgl. aber auch Rn 233 ff.). Auch die Festsetzung der Bandgeschwindigkeit unterfällt nicht dem MBR nach Nr. 6, da ihr als solcher kein eigenständiger Kontrolleffekt zukommt (GK-Wiese Rn 512; vgl. auch Rn 438). Nicht von Nr. 6 erfasst werden techn. Einrichtungen, mit denen lediglich Lauf 228 oder Ausnutzung einer Maschine oder sonstige techn. Vorgänge kontrolliert werden, ohne dass daraus Rückschlüsse auf das Verhalten oder die Leistung des ArbN gezogen werden können; das gilt zB für Warnlampen, Druckzähler, Drehzahlmesser, idR auch für Stückzähler (vgl. BAG 9.9.75, 18.2.86 AP Nr. 2, 13 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung). Auch die Notwendigkeit, zum Ingangsetzen einer Maschine

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

1389

Medien mit Zukunft

Druckerei C. H . Beck Fitting: Betriebsverfassungsgesetz .....................................

beck-shop.de Revision, 21.01.2014

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

§ 87

229

230

231

232

233

234

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

4. Teil. Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer

oder zur Vermeidung ihres Stillstands in bestimmten Abständen einen Knopf zu drücken, begründet kein MBR. Wird jedoch das Drücken des Knopfes oder der Stillstand der Maschine in technisierter Form anderweit gemeldet oder aufgezeichnet, löst dies das MBR aus (BAG 9.9.75 AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung; GK-Wiese Rn 514). Hier tritt neben die mitbestimmungsfreie Maschinenkontrolle eine mitbestimmungspflichtige Überwachung des ArbN in Form einer Bediener- oder Benutzerkontrolle, die Rückschlüsse auf die Leistung oder das Verhalten des ArbN an der Maschine ermöglicht. Gleiches gilt für automatische Sicherungssysteme, die den Zu- oder Abgang des ArbN am Arbeitsplatz oder die Benutzung einer Anlage durch den ArbN festhalten. Unerheblich ist, ob der ArbN die techn. Möglichkeit hat, die Überwachungseinrichtung (zB eine Multimoment-Filmkamera) abzuschalten; denn bereits das Abschalten lässt Rückschlüsse auf das Verhalten des ArbN zu (BAG 14.5.74 AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung; GK-Wiese Rn 514). Für die MB reicht sogar eine Drittkontrolle aus, wenn also auf Grund der von der techn. Einrichtung gesammelten Daten Rückschlüsse auf das Verhalten oder die Leistung von ArbN möglich sind, die nicht die mit der Kontrolleinrichtung versehene Maschine bedienen (vgl. BAG 9.9.75 AP Nr. 2 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung; GK-Wiese Rn 516). Entspr. dem Überwachungsbegriff iSd. Nr. 6 (vgl. Rn 217) ist für das MBR des BR unerheblich, ob durch eine techn. Einrichtung erhobene Daten durch diese ausgewertet werden können (vgl. BAG 6.12.83 AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung), ob sie bei entspr. Eignung der Einrichtung auch tatsächlich oder erst später ausgewertet werden (vgl. BAG 9.9.75, 10.7.79 AP Nr. 2, 3 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung; GK-Wiese Rn 524). Umstr. ist, wann die Überwachungseignung von EDV-Anlagen gegeben ist. Eine EDV-Anlage ist multifunktional im Finanz-, Verkaufs-, Buchhaltungs- oder Personalbereich sowie bei Fertigung und Konstruktion einsatzfähig. Sie ist im Grunde ebenso wenig auf eine ArbNÜberwachung angelegt wie zB eine Filmkamera. Erst wenn nach ihrer Verwendung im konkreten Fall leistungs- oder verhaltensrelevante ArbN Daten erfasst werden können, wird sie zu einer techn. Überwachungseinrichtung iSd. Nr. 6 (vgl. BAG 6.12.83 AP Nr. 7 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung). Es reicht daher nicht aus, wenn nur die bloße Rechen- und Speicherkapazität einer EDVAnlage die Ermittlung oder Aufzeichnung von Leistungs- oder Verhaltensdaten der Benutzer zulässt. Hinzu kommen muss, dass solche Daten auf Grund der bestehenden Programmierung erfasst werden können (vgl. BAG aaO; s. auch BVerwG 5.2.90 RDV 90, 183; 27.11.91 NZA 92, 412; aA DKKW-Klebe Rn 191). Ist eine EDV-Anlage entspr. programmiert, unterliegt das der MB. Unerheblich, ob die Datenerfassung auf Grund eines speziellen Programms (Software) oder des Betriebsprogramms (System-Software) erfolgt (zu „absoluten Systemen“ vgl. Rn 242). Darüber hinaus ist für das MBR nicht erforderlich, dass die erfassten Benutzerdaten mit Hilfe eines speziellen Programms durch den Rechner selbst ausgewertet werden können). Für die techn. Überwachung iSd. Nr. 6 reicht eine manuelle Auswertung der erfassten Benutzerdaten aus (vgl. Rn 219). Das MBR entsteht, sobald eine bislang mitbestimmungsfreie EDV-Anlage durch neue Programme oder durch Programmänderungen Benutzerdaten speichern kann. Werden danach weitere Programme mit anderen Möglichkeiten der ArbNÜberwachung entwickelt oder eingeführt, unterliegen diese jeweils erneut dem MBR (vgl. Rn 248 f.). Im Gegensatz zu anderen techn. Überwachungseinrichtungen ist bei EDV-Anlagen eine Ausweitung ihrer Funktion durch Erwerb oder Entwicklung entspr. Programme nach außen nicht erkennbar. Umso wichtiger ist es, dass der ArbGeb. gesetzl. verpflichtet ist, von sich aus – ohne Aufforderung – den BR im Rahmen seiner allgemeinen Unterrichtungspflicht nach § 80 Abs. 2 über die bestehenden Programme und auf Grund seiner speziellen Unterrichtungs- und Beratungspflicht nach § 90 über künftig beabsichtigte Programme bereits im Pla-

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

1390

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

Medien mit Zukunft

Druckerei C. H . Beck

beck-shop.de

Fitting: Betriebsverfassungsgesetz .....................................

Revision, 21.01.2014

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

Mitbestimmungsrechte

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

§ 87

nungsstadium unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten und mit ihm die Auswirkungen des Programms auf die ArbN zu beraten (vgl. § 90 Rn 7 ff., 34 ff.). Dadurch wird der BR in die Lage versetzt, bei Programmen, die eine Leistungs- oder Verhaltenskontrolle der ArbN ermöglichen, rechtzeitig sein MBR geltend zu machen. Insb. hat der ArbGeb. den BR über den voraussehbaren weiteren Ausbau des Systems und über die künftige Nutzung von dessen Vernetzungsfähigkeit zu unterrichten (vgl. auch BAG 17.3.87 AP Nr. 29 zu § 80 BetrVG 1972; BVerwG 8.11.89 RDV 90, 141). Da der Datenschutzbeauftragte die Ausführung datenschutzrelevanter Vorschriften sicherzustellen hat (§ 4g Abs. 1 S. 1 BDSG), hat er den ArbGeb. anzuhalten, die MBR des BR nach Nr. 6 (u. § 94, s. dort Rn 9) bei der EDV zu beachten (Wohlgemuth BB 95, 673). Im Zusammenhang mit EDV-Anlagen ist von bes. Bedeutung, dass das MBR des 235 BR nach Nr. 6 schon dann ausgelöst wird, wenn eine techn. Einrichtung zur ArbNKontrolle objektiv geeignet ist (vgl. Rn 226). Entscheidend ist also die Möglichkeit einer Überwachung des Verhaltens oder der Leistung der ArbN durch die techn. Einrichtung. Deshalb unterliegen EDV-Anlagen dem MBR des BR nicht erst, wenn sie Verhaltens- oder Leistungsdaten erheben oder verarbeiten. Sie sind vielmehr schon dann mitbestimmungspflichtig, wenn sie Informationen oder Daten erfassen oder verarbeiten, die für sich alleine keine Aussage über das Verhalten oder die Leistung der ArbN zulassen, die jedoch in Verknüpfung mit anderen Daten eine Verhaltens- oder Leistungskontrolle ermöglichen (vgl. BAG 11.3.86 AP Nr. 14 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung). Dies gilt umso mehr, als es für die Überwachung des Verhaltens oder der Leistung der ArbN durch die techn. Einrichtung nicht darauf ankommt, dass die Information für sich allein schon eine sinnvolle Beurteilung der ArbN (Beurteilungsrelevanz) gestattet (vgl. BAG 6.12.83, 14.9.84, 23.4.85, 11.3.86, AP Nr. 7, 9, 11, 12, 14 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung). Es reicht aus, dass die von der techn. Einrichtung ermittelten oder erarbeiteten Aussagen ein Baustein für die Beurteilung sind (Däubler Gläserne Belegschaften Rn 447). Angesichts der vielfältigen Verknüpfungsmöglichkeiten, die moderne EDV-Anla- 236 gen mit den bei ihnen gespeicherten Daten bieten, kann praktisch jedes personenbezogene oder personenbeziehbare Datum verhaltens- oder leistungsrelevant werden und damit unter Nr. 6 fallen. Selbst für sich allein genommen so neutrale Daten wie Geschlecht, Geburtstag, Schul- und Ausbildung, Kinderzahl können durch EDVmäßige Verknüpfung mit anderen Daten zu einem Aussagewert über Verhalten oder Leistung eines ArbN führen. Das hängt von den jeweiligen Verknüpfungsmöglichkeiten ab. Deshalb ist es nicht ausgeschlossen, dass auch sog. Statusdaten wie Anschrift, Familienstand, Kinderzahl, Steuerklasse, Tarifgruppe, Schul- und Ausbildung, Vorbeschäftigung, allgemeine Gesundheitsdaten unter den Tatbestand der Nr. 6 fallen (im Ergebnis ebenso DKKW-Klebe Rn 182; ErfK-Kania Rn 51; vgl. auch BAG 11.3.86 aaO unter B II 3d der Gründe; aA BAG 22.10.86 AP Nr. 2 zu § 23 BDSG aF; HSWGNR Rn 357). Auch sog. Betriebsdatensysteme, die an sich nur die Fertigung überwachen und steuern (Erfassung von Materialverbrauch, Störungen, Wartungszeiten) können neben der Verfolgung betriebswirtschaftlicher Ziele uU. je nach den vorhandenen Verknüpfungsmöglichkeiten auch zu einer Überwachung von ArbN führen (DKKW-Klebe Rn 178). Ein EDV-System ist auch dann dazu bestimmt, Verhalten oder Leistung der ArbN 237 zu überwachen, wenn es Aussagen über das Verhalten oder die Leistung der an der techn. Einrichtung tätigen ArbN erarbeitet, ohne dass die dieser Aussage zugrunde liegenden, bei der Arbeit anfallenden und erfassten einzelnen Verhaltens- oder Leistungsdaten selbst ausgewiesen werden. Das ist etwa der Fall, wenn bei einem rechnergesteuerten Textsystem zur Satzherstellung lediglich die Anzahl der Zeilen der vom ArbN eingegebenen Texte oder das Datum der Bearbeitung – nicht die Texte selbst – abgerufen werden können; hierbei ist nicht erforderlich, dass diese Aussage für sich allein schon eine sachgerechte Beurteilung ermöglicht (BAG 23.4.85 AP Nr. 12 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung).

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

1391

Medien mit Zukunft

Druckerei C. H . Beck Fitting: Betriebsverfassungsgesetz .....................................

beck-shop.de Revision, 21.01.2014

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

§ 87

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

4. Teil. Mitwirkung und Mitbestimmung der Arbeitnehmer

Das MBR besteht nicht nur, wenn verhaltens- oder leistungsrelevante Daten der ArbN mittels einer techn. Einrichtung erhoben werden, sondern auch, wenn solche, auf nichttechnischem Wege erhobene Daten in eine elektronisches Datenverarbeitungs- oder Informationssystem, zB ein automatisiertes PIS, zum Zwecke der Speicherung und Verarbeitung (Datenauswertung) eingegeben werden (BAG 14.9.84, 23.4.85, 11.3.86 (Paisy), AP Nr. 9, 11, 14 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung; 22.10.86 AP Nr. 2 zu § 23 BDSG aF; BVerwG 16.12.87 NZA 88, 513). Diese Ansicht ist umstritten. Zum Teil wird ein MBR mit der Begründung ver239 neint, es fehle in diesen Fällen das Erfordernis der unmittelbaren und aktuellen Überwachung durch eine techn. Einrichtung; außerdem sei nur bei solchen techn. Einrichtungen eine Gefährdung der Persönlichkeit der ArbN durch anonyme Kontrollen zu befürchten, die selbst – anstelle von Personen – leistungs- oder verhaltensrelevante Informationen erfassen, nicht dagegen bei techn. Einrichtungen, die von Personen ermittelte Daten lediglich fest- und verfügbar halten. Ein MBR sei bei einer bloßen Datenauswertung durch eine techn. Einrichtung weder vom Wortlaut noch vom Normzweck gedeckt (HSWGNR Rn 369 f.; SWS Rn 107e). Diese Ansicht verkennt, dass eine Gefährdung des Persönlichkeitsrechts auch bei 240 einer Einspeicherung manuell erhobener Daten in eine EDV-Anlage und der damit zwangläufig verbundenen Verknüpfungsmöglichkeit bestehen kann. Es sei nur auf die angesichts der nahezu unbegrenzten Speicherkapazität solcher Anlagen mögliche totale Erfassung von ArbNDaten, auf ihre jederzeitige Abrufbarkeit, auf die Gefahr des Kontextverlustes der gespeicherten Daten, auf das „Nichtvergessenkönnen“ des Computers und auf die vielfältigen Möglichkeiten der Datenverknüpfung hingewiesen (vgl. § 75 Rn 82 f.; BVerfG NJW 84, 419 [Volkszählungsurteil]; Däubler Anm. AP Nr. 2 zu § 23 BDSG aF; DKKW-Klebe Rn 183). Wegen dieser Gefahren hat das BDSG ua. gerade die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten durch Datenverarbeitungsanlagen seinen Schutzregelungen unterworfen (vgl. §§ 1, 3 u. 28 BDSG; zum gesetzl. Datenschutz s. § 83 Rn 16 ff.). Diese grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers muss bei der Auslegung der Nr. 6 maßgebend berücksichtigt werden, zumal dem weder Wortlaut noch Normzweck entgegenstehen. Der Begriff der Überwachung umfasst sowohl die Erhebung von Kontrolldaten, ihre Speicherung und ihre Auswertung, dh ihren Vergleich mit anderen Daten (vgl. Rn 217). Ein MBR des BR wird jedoch nach der ganz überw. M nicht erst angenommen, wenn alle Phasen des Überwachungsvorgangs durch eine techn. Einrichtung geschieht. Vielmehr besteht es bereits dann, wenn eine techn. Einrichtung lediglich verhaltens- oder leistungsbezogene Kontrolldaten des ArbN erhebt, ohne diese auch auszuwerten (vgl. Rn 223). Warum bei einer bloßen Auswertung von kontrollrelevanten Daten durch eine techn. Einrichtung dagegen kein MBR des BR bestehen soll, ist nicht nachvollziehbar, wenn die techn. Einrichtung bei der Auswertung dieser Daten einen eigenständigen Kontrolleffekt (vgl. Rn 227) entfaltet, der ebenfalls stark den Persönlichkeitsbereich der ArbN berührt. Dies trifft auf automatisierte PIS mit ihren Möglichkeiten, die gespeicherten Daten nach den unterschiedlichsten Gesichtspunkten abzurufen, zu verarbeiten und zu vergleichen, zu. Eine Auswertung verhaltens- oder leistungsrelevanter Daten der ArbN durch 241 eine EDV-Anlage liegt vor, wenn derartige Daten, ggf. mit anderen Daten, programmgemäß gesichtet, sortiert, zusammengestellt oder miteinander in Beziehung gesetzt und damit zu Aussagen über Verhalten oder Leistung der ArbN verarbeitet werden können, wie zB in sog. Rennerlisten zur Leistungsmotivation. Auch bei der Auswertung von verhaltens- oder leistungsrelevanten Daten ist nicht erforderlich, dass die von der EDV-Anlage erarbeiteten Aussagen für sich allein eine vernünftige und sachgerechte Beurteilung über Verhalten oder Leistung des ArbN ermöglichen, dh dass die programmgemäße Verarbeitung der Daten auch eine Bewertung in Form eines Soll-Ist-Vergleichs vornimmt (vgl. Rn 235). Vielmehr reicht es auch, wenn die erarbeiteten Aussagen erst iVm. anderen Daten oder Umständen zu einer vernünf238

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

1392

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

Medien mit Zukunft

Druckerei C. H . Beck

beck-shop.de

Fitting: Betriebsverfassungsgesetz .....................................

Revision, 21.01.2014

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

Mitbestimmungsrechte

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

§ 87

tigen und sachgerechten Beurteilung führen (BAG 14.9.84, 23.4.85, AP Nr. 9, 11, 12 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung). Erfolgt die Auswertung verhaltens- oder leistungsrelevanter Daten der ArbN auf 242 Grund bestimmter Programme und sind diese von anderen, rein sachbezogenen Auswertungsprogrammen (zB Lagerhaltung, Ersatzteilbeschaffung) getrennt, so besteht ein MBR nicht hinsichtlich des gesamten EDV-Systems, sondern nur insoweit, als in ihm auf Grund bestimmter Programme leistungs- oder verhaltensrelevante ArbNDaten verarbeitet werden. Anders ist dies bei sog. absoluten Systemen, bei denen die in ihnen gespeicherten Daten nicht mittels bestimmter Programme, sondern durch die Anwendung von Abfragesprachen verarbeitet und ausgewertet werden. Abfragesprachen ermöglichen einen Zugriff und eine Verarbeitung aller im System gespeicherten Daten. Eine Trennung der Verarbeitung durch das jeweils angewandte Programm besteht nicht. In diesem Fall unterliegt das gesamte System dem MBR (vgl. DKKW-Klebe Rn 176; ErfK-Kania Rn 56; Simitis RDV 89, 49; offengelassen BAG 14.9.84 AP Nr. 9 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung; Auch ein EDV-gestützter systematischer Abgleich persönl. Daten der ArbN 243 mit denen von Lieferanten (Name, Anschrift, Telefon- oder Kontonummer), der dazu dient, unlautere Vorgänge aufzudecken, ist eine technische Einrichtung, die zur Überwachung bestimmt und geeignet ist. Das dafür notwendige Programm generiert neue eigenständige Informationen und ist keineswegs bloßes Hilfsmittel für eine menschliche Überwachungsleistung. Allerdings setzt das MBR eine – in aller Regel unvermeidl. – Identifizierbarkeit der ArbN voraus (Einzelheiten Kock/Francke NZA 09, 646). e) Beispiele technischer Überwachungseinrichtungen

Unter das MBR nach Nr. 6 fallen optische, akustische oder sonstige Kontrollgerä- 244 te: Fingerprint-Scanner-System zum Fingerabdruckvergleich beim biometrischen Zugangskontrollsystem (BAG 21.1.04 AP Nr. 40 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung); biometrische Zugangskontrollen (Hornung/Steidle AuR 05, 201); Multimoment-Filmkameras, die in regelmäßigen Abständen Aufnahmen von Arbeitsplätzen machen, oder sonstige Filmkameras, auch wenn sie nur kurzfristig die Arbeit eines Beschäftigten festhalten (vgl. BAG 14.5.74, 10.7.79 AP Nr. 1, 4 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung; LAG Ba.-Wü. ArbuR 89, 24), die Installierung von Fernsehmonitoren (BAG 7.10.87 AP Nr. 15 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht; BVerwG 31.8.88 NJW 89, 848 betr. Einbau einer Videoanlage zur Aufklärung von Unregelmäßigkeiten (BAG 26.8.08 AP Nr. 54 zu § 75 BetrVG 1972; vgl. BVerfG 23.2.07 NVwZ 07, 688; GK-Wiese Rn 551; kr. Däubler CR 94, 101, 108; Röckl/Fahl NZA 98, 1035) oder von Spiegeln (Zulässigkeit bedenklich, vgl. BAG 15.5.91 AP Nr. 23 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht m. Anm. Wedde CR 93, 230 u. Rn 247; s. auch Merten NJW 92, 354; Kramer NJW 92, 2732 ff. u. § 75 Rn 69; aA HSWGNR Rn 367); ferner die Installierung von Mikrophonen („Wanzen“), das Fertigen von Tonbandaufnahmen oder Aufnahmen von Telefongesprächen (GK-Wiese Rn 551, 555 ff.; Eickhoff/Kaufmann BB 90, 914); Geräte zum Mithören von telefonischen Verkaufsgesprächen, auch wenn dies zum Zweck einer sachgerechten Schulung der ArbN erfolgt (BAG 30.8.95 AP Nr. 29 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung). Unbemerktes Mit-/Abhören dienstlicher Telefonate ist uU wegen Verletzung des Persönlichkeitsbereichs unstatthaft (s. BVerfG 19.12.91 DB 92, 786 m. Anm. Linnenkohl in ArbuR 92, 160; Däubler CR 94, 754, 755; Wiese Anm. zu AP Nr. 1 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung; vgl. auch § 75 Rn 68), jedenfalls idR unzulässig und als Beweismittel nicht verwertbar (BAG 29.10.97 AP Nr. 27 zu § 611 BGB Persönlichkeitsrecht; Fischer BB 99, 154; Kopke NZA 99, 917; Linnenkohl/Gressierer AuA 99, 410). Ferner sind zu nennen: Stechuhren oder sonstige automatische Zeiterfassungsgeräte wie zB den Zeitstempler, mit dem Beginn und Ende einzelner Arbeitsvorgänge festgehalten werden (GK-Wiese Rn 551); rechnergestützte Zeitauf-

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

.. .. .. .. .. .. .. . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . .. .. ... ... ... ..

1393

Medien mit Zukunft

Suggest Documents