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Mechatronische Optimierung, Analyse und Simulation von Maschinen Vortrag anlässlich der SPS/IPC/Drives 2001

mechatronic Autoren: Dr. Elmar Schäfers Dr. Jens Hamann Dr. Hans-Peter Tröndle

Mechatronische Optimierung, Analyse und Simulation von Maschinen Autoren: Dr. Elmar Schäfers Dr. Jens Hamann Dr. Hans-Peter Tröndle Siemens AG, A & D MC E

In this article it is shown that a machine tool or production machine is a mechatronic system which can be optimized by involving all of the sub systems. Control-related measures alone are not sufficient, as is clearly shown in the second chapter. It then follows that a machine should be modeled so that the mechanical part of the machine can also be optimized. Two application examples indicate how the complete system can be successfully modeled. The limits of control-related measures are indicated and mechanical design steps are explained in order to address the causes of the disturbing machine properties. Keynotes: Mechatronics, Simulation of Machines, Modeling with Finite Elements

EINLEITUNG Die Entwicklung wichtiger Teile einer Maschine liegt meist in den Händen verschiedener Unternehmen: Die Systemverantwortung für das mechanische Teilsystem wird durch die Maschinenhersteller – oft mittelständische Firmen – wahrgenommen, und die Komponenten zur Automatisierung werden von Unternehmen eingebracht, die Motoren, Steuerungen und Antriebe anbieten. Der Bereich A&D MC der Siemens AG ist durch sein Angebot an modernsten Automatisierungseinrichtungen nicht nur in der Lage, intelligente Steuerungen mit hochdynamischen Motoren und Antrieben zu liefern, sondern auch den Maschinenhersteller bei der Konstruktion einer Maschine durch eine gezielte Analyse und Optimierung der gesamten Maschine zu unterstützen. Bild 1: Einfache Anordnung: durch Motor (Masse mMot) bewegte Last (Masse mL)

So sind Maschinenoptimierung, Analyse und Simulation die verschiedenen Arten einer mechatronischen Dienstleistung, die

c F

mMot xMot

2

mL d

xL

Hersteller von Werkzeug- und Produktionsmaschinen in Anspruch nehmen können. Grundzüge der Maschinensimulation werden in diesem Beitrag beschrieben. Der Schwerpunkt der Ausführungen liegt dabei im Bereich der geeigneten Modellbildung des mechatronischen Gesamtsystems und weniger in der detaillierten Beschreibung einzelner Teilsysteme. Jede Werkzeug- und Produktionsmaschine ist dadurch gekennzeichnet, dass einer mechanischen Struktur eine gewünschte Bewegung eingeprägt werden soll. Diese Bewegung soll möglichst schnell und hinreichend genau sein. Dass bestimmte Eigenschaften der zu bewegenden Mechanik die Geschwindigkeit beschränken, welche bei einer geforderten Genauigkeit erreicht werden kann, wird im zweiten Kapitel anschaulich dargelegt. Im dritten Abschnitt wird gezeigt, wie auf der Basis diskreter Elemente eine Modellierung des mechanischen Teilsystems erfolgt, und im vierten Kapitel wird ausgeführt, bei welchen Systemen eine Modellierung mit finiten Elementen erforderlich ist. Die Vorgehensweisen bei der Modellbildung werden an Beispielen aus der industriellen Praxis erläutert.

MECHANISCHE GRENZEN ERREICHBARER MASCHINENDYNAMIK Die Möglichkeiten, einer mechanischen Struktur eine gewünschte Bewegung einzuprägen, werden oftmals durch die niedrigsten Eigenfrequenzen des mechanischen Aufbaus beschränkt, was anhand eines einfachen Systems deutlich gemacht werden kann: In Bild 1 ist eine Last mit der Masse mL zu sehen, die durch einen Motor mit der Masse mMot bewegt werden soll. Die Verbindung zwischen Motor und Last wird durch eine Feder mit der Steifigkeit c und ein Dämpfungsglied mit der Dämpfung d charakterisiert. Ziel einer Regelung dieser Anordnung wäre es, die Kraft F abhängig vom zeitlichen Verlauf der Messgrößen so zu bestimmen, dass die Position der Last einem vorgegebenen Sollverlauf möglichst genau folgt. Die Laplace-Transformierte GXLXM(s) mit der Motorposition XMot(s) als Eingangsgröße und der Position der Last XLast(s) als Ausgangsgröße ergibt sich zu

und vom zugehörigen Frequenzgang GXLXM(f) = |XL(j2πf)/ XMot (j2πf)| ist der Amplitudengang

30

A/dB

20

Bild 2: Amplitudengang Position Last zu Position Motor |XL(j2πf)/XMot (j2πf)|

10 0 -10

in Bild 2 zu sehen. Dabei wurden die Parameter zu mL = mMot = 1kg, c = 3948 N/m, d = 3.77Ns/m angenommen. In der Umgebung der Resonanzfrequenz fres = 1/(2π)·√(c/mL) = 10 Hz, mit der die Last gegen den Motor schwingt, ist eine deutliche Überhöhung des Amplitudengangs zu erkennen. Bewegungen des Motors mit Frequenzen, die größer als 10 Hz sind, wirken sich mit zunehmender Frequenz immer weniger auf die Last aus, wie aus dem Abfall des Amplitudengangs von 40 dB/Dekade deutlich wird. Bei 33.5Hz kann aus Bild 2 ein Wert GXLXM(33.5 Hz) = –20 dB abgelesen werden. Verfährt der Motor mit einer Frequenz von 33.5 Hz, dann führt dies im eingeschwungenen Zustand zu einer Bewegung der Last mit einer um den Faktor 10 geringeren Amplitude. Von der gesamten mechanischen Energie, die das System bei dieser Bewegung beinhaltet, ist weniger als 1% in der Last zu finden! Weiterhin lässt sich die Last mit steigender Frequenz nur über eine starke Deformation der Feder zwischen Motor und Last bewegen. Bei vorgegebener Bewegung des Motors xM ergibt sich das Verhältnis der Deformation der Feder ∆xF zur Bewegung der Last xL im Bildbereich zu ()

()

mit T und D aus Gleichung (1). Der zugehörige Amplitudengang wird in Bild 3 gezeigt: Für Frequenzen, die höher als die Resonanzfrequenz fRes=1/(2πT)=10 Hz, liegen, ist die Verformung der Feder größer als die dadurch erreichbare Bewegung. Soll die Last eine Bewegung mit 30 Hz ausführen, beträgt das Verhältnis von Verformung der Feder zur Bewegung der Last etwa 20 dB (Bild 3). Die Federverformung ist dann um den Faktor 10 größer als der dadurch erreichte Weg!

-20 -30 -40 1

10

f/Hz

100

40

A/dB

20 0

-20 -40 1

10

Insgesamt wird deutlich, dass es praktisch nicht möglich ist, die Last durch eine Bewegung des Motors mit höheren Frequenzen als der Resonanzfrequenz, mit welcher die Last gegen den Motor schwingt (im Beispiel 10 Hz), zu verfahren. Für Bewegungen mit höherer Frequenz wird das Verhältnis von Energie, die der Last zugeführt wird (Nutzenergie), zur gesamten Energie sehr klein. Auch wachsen die Verformungen der Feder weit über die Bewegung der Last hinaus, was eine Zerstörung der mechanischen Komponenten, mit der die Kraft vom Motor auf die Last übertragen wird, zur Folge hätte. Die niedrigste Resonanzfrequenz, mit der die zu bewegende Mechanik gegen den Motor schwingt, kann in vielen Fällen als kennzeichnend für die erreichbare Dynamik einer Maschine angesehen werden – unabhängig vom eingesetzten Regelverfahren. Daher folgen bei jeder Regelstrategie die Grenzen der einstellbaren Regelparameter und der erreichbaren Regeldynamik häufig aus der niedrigsten Tilgerfrequenz der Maschine.

f/Hz

Bei Werkzeug- und Produktionsmaschinen wird in der Regel eine Kaskadenregelung eingesetzt [GHW2000]. Der Verstärkungsfaktor des Lagereglers, der so genannte KV-Faktor, gilt in der Werkzeugmaschinenbranche als Qualitätsmerkmal einer Maschine. Zwischen möglichem KV-Faktor und niedrigster Eigenfrequenz wird in [HT1997] ein Zusammenhang genannt: Der maximale KV-Faktor (in m/(mm·min)), der für die Positionsregelung einer Achse eingestellt werden kann, ist etwa ein Zehntel der niedrigsten Eigenfrequenz dieser Achse (in Hz). Diese Beziehung gilt, wenn die Eigenfrequenz unter 100 Hz liegt und die Abtastzeit des Lagereglers 1ms beträgt. Bei größeren Abtastzeiten wird die Dynamik schon ab kleineren Eigenfrequenzen durch die Rechenzeit des Lagereglers beschränkt. Eine theoretische Ableitung dieser Zusammenhänge findet man in [Tr1975a]. REGELUNG UND MODELLIERUNG EINER ACHSE EINER SCHLEIFMASCHINE

Motor

Kupplung

Spindel

Spindelmutter

Bild 4: Achse einer Schleifmaschine, diskretes Mehrmassenmodell

Bei vielen Schleifmaschinen

cT

Tisch mit Werkstück

Tacho

100

Bild 3: Amplitudengang Verformung Feder zu Position Last |∆XF(j2πf)/XL (j2πf)|

Tacho

cM

Motor

cK

1

/ 2 Kupplung

c Sp, tors

1/ 1/

2 2

Kupplung Spindel

3

cax,tors

1

/2 Spindel

Tisch

3

Bild 5: Amplitudengang der Drehzahlstrecke: Motordrehzahl zu Motormoment

10 0 -10

142 Hz: Trägheitsmoment Spindel, Kupplungssteifigkeit

-20 -30

25 Hz: Masse Tisch und Werkstück, Axialsteifigkeit

-40 -50

wird ein schweres, auf einem Tisch befestigtes Werkstück mit Hilfe von Spindel und Spindelmutter in horizontaler Richtung bewegt. Im vorliegenden Beispiel ist die Spindel über eine Kupplung direkt an den Motor angekoppelt und die am Tisch befestigte Spindelmutter bewegt sich gemeinsam mit dem Tisch, ohne zu rotieren (Bild 4). Oftmals wird die Dynamik einer Maschine durch eine derartige Achse beschränkt oder die damit verbundenen Eigenfrequenzen schlagen sich in Form von Rattermarken auf dem Werkstück nieder. Daher kann mit einer gezielten Analyse dieser schwächsten Achse ein bedeutendes Verbesserungspotenzial der ganzen Maschine erschlossen werden. Bei der vorliegenden mechanischen Struktur kann eine Modellierung mit diskreten Elementen (Federn, Massen, Dämpfern) erfolgen. Rechnet man die translatorische Bewegung von Tisch, Spindelmutter und Werkstück in eine Rotationsbewegung um, lässt sich das mechanische Teilsystem entsprechend dem Modell in Bild 4 beschreiben. Es wird hier davon ausgegangen, dass eine Masse von 9 Tonnen bei einer Spindelsteigung von 10 mm bewegt werden soll und die Trägheitsmomente von Tacho, Motor,

Bild 7: Auslenkung an Tisch und Motor bei Störkraft von 500 N am Tisch

5 Weg/µm 4

3

Einstellung B, Auslenkung Tisch 2

Einstellung A, Auslenkung Tisch 1

0

-1

Einstellung B, Auslenkung Motor -2

Einstellung A, Auslenkung Motor -3

0

0.05

0.1

0.15

0.2

0.25

0.3

0.35

0.4

0.45

0.5 Zeit/s

4

-60

0

10

10

1

2

10

3

10

f/Hz

20

Einstellung B

A /dB 0

Einstellung A

-20 -40 -60 -80 -100 10

0

10

1

Kupplung, Spindel und Tisch die Werte 0.025·10-4 kgm2, 430·10-4 kgm2, 50·10-4 kgm2, 350·10-4 kgm2 und 228·10-4 kgm2 betragen. Die Steifigkeiten werden zu cTach = 2800 Nm/rad, cMot = 258000 Nm/rad, cKupp = 36000 Nm/rad, cSp,tors = 90000 Nm/rad und cax,tors = 600 Nm/rad angesetzt.

10

2

10

3

f/Hz

stärkung des Drehzahlreglers (KP = 40 Nms/rad, Tn = 5 ms) mit entsprechender Nachstellzeit Tn gewählt, und bei Einstellung (A) wurde eine geringere, auf die niedrigste Tilgerfrequenz abgestimmte Verstärkung (KP = 12 Nms/rad, Tn = 15 ms) eingestellt.

Im Amplitudengang der Drehzahlregelstrecke (Bild 5) sind zwei ausgeprägte Tilgerfrequenzen erkennbar, die nach Abschnitt 2 charakteristisch für das Verhalten der zu bewegenden Achse sind. Die niedrigste Tilgerfrequenz liegt bei 25 Hz und resultiert aus der Resonanzfrequenz, mit der die zu bewegende Masse von 9 Tonnen entsprechend der Axialsteifigkeit gegen den Motor schwingt. Die nächst höhere Tilgerfrequenz liegt bei 142 Hz und wird im wesentlichen durch die Steifigkeit der Kupplung und das Trägheitsmoment der Spindel bestimmt. Der mit 25 Hz gegen den Motor schwingende Tisch bestimmt jedoch das Verhalten des Systems, wie im folgenden deutlich wird. Analysiert wird an diesem Beispiel das Störverhalten, d. h. die Reaktion der Achse bei Auftreten von äußeren Störungen wie beispielsweise Bearbeitungskräften.

Die überlagerte Lageregelung erfolgt mit Hilfe eines direkten Messsystems, das am Tisch angebracht ist. Die einstellbaren Verstärkungen des Lagereglers unterscheiden sich wenig, bei (A) ist ein KV von 1.8 m/(mm·min) erreichbar, und bei Parametrierung (B) kann in Verbindung mit einem Drehzahlsollwertfilter [GHW2000] ein KV von 1.6 m/(mm·min) eingestellt werden. Von Interesse ist das Verhalten des geregelten Systems am Werkstück. In Bild 7 ist die Auslenkung des Tisches bei einer sprungförmigen Störkraft von 500N für beide Reglereinstellungen gezeigt. Bei Parametrierung (B) reagiert das System mit einer heftigen Schwingung von 25 Hz des Tisches, bei angepasster Einstellung klingt diese Schwingung bedeutend schneller ab. Das bessere Störverhalten trotz kleinererer Reglerverstärkungen kann mit Hilfe der Wurzelortskurve des Drehzahlregelkreises erklärt werden.

Zwei Einstellungen des Drehzahlreglers werden weiter untersucht. In Bild 6 ist der geschlossene Drehzahlregelkreis mit beiden Parametrierungen gegenüber gestellt: Bei Einstellung (B) wurde eine hohe Ver-

In Bild 8 wird die Wurzelortkurve gezeigt, die bei einer Nachstellzeit von 5 ms (Einstellung B) gültig ist. Die Verstärkung des PI-Reglers ist so hoch, dass die beiden Pole, die im offenen Kreis im Ursprung liegen, sich fast bis in

Bild 6: Geschlossener Drehzahlregelkreis bei angepasster (A) und hoher (B) Reglerverstärkung

300

0.85

0.74

0.62

0.46

0.32

0.16

0.93

200 0.98

die Nullstellen verschieben. Dadurch erhält das drehzahlgeregelte System ein konjugiert komplexes Polpaar mit einer geringen Dämpfung von etwa 4 % und einer Frequenz von etwa 25 Hz. Im Frequenzgang des geschlossenen Drehzahlregelkreises (Bild 6) macht sich dieses schlecht gedämpfte Polpaar kaum bemerkbar, da Nullstellen des offenen Kreises im geschlossenen Kreis erhalten bleiben. Aus Sicht des Motorgebers wird das schwach gedämpfte Polpaar durch die nahe gelegenen Nullstellen fast kompensiert. Durch den überlagerten Positionsregelkreis kann die Dämpfung des Polpaars nur auf 5 % erhöht werden, wobei die zugehörige Eigenfrequenz auf 24 Hz sinkt.

0

100

80

60

(2)

40

20

Nullstelle PI-Regler

-100 0.98 -200

-300

0.93

-400 0.74

0.85 -700

-600

300

- 500

0 .9

0.62 - 400

0 .82

0.46 -300

-200

0.72

0 .58

0.32

0.16 -100

0 .4

0

Bild 8: Ausschnitt Wurzelortkurve, Einstellung (B)

0 .2

0.955 200

100

0.988

1 00

0

Bild 9 zeigt die Wurzelortkurve, die sich im Zusammenhang mit der angepassten Reglerparametrierung (A) ergibt. Wegen der größeren Nachstellzeit hat die Wurzelortkurve einen anderen Verlauf. Wesentlich ist jedoch, dass die Verstärkung bedeutend geringer ist als im Fall (B). Dadurch hat das kritische Polpaar eine Dämpfung von immerhin 14 % bei einer Eigenfrequenz von 28 Hz, die sich durch den Positionsregler auf 20 % erhöhen lässt, wobei sich die zugehörige Eigenfrequenz auf 25 Hz reduziert.

Pole des geschlossenen Kreises mit 5% Dämpfung, 24.7Hz

100

80

Pole des geschlossenen Kreises mit 14% Dämpfung, 28 Hz 40 60

(2)

20

Nullstelle PI-Regler

-100 0.988

-200 0.955 0.9 -300

-7 00

-6 00

0 .82 -5 00

-400

Maßgeblich für den Schleifprozess ist das Verhalten des Systems am Werkstück. Bei Störkräften als Eingangsgröße und der Position des Werkstücks als Ausgangsgröße liegt allerdings keine Nullstelle in der Nähe des diskutierten Polpaars. Entscheidend ist nur die zugehörige Dämpfung. Diese ist bei der angepassten Einstellung (A) bedeutend größer als bei Einstellung (B) – und Entsprechendes ist in den Zeitverläufen in Bild 8 zu erkennen.

und die axiale Steifigkeit der Spindel bedingt ist, beschränkend für die erreichbare Dynamik und kennzeichnend für das Störverhalten ist. Ohne das vorliegende Antriebskonzept zu verlassen, kann eine derartige kritische Frequenz durch konstruktive Maßnahmen nicht beseitigt, sondern nur erhöht werden, was erfahrungsgemäß nur eingeschränkt möglich ist. Eine höhere Eigenfrequenz würde bei einer Anregung zu Schwingungen mit geringerer Amplitude und damit zu einer besseren Werkstückoberfläche führen. Um eine Erhöhung der Frequenz auf beispielsweise etwa 35 Hz zu erreichen, müsste allerdings bei gleich bleibender Masse die Steifigkeit verdoppelt werden!

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die niedrigste Tilgerfrequenz von 25 Hz, die vor allem durch die hohe bewegte Masse

Würde statt eines Antriebs mit Kugelrollspindel ein Linearantrieb zur Bewegung der Achse gewählt, wäre die jetzige Ursache

0.72 -3 00

0 .58 -200

0 .4 -100

0 .2 0

Bild 9: Ausschnitt Wurzelortkurve, Einstellung (A)

für die 25-Hz-Schwingung beseitigt. Ein Einsatz von Linearmotoren erfordert allerdings ein darauf abgestimmtes Konzept, das mit Hilfe einer FEM-Untersuchung abgesichert werden muss. Andernfalls besteht die Gefahr, dass Schwingformen, die bei Antrieb mit Kugelrollspindel keine begrenzende Wirkung haben (Kippschwingungen des Tisches, Schwingung Werkstück gegen Tisch, verkoppelte Schwingungen), für Probleme sorgen und sich negativ auf die Werkstückqualität auswirken. ANALYSE EINER FRÄSMASCHINE In diesem Kapitel wird die Untersuchung einer Maschine diskutiert, deren mechanische Struktur sich grundlegend von der im vorherigen Abschnitt behandelten Maschine unterscheidet: Zunächst ist bei der Beurteilung der gesamten Maschinendy-

5

Mo tor 1 Pinole

Motor 2 Traverse

Motor 3 Schieber Bearbeitungskopf

Bild 10: Typische PortalFräsmaschine, rechts FE-Modell einer Maschine

namik die Analyse von zwei Achsen notwendig. Einer der Achsen sind zwei Motoren zugeordnet (Gantry-Verbund), so dass insgesamt drei Antriebsstränge zu beachten sind. Weiterhin kann vor der Untersuchung wenig ausgesagt werden über die Schwingformen, welche zu den niedrigsten Maschineneigenfrequenzen gehören. Darüber hinaus sind auch Schwingungen möglich, die nur schwerlich mathematisch geschlossen beschrieben werden können. Die Analyse der zu untersuchenden Antriebsstränge kann nicht unabhängig voneinander erfolgen, da diese sich gegenseitig beeinflussen, also mechanisch verkoppelt sind. Um derartige Randbedingungen zu berücksichtigen, ist eine Modellbildung auf Basis von finiten Elementen unumgänglich. Damit erhält das Modell eine hohe Anzahl von Freiheitsgraden, aus denen sich numerisch die entscheidenden Systemeigenschaften bestimmen lassen. In Bild 10 wird eine typische Fräsmaschine und ein FiniteElemente-Modell einer Maschine ähnlicher Bauart gezeigt. Im Modell sind für einige Maschinenelemente Bezeichnungen genannt, die im Folgenden verwendet werden. Das Modell entspricht dem einer realen Maschine, wurde aber so verändert, dass kein spezifisches Wissen des Herstellers enthalten ist. Der Bearbeitungskopf wird mittels eines Schiebers, der sich auf einer Pinole bewegen kann, in z-Richtung verfahren. Der zugehörige z-Antrieb wird im Modell nicht explizit berücksichtigt, da

6

das Verhältnis der beteiligten Steifigkeiten zu den in z-Richtung bewegten Massen im Vergleich zu den anderen Achsen recht groß ist. Die Bewegung der Pinole in y-Richtung erfolgt mit Hilfe einer Kugelrollspindel, die über ein Getriebe durch einen Synchronmotor (Motor 3) angetrieben wird, und einer nicht rotierender Spindelmutter. Führungsschienen stützen die Bewegung der Pinole gegen die Traverse ab. Die gesamte Traverse wird mit zwei weiteren Spindeln, die mit direkt gekuppelten Kugelrollspindeln durch die Motoren 1 und 2 angetrieben werden, in x-Richtung als GantryVerbund bewegt. Zunächst erfolgt eine Berechnung der Eigenfrequenzen und Eigenbewegungen des Finite-ElementeModells. Von großer Bedeutung sind, wie bereits ausführlich diskutiert, die niedrigen Eigenfrequenzen. Diese werden den Achsen zugeordnet, deren Bewegungsrichtung von der zugehörigen Schwingform betroffen ist. Beschränkend auf die Dynamik der Maschine wirkt dann die Achse, in deren Bewegungsrichtung sich die Schwingform der niedrigsten Maschineneigenfrequenz auswirkt. Zu bestimmen sind auch die Eigenfrequenzen bei fest stehenden Motoren, da diese kennzeichnend sind für Bewegungen der Maschine bei einer vorgegebenen (eingeprägten) Bewegung der Motoren. Nur für Frequenzen, die niedriger als die kleinste so berechnete Eigenfrequenz sind, kann entsprechend Abschnitt 2 eine Bewegung der Maschine durch die Motoren erreicht werden. Für höhere Frequenzen sind dementsprechend die Eigenfre-

quenzen bei beweglichen Motoren wesentlich. Im vor-liegenden Beispiel beträgt die niedrigste Eigenfrequenz bei feststehenden Motoren 23 Hz. Die Schwingformen, die zu der Eigenfrequenz gehören, beeinflussen nur die y-Richtung, weshalb die y-Achse im Folgenden analysiert wird. Mit der Eingangsgröße Motormoment und der Ausgangsgröße Drehzahl des dritten Motors errechnet sich aus dem FiniteElemente-Modell der in Bild 11 abgebildete Amplitudengang. Die bei 23 Hz liegende Eigenfrequenz ist in Bild 11 als Tilgerfrequenz erkennbar. Darüber hinaus sind neben der nächsten Tilgerfrequenz bei 25 Hz die Resonanzfrequenzen bei 24 Hz, 28 Hz, 43 Hz und 74 Hz gekennzeichnet. Betrachtet man die Schwingformen, die zu den störenden Eigenfrequenzen gehören, kann auf deren mechanische Ursachen geschlossen werden, woraus sich konstruktive Verbesserungen ableiten lassen. Die zu den 23 Hz und 25 Hz gehörige Schwingform, die bei festgebremsten Motoren auftritt, ist durch eine Drehbewegung der gesamten Pinole in der y-z-Ebene gekennzeichnet („Nicken“). Die Resonanzfrequenzen bei 24 Hz und 28 Hz treten bei beweglichen Motoren auf und zeigen eine Schwingform ähnlich zu der bei 23 Hz, allerdings mit einer Bewegung der Motoren. Mit 43 Hz führt die Maschine eine Eigenbewegung aus, bei der die Traverse in y-Richtung schwingt, wobei sich die Seitenwände stark verbiegen. Die beschriebenen Schwingformen sind in Bild 11 rechts dargestellt. Störend ist besonders die Eigenbewegung, welche mit den Tilgerfrequenz bei 23 Hz und 25 Hz und den Resonanzen bei 24 Hz und 28 Hz verbunden ist. Hierdurch wird die beim Bewegen der y-Achse erreichbare Dynamik beschränkt. Bei einer Anregung durch Prozesskräfte sind Rattermarken die Folge.

A/dB

-80

Nicken Pinole 24Hz

Traverse, Seitenwände

28Hz

-100

Tilgerfrequenzen bei 23 Hz und 25 Hz

Bearbeitungskopf, Pinole

43Hz 74Hz

Bild 11: Amplitudengang Regelstrecke der y-Achse, rechts Schwingformen ausgewählter Frequenzen

23Hz

-120

25Hz

Nicken Pinole

-140

1

0.1

10

100

f/Hz

Resonanz bei 43 Hz

da in der Umgebung von 300 Hz keine Resonanzen auftreten.

Vom Nachgiebigkeitsfrequenzgang (Auslenkung ∆y am Werkzeug zu Kraft F am Werkzeug) der geregelten y-Achse wird in Bild 12 der Amplitudengang gezeigt. Neben der geringen statischen Steifigkeit (etwa 2 N/µm) fallen einige ausgeprägte Resonanzen auf, die den diskutierten Eigenmoden entsprechen. Tritt die Prozesskraft mit einer Frequenz auf, welche einer im Nachgiebigkeitsfrequenzgang deutlich sichtbaren Resonanzfrequenz der Maschine entspricht, ist eine mangelhafte Werkstückqualität die Folge. Bei der Fräsbearbeitung sind abhängig vom Material verschiedene Zahneingriffsfrequenzen typisch. Diese liegen bei einer Bearbeitung von Aluminium im Bereich von 300 Hz, bei Stahl in etwa bei 80 Hz und bei Titan etwa bei 20 Hz. Weder zur Titan- noch zur Stahlbearbeitung ist die untersuchte Maschine in der Lage, da jeweils Resonanzen im kritischen Frequenzbereich liegen. Eine Bearbeitung von Aluminium sollte dagegen möglich sein,

Regelungstechnisch kann versucht werden, durch ein Bedämpfen der niederfrequenten Schwingungen Rattermarken zu vermeiden. Dies ist allerdings nur in dem Maße möglich, wie durch eine Bewegung des Motors der kritischen Schwingung Energie entzogen werden kann. Bei der vorliegenden Schwingform ist dies nur in gewissem Umfang machbar. Bezüglich Motorgeber und direktem Messsystem, das an der Traverse angebracht ist, können durch eine Anpassung der Reglerparameter die störenden Frequenzen bedämpft werden. Am Werkzeug kann dann aber immer noch eine Schwingung auftreten, ohne dass eine deutliche Rückwirkung auf die Messsysteme erkennbar ist. Dies wird beispielsweise am Verhalten der Achse bei einem Geschwindigkeitssprung sichtbar (Bild 12): An beiden Messsystemen verläuft die Geschwindigkeit nahezu monoton, wohingegen am Werkzeug eine Schwingung mit etwa 25 Hz zu sehen ist und auch eine Frequenz von 74 Hz erkannt werden kann.

Drehzahl

Letztendlich ist es notwendig, durch konstruktive Maßnahmen die niedrigste Tilgerfrequenz zu erhöhen. Wie die zugehörigen Eigenschwingungen zeigen, stützt sich die bei den niedrigsten Eigenfrequenzen auftretende Drehbewegung der Pinole auf die Steifigkeit der Linearführung mit einem Hebelarm ab, der durch den Einbauort der Führungsschuhe an der Pinole gegeben ist. Durch eine Verlagerung der Führungsschuhe nach außen wäre eine Steifigkeitserhöhung mit relativ geringem Aufwand erreichbar – allerdings zu Lasten des Arbeitsraums. Eine andere, mit größeren Kosten verbundene Möglichkeit bestünde darin, mittels eines TwinAntriebs (siehe z. B. [Tr1975b]) die Pinole zu bewegen. Notwendig wären zwei Motoren mit zwei Spindeln, wobei die Kraft zur Bewegung oben und unten in die Pinole eingeleitet werden müsste. Mit dieser Anordnung

M otor

1

- 100

0

A/ dB

D irektes Messsystem 1

- 120

Stahl

0

Titan

- 140

Werkzeug 1

A luminium - 160 0

- 180 0.1 0

0 .01

0.02

0.03

0 .04

0.05

0.06

0.07

0 .08

0.09

0.1

Zeit/s

1

10

100

f/ Hz 1 000

Bild 12: Links: Sprungantwort der y-Achse, rechts Nachgiebigkeitsfrequenzgang

7

könnte eine Drehbewegung über den Antriebsstrang abgestützt werden, ohne den Arbeitsraum einzuschränken. Im nächsten Schritt sind die konstruktiven Verbesserungen anhand des Modells zu bewerten und gegebenenfalls weitere Maßnahmen zu erarbeiten, um die dann auftretenden Begrenzungen der Leistungsfähigkeit der Maschine zu eliminieren. ZUSAMMENFASSUNG In diesem Beitrag wurde gezeigt, dass eine Werkzeug- oder Produktionsmaschine ein mechatronisches System ist, dessen Optimierung nur unter Einbeziehung aller Teilsysteme gelingen kann. Allein regelungstechnische Maßnahmen reichen nicht aus, wie im 2. Kapitel deutlich wurde: Schnelligkeit und Genauigkeit

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der Bewegungsführung einer Maschine werden durch bestimmte mechanische Eigenschaften begrenzt. Anhand von zwei Anwendungsbeispielen wurde gezeigt, wie eine Modellierung einer Maschine erfolgen kann. Die Grenzen regelungstechnischer Maßnahmen wurden jeweils aufgezeigt, und konstruktive Schritte wurden erläutert, welche an den Ursachen störender Maschineneigenschaften angreifen. Insgesamt wurde deutlich, dass die hier vorgestellte, auf mechatronischen Methoden beruhende Vorgehensweise für den Werkzeug- und Produktionsmaschinenbau von großer Bedeutung ist: Kürzere Entwicklungszeiten werden erreicht und Schwachstellen lassen sich frühzeitig finden und eliminieren, so dass die Voraussetzungen für einen schnelleren Markteintritt mit innovativen Maschinen geschaffen werden.

LITERATUR [GHW2000] H. Groß, J. Hamann, G. Wiegärtner: Elektrische Vorschubantriebe in der Automatisierungstechnik. Publicis MCD Verlag, Erlangen und München, 2000. [HT1997] J. Hamann, H.-P. Tröndle: Die Schallgrenze bei der Regelung elastomechanischer Systeme. 3. Magdeburger MaschinenbauTage, 11.-13. September 1997, Tagungsband 2, S.193-203, Logos-Verlag Berlin, 1997. [Tr1975a] H.-P. Tröndle: Regelung elastisch gekoppelter Vielmassensysteme. Siemens F.- und E- Berichte Bd. 4 (Nr.1) S. 45-48, Springer-Verlag, 1975. [Tr1975b] H.-P. Tröndle: Regelung einer Spiegelantenne. Siemens Forschungs- und Entwicklungsberichte Bd. 4 (Nr.2) S. 75-80, Springer-Verlag, 1975.

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