Vortrag Tagung Tutzing: Traumarbeit im Dialog

4.11.2016

Dr. phil. Johannes P. Rohland Grundlagen der Traumarbeit nach C.G. Jung Meine Damen und Herren, Carl Gustav Jung hat den grössten Teil seines Lebens der Arbeit mit und an den Träumen gewidmet. Die Träume sind für ihn ein so natürlicher und unwillkürlicher Ausdruck der seelischen Prozesse, wie innerkörperliche unwillkürliche Prozesse, etwa die Verdauung oder innersekretorische Vorgänge. Jungs Arbeit mit den Träumen besteht vor allem darin, in einem ersten Schritt die symbolische Sprache der Träume zu entschlüsseln und zu verstehen und dann in einem zweiten Schritt die so gewonnenen Aussagen der Träume mit dem realen Leben des Träumers in Beziehung zu setzen, dies mit dem Ziel, Hilfen und Korrekturen für die Einstellung und das Verhalten des Träumers in seiner praktischen Alltagswirklichkeit zu gewinnen. Wenn ich Ihnen darum über Jungs Arbeit mit den Träumen berichten will, so spreche ich über deren wichtigsten Teil, nämlich Jungs Methode die Träume zu interpretieren. Um sie in der kurzen, zur Verfügung stehenden Zeit möglichst nahe an das gegebene Ziel heranzuführen, muss /will ich Ihnen im Folgenden einen Überblick über etwas geben, was wir, vielleicht als das Koordinatennetz bezeichnen könnten, welches Jung behelfsweise über die unendliche Vielfalt der Erscheinungs- und Wirkungsformen des Unbewussten gelegt hat. Dieses Koordinatennetz hat sich ihm über Jahrzehnte aus der Arbeit mit unzähligen Patienten gleichsam als Erfahrungswert aufgedrängt. Es ist sicher nicht der Weisheit letzter Schluss, aber es erleichtert uns die Orientierung im schier undurchdringlichen Dschungel der oft schwer verständlichen Traumbilder. Jung hat aber nie behauptet, dass dieses Koordinatennetz das letztgültige sei. Für andere Sichtweisen hat er sich stets offen gehalten. Ich zitiere: “ Und ein lebendiger Geist wächst und überwächst sogar seine eigenen alten Formen und sucht sich nach freier Wahl seine Menschen, die ihn verkünden und in denen er lebt. Neben diesem ewig erneuten Leben des Geistes der auf vielfachen und unbegreiflichen Wegen durch die Geschichte der Menschheit sein Ziel sucht, wollen von Menschen festgehaltene Namen und Formen wenig sagen, sind sie doch nur die wechselnden Blätter und Blüten am selben Stamme des ewigen Baumes:“ Das Koordinatennetz, das ich Ihnen nun vorlegen werde ist darum als eine Arbeitshypothese aufzufassen, allerdings als eine, die sich in der praktischen Arbeit mit den Träumen sehr bewährt hat. Jung unterscheidet zunächst, wie sein ehemaliger Lehrer Freud, zwischen dem Bereich des Bewusstseins und jenem des Unbewussten. Zum Bewusstsein gehört alles, was wir als Individuum wissen, unser Name , Beruf, Wohnort, Familie, Interessen, Vergangenheit(z. Teil), unsere Absichten und Ziele. Aber schon bei der Betrachtung unseres Partners, den wir doch durch und durch zu kennen glauben, beginnt der Bereich dessen, was wir eben nicht wissen, der Bereich des Unbewussten. Unser Unbewusstes, unser persönliches Unbewusstes beinhaltet alles was wir nicht wissen. Dieser Bereich ist unendlich viel grösser als unser Bewusstes. Es gibt sehr viel mehr, was wir nicht wissen, als was wir wissen. Das Unbewusste enthält auch all das, was wir vergessen haben oder was wir verdrängen, das heisst nicht wissen wollen. 1

Sie kennen wohl alle die Situation, in welcher sie einen alten Bekannten treffen und plötzlich ist ihnen sein Name entfallen, obwohl sie ihn vorhin doch eben noch auf der Zunge hatten. Wo ist der Name jetzt? Er befindet sich im Unbewussten und kann von da ebenso plötzlich wieder auftauchen. Grafisch könnte man das so darstellen: Zeichnung 1 In meinem Unbewussten kann ich Elemente und Bilder gemeinsam mit anderen Menschen haben, wenn ich sie mit ihnen zusammen erlebt, aber vergessen habe. z.B. als kleiner Junge von zwei Jahren war ich mit meinem einjährigen Bruder mehrmals bei Fliegerangriffen in einem Bunker in Berlin. Ich kann mich an diese Situationen konkret nicht mehr erinnern, ebenso mein Bruder. Aber in unseren Träumen tauchen Elemente dieser Erlebnisse als Bilder wieder auf. Damit komme ich zu den Träumen. (alle Menschen träumen, REM-Phasen) Schon Freud und nach ihm auch Jung haben festgestellt, dass diese unbewussten Inhalte in den Träumen wieder ins Bewusstsein auftauchen können. Meistens geschieht dies in einem anderen Zusammenhang, als jenem, in dem sie erlebt wurden. Am obigen Beispiel der beiden Kriegskinder kann der Bunker im Traum des einen Jungen plötzlich in der Funktion eines Ferienhauses, und im Traum des anderen in der Funktion eines Gefängnisses auftauchen. Wie das Bild des Bunkers im jeweiligen Fall für den betreffenden Träumer zu verstehen sei, ist dann eine Frage der Deutungsmethode. Grundsätzlich lässt sich behaupten - und auch das ist ein Erfahrungswissen - dass das Unbewusste auf Vorgänge im Bewusstsein reagiert, so wie auf der körperlichen Ebene das Blutbild sich verändert, wenn ein Infekt von aussen eindringt. Wenn sie Zucker essen, dann reagiert ihr Körper, ohne Ihre bewusste Einflussnahme und scheidet Insulin aus. Und wenn sie sich in jemanden verlieben oder sonst etwas emotional Wichtiges erleben, dann reagiert ihre Psyche , ohne ihre bewusste Einflussnahme und schickt manchmal einen Traum, der dieses Ereignis bearbeitet. Die Traumbilder geben auf diese Weise Aufschluss über die Vorgänge in der Psyche, so wie das Blutbild Aufschluss gibt über die Vorgänge im Körper. Was Jung nun neu entdeckt hat, ist das von ihm so genannte kollektive Unbewusste. Dabei handelt es sich um einen Bereich im Unbewussten eines Menschen, in welchem er verbunden ist mit zunächst seinem Stamm, seinem Land, seiner Hautfarbe, und dann noch darüber hinaus mit der Menschheit als Ganzer und ihrer Geschichte und Kultur. Grafisch lässt sich das etwa so darstellen: Zeichnung 2 Das kollektive Unbewusste enthält die Erfahrungen der ganzen Menschheit. diese Erfahrungen stellen sich dar in Urbildern, in Symbolen. Symbole sind Bilder die mehr bedeuten, als sie rein optisch erkennen lassen. zum Beispiel schneiden sich zwei gleich lange Geraden in ihrer Mitte rechtwinklig. Es entsteht ein Kreuz. Dieses Kreuz bedeutet mehr als es darstellt, nämlich: Vereinigung der Gegensätze (li-re, oben – unten), Christus, Tod, Orientierung (Ost-West, Süd-Nord), Leiden , Ganzheit, Zentrum, innere Mitte, Vollendete Entwicklung, männlich verbunden in der Mitte mit weiblich usw. Alle diese Bedeutungen müssen bei der Arbeit an einem entsprechenden Traum in Betracht gezogen werden. 2

Jungs Forschungen haben ihm sehr bald gezeigt, dass es sich bei den Träumen nicht einfach um wahllose Anhäufungen von verdrängtem persönlichem Material handelt, sondern dass diese Bilder und Symbole sinnvoll ausgewählt und zusammenkomponiert sind, so dass sie einen zwar oft nicht sofort erkennbaren, aber einen treffenden Sinn ergeben. Es muss sich darum im Unbewussten ein Ordnungsprinzip befinden, welches die Symbole und Bilder so zusammenstellt, dass sie in einem sinnvollen Zusammenhang stehen mit dem Alltagserleben des Träumers. Dieses Ordnungsprinzip nennt Jung das Selbst. Das Selbst ist der tiefste innerste Kern einer Persönlichkeit, jene Instanz, welche das Ganze der betreffenden Person enthält und welches darauf hin tendiert, diese Ganzheit im Menschen, seine individuelle Ganzheit, herzustellen. Ganz selten teilt es sich im Traum mit. Man hört dann zum Beispiel eine Stimme, die etwas zu einem spricht. Das sind ganz zentrale und überaus wichtige Aussagen, und sie haben meist einen spirituellen oder mystischen Anhauch. Sie sagen etwas aus über die Grundrichtung in die man sich bewegen soll. z.B Ich bin dein Licht ich bin in dir du bist durch mich du gehst in mich ein. Das Selbst scheint jene Instanz zu sein, welche aus der unendlichen Vielfalt und Vielzahl der täglich erlebten Bilder eines Menschen einerseits und aus dem noch viel grösseren Erfahrungsschatz der im kollektiven Unbewussten des betreffenden Menschen gespeicherten Bilder und Symbole andererseits eine Traumhandlung komponiert, welche in Bezug steht zum Erleben des betreffenden Menschen. Das liesse sich vielleicht so darstellen: Zeichnung 3 Da das Selbst eine Vervollständigung der Persönlichkeit anstrebt, erscheinen die Träume sehr oft als kompensatorische Reaktion des Unbewussten auf Einseitigkeiten und Unausgewogenheiten der Einstellung des Träumers zu Situationen oder Ereignissen in seinem bewussten Alltag. Diese Art von Traum ist nach meiner Erfahrung die häufigste. Die Träume reagieren kompensatorisch oder ergänzend zum Standpunkt des Bewusstseins. Immer zielt das Unbewusste darauf ab, im Träumer das für ihn individuell richtige Gleichgewicht herzustellen. Dieses Gleichgewicht kann aber auch in einer Lebensweise oder Lebensrichtung liegen, die den bewussten Ego-Zielen des Träumers nicht entspricht. Dazu ein Beispiel: Totenkopforchester Das Ziel dieser Korrekturen besteht offenbar darin, eine neue Ganzheit im Träumer herzustellen. Diese Ganzheit entspricht dem ursprünglichen, dem eigentlich gemeinten, aber noch unbekannten Wesen des Träumers. Dieses Wesen, dieser Charakter, muss nicht damit übereinstimmen, was der Träumer gerne von sich hätte, was er gerne wäre, es entspricht vielmehr dem was er effektiv ist. Das Selbst in uns strebt nach unserer Echtwerdung und nicht nach der von uns gewünschten gesellschaftlichen Position. 3

Selbstentwicklung bedeutet darum nur in den seltensten Fällen das Verwirklichen von Ich-Zielen. Selbstentwicklung heisst vielmehr einen mühsamen, oft sehr schmerzvollen Weg zu gehen, ohne dessen konkretes Ziel zu kennen. Denn wir wissen alle nicht von uns, welches einmalige Individuum in uns gleichsam genetisch angelegt ist und zur Verwirklichung drängt. Die Träume, die uns auf dem Weg zu diesem Ziel begleiten, helfen uns bei unserem Gang durch den Urwald. Sie sagen uns in ihren Symbolen zum Beispiel: Du bist zu schnell, jetzt stimmt es, du stehst vor einem Abgrund pass auf, vergiss nicht woher du kommst, oder du nimmst das zu schwer oder sie verbinden uns, wie der oben genannte Traum «ich bin dein Licht…», mit einem transzendenten spirituellen Bereich. Achten wir auf die Aussagen unserer Träume und versuchen wir ihnen zu folgen, so lernen wir uns selber besser kennen und wir provozieren weniger Widerstand in unserem Unbewussten unserem Weg im Alltag gegenüber. Wir fahren dann nicht mit angezogener Handbremse. Das zeigt sich in einem spürbaren Zuwachs an Energie, an mehr glücklichen Zufällen und manchmal auch an einer besseren Gesundheit. Das allein schon rechtfertigt die Arbeit mit den Träumen. Damit komme ich zur Methode der Traumdeutung und zur Arbeit mit den Träumen: Normalerweise träumt man von Handlungen oder Situationen, welche dem realen Alltag nahe stehen. Diese Normalträume sprechen in einer Bildersprache zu uns, welche aus dem Alltag stammt. Die symbolische Bedeutung dieser Alltagsbilder zu verstehen, ist die Herausforderung bei der Interpretation eines Traumes. Denn das gleiche Bild im Traum des einen Menschen bedeutet nicht das Gleiche, wie wenn es im Traum eines anderen Menschen auftritt. Über die Bedeutung eines Bildes entscheidet der Träumer selbst mit seinen Assoziationen, seinen spontanen Einfällen dazu. Zum Beispiel träumt eine junge Frau: „ich stehe auf einer langen Leiter“ und ein älterer Mann träumt ich: „ stehe auf der untersten Sprosse einer Leiter“. Beide Träume können etwas ganz Verschiedenes aussagen, auch wenn sie die gleichen Bilder verwenden. Zunächst wird man den Träumer fragen, wohin die Leiter im Traum führt. Die junge Frau sagt: „sie führt in den dritten Stock eines vornehmen Bürgerhauses“, für den alten Mann führt die Leiter in einen grossen Baum voller roter Äpfel. Schon dieser Unterschied zeigt wie verschieden diese beiden Träume zu verstehen sein werden. Zum Bild der Leiter assoziert die junge Frau:“ ich habe Angst vor Leitern. Als Kind bin ich von einer Leiter gefallen, weil eine Sprosse durchbrach. Ich habe mir dabei einen schmerzhaften Armbruch geholt.“ Der ältere Mann erklärt zur Leiter: “ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen. Im Frühsommer stiegen wir alle mit den Leitern in die Kirschbäume zum Pflücken. Dabei durften wir Kinder so viele Kirschen essen wie wir wollten. Das war immer ganz herrlich“. Je nach Assoziation des Träumers bedeutet ein Traumbild etwas speziell anderes. Darum haben Symbollexika zwar einen allgemeinen Wert, sie geben eine grosse Auswahl, aber nicht unbedingt das im individuellen Falle Richtige. Setzen wir die Assoziationen der Träumer in ihre Träume ein, so bedeutet der Traum der jungen Frau, dass sie sich in einer gefährlichen Situation befindet, der Traum des älteren Mannes bringt seine gegenwärtige Lebenssituation in Zusammenhang mit einer glücklichen Jugend. Damit ist schon etwas über die Bedeutung der Träume ausgesagt, aber die Träumer könnten damit nur begrenzt etwas anfangen. Sie bräuchten einen Bezug zu ihrer Realität, zu ihrem Alltag.

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Man muss darum die bewusste Lage des Träumers gut kennen und man muss mit ihm herausarbeiten, wo die emotionalen Erlebnisse in der Zeit vor dem Traum liegen und welche Qualität sie haben. Dieses bewusste Umfeld des Träumers nennen wir den Kontext. Ohne den Kontext zu kennen können wir die Träume nur sehr andeutungsweise verstehen. Und da hören wir nun am Beispiel der jungen Frau, dass sie aus sehr bescheidenen und ungebildeten Verhältnissen stammt. Sie entspricht aber perfekt dem herrschenden Schönheitsideal und mit diesem Vorteil macht sie ihre Schwächen wett. Sie ist wie ein Komet mit einem Schweif von Verehrern hinter sich. Nun hat sie sich in einen jungen Mann aus sehr gebildetem und begütertem Hause „verliebt“ und er sich offenbar in sie, denn er liegt ihr völlig zu Füssen. Der junge Mann wäre eine gute Partie für sie und sie bräuchte sich für ihre Zukunft keine Sorgen mehr zu machen. Ziehen wir diesen Kontext zur Deutung des Traumes in Betracht, so bedeutet der Traum, dass die junge Frau sich in Bezug auf ihr emotional wichtigstes Thema in einer sehr gefährlichen Lage befindet, und sich überaus vorsichtig bewegen sollte, weil sie abstürzen und sich verletzen könnte. Der Traum sagt nicht, dass dieser gesellschaftliche Aufstieg unmöglich sei und nicht gewagt werden sollte, aber sie soll sich Zeit lassen und bei jedem Schritt, den sie tut, testen, ob der Boden, ob die Sprosse hält. Von dem älteren Mann hören wir, dass er vor einem Jahr pensioniert worden ist. Er hatte eine verantwortungsvolle Stelle in einer grösseren Firma inne und ist nun durch einen jüngeren, „billigeren“ Mann ersetzt worden. Zuerst hat er sich über die Entlastung gefreut, doch mit der Zeit fehlten ihm die Herausforderungen, er steckt nun in einer Depression und sieht keinen Lebenssinn mehr. Ziehen wir diesen Kontext zur Deutung seines Traumes von der Leiter in den Apfelbaum in Betracht, so kommen wir zu folgendem Schluss: Seine Aussichtslosigkeit und Depression werden korrigiert, respektive kompensiert durch eine ganz andere Sicht seines Unbewussten auf seine Realität. Aus der Sicht seiner Seele befindet er sich am Anfang eines sehr hoffnungsvollen Aufstiegs an dessen Ende süsse Früchte auf ihn warten. Da er einen Neustart in der Wirtschaft für sich kategorisch ausschliesst, muss es sich bei diesem Aufstieg um einen inneren, seelischen Entwicklungsprozess handeln, an dessen Ende die Äpfel warten. Hier habe ich ihn nach Assoziationen zum Begriff „ Apfel“ gefragt. Und er hat spontan auf „süss“ und „Adam und Eva“ verwiesen. Der Apfel im Zusammenhang mit Adam und Eva ist der Apfel der Erkenntnis. Er steht also am Beginn eines Erkenntnisprozesses vermutlich eines Selbsterkenntnisprozesses. Die Entwicklung geht innen weiter und seine Suche nach einem Sinn im Aussen ist unnötig. Manchmal gewinnt man den Eindruck eine Trauminterpretation, die nur auf dem Kontext und den Assoziationen des Träumers beruht erscheine etwas mager. Das ist vor allem dann der Fall, wenn der Traum Symbole enthält von denen man das Gefühl hat es stecke noch mehr darin, als der Träumer assoziert. Am obigen Beispiel sind das die Leiter und die Äpfel. Beides sind archetypische Symbole. Wenn wir nun die archetypische Bedeutung dieser Symbole unserer Traumdeutung beifügen, wir nennen das Amplifikation, dann gewinnt die Aussage des Unbewussten mehr emotionales Gewicht, weil sie das Erleben des Träumers in einen grösseren menschlichen Zusammenhang stellt. . Der Traum bleibt ihm dann eher in Erinnerung, weil er dem, was der Träumer im Moment erlebt gleichsam eine grundsätzliche Überschrift gibt. Am Beispiel der Leiter: Sie ist eine Verbindung zwischen einer unteren und einer oberen Ebene, sie dient dem Hinaufsteigen dessen, was unten ist und dem Herabsteigen dessen, was oben ist. Sie ist darum eine Verbindung zwischen Erde und Himmel, zwischen Materiellem und Spirituellem. Sie erinnert an die Jakobsleiter in der Bibel (1. Mos.28.11. ff) Dort sieht Jakob in einem Traum eine Leiter, die bis zum Himmel reicht, auf der die Engel auf und absteigen. Der Herr erscheint ihm und verspricht ihm seine 5

Hilfe für sein ganzes Leben. Im alten Ägypten ist die Leiter ein Symbol für den falkenköpfigen Horus, der die materielle Welt überwindet und sie mit dem Himmel verbindet. (Totenbuch: “ich stelle eine Leiter gen Himmel unter die Götter“.)Der Schamane steigt auf einer Leiter in die Krone seines Baumes, wo er trommelnd mit den Geistern in Verbindung tritt. Die Leiter kommt in praktisch allen grossen Religionen an gewichtiger Stelle vor und immer bedeutet sie den geistigen Entwicklungsaufstieg aus der unteren materiellen Welt in eine obere spirituelle. Der Apfel erscheint in der Mythologie, das heisst in unserem kollektiven unbewussten Erbe, ebenfalls in noch weiterem Zusammenhang: Die Äpfel der Hesperiden bedeuten Unsterblichkeit, als Apfel des Paris bedeutet der Apfel auch die Beziehung zu jemandem, denn Paris sollte mit dem Apfel zeigen, welche der drei Göttinnen er vorzog, Aphrodite, Athene oder Hera, es war Aphrodite, der der Apfel auch heilig ist. Gleichzeitig hat der Apfel auch einen dunklen Aspekt als Streit- oder Zankapfel. Das ist die Beziehung in ihrer negativen Gestalt. Fügen wir diese Informationen den entsprechenden Deutungen bei, so erhalten diese Träume viel mehr Gewicht und es wird klar, dass sie auf eine ganz grundsätzliche Aufgabe im gegenwärtigen Augenblick hinweisen. Oft eine grosse Hilfe bei der Deutung von Träumen spielt die Berücksichtigung der Aufbaustruktur der Träume: Normalerweise sind die Träume in ihrem Ablauf aufgebaut wie ein Theaterstück. Es beginnt mit einer Ausgangslage, einer Disposition oder Problemstellung. Dann folgt eine Steigerung oder Verwicklung und diese führt in den Höhepunkt, die Kulmination oder Krise. Auf diese wiederum folgt zum Schluss eine Lösung. Am Beispiel: Ausgangslage: Ich eile durch mein Haus und suche meine Frau. Sie ist verschwunden Steigerung: Ich suche und suche, aber ich kann sie in keinem Zimmer finden. Schliesslich öffne ich das Fenster in den Garten und rufe ihren Namen Höhepunkt: Da ertönt ihre Stimme vom Ufer des Weihers: „ da bist du ja!“ Lysis: Unglaublich erleichtert stürze ich aus dem Haus und umarme sie. Sie hat am Ufer des Weihers auf mich gewartet. Sehr oft weichen die Träume in der Praxis von diesem Grundmuster ab. Manchmal fehlt, der Anfang oder der Schluss oder, was bei sehr langen Träumen vorkommt, der Höhepunkt. Dennoch kann diese Struktur sehr helfen den Traum zu verstehen Setzt der Traum erst mit dem Höhepunkt, der Krise, ein, dann wissen wir doch, um was es im Traum geht. Am obigen Beispiel: ich öffne das Fenster und rufe und sie antwortet, da geht es um die Kontaktnahme mit der Frau. Fehlt im Traum das wichtige Mittelstück, die Krise, so können wir aus dem Anfang und dem Schluss schliessen, was die Problemstellung ist und welches die Lösung. Am obigen Beispiel: ich suche meine Frau im Haus…ich finde sie am Ufer des Weihers im Garten. Offenbar geht es darum die Frau zu finden, sie wird gefunden, aber an unerwartetem Ort Fehlt im Traum der Schluss, die Lysis, so haben wir eine offene Fragestellung. Am Beispiel: ich suche meine Frau im Haus. schliesslich öffne ich das Fenster und rufe. sie antwortet: da bist du ja…. Und jetzt, wie geht es weiter, was macht der Träumer jetzt? Was macht sie jetzt? Die Auseinandersetzung mit der Frau bleibt noch offen. Allen Teilstücken gemeinsam ist in diesem Falle das Thema der Beziehung des Träumers zu seiner Frau. 6

Um den Traum zu verstehen, müssen wir die Assoziationen des Träumers zu seiner Frau kennen. Die Nachfrage ergibt aber, dass er im Alltag gar keine Frau oder Partnerin hat. Er hätte wohl gerne eine, aber das hat noch nicht funktioniert. Was machen wir dann mit der Frau im Traum? Offensichtlich ist sie nicht konkret zu verstehen, sondern symbolisch. Das nennen wir die subjektstufige Betrachtungsweise. Ergibt die Nachfrage aber, dass die Frau im Traum identisch ist mit seiner wirklichen Frau, dann legt das eine objektstufige Betrachtungsweise nahe. Das heisst, der Traum teilt etwas über die wirkliche Frau mit. Der erste Knackpunkt bei der Deutung dieses Traumes liegt in der Bedeutung des Hauses. Symbolisch stellt es einen Komplex , einen Gebäudekomplex, dar. Das kann die Weltanschauung des Träumers, seine Prinzipien, seine Werturteile und Überzeugungen betreffen, der innere Bereich, an dem er geistig zu Hause ist. Innerhalb dieses Bereichs ist die Frau nicht zu finden, er muss ein Fenster öffnen, das heisst er muss die Grenzen seines Systems durchbrechen, dann kann er in Kontakt mit seiner Frau treten. Und sie wartet auf ihn, aber ausserhalb seines Systems. Oft stösst man auf den Widerstand des Träumers, wenn es darum geht sein System als nur ein System neben vielen anderen, zu erkennen. Meistens glauben die Menschen, ihr System sei das einzig richtige. Das Haus im Traum zeigt aber, weil es ein Haus ist und nicht die ganze Welt, dass das System begrenzt ist. Der zweite Knackpunkt bei der Deutung dieses Traumes liegt in der Interpretation der Frau im Traum. Objektstufig gesehen bedeutet sie seine konkrete Frau. Sie ist offenbar ausserhalb seines Systems, er muss dieses verlassen, wenn er zu ihr will. Liegen im Konkreten bei den beiden zum Beispiel Ehestreitigkeiten oder Meinungsverschiedenheiten vor, dann ergibt diese objektstufige Deutung Sinn. Ob sie richtig ist, entscheidet aber der Träumer mit seinem Gefühlsurteil. Meist ist dies eine emotionale Reaktion, wie lachen oder eine Körperbewegung. Subjektstufig gesehen bedeutet die Frau im Traum den weiblichen Persönlichkeitsanteil des Träumers, seine Vitalität, seine Begeisterung und Faszination für etwas. Wenn sich der Träumer wie im obigen Traum bei seinen wissenschaftlichen Forschungen verrannt hat, dann bedeutet der Traum, dass er sich zu sehr eingeengt hat, dass die Lösung nicht da zu suchen ist, wo er sich auskennt, sondern ausserhalb dieses Rahmens. Damit komme ich zu den wichtigsten Personen im Traum, dem Schatten, dem Animus und der Anima. Zunächst der Schatten. Sehr oft treten in unseren Träumen Personen unseres eigenen Geschlechts auf, Männer im Traum eines Mannes und Frauen im Traum einer Frau. Diese Gestalten nennt Jung Schattenfiguren. Sie repräsentieren Persönlichkeitsanteile des Träumers oder der Träumerin, welche vom bewussten ich der betreffenden Person abgelehnt und verdrängt oder einfach nicht gelebt werden. Oft handelt es sich um die Kehrseite oder Aspekte der Kehrseite jener Eigenschaften, mit denen man sich bewusst identifiziert und nach aussen im konkreten auftritt und sich darstellt.. zum Beispiel:» Ich bin der Bahnhofvorstand, ich bin die Künstlerin, ich bin der fortschrittliche Lehrer.» Ich identifiziere mich mit dieser Rolle Bahnhofvorstand etc noch im Bett. Der Bahnhofvorstand ist meine Maske nach aussen, mit der ich mich im Leben gebe. Die Kehrseite dieser Maske das ist mein Schatten und wenn ich mir meiner Identifikation mit dem Bahnhofvorstand nicht recht bewusst bin und diese nicht hinterfrage, dann weiss ich von der Kehrseite dieser Maske, von meinem Schatten, erst recht nichts. Der Schatten enthält nicht bewusste Persönlichkeitsanteile, die eigentlich bewusst sein könnten, aber am Bild des idealen Bahnhofvorstandes kratzen würden und einen zu grösserer Bescheidenheit und zu grösserer Vorsicht veranlassen würden. Da man von diesem Schatten nichts weiss, projiziert man ihn ohne es zu wissen nach aussen. 7

Er konstelliert sich dann in anderen Personen oder Institutionen und weil er jene Inhalte enthält, die man bei sich selber gar nicht erkennen mag, bekämpft man ihn meistens fanatisch im Aussen. Dazu ein Beispiel aus meinem eigenen Erleben: In den Anfängen meiner Lehrerlaufbahn, war ich ein begeisterter Schulmeister mit hohen Idealen und Leistungsforderungen an mich. Ich sah mich als idealen fairen, ritterlichen, jungen Lehrer, der auch den damals noch zurückgestellten Mädchen mit Anerkennung und Unterstützung begegnete. Das war mein Ich-Ideal, meine Maske. In meiner erstmals aus Mädchen und Buben gemischten Klasse sass ein Junge, dick faul, grob und hinterhältig, ein Minimalist ohne gleichen, kurz ein scheusslicher Kerl, der mir grausam auf die Nerven ging. In meinen Träumen sogar erschien er mir. Aber ich konnte damals mit den Träumen sowieso nichts anfangen. Mit diesem Jungen passierte mir nun das Folgende. Ich war mit der Klasse im Schwimmbad und beobachtete wie ein Mädchen am Bassinrand stand und mit einer Kameradin im Wasser sprach. Da schlich sich der Junge von hinten an sie heran und stiess ihr mit aller Kraft seinen Fuss ins Kreuz. Das Mädchen schrie auf und stürzte vorwärts ins Wasser. Da packte mich die blinde Wut. Vorsichtig schlich ich mich von hinten an ihn heran, packte ihn plötzlich um seine dicke Taille und riss ihn aus dem Stand , um ihn ins Wasser zuwerfen. Da schoss mir ein stechender Schmerz durchs Kreuz. Ich war wie gelähmt, ein Hexenschuss. Ich liess von ihm ab und quälte mich auf die nächste Sitzbank . Er drehte sich um, lachte und sagte: wollen Sie es nicht noch einmal versuchen, Herr Rohland? Aus heutiger Sicht würde ich sagen, dass ich da ein Schattenerlebnis, wie es im Traum einem begegnet, konkret erlebt habe. Das Erlebnis zeigt, wie einem der Schatten, wenn man ihn nicht kennt, so in die Quere kommen kann, dass man noch Tage danach mit seinen Auswirkungen ringen muss. Damit komme ich zu den gegengeschlechtlichen Personen in den Träumen, Animus und Anima: Alle Männer haben einen weiblichen Anteil und alle Frauen einen männlichen. Diese gegengeschlechtlichen Persönlichkeitsanteile im Mann und in der Frau, wir nennen sie Anima und Animus, widerspiegeln das Bestreben der Natur, in den Menschen eine Ganzheit herzustellen. Im Seelenhaushalt der Männer und der Frauen spielen diese gegengeschlechtlichen Aspekte eine immense Rolle, weil sie das repräsentieren, was dem betreffenden Menschen zur Ganzheit fehlt. Darum möchte ich hier kurz auf sie eingehen. Anima und Animus sind archetypische Gestalten. Sie sind das Urbild des Weiblichen aus der Sicht des Mannes und das Urbild des Männlichen aus der Sicht der Frau. Beide können im Einzelfall in positiver oder negativer Ausprägung erscheinen. Die Anima in positiver Gestalt, wie Dantes Beatrice, oder in negativer Gestalt als zerstörerische Verführerin wie die Nixe im Teich im Märchen. Der Animus kann erscheinen in der positiven Gestalt des Helden wie Siegfried oder in der negativen wie der Mädchentöter Blaubart. Beide Gestalten, Animus und Anima haben, wenn sie positiv wirken, einen inspirierenden ins Leben vorantreibenden Einfluss auf die Psyche des Mannes oder der Frau, und genau das Gegenteil, wenn sie in negativer Gestalt auftreten. In aller Regel stellt die Anima in den Träumen des Mannes sein weibliches Idealbild dar. Sie steht symbolisch für seine Begeisterung, sein Gefühl, seine Liebe, seine Intuition, seinen Zugang zum Spirituellen, kurz für seine irrationale Seite. Je nach dem Charakter des konkreten Mannes, zu dem sie gehört, kann sie ganz spezifische weibliche Eigenschaften entwickelt haben, welche den betreffenden Mann in idealer Weise ergänzen. In den Träumen kann sie dann in dieser idealen Gestalt erscheinen, im Alltag erkennt der Mann sie in der Frau, in die er sich verliebt hat. In aller Regel projizieren wir unsere Anima auf eine konkrete Frau. 8

Diese liefert einen Aufhänger für unsere Projektion, sie kann das projizierte Frauenbild instinktiv und intuitiv bis zu einem gewissen Grad auch leben. Aber irgendwann stösst sie an unüberbrückbare Differenzen zwischen den Erwartungen des Mannes an sie und dem was sie in Wirklichkeit ist. Dann zeigt sich das in Partnerproblemen. Und dann erscheint die Anima im Traum an unerwartetem Ort, vielleicht ausserhalb des Hauses, wie im obigen Beispiel. Solche Träume tragen dann dazu bei, die Partnerprobleme zu entschärfen. Entsprechendes gilt für den Animus in der Frau. Er repräsentiert die männliche Seite in der Frau. Er repräsentiert, physische Kraft, Aggression (auch im positiven Sinne), Unternehmungslust aber auch Geistigkeit, Spiritualität, klares männliches Denken. Der Animus in der Frau erscheint wie ein Fackelträger, er weist den Weg. Er steht ebenfalls für Begeisterung und Lebensfreude. Positiv wirkt er befreiend und in neue Welten führend. Eine junge Frau befand sich in der Ausbildung zur Psychologin und sollte nun den festgefahrenen Theorien ihres Lehranalytikers folgen, obwohl sie diese gefühlsmässig als zu eng empfand. Da träumte sie: «Ich sitze in einem Boot mit einem jungen, starken Mann mit langem blondem Haar. Er steuert. Ein starker Wind weht. Da sagt er: ’in meinen Haaren weht der Wind, in deinen Haaren weht der Wind.’» Die Träumerin hat ihren eigenen Steuermann. Sie ist mit ihm verbunden durch den Wind, das Symbol des Geistes. Zum Wind in den Haaren assoziiert sie Freiheit. Es geht hier also um ihre geistige Freiheit, welche sie mit ihrem Animus verbindet. Sie hat den Traum ihrem Lehranalytiker erzählt. Der war sehr betroffen und wurde vorsichtiger mit seinen Überzeugungen. Dies ist ein Beispiel für einen positiven Animus. Der Animus kann aber auch in sehr negativer Gestalt und mit negativer Wirkung auftreten: Eine Frau, aufgewachsen in einer extrem eng-christlichen Familie, war als Kind vom frommen Vater wiederholt missbraucht worden und lebte seither mit dem Schuldgefühl, sie sei schmutzig und schuldig und half darum mit, ihre Geschichte zu verschweigen. Aber die Last des Geheimnisses und ihre vermeintliche Schuld vor Gott hinderten sie daran, einen sozialen Beruf zu ergreifen, wie sie gerne gewollt hätte. Da träumte sie: «Ich irre durch einen grossen Gebäudekomplex. Von Halle zu Halle, von Büro zu Büro eile ich und suche den Ausgang. Draussen ist der Himmel dunkel bis schwarz. Und ich sehe durch ein Fenster schwarze Wachmänner mit Bluthunden, die das Gebäude bewachen und dafür sorgen, dass ich nicht herauskomme.» Ein schrecklicher Traum. Hier begegnen wir dem negativen Animus gleich in der Mehrzahl. Der Animus der Frauen tritt in den Träumen der Frauen öfter in der Gestalt von Männergruppen oder in der Mehrzahl auf, während die Anima meistens nur als einzelne Person erscheint. Wenn wir die Geschichte der Frau und ihr Leiden mit in Betracht ziehen, verstehen wir sehr wohl, dass sie zu dem Gebäudekomplex die Kirche, die Religion und zu den Männern ihren Vater assoziiert. Hier ist sie eingesperrt und kann nicht heraus ohne ihren Vater zu verraten. Und das will sie nicht, denn das hat Gott verboten. Im Traum ist es aber nicht der ja längst verstorbene Vater, der sie einschliesst, sondern anonyme Männer. Es ist ein anonymer Geist in ihr, der ihr den Ausbruch verweigert. Das heisst es wirkt etwas in ihr, eine Meinung, eine Überzeugung, eine Theorie, ein Ressentiment, das sie eingrenzt und vom Leben in Freiheit abhält Der Traum gibt keine Lösung, er lässt die Träumerin mit der Darstellung der grässlichen Situation stehen. Und man gewinnt den Eindruck, das Unbewusste reagiere hier nur noch destruktiv, vor allem, wenn sich der Traum, wie dieser, in ähnlicher Gestalt wiederholt.

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Aber das ist vielleicht gerade die Absicht des Unbewussten, wenn es keine Lösung gibt. Denn jetzt ist das Ich der Träumerin gefordert: Und wenn die Situation so verheerend ist, was tust du jetzt? Was könnte die Träumerin, wenn sie in dieser Situation wäre, tun? Ihre bewusste Lösungsphantasie wird aufgerufen. Ausserdem zeigt der Traum, dass ihre Lebenshemmung auf einem sie einsperrenden Denk- und Wertesystem beruht und nicht auf Gottes Wille. Es geht nun darum, aus diesem System auszubrechen, den negativen Animus-Geist als solchen zu erkennen und zu überwinden, das ist die bewusste Aufgabe. Animus und Anima sind wohl die beiden wichtigsten Mächte im Unbewussten. Sie verfügen über grössere Energie als all die übrigen ebenfalls wichtigen Bereiche, wie die eigene Familie, bestimmte Orte, Tiere, Pflanzen und andere Menschen. All diese Gestalten werden aber durch das Selbst zueinander in je spezifischer und sinnvoller Weise in Beziehung gesetzt. Das Selbst, auf das ich oben schon hingewiesen habe, komponiert aus der unendlichen Vielfalt der erlebten Eindrücke des Individuums und aus dem Schatz der in ihm verborgenen Erfahrungen der ganzen Menschheit einen sinnvollen Traum-Kommentar zur aktuellen Lebenssituation. Das Selbst ist das übergeordnete Steuerungsprinzip im Unbewussten jedes Individuums. Achtet man auf seine Träume und versucht man mit ihnen in Beziehung zu treten, ihre Botschaften im praktischen Alltag zu berücksichtigen, dann entsteht eine Zusammenarbeit mit dem Unbewussten, es entsteht eine Einsicht in den eigenen individuellen Entwicklungsweg, in die eigene Lebensaufgabe, und ein Traum aus der eigenen frühen Kindheit gewinnt dann womöglich plötzlich einen viel tieferen Sinn. Ein Mann in der Mitte seines Lebens, in einer schweren Krise stöberte in seinen Tagebüchern und fand darin einen Zettel, den ihm seine Mutter vor Jahren gegeben hatte. Auf der eine Seite hatte sie einen Traum notiert, den er ihr vor dem Eintritt in die Grundschule erzählt hatte. Auf der anderen fand er eine Zeichnung, die er zum Traum gemacht hatte. Er hatte geträumt: Ich habe einen Wagen mit einem Rössli, nein 3 Rössli, ein braunes, ein weisses, ein schwarzes. Auf dem Wagen brennt ein Feuer. Alles was man braucht ist auf dem Wagen: Zu Essen, Spielsachen…Ich muss aufpassen, dass das Feuer nicht ausgeht. Ich muss über eine kleine Brücke fahren, die über einen grossen Fluss geht: Bild Feuerwagen Rössli Das Bild eines von Rössern gezogenen Wagens mit einem Feuer darauf ist uralt, ein Archetypus, es begegnet uns schon in der griechischen Mythologie, im Sonnenwagen und begegnet uns im nördlichen Kulturraum im Sonnenwagen von Trondholm aus dem 14.Jh. v.Chr.: Bild Trondholm Symbolisch bedeutet es die Fahrt des Lichtes des Bewusstsein über den Himmel. Alles was der Junge braucht, ist auf dem Wagen , Lebensmittel und Spielsachen., Nahrung für den Körper und Hilfe für die eigene Kreativität. Das wichtigste aber ist das Feuer, das Licht des Bewusstseins, das nicht verlöschen darf. Gezogen wird der Wagen von drei Rössern. Die 3-Zahl ist männlich und die Pferde weisen auf grosse Dynamik und Lebenskraft, Pferdestärken. Mit dem Wagen muss der Junge einen schwierigen Übergang bewältigen, eine schmale Brücke über einen grossen Fluss, den Lebensfluss. Das Bild steht für alle Übergänge, die sich dem Jungen in seinem Leben stellen werden. Sie zu bewältigen und das Licht seines Bewusstseins zu bewahren ist der Sinn und die Aufgabe seines Lebens. Es gilt nicht ins Wasser zu fallen und unterzugehen, sondern aufrecht zu bleiben, den Kopf hoch zu halten, die Übersicht zu bewahren und tapfer durchzuhalten. Das ist sein Mythos. Er wird ein Brückengänger sein. Solch ein Traum in solch einer Lebenssituation kann nicht als blosser Zufall oder wilde Fantasie abgetan werden. Er weist uns auf die Macht und das Wirken einer höheren Intelligenz hin. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit 10